Post on 27-Mar-2019
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Kopfschmerz
U. Gruber-SedlmayrUniv. Klinik für Kinder- und
Jugendheilkunde Graz
Differenzierung primärer versus sekundärer Kopfschmerz
Primär: der KS ist selber die
ErkrankungSpannungskopfschmerzMigräne mit VariantenCluster-Kopfschmerz und
andere Trigemino-autonome KS wie chron. paroxysmale Hemicranie
Andere primäre Kopfschmerzen
Sekundär: KS ist Symptom einer
GrunderkrankungErhöhter, erniedrigter DruckBlutung,Sinusvenen-
thrombose und andere vaskuläre Ursachen
EntzündungTrauma Bluthochdruck, SubstanzenFehlsichtigkeit………
Anamnese
• Seit wann?• Wie stark? Wie lange? • Ständig oder episodisch?• Welche zusätzlichen Symptome?• Schmerzcharakter und – lokalisation?• Zeitliche Entwicklung?• Eine oder mehrere Kopfschmerzarten?
Anamnese
• Was löst sie aus?• Was macht sie besser?• Was macht sie schlechter?• Welche Medikamente hast du schon
genommen? Helfen sie dir?• Was machst du bei Kopfschmerzen?• Familienanamnese
Klinische Untersuchung
• Allgemeinzustand• Temperatur• Neurologischer Status• Blutdruck• HN-Austrittspunkte • Kiefergelenk• Bulbusdruck erhöht?• Druck- oder Klopfschmerz der Kalotte• Zahnstatus
Zusatzuntersuchungen entsprechend Anamnese und klinischer Untersuchung!
Verdacht auf • Raumforderung: MRT• Meningitis/ Enzephalitis: Liquoruntersuchung• Blutung: CT / MRT, ev. LP• NNH-Entzündung: Röntgen/ MRT/ BB, CRP• Glaukom: Augendruckmessung• Dentogene Schmerzen: Vorstellung Zahnarzt• Entzündung des Kiefergelenkes: Vorstellung
Kieferorthopädie• Verdacht auf Epilepsie (bei oder nach Bewußtseins-
beeinträchtigung): EEG
Kopfschmerz bei Raumforderung im Cerebrum oft Spätzeichen!
Raumforderung in der hinteren Schädelgrube
Diagnose durch • Kopfschmerz• Erbrechen
(morgendlich!)• Ataxie• Hirnnervenparesen• Im 1.Lj perzentilen-
überschreitendes Kopfwachstum
Arnold Chiari I Malformation
Normvariante oderOperationsindikation?
Spannungskopfschmerzen
• Episodisch oder chronisch• Leichter bis mittelschwerer Schmerz ohne Verstärkung
durch körperliche Aktivität, ev. mit Licht- od. Lärm-empfindlichkeit
• Ganzer Kopf betroffen, Stunden bis Tage dauernd• Drückend-ziehender Schmerzcharakter• Ursache: Störung im Bereich der Schmerzverarbeitung,
ev.Verspannung der myofascialen Strukturen im Nacken und Kopf ausgelöst durch fieberhafte Infekte oder Stress
• Therapie: Physikalische Maßnahmen, ev. trizyklische Antidepressiva, Analgetika nur bei episodischen Schmerzen, selterner als 2x/Wo im Schnitt
• Gefahr: Entwicklung von analgetika-induzierten Kopfschmerzen
Migräne
• Laut Literatur 10 – knapp 50% der Bevölkerung betroffen
• Nach Pubertät Frauenwendigkeit 3 : 1• Diagnose anamnestisch - klinisch und erst
durch zeitlichen Verlauf möglich• Kopfschmerzattacken sehr
unterschiedlicher Häufigkeit• Ausgelöst teilweise durch Trigger
Migräne - Diagnosekriterien
Ohne Aura • Halbseitiger KS (Kinder eher ganzer Kopf)• Dauer von 1 bis 72 Stunden• Mittlere bis starke Schmerzintensität• Pulsierender Schmerzcharakter• Verstärkung durch körperliche Aktivität• Übelkeit und/oder Erbrechen• Licht- und Lärmempfindlichkeit• Zumindest 5 derartige Attacken in der
Anamnese
Migräne - Diagnosekriterien
Mit Aura • Reversible neurologische Symptome
Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen, Sprachprobleme, Lähmungen, Bewusstseinstörung
• Dauer der Aurasymptome über 5 – 60 Minuten mit langsamer Entwicklung bzw. sich ablösend
• Gehen den Kopfschmerzen meist voran – diese können ausbleiben „typische Aura ohne Kopfschmerz“
• Mindestens 2 solcher Attacken
Differentialdiagnosen• Entwicklung der neurologischen Symptome bei
TIA/Infarkt/Blutung schlagartig, kaum positive Phänomene (zB Flimmerskotom, Kribbelparästhesien)
• Kopfschmerzen bei TIA/Infarkt gleichzeitig mit neurologischen Symptomen, nicht im Vordergrund oder fehlend
• MR–Veränderungen in der Diffusion nicht nur bei Infarkt
• Entwicklung neurologischer Symptome bei fokaler Epilepsie innerhalb von Sekunden – außerdem meist positive motorische Phänomene
• Anamnestisch DD schwierig: „Confusional State“ bei Migräne – langer lokalisationsbezogener Anfall mit Bewusstseinstrübung
• EEG vor allem in der Attacke hilfreich
CT – Veränderungen in der Perfusion während einer Migräne-Attacke
EEG: Verlangsamungsherd während und kurz nach einer Migräne-Attacke
Ätiologie der Migräne
Veränderte Erregbarkeit der Neurone
Hyper- dann Hypoperfusion
Cortical spreading depression Aura
Kopfschmerzursache?
Trigemino-vaskuläres
SystemIonenkanal-veränderungen
bei familiärer hemiplegischerMigräne
Freisetzung vonNeurotransmittern Entzündungsmediatoren
Na+ K + CGRP
? Ursprung im Hirnstamm (PET)
Locus coeruleus
Offenes foramen ovale
Mikroemboli
Seltenere Formen der Migräne
• Ophthalmoplegische Migräne
• Retinale Migräne
• Migräne mit Hirnstamm-Aura ( Bewusstseinstrübung,
Ataxie, Dysarthrie, Diplopie, Hypacusis, Tinnitus,
Schwindel)
• Familiäre hemiplegische Migräne
• Sporadische hemiplegische Migräne
Komplikationen der Migräne
• Chronische Migräne: mehr als 15 Tage/Mo über mehr als 3 Monate
• Status migränosus: Dauer einer Attacke länger als 72 Stunden
• Persitierende Aura• Migränöser Infarkt• Epileptischer Anfall durch Migräneattacke
getriggert
Fallbeispiel Status migrainosus und sporadische Hemiplegische Migräne: Marco 15a (191cm, 85kg)
• Onkel vs Migräne, Eltern und jüngerer Bruder gesund
• Grav., Geburt, Entwicklung unauffällig• HWI mit 11 Mo, Diagnose einer Doppelniere• Mit 12 11/12a erste Attacke mit Taubheitsgefühl
der rechten Hand, anschließend Kopfschmerzen. Im nächsten Jahr 3 Attacken mit KS, Übelkeit und Erbrechen und im Jahr darauf 2 solche Attacken
Status migrainosus
• Am 27.7. Migräneattacke ohne Aura • Ab 30.7. für 10Tage täglich Migräneattacken – tlw. mit
Hemiparese links, • nie ganz schmerzfrei, trotz intensiver Schmerztherapie
(NSAR, Metamizol, Paracetamol) und in den Tagen ohne Aura Triptantherapie, weiters bei Übelkeit und Erbrechen Ondansetron
• Ende der KS-Attacken unter 3 Tage Methyprednisolon iv 1g/Tag, dann 3 Tage Aprednislon po, nach 4 Tagen noch eine Attacke mit Hemiparese, dann über Monate keine Attacke mehr
familiäre hemiplegische Migräne
• FHM 1 (mit Kleinhirnzeichen): Mutation im CACNA1A Chromosom 19 (spannungsabhängiger Ca Kanal) in den Attacken mit Hemiparesen häufig Bewusstseins-störungen, Fieber, Liquorpleozytose
• FHM 2 Mutation des ATP A2 Gens am Chromosom 1 (Na/K-Pumpe)
• FMH 3 mit Mutation des SCN1A Gen (Na Kanal) auf Chromosom 2
• FMH4 (PRRT2 Gen)• FMH5 (SLC4A4 Gen)……
43 J*03/1967
42 J*05/1968
Stammbaum
9 J 13 J16 J*04-1994
46,XX
19 J*08/1991
38 J*02/1972
Hemiplegische Migräne
63 J10/1947
Epilepsie bzw. Fieberkrämpfe
61 J*05/1949
? unb.
2
Periodische Syndrome in der Kindheit, die möglicherweise mit Migräne assoziiert sind
• Paroxysmaler Torticollis
• Paroxysmaler Vertigo
• Zyklisches Erbrechen
• Abdominelle Migräne
paroxysmaler Torticollis
• Beginn im 1. Lebensjahr• Dauer der Attacken einige Stunden bis 3
Tage• Unwohlsein und wiederholtes Erbrechen• Schiefhaltung des Kopfes• Ev. pos. Familienanamnese auf Migräne• Ev. später Entwicklung einer typischen
Migräne
Fallbeispiel paroxysmaler Torticollis
• 2. Kind gesunder Eltern, jüngere Schwester gedeckte Meningozele
• 3. Grav., Blutungen SSW 5 – 7, Geburt amTermin spontan SL, GG 3420g, L 50cm KU 37cm, Apgar 9/10
• Leichte motorische Entwicklungsverzögerung• MR Schädel und WS mit 24 Mo: multiple Halb-
und Schmetterlingswirbel C2 – C7• Dextrocardie, Tricuspidal- und Mini-
Aorteninsuffizienz Dg: Klippel-Feil-Syndrom mit bester mentaler
Entwicklung
Fallbeispiel paroxysmaler Torticollis
Ab dem Alter von 4 Mo Episoden mit Kopfschiefhaltung über bis zu 4 Tage, ca. einmal/Mo, ab 16 Mo tlw. mit Erbrechen. Ab 5a Episoden kürzer, nachts beginnend, Erbrechen 6 – 8x, ab 6a zusätzlich Kopfschmerzen
Therapie der Migräne
Akuttherapie• Nichtopoid-Analgetika, nichtsteroidale
Antirheumatica bei Kindern: Ibuprofen 10mg/kg KG, Paracetamol 15mg/kg KG, ab 12a ASS
• Serotoninrezeptoragonisten (Triptane) bei Kindern und Jugendlichen ab 12a Sumatriptan Nasenspray zugelassen, die Übrigen off-label –unter 10a weniger wirksam
• In Studien: CalcitoninGenRelatedProtein –Rezeptor-Antagonisten
Therapie der Migräne
Prophylaktische Therapie• Vermeidung von TriggernBei mehr als drei Attacken pro Monat:• Betablocker (zB Propanolol)• Ca-Antagonisten (Flunaricin)• Antiepileptica (Valproinsäure, Topiramat,
Lamotrigin)• Antidepressiva (Amitriptylin)• In Studien: Botulinumtoxin-Injektionen
Therapie der Migräne
Carlos M. Villalón et al.: An Introduction to Migraine: from Ancient Treatment to Functional Pharmacology and Antimigraine Therapy. Proc. West. Pharmacol. Soc. 45, S. 199–210 (2002 )
… in der Mittelsteinzeit