Post on 06-Apr-2015
transcript
KAV-Seminar
Vergütungsvereinbarung in der Strafverteidigung
Wozu?
• um dem Vermögensverfall (§ 14 Abs. 2 Nr.7 BRAO) vorzubeugen (Berufspflicht)
• um effektive Verteidigung betreiben zu können (das sog. Zweitmandat)
• um Unabhängigkeit vom Mandanten und von der Justiz zu erhalten – schlimmstenfalls zu erlangen (RVG VV 4141)
Wann?
• möglichst früh• BGH Urt. V. 07.02.2013 – IX ZR 138711 – = BeckRS 2013,
06891: erstmaliges Verlangen vor Gerichtstermin mit Androhung Mandatsniederlegung kann widerrechtliche Drohung enthalten (Anfechtung/Schadensersatz auf Befreiung von Vergütungsversprechen)
– ggfs. Verlust des Anspruches auf gesetzliche Vergütung des geleisteten Teils bei Wahrmachen der Kündigung BGH Urt. 29.09.2011 – IX ZR 170/10 – (Interessewegfall nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB)
Wann? (beim inhaftierten Mandanten)
Überraschungsmoment/Sittenwidrigkeit (nicht sofort / mit „Überlegung“)
Kautionsrückzahlungsanspruch als Sicherheit? BGH BRAK-Mitt. 2009, 88: Verrechnung verstößt ge- gen Sicherungscharakter der Zweckbindung. Damit ist Modifikation der Sicherungsvereinbarung nicht ausge- schlossen (instr.: Sefrin KammerForum 2014, 116ff.)
Warum?
Weil die Vergütungsvereinbarung das strafrechtliche Mandat
„verrechtlicht“
Welche?
• Erfolgsabhängig• Erfolgsunabhängig• Pauschalvereinbarung• Stundensatz• Tarifgebunden• Nachträgliche Vergütungsvereinbarung
Vereinbarung über
erfolgsabhängige erfolgsunabhängige
Vergütung
(von einem als „Erfolg“ (Normalfall der dienst-definierten Ereigniseintritt leistungsbezogenenabhängige Vergütung) Vergütung)
„Erfolg“ z.B.• Freispruch• Einstellung d. Verf.• günstige Entsch. i. Haftverf.• Vermeidung HV (VV 4141) u.a.
RVG ist Berufsgesetzi.S.d. § 43 BRAO als Transportnorm
Abbedingung durch Vergütungsvereinbarung nur in den Grenzen der §§ 3 ff. RVG möglich
Gesetzliche Voraussetzungen der erfolgsabhängigen Vergütungsvereinbarung (§ 4a Abs. 1 RVG): wirtschaftliche Insuffizienz des Mandanten (keine RS-VS,
anderw. Kostenträger und keine notwendige Verteidigung) ohne Erfolgsvereinbarung Zugang zum Recht versperrt Darlegung Höhe gesetzlicher/erfolgsunabh. Verg. (§ 4a Abs.
2 Nr. 1 RVG), Erfolgsdef., Höhe der Erfolgsverg. (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 RVG) und der vom Mandanten geschilderten Gegebenheiten für die Erfolgsaussicht (§ 4a Abs. 3 RVG)
Gesetzliche Erfolgsvergütung
Klassisch: VV 4141 (vgl. auch z.B. VV 1000 - 1005)
Erhöhung dieser Gebühren durch Vereinbarung ohne die Voraussetzungen des § 4a RVG möglich (§ 49b Abs. 2 Satz 3 BRAO)
Nur für die Tatbestände in VV 4141 (also nicht für Freispruch, günstige Haftentscheidungen pp.) und nicht in Kombination mit weiteren RVG-Bestimmungen modifizierenden Vereinbarungen „ohne weitere Bedingungen“
Wie hoch?
Unangemessenheit /„Mäßigungsgebot“
BGHZ 162, 98ff. = NJW 2005, 2142ff.: das Fünffache der Höchstgebühr erzeuge eine Vermutung für Unangemessenheit der Vergütung weil der Gebührenordnung ein „Mäßigungsgebot“ innewohne.
Überholt nach BVerfG NJW-RR 2010, 259ff. = StV 2010, 89 durch: BGH NJW 2010, 1364; BGH AnwBl. 2011, 148: rückblickende Kontrollrechnung nach fiktivem Stundensatz – substantiierte Darlegung erforderlich
Pauschalvereinbarung
Höhe: Aufwandskalkulation + Zuschlag oder
Ideenvergütung
Stundensatzvereinbarung
Höhe: RAK Köln hält in Gebührengutachten Stundensätze zwischen 150,00 € und 500,00 €OLG Koblenz Beschl. v. 26.04.2010 – 5 U 1409/09 – = BeckRS 2010, 12986
Mindeststandards
Für alle Gestalten von Vergütungsvereinbarungen:
• Trennungsprinzip, § 3a Abs. 1 S. 2 RVG• Abstufung nach Verfahrensabschnitten (Bestimmtheit
und Praktikabilität)• Textform, § 3a Abs. 1 S. 1 RVG• Hinweispflichten § 3a Abs. 1 S. 3• möglichst wenig kautelarjuristische Bemühungen (AGB)• Gerichtsstandklausel bei Wohnsitz des Mandanten im
Ausland
Fallstricke (1)
Pauschale
• Verfallklausel nach OLG Köln Urt. 10.01.2012 – 24 U 103/10 – = BeckRS 2012, 03590 berufswidrig (u.B. auf BGHSt 27/366 zu früheren Standesrichtlinien – führt zu Unwirksamkeit der
Klausel und Anwendung ges. Regel des § 628 Abs. 1 S.1 BGB: Abrechnung des geleisteten Teils)
• unzureichende Beschreibung des Abgeltungsbereichs (Bestimmtheit)
• fehlende Dokumentation (nachträgl. Rechtf. Angem.)
Fallstricke (2)Stundensatzvereinbarung
• Zeittakt Zulässigkeit str. : OLG Düss., Urt. 07.06.2011 – I – 24 U 183/05 – (unzul.); OLG Karlsruhe Urt. v. 28.08.2014 – 2 U 2/14 – zulässig, wenn vereinb. BGH Urt. 21.10.2010 – IX ZR 37/10 – offen gelassen• unzureichende Abgrenzung von Anwaltszeitaufwand zu Wartezeiten,
Fahrtzeiten• fehlende Fälligkeitsregel• fehlende zeitliche Eingrenzung des Geltungsbereichs• Fehlende Mindestgebühr für Tätigkeiten im gerichtlich anhängigen Verfahren
(unzulässige Gebührenunterschreitung – §§ 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO, 4 Abs. 1 RVG)
Fallstricke (3)
Tarifgebundene Vereinbarung
§ 4 Abs. 3 Satz 2 RVG: Bleibt die Bestimmung der Vergütung dem RA überlassen, ist nur die gesetzliche Gebühr geschuldet. Deshalb führen Bestimmungen wie „das Doppelte der gesetzlichen Gebühr“ nur zu deren einfachem Satz. Möglich: Vielfaches der Höchst-/Mindest-/Mittelgebühr
Leistungsstörungen
• Keine Verrechnung zweckgebundener Zahlungen
• Zurückbehaltung von Leistungen kein Zurückbehaltungsrecht im Dienstvertrag Mandat niederlegen• Vorzeitige Beendigung/Mandatsniederlegung Bei Pauschalvereinbarungen Abrechnungsmodus (z.B. Stundensatz) vereinbaren
Rechtsfolgen fehlerhafter Vergütungsvereinbarungen
Kein Gegenleistungsanspruch aus
• sittenwidriger Vereinbarung (Wucher, Überrumpelung – Vorsicht beim inhaftierten Mandanten!)
• formfehlerhafter Vereinbarung (Reduzierung auf ges. Gebühr als vertr. Anspruch BGH Urt. 05.06.2014 – IX ZR 137/12 – )
• Vereinbarung ohne ausreichende HinweiseBGH Urt. v. 25.09.2014 – 4 StR 586/13 – Betrug d. Unterl.
Es gilt zur Rückabwicklung ausschließlich Bereicherungsrecht (§ 4b Satz 2 RVG)
Bei Unwirksamkeit einzelner Klauseln gilt § 306 Abs. 2, 3 BGB
Vergütungsvereinbarung bei Pflichtverteidigung
Im Gegensatz zum PKH-Mandat (§ 3a Abs. 3 RVG) möglichZu beachten: Anrechnung, § 58 Abs. 3 RVGgesteigerte Hinweisanforderungen (doppelte
Kostenbelastung bei Verurteilung)Keine Drohung mit „Dienst nach Vorschrift“
Vergütungsvereinbarung mit Dritten/Abrechnung mit RS-VS
Besonderheiten ergeben sich aus Verschwiegenheitspflicht (z.B. detaillierte Abrechnung gegenüber dem Arbeitgeber) und Leistungsstörung im Verhältnis zu Vergütungsschuldner
Im Zweifel: gesamtschuldnerische Haftung vereinbaren
Sonderproblem: Vorsteuerabzugsberechtigung des versicherten Unternehmens führt nicht zu Nettovergütung beim Verteidiger des mitversicherten AN: EUGH (1. Kammer) vom 21.02.2013 – C-104/12 – (Verteidigung keine umsatzbezogene Tätigkeit)
Vergütungsvereinbarung bei Beratung/Erstberatung
• Gesetzliche Empfehlung § 34 Abs. 1 RVG
Folgen bei Mißachtung: § 612 BGB Vergütung nach dem Discount des
Beratungsmarktes• Anrechnung § 34 Abs. 2 RVG• Formfrei wirksam, § 3a Abs. 1 Satz 4 RVG
Nachträgliche Vergütungsvereinbarung
Die nach Abschluss des Mandats getroffene Vergütungsvereinbarung (freiwilliger Aufschlag/Erfolgsbonus pp.) ist ebenfalls an die Anforderungen des § 3a RVG gebunden (Wortlaut § 3a RVG)str. dafür: OLG Hamm Urt. V. 22.07.2010 – 28 U 237/09 - =
BeckRS 2010, 22728dagegen: Hartung/Schons/Enders RVG § 3a, Rdnr. 25