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Kanton Zug Kantonsgericht
Einzelrichter
Kantonsrichter!
Zwischenentscheid vom 15. Juni 2016
in Sachen
vertreten durch RA lic.iur. Rainer Dsecke, schädenanwaelte.ch AG, Industriestrasse 13c,
6300 Zug,
Klägerin,
gegen
vertreten durch
Beklagten,
und
vertreten durch
Nebenintervenientin,
betreffend
Forderung
Rechtsbegehren
Klägerin
1. Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000.00 zu bezahlen nebst Zins von
5 % p.a.!
2. Es sei davon Vermerk zu nehmen, dass es sich um eine Teilklage handelt.
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beklagten.
Beklagter
1. Die Klage sei abzuweisen.
2. Die Verfahrenskosten seien der Klägerin aufzuerlegen und diese sei zu verpflichten, den Be
klagten angemessen ausserrechtlich zu entschädigen.
Sachverhalt
1.1 (nachfolgend: Klägerin) ist selbständige Bis
zu Beginn des Jahres . betrieb sie im 1. Obergeschoss des Gebäudes an der
(nachfolgend: Beklagter) be
wohnte damals im gleichen Gebäude eine Wohnung. Am frühen Morgen des
geriet das Gebäude in Brand. Der Brandherd wurde vom kriminaltechnischen Dienst der
Zuger Polizei im Wohnzimmer des Beklagten lokalisiert. Der Gebäudeteil, In dem sich die
Zahnarztpraxis befand, brannte nahezu vollständig aus (vgl. Rapport der Zuger Polizei vom
[act. 1/8]; Bericht des kriminaltechnischen Dienstes vom
[act. 1/13b]).
1.2 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug erhob Anklage gegen den Beklagten wegen fahr
lässiger Verursachung einer Feuersbrunst. Mit Urteil vom sprach ihn das
Einzelrichteramt des Kantons Zug von der Anschuldigung der fahrlässigen Verursachung
einer Feuersbrunst frei. Die von der Klägerin adhäsionsweise geltend gemachte Schaden
ersatzforderung wurde auf den Zivilweg verwiesen (act. 1/14).
2. Am 23. Dezember 2013 reichte die Klägerin beim Friedensrichteramt Menzingen gegen den
Beklagten ein Schlichtungsgesuch ein und begründete damit die Rechtshängigkeit (Art. 62
Abs. 1 ZPO). Am 11. Februar 2014 erteilte das Friedensrichteramt Menzingen der Klägerin
die Klagebewilligung und auferlegte ihr die Kosten des Schlichtungsverfahrens von
CHF 600.00 (act. 1/2).
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Seile 3/17
3. Am 28. Mai 2015 reichte die Klägerin beim Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, Klage mit dem
eingangs erwähnten Rechtsbegehren ein (act. 1). Zur Begründung führte sie zusammenge
fasst aus, dass der Beklagte den Brand vom ausgelöst habe, indem er un
vorsichtig mit Raucherwaren umgegangen sei und eine brennende Zigarette nach dem Ver
lassen der Wohnung leicht brennbares Material entzündet habe. Durch das Feuer und die
massiven Löscharbeiten sei ihre Zahnarztpraxis zerstört bzw. gebrauchsunfähig gemacht
worden. Der vorläufige Sachschaden betrage CHF 54*299,75. Sie - die Klägerin - behalte
sich vor, im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels oder anlässlich der Hauptverhandlung
weitere Ausführungen zum Schaden zu machen. Im Sinne einer Teilklage mache sie als
Schaden den Betrag von CHF 30'0Q0.Q0 geltend.
4. Mit Eingabe vom 12. Juni 2015 teilte Fürsprecher mit, dass seine Mandantin,
als Nebenintervenisntin am Prozess teilnehmen
werde (act. 6). Anträge in der Sache stellte er nicht. Mit Entscheid des Kantonsgerichts Zug,
Einzelrichter, vom 3. Juli 2015 wurde die (nach
folgend: Nebenintervenientin) als Nebenintervenientin zugelassen (act. 12).
5. In der Klageantwort vom 7. August 2015 beantragte der Beklagte - der gemäss einer am
30. Juni 2015 ins Recht gelegten Vollmacht (act. 11) ebenfalls durch Fürsprecher
anwaltlich vertreten wird - die kostenfällige Abweisung der Klage (act. 15). Er bestritt im We
sentlichen, dass er den Brand vom ausgelöst habe oder dass das Brander
eignis auf seine angebliche Unvorsichtigkeit im Zusammenhang mit Raucherwaren zurückzu
führen sei. Ausserdem bestritt er den Schaden. Dieser sei nicht rechtsgenüglich geltend ge
macht worden.
6. in der Replik vom 23. November 2015 (act. 20) und der Duplik vom 18. Januar 2016 (act 23)
hielten die Parteien je an ihrem Rechtsbegehren fest.
7. Mit Entscheid vom 7. April 2016 beschränkte das Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, den Pro
zess einstweilen auf die Frage der Brandursache (act 28).
8. Mit Eingaben vom 11. April (act. 29) und 12. April 2016 (act. 30) erklärten sich der Beklagte
und die Klägerin - gestützt auf den Entscheid des Kantonsgerichts Zug, Einzelrichter, vom
7. April 2016 (act. 28) - mit der Anordnung von schriftlichen Parteivorträgen anstelle einer
(mündlichen) Hauptverhandlung einverstanden. Nachdem der Klägerin mit Entscheid vom
14. April 2016 eine Frist zur Einreichung des ersten schriftlichen Parteivortrages angesetzt
worden war (act. 31), teilte sie mit Eingabe vom 6. Mai 2016 mit, dass sie auf einen schriftli
chen Parteivortrag verzichte (act. 32).
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Erwägungen
1. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in derweil der Beklagte seinen Wohnsitz in der Türkei
hat (act. 11) Es liegt somit ein internationaler Sachverhalt im Sinne von Art 1 Abs. 1 IPRG
vor (vgl. Art. 2 ZPO). Da zwischen der Schweiz und der Türkei keine Abkommen über die
Zuständigkeit und das anwendbare Recht bestehen, welche vorliegend einschlägig wären,
beurteilen sich Zuständigkeit und anwendbares Recht nach dem IPRG (Art. 1 Abs. 2 IPRG).
Die Klägerin stützt ihre Forderungen auf eine unerlaubte Handlung (vgl. act. 20 S. 7 oben).
Für Klagen aus unerlaubter Handlung sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des
Beklagten oder, wenn ein solcher fehit, diejenigen an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort
zuständig. Überdies sind die schweizerischen Gerichte am Handlungs- oder Erfolgsort sowie
für Kiagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz die Gerichte am Ort der
Niederlassung zuständig (Art 129 Abs, 1 IPRG). Die von der Klägerin geltend gemachte un
erlaubte Handlung soll sich in , zugetragen haben. Somit ist das Kantonsgericht
Zug, Einzelrichter, zur Beurteilung der vorliegenden Streitsache unbestriUenermassen inter
national, örtlich, sachlich und funktionell zuständig (Art. 129 Abs. 1 IPRG; § 28 Abs. 2 lit. b
GOG).
Da der Beklagte und die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im gleichen Staat ha
ben, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die unerlaubte Handlung begangen
wurde (Art. 133 Abs. 2 IPRG), Anwendbar ist somit schweizerisches Recht (insbesondere
Art. 41 ff. OR)
2. Wer einem ändern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht oder aus Fahrlässigkeit,
wird ihm zum Ersatz verpflichtet (Art. 41 Abs. 1 OR). Der Schadenersatzanspruch aus uner
laubter Handlung setzt einen Schaden, eine widerrechtliche Handlung (oder Unterlassung),
einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der widerrechtlichen
Handlung (oder Unterlassung) und dem Schaden sowie ein Verschulden des Schädigers vo
raus. Die Beweislast für Schaden, Widerrechtlichkeit, Kausalzusammenhang und Verschul
den liegt beim Geschädigten, vorliegend somit bei der Klägerin (Art 8 ZGB).
Gegenstand des vorliegenden Zwischenentscheids bildet die Frage, welches die Ursache für
den Brand vom war. Es geht mithin um die Feststellung des Tatbestands, an
den die Haftung anknüpfen soll, bzw. - wenn feststeht, welche Handlung oder Unterlassung
der Beklagte in der Nacht des Brandes vorgenommen hat - darum abzuklären, ob die Hand
lung oder Unterlassung des Beklagten natürlich und adäquat kausal zum Brand des Gebäu
des war. Nicht Gegenstand dieses Entscheids bilden hingegen die Fragen der Rechtmässig
keit bzw. Widerrechtlichkeit der beklagtischen Handlung oder Unterlassung, des Eintritts und
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der Höhe des Schadens, des Kausalzusammenhangs zwischen Brand und Schaden sowie
des Verschuldens.
Die Klägerin behauptet, der Brand sei durch den Beklagten ausgelöst worden, der unvorsich
tig mit Raucherwaren hantiert und eine brennende Zigarette habe liegen lassen (act. 1 Rz 5;
act. 20 S. 5). Der Beklagte bestreitet einerseits, dass er den Brand durch eine Handlung
"ausgelöst" habe (E. 3), und andererseits, dass der Brand auf seine angebliche Unvorsichtig
keit im Umgang mit Raucherwaren (Unterlassung; E. 4) zurückzuführen sei (act. 15 Rz 1).
3. Zunächst ist zu prüfen, ob eine Tätigkeit (Handlung, Begehung oder aktives Tun) des Klägers
natürlich und adäquat zum Brand des Gebäudes vom gewesen ist. Dazu ist -
wie erwähnt - zu beurteilen Ist, wie sich der Beklagte in der fraglichen Nacht verhalten hat,
mithin weiches die (allenfalls) haftungsbegründenden Umstände waren.
3,1 Ein natürlicher Kausalzusammenhang liegt vor, wenn zwischen dem haftungsbegründenden
Umstand und dem eingetretenen Erfolg (z.B. Schaden) ein Bedingungszusammenhang in
dem Sinne besteht, als der Umstand nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der Er
folg entfällt Ist ein Umstand conditio sine qua non für einen Erfolg , ist der natürliche Kausal
zusammenhang gegeben. Für den vorliegenden Zwischenentscheid wäre die natürliche Kau
salität folglich dann als gegeben zu betrachten, wenn die schädigende Handlung nicht weg
gedacht werden kann, ohne dass der eingetretene Erfolg, d.h. der Brand, entfiele oder an
ders ausgefallen wäre, im Rahmen der natürlichen Kausalität muss der schädigende Vor
gang nicht die alleinige Ursache des eingetretenen Erfolgs sein (Urteile des Bundesgerichts
4A_275/2013 vom 30. Oktober 2013 E. 4 und 4A_45/2009 vom 25. März 2009 E. 2.3.1;
Kessler, Basler Kommentar, 6. A. 2015, Art 41 OR N 14; je mit Hinweisen).
Die Beweislast für den natürlichen Kausalzusammenhang liegt bei der geschädigten Person
und somit vorliegend bei der Klägerin (Art, 8 ZGB). Das Beweismass wird beim Nachweis der
natürlichen Kausalität - gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung - vom Regel
beweis auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt, da der Nachweis der natürli
chen Kausalität typfscherweise mit Beweisschwierigkeiten verbunden ist. Folglich ist nicht er
forderlich, dass der Richter nach objektiven Gesichtspunkten vom Vorliegen einer Tatsache
überzeugt ist (Regelbeweismass). Vielmehr genügt es und ein Beweis gilt als erbracht, wenn
für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige
Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise ausser Betracht
gelassen werden können (Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit). Verlangt
wird somit nicht ein strikter und absoluter Beweis. Stattdessen hat sich der Richter mit derje
nigen Gewissheit zufriedenzugeben, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der all
gemeinen Lebenserfahrung verlangt werden kann (BGE 132 III 715 E. 3.1 f.; BGE 130 III 321
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E. 3.3; Kessler, a.a.O., Art. 41 OR N 15; Felfmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflicht
recht, Bd. 1, 2012, Rz 66; je mit Hinweisen). Beweisschwierigkeiten ergeben sich insbeson
dere auch bei Brandfällen für die Frage der Kausalität zwischen Handlung oder Unterlassung
und Brand, weshalb in solchen Fällen bei der Beurteilung des natürlichen Kausalzusammen
hangs das herabgesetzte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit umso mehr
genügen muss (Urteile des Bundesgerichts 4A__431/2010 vom 17, November 2010 E. 2.4
und 4AJ316/2013 vom 21. August 2013 E. 6.2).
3.2 Vorliegend ist umstritten, welche Handlungen der Beklagte am Morgen des
genau vorgenommen hat. Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe eine brennende Ziga
rette auf dem Fernsehstuhl in der Wohnung liegen lassen und anschliessend das Haus ver
lassen (act. 1 Rz 5). Der Beklagte bestreitet, dies getan zu haben. Er behauptet, die Zigaret
te eher fest im Aschenbecher ausgedrück! zu haben {act. 15 Rz 11).
3.3 Ungefähr um 04.30 Uhr des entstand im Mehrfamilienhaus an der
ein Brand, der sich innert kurzer Zeit zu einem Vollbrand entwickelte.
Als Brandherd wurde das Wohnzimmer des Beklagten lokalisiert (vgl. Polizeirapport (act. 1/8]
S. 5). Um 05.10 Uhr desselben Morgens wurde der Beklagte durch die Zuger Polizei befragt
(act. 1/9). Der Beklagte sagte aus, er habe ferngeschaut und sei dabei eingeschlafen. Als er
aufgewacht sei, habe er gesehen, dass er keine Zigaretten mehr habe. Daraufhin habe er
das Haus verlassen und sich zum Selecta-Automaten begeben. Als er zurück in seine Woh
nung gekommen sei, sei Rauch aus dem Wohnzimmer gekommen. Auf die Frage, weshalb
es zum Rauch habe kommen können, antwortete der Beklagte, dass er vermutlich eine bren
nende Zigarette auf dem Fernsehstuhl vergessen habe, wobei er dies nicht genau wisse. Er
sei starker Raucher. Um 07.45 Uhr wurde der Beklagte ein weiteres Mal polizeilich befragt
(act. 1/10). An dieser Befragung sagte er aus, er sei auf dem Sofa eingeschlafen. Als er auf
gewacht sei, habe ihm nach Süssem gelüstet. Gleichzeitig habe er keine Zigaretten mehr
gehabt, weshalb er sich entschlossen habe, etwas zu besorgen. Also habe er seine Hosen
und eine Jacke angezogen und sich nach draussen begeben. Beim Selecta-Automaten bei
der Bushaltestelle habe er sich Zigaretten und Schokolade besorgt. Er sei ungefähr zehn Mi
nuten unterwegs gewesen, bis er wieder in die Wohnung zurückgekehrt sei. Ob er vor dem
Verlassen der Wohnung noch eine Zigarette geraucht habe, wisse er nicht mehr. Er habe nur
einen Aschenbecher. Es handle sich um einen offenen, runden Glas-Reklameaschenbecher.
Dieser sei entweder auf dem Sessel oder auf dem Fernsehstuhl gestanden. Neben dem
ziemlich vollen Aschenbecher hätten sich zwei oder drei leere Packungen Zigaretten sowie
Kleider in unmittelbarer Nähe befunden. Auf dem Fernsehstuhf und auf dem Hocker seien
zusätzlich ein Schal, ein Pullover, eine Winterjacke, eine Anzugsjacke sowie ein Hemd gele
gen. Es sei auch möglich, dass der Aschenbecher sogar auf den Kleidern gestanden habe.
Dazu müsse er noch erwähnen, dass seine Winterjacke sehr brennbar gewesen ser. Es habe
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sich um eine Daunenjacke gehandelt. Auf die Frage, ob es möglich sei, dass die Kleider
durch eine Zigarette in Brand geraten seien und dies zum Brand geführt habe, antwortete der
Beklagte wie folgt (act, 1/10 Frage 20): "Entweder dies oder der Brand entstand durch das
offene Kabel, welches sich an der Zimmerdecke befunden hatte". Am wurde
der Beklagte um 14.45 Uhr zum dritten Mai polizeilich befragt (act. 1/11 S. 1 ff,). Aufgrund
von Müdigkeit des Beklagten während der Befragung wurde diese beendet und am Folgetag
um 11.05 Uhr fortgesetzt (act. 1/11 S. 6 ff.). Am ersten Tag dieser zwei Befragungen sagte
der Beklagte, er könne nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob sich der Aschenbecher auf dem
Salontisch, dem Hocker oder dem Fernsehstuhl befunden habe. Am Folgetag bestätigte er
aber, dass sich der Aschenbecher, die angefangene Zigarettenpackung und das Gasfeuer
zeug auf dem Hocker befunden hätten. Der Hocker sei aus Holz und Staff gewesen und habe
sehr nahe am Sofa gestanden. Auf Nachfragen hin korrigierte der Beklagte, dass es sich
nicht um eine angefangene, sondern um eine leere Zigarettenpackung gehandelt habe, die
neben dem Aschenbecher gelegen habe. Bevor er die Wohnung verlassen habe, habe er
keine Zigarette mehr geraucht Die letzte Zigarette habe er geraucht, bevor er eingeschlafen
sei. Geschlafen habe er aber nur wenige Minuten, er denke höchstens fünf bis zehn Minuten.
Dann sei er aufgewacht, und ungefähr zwei bis drei Minuten später habe er die Wohnung
verlassen, um zum Selecta-Automaten zu gehen. Als ersieh in der Nacht auf den
auf das Sofa gelegt habe, seien die Ständerlampe und die Wohnwandbeleuchtung ein
geschaltet gewesen. Abgesehen vom Fernseher und dem Ersatz-Natel in der Ladestation
seien keine weiteren elektrischen Geräte angeschaltet gewesen. Am wurde
der Beklagte vom Untersuchungsrichteramt des Kantons Zug ein vernommen (act. 1/12).
Nebst den Angaben zu den Geschehnissen in der Nacht vom gab der Be
klagte, wie bereits bei den polizeilichen Befragungen, zu Protokoll, dass er jeweils Probleme
mit dem Elektrischen gehabt habe, es oft Kurzschlüsse gegeben und er oft habe Glühbirnen
auswechseln müssen.
3.4 Zur Abklärung der Brandursache wurde der kriminaftechnische Dienst der Zuger Polizei auf-
geboten. Die ausgerückten Beamten wendeten das sogenannte Eliminationsverfahren an,
das bei der Brandursachenermittlung üblich sei. Dabei gelangten sie zum Schluss, dass na
turbedingte Ursachen (z.B. Biitzeinschfag) ausgeschlossen werden könnten. Ebenfalls aus
geschlossen werden könne eine Selbstentzündung durch chemische oder mikrobielle Reak
tionen. Hingegen nicht gänzlich auszuschliessen sei eine Selbstentzündung infolge Wärme
stau und/oder Ab Strahlungswärme beim eingeschalteten Fernseher und der eingeschalteten
Ständerlampe. Als Brandursache jedoch wiederum eher auszuschfiessen seien elektrische
Installationen oder Apparate; der Fernseher und die Ständerlampe - abgesehen von mögli
chem Wärmestau oder Abstrahlungswärme - könnten als Brandursache ausgeschlossen
werden. Ebenfalls als Brandursache auszuschliessen seien Heizungsanjagen oder Funken
flug. Nicht ausgeschlossen werden könne jedoch und als am wahrscheinlichsten für die Ur-
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sache des Brandes sei der fahrlässige Umgang mit Raucherwaren. Diesbezügliche spuren-
kundliche, brandursächliche Beweise würden sich beim Untersuch der noch vorhandenen
Brandschuttresten jedoch nicht erbringen lassen (Bericht des kriminaltechnischen Oienstes
vom 'act. 1/13bj).
3.5 Was den Umgang des Beklagten mit Raucherwaren betrifft, so lässt sich heute nicht mit letz
ter Gewissheit beurteilen, was er in der Nacht vom ; nachte. Eindeutig fest
steht nur, aber immerhin, dass der Beklagte in der Nacht rauchte, er die Wohnung verliess
und diese bei seiner Rückkehr brannte. Über die Einzelheiten kann - wenn überhaupt - nur
der Beklagte Angaben machen. Er war die einzige Person in seiner Wohnung und hatte zu
dieser Zeit offenbar mit niemand anderem Kontakt. Was den Beweis der Brandursache be
trifft, so ist der Beklagte diesem Beweis nahe ("Beweisnähe"). Demgegenüber steckt die Klä
gerin offensichtlich in einer '’Beweisnot". Diese hat sie nicht selbst zu verantworten. Insbe
sondere rührt diese Not nicht daher, dass - wie der Beklagte behauptet (act. 15 Rz 39) - seit
dem Brandereignis bis zum Zivilprozess eine lange Zeit verstrichen ist. trat doch die "Be
weisnot" bereits unmittelbar nach Niederbrennen der Wohnung ein. Insofern rechtfertigt es
sich, das herabgesetzte Bewefsmass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit vorliegend auch
auf den Beweis der fraglichen haftungsbegründenden Handlung (oder Unterlassung) und
nicht nur auf den Kausalzusammenhang zwischen dieser Handlung (oder Unterlassung) und
dem Brand anzuwenden (unzutreffend der Beklagte [act. 15 Rz 35 und act. 23 Rz 34 in fine],
der auf ein Urteil des Bundesgerichts 4A_633/2011 vom 23. Februar 2012 verweist). Wie das
Bundesgericht im vom Beklagten zitierten Entscheid nämlich gerade festgehalten hat, war
beim Nachweis des haftungsbegründenden Ereignisses deshalb vom Regelbeweismass
auszugehen, weil mit der Frage, ob das fragliche Ereignis (im zitierten Entscheid: Kollision
mit Einwirkung auf den Kopf) stattgefunden hat, keine typischen Beweisschwierigkeiten ein
hergehen (Urteil des Bundesgerichts 4AJ533/2011 vom 23. Februar 2012 E. 2). Nach dem
Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt ein Beweis, wie erwähnt, als er
bracht, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart
gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise ausser
Betracht gelassen werden können.
3.6 Andere Brandursachen als der Umgang mit Raucherwaren sind zwar denkbar und werden
vom Beklagten auch behauptet. Wie allerdings zu.zeigen ist, fallen diese Möglichkeiten ver
nünftigerweise ausser Betracht. Entsprechend drängt sich auch ein Rückschluss auf die haf
tungsbegründenden Handlungen des Beklagten in der Nacht vom auf. Nach
welchem Beweismass zu beurteilen ist, ob der Beklagte den Gegenbeweis erbracht hat (vgl.
die Ausführungen des Beklagten [act. 15 Rz 36 ff.]), ist vorliegend unerheblich, da der (dem
Beweis nahestehende) Beklagte die dem Gegenbeweis zugrunde liegenden Tatsachen nicht
Serte 9/17
oder zu wenig substanziiert behauptet, als dass darüber - soweit überhaupt offeriert - Be
weis abgenommen werden könnte oder der Hauptbeweis erschüttert würde.
3.6.1 Ganz auszuschliessen und vom Beklagten auch nicht behauptet sind naturbedingte Ursa
chen (z.B. Blitzeinschlag), eine mikrobiell bedingte Selbstentzündung, eine Selbstentzündung
durch chemische Reaktion, die Heizung, "Zeusein" durch Kinder sowie Funkenflug bzw. Feu
erwerk (vgl. Bericht des Kriminaltechnischen Dienstes [act. 1/13b]).
3.6.2 Der Beklagte führt aus, er habe an der polizeilichen Befragung vom die Mög
lichkeit der Brandentstehung durch Kabel oder technische Einrichtungen erwähnt (act. 15
Rz 12). inwiefern aber durch Kabel oder technische Einrichtungen ein Brand entstanden sein
soll, legt er nicht dar. Aus den Akten ergeben steh sodann keine sachdienlichen Hinweise,
wonach technische Einrichtungen brandursächlich gewesen wären. Der Beklagte gibt denn
auch nicht an, welche Geräte - beispielsweise aufgrund ihres Alters, ihrer Abnützung oder ih
rer Qualität - in Frage gekommen wären, um in Brand zu geraten oder einen Brand zu verur
sachen. Nach eigenen Aussagen des Beklagten an der polizeilichen Befragung vom 5. Janu
ar seien lediglich der Fernseher, die Ständerlampe, die Wohnwandbeleuchtung sowie
die Ladestation des Ersatz-Natels eingeschaltet gewesen (act. 1/11 Fragen 33-35). Weder
aus den Akten noch aus den Behauptungen des Beklagten geht nun aber hervor, dass sich
eines dieser Geräte von sich aus hätte entzünden soJIen, und dass diese Selbstentzündung
noch dazu zu einem Brand und nicht bloss zu einem kurschlussbedingten Stromunterbruch
("Rausfliegen" der Sicherung) geführt hätte. Der Beklagte behauptet auch nicht, dass sich in
der Nähe dieser elektrischen Geräte brennbare Materialien befunden hätten, welche die ra
sche Brandentwicklung (vgl. Polizeirapport [act. 1/8 S. 5]) ermöglicht hätten. Soweit ersicht
lich, ist der Beklagte indes der einzige, der zum Zustand seiner elektrischen Einrichtungen
sowie zu den umliegenden Gegenständen Angaben machen könnte. Weiter ist zu beachten,
dass der kriminaltechnische Dienst der Zuger Polizei den Fernseher oder die Ständerlampe
als Brandursache ausgeschlossen haben, da die Ständerlampe und der Teppich im Bereich
des Fernsehers keine primären Brandspuren aufwiesen (act. 1/13b S. 4). Weiter hat der kri
minaltechnische Dienst feststellen können, dass die Sicherungsgruppen der Wohnung des
Beklagten, der darunterliegenden Wohnung sowie des Treppenhauses die Stromzufuhr un
terbrochen hatten, was jedoch erst nach Brandausbruch sekundärerfolgt sein dürfte. Folglich
schlossen die Ermittler auch die Elektroinstallationen als Brandursache aus (act 1/13b S. 4),
Der Beklagte weist in der Klageantwort darauf hin, dass das EKZ dem Eigentümer der Lie
genschaft mit Schreiben vom 6. April 2e&rmitgeleilt habe, dass die Elektroninstallationen in
der Zahnartpraxis und im Restaurant, das sich ebenfalls in diesem Gebäude befand, auf
grund der Fälligkeit zu überprüfen seien (act. 15 Rz 25). Da der Brand aber weder in der
Zahnarztpraxis noch im Restaurant ausgebrochen ist und der Beklagte nicht behauptet, das
EKZ habe auch auf eine fällige Überprüfung der Elektroinstallationen in seiner Wohnung hin-
Seile 10/17
gewiesen, lässt sich aus dem - nicht aktenkundigen - Schreiben der EKZ nichts zu Gunsten
des Beklagten ableiten (zutreffend die Klägerin [act. 20 S. 10]). Ein Rückschluss auf die
Wohnung des Beklagten ist auch insofern unbegründet, als in der anderen Wohnung des in
Brand geratenen Gebäudes offenbar auch keine Probleme bestanden. So gab
- er war zusammen mit seiner Frau, . Mieter der anderen
Wohnung, die direkt unterhalb der Wohnung des Beklagten fag - gegenüber der Polizei zu
Protokoll, dass weder im Treppenhaus noch in seiner Wohnung Probleme mit der elektri
schen Installation bestanden hätten (act. 1/10 S. 8). Elektroinstallationen kommen daher als
Brandursache vernünftigerweise nicht in Betracht.
3.6.3 Weiter macht der Beklagte geltend, im Brandermittlungsbericht werde eine Selbstentzündung
infolge Wärmestaus und/oder Abstrahlungswärme bei eingeschaltetem Fernseher nicht aus
geschlossen (act. 15 Rz 26). Wiederum macht der Beklagte aber keine Angaben dazu, wes
halb bei seinem Fernseher oder um seinen Fernseher herum ein Wärmestau hätte entstehen
können, beispielsweise weil der Fernseher ein altes Modell oder ungünstig positioniert ge
wesen wäre. Auf der Skizze des Wohnzimmers (act. 1/11 letzte Seite) steht der Fernseher
schräg und in einem bestimmten Abstand zur Wand, was eher nicht eine Position zu sein
scheint, bei der ein Wärmestau entstehen könnte. Eine Brandverursachung durch Wärme
stau oder Abstrahlungswärme kommt - wenngleich sie vom kriminaltechnischen Dienst nicht
ganz als Brandursache ausgeschlossen werden konnte - unter diesen Umständen somit
vernünftigerweise auch nicht in Betracht.
3.6.4 Weiter macht der Beklagte geltend, die Strafverfolgungsbehörden hätten keine Abklärungen
betreffend Brandstiftung gemacht (act. 15 Rz 26). Diese Behauptung ist aktenwidrig. So wur
de der Beklagte von der Polizei am gefragt, wie lange er ausser Haus gewe
sen sei, ob er die Eingangstür zum Haus geschlossen habe oder ob ihm beim Verlassen der
Wohnung etwas Spezielles aufgefallen sei (act. 1/10 Frage 11-13). Aus dem Nachtragsbe
richt der Zuger Polizei ergibt sich, dass die anderen Bewohner des Hauses,
, einvernommen wurden und sie zum Zeitpunkt des Brandausbruchs geschlafen
haben (act. 1/10 S. 8, 10 und 11 f.). Dass das Gebäude, wie der Beklagte ausführt (act. 15
Rz 26), wohl unter Denkmalschutz gestanden habe und eine Sanierung überfällig gewesen
sei, berechtigt nicht, dem Eigentümer eine Brandstiftung oder eine Anstiftung dazu (soge
nannte "warme Sanierung") zu unterstellen. Überdies offeriert der Beklagte auch keine Be
weise zu dieser (bestrittenen) Behauptung bzw. Mutmassung. Ferner hat der kriminaltechni-
sche Dienst der Zuger Polizei weder bei der Brandherdzone noch im übrigen Wohnzimmer
Brandbeschleuniger gefunden (act. 1/13a S. 11). Die Brandermittler hielten eine Brandstif
tung wegen fehlender Anhaltspunkte somit für eher ausgeschlossen (act. 1/13b S. 4). Brand
stiftung fällt nach objektiver Beurteilung als Brandursache daher ebenfalls ausser Betracht.
Seile 11/17
3.7 Als mögliche Brandursache in Frage kommt somit einzig noch der unsachgemässe Umgang
mit Raucherwaren.
3.7.1 Der Beklagte ist starker Raucher. Nach eigenen Angaben raucht er ein bis zwei Packungen
Zigaretten am Tag (act. 1/10 Frage 7). Wie der Beklagte bei den polizeilichen Befragungen
jeweils übereinstimmend zu Protokoll gab und er im vorliegenden Verfahren nicht dementiert,
hatte er unmittelbar vor dem Einnicken eine Zigarette geraucht. Danach soll er höchstens
fünf bis zehn Minuten geschlafen haben. Nachdem er wieder aufgewacht sei, habe er sich
Jeans, Schuhe (ohne Socken) und eine schwarze Jacke angezogen. Vom Aufwachen bis
zum Verlassen der Wohnung seien ungefähr zwei bis drei Minuten verstrichen (act. 1/11
Fragen 49-52). Als er die Wohnung verlassen habe, habe er keine Rauchentwicklung wahr
genommen, was - so die Aussage des Beklagten - aber nicht heissen soll, dass nichts ge
wesen sei, da er sich nach dem Aufwachen (nur) auf neue Zigaretten und Süssigkeiten kon
zentriert habe (act. 1/11 Frage 55), Sodann hat der Beklagte (wiederholt) ausgesagt, dass
sich leicht entzündliches Material wie Hemd oder Daunenjacke neben bzw. auf dem Sofa,
dem Fernsehstuhl, dem Fernsehtisch und dem Hocker befunden habe (vgl. Befragungen
vom [Befragung von 07.45 Uhr; act. 1/10 Frage 18], [act. 1/11
Fragen 17-22 und 43-45] und [act. 1/12 Frage 9]). Unabhängig davon, wo
genau der Aschenbecher stand und die Kleider lagen, als der Beklagte die Zigarette - sofern
dies überhaupt zutrifft - in den "ziemlich voll[en]" Aschenbecher (act. 1/10 Frage 18) legte,
hätte sie also herausfallen und mit Kleidern oder anderen brennbaren Stoffen (z.B. leere Zi
garettenschachtel) in Berührung kommen können. Kleider und Aschenbecher sollen sich
nämlich alle rund um das Sofa, den Fernsehtisch und den Hocker befunden haben. Die im
vorliegenden Verfahren geäusserte Behauptung des Beklagten, es sei ausgeschlossen, dass
sich brennbare Kleider auch nur in der Nähe des Aschenbechers befunden hätten (act. 15
Rz 18), findet in den Akten keine Stütze. Dass eine Zigarette aus einem (womöglich) auf dem
Hocker deponierten Aschenbecher und hernach vom Hocker auf den Boden fällt, ist nicht
unwahrscheinlich. Der Beklagte legt denn auch nicht dar, weshalb ein Weiterfallen der Ziga
rette vom Hocker auf den Boden oder ein Umkippen des Aschenbechers - namentlich wegen
des Standes, der Form oder der Oberflächenbeschaffenheit des Hockers - nicht möglich sein
soll (vgl. act. 15 Rz 19). Selbst der Beklagte schloss anlässlich der polizeilichen Befragung
vom nicht aus, dass der Aschenbecher beim Anziehen der Kferder umkippte
(act. 1/11 Frage 69). Dazu äussert sich der Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht.
3.7.2 Der Beklagte wendet - unter Verweis auf die polizeiliche Befragung vom
(act. 1/10) - ein, er habe die Zigarette "eher fest'* im Aschenbecher ausgedrückt (act. 15
Rz 23). Was der Beklagte unter "eher fest" versteht, präzisiert er jedoch nicht. Es ist aber
ohnehin fraglich, wie gut sich jemand daran erinnern kann, mit welcher Intensität er eine Zi
garette kurz vor dem Einnicken um ungefähr 04.15 Uhr ausgedrückt haben will. Ohnehin
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aber handelte es sich bei der entsprechenden Frage des Polizisten um eine generelle Frage
("Wie gut drücken Sie Ihre Zigaretten im Aschenbecher aus?" [act. 1/10 Frage 19)), die nicht
Bezug nahm auf das Ausdrücken der fraglichen Zigarette. Weiter ist zu beachten, dass die
Frage tendenziell suggestiv formuliert war, mithin die vom Beklagten gegebene Antwort ge-
wissermassen vorbestimmt war. Wie zudem die Klägerin nachvollziehbar ausführt (act. 20
S. 9), bedeutet selbst ein eher festes Ausdrücken noch nicht, dass die Zigarette nicht mehr
geglüht hatte. Aus der Protokollstelle, wonach der Beklagte im Allgemeinen Zigaretten "eher
fest" ausdrücke, lässt sich somit nichts zu Gunsten des Beklagten ableiten.
3.7.3 Der kriminaltechnische Dienst der Zuger Polizei gelangte ebenfalls zum Schluss, dass das
"Rauchen auf dem Sofa und/oder Abstreifen von Zigarettenglut im Bereich von brennbaren
Materialien, Kleider" als Brandursache am wahrscheinlichsten sei (act. 1/13b S. 5). Gehören
einer Spruchbehörde - wie vorliegend der Fall - keine fachtechnischen Richter an, so drängt
sich eine strikte Aufgabenteilung zwischen Richter (Beantwortung von Rechtsfragen) und
Experten (Beantwortung von Tatfragen) auf. Aus diesem Grund gilt bei der Würdigung einer
Expertise die Beweisregel, dass vom fachmännischen Befund des Experten ohne zwingende
bzw. triftige Gründe nicht abgewichen werden darf. Dem Richter muss zugebilligt werden,
dass er sich auf die Expertise verlässt, sofern diese nicht entweder unvollständig, unklar oder
nicht ausreichend begründet ist bzw. der Experte seiner Aufgabe nicht gewachsen ist oder
seine Aufgaben offenbar vernachlässig hat (vgl. Art. 188 ZPO; GVP 1997/98 S. 186 f.; Urteil
des Bundesgerichts 5P.39/2004 vom 6. Oktober 2004 E. 4.2 und 6.1). Der Beklagte setzt
sich mit dem Bericht des kriminaltechnischen Dienstes nicht im Einzelnen auseinander. Da
keine Hinweise dafür bestehen und geltend gemacht wurden, dass dieser Bericht unvollstän
dig, unklar oder nicht nachvollziehbar ist, gibt es keinen Grund, für die Sachverhaltsfeststel
lung nicht auf den Bericht, der übrigens nicht von einer Partei in Auftrag gegeben und bezahlt
wurde (d.h. kein Parteigutachten ist), abzustellen. Ein gerichtliches Gutachten gemäss
Art. 183 Abs. 1 ZPO - wie von der Klägerin beantragt (act. 1 Rz 4 f.; act. 20 S. 10 ff.) - ist
nicht anzuordnen, da das Gebäude bzw. dessen brandbetroffenen Teile in der Zwischenzeit
abgebrochen wurden (act. 1/13a S. 11) und daher nicht ersichtlich ist, inwiefern überhaupt
noch ein fundiertes Gutachten über die Brandursache angefertigt werden könnte.
3.7.4 Somit ist das Deponieren einer gerauchten Zigarette an einer ungeeigneten Steile, d.h. aus
serhalb des Aschenbechers oder in einer Position im oder auf dem Aschenbecher, in welcher
sie neben den oder aus dem Aschenbecher fallen kann, oder das Abstellen des Aschenbe
chers auf unstabiler Unterlage (z.B. auf Kleidern oder auf dem Hocker) die mit Abstand wahr
scheinlichste Brandursache. Auch im Urteil des Einzefrichteramts vom
wurde ausgeführt, dass "der unvorsichtige Umgang mit Raucherwaren durch den Beschuldig
ten klar [sic!] die wahrscheinlichste Brandursache darstellt" (act. 1/14 E. 1.4).
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3.7.5 An dieser Schlussfolgerung vermögen auch die fachtechnischen Behauptungen des Beklag
ten oder die Verweise auf Fachliteratur (vgl. act. 15 Rz 24 in fine; act. 23 Rz 7) nichts zu än
dern. Erstens muss davon ausgegangen werden (etwas anderes behauptet der Beklagte
auch nicht), dass der kriminaltechnische Dienst der Zuger Polizei über die erforderlichen
Kenntnisse verfügt und unter Berücksichtigung der aktuellsten wissenschaftlichen Erkennt
nisse zur Auffassung gelangt ist, der fahrlässige Umgang mit Raucherwaren sei die wahr
scheinlichste Brandursache (act. 1/13b S. 5). Zweitens ist notorisch, dass bei unsorgfälligem
Umgang mit Zigaretten Brände entstehen können. Mit seinem Verweis (act. 23 Rz 7) auf eine
Medienmitteilung des Bundesamtes für Gesundheit (act. 23/11) gesteht der Beklagte selber
ein, dass Raucherwaren in 3 % aller Brände die Brandursache bilden. Was die Behauptung
des Beklagten betrifft, innert der kurzen Wohnungsabwesenheit (von zehn Minuten) könne
kern Flammenbrand entstehen (act. 23 Rz 7), so ist es, drittens, nicht ausgeschlossen, dass
sich der Beklagte über die Dauer seiner Abwesenheit (Aufsuchen des Selecta-Automaten)
täuscht, und mehr als zehn Minuten verstrichen sind, beispielsweise weil er beim Rückweg
zur Wohnung nebst dem Verzerr der Schokolade nach eine Zigarette geraucht hat (ob er auf
dem Rückweg rauchte, wusste der Beklagte an den Befragungen nicht mehr (vgl. act. 1/10
Frage 9]). Dass er noch eine Zigarette rauchte, ist aber nicht unwahrscheinlich, ist doch der
Beklagte ein starker Raucher und begab er sich doch hauptsächlich deshalb zum Selecta-
Automaten, weif ihm zu Hause die Zigaretten ausgegangen waren (vgl. act. 1/10 Frage 8).
Viertens ist nicht ausgeschlossen (und wird vom Beklagten nicht behauptet), dass nicht nur
Flammenbrände, sondern auch Schwelbrände starken Rauch entwickeln. Wie der Beklagte
an der polizeilichen Befragung vom aussagte, sah er bei der Rückkehr in sei
ne Wohnung kein Feuer, sondern nur Rauch (act. 1/10 Fragen 21 und 23). Mithin ist möglich,
dass die Wohnung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht im Flammenbrand
stand (vgl. Fachliteraturzitate des Beklagten [act. 23 Rz 7]).
3.7.6 Ebenfalls nichts zu ändern an der Schlussfolgerung, wonach der Umgang des Beklagten mit
der Zigarette höchstwahrscheinlich brandursächlich war, vermag sein Einwand, seine Aus
sagen gegenüber der Polizei vom seien kaum verwertbar, da er unmittelbar
nach dem persönlich miterlebten Grossbrand sehr aufgeregt und stark mitgenommen gewe
sen sei (act. 15 Rz 11; act. 23 Rz 9). Erstens bezieht sich dieser Einwand ausschliesslich auf
die Aussagen vom Soweit der Beklagte dieselben Aussagen auch am
wiederholte, ist der Einwand daher unbegründet. Zweitens ist anzumerken,
dass der Beklagte, wie die Klägerin zutreffend bemerkt (act. 20 S. 9 f.), selber auf das Pro
tokoll vorr verweist, wo es für ihn entlastend ist (vgi. act. 15 Rz 12 und 23;
act. 23 Rz 6 und 11 f.). Drittens können, wie die Klägerin weiter richtig ausführt (act. 20 S. 5),
spontane "Aussagen der ersten Stunde" aus aussagepsychologischer Sicht oft zuverlässiger
sein als spätere Darstellungen, wefche bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überle
gungen beeinflusst sein können (vgl. BGE 115 V 133 E. 8c; Pantli/Kieser/Pribnow, Die “Aus-
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sage der ersten Stunde'1 im Schadensausgleichsrecht - und die Mangelhaftigkeit ihrer Auf
zeichnung, AJP 2000 S. 1195 ff., 1199 f.).
3.8 Möglicherweise hätte der Brand verhindert werden können, wenn der Beklagte nach dem un-
sachgemässen Deponieren der Zigarette die Wohnung nicht verlassen hätte. Insofern ist das
unsachgemässe Deponieren in Verbindung mit dem Verlassen der Wohnung natürlich kausal
zum Brand vom Mit anderen Worten könnte das Deponieren der Zigarette
und das Verlassen der Wohnung nicht hinweggedacht werden, ohne dass auch der eingetre
tene Erfolg, d.h. der Brand, entfiele. Zu prüfen bleibt somit die adäquate Kausalität.
3.9 Ein Ereignis gilt als adäquate Ursache eines Erfolgs, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der
Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt des Erfolgs also durch das Ereignis als all
gemein begünstigt erscheint. RechtspolitischerZweck der Adäquanz bildet die Begrenzung
der Haftung. Die Frage, ob eine Schädigung billigerweise dem Haftpflichtigen zugerechnet
werden kann, ist aufgrund sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beantworten (Art. 4 ZGB).
Das Gericht hat den Kausalverlauf aus objektiver Sicht und nach menschlicher Voraussicht
zu prüfen (Fellmann/Kottmann, a.a.O., Rz 425; Kessler, a.a.O., Art. 41 OR N 16 ff.; je mit
Hinweisen). Hat der Haftpflichtige eine Ursache gesetzt, ohne die der eingetretene Erfolg
eben nicht eingetreten wäre, vermögen Mitursachen den adäquaten Kausalzusammenhang
in der Regel weder zu unterbrechen noch auszuschliessen (vgl. Urteile des Bundesgerichts
4A_45/2009 vom 25. März 20009 E. 3.4.1 und 4A_711/2012 vom 10. Januar 2013 E. 2.4).
Vielmehr kann die Adäquanz einer bestimmten Ursache auch dann bejaht werden, wenn sie
nicht unmittelbar zum Erfolg führte, sondern bloss eine andere Ursache auslöste, die diesen
dann bewirkte. Voraussetzung dafür aber ist, dass der Erfolg nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung noch als Folge der ersten Ursache er
scheint, weil diese generell geeignet war, einen Erfolg dieser Art zu bewirken. Schliesslich
beurteilt sich nach richterlichem Ermessen, ob zwischen dem schädigenden Ereignis und
dem Erfolg ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, wobei das Gericht den Entscheid
nach Recht und Billigkeit zu treffen hat (Fellmann/Kottmann, a.a.O., Rz 428 f.).
3.10 Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung ist das un
sachgemässe Deponieren einer gerauchten Zigarette und das anschliessende Verlassen der
Wohnung an sich geeignet, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen. Auch
ein nur vorübergehendes Verlassen der Wohnung - gleich wie ein "Einnicken" - kann aus-
reichen, um einen Brand entstehen zu lassen, den zu löschen der Raucher selber nicht im
Stande ist (vgl. auch Mitteilung der Beratungsstelle für Brandverhütung [act. 20/26]). Es ent
spricht daher Recht und Billigkeit, den Brand dem Verhalten des Beklagten zuzuschreiben.
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3.11 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das unsachgemässe Deponieren der gerauchten
Zigarette und das anschMessende Verlassen der Wohnung natürlich und adäquat kausal zum
Brand vom Ist.
4. Selbst wenn dem Beklagten keine Tätigkeit (Handlung, Begehung oder aktives Tun) zur Last
gelegt werden könnte, das natürlich und adäquat kausal zum Brand gewesen wäre, so wäre
zumindest seine Untätigkeit (Unterlassung, passives Verhalten) brandursächlich gewesen.
Dies ist nachstehend zu zeigen.
4.1 Wird die Pflichtverletzung - deren Rechtmässigkeit oder Widerrechtlichkeit ist im vorliegen
den Zwischenentscheid nicht zu prüfen - durch Unterlassung begangen, ist vom sogenann
ten hypothetischen Kausalzusammenhang die Rede. Dieser wird bejaht, wenn rechtmässiges
Handeln die Schädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - verlangt wird wiederum
nicht das Regeibeweismass - verhindert hätte. Die hypothetische Kausalität wird im Rahmen
des natürlichen Kausalzusammenhangs beurteilt. Dem hypothetischen Kausalverlauf liegt je
doch bereits eine Annahme zugrunde, bei der die allgemeine Lebenserfahrung und der na
türliche Lauf der Dinge eine Rolle spielen. Diese wertenden Gesichtspunkte, die sonst erst
bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen deshalb schon bei der Fest
stellung der hypothetischen Kausalität eine Rolle. Damit erübrigt sich in der Regel eine zu
sätzliche Adäquanzprüfung (vgl. BGE 132 fll 715 E. 3.2; 115 II 440,447 f.; Kessler, a.a.O.,
Art. 41 OR N 18 f.; je mit Hinweisen).
4.2 Der Umgang mit Raucherwaren in Wohnungen erfordert besondere Vorsichtsmassnahmen
(s. Mitteilung der Beratungsstelle für Brandverhütung betreffend "Brandgefahr Raucherwa
ren" [act. 20/26}). Würden diese Vorsichtsmassnahmen beachtet, entstünden wegen Rau
cherwaren keine Brände. Hätte der Beklagte die gebotene Vorsicht walten lassen, wäre mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit kein Brand entstanden. Denn andere Ursachen als die
unsachgemäss deponierte Zigarette fallen als Brandursache vernünftigerweise nicht in Be
tracht (diesbezüglich ist auf E. 3.6 und 3.7 zu verweisen). Mithin gilt als erstellt, .dass der
Brand nur wegen unsorgfältigem Hantieren mit der gerauchten Zigarette (wozu auch die un
sorgfältige Platzierung des Aschenbechers zählt) entstanden ist. Nicht erforderlich zur Beja
hung des Kausalzusammenhangs ist es, dass der eingetretene Erfolg aufgrund der Unterlas
sung regelmässig oder sogar häufig eintritt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_45/2009 vom
25. März 2009 E. 3.4.1). Insofern ist es unerheblich, ob "grad mal" in drei Prozent aller Brand-
fäile Raucherwaren die Ursache bilden (vgl. Bemerkung des Beklagten [act. 23 Rz 45] mit
Verweis auf die Medienmitteilung des Bundesamtes für Gesundheit [act. 23/11]). Bei jährlich
rund 17’200 Brandfällen in der Schweiz sind immerhin rund deren 530 auf Raucherwaren zu
rückzuführen (vgl. vorerwähnte Medienmitteilung [act. 23/11]). Das sind nicht so wenige, als
dass daraus zu folgern wäre, der unsorgfältige Umgang mit Raucherwaren führe derart sei
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ten zu Wohnungsbranden, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung und natürlichem Lauf der
Dinge nicht damit zu rechnen wäre.
4.3 Fofglich ist festzuhalten, dass auch eine - allenfalls pflichtwidrige - Unterlassung des Be
klagten im Umgang mit Zigaretten (hypothetisch) kausal zum eingetretenen Brand gewesen
ist Die Brandursache wäre auch unter diesem Aspekt auf das Verhalten des Beklagten zu
rückzuführen.
5. Der Ordnung halber bleibt mit Bezug auf Art 53 OR und die von den Parteien dazu aufge
stellten Behauptungen (act 1 Rz 12; act. 16 Rz 32 ff.) anzumerken, dass vorliegend nicht
von der Sachverhaltsfeststellung im Urteil des Einzelrichteramtes vom ,
(act. 1/14) abgewichen wird. Das unterschiedliche Ergebnis der Urteile - Bejahung des ur
sächlichen Verhaltens beirrt Beklagten im Ziviiurteil und Freispruch im Strafurteil - ist auf die
unterschiedlichen Beweisanforderungen im Zivil- und Strafrecht zurückzuführen.
6. Das Gericht entscheidet über die Prozesskosten in der Regel im Endentscheid (Art. 104
Abs. 1 ZPO). Bei einem Zwischenentscheid (Art. 237 ZPO) können die bis zu diesem Zeit
punkt entstandenen Prozesskosten verteilt werden (Art. 104 Abs. 2 ZPO). Beim vorliegenden
Zwischeneritscheid ist eine Verteilung allerdings nicht angebracht, da gemäss diesem Ent
scheid der Prozess fortzuführen ist, noch nicht bekannt ist, in welchem Umfang welche Partei
schlussendlich obsiegt oder unterliegt, und betragsmässig ohnehin nicht genau bestimmbar
ist, wie hoch die gesondert auszuweisenden Kosten wären (vgl. dazu Urteil des Obergerichts
Zug Z1 2013 41 vom 16. Dezember 2014 E. 9.2; Jenny, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leu-
enberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A. 2016, Art. 104
ZPO N 8).
Entscheid
1. Es wird festgestellt, dass der Brand des Gebäudes an der ‘ am
vom BeklaQten verursacht wurde bzw. in einem natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zum Verhalten des Beklagten steht.
2. Die Prozesskosten werden im Endentscheid berücksichtigt.
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3. Gegen diesen Entscheid kann binnen 30 Tagen seJi der Zustellung schriftlich, begründet und
mit bestimmten Anträgen unter Beilage des angefochtenen Entscheides Berufung beim
Obergericht des Kantons Zug eingereicht werden. Gerügt werden kann die unrichtige Rechts
anwendung und/oder die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes (Art. 310 ZPO). Die Beru
fungsschrift kann In Papierform Oe ein Exemplar für das Gericht und jede Gegenpartei) oder
elektronisch, versehen mit einer anerkannten elektronischen Signatur, eingereicht werden
(Art. 130 Abs. 1 und 2 ZPO).
4. Mitteilung an:
Parteien
Nebenintervenientin
Gerichtskasse
Kantonsgericht des Kantons Zug
Einzelrichter
Kan tons rich ter
versandt am:
sta
l 5. Juni 2016