Individualisierte Erythrozytentransfusion? Stefano Fontana Blutspendedienst Bern.

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Individualisierte Erythrozytentransfusion?

Stefano Fontana

Blutspendedienst Bern

Ein einheitliches Produkt?

E3846V00

EK leukozytendepletiert, SAG-M, aus Vollblut, zur Transfusion

Eigenschaften

Beschriftung

Q-Kontrollen

Jeder Spender ist anders

Kontakt mit Fremdantigenen

Nahrungsmittel, Bakterien, Viren, …

Medikamente, andere Fremdstoffe

Immunoglobuline

Eigene Merkmale Krankengeschichte (pathologische Metaboliten,

Autoantikörper,…)

HLA-Typ

Blutgruppenantigene

HLA-Antikörper

Erythrozyten-Antikörper

Immunkompetente Zellen

Nicht pathogene / nicht getestete Erreger

Enzyme, Metaboliten,…

Jedes Produkt ist anders

Spendereigenschaften- 30 BG-Systeme / 300 Antigene

- 3’000 HLA-Allele

- Tausenden von Proteinen

Veränderungen im Produkt (Verarbeitung, Lagerung)

O. Rubin, JD Tissot. Erythrocytes microparticles. Lausanne-Geneva 2007.

Jeder Patient ist anders

Kontakt mit Fremdantigenen

Nahrungsmittel, Bakterien, Viren …

Medikamente, andere Fremdstoffe

Immunoglobuline

Eigene MerkmaleKrankengeschichte,

aktuelle Situation

HLA-Typ

Blutgruppenantigene

HLA-Antikörper

Erythrozyten-Antikörper

Immunsystem

Krankheitserreger

Die Transfusion ist ein einmaliges Ereignis.

individualisiert? Wie viel standardisiert?

kompatibel?

1. Ob und wie transfundieren?

Indikation Dosis Geschwindigkeit Überwachung (Begleitmedikation) …

2. Was transfundieren?

Erythrozytenmerkmale Kompatibilität

Bestrahlt Gewaschen (Jung / alt ?) …

1. Individualisierte Indikation…

…nicht nach Spital oder Chirurg…

… sondern nach Patient.

Erythrozyten O2-Versorgung (Hämoglobin) Kritische Schwelle erreicht wenn O2-Versorgung < O2-Bedarf

Diese Schwelle ist Organ-spezifisch, Krankheits-spezifisch, Patienten-spezifisch und variiert im klinischen Verlauf

Massgebend für die Transfusion: O2-Versorgung Gehirn und Herz

Zusätzliche vasoaktive (NO) und rheologische Eigenschaften (Erythrozyten) individualisieren das Bild weiter.

Papes et al. Blood Transf 2009;7:250 Ranucci et al. Perfusion 2011;26:327

RCT weisen auf Regelmässigkeiten hin

Studienpatienten Ziel-HB (g/L)

Adult ICU 70-90 vs 100-120 Children ICU 85-95 vs 110-120 Adult hearth surgery 80 vs 100 Adult hip traumatism surgery 72-80 vs 88-100

Eine restriktive Transfusionsstrrategie ist insgesamt nicht gefährlicher (HB um 70 - 80 g/L und nicht +/- 100 g/L)

Achtung Patienten mit Risikoprofil (Herz/Lunge/Kreislauf)

Hébert et al. NEJM 1999;340:409 Hajjar et al. JAMA 2010;304:1559Lacroix et al. NEJM 2007;356:1609 Foss et al. Transfusion 2009;49:227

Studien von Risikofaktoren zeigen Unterschiede im Transfusionsbedarf zwischen Patientenkategorien

Mehrere Faktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit einer Transfusion oder einer Massentransfusion, zum Beispiel:

Orthopädie: tiefes HB präoperativ, Alter, Komplexität des Eingriffes, Gewicht, Begleitkrankheiten

Herz- und Aortenchirurgie: tiefes HB präoperativ, Alter, BMI, BSA, weight, Kreatinin, CPB, CPB Zeit, Notfall, Re-sternotomie, Euro SCORE

Barr et al. Transfus Med Rew 2011 (Epub Jun)

Elmisteakawy et al. J Cardiothorac Surg 2009;4:20.Williams et al. J Thorac Cardiovasc Surg

2011;141:1283Webert et al. Transfusion 2008;48:81

Nicht Patienten-bezogene Faktoren sind u. U. auch zu berücksichtigen

Chirurgischer Eingriff und Technik

Hämostatische Medikamente / Antikoagulation

Volumenersatz (Kristalloide oder Kolloide)

Gesamtes perioperatives Management (Plättchen, Plasma, Gerinnungsfaktoren)

Guidelines für die Transfusion müssen auch mit lokalen Behandlungsprotokollen vereinbar sein

Normovolemia is always aimed for. Supportive measures like volume replacement or 02 delivery are applied according to internal standards

Normovolemic, asymptomatic patients without risk factors or ongoing significant blood loss do not need RBC if Hb > 70 g/l

This guideline does not relieve from a careful single-case-evaluation

Deviations from this guideline need a substantiated documentation

Case-to-case decision

Hb < 80 g/l rather YES

C

B

A

No indication for RBC > 100Independent from clinical assessment

No indication for RBC70 - 100No symptoms, no risk factors, stop of significant blood loss

Independent from clinical assessment

Risk factors2

Significant symptoms of anemia1 or ongoing blood lossand / or

Clinical assessment

Consider transfusion of 1-2 RBC

Hb 80 g/l rather NO

Decision

< 70

70 - 100

Hb [g/l]

Guideline for the transfusion of RBC in elective surgery

1 Relevant symptoms of anemia are:….

2 Risk factors are relevant: Cardiac disease; cerebral mal-perfusion; lung insufficiency

Beispiel: eine eigene Zusammenfassung der bestehenden Guidelines

Anerkannte Grundprinzipien

individueller Entscheid

Beide Faktoren können in einer Transfusionsguideline zusammengefasst werden.

Fontana et al.Transfusion 2008;48:242

Gleicher Patient + gleicher Problem = gleiche Lösung unabhängig von Region, Spital und Arzt

Eine Transfusionsguideline optimiert und gelegentlich reduziert den Blutbedarf

Kenntnisse der Eigenschaften der eigenen Patienten und Transfusionsregeln helfen in der Planung der Blutversorgung, für Spital und Blutspendedienst.

Facit: individualisierte Indikation ja, aber…

1. Ob und wie transfundieren?

Indikation Dosis Geschwindigkeit Überwachung (Begleitmedikation) …

2. Was transfundieren?

Erythrozytenmerkmale Kompatibilität

Bestrahlt Gewaschen (Jung / alt ?) …

Die Transfusion ist ein einmaliges Ereignis.

individualisiert? Wie viel standardisiert?

kompatibel?

AKTUELLE EMPFEHLUNGEN BSD SRK

IMMUNHÄMATOLOGISCHE UND PRÄTRANSFUSIONELLEUNTERSUCHUNGEN AN PATIENTENPROBEN

EMPFEHLUNGPATIENTENKATEGORIE

ABO + Rh D identisch Alle

+ Rh C/c/E/e + K identisch Frauen <50JAllo-AK gegen andere

AG

+ Jka/Jkb, S/s, Fya/Fyb identisch Chronisch Transfundierte

Empfehlungen « Erythrozytenserologische Untersuchungen an Patientenproben », Version 02, 15.08.2009. Erhältlich unter http://www.blutspende.ch

Die Erythrozytenoberfläche: Hunderte von verschiedenen Antigenen klassifiziert in 30 Blutgruppensystemen + Kollektionen + Serien

Untersuchung serologisch oder genetisch

Alloimmunisierungen

(Swissmedic Haemovigilance Jahresberichte and SHOT 2007-2010)

Was sind die Folgen einer Alloimmunisierung gegen Erythrozytenantigene?

Alle: Dauerschädigung in Hinblick auf weitere Transfusionen

Frauen: Dauerschädigung in Hinblick auf Schwangerschaften

Akute und verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen

Entwicklung von Autoantikörper, Autoimmun-hämolytische Anämie

Verkürztes Überleben in ausgewählten Patientenkategorien

Hendrickson, Christopher. Anesth Analg 2009;108:759Ahrens et al. Transfusion 2007;47:813Young et al. Transfusion 2004;44:67Boyd et al. Liver Transpl 2007;13:1654

Auto-AK mit oder nach Allo-AK aufgetreten = 84%

Ahrens et al. Transfusion 2007;47:813 Boyd et al. Liver Transpl 2007;13:1654

P = .024

Überleben nach Lebertransplantation mit / ohne Allo-AK

Wer macht Antikörper? Bei wem ist die Berücksichtigung des individuellen Antigenprofil am Sinnvollsten?

Patienten, welche einen ersten AK bilden. Weitere Alloimmunisierung nach Bildung des 1. AK: ca 20%

gilt sowohl für hämato-onkologische als auch für andere Patienten

Risikogruppen für Alloimmunisierung; diese entsprechen auch den Patienten, welche durch eine Alloimmunisierung am Meisten gefährdet werden:

Mehrfach transfundierten 5-10%, Sichelzellpatienten: 20-30%

Frauen, transplantierte Patienten

Patienten mit entzündlichen Erkrankungen?

Higgins, Sloan. Blood 2008;112:2546. Hendrickson et al. Blood 2007;110:2736.Rosse et al. Blood 1990;76:1431. Bao et al. Blood 2009;113:5624.Vichinsky et al. NEJM 1990;322:1617. Hudson et al. Blood 2010;115:3989.

Der 1. AK scheint das wichtigste Risiko für weitere Allo-Immunisierungen zu sein.

Nicht-hämatologische Hämatologische Patienten

Schonewille et al. Transfusion 2006;46:630 Schonewille et al. Transfusion 2009;49:453

3. Tx nach

2. Tx dem

1. Tx 1. AK

Welche Antikörper?

Hämato-onkologische und andere Patienten: D,C,c,E,e, K, Jka,Jkb, Fya,Fyb, M,S

Hämovigilanzdaten Swissmedic 2009-2010: D,C,c,E,e,Cw, K,Kpa, Jka,Jkb, Fya, Lua, M,S

60% sind Rh C/c/E/e + K könnten mit der Transfusion von kompatiblen EK vermieden werden.

Wir typisieren alle EK für Rh C/c/E/e + K.

95% der übrigen AK werden mit der Transfusion von EK typisiert für folgende AG/Allele vermieden:

Schonewille et al. Transfusion 2006;46:630Schonewille et al. Transfusion 2009;49:453Jutzi, Rüesch. Swissmedic Haemovigilance Report 2009 and 2010

High-throughput Blood Group Genotyping System Blood Transfusion Service Berne

Primer mix 1 Primer mix 2 Primer mix 3 Primer mix 4

Genotype Phenotype1 Genotype Phenotype1 Genotype Phenotype1 Genotype Phenotype1

KEL*01 K KEL*02 k FY*01 Fya FY*02 Fyb

KEL*03 Kpa KEL*04 Kpb MNS*01 M MNS*02 N

YT*01 Yta YT*02 Ytb MNS*03 S MNS*04 s

LU*01 Lua LU*02 Lub DO*01 Doa DO*02 Dob

CO*01 Coa CO*02 Cob JK*01 Jka JK*02 Jkb

FY*null012 (Fya-b-)2 FY*265T2 Fybw

22 Allele = 20 klinisch signifikante Antigene

1. Probable phenotype

2. Not tested for homozygosity

+ Screening von Spendern neg für Vel und Kpb

Lejon Crottet et al. Swisstransfusion 2011Hustinx et al. Swisstransfusion 2011

Spender

Xxxxxx Yyyyyyy

Patient

ZusammenfassungIndividuelle Transfusionsindikation? Ja, mit Berücksichtigung der spezifischen Situation des Patienten

Aber: Empfehlungen garantieren die Berücksichtigung von anerkannten Studienergebnissen und die Qualität der Behandlung

To do: flächendeckende Einführung von Transfusionsguidelines, welche Platz für den individuellen Entscheid lassen

Individuelle EK-Auswahl? Ja, jede Spender/Patienten-Konstellation ist im spezifischen Kontext

der Krankheit und Therapie anders

Aber: Empfehlungen garantieren die Berücksichtigung von anerkannten Studienergebnissen und die Qualität der Behandlung

Studien und Hämovigilanzdaten zeigen, dass die Erhöhung der Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger anzustreben ist, und dass weitere Patientenkategorien wahrscheinlich davon profitieren

To do: Spender und technische Voraussetzungen zur Erhöhung der Kompatibilität der Transfusion…

…wo der klinische Nutzen es erforderlich macht.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !