Post on 30-Aug-2019
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LOGTSTTK I WISSEN I BRAUWELT
T
Wege zu einer energie-effi ziente n I ntra I og i sti k
HANDLUNGSFELDER UND STELLHEBEL I Durch steigende
Energie- und Rohstoffpreise, die aktuell geführte I(limadebatte
sowie verschärfte umweltpolitische Reglementierungen erwächst
derzeit ein Spannungsfeld, in dem sich auch die innerbetriebli-
che Logistik mit neuen Herausforderungen lconfrontiert sieht.
Ein strukturiertes Vorgehen kann dabei helfen, der Forderung
nach Nachhaltigkeit in der eigenen Intralogistik nachzukommen.
So unterstützt beispielsweise die Einführung eines ökologischen
Mess-Systems die Bewertung entsprechender Maßnahmen zur
Effìzienzsteigerung und damit die Nutzung der Einsparpotenziale,
die mit deren Einführung verbunden sind.
DIE FRAGE, WELCHE UMSTANDEder Thematik Nachhaltigkeit zur derzeiti-gen Breitenwirkung in allen Bereichen, sei
es Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleis-tung, Verkehr oder Privathaushalt, verhol-fen haben, lässt sich nicht allein mit der Er-
wartung steigender Grundpreise für fossile
Energieträger begründen. Tatsächlich hatauch die momentan geführte Klimadebat-te vielerorts zu Überlegungen geführt, aufwelche Weise sich ein vernünftiger - sprichsparsamer - Ressourceneinsatz mit wirt-schaftlichen Zielen vereinbaren lässt.
Eine Stoßrichtung für eine urnweltbe-rrvusste Logistik muss mit Sicherheit die Op-
timierung von Wertschöpfun gsketten bzw.
-netzwerken unter ökologischen Gesichts-
punkten sein. In diesem Bereich greifen
Autoren: Prof. Dr.-lng. Willibald A. Günthneru nd Dipl.-l ng. PeterTenerowicz, Leh rstu h I fü rFördertech nik Materia lf luss Logistik (fm l),Technische Universität München, München
Maßnahmen zur Reduzierung des Trans-portaufkommens und der durchschnitt-lich zurückgelegten Transportwege sowie
eine Verschiebung des Modal Splits hin zu
umweltfreundlichen Verkehrsträgern und
eine Steigerung der Transporteffìzienz. Bei
den dazu benötigten Stellhebeln handelt es
sich überwiegend um ,,alte Bekannte" aus
dem Supply Chain Management, die es nunin einern neuen Licht zu betrachten gilt. So
sollte zukünftig neben den drei EckpunktenKosten, Qualität und Zeit auch die Umwelt-freundlichkeit im Sinne einer durchgängi-gen Ressourcenschonung in den Fokus derEntscheidungslìndung rücken.
I Energieeff izienz im Fokus
Auch Prozesse der innerbetrieblichen Lo-gistik - zusammenfassend als ,,Intralogis-tik" bezeichnet - bieten aus ökologischerwie ökonomischer Sicht Optimierungs-potenzial. Eine grüne Intralogistik hat di-rekten Einfluss auf den ,,Grünheitsgrad"des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks.Schließlich kann es nicht das Ziel sein,
sämtliche zwischenbetriebliche Transportehinsichtlich Kraftstoffverbrauch und CO,-
Ausstoß zu optimieren, gleichzeitig aber clie
lndustriesektor: Vermeidungskostenkurve -Deutschland 2020
Kost€hin EUFrt CO"e
200
150
UbergreifendiÚbergreilend: EffzienzoptimierungEnergiespaF Beleuchtungmotoren Gebåude
UbergreÌlend:Wå¡mer0ckgewinnungÌn Lùflungssystemen
UberqreifendlOpl¡hierungHeizungssysleme
Chemie:ÊíEieîzKâlâlysa oren
Stehl: WendelBF/BOF zuEAF
ÜbergreilendiI\¡echânischeSystemopti-mrefungenAnkiebe (leilweise\qdschaftlich)
3013sChemíe:LâchgesbindungAdipinsåure-produktion
40 45 50
Kunul¡ônêsVermeidungspolsnzial
in Â,1t CO2e
Chemie:LachgasbindungSalpelersäure-produklion
Zemenl:Klinkersubslitulion
Übergrejlendr Drehz¿hkegle¡ inAnkiebssyslemen E Vermeidungshebel < 20 EUR/t Co2e
L--l Vemeidungshebel > 20 EUR/t co2e
(Ouelle: McKtnseY)
BRAUWELT I NR. 27 (2ooe) 773
Quellê: StudÌe -Ko3len und Pd€nzÌalê dÊr V€medung von Troibhausgasemissimen in Deubchlond" von Mcxins€y & company lnc ln Aulr6g von,,BDlrnilÍål¡v -Widsctuffft¡ KlimåschuH - AG lnduskiê
PERSPEKTIVE
Abb. I Vermeidungskostenkurve lndustriesektor
BRAUWELT I WTSSEN I LOG|ST|K
Maschinen und Anlagen
Komponenten und Antriebe
Abb.2 Handlungsebenen und Stellhebel für eine nachhaltige lntralogistik
Effektive Prozesse
Energie- und Emissionseinsparpotenziale inLagern, Fabriken und bei der Fördertechnikunberücksichtigt zu lassen.
Hierbei steht insbesondere das ThemaEnergieeffìzienz im Mittelpunkt. Dass In-vestitionen in diesem Zusammenhang auflange Sicht äußerst rentabel sein können,zeigt die Studie ,,I(osten und Potenziale derVenneidung von Treibhausgasemissio-nen in Deutschland" der Unternehmens-beratung McKinsey & Courpany aus dem
Jahr 2O07. Mehr als 70 Unternehmenund Verbände rt¡aren an der Bewertungvon über 300 Hebeln zur Verneidung vorlTreibhausgasemissionen in Deutschlandbeteiligt. Entstanden sind auf diese Weise so
gerlannte Vermeidungskostenkurven (Abb.
1), die zeigen, durch welche Maßnahmensich Treibhausgasernissionen reduzierenlassen. Gleichzeitig werden diese Maßnah-nen monetär bewertet, d. h. es wird ange-geben, welche I(osten pro eingesparterTon-ne CO,-Aquivalent entstehen. I(napp znrei
Drittel der Maßnahmen wLtrclen aus Ent-scheidersicht als wirtschaftlich bewertet,darunter Energiesparmotoren, Drehzahl-regler, Wärmerückgewinnung, eflìzienteBeleuchtung und optimierte Heizsysteme.
Diese Maf3nahmen bergen zusammen einVermeidungspotenzial von circa 30 Mega-tonnen CO,-Äquivalent und sind daher alssowohl ökonomisch sinnvoll als auch ökolo-gisch notnrendig einzustufen.
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I nnerbetriebliche Abläufeund Prozesse
I RoadmaO für eineI nachhaltige lntralogistik
Zur: Steigerung der Transparenz und znmAbsichern von Veränderungen gilt es aufdem Weg zu einer energieefhzienten lntra-logistik ein I(otrollsJ,stem einzuführen, das
umgesetzte Maßnahmen gezielt unter demGesichtspunkt der ökologischen Nachhal-tigkeit beleuchtet. Es empfiehlt sich, dieses
Kontrollsystem vor der Einführung entspre-chender Maßnahrnen zur Steigerr-urg derEnergieeffìzienz zu etablieren, da nur so cler
Erfolg (oder Misserlblg) messbar wird.Der Auswahl und Umsetzung geeigneter
MafSnahmen vorausgehen sollten daherdrei vorbereitende Schritte :
I Delìnition von Ökologie-I(ennvr¡erten;I Etabìierung von fuIess-Systenlen:I Aufirahme des Ist-Zustands.
Es gilt also zunächst eine geeignete
Berechnungsrnethodik festzulegen undspezielle Ökologie-I(ennn¡erte (2.B. Ener-gieverbrauch pro'lonnenkilorleter) zudelinieren. Zur Sammlung r./on Messdaten
ernpfehlen sich Energie- und Stoffstrom-managementsysteme. Unterstütznngbeim Monitoring von Ökologie-Kenngrö-ßen bietet cler Einsatz spezieller Sol'twarezur Öko-Bilanzierung. Das Mess-systemschafft eine Vergleichsbasis auf Grundlagevon Energie- bznr Ressourcenbilanzen fürMaschinen, Anlagen und innerbetriebli-
che Abläul'e. Darnit vr¡ird eine ökologischeBen¡ertung des Gesarntsystems rnöglich.Sind Berechnungsnethode, Kennzahlenuncl Mess-Syster.n lestgelegt und die be-trachteten Bereiche klar delìniert, erfolgtdie Auhrahrne eines ersten Ist-Zustands.ìlie Elmittlung eines Status Quo macht zumeinen die anstehenden Herausforderunger.rfassbar, zurn andern vvird so die Möglichkeitgeschafien, aus bisherigen Mängeln zu ler-r.retr r-rnd die bestehendelr S'r,steme sukzessi-t¡e zu verbessern.
Idealerweise urnlasst ein solches I(on-trollsystern das ganze Unternehmerlsìtetz-werk, in clem die Intralogistik lediglich einTeilsystem darstellt. ller Bereich der In-tralogistik ist einerseits von einem hohenTechnologieeinsatz in Fon.r.r von Stetig- undUnsletigförderern, andererseits aber auchvon vielen manuellen Tätigkeiten, beispiels-
weise beim l(onrnissionieren, geprägt. EinAnsatz für eine nachhaltige Intralogistilisollte claher sowohl auf einen sinnr¡ollenund eflìzienten Einsatz der technischenI(omponenten als auch auf die Schaffungeines Ben,usstseins für ökologische Ziele
und Handlungsweisen unter den Nlitarbei-tern abzielen.
Nach der Etablierung des I(ontrollsys-terns für ausgewä hlte Ökologie-Kennzahlenuncl der Âulnahme des Ist-Zustands solltengezielt Schwachstellen ermittelt und be-seitigt werden. Fortschritt und Erfolg der
Mal3nahmen erfasst anschließend das ein-geftihrte Mess-System. Auf diese \¡Veise kön-nen die Auswirkungen der getroffenen Ent-scheidungen nachvollzogen und sichtbargemacht welden. Mögliche Maßr-rahmenfür eine ,,grüne" Intralogistik lassen sichvier Handlungsebenen zuordnen (Abb. 2):r Ebene 1: Innerbetriebliche Abläule und
Prozesse:
I Ebene 2:I(omponenten und Antriebe;I Ebene 3: Maschinen r,rnd Anlagen;t Ebene 4: Prozessübergreifende Rahmen-
bedingungen.Erst durch d ie Schaffun geinerVergleichs-
basis auf Grundlage von Energie- bzrv. Res-
sourcenbilanzen für IVIaschinen, Anlagenund innerbetrieblichen Abläufen wird eine
öÌ<ologische Bewertung des Gesamtsysterlsermöglicht. Diese Bewertung ist wiederunrAusgangspunkt für die Einführung ressour-
cen schoneuder Prozesse.
I Effektivität vor Effizienz
Grnncìsätzlich gilt, dass energieeffìzienteStetig- und Unstetiglörderer erst dan¡ ei-
Lo('lc=o).cEo-ocoEEoÉ.(¡,EC,
e(¡,
Elo)l¡:faaq)NoÈ
I
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nen positiven Effekt liefern, I /enn zuvorprozesse und Abläule effektir¡ gestaltet
wurden. Beispiel,,Überdimensioniertes
Distributionszentrum": I(ommissionier-
system, Förder- und Lagertechnik können
noch so effizient sein in Sachen Energiebe-
darf und Materialnutzung - solange das
Distributionszentrum schlecht ausgelastet
ist, hat das Gesamtsystem (bestehend aus
Prozessen und Betriebsmitteln) das Prädi-
kat ,,etlektiv " nicht verdient. Vielmehr wirdungerutztes Volurnen geheizt bzw. gekühlt,
Transportstreclcen laufen, ohne class sie
benötigt werden und Deckenleuchten er-
hellen Bereiche, in denen sich lcein Mensch
aufhält. Ein erster Ansatzpunkt fìndet sich
also schon in der Planungsphase intralogis-tischer Systerne-hierbei gilt es, auf die rich-tigen Dimensionen zu achten, aber auch die
Ent'eiterbarkeit bei steigender Auslastungzu berücksichtigen.
In einem zlr¡eiten Schritt sollten die ef-
fektiven Prozesse aul ihre Effìzienz hinuntersucht werden. Unter ökologischenGesichtspunkten steht hierbei vor allemderEnergieeinsatzimMittelpunkt. Die überden gesamten Arbeitsbereich elektrischerAntriebssysteme hinweg aufgebrachteelektrische Energie sollte nur unlvesentlich
oberhalb der benötigten mechanischenEnergie liegen. Zrnrei vr¡eitere Grundsätzesind der intelligente (also wiederum effek-tive) Einsatz elektrischer Energie, von der so
wenig wie nötig zu verbrauchen ist, sowiedie konsequente Nutzung von Bremsener-gie, sofern diese in nennenswertem Umfan g
zurückgespeist wird.Die Suche nach Potenzialen zur ener-
gieeffìzienten Gestaltung der Intralogistikdarf an dieser Stelle allerdings noch nichtenden. Vielmehr gilt es, auch das Umfeldzu betrachten, in dern sich die logistischenProzesse abspielen. Im Fall der Intralogis-tik wird dieses Umfeld von Gebäuden be-
stimrnt, in denen Lager-, I(ommissionier-und Transportprozesse ablaufen. Nach-haltige Konzepte für prozessübergreifendeRahmenbedingungen wie Hallenbeleuch-tung oder Raumwärme lönnen dahernoch zusätzlich zu optirnierten, schlankenProzessen und effizienter Fördertechnik die
OÌrobilanz verbessern.
I Fazit
Der Faktor Energieeffìzienz gewinnt zu-künftig aller Voraussicht nach als Entschei-dungskriteriurn für den Einkauf und somitals Zielgröße in der Entwicklungsphase
LOGTSTTK I WTSSEN I BRAUWELT
technischer Systeme auch in der Intralo-gistik an Bedeutung. Bedingt wird dieser
Trend einerseits durch weiter ansteigendeEnergiekosten, clie in Zukunft die Lebens-
zykluskosten von Maschinen und Anlagenbei Investitionsentscheidungen mehr inden Fokus rücken. Andererseits stärkt die
allgemeine Klimadebatte den Ökologie-gedanken im I(ontext nachhaltigen Wirt-schaftens. Da das ökologische Handeln,also der sparsame Umgang rnit Ressourcen
wie elektrischem Strom, wie oben gezeigt,
in Zukunft auch lìnanziell noch reizvollerwird, bietet sich aus Unternehmersicht eindoppelter Nutzen: Das ökologisch Notwen-dige ist nun auch ökonomisch sinnvoll. DerWeg zu energie- und ressourcenschonen-clen Logistikprozessen ist vorgezeichnet - ermuss nur noch gegangen werden. Dabei giltes, Schritt für Schritt vorzugehen, um mo-netäre wie ökologische Einspareffekte mitHilfe von Mess-Systemen transparent undvergleichbar zu machen und diese langfris-tig abzusichern. Eine effektive Gestaltungder innerbetrieblichen Logistikprozesseist ausschlaggebend für den Gesamterfolgentsprechender Initiativen und stellt gleich-zeitig den größten Stellhebel in Bezug aufökologische Nachhaltigkeit dar. r
Recht
Kurzarbeit e rzw¡ n g ba r?
Die Anordnung von I(urzarbeit bedarf ei-
ner Rechtsgrundlage. Für tarifgebundeneArbeitsverhältnisse wird diese Option oft inTarifverträgen geregeÌt. Ebenso besteht die
Möglichkeit einer Betriebsvereinbarung inBetrieben mit einem Betriebsrat. Schließ-lich kann man die Anordnung von I(urzar-beit in den einzelnen Arbeitsverträgen ver-einbaren. Schwierig wird es, wenn alle dreiMöglichkeiten nicht gegeben sind.
In den letzteren Fällen müssen sich Ar-beitgeber und Alrbeitnehmer persönlichüber die I(urzarbeit, deren Dauer und derensonstige Bedingungen einigen. Gelingt das
nicht, ist dem Arbeitgeber die Anordnungvon l(urzarbeit des betroffenen Arbeitneh-mers verwehrt. Nach seinem Arbeitsver-trag hat cler.Arbeitnehmer einen Ânspruchauf die zugesagte Beschäftigung gegen den
dafür zugesagten Lohn. In der aktuellenjuristischen Literatur wird deswegen die
Möglichkeit einer außerordentlichen An-derungskündigung des Arbeitgebers ernst-haft diskutiert.
Eine Änderungskündigung bedeutet,dass das bisherige Arbeitsverhältnis gekün-digt wird und dem Arbeitnehmer ein neu-es Arbeitsverhältnis als Ersatz angebotenwird. In diesem Fall würde es sich um einenArbeitsvertrag mit einer l(urzarbeitsklau-sel handeln oder um eine befristete Ande-rung der Beschäftigung für die Dauer der
angeordneten l(urzarbeit. Der Arbeitgebermüsste dringende betriebliche Erfordernis-se undeine gewisse Verhältnismäßigkeit fürdiese Maßnahme darlegen und beweisen
können, was aber in der Regel gegeben sein
dürfte. Zumal dann, wenn die übrige Beleg-
schaft I(urzarbeit macht.Außerordentlich sollte das I(ündigungs-
recht des Arbeitgebers dann sein, wenn ersich bei der allgemeinen Einführung von
I(urzarbeit nicht an die I(ündigungsfristenhalten kann. Ein länger als fünfzehn |ahrebeschäftigter Arbeitnehmer hat beispiels-
weise eine gesetzliche I(ündigungsfrist vonsechs Monaten zum Ende eines I(alender-monats. Die Einführung von I(urzarbeit istaber meistens dringend und mit der Einhal-tung der I(ündigungsfristen in der Regel
nicht vereinbar. Dieses bedeutet nochmalszum Schutz des Arbeitnehmers, dass die
I(urzarbeit nahezu existentiell wichtig undganz unmittelbar erforderlich sein muss,
was der Arbeitgeber wieder darzulegen undzu beweisen hat.
Allerdings: Eine gesicherte Rechtspre-chung und insofern verbindliche Rechtsla-ge zu dieser, in der Unternehmenskrise breitgeäußerten juristischen Meinung gibt es
naturgemäß noch nicht.IÇDegenhard
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