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W ir waren spät dran undhatten keine Koffer da-bei. Beides lag an Air

Berlin, einer Fluglinie, deren Bo-denpersonal es sehr genau nimmtmit der Zeit, innerhalb der manvor Abflug am Check-in zu er-scheinen hat, und mit dem Ge-wicht, das das Handgepäck höchs-tens haben darf. Trotzdem scheintes ein unüberwindbares Hindernisdarzustellen, auf einem Direktflugvon Tegel nach Palma de Mallorcadie aufgegebenen Koffer nicht zuverlieren. Jedenfalls standen wirohne Gepäck in Palma, und nachdem dritten Anruf bei der Gepäck-verlust-Stelle stellte sich das Ge-fühl ein, dass wir die Insel ohneGepäck bereisen würden.

Weil man aber, wie man seit Ko-lumbus weiß, beim Reisen nie auf-geben darf, wenn es unübersicht-lich wird, fuhren wir einfach los,in den Norden der Insel. Die Son-ne stand schon tief, als wir überdas Kopfsteinpflaster in die Alt-stadt von Artà rollten, und bis aufeine alte Frau, die in Kittelschürzevor ihrem Haus kehrte, war keinMensch zu sehen. ¡Buenas tardes!Ein Lächeln huschte über ihr Ge-sicht. Genau – hier wird noch ge-grüßt, hier werden Umgangsfor-men gepflegt. Das Hotel „Jardíd’Artà“? Verwittertes, sympathi-sches Zwinkern; ja, davon habe siegehört, hier einfach die Straße ent-lang und dann rechts, ihr könnt esnicht verfehlen, und einen schö-nen Abend noch.

Man kann es aber durchaus ver-fehlen, wenn man bei schräg-stehender Sonne durch die schma-le Straße am Fuß der Kirche SanSalvador vorbeifährt: Nur eineTür und ein kleiner Schriftzug,mehr sieht man nicht. Dann abertritt man ein – und ist sofort gefan-gen. Von den Kieseln, die den Bo-den schon seit Jahrhunderten säu-men, den alten Fliesen, die in ei-nen Innenhof führen, ach was, ei-nen unerwartet weitläufigen Para-diesgarten mit kleinen Terrassenund Wasserbassins und einem La-byrinth aus Wegen und Teichen,

die zu einem kleinen, hinter eineralten Holztür versteckten Pool füh-ren. Kinder lieben den Ort, weilsie ständig neue Winkel, Blumenund Bäumchen entdecken, Katzenund Eidechsen jagen und stunden-lang Verstecken spielen können,ohne die Gäste zu stören, die un-ten im Hof, der eher ein Wohn-und Speisezimmer unter freiemHimmel ist, sitzen.

Das „Jardí d’Artà“ ist ein Hotel,das sich kunstvoll in ein altes Ge-mäuer aus dem 19. Jahrhundertschmiegt – hier fühlt man sicheher wie auf Besuch bei Verwand-ten. Ein Eindruck, der sich verfes-tigt, wenn man Georg Ambühlkennenlernt, den sie hier PapaGeorges nennen – ein SchweizerHotelier der alten Schule, er hatlange in Asien gelebt, hat alles ge-sehen und sich trotzdem die Liebezu seinem Beruf und den Gästenerhalten, und eine erstaunlichgute Laune, die auf die Mitarbei-ter ebenso abzustrahlen scheintwie auf die Gäste. Man trifft ihntags und nachts (angeblich hat erauch ein eigenes Zuhause, aberwann er dort ist, weiß niemand).Man trifft ihn, wenn man sich amfrühen Abend mit einem Gin To-nic in den Innenhof an die festlichgedeckten Tische setzt. Man siehtihn, wenn man das Restaurant, indem mediterrane Spezialitäten ser-viert werden, spätabends in Rich-tung der kühlen Zimmer verlässt,in denen frische Leinenbetten aufdie vom Tag versandeten Gästewarten. Man sieht ihn morgens,wenn man den grünen Innenhofverlässt, um zu den Stätten der Ta-laiot-Kultur zu fahren, zur Sied-lung Ses Païsses, wo die Ureinwoh-ner der Insel schon in der Bronze-zeit ausprobierten, wie man schö-ne und funktionale Häuser baut,und das ganz ohne Mörtel. Späterkamen die Mauren in die Gegendund trieben den Gemüse- undObstanbau voran. Die nächste In-vasion, die der Touristen, bliebglücklicherweise im Süden der In-sel stecken, und Artà blieb bis heu-te ein verhältnismäßig ruhigerOrt, in dem es noch Öffnungszei-

ten, die Siesta und den Sonntaggibt, an dem die Läden selbstver-ständlich geschlossen bleiben.

Am Nachmittag fuhren wirüber die holperigen Pisten hinterder Stadt die etwa zehn Kilometerlange Strecke durch Ginsterbü-sche und Pinienwäldchen hinunterzur Cala Torta, auf dem letztenAbschnitt donnert man durch vor-stadtpoolgroße Schlaglöcher, wes-halb man sich am Ende aber übereinen Strand ohne Busparkplatzfreuen darf. Ein Kormoran hattesich auf einen Felsvorsprung ge-setzt und die Flügel zum Trock-nen aufgespannt und betrachtetedie Bucht, als gingen ihm weiseGedanken durch den Kopf, abervermutlich dachte er nur an die Fi-sche, die er gerade vertilgt hatte.Die Bucht ist klein, aber der Sandist sauber und hell, manchmalbläst ein heftiger Wind vomMeer, das Wasser ist klar, und derFisch, den sie in der kleinen Bret-terbude zubereiten, die ohneStrom auskommt, ist immerfrisch, und die Scampi schmeckentraumhaft.

An diesem sehr einfachen Ortwurden schon spektakuläre Festegefeiert, und alle hoffen, dass dieBude so bleibt, wie sie ist. Auchwenn es hier gerade in der Vorsai-son angenehm leer ist – wederArtà noch die Cala Torta sind einGeheimtipp, wie auch, sie liegenja auf Mallorca. Und trotzdem hatman den Eindruck, dass alle, diediesen Ort entdeckt haben, ihndoch wie ein Geheimnis nur denbesten Freunden weitersagen, sowie auch das „Jardí d’Artà“ schnellbekannt war bei den sogenanntenInsidern. Die Gegend hat sich ge-gen den Massen- und Billigtouris-mus entschieden, wer beides ver-misst, kann in das nahe gelegeneCala Ratjada fahren – und sich hin-terher wieder über Artà und dasfreundliche, familiäre Lächeln vonPapa Georges freuen. BARBARA LIEPERTArta ist 70 Kilometer von Palma de Mallor-ca entfernt, mehr unter www.artamallor-ca.travel. Im „Jardí d’Artà“ kostet das Dop-pelzimmer in der Hochsaison ab 155 Euro,mehr unter www.hotel-arta.com.In den alten Gemäuern schläft es sich wie bei Mama – oder Papa. Papa Georges ist nämlich immer da und sorgt für frische Leinenbetten und viel Wohlsein.

Hinter diesen MauernGut versteckt im Nordosten Mallorcas: Zu Besuch im Hotel „Jardí d’Artà“,einem kleinen Refugium und einer großen Entdeckung

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Verstecken spielen und Eidechsen jagen oder einfach still sitzen bleiben – das geht im verwinkelten Garten des „Jardí d’Artà“ richtig gut. Fotos Uschi Burger-Precht