Post on 29-Oct-2019
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Insektensterben in Fließgewässern ?Projektarbeit von Gregor Buchholz, Anna Ida Holler, Jean-Marie Müller, Yannik Steudter
im Studiengang BA Umwelttechnik an der Hochschule Rhein-Main
betreut von: Prof. Dr. Schmid & Dr. Mechthild Banning
Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
1. Anlass
2. Methodik
3. Ergebnisse
1. Probenahme
2. Messstelle
3. Wasserkörper
4. Diskussion
1. Gewässergüte
2. Maßnahmenprogramm
5. Fazit
© Eiseler
© Eiseler© Eiseler
Gliederung
Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Anlass
3
Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Ergebnis der „Krefelder Studie“ 2017
• mehr als 75 % Verlust an Biomasse bei Fluginsekten im Zeitraum von 27 Jahren
(1989 – 2015)
• unabhängig von Biotoptypen des Offenlandes im deutschen Tiefland
• unabhängig, ob es eher seltene, gefährdete & anspruchsvolle Arten sind
oder „Allerweltsarten“
• Klima- und Biotopveränderungen werden als Hauptverursacher ausgeschlossen
• vermutete Hauptursache: intensive landwirtschaftliche Nutzung
(Pestizidbelastung und Überdüngung)
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
• einige vermutete Ursachen:
• Gewässerausbau - Gewässerverbau
• Eutrophierung(N- & P-Einträge und landwirtschaftliche Nutzung in der Umgebung)
• Bericht führt aber auch an, dass
• mit der weitergehenden Abwasserreinigungsstufe (3te Reinigungsstufe) zur Stickstoff- und Phosphorelemination (seit den 1970er Jahren) und
• mit der Verbesserung des chemischen Zustands (organische und anorganische Abwässer) gemäß WRRL (seit 2001 )
eine Erholung der Gewässerfauna (auch viele aquatische Insekten) erfolgt ist.
Bericht des BMU zur 90. Umweltministerkonferenz 2018
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Methodik
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Vertreter des Makrozoobenthos:
Schnecke (Bithynia tentaculata) (oben), Eintagsfliege
(Ephemerella ignita & Ephemerella mucronata) (unten)
© Banning
• “Tragende Säule des Gewässerökosystems“
(LAWA 200:102)
• Indikatororganismen für den ökologischen
Zustand des Gewässers
• Konsumenten von organischem Material und
Nahrungsgrundlage für größere Lebewesen
• Umfasst mit dem bloßen Auge sichtbare,
wirbellose Gewässertiere, welche die
Bodenregion eines Gewässers bewohnen
Makrozoobenthos
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Probenahme
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
• Verfahren zur Bewertung des ökologischen Zustandes
von Fließgewässern
• Beinhaltet in der Regel 2 Module: „Saprobie“ und
„Allgemeine Degradation“
PERLODES
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• Saprobienindex
• System besteht seit ca. 100 Jahren
DIN38410
• Indikatoren sind die Fischnährtiere
• Besonderheiten der Metric
• Keine Momentaufnahme
• Einfach
• (BiologIn, Sieb, Schale, Lupe)
Saprobie
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Ephemeropteralarve (oben) und geschlüpftes
Imago (unten) der Gattung Ephemera © Banning
• Relativer Anteil EPT
• Metric-Wert welcher sich auf den relativen
(Individuen-) Anteil der Ephemeropta, Plecoptera
und Trichoptera bezieht
• Steigender Metric-Wert signalisiert eine hohe
Biodiversität und ein ungestörtes sowie
strukturreiches Gewässer
• Besonderheiten der Metric
• Reagiert empfindlicher als Gesamttaxa aufgrund
fehlender Bioindikatoren
• Sehr hohe Habitatansprüche
• Benötigen in flugfähigen Stadien auch ein intaktes
Gewässerumfeld
Metric EPT – Allgemeine Degradation
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• Gewässerstrukturgüte
• Gute Wasserqualität, sowie intakte Gewässerstrukturgüte
wichtig für aquatische Ökosysteme
• Erfassung & Bewertung
• Nach Verfahrensempfehlung der LAWA
• 7 Strukturgüteklassen
(1 „unverändert“ bis 7 „vollständig verändert“)
• Für kleine & mittelgroße Fließgewässer
• 6 Hauptparameter
• 25 Einzelparameter
Gewässerstrukturgüte
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• 12 Einzelparameter aus der Strukturgütekartierung
• Berechnung als arithmetrisches Mittel
• Parameter sind relevant für biologische Qualitätskomponenten
und die Habitatqualität des Makrozoobenthos
Habitatindex
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𝐿𝑎𝑛𝑑𝑛𝑢𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔𝑠𝑖𝑛𝑑𝑒𝑥 𝐿𝑈𝐼
= 𝟏 ∗ 𝐺𝑟ü𝑛𝑙𝑎𝑛𝑑 +
𝟐 ∗ 𝐴𝑐𝑘𝑒𝑟𝑙𝑎𝑛𝑑 +
𝟒 ∗ 𝑠𝑡ä𝑑𝑡𝑖𝑠𝑐ℎ𝑒 𝑁𝑢𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔
(UBA 2014)
LUI_100 = 50 m rechts und links
& 500 m oberhalb
LUI_500 = 250 m rechts und links
& 5000 m oberhalb
Je größer der LUI, desto stärker die Nutzung
Landnutzungsindex
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Betrachtete abiotische und biotische Parameter
Parameter (Bäche und Flüsse) Probenahme Messstelle Wasserkörper
Ökologischer Zustand: Saprobie X
Ökologischer Zustand: Allgemeine Degradation X
Gewässerstruktur: Strömungsvielfalt X
Gewässerstruktur: Anzahl anorganische Substrate X
Gewässerstruktur: Substratvielfalt X
Beschattung X
Gewässerstruktur: Habitatindex X
Landnutzung: Landnutzungsindex X
Gewässerstruktur: Anteil Strukturklassen 1 - 4 X
Gewässerstruktur: defizitäre Gewässerabschnitte X
Phosphorkonzentration X
Datengrundlage
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Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie
Ergebnisse Probenahme
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1 2 3 4 5
Ökologische Zustandsklasse Saprobie
0
10
20
30
40
50
Anzahl In
sekte
nart
en e
iner
Pro
benahm
e
Median
25%-75%
• Deutliche Abhängigkeit
• Besonders starke Trennung
Zustandsklasse 2 und 3
• Je schlechter die Klasse desto
weniger Insektenarten
• In Klasse 4 und 5 nur bestimmte
Insektenarten
(Zuckmückenlarven)
Anzahl Insektenarten – ÖZKL Saprobie
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• Deutliche Abhängigkeit
• Besonders starke Trennung
Zustandsklasse 2 und 3
• In Klasse 4 zwar im Median 2
Arten
• jedoch nur geringe Dichten
Anzahl Köcherfliegenarten – ÖZKL Saprobie
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• Deutliche Abhängigkeit
• Besonders starke Trennung
Zustandsklasse 2 und 3
• In Klasse 4 und 5 quasi kein
Nachweis von
Köcherfliegenlarven
Relativer Anteil der Köcherfliegen [%] – ÖZKL Saprobie
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1 2 3 4 5
Ökologische Zustandsklasse Saprobie
0
10
20
30
40
50
60
70
Rela
tiver
Ante
il der
EP
T [
in %
]
Median
25%-75%
1 2 3 4 5
Ökologische Zustandsklasse Saprobie
0
10
20
30
40
50
60
70
Rela
tiver
Ante
il d
er
EP
T [
in %
]
Median
25%-75%
• Klare Abgrenzung der Klassen
2 und 3 75% Perzentil der
Klasse 3 liegt unterhalb 25 %
Perzentil der Klasse 2
• Zeigt deutlich wie wenige
Individuen der EPT in den
Klassen 3-5 vorkommen
Relativer Anteil der EPT [%] – ÖZKL Saprobie
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• Abhängigkeit deutlich geringer
• Grund: abwassertolerante Arten
insbesondere in der Gruppe der
Fliegen und Mücken (Diptera)
Relativer Anteil der Insekten [%] – ÖZKL Saprobie
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• Hoher Einfluss auf Anzahl der Insektenarten
• Je verschmutzter ein Gewässer
desto höher der Saprobienindex
desto weniger Insektenarten registriert
• Teilweise differenzierte Betrachtung Arten wie zum Beispiel
Zuckmücken- und Kriebelmückenlarven leben oft in stark
organisch belasteten Gewässern
Zusammenfassung Saprobie
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• Metrik „Relativer Anteil der EPT-Arten“ korreliert deutlich mit
vielen abiotischen Parametern z.B. Strömungs- und
Substratvielfalt, Habitatindex etc.
• Allgemein lässt sich sagen, dass die Korrelationen der relativen
Anteile von Insekten immer höher sind, als die Korrelationen der
absoluten Individuenanzahl
Zusammenfassung Allgemeine Degradation
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Ergebnisse Messstellen
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• Fast kontinuierliche Abnahme
von ca. 35 Arten auf 15 Arten
Mittlere Anzahl Insektenarten – Habitatindex
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• kontinuierliche Abnahme
zwischen Klassen 2 (gering
verändert) und 6 (sehr stark
verändert
Relativer Anteil der EPT [%] – Habitatindex
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
1 2 3 4
Landnutzungsindex 100
0
10
20
30
40
50
Mit
tle
re A
nza
hl
Inse
kte
na
rte
n e
ine
r M
essste
lle
Median
25%-75%
• Korrelationskoeffizient
r = - 0,24
• Deutliche Überschneidungen
der Perzentile
Mittlere Anzahl Insektenarten – Landnutzungsindex 100
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1 2 3 4
Landnutzungsindex 500
0
10
20
30
40
50
Mittl
ere
An
zah
l In
sekte
na
rten
ein
er
Messste
lle
Median
25%-75%
• Korrelationskoeffizient
r = - 0,36
• Relativ große
Überschneidungen der
Perzentile
• Deutlichere Abnahme des
Medians
• Großräumigere Betrachtung
der Flächennutzung
Mittlere Anzahl Insektenarten – Landnutzungsindex 500
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• Parameter “Grünland“ sollte bei künftigen Forschungsprojekten zur
Berechnung des Landnutzungsindex nicht berücksichtigt werden
• Parameter “Grünland“ korreliert positiv
ACKER_proz GRUEN_proz WALD_proz LUI_100m LUI_500m
Anzahl_Insecta -0,216827 0,217215 0,176697 -0,243758 -0,364575
Landnutzungsindex
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Ergebnisse Wasserkörper
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0 <10 <20 <30 <40 <50 <60 <70 <80 <90 >90
Anteil Strukturklassen 1-4 [in %]
0
10
20
30
40
50
60
Rela
tiver
Ante
il d
er
EP
T [
in %
]
Median
25%-75%
• Korrelationskoeffizient
r = - 0,06
• Extreme Schwankungen
• Keine geeignete
Bewertungsform
Relativer Anteil EPT [%] – Anteil Strukturklassen 1 – 4 [%]
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• Annahme: Summenparameter “Gewässerstrukturgüte“ des
Wasserkörpers ist kein geeigneter Indikator für den ökologischen
Zustand
• Auch Foerster et al (2017) konnten keinen zufriedenstellenden
Zusammenhang zwischen der Bewertung der biologischen
Qualitätskomponenten und den gängigen Kennzahlen der
Gewässerstrukturkartierung erkennen – Habitatindex
Relativer Anteil EPT [%] – Anteil Strukturklassen 1 – 4 [%]
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• Mittlere Individuendichte nimmt
mit steigender
Phosphorkonzentration zu
(r = 0,119)
• Höhere Phosphorkonzentration
führt zu erhöhter Trophie im
Gewässer
• Mehr Nahrung liegt vor, von der
abwassertolerante
Insektenordnung der
Zweiflügler profitieren
</= 0,05 </= 0,1 </= 0,2 </= 0,3 > 0,3
Phosphor Gesamt [in mg/l]
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
2000
Mittl
ere
Ind
ivid
ue
nd
ichte
de
r In
se
kte
n [
Ind
./m
²]
Median
25%-75%
Mittlere Individuendichte Insekten [Ind./m2] – Phosphor Gesamt [mg/l]
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• Ausreißer bei </= 0,05 und >
0,3 mg/l
• Geringe Anzahl von
Stichproben (14 bzw. 30)
• Messung am Ende eines
Wasserkörpers
• Bestätigung des Umweltziels
der OGewV < 0,1 mg/l
• Relative Anteil der EPT liegt
im Median bei dieser
Konzentration am höchsten
• Abnahme mit steigender
Konzentration
</= 0,05 </= 0,1 </= 0,2 </= 0,3 > 0,3
Phosphor Gesamt [in mg/l]
0
10
20
30
40
50
60
Re
lati
ve
r A
nte
il d
er
EP
T [
in %
]
Median
25%-75%
Relativer Anteil EPT [%] – Phosphor Gesamt [mg/l]
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Diskussion
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Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Entwicklung der Güteklasse von 1970 bis 2016
Gewässergüte
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• Gewässergüteklasse hat sich in dem
Zeitraum von 1970 bis 2010 außerordentlich
verbessert
• Positive Entwicklung der Gewässergüte
haben einen signifikanten Effekt auf das
Insektenvorkommen –insbesondere sensible
Insektengruppen
• Durch deutliche Verbesserung der
Gewässergüte konnten bereits viele
Insektenarten die Bäche und Flüssen
wieder besiedeln
Entwicklung der Güteklasse von 1970 bis 2016
Gewässergüte
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Entwicklung der Lebensgemeinschaft des Rheins
Gewässergüte
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© Schöll et al. (2015)
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• Hypothese wird durch die Ergebnisse von Schöll et al. (2015)
bestätigt
• Deutlicher Anstieg der Insektenzahlen
• Trotz aller positiven Entwicklungen sind noch umfangreiche
strukturelle Verbesserungen notwendig
Entwicklung der Lebensgemeinschaft des Rheins
Gewässergüte
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Wichtigste Maßnahmen
• Bereitstellung von Flächen
• Entwicklung naturnaher
Gewässer (Ufer- und
Auenstrukturen)
• Wiederherstellung der linearen
Durchgängigkeit
Noch erforderlcihe Mittel: in etwa 550 Mio. € (HMUKLV 2015)
Maßnahmenprogramm WRRL Struktur & Durchgängigkeit
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Fazit
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Die hohe Abwasserbelastung führte in der Vergangenheit zu einem
unbemerkten sehr starken Insektensterben
Verbesserung der Gewässergüte führte seit Ende der 70er Jahre sukzessive
wieder zu einer deutlich höheren Artenvielfalt der aquatischen Insekten
Verbesserung der Struktur führt zu einer erhöhter Biodiversität
Bisherige Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt zeigen Wirkung
Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur (und zur
Minderung der stofflichen Belastung) werden eine weitere Zunahme der
Insekten bewirken
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!