Grundlagen, Überprüfung und Förderung von Kindern mit SSES ... · Erzählort gemeinsam entstehen...

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Grundlagen, Überprüfung und Förderung von Kindern mit SSES

Dr. Anja Schröder

Was ist Erzählen?

Welche Bedeutung hat Erzählen für den Alltag und die Schule?

Welche Fähigkeiten gehören zum Erzählen?

Wie können diese Erzählfähigkeiten erfasst werden?

Welche Fähigkeiten zeigen Kinder mit SSES?

Wie kann eine Förderung konzipiert sein?

Erfordert mindestens zwei Teilnehmer: Erzähler und Zuhörer

Übersatzmäßige Einheit wird gemeinsam hergestellt (ko-konstruiert)

-> interaktiver Aufbau der globalen Erzählstruktur Global-

strukturelle Dimension

Bezieht sich auf ein einmaliges, vergangenes Ereignis

Enthält etwas „Ungewöhnliches“ (Planbruch)

Enthält eine „Bewertung“

-> Herstellung einer Geschichte Global-semantische Dimension

Erfordert sprachliche Mittel zur Markierung wichtiger Elemente (Einstieg, Planbruch, Abschluss)

Erfordert sprachliche Formen zur Herstellung von Verbindungen (z.B. Referenz)

-> Einsatz von sprachlichen Formen mit globalen Funktionen

(Hausendorf & Quasthoff 1996)

Global-formale

Dimension

Global-strukturelle Dimension

Global-semanti-

sche Dimensio

n

Global-formale

Dimension

In Anlehnung an (Quasthoff 2006))

Im Alltag:

Organisation und Speicherung von Erlebnissen

Entlastungsfunktion

Soziale Funktion

In der Schule:

Einfluss auf den Schriftspracherwerb

Lesekompetenz

Textproduktion

Einfluss auf mathematische Fähigkeiten

Erzählanlass

„…ist die Fähigkeit mit globalen sequentiellen Erwartungen in Gesprächen produktiv und rezeptiv kontextualisierend umgehen zu können. Dies impliziert die 3 Dimensionen:…“ (Quasthoff 2008).

Erzählen als prototypische Diskurskompetenz

von Quasthoff (2006)

Globalstrukturelle Dimension

Ich und Du

Globalsemantische Dimension

Ich, Du und die Geschichte

Globalformale Dimension

Ich, Du und die sprachlichen Anforderungen

Geschichte

Die Fähigkeit sich auf den Interaktionspartner

einzulassen,

seine Perspektive einzunehmen

Die Fähigkeit ein Ereignis zu einer Geschichte zu entfalten, bezogen auf einen Zuhörer

Aufmerksamkeitsbogen, Blickkontakt aufrechterhalten, Sprecherwechsel erwarten, Zuhörverhalten wahrnehmen,

berücksichtigen, Abfolgenstruktur übernehmen, Abfolgen initiieren, markieren,

abschließen Larissa 4J. (DO-BINE)

„Kognitive Geschichte“ als Ergebnis von Wahrnehmungsprozessen (vom Ereigniskomplex zum einzelheitlichen Wahrnehmen)

Ausbildung von mentalen Repräsentationen auf 2 Ebenen (ToM)

Art der Anordnung und Verbindung der

Informationen (isoliert, linear, episodisch strukturiert)

(Andresen 2005, Quasthoff 1980, Bruner, Astington, Boueke & Schülein 1995)

Geschichte

Fähigkeit zum Perspektivenwechsel: Was weiß mein Zuhörer?

Dekontextualisierung: Überstiegsfähigkeit zwischen HIER & JETZT

– DORT & DAMALS

Sequenzierung und Skriptaufbau: vom planvollen Handeln im Spiel zur

planvollen Versprachlichung einer Handlungsfolge

Die Fähigkeit durch sprachliche Formen:

Sprachliche Markierung des Überstiegs (nicht-hier, nicht-jetzt, nicht-du)

die Struktur der Geschichte zu markieren (Einstieg, Höhepunkt und Abschluss)

und um Zusammenhänge deutlich zu machen.

Stimmlich –prosodische Ebene

Phonetisch-phonologische Ebene

Semantisch-lexikalische Ebene

Morphologisch-syntaktische Ebene

Pragmatisch-kommunikative Ebene

Narrativ-diskursive Ebene Lennard 4 J. (DO-BINE)

Kompetenz als personenbezogenes Konzept entzieht sich dem Ziel der Interaktionsforschung, soziale Realität als grundsätzlich gemeinsam hergestellt zu betrachten.

Quasthoff 2008

Doppelter Sinn der Frage: Wie gewinnt das Kind Kompetenzen aus interaktiven

Praktiken? Wie gewinnt die Analyse die individuellen Kompetenzen

aus den interaktiven Praktiken?

Sequenz von lokalen und globalen Zugzwängen stellt die Anforderungen und zeigt die Erfüllung dieser an

Dieser Mechanismus ermöglicht die Rekonstruktion von Kompetenz ohne einen Rückgriff auf Normsetzungen.

Das Beispiel DO-BINE

Dortmunder Beobachtungsverfahren

zur Interaktions- und Narrationsentwicklung

Vier- bis Siebenjähriger

Videosequenz

auf Art und Ausmaß der

interaktiven Unterstützung rückbeziehen

Erzählfähigkeiten des Kindes

Erzählen und Spracherwerbsstörungen – Welche Hürden können Kinder mit SSES

nehmen?

Beeinträchtigungen im Erzählen? -> Unterschied der interaktiven Erzählfähigkeiten von

Kindern mit SSES zu gleichaltrigen Kindern mit unauffälligem Spracherwerb?

Verzögerung oder eigenständiges Erzählprofil?

-> Unterschied der interaktiven Erzählfähigkeiten von Kindern mit SSES zu jüngeren Kindern mit unauffälligem Spracherwerb?

Beispiel Analysekriterien:

Werden relevante Informationen genannt? Basiskategorien (Setting, Planbruch, Auflösung) Wahrnehmbare Inhalte Inhalte mit subjektiver Interpretation (innere Pläne,

Gedanken, Gefühle)

Zuhörerunterstützung bei der Nennung der jeweiligen Information: Zuhörerunterstützung gegeben Selbstständig Information wird nicht genannt

Vergleichende Analyse interaktiver Erzählfähigkeiten

Schröder 2010

0

2

4

6

8

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12

14

16

Kinder m. SSES sprachl. unauff.6J.

sprachlichparallel. Kinder

Häu

fig

ke

it d

er

Nen

nu

ng

Basiskategorien des Keksvorfalls

Keksvorfall

0

1

2

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4

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6

Kinder mit SSES altersparal. Kinder sprachlich paral.

Kinder

globale ZZ

0

1

2

3

4

5

6

Kinder mit SSES altersparal. Kinder sprachlich paral.

Kinder

globale ZZ

lokale ZZ

Kinder mit SSES benötigen höheres Ausmaß an Zuhörerunterstützung zur Nennung der Basiskategorien

-> geringere Leistung als gleichaltrige Kinder ohne Sprachauffälligkeiten

Kinder mit SSES liefern aber mit vergleichbarer Zuhörerunterstützung mehr Inhalte als jüngere Kinder mit ähnlichen sprachlichen Fähigkeiten

-> höhere Leistung als jüngere sprachlich parallelisierte Kinder

EIGENSTÄNDIGES ERZÄHLPROFIL DER KINDER MIT SSES

Förderung

Hilfestellung bei

spontan erzählen

Erlebnissen

Erzählen

anregen

Gezielte,

strukturierte

Förderung von

Erzählfähigkeiten

1. Grundlegende Fähigkeiten

2. Einführung einer Metaebene

3. Erzählinteraktion

4. Dokumentation

Unser Reporter vor Ort…

Erzählort gemeinsam entstehen lassen, semantisches Feld erarbeiten, relevantes Wortmaterial einführen, festigen, strukturieren

(komplementäre) Rollen dazu festlegen

Aufgaben der Kinder:

Kinder übernehmen diese Rollen, verkleiden sich

Sprachliche, kommunikative Aufgaben werden besprochen und festgelegt (Was könnte ein Verkäufer sagen, damit die Kunden bei ihm kaufen?)

Aufgaben der Fachperson:

Thema vorgeben

Anbieten von „Problem“, Planbruch

Mit Kindern „Lösung“ finden

Einführung einer Metaebene (globalsemantische Dimension)

Anbahnung der interaktiven Selbstständigkeit (globalstrukturelle Dimension)

Zusätzlich zu Förderangebot 1 wird eine weitere Rolle eingeführt: der Reporter

Aufgaben der Kinder:

Agieren in ihren Rollen wie in Förderangebot 1

Übernehmen Teil der Reporterrolle (Assistent)

Handlungsbegleitende Sprache (erlebte Verben)

Aufgaben der Fachperson:

Modell für Reporter, der das unmittelbar sichtbare versprachlicht, (lokale Struktur)

Befragt z. B. Assistenten vor Ort nach Vorkommnissen

Zusätzlich zu Förderangebot 1

Nach Abschluss des Rollenspiels schaffen einer kommunikativ sinnvollen Erzählinteraktion

Aufgaben der Kinder:

Ein Kind oder mehrere Kinder erzählen das Ereignis einem uninformierten Zuhörer (globale Struktur)

Aufgaben der Fachperson:

Übernimmt die Rolle des uninformierten Zuhörers

Setzt gezielt Unterstützungsmechanismen ein

Innere Repräsentation der Interaktion bilden (globalstrukturelle Dimension)

Nutzung sprachlicher Formen zur Markierung der Erzählstruktur (globalformale Dimension)

-> Übergang zur Schriftlichkeit

Zweck von Dokumentationsformen: mündlich hergestellte Struktur an der konkreten Erzählgeschichte fixieren durch: Tonbandaufnahmen, den „roten Faden“, „Geschichten aus der Schachtel“, selbst gefertigte kleine Bücher etc.

Aufgaben der Fachperson:

Einführung einer Dokumentationsform, die dem Förderziel angemessen ist, diagnostischer Blick auf Umsetzung der einzelnen Kinder

Vielen Dank für´s Zuhören!