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Gesunde und kranke Gesunde und kranke Menschen Menschen
MCW, Block 1, WS 2013/14MCW, Block 1, WS 2013/14
ao. Univ. Prof. Dr. Oskar Frischenschlagerao. Univ. Prof. Dr. Oskar Frischenschlager
Zentrum für Public Health / Medizinische Zentrum für Public Health / Medizinische PsychologiePsychologie
www.oskar-frischenschlager.atwww.oskar-frischenschlager.at
Mail: oskar.frischenschlager@meduniwien.ac.atMail: oskar.frischenschlager@meduniwien.ac.at
DefinitionenDefinitionen
Gesundheit / Krankheit? Gesundheit / Krankheit?
Normalität?Normalität?
Anomalie?Anomalie?
An-omalieAn-omalie
ΟμαλόςΟμαλός:: eben, die Ebeneeben, die Ebene
An-omalos: An-omalos: un-ebenun-eben
Kleinwüchsigkeit: Anomalie?Kleinwüchsigkeit: Anomalie?
Anomalien?Anomalien?
Was ist normal? Was ist normal? was ist abnorm? was ist abnorm?
was ist krank?was ist krank?
1) ontologischer Krankheitsbegriff1) ontologischer Krankheitsbegriff 2) statistischer Krankheitsbegriff 2) statistischer Krankheitsbegriff 3) funktionaler Krankheitsbegriff3) funktionaler Krankheitsbegriff
1) Ontologischer 1) Ontologischer KrankheitsbegriffKrankheitsbegriff
der Krankheit wird der Krankheit wird eigene Seinsform eigene Seinsform
zugesprochen (Substantivierung):zugesprochen (Substantivierung):
„„Besessenheit“, Besessenheit“,
„„vom Bösen befallen“ sein, vom Bösen befallen“ sein,
„„mich hat mich hat „die Grippe“„die Grippe“ erwischt……“ erwischt……“
„„Bösartigkeit“ des TumorsBösartigkeit“ des Tumors
Kampf, Kampf,
Austreibung, Austreibung,
Exorzismus Exorzismus
als Therapie?als Therapie?
2) Statistischer 2) Statistischer KrankheitsbegriffKrankheitsbegriff
Erfahrungswerte Erfahrungswerte
„„Gespür“ für Normalität / Pathologie. Gespür“ für Normalität / Pathologie.
Sind Abweichungen Norm Sind Abweichungen Norm grundsätzlich pathologisch? grundsätzlich pathologisch?
Was ist normal?Was ist normal?
Ist es Ist es normalnormal, evtl. durch Jahrzehnte , evtl. durch Jahrzehnte hindurch abends ein bis zwei Gläser hindurch abends ein bis zwei Gläser Wein zu trinken?Wein zu trinken?
Ist es Ist es normalnormal, jeden Vormittag eine , jeden Vormittag eine Halbe Bier zu trinken? Halbe Bier zu trinken?
Ist es Ist es normalnormal, die Kronenzeitung zu , die Kronenzeitung zu lesen, weil sie von 60% der lesen, weil sie von 60% der ÖsterreicherInnen gelesen wird?ÖsterreicherInnen gelesen wird?
Wovon hängt es ab, ob etwas Wovon hängt es ab, ob etwas normalnormal ist?ist?
3) Funktionaler Krankheitsbegriff3) Funktionaler Krankheitsbegriff
FunktionalFunktional meint, dass ein Teil seine meint, dass ein Teil seine Aufgabe in Bezug auf das Ganze erfüllt. Aufgabe in Bezug auf das Ganze erfüllt.
Sollwerte einer Funktion sind ein Hinweis Sollwerte einer Funktion sind ein Hinweis darauf, dass die Funktion erfüllt wird. darauf, dass die Funktion erfüllt wird.
Kann ein Kann ein Leiden Leiden eine eine FunktionFunktion haben? haben?
BeispieleBeispiele
Angst?Angst? Schmerz?Schmerz? Substanzabhängigkeit, Süchte?Substanzabhängigkeit, Süchte?
Was ist den drei beschriebenen Was ist den drei beschriebenen Konzepten gemeinsam?Konzepten gemeinsam?
1) ontologischer Krankheitsbegriff1) ontologischer Krankheitsbegriff 2) statistischer Krankheitsbegriff 2) statistischer Krankheitsbegriff 3) funktionaler Krankheitsbegriff3) funktionaler Krankheitsbegriff
Sie befassen sich sämtlich mit Sie befassen sich sämtlich mit Krankheit,,
Gesundheit wird als etwas wird als etwas Gegebenes betrachtet.Gegebenes betrachtet.
Was ist also dann Was ist also dann Gesundheit?Gesundheit?
19. Jahrhundert19. Jahrhundert
René Leriche:René Leriche:
Gesundheit liegt Gesundheit liegt „„im Schweigen im Schweigen
der Organe“der Organe“
Ist diese Definition auf alle möglichen Ist diese Definition auf alle möglichen Fälle anwendbar?Fälle anwendbar?
Kann man ein Konzept von Gesundheit Kann man ein Konzept von Gesundheit aufauf
das Nicht-Wahrnehmen von Störungen das Nicht-Wahrnehmen von Störungen begründen?begründen?
Falls nein, was spricht dagegen? Falls nein, was spricht dagegen?
Beispiele?Beispiele?
20. Jahrhundert20. Jahrhundert
WHOWHO (1946)(1946)
„„Gesundheit ist umfassendes Gesundheit ist umfassendes
körperliches, seelisches und soziales körperliches, seelisches und soziales WohlbefindenWohlbefinden
(und nicht nur die Abwesenheit von (und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Schwäche)Krankheit und Schwäche)“ “
Was ist an dieser Definition neu, Was ist an dieser Definition neu, besser, komplexer? besser, komplexer?
Was fällt Ihnen sonst auf?Was fällt Ihnen sonst auf?
a) erstmals: Gesundheit positiv definierta) erstmals: Gesundheit positiv definiert
b) nicht nur Körperliches, sondern auch b) nicht nur Körperliches, sondern auch
Psychisches und Soziales miteinbezogenPsychisches und Soziales miteinbezogen
c) Relevanz subjektiven Empfindensc) Relevanz subjektiven Empfindens
Einwände? Kritik?Einwände? Kritik?
1) Definition ist statisch1) Definition ist statisch
2) ist Zustand 2) ist Zustand absolutenabsoluten Wohlbefindens erreichbar? Wohlbefindens erreichbar?
3) falls nicht, sind wir deswegen 3) falls nicht, sind wir deswegen schon krank?schon krank?
Gibt es bedingte Gesundheit?Gibt es bedingte Gesundheit?
Beispiele?Beispiele?
40 Jahre später…..40 Jahre später…..
„„Ottawa Charta“ der WHO 1986Ottawa Charta“ der WHO 1986
Aufruf zu internationalem HandelnAufruf zu internationalem Handeln Die Konferenz ersucht die Die Konferenz ersucht die
Weltgesundheitsorganisation und alle Weltgesundheitsorganisation und alle anderen internationalen anderen internationalen Organisationen, für die Förderung von Organisationen, für die Förderung von Gesundheit Partei zu ergreifen und ihre Gesundheit Partei zu ergreifen und ihre einzelnen Mitgliedsländer dabei zu einzelnen Mitgliedsländer dabei zu unterstützen, Strategien und unterstützen, Strategien und Programme für die Programme für die Gesundheitsförderung zu entwickeln.Gesundheitsförderung zu entwickeln.
Die Konferenzteilnehmer sind der festen Die Konferenzteilnehmer sind der festen Überzeugung, dass, wenn Menschen in Überzeugung, dass, wenn Menschen in allen Bereichen des Alltags, wenn soziale allen Bereichen des Alltags, wenn soziale Verbände und Organisationen, wenn Verbände und Organisationen, wenn Regierungen, die Regierungen, die Weltgesundheitsorganisationen und alle Weltgesundheitsorganisationen und alle anderen betroffenen Gruppen ihre Kräfte anderen betroffenen Gruppen ihre Kräfte entsprechend den moralischen und sozialen entsprechend den moralischen und sozialen Werten dieser Charta vereinigen und Werten dieser Charta vereinigen und Strategien der Gesundheitsförderung Strategien der Gesundheitsförderung entwickeln, dass dann entwickeln, dass dann "Gesundheit für alle "Gesundheit für alle im Jahre 2000"im Jahre 2000" Wirklichkeit werden kann. Wirklichkeit werden kann.
An wen richtet sich die WHO?An wen richtet sich die WHO? Was folgt daraus?Was folgt daraus? Wie geht es weiter?Wie geht es weiter?
"Gesundheit für alle im 21. "Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert"Jahrhundert"
Die 10 globalen Ziele der Strategie Die 10 globalen Ziele der Strategie „Gesundheit für alle (GFA) im 21. „Gesundheit für alle (GFA) im 21.
Jahrhundert“Jahrhundert“
1. 1. Mehr gesundheitliche Chancengleichheit Mehr gesundheitliche Chancengleichheit
2. 2. Verbesserung der Lebenserwartung und Verbesserung der Lebenserwartung und der der Lebensqualität Lebensqualität
3. 3. Umkehr der globalen Trends bei Umkehr der globalen Trends bei fünf fünf wichtigen Pandemien wichtigen Pandemien
Tuberkulose Tuberkulose HIV/Aids HIV/Aids Malaria Malaria Tabakkonsum Tabakkonsum GewaltGewalt
Moussavi et al (2007): Depression, chronic diseases, and decrements Moussavi et al (2007): Depression, chronic diseases, and decrements in health: results from the World Health Surveys. Lancet: 370:851-58in health: results from the World Health Surveys. Lancet: 370:851-58
(8. September 2007)(8. September 2007)
……....DepressionDepression produces the greatest produces the greatest decrement in health compared with chronic decrement in health compared with chronic diseases angina, arthritis, asthma, and diseases angina, arthritis, asthma, and diabetes…..diabetes…..
4. Eliminierung bestimmter Krankheiten 4. Eliminierung bestimmter Krankheiten
5. Verbesserung der Wasserversorgung, 5. Verbesserung der Wasserversorgung,
Abwasserentsorgung, Abwasserentsorgung,
Nahrungsmittelversorgung und der Nahrungsmittelversorgung und der
WohnunterkünfteWohnunterkünfte
6. Förderung gesunder Lebensweisen und 6. Förderung gesunder Lebensweisen und Eindämmung gesundheitsschädigenderEindämmung gesundheitsschädigender Lebensweisen Lebensweisen
7. Entwicklung, Umsetzung und Überprüfung 7. Entwicklung, Umsetzung und Überprüfung nationaler GFA-Konzepte nationaler GFA-Konzepte
8. Verbesserung des Zugangs zu einer guten 8. Verbesserung des Zugangs zu einer guten umfassenden primären umfassenden primären
Gesundheitsversorgung Gesundheitsversorgung
9. Verwirklichung nationaler Gesundheits-9. Verwirklichung nationaler Gesundheits- informations- und -informations- und -
überwachungssysteme überwachungssysteme
10. Förderung der Gesundheitsforschung 10. Förderung der Gesundheitsforschung
Was fällt Ihnen an den beiden Was fällt Ihnen an den beiden Ansätzen der WHO auf?Ansätzen der WHO auf?
Ist der Ansatz der WHO relevant? Ist der Ansatz der WHO relevant?
Thomas McKeown, 1979Thomas McKeown, 1979
Streptomycin
Antibiotika
Thomas McKeown (1979): Thomas McKeown (1979): der Einfluss der klinischen der Einfluss der klinischen
auf die Reduktion der Sterblichkeit auf die Reduktion der Sterblichkeit liegt liegt
bei etwa ?bei etwa ?
Antwort:Antwort: etwa etwa 3 - 4%3 - 4%
Folglich ist das Einflusspotenzial Folglich ist das Einflusspotenzial der der
WHO betreffend die Reduktion der WHO betreffend die Reduktion der
Sterblichkeit beiSterblichkeit bei
96-97% 96-97%
Staatliche Eingriffe in den Staatliche Eingriffe in den persönlichen Bereichpersönlichen Bereich
Staatliche Staatliche EingriffeEingriffe in Ernährung (z.B. in Ernährung (z.B. jodiertes Salz, Fluortabletten)jodiertes Salz, Fluortabletten)
Staatliche Staatliche RegelungenRegelungen (z.B. rauchfreie (z.B. rauchfreie Zonen, Alkoholabgabe an Jugendliche)Zonen, Alkoholabgabe an Jugendliche)
Mutter-KindpassMutter-Kindpass Verpflichtende Impfungen, öffentlich finanziertVerpflichtende Impfungen, öffentlich finanziert VorsorgeuntersuchungVorsorgeuntersuchung, öffentlich finanziert, öffentlich finanziert (z.B. Harnuntersuchung, Darmspiegelung, (z.B. Harnuntersuchung, Darmspiegelung,
Prostatauntersuchung, Portioabstrich) Prostatauntersuchung, Portioabstrich)
Staatliche FörderaktivitätenStaatliche Förderaktivitäten
Raucherentwöhnung Raucherentwöhnung Informationsprogramme Informationsprogramme
(z.B. Selbstuntersuchung der weiblichen (z.B. Selbstuntersuchung der weiblichen Brust) Brust)
Verkehrserziehung, Alterslimitierung der Verkehrserziehung, Alterslimitierung der FahrerlaubnisFahrerlaubnis
Safer SexSafer Sex Kontrollieren, StrafenKontrollieren, Strafen usw. usw.usw. usw.
Ungleiche Chancen durch soziale Ungleiche Chancen durch soziale SchichtSchicht
Soziale Schicht ergibt sich hauptsächlich Soziale Schicht ergibt sich hauptsächlich aus:aus:
Einkommen Einkommen
BerufBeruf
BildungBildung
gesundheitsrelevant sind: gesundheitsrelevant sind:
berufsbedingte Gesundheitsrisikenberufsbedingte Gesundheitsrisiken
Wohngegend (Lärm, Emissionen…)Wohngegend (Lärm, Emissionen…)
Konsumfähigkeit Konsumfähigkeit
Bildung Bildung (Wissen über Gefährdungen, Vorsorge-(Wissen über Gefährdungen, Vorsorge-untersuchungen, Behandlungsmöglichkeiten….)untersuchungen, Behandlungsmöglichkeiten….)
Jüngste Daten aus: Jüngste Daten aus: Marmot et al (2012):Marmot et al (2012):
WHO European Review of SocialWHO European Review of Social
Determinants of Health and the healthDeterminants of Health and the health
Divide.Divide.Lancet, Vol 380, Sept 15, 2012Lancet, Vol 380, Sept 15, 2012
Einfluss der PersonEinfluss der Person
GesundheitsGesundheitsverhaltenverhalten, , KrankheitsKrankheitsverhaltenverhalten
Umkehrung der FragestellungUmkehrung der Fragestellung
Statt Statt PATHOPATHO - Genese - Genese
SALUTOSALUTO - Genese? - Genese?
SENSE OF COHERENCESENSE OF COHERENCEKohärenzgefühl = umfassendes, anhaltendes,
dynamisches Gefühl des Vertrauens, Kohärenzgefühl = umfassendes, anhaltendes,
dynamisches Gefühl des Vertrauens,
dass interne und externe Stimuli erklärbar undvorhersehbar sind comprehensible
dass ausreichend Ressourcen da sind, um den Stimulus-anforderungen zu genügen manageable
dass Herausforderungen die Investitionen und das Engagement wert sind meaningful
Antonovsky (1987)
Beispiel SIP-Erfolg, prospektive Beispiel SIP-Erfolg, prospektive StudieStudie
G Haidinger, L Mitterauer, E Rimroth, O G Haidinger, L Mitterauer, E Rimroth, O Frischenschlager Frischenschlager
++++ ErfolgssicherheitErfolgssicherheit ++++ laufend mitlernenlaufend mitlernen ++ leicht Lernen, hohe leicht Lernen, hohe
LernkapazitätLernkapazität ++ fleissigfleissig ++ strategisch (=oberflächlich!)strategisch (=oberflächlich!)-- verunsichert, überfordertverunsichert, überfordert-- hoher Lernaufwand, hoher Lernaufwand,
eingeschränktes Ziel (nur Block 5)eingeschränktes Ziel (nur Block 5)
Gibt es ärztliche Interventionsmöglichkeiten bzw. Handlungsspielräume?
Welche?
Ressourcen aus persönlicher Ressourcen aus persönlicher EntwicklungsgeschichteEntwicklungsgeschichte
Affektive EntwicklungAffektive Entwicklung BindungsentwicklungBindungsentwicklung (Bindungsmuster) (Bindungsmuster) Bewältigungs-RepertoireBewältigungs-Repertoire (coping (coping
strategies)strategies) BildungsgeschichteBildungsgeschichte
Konrad Lorenz: PrägungKonrad Lorenz: Prägung
Danke für Ihre Danke für Ihre Aufmerksamkeit!Aufmerksamkeit!
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