Post on 11-Aug-2019
transcript
Dokumentation der Fachtagung
„Gender Mainstreaming in derKompetenzfeldpolitik – ein Plus für Wirtschaft und Region“
am 16.02.2006Fachhochschule Gelsenkirchen - Abteilung Recklinghausen
Arbeitspapier 3
2
„Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeldpolitik – ein Plus für Wirtschaft und Region“
Tagungsprogramm
Vorwort
Dr.in Ute Pascher
Eröffnung
Gabriele Thiesbrummel für die EQUAL-Entwicklungspartnerschaft
ChanZE
Christiane Poertgen, WDR Dortmund
Die Bedeutung des Kompetenzfeldansatzes in der aktuellen
Strukturpolitik: Das Beispiel Nordrhein-Westfalen
MR Wulf Noll, Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie
(MWME)des Landes NRW
„Das speziell auf Frauen zu fokussieren, das war uns zuviel
Overhead, den wir da investiert hätten…“
Anmerkungen zu „männlichen“ und „weiblichen“ Formen
regionaler Kompetenzfeldpolitik
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser, Institut für Geographie und
Regionalforschung, Universität Wien
Wie kann Geschlechtergerechtigkeit in den Kompetenzfeld-
ansatz integriert werden?
Mechthild Kopel, Beraterin für Chancengleichheit in Unternehmen,
wert.arbeit GmbH
Podiumsgespräch:
u.a. Christiane Poertgen, WDR Dortmund; Dr. Klaudia Schulte,
MWME Düsseldorf; Dr. Lars Tata, Universität Dortmund;
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser, Wien; Mechthild Kopel,
wert.arbeit GmbH Berlin; Gabriele Thiesbrummel, FATZ
Recklinghausen; Diskutierende aus dem Publikum
Inhaltsverzeichnis
1
4
6
7
8
17
30
37
Gabriele Thiesbrummel
Christiane Poertgen
3
Tagungsprogramm
10:00 Gabriele Thiesbrummel für die EQUAL-Entwicklungspartnerschaft ChanZE
10:15 Die Bedeutung des Kompetenzfeldansatzes in der aktuellen Struktur-
politik: Das Beispiel Nordrhein-Westfalen
MR Wulf Noll, Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (MWME)
des Landes NRW
11:00 „Das speziell auf Frauen zu fokussieren, das war uns zuviel Overhead,
den wir da investiert hätten…“
Anmerkungen zu „männlichen“ und „weiblichen“ Formen regionaler
Kompetenzfeldpolitik
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser, Institut für Geographie und Regional-
forschung, Universität Wien
12:00 Wie kann Geschlechtergerechtigkeit in den Kompetenzfeldansatz
integriert werden?
Mechthild Kopel, Beraterin für Chancengleichheit in Unternehmen, wert.arbeit
GmbH
13:00-13:45 Imbiss
13:45 Podiumsgespräch:
u.a. Christiane Poertgen, WDR Dortmund; Dr. Klaudia Schulte, MWME
Düsseldorf; Dr. Lars Tata, Universität Dortmund; Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth
Aufhauser, Wien; Mechthild Kopel, wert.arbeit GmbH Berlin; Gabriele
Thiesbrummel, FATZ Recklinghausen; Diskutierende aus dem Publikum
15:00 Informationscafé
Diskutieren Sie mit uns im Foyer bei einer Tasse Kaffee oder Tee
ca. 16:00 Ende der Veranstaltung
Gesamtmoderation:
Christiane Poertgen, WDR Dortmund
„Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeldpolitik – ein Plus für Wirtschaft und Region“altsverzeichnis
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser!
„Wie kommt GENDER in die Kompetenzfeldpolitik?“. Dies war nur eine Frage die die EQUAL-
Entwicklungspartnerschaft ChanZE „Chancengleichheit für Frauen und Männer in den Kompetenz-
feldern der Emscher-Lippe-Region“ auf einer Fachtagung am 16. Februar 2006 zur Diskussion
stellte. „Neue Chemie“ und „Zukunftsenergien“ sollen unter anderen regionalen Stärken den
Strukturwandel in der Emscher-Lippe-Region nach vorne bringen. Jedoch in beiden Feldern haben
Frauen und Männer ungleiche Berufschancen. Was kann getan werden, um die Chancengleichheit
von Frauen und Männer in diesen Wirtschaftsbereichen/ Clustern herzustellen? Dies war nicht nur
die Kernfrage der Veranstaltung, die in dem hier vorgelegten Papier dokumentiert wird, sondern ist
gleichzeitig auch Leitfrage der gesamten Projektaktivitäten von ChanZE.
Eingeladen hatte das durch die EU geförderte Projekt in die Räume der Fachhochschule Reckling-
hausen. Mit über 40 Interessierten aus Politik und Gesellschaft wurde angeregt über das Wie und
Warum der Geschlechtergerechtigkeit in der regionalen Wirtschaftspolitik debattiert. Die Veran-
staltung wurde von Christiane Pörtgen vom WDR Dortmund erfrischend und kompetent moderiert.
Nach der Begrüßung der – mehrheitlich weiblichen – Gäste durch Gabriele Thiesbrummel von der
FATZ - Regionalstelle Frau und Beruf der Stadt Recklinghausen hatte Wulf Noll vom nordrhein-
westfälischen Ministerium für Wirtschaft und Energie das Wort. Herr Noll machte deutlich, warum
„Gender Mainstreaming“ noch nicht im Fokus der Strukturpolitik in NRW liegt. Es wurde klar, dass
im Land zurzeit andere Themen Priorität haben. Im Anschluss stellte Frau Professorin Aufhauser,
angereist aus der Hauptstadt des österreichischen Nachbarlandes, dar, dass die bewusste Einbin-
dung von Frauen und ihren Netzwerken letztendlich für alle Akteurinnen und Akteure einer Region
von Vorteil sein könnte. Für Österreich durchgeführte Analysen bestätigen, eine stark auf von
Männern dominierte Branchen und Unternehmen abzielende „innovationsorientierte Regionalent-
wicklung“. Prof.in Aufhauser beobachtete in den vergangenen Jahren eine „männliche markierte
Kompetenzfeldpolitik“ und einen „weiblichen Ansatz“, die es zu verschränken gilt. Mechthild Kopel,
die als Beraterin für Chancengleicheit in Unternehmen u. a. Erfahrungen am Chemiestandort
Leuna-Bitterfeld sammeln konnte, stellte deutlich dar, dass Geschlechtergerechtigkeit in der
Clusterpolitik einen kontinuierlichen Wissenstransfer zwischen der Frauen- und Gleichstellungs-
politik einerseits, dem Management ausgewählter Kompetenzfelder andererseits erfordert.
Letztendlich muss es darum gehen, die beteiligten Unternehmen zu fördern. Diese seien mittler-
weile – so auch der Tenor im
Publikum – in NRW viel sensibler
im Hinblick auf Geschlechter-
gerechtigkeit als beispielsweise
die Administration.
Nach der Mittagspause gab es
noch ein anregendes Podiumsge-
spräch mit den beiden Referen-
tinnen sowie Frau Dr. Schulte als
Vertreterin des Ziel 2-Sekretriats
NRW und Herrn Dr. Lars Tata von
der Universität Dortmund. Die
Diskussion mit dem Publikum war
4
Dr.in Ute Pascher - Vorwort zur Dokumentation der Fachtagung
sehr lebhaft und auch fordernd in Richtung Land und Region. Geschlechtergerechtigkeit könne
nicht als „punktuelle Angelegenheit“ der Kompetenzfeldpolitik zu begreifen sein. „Gender
Mainstreaming“ gehöre als Querschnittsaufgabe in die Umsetzung regionaler Strukturförderung.
Alle Teilnehmenden waren sich einig: Es besteht weiterhin hoher Diskussionsbedarf zu diesen
Themen und solche Veranstaltungen seien ein passender Weg, die unterschiedlichen Entscheiderin-
nen und Entscheider an einen Tisch zusammen zu bringen. Den zahlreichen Aufforderungen „Wir
brauchen öfter solche Gespräche“ möchte die Entwicklungspartnerschaft ChanZE in der verbleiben-
den Projektzeit folgen. ChanZE plant weitere Arbeitsgespräche für den Winter und das kommende
Jahr.
Zunächst jedoch sei allen, die zum Gelingen der Fachtagung beigetragen haben nochmals herz-
lichst gedankt.
Dr. Ute Pascher, Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) an der
Universität Duisburg-Essen
5
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeldpolitik – ein Plus für Wirtschaftund Region
Fachtagung der Entwicklungspartnerschaft ChanZE
Begrüßung
Gabriele Thiesbrummel (EQUAL-Entwicklungspartnerschaft ChanZE):
ChanZE steht für Chancengleichheit von Frauen und Männern in den Zukunftsfeldern der Region
Emscher-Lippe. Damit ist das Aufgabenfeld beschrieben, mit dem sich diese
Entwicklungspartnerschaft beschäftigt. Im Rahmen des Förderprogramms EQUAL sind es ja immer
Entwicklungspartnerschaften, die über einen Zeitraum von zweieinhalb bzw. drei Jahren ein Thema
vorantreiben. Nun ist Entwicklungspartnerschaft kein eindeutiger Begriff. Man fragt sich: wer ent-
wickelt wen oder was? Für unsere Entwicklungspartnerschaft möchte ich dies so definieren:
Entwicklungspartnerschaft bedeutet, dass sich durch die gemeinsame Arbeit an einem Thema
Partner und Partnerinnen entwickeln, gemeinsam das Thema vorantreiben und dadurch auch
inhaltliche Entwicklung stattfindet. In diesem Sinne begrüße ich Sie heute als Gäste unserer
Entwicklungspartnerschaft. Wir erhoffen uns, dass durch die Vorträge und durch die Diskussionen
die Entwicklung ein Stück vorangetrieben wird.
Die EU schreibt vor, dass in allen Programmen die Chancengleichheit ein Querschnittsziel und inso-
fern immer zu berücksichtigen ist. Die dabei anzuwendende Methode ist die des Gender
Mainstreaming. In der Region Emscher-Lippe werden fast alle strukturpolitischen Maßnahmen mit
Geldern der EU gefördert. Das bedeutet, hier müsste im Prinzip schon lange Gender Mainstreaming
zur Strukturpolitik dazu gehören. Aber so ist es nicht. Die Forderung liegt auf dem Tisch und
gleichzeitig machen alle Akteurinnen und Akteure die Erfahrung, dass in der Praxis Gender nur
schwer in die Strukturpolitik zu integrieren ist. Das kann nicht an der mangelnden Kompetenz der
Akteurinnen und Akteure liegen, auch nicht am fehlenden strategischen Know-How. Ich denke, da
muss es tiefer liegende Probleme geben, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Woran es genau
liegt und wie es doch gehen könnte, das wollen wir heute hier zusammen überlegen und diskutie-
ren.
Die Entwicklungspartnerschaft ChanZE hat sich vorgenommen, den Zusammenhang zwischen
Gender Mainstreaming und einem strukturpolitischen Instrument, der Cluster- und der
Kompetenzfeldpolitik näher zu beleuchten. Doch wir wollen dies nicht im engen Kreis der
Entwicklungspartnerschaft machen. Diese Veranstaltung soll der Auftakt sein zu einer Reihe von
Veranstaltungen/Workshops, bei denen wir uns dem Thema von verschiedenen Seiten nähern wol-
len. Die Verbindung von Geschlechtergerechtigkeit und Strukturpolitik gehört immer noch zu den
exotischen Themen.
In der Vorbereitung war es deshalb für uns eine sehr gute Erfahrung, dass die Referentinnen und
Referenten sofort zugesagt haben und dabei sogar lange Wege auf sich genommen haben. Wir wer-
ten dies als großes Interesse am Thema und auch als Einsicht darin, dass es hier noch viel zu klä-
ren und zu diskutieren gibt.
Fangen wir also an. Ich gebe das Wort an Christiane Poertgen, die uns als Moderatorin begleiten
wird. Vielen Dank!
6
Gabriele Thiesbrummel - Begrüßung
Christiane Poertgen (Moderatorin): Soll sich Strukturpolitik auch noch um Geschlechter-
gerechtigkeit kümmern? Weniger Arbeitslose, ist das nicht eigentlich das, was im Moment zählt,
und ist dabei völlig egal, ob Mann oder Frau? Ist es das nicht letztendlich, woran sich erfolgreiche
Politik misst und womit sich positive Schlagzeilen produzieren lassen? Also den Strukturwandel zu
einer Erfolgs-Story machen, ohnehin schon eine komplexe Aufgabe und jetzt machen es sich die
Menschen wie Gabriele Thiesbrummel noch ein bisschen schwerer, indem sie Aufmerksamkeit for-
dern für ein ohnehin nicht leicht gängiges Thema, Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeld-
politik.
Mein Name ist Christiane Poertgen, ich bin Fernsehjournalistin und möchte Sie heute durch dieses
Thema begleiten. Für mich war das Thema zunächst sehr theoretisch, aber ich fand es dann immer
spannender da einzutauchen. Darf ich Sie mal fragen, warum Sie heute hier sind?
Barbara Richter: Ich bin von Beruf Gleichstellungsbeauftragte (der Stadt Gladbeck, Anm. der
Redaktion) und schon viele Jahre mit dieser Thematik befasst. Gender Mainstreaming wird in
Kommunen noch sehr schwer diskutiert. Manchmal werde ich gefragt, ob man das essen kann.
Public-Partnership geht mittlerweile locker über die Lippen, aber „Gender Mainstreaming“, das
müssen wir noch üben. Und ich hole mir jetzt hier noch mal einige Argumentationshilfen.
Christiane Poertgen: Und mit welchen Erwartungen sind Sie hier?
Heike Rumpf: Ich bin hier, weil ich neugierig bin auf das Thema. Gender Mainstreaming begegnet
mir als Schlagwort überall. Mich interessiert, was dahinter steckt.
Christiane Poertgen: Dann danke ich Ihnen, dass Sie mit mir mutig den Anfang gemacht haben. Mir
ist ganz wichtig, dass wir miteinander ins Gespräch kommen und insbesondere, dass wir auch über
die Erfahrungen reden, die Sie ganz praktisch machen.
Jetzt möchte ich Ihnen Wulf Noll vorstellen. Er ist Diplom-Ökonom und seit 1991 im Wirtschafts-
ministerium NRW für Grundsatzfragen der regionalen Strukturpolitik zuständig. Vor ihrem Vortrag
zur Bedeutung des Kompetenzfeldansatzes in der Strukturpolitik, habe ich noch zwei, drei Fragen
an Sie. Fühlt sich die neue Landesregierung bei diesem Thema in der Pflicht aktiv zu werden?
Wulf Noll: Das kann ich so nicht sagen, das weiß ich nicht.
Christiane Poertgen: Wann werden Sie es wissen?
Wulf Noll: Ich hoffe, dass sich das im Laufe der Zeit rausstellt. Ich betrachte das aus der Sicht des
Wirtschaftsministeriums. Diese Landesregierung ist nach über vierzig Jahren das erste Mal wieder
ins Amt gekommen. Es gab keine bis ins Detail ausformulierten Pläne. Es gab Absichten, und jetzt
ist man dabei zu prüfen welche man davon durchsetzen kann. Das ist ein sehr zäher Prozess. Ich
gebe zu, das Thema Gender Mainstreaming ist im Wirtschaftsministerium immer ein bisschen
unterbelichtet gewesen und bevor man sich diesem Thema zuwendet und versucht ein Stück wei-
ter zu kommen, wird es erst einmal notwendig sein, sich mit anderen Themen zu beschäftigen. Ich
gehe da gleich noch drauf ein.
Christiane Poertgen: Wie freudig haben Sie dann den Weg heute auf sich genommen, wenn Sie
genau wissen, so richtig klare Aussagen kann ich gar nicht mitbringen?
Wulf Noll: Ich gebe offen zu, es ist nicht so gewesen, dass ich hellauf begeistert war, als man mich
eingeladen hat, aber ich gehe gerne in solche Veranstaltungen, weil ich immer wieder auch selber
etwas lerne.
Christiane Poertgen: Ja dann frag ich Sie nachher, was Sie heute gelernt haben.
7
Christiane Poertgen - Eröffnung
Die Bedeutung des Kompetenzfeldansatzes in der aktuellen Strukturpolitik:Das Beispiel Nordrhein-Westfalen.
MR Wulf Noll, Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (MWME) des LandesNordrhein-Westfalen
Vortrag und Diskussion
Sie sollten nicht erschrecken, wenn ich Ihnen gleich etwas über Theorie erzähle. Ich mache es pla-
stisch und vor allen Dingen kurz, aber ich halte es für notwendig, damit der Hintergrund deutlich
wird, vor dem wir unsere Arbeit machen. Ich werde Ihnen dann erzählen, wie sich das Konzept des
Kompetenzfeldansatzes in NRW entwickelt hat und welche Erwartungen die Landesregierung damit
verbindet. Wir können uns dann über die Position des Landes in dieser Frage unterhalten, und ich
werde dann noch einen kleinen Ausblick auf Ihr Thema wagen, also die Frage beantworten, wie
man den Kompetenzfeldansatz mit Gender Mainstreaming kombinieren kann.
Die Ökonominnen und Ökonomen unter Ihnen teilen vielleicht meine Auffassung, wenn ich Ihnen
sage, dass die Volkswirtschaftslehre eigentlich eine ziemlich simple Angelegenheit ist. Sie beschäf-
tigt sich nämlich immer nur mit zwei Dimensionen, mit Wert und Zeit. Das verkleidet man manch-
mal in Lohn und Marktpreise, aber im Prinzip ist es immer das gleiche. Aber es gibt einen kleinen
Kreis von Ökonomen, die eine dritte Dimension einbeziehen, den Raum. Sie stellen die Fragen, wie
entsteht wo welcher Wert und wie verteilt der sich im Raum, wie wird er von einer Stelle zur ande-
ren transportiert? Diese Leute befinden sich immer in dem Spannungsfeld zwischen
Diversifizierung und Spezialisierung.
Der eine oder die andere wird vielleicht den Namen David Ricardo kennen.
Er war der erste, der schon im Jahre 1800 darüber nachgedacht hat, ob
es sich für bestimmte Regionen lohnt, sich zu spezialisieren und der dies
auch empfohlen hat.
Die Frage der Spezialisierung ist also eine uralte Frage, die sich durch die
ganze Theoriegeschichte bis in die 80er/90er Jahre hinein durchgezogen
hat. Dann tauchte in den USA ein Michael Porter auf, dessen Name Ihnen
vielleicht schon mal begegnet ist. Michael Porter fragte danach, wie es
Unternehmen überhaupt schaffen weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Und er stellte unter anderem
fest, dass es für Unternehmen wichtig ist, in einem bestimmten Umfeld zu agieren, vor allen
Dingen dann, wenn es sich um innovative Betriebe handelt. Sie sind auf bestimmte Umgebungen
angewiesen, auf Forschungseinrichtungen, Qualifizierungseinrichtungen, auf öffentliche
Verwaltung, die sie in ihrer Entwicklung unterstützen, auf Hochschulen in der Nähe usw.
Und deshalb, sagte Michael Porter, macht es Sinn sich wieder zu spezialisieren, und es macht auch
für den Staat Sinn, um diese Anballung von Unternehmen herum, um diese Cluster, wie er sie
nannte, eine Infrastruktur zu schaffen, die diese Entwicklung in den Unternehmen unterstützen
kann. Diese ersten Gedanken Porters stammen aus den 80er Jahren. Dieser Ansatz ist dann auch
deshalb sehr bekannt geworden, weil die Globalisierung die Unternehmen immer stärker von der
Diversifizierung weg zur Spezialisierung getrieben hat. Die Unternehmen konnten im internationa-
len Wettbewerb nur bestehen, wenn sie sich spezialisieren. Das heißt aber gleichzeitig, dass man
sehr viel stärker wieder mit Unternehmen kooperieren muss, die in der Wertschöpfungskette ste-
hen, also Zulieferungen leisten oder die Produkte, die man selber produziert, abnehmen und wei-
8
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
MR Wulf Noll
terverarbeiten. Mit diesen Unternehmen muss man zusammenarbeiten, und hier spielt das Konzept
von Michael Porter eine sehr große Rolle.
Die Unternehmen wie auch der Staat oder die Kommunen erwarten von diesem Konzept stabilere
Beziehungen. Diese stabileren Beziehungen verhindern, dass Unternehmen, sobald eine Anlage
abgeschrieben ist, also nach fünf oder sechs Jahren, wieder ihre Koffer packen und woanders hin-
gehen, wo man billiger produzieren kann. Die Unternehmen sind auf diese Weise sehr viel stärker
in eine Struktur eingebettet, die sie auch brauchen. Das stabilisiert dann auch gleichzeitig den
Arbeitsmarkt und das ist unser aller Hoffnung: Es führt zu einem stabileren, zu einem selbst tra-
genden Wachstum. Und last but not least ist für die Landesregierung dieses Konzept wichtig, weil
es dazu verhilft, die finanziellen Möglichkeiten spezifischer einzusetzen. Man kann sich schlecht
vorstellen, dass in jedem Kreis eine Hochschule existiert, dass in jedem Kreis ein
Technologiezentrum gebaut wird, nur für den eventuellen Fall, dass ein Unternehmen kommt und
einen entsprechenden Bedarf anmeldet. Es ist viel wichtiger und viel besser, wenn wir wissen, wo
die räumlichen Schwerpunkte im Lande verteilt sind und dann unsere Fördergelder darauf hinsteu-
ern.
Nun muss man noch sehen, dass es bei gleichartigen Unternehmen, die z.B. alle einer Branche
angehören, immer im Kern einen Bereich gibt, an den man nicht rühren kann: der
Wettbewerbsbereich. Dort sind die Unternehmen hochinnovativ, das sind Bereiche, mit denen sie
ihre Marktstellung festigen und da lassen sie sich normalerweise auch nicht gern in die Karten
schauen. Doch um diesen Kern herum gibt es eine ganze Reihe von Tätigkeiten in den
Unternehmen, bei denen sich sehr wohl Kooperationen anbieten: Qualifizierung zum Beispiel, sehr
häufig auch Logistik. Diese Bereiche können gemeinsam gemacht werden. Auch Teile von
Forschung und Entwicklung sind möglicherweise in Kooperation zu betreiben. Und das sind für uns
Ansätze dafür, ein entsprechendes Angebot zu machen, also zu sagen, lass doch uns versuchen,
ob wir da nicht zusammenarbeiten können. Das ist für uns von Vorteil und für die Unternehmen
sicherlich auch.
Die ersten Überlegungen zu einer solchen Strukturpolitik reichen bis in das Jahr 1993 zurück.
Damals fingen in kleineren Fachkreisen die ersten Diskussionen an. Bis 2000 ist das von der Politik
nicht wirklich zur Kenntnis genommen worden. In der Regel wurden diese Diskussionen überlagert
von ordnungspolitischen Überlegungen. Es gab Kammern und andere Institutionen, die uns vor-
warfen, wir würden hier plötzlich wieder von Investitionslenkungssystemen und -theorien spre-
chen, wie sie von den Jusos in den 70er Jahren entwickelt worden waren. Man ging davon aus, dass
man die Unternehmen dem Wettbewerb überlassen muss und dass man da nicht noch lenkend ein-
greifen solle. Aber dann hat sich doch die Einsicht durchgesetzt, dass es von unserer Seite immer
nur ein Angebot ist. Ob die Unternehmen das Angebot annehmen, ist ihnen überlassen. Es handelt
sich also nicht um eine Politik, die irgendjemanden dazu nötigt, mitzumachen. Also diese ganzen
ordnungspolitischen Debatten der 90er Jahre haben wir mittlerweile hinter uns.
Im Jahre 2000 wurde das Thema dann plötzlich auch für die Politik interessant. Ich versuche das
immer ein bisschen salopp zu beschreiben. Mein Vorgänger in meinem Referat gab mir damals den
Tipp mit, wenn ich Konzepte hätte und damit nicht durchkäme, sollte ich sie in einer Schublade
verschwinden lassen und kurz vor einer Wahl wieder herausholen, weil dann Regierungen oder
Parteien normalerweise händeringend nach Konzepten suchen, die sie im Wahlkampf gebrauchen
können. Und ich muss sagen, der Tipp hat funktioniert. Im Jahre 2000 wurde das Thema plötzlich
zum Gegenstand in der politischen Arena und hat bis jetzt wesentlich weitere Kreise berührt als in
den langen Jahren davor.
9
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
Im letzten Jahr hatten wir die Landtagswahl, seitdem gibt es eine neue Landesregierung. Und ich
hatte die Befürchtung, dass man an diesem Cluster-Ansatz kein großes Interesse haben würde.
Doch das Gegenteil ist eher eingetreten. Man sieht, dass auch andere Bundesländer sich dieses
Themas annehmen. So hat z.B. die bayerische Landesregierung jüngst eine Cluster-Offensive
gestartet. Also das Cluster-Konzept spielt auch für die neue Landesregierung eine wichtige Rolle.
Bei der Frage, wie man es umsetzt wird sich allerdings einiges ändern. Da ist das wesentliche
Stichwort einmal die Auswahl der Cluster und zum zweiten die Frage, wie man sie fördert. Und hier
wird es ein Umschwenken bei den Verteilungsmechanismen auf ein Wettbewerbsverfahren geben.
Auswahl heißt hier Folgendes: Hier im Ruhrgebiet gab es in den letzten fünf Jahren einen
Wachstums- und Beschäftigungspakt Ruhr. Ich will ihn einmal als Beispiel nehmen. Damals hat die
Landesregierung mit einigen Kammern, Gewerkschaften, Kommunen im Ruhrgebiet, zwölf
Kompetenzfelder ausgewählt und dann einen Pakt geschlossen und diesen unterschreiben lassen.
Man sagte, wir brauchen diesen Pakt, um von der breiten Förderung hin zu einer spezielleren
Förderung zu kommen. Die neue Landesregierung sagt nun, das wollen wir nicht mehr. Wir wollen
den Regionen in NRW nicht mehr vorschreiben, welche Kompetenzfelder dort ausgewählt werden,
das sollen sie in freier Regie machen. Und man hat deshalb diesen Wachstumspakt als erstes ein-
mal vom Markt genommen. Wenn Sie heute die Webseite www.ruhrpakt.de ansteuern, dann finden
sie dort nur noch den Verweis darauf, dass man sich in Kürze in anderer Form wieder melden wird.
Früher war diese Seite eine gute Informationsquelle.
Das zweite ist die Frage der Auswahl und der Konzentration. Auf der einen Seite hat man gesagt,
die Regionen sollen für sich entscheiden, aber das, was für uns als Land wichtig ist, das bemisst
sich nach dem Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit. Dort, wo Cluster entstehen oder schon existie-
ren, die international wettbewerbsfähig sind und von denen man erwarten kann, dass sie sich auch
auf internationalen Märkten durchsetzen, dort wollen wir stärker investieren und unser Geld hin-
fließen lassen. Die anderen kleineren Cluster werden zwar begleitet und sicherlich in gewissem
Ausmaß auch gefördert, aber sie erhalten nicht die Wertschätzung von der Landesregierung, die
die jetzt schon existierenden wettbewerbsfähigen Cluster in der Region haben.
Die Vorarbeit dafür ist über ein Gutachten geleistet worden, das das Institut für Arbeit und Technik
schon vor der Landtagswahl in unserem Auftrag angefertigt hat und das im letzten Jahr veröffent-
licht wurde. Auch dieses Gutachten ist von der neuen Landesregierung in Zweifel gezogen worden,
mit dem Ergebnis, dass wir im Augenblick noch mal neu darüber diskutieren müssen. Zurzeit ist
es so, dass die Branchenabteilung im Ministerium beauftragt ist, eine Evaluierung aller
Landesinitiativen und regionalen Initiativen durchzuführen, die wir gefördert haben, um herauszu-
bekommen, wo denn wirklich die wesentlichen Themen des Landes liegen. Ist es die Logistik, ist
es die Gesundheitswirtschaft? Das wird sich in den nächsten Monaten ergeben und dann werden
wir auf dieser Basis, soweit und sobald die Mittel zur Verfügung stehen, Wettbewerbsverfahren
unter diesen Überschriften durchführen und gucken, wo unsere Mittel für welche Projekte, die sich
dann in diesem Rahmen melden, am besten eingesetzt werden können.
Ich möchte noch ein paar Worte zur Verhandlungsposition des Landes verlieren. Sie müssen sich
vorstellen, dass in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land und eigentlich die
ganze Bundesrepublik befindet, die Unternehmen eine sehr starke Verhandlungsposition haben.
Das heißt, in der Regel sind wir eher in einer reaktiven oder defensiven Situation. Unternehmen
kommen zu uns, äußern Wünsche, stellen Forderungen, und es bleibt uns überlassen, mit unseren
Instrumenten und unseren finanziellen Mitteln Hilfestellung zu leisten. Eine aktive Politik, in der die
Landesregierung eher fordernd auftritt, ist in diesem Rahmen schlecht möglich. Das hat einfach
10
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
was mit der wirtschaftlichen Situation zu tun, wir müssen schlicht für jede Investition, für jeden
Arbeitsplatz, der hier geschaffen wird, dankbar sein. Insofern laufen eher wir den Unternehmen
hinterher, als die uns. Das, was das Wirtschaftsministerium anbieten kann, ist sehr vielfältig. Das
kann von der Qualifizierungsförderung über die Beteiligung an Auslandsmessen bis hin zu
Infrastrukturmaßnahmen gehen, wie jetzt jüngst die Pipeline, die hier in der Emscher-Lippe-Region
gebaut werden soll. Es existiert ein sehr großes Spektrum an Möglichkeiten, aber in der Regel sind
es die Unternehmen, die zu uns kommen und sagen, wir wollen was, wir brauchen euch und helft
uns.
Und in diesem Spiel kann man jetzt natürlich an der einen oder anderen Stelle die Situation auch
umdrehen. Ich hätte mir z.B. vorstellen können, dass man sagt, gut Ihr wollt vierzig Millionen Euro
für den Bau einer Pipeline haben, dann lasst uns mal über die Qualifizierung in der chemischen
Industrie in der Emscher-Lippe-Region sprechen. Aber so weit sind wir noch nicht. Das hat auch
etwas mit der Art und Weise zu tun, wie ein Ministerium funktioniert und arbeitet. Die Abstimmung
zwischen den verschiedenen Referaten, die Kontakte zur chemischen Industrie haben, läuft aus
meiner Sicht noch nicht rund, so dass wir nicht in der Lage sind, solche Verhandlungspakete zu
formulieren und sie dann auch auf den Tisch zu legen.
Und jetzt komme ich zum letzten Punkt, nämlich zu der Frage, welche Chancen bestehen, hier das
Thema Gender Mainstreaming unterzubringen. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir, wenn sol-
che Pakete geschnürt werden und wir mit den beteiligten Unternehmen darüber verhandeln, dann
auch dieses Thema aufnehmen können. In der Regel aber läuft dieses Thema eher über den demo-
graphischen Wandel: Abbau der Einwohnerzahl, niedrige Geburtenraten, Qualifizierung und des-
halb hoher Personalbedarf, unter anderem auch bei den Frauen.
Das wird sich aus meiner Sicht fast automatisch ergeben. Und da spielt es dann auch keine große
Rolle, in welchem Bereich diese Cluster tatsächlich angesiedelt sind. Ich glaube auch nicht, dass
Clusterlisten aus den Regionen ausschließlich technik- oder industrieorientierte Cluster enthalten.
Und selbst in den eher technik- und industrieorientierten Clustern haben wir es sehr häufig auch
schon mit Frauen zu tun. Ich nehme mal die ChemSite-Initiative, deren Geschäftsführerin ist eine
Frau, genauso wie bei der Mikrostruktur-Initiative IVAM im östlichen Ruhrgebiet. Also wir haben es
selbst in solchen High-Tech-Bereichen durchaus auch schon mit Frauen zu tun. Aber es gibt natür-
lich auch eine ganze Reihe von Clustern – die gesamte Gesundheitswirtschaft ist im Ruhrgebiet mit
über 230.000 Beschäftigten das Cluster par excellence – bei denen ein großer Arbeitsmarkt, auch
für Frauen, vorhanden ist.
Die Auswahl der Cluster selber würde ich also nicht kritisieren. Ich rate dazu, stärker über
Verhandlungspakete zu gehen, um mehr Frauen Erwerbschancen zu bieten. Und auch über den
demographischen Wandel und über die Qualifizierung wird sich eine ganze Menge bewegen lassen.
Soweit meine Ausführungen. Vielleicht können wir dann an der Stelle erst einmal ein bisschen dis-
kutieren.
Beifall
Christiane Poertgen: Sie haben vorhin gesagt, wenn wir mal soweit sind, dann können wir dieses
Thema Gender Mainstreaming auch mit auf die Agenda setzen. Frau Aufhauser, unsere nächste
Referentin, wird ihnen wahrscheinlich jetzt sagen, dass das zu spät ist. Da muss jetzt etwas
geschehen. Man muss das auf der Agenda haben, bevor man überhaupt Verhandlungspakete mit
Unternehmen schnürt.
11
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
Wulf Noll: Ja, ich glaube schon, dass das Bewusstsein in dieser Form noch nicht da ist, doch das
kann man nicht nur als Problem des Wirtschaftsministeriums ansehen.
Christiane Poertgen: Das heißt, es stimmt, wenn ich sage, dass dieses Thema „Geschlechter-
gerechtigkeit“ bei vielen Überlegungen noch gar keine richtige Rolle spielt?
Wulf Noll: Noch nicht, das stimmt.
Christiane Poertgen: Gut, also dann, bitte. Dann dürften sich jetzt eine Menge Fragen auftun, oder?
Teilnehmerin: Herr Noll, sie beschreiben das, was wir bereits kennen. Wir wissen, dass wenn ein
neues Thema aufgemacht wird, es heißt, wir müssen erst dies und dann das tun und erst dann
kommt die so genannte Geschlechterfrage. Deshalb möchte ich wirklich noch einmal appellieren,
diesen Paradigmenwechsel von vorneherein zu vollziehen. Ich weiß, dass das gerade in
Diskussionen mit Unternehmen schwierig wird. Aber wenn, dann haben wir mit Sicherheit nur in
den Ministerien über die Bildung von Paketen eine Handhabe. Wenn es erst irgendwann zum Thema
wird, dann ist es definitiv zu spät. Dann sind wir Frauen mit unseren Interessen strukturell und
inhaltlich draußen. Dann sind wir das Anhängsel.
Wulf Noll: Ich wollte eigentlich darstellen, dass wir selbst bei der Frage, wie Pakete aussehen kön-
nen, noch gar nicht angekommen sind. Es ist eigentlich noch gar nicht deutlich geworden, dass wir
überhaupt in der Lage sind von der Reaktion in eine Aktion überzugehen. Dass wir sagen können,
wir können auch Gegenleistungen für unsere Unterstützung erwarten, die nicht nur darin beste-
hen, dass die Unternehmen ein paar Arbeitsplätze schaffen, sondern dass sie sich möglicherweise
auch mit anderen Themen beschäftigen und auseinandersetzen – soweit sind wir ja noch nicht ein-
mal. Doch erst wenn wir diese Kurve bekommen haben, können wir über die Frage nachdenken,
was können wir als Gegenleistungen erwarten. Und da gehört dann sicher auch das Thema Gender
Mainstreaming mit dazu.
Teilnehmerin: Ich arbeite im Ingenieurbüro Hoeborn wissenschaftlich zu Gender Mainstreaming und
Diversity in EU-Projekten. Es geht ja auch nicht nur darum, unsere Interessen zu vertreten. Es
geht ja darum, Diversity zu leben und unsere Fähigkeiten mitzunehmen. Da wird es ja wirtschaft-
lich interessant. Es gibt so viele EU-Projekte, die sich damit beschäftigen, wie Frauen ihren
Karriereweg gehen können und was sie daran hindert, ihre Fähigkeiten einzubringen und wirt-
schaftlichen Nutzen zu bringen. Die Ergebnisse aus diesen Projekten können doch problemlos mit
einbezogen werden und bringen damit direkt auch ökonomischen Nutzen.
Im letzten EU-Projekt haben wir z.B. zu Technik und Naturwissenschaften auf akademischer Ebene
geforscht und haben einen Maßnahmenkatalog entwickelt, der aufzeigt, was hindert, was gemacht
werden muss, um Diversity zu leben.
Gabriele Thiesbrummel: Sie haben gesagt, an der Auswahl der Cluster würden sie nicht drehen. Das
kann ich nicht verstehen, weil das doch der einzige Punkt ist, wo Regierung und Verwaltung wirk-
lich aktiv sind. Das heißt, da wird entschieden; genau da wird nicht nur reagiert. Das heißt, an dem
einzigen Punkt, wo wirklich in großem Maße entschieden wird, da sagen Sie, da würde ich Gender
Mainstreaming nicht rein nehmen. Warum?
Wulf Noll: Entschieden wird auf der Projektebene, wenn Anträge auf Förderung reinkommen, dann
wird damit auch entschieden, ob man die Unternehmen und Maßnahmen wirklich fördern will. Sehr
vorsichtig wäre ich bei der Frage der Auswahl von Clustern, das ist ein Unterschied. Die Auswahl
12
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
ist die erste Stufe, die zweite Stufe ist die Projektförderung, bei der dann so verfahren wird wie
Sie meinen. Bei der Auswahl richten wir uns eher nach ganz objektiven Kriterien: entweder ist ein
Cluster wettbewerbsfähig oder nicht. Und wenn es nicht wettbewerbsfähig ist, dann können wir
noch so viel reden, dann ist das eher eine politisch verbrämte Entscheidung möglicherweise, aber
keine vernünftige und objektive mehr.
Gabriele Thiesbrummel: Ich stelle mir vor, dass die Frage der Geschlechtergerechtigkeit bei der
Auswahl von Projekten oder von Clustern auch ein Kriterium ist.
Teilnehmerin: Wir stellen immer drei Fragen: erstens in welcher Weise unterscheiden sich Männer
und Frauen? Wodurch unterscheiden sich dann die Betroffenheitsgrade? Und dann: Was können wir
tun, um das zu ändern? Auf der Webseite www.gendermainstreaming.net ist hinreichend beschrie-
ben, welche Grundsatzfragen man stellen muss, bevor man überhaupt irgendeine Entscheidung
trifft. Wir machen das im öffentlichen Dienst jetzt beim neuen kommunalen Finanzmanagement,
wo es auf kommunaler Leistungsebene um die Festlegung von Produkten geht. Da muss das auch
geklärt werden. Wenn eine Entscheidung Menschen betrifft, und das ist bei Arbeitsplätzen der Fall,
dann sind diese Fragen des Gender Mainstreaming zu stellen. Ich glaub auch nicht, dass es objek-
tive Kriterien für Wettbewerbsfähigkeit gibt. Ich bin Ökonomin, habe mich lang und breit mit die-
sen Themen beschäftigt, ich bezweifele das.
Wulf Noll: Es ist richtig, was Objektivität ist, da muss man sich wirklich unterhalten. Ich will es ein-
mal plastisch machen. Wir sind uns glaube ich darüber einig, dass das Kriterium die internationa-
le Wettbewerbsfähigkeit ist. Irgendwie müssen wir Produkte oder Dienstleistungen international
absetzen können. Wir sind so groß, dass wir es nicht einfach in einem kleinen regionalen Rahmen
tun können. Und wenn wir sie absetzen wollen, dann entscheidet sich doch derjenige, der unsere
Waren meinetwegen in den USA kauft, nicht nach dem Kriterium der Gleichstellung, des Gender
Mainstreaming. Der fragt doch bei dem Produkt nicht danach, wie hoch der Anteil weiblicher
Tätigkeiten in der Produktion gewesen ist. Das heißt, diese Frage der internationalen Wettbe-
werbsfähigkeit, die richtet sich nach ganz anderen Kriterien. Ob die jetzt bis ins Detail objektiv
sind, da hab ich auch meine Zweifel, aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Und insofern ent-
scheidet sich die Frage, was ist international wettbewerbsfähig und was nicht, wo wir vorzugswei-
se unser Geld verdienen werden meines Erachtens nicht danach, wie hoch der Anteil von
Frauenerwerbsarbeitsplätzen bei der Produktion ist.
Wenn wir uns aber einmal z.B. auf die Chemieindustrie oder Gesundheitswirtschaft konzentrieren,
dann meine ich sehr wohl, dass wir an der Stelle, wo wir über Verhandlungspakete reden auch mal
irgendwann über Frauenerwerbstätigkeit reden können. Genauso wie wir dann über ganz andere
Fragen diskutieren können. Nur die Frage der Auswahl selber richtet sich berechtigterweise nach
anderen Kriterien.
Teilnehmerin: Ich arbeite in der Sozialforschungsstelle Dortmund. Wir betreuen den
Dienstleistungs-wettbewerb für das Land, der einerseits wirtschaftsförderlich arbeitet, andererseits
aber auch das Thema Chancengleichheit bearbeitet. Ich möchte Herrn Noll in einer Hinsicht Recht
geben: Cluster sind an bestimmten Faktoren festmachbar. Von daher möchte ich das unterstützen
und sagen, Cluster muss man erst einmal unabhängig bewerten. Wenn man den Cluster aber ein-
mal identifiziert hat, dann gilt es zu schauen, wie lässt sich dort Geschlechtergerechtigkeit regeln.
Dass Gender Mainstreaming manchmal nicht so funktioniert, wie sich das viele Leute wünschen,
kann vielleicht daran liegen, dass die EU Chancengleichheit zwar als Querschnittsziel definiert hat,
dass es aber keine klare Handlungsrichtlinie dazu gibt, wie sie umzusetzen ist. Es gibt vielleicht
auch in den Behörden, die darüber zu entscheiden haben, eine Zufriedenheit mit so einem
13
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
Standardsatz: In allen relevanten Situationen werden die Interessen von Frauen und Männern
separat berücksichtigt. Da fehlt auch die Ernsthaftigkeit, das nachzuverfolgen.
Christiane Poertgen: Es gibt also nur eine theoretische Absichtserklärung und keine praktischen
Anweisungen, an denen man arbeitet?
Wulf Noll: Ich nehme noch mal dieses Stichwort von der Gemeinschaft unabhängiger Referate auf.
Aus meiner Sicht ist es wirklich eine Bewusstseinsarbeit, die wir in unseren Häusern der
Landesregierung, bei den Kommunen oder bei Antragsstellern, die Gelder von uns haben wollen,
natürlich auch leisten müssen. Da sind wir schon ein ganzes Stück weiter gekommen. Wenn ich an
die Stellungnahmen zu regionalen Entwicklungskonzepten aus den 90er Jahren denke, bei denen
außer der Forderung nach Gleichstellung alleine nicht viel kam, dann sehe ich, dass wir da heute
schon ein wesentliches Stückchen weiter sind. Und insofern nehme ich solche Ideen, wie Sie sie
hier formulieren gerne mit. Das finde ich richtig und gut.
Christiane Poertgen: Ist es für Sie jetzt ein frustrierender Auftakt dieses Tages, Gender
Mainstreaming in der Strukturpolitik und man sieht keine Ergebnisse am Horizont?
Teilnehmerin: Vielleicht sind wir auch ein bisschen zu schnell vorgegangen. Meines Erachtens muss
nicht unbedingt die Frage der Geschlechtergerechtigkeit hier in den Mittelpunkt gestellt werden.
Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig an, aber ich finde, diese ganze Diskussion
führt in eine Sackgasse. Mein Name ist Birgit Werhöfer, ich bin aus dem Gleichstellungsministerium
und habe insofern natürlich eine etwas andere Sichtweise auf diese Diskussion. Sie wird hier viel
zu defensiv geführt. Es kommt mir so vor, als gäbe es da jemanden, der die Cluster definiert oder
der zumindest in seinem Haus Einfluss darauf hat, welche Cluster zur Förderung ausgewählt wer-
den. Und dann gibt es die davon losgelöste andere Diskussion, dass auch Fraueninteressen berück-
sichtigt werden sollen.
Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt ist die Qualifizierung. Wir werden keine internationale Wettbe-
werbsfähigkeit erreichen, indem wir uns in den Wettbewerb begeben und darum konkurrieren, die
niedrigsten Preise zu erzielen und die niedrigsten Löhne zu zahlen, sondern indem wir besonders
qualifizierte Dienstleistungen und besonders gute Produkte anbieten. Das heißt, Qualifizierung ist
hier in der Region sehr wichtig.
Ich komme aus Gelsenkirchen und weiß um die Probleme in dieser Region. Ich finde, Frauen müs-
sen viel selbstbewusster auftreten, denn sie sind ein sehr qualifiziertes Potential. Die Diskussion
muss viel mehr in die Richtung geführt werden, dass es eine Chance darstellt, dieses qualifizierte
Potential zu nutzen und dass es auch im Interesse der Unternehmen ist, wenn die Quote der
Frauenerwerbstätigkeit gesteigert wird. Deshalb wird mir hier insgesamt viel zu defensiv diskutiert.
Ich glaube auch, dass die Unternehmen da teilweise schon sehr viel weiter sind. Wenn man sich
mal anschaut, welche Diskussionen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels geführt
werden: wir müssen doch in bestimmten Bereichen Arbeitskräftemangel befürchten. Deshalb müs-
sen wir neue Zielgruppen erschließen, indem ältere Mitarbeiter länger beschäftigt, mehr Frauen
auch in technische Berufe integriert werden. In den Unternehmen werden hier schon andere
Diskussionen geführt, als die, die wir hier im Moment führen.
Christiane Poertgen: Also Sie glauben, die Zeit wäre schon reif, durchaus auch Unternehmen, die
sich in Clustern ansiedeln, Forderungskataloge mitzugeben?
Birgit Wehrhöfer: Möglicherweise haben diese sie zum Teil schon realisiert, das kann ich jetzt nicht
14
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
im Einzelnen beurteilen. Aber gerade die Großunternehmen sind bei Diversity Management und
Gender Mainstreaming sehr viel weiter, als diese Diskussion es hier ist.
Teilnehmerin: Wir sollten uns jetzt nicht auseinander dividieren lassen, wir haben alle das gleiche
Problem und versuchen alle, gute Schritte zu unternehmen. Wir versuchen in der Weiterbildung
und auch in der Ausbildung, Gender Mainstreaming immer mitzudenken und zu implementieren,
auch Antworten darauf zu suchen, was der Benefit von Gender Mainstreaming ist.
Bei der Berufsorientierung von Jugendlichen stellen wir fest, es gibt jede Menge Probleme auch für
Jungen, die mit der Schule nicht mehr klarkommen. Da müssen wir im Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales für die Ausbildung Alternativen finden. Ich sehe Mädchen und die Jungen,
die hier benachteiligt sind – momentan überwiegend die Jungen. Wenn wir über Gender
Mainstreaming sprechen, dann müssen wir über beide Geschlechter sprechen. Da bin ich auf der
Suche nach Cluster, die da Anknüpfungspunkte für uns bieten.
Wulf Noll: Ich hatte ja schon gesagt, wir können überlegen, wie wir Gender Mainstreaming in
Kompetenzfelder einbringen. Da erscheint mir der Weg, schon bei der Auswahl der Cluster anzu-
setzen, nicht geeignet zu sein. Aber der Weg über Verhandlungspakete scheint gangbar zu sein.
Das ist der eine Weg. Der zweite Weg, den ich sehe, ist von Frau Wehrhöfer gerade bestätigt wor-
den: dass man sagt, angesichts der ökonomischen und demographischen Entwicklung werden die
Unternehmen gar nicht umhin kommen, mehr und qualifizierte Frauen einzustellen.
Christiane Poertgen: Das hört sich jetzt so an, als wenn uns irgendwann gar nichts anderes mehr
übrig bleibt, als auch Frauen zu nehmen.
Wulf Noll: Das glaube ich nicht. Ich meine nur, dass auch denjenigen, die nie über Gender
Mainstreaming nachgedacht haben nichts anderes übrig bleiben wird, als sich mit dieser Frage zu
beschäftigen und Frauen vom Arbeitsmarkt einzustellen.
Susanne Dalkmann (Mitglied der EP ChanZE): Ich will zu der Frage, was denn eigentlich der richtige
Weg ist, Stellung nehmen. Wir haben gerade gehört, dass einzelne Betriebe in Fragen des Gender
Mainstreaming, also nicht nur der Frauenpolitik, schon sehr weit sind. Aber die einzelbetriebliche
Ebene ist nicht die Clusterebene. Cluster zeichnen sich ja dadurch aus, dass es Netzwerke sind und
dass es Zulieferer- und Abnehmerbeziehungen gibt und dass dort mehrere Unternehmen in einer
Kette agieren. Und hier könnten solche großpolitischen Highlights auf einzelbetrieblicher Ebene in
einem Cluster als Multiplikatoren wirken und ihre Personalpolitik mit dem Geschlechteransatz ihren
Zuliefern und Abnehmern vorleben und in deren Personalpolitik hineinwirken. Einzelne
Automobilunternehmen tun das in Teilen mit ihren Zulieferern schon. Also da könnte man in Bezug
auf Cluster noch genauer agieren. Das ist aber eher eine einzelbetriebliche Ebene, wo wir mit
Förderinstrumenten erstmal wenig machen können.
Die andere Geschichte, auf die ich aufmerksam machen will: Ich bin mir nicht sicher, ob das
Kriterium ‚internationale Wettbewerbsfähigkeit’ wirklich in jeder Hinsicht greift. Ich will es mal am
Beispiel der Gesundheitswirtschaft ganz plastisch machen. Wenn ich die Medizintechnik als Teil der
Gesundheitswirtschaft betrachte, so ist diese exportorientiert. Das heißt, hier kann ich mit inter-
nationaler Wettbewerbsfähigkeit agieren. Ich habe aber Probleme im Bereich der personennahen
Dienstleistungen, die ja auch zur Gesundheitswirtschaft gehören, also alles, was in Kranken-
äusern, ambulanten Pflegediensten usw. geschieht. Von daher stellt sich die Frage, wenn ich bei
Auswahl und auch bei der Mittelsteuerung mich ausschließlich auf dem Bereich der internationalen
und der exportabhängigen Seite, also z.B. Medizintechnik, konzentriere, wie sieht es mit den
15
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
Mitteln im Bereich der personennahen Gesundheitswirtschaft aus, die am lokalen Markt orientiert
ist. Da sehe ich einen Bruch.
Wulf Noll: Den sehe ich aus folgendem Grunde nicht: Ich hatte ja vorhin gesagt, dass wir die
Gesundheitswirtschaft im Ruhrgebiet auf 230.000 Beschäftigte schätzen. Der Großteil dieser
Beschäftigten ist z.B. in Kliniken und Pflegeberufen tätig und hat wirklich nicht viel mit internatio-
naler Wettbewerbsfähigkeit zu tun. Aber letzten Endes brauchen wir die Beziehung zwischen die-
sen verschiedenen Feldern, zwischen öffentlich subventionierten und privaten, zwischen regional
und überregional orientierten Bereichen. Aus dieser Beziehung heraus, glaube ich, kann ich sehr
wohl schon eine Begründung für die Auswahl von Cluster treffen. In jedem Bereich finden Sie
Tätigkeitsfelder, die nur rein regional sind.
Klaudia Schulte: Mein Name ist Klaudia Schulte und ich leite im Wirtschaftsministerium das
Sekretariat, das sich mit der Umsetzung des Ziel-2-Programms für diese Phase beschäftigt, aber
auch schon Ausblicke auf das neue Ziel-2-Programm wirft, das von 2007-2013 umgesetzt werden
soll. Ich will jetzt mal die Landesregierung ein bisschen in Schutz nehmen. Die Landesregierung
nimmt das Thema Gender Mainstreaming sehr ernst und beschäftigt sich jetzt schon bei der
Programmerstellung damit, wie man Gender Mainstreaming umsetzen kann. Sie sucht dort nach
Lösungen auf verschiedenen Ebenen. Eine Ebene ist auch die Kompetenzfeldpolitik. Man schaut
sehr systematisch und analytisch, auch in Zusammenarbeit mit dem Frauen- und dem
Generationsministerium, wie dies angegangen werden kann. Derzeit wird eine Studie erarbeitet,
die konkrete Handlungsvorschläge ermitteln soll. Dass die Landesregierung immer hinterherhinkt,
ist nicht der Fall. Im europäischen Vergleich ist NRW sogar führend in der Umsetzung von Gender
Mainstreaming in der Struktur- und Regionalpolitik.
16
MR Wulf Noll - Vortrag und Diskussion
„Das speziell auf Frauen zu fokussieren, das war uns zuviel Overhead, den wirda investiert hätten…“
Anmerkungen zu „männlichen“ und „weiblichen“ Formen regionalerKompetenz-feldpolitik
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser, Institut für Geographie und Regionalforschung,Universität Wien
Vortrag und Diskussion
Ich bedanke mich zuallererst einmal für die Einladung. Ich bin das erste Mal in NRW. Für mich ist
es immer wieder sehr spannend, auch die Erfahrungen in anderen Regionen kennen zu lernen. Ihre
Region befindet sich derzeit in einem enormen Strukturwandel. Von daher werden sehr viele grund-
sätzlich zustimmen werden, dass es für einen Strukturwandel ganz wichtig ist, dass sowohl Frauen
als auch Männer an ihm beteiligt sind.
Ich habe als Regional-Ökonomin mit feministischem Hintergrund an einem Projekt mitgearbeitet,
bei dem es darum ging auszuloten, wie regionale Technologiezentren, Innovationszentren,
Gründerzentren Gender Mainstreaming angehen könnten. Meine Aufgabe war es darüber nachzu-
denken, warum es nicht funktioniert, dass wir in solchen Zentren Frauen und Unternehmerinnen
ansprechen können. Einiges, was wir mit diesem Projekt herausgefunden haben, möchte ich hier
in einen breiteren Rahmen stellen und präsentieren.
Innovative Regionen brauchen starke Frauen, die starke Männer stärken. Und starke Frauen brau-
chen innovative Regionen. Dieser Zusammenhang ist ganz wichtig, weil bei manchen strukturpoli-
tisch geförderten Instrumenten vor allem der Erfindergeist betont wird und dabei vergessen wird,
dass zur Entfaltung von Erfindergeist sehr flexible Familien erforderlich sind. Ganz ohne Frauen
geht es auch in einer männerzentrierten Kompetenzfeldpolitik nicht. Aber natürlich lassen sich
Frauen auch noch anders integrieren und ansprechen.
Dies ist ein Bild von „unse-
ren regionalen Männern“,
also von Personen, die in
Österreich regionale Wirt-
schaftspolitik betreiben.
Wirtschaftspolitik wird in
Österreich zunehmend auf
der Ebene der Bundesländer
gemacht. Meine Ausgangs-
frage ist, wieso eigentlich
diese Gruppe – mittlerweile
gibt es auch einige weibliche
Politikerinnen – in den letz-
ten zehn bis zwanzig Jahren
von der alten unternehmeri-
schen Subventionspolitik zur
Förderung von Innovation, Technologie, Hightech übergegangen ist. In der alten Subventionspolitik
waren Frauen eigentlich gar nicht so schlecht inkludiert. Das liegt daran, dass in Österreich eine riesi-
17
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
ge Einkommensschere zwischen den Männer- und den Fraueneinkommen existiert. In den 70er Jahren
bis in die 80er Jahre hinein war Österreich nicht zuletzt deshalb ein beliebtes Ansiedlungsgebiet für
„verlängerte Werkbänke“. Also wieso kommt diese Gruppe von Männern auf die Idee, auf einmal
Innovation, Technologie, Hightech und ähnliches zu fördern und zu betreiben?
Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass in den letzten zehn bis zwanzig Jahren in Österreich auf
regionaler Ebene viele Frauenprojekte entstanden sind. Gerade der EU-Beitritt war hier sehr stimulie-
rend. Für solche Projekte hat es kleine Fördergelder gegeben. Und da ist sehr viel gemacht worden. Ich
habe in den letzten Jahren festgestellt: Es gibt diese eine Form von innovationsorientierter
Regionalpolitik, unter die ich auch Cluster-Initiativen, Technologiezentren, Gründerzentren fasse. In
diese Form von Regionalpolitik sind Frauen schwer zu integrieren. Wenn man Männer fragt, wieso funk-
tioniert Gender-Mainstreaming hier nicht, dann kommt sehr häufig die Antwort: Eine solche Politik auf
Frauen zu fokussieren, das ist einfach zu viel Overhead, den wir da investieren müssten.
Ich möchte mich ein bisschen damit auseinandersetzen, was eigentlich dieser Overhead ist und wie
stark er auf der anderen Seite für das ist, was man jetzt momentan macht. Es gibt für Kompetenzfeld-
politik und Clusterpolitik eine traditionelle Definition, und ich möchte dieser traditionellen Definition
einen weiblichen Ansatz von regionaler Kompetenzfeldpolitik gegenüberstellen, der ein bisschen anders
ausschaut. Es ist ganz wichtig, sich im Detail einmal anzuschauen, wo sich die Art, wie Frauen in
Fraueninitiativen auf regionaler Ebene agieren, von der traditionellen Form von Kompetenzfeldpolitik
unterscheidet und welche wechselseitigen Lernprozesse daraus erfolgen sollen.
Was möchte ich heute tun? Ich bin meinem Vorredner dafür sehr dankbar, dass er die ökonomischen
Päpste schon genannt hat. Als Professorin für Regionalökonomie kann ich es aber nicht lassen, noch
mal kurz – vielleicht ein bisschen plakativer – zu wiederholen, worum es der regionalen Kompetenzfeld-
politik geht. Dann will ich ganz kurz auf die geschlechterpolitischen Wirkungen dieser Politik eingehen.
Dann möchte ich der Frage nachgehen, wie es eigentlich zu der starken männlichen Markierung der
Kompetenzfeldpolitik kommt. Anschließend werde ich als Kontrast die Frage danach stellen, was weib-
liche Formen der Kompetenzfeldpolitik ausmachen. Schließlich werde ich die Frage stellen: Was lässt
sich voneinander lernen? Einrahmen möchte ich das Ganze mit Zitaten aus meinen zahlreichen
Interviews.1 Z.B.: „Frauen werden oft nicht gesehen und die Frauenstärken werden sehr häufig einfach
nicht gesehen und da muss man immer ein bisschen genauer hinschauen, als es manchmal üblich ist.“
Ein anderes Zitat ist eine Bemerkung, die in Österreich von der regionalpolitischen Seite zunehmend zu
hören ist: „Die EU-Strukturfonds steuern sehr viel in eine sehr eindeutig standardisierte Richtung, und
das was tatsächlich innovativ passiert, passiert teilweise ohne diese großen Förderungsmittel.“ Das ist
die eine Seite, dass man schon überlegt, ob man die Mittel überhaupt noch braucht und ob nicht
Innovativeres zustande kommt, wenn wir z.B. nicht auf die Strukturfondsmittel setzen. Die andere Seite
in diesem Zusammenhang ist, dass für die vielen Frauenprojekte die kleinen Fördertöpfe der EU in den
letzten Jahren ganz wichtig waren. Doch diese kleinen Fördertöpfe werden jetzt teilweise nicht mehr
weitergeführt und die Frage ist: Wie kann man trotzdem weitermachen? Bisher wurden auch die inno-
vativen Frauenprojekte auf diese kleinen Fördertöpfe verwiesen. Wenn es nun nur noch große
Fördertöpfe gibt, stellt sich die Frage, wie die Arbeit, die derzeit relativ gut läuft, weitergeht.
So, ich mache es ein bisschen plakativer: Um welche Aktivitäten geht es, die so viel Overhead erfor-
dern würden, wenn man sie auf Frauen beziehen würde?
Ich habe die Ebenen einmal darzustellen versucht: Die Regionalbevölkerung, die Regionalbeschäftigten,
die Unternehmen und der Weltmarkt.
18
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
1 Siehe dazu die Powerpoint-Präsentation in der Anlage dieses Vortrages.
Was macht die klassische Kompetenzfeldpolitik oder innovative
Regionalpolitik in einem erweiterten Sinne? Sie setzt einmal bei den
Unternehmen an, in dem sie Stärkefelder von Unternehmen identi-
fiziert und diese miteinander vernetzt. Das schaffen wir teilweise mit
Clustermanagements in diesen Strukturen, die dann dafür sorgen,
dass es zu Vernetzungen kommt. Auch über Werteketten soll quali-
tativer und innovativer Wandel stattfinden. Die Großunternehmen
sollen über ihre Zulieferaufträge auch für eine qualitative Stärkung
sorgen, also für das, was gerade kleine Betriebe qualitativ anbieten
sowie für einen Innovationstransfer.
Meine Kollegen im englischen Raum sagen immer: Wir bauen ‚worm-
holes’ zu den globalen Playern in der Weltwirtschaft. D.h. man
schaut, dass gemeinsame Plattformen zur Präsentation von
Produkten gebaut werden, damit eben diese regionalen Unter-
nehmen auch ihre Produkte auf dem internationalen Markt anbieten
können. Das ist sehr umstritten: Inwiefern sind Einzelpioniere wichtiger als gemeinsame Plattformen?
Auf alle Fälle wird in den Aufbau dieser gemeinsamen Plattformen relativ viel investiert, damit auch die
großen Player das kaufen, was regional produziert wird. Man hat nichts gegen Joint Ventures von den
regionalen, auch kleineren regionalen mit den großen Unternehmen der Weltwirtschaft, also gemeinsa-
me Abenteuer einzugehen, denn auch das sorgt für den Innovationstransfer in die Region. Man macht
aber auch Programme, die nicht unbedingt nur auf die Cluster fokussiert sind, sondern Internationali-
sierungsinitiativen insgesamt.
Um was geht es bei der Kompetenzfeldpolitik auf den unteren Ebenen? Man versucht Pools an
Arbeitskräften aufzubauen die die internationalen Unternehmen bewegen sollen, sich anzusiedeln. Denn
auch die internationalen Unternehmen verlagern ihre Aktivitäten an Standorte, wo schon gewisse
Kompetenzen da sind. Man vernetzt dort Wissenschaft und Forschung und baut so genannte
Gründerzentren, die an diese Kompetenzschwerpunkte angelagert sind. Diese sollen Beschäftigung sti-
mulieren.
Und schließlich schaut man, dass man auch die jungen Leute in diese Cluster hinein qualifiziert. Und in
vielen Regionen, nicht in allen, aber in vielen Regionen haben derzeit die die Burschen die größten
Qualifizierungsprobleme. Die Umstellung von einer Kohlebergbauregion auf persönliche Dienstleistungs-
bereiche wirkt sich – z.B. in England – bei den Burschen ganz schlimm aus. Wir in Österreich und auch
in Deutschland haben Industrietraditionen. Da ist es leichter auch Burschen aus Arbeiterhaushalten mit
neuen Qualifikationen auszustatten. Doch in England gibt es massive Probleme, wenn die Burschen aus
der Bergbaufamilie in Sheffield plötzlich in privaten Dienstleistungsbereichen arbeiten sollen. Da passt
das Männlichkeitsbild nicht mit diesen neuen beruflichen Bereichen zusammen.
Eine solche Politik auf Frauen zu fokussieren ist augenscheinlich wirklich teuer. Es gibt wenige Frauen,
die in diesen Kompetenzfeldern tätig sind. Und es ist irrsinnig schwer, die Frauen auf diese globale
Ebene einzubringen, sie stellen sich teilweise nicht dem Wettkampf auf dem globalen Markt. Es ist auch
irrsinnig schwierig, die Mädchen in unseren deutschsprachigen Ländern für technische Berufe zu inter-
essieren und zu qualifizieren. Wir können darüber diskutieren, warum das so ist.
Es ist also tatsächlich so, dass das, was derzeit regionalpolitisch gemacht wird, relativ stark zugunsten
von Männern geht. Es geht zumindest nicht zugunsten von Frauen. Die direkten Investitionen gehen
zumindest sehr stark in männlich geführte Unternehmen. Woran liegt das?
19
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
Die weiblichen regionalen Stärken fallen teilweise einfach nicht auf. Sie sind eine Zeitlang als Angebot
von billigen Arbeitskräften aufgefallen und konnten den internationalen Investoren zumindest in Öster-
reich als Standortvorteil angeboten werden. Das war die Stärke von Frauen, die wahrgenommen wurde.
Heutzutage ist das anders. Ein Wirtschaftspolitiker aus Österreich sagte z.B.: „Es ist heutzutage einfach
unsinnig ‚depperte’, also dumme, Frauenjobs zu fördern.“ Man nimmt nicht wahr, dass die
Qualifizierungen der jungen Frauen heutzutage ganz woanders liegen und teilweise auch in formaler
Hinsicht viel besser sind, als die der Männer. Was daran stimmt ist, dass es nicht mehr zutrifft, dass den
großen Investoren das Angebot an billigen Arbeitkräften gemacht wird. Das ist – in unseren Ländern
zumindest – nicht mehr der Fall. Es wird stark auf eine technologische Innovationsfähigkeit gesetzt, und
in unseren Ländern ist es so, dass Technik stark männlich konnotiert ist, deutlich männlicher als z.B. in
Nord- oder Südeuropa.
Ich habe einmal für Österreich einen Eurobarometer ausgewertet. Europaweit sagen ein Drittel der
Leute, Ingenieur sei ein Männerberuf, in Österreich sind es zwei Drittel. Also gerade im deutschsprachi-
gen Raum ist das Ingenieur- und Technikwesen stärker als in vielen anderen europäischen Ländern
männlich besetzt. Also es ist sehr schwierig, die Frauen zu integrieren. Was tatsächlich stimmt, ist, dass
von Frauen geführte Unternehmen tatsächlich selten in einem exportorientierten Hochtechnologie-
bereich tätig sind. Das heißt aber nicht, dass von Frauen geführte Unternehmen nicht auch internatio-
nal tätig sind. Der Weg dahin ist teilweise nur ein anderer. Es gibt z.B. eine neue Studie von einer
Kollegin aus Amerika, aus Massachusetts, die sich Gründungen von Unternehmen, die von Frauen auf
der regionalen Ebene geführt wurden, angeschaut hat. Sehr viele von ihnen sind wahnsinnig erfolgreich.
Sie entwickeln viel für die regionale Ebene und gehen dann langsam selektiv international vor.
Es gibt ein zweites Beispiel, das ich immer in diesem Zusammenhang ganz nützlich finde, weil es zeigt,
wie aus sozialwirtschaftlichen Dingen vor Ort auch Exportprodukte entwickelt werden können. In einer
kleinen Gemeinde im Burgenland hat eine Bürgermeisterin sich darüber Gedanken gemacht, wie man
das Verkehrsaufkommen im Ort reduzieren könnte und wie man gleichzeitig vor allem die Mobilität der
Frauen in diesem Ort erhöhen könnte. Es war ein lang gestreckter Ort, und sie haben dann einen Bus
entwickelt, der da jetzt auf und ab fährt. Das Interessante daran ist, dass sie einen eigenen Bus ent-
wickelt haben, der auch das Einsteigen mit Kinderwagen und für ältere Personen erleichtert. Dieser Bus
ist mittlerweile zum Exportschlager geworden. Es waren eine japanische Delegation da, um sich diesen
Bus anzuschauen. Es kann also auch von unten her, aus einem gesellschaftlichen Bedarf heraus, etwas
Innovatives entwickelt werden, das dann zum Exportschlager wird.
Was unsere Untersuchungen nun ergeben haben, ist nicht nur die Tatsache, dass die Förderungen sehr
männerzentriert sind, sondern, dass sie die geschlechterspezifischen Ungleichheiten insgesamt eher
verstärken als abbauen. Ich will sie nicht mit langen Beispielen langweilen, doch zeige ich ihnen hier
die geschlechterspezifische Einkommensschere in unserer ersten Strukturreformperiode 1995-2000.
20
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
Die dunkelblauen Felder zeigen die Regionen oder Bezirke Österreichs, in denen sich die geschlechter-
spezifische Einkommensschere zwischen 1995 und 2000 verringert hat. Das sind zwei oder drei
Regionen. In allen anderen Regionen hat sie sich vergrößert. In den dunkelroten Feldern hat sie sich
innerhalb von fünf Jahren um über 200 € vergrößert. Wenn man Österreich kennt, weiß man, dass es
sich bei den dunkleren Feldern erstens um die Regionen handelt, die sowieso schon starke geschlech-
terspezifische Einkommensunterschiede hatten, die Industriebundesländer Oberösterreich und Steier-
mark, und zweitens die Regionen, in denen Strukturfondsförderungen stattfanden, z.B. das Burgenland.
Diese regionalpolitischen Förderaktivitäten, die unter dem Schlagwort „innovationsorientierte
Regionalentwicklung“ zusammenzufassen sind, sind in Österreich stark auf Männer ausgerichtet: Wir
machen Autocluster, Kunststoffcluster, Holzcluster, Energiecluster. In den Großstädten gibt es Bio-
technologiecluster, Mediencluster, Creative Industries. In Niederösterreich gibt es dann auch Wellness-
cluster, in denen tatsächlich mehr Unternehmerinnen mitarbeiten, denn Wellness und Gesundheit sind
so genannte weibliche Bereiche.
Wieso wird das so gemacht? Dazu habe ich mich an die Männerforschung gewandt. Der australische
Männerforscher, Robert Connell, der in Deutschland von Peter Döge rezipiert wird, sagt, es gibt regio-
nal unterschiedliche und sozial unterschiedliche Männlichkeiten. Deshalb muss man sich das auch ganz
genau anschauen. Die Bergarbeiter-Männlichkeit in Sheffield unterscheidet sich von der Männlichkeit,
die im persönlichen Dienstleistungsbereich gefordert wird. Ob sie es wollen oder nicht, es gibt mittler-
weile so etwas wie hegemonial dominierte Männlichkeit und mit der müssen sich unsere regionalen
Männlichkeiten auch auseinandersetzen.
Diese hegemonial dominante Männlichkeit wird natürlich durch die Männer bestimmt, die an der Spitze
der so genannten transnationalen Unternehmen stehen und die zunehmend die globale Weltwirtschaft
dominieren. Robert Connell hat folgende Eigenschaften mit dieser transnationalen Businessmaskulinität
verbunden (s. auch Folie).
� Egozentrismus, d.h. die Leute schauen nur auf ihre eigene Karriere.
� Eine bedingte Loyalität, auch zum eigenen Unternehmen.
21
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
GenderMain-
streamingin der
Kompetenz-feldpolitik
ElisabethAufhauser
Recklinghausen16.02.2006
� Ein Mangel an Verantwortlichkeit für andere, deshalb wird dann auch ein ethischeres
Unternehmertum gefordert.
� Limitierte technische Rationalität, das heißt es wird nach dem Shareholder-Value kalkuliert,
und das ist es, was bestimmt.
� Es gibt eine freizügige Sexualität und geringe emotionale Bezüge. Man denke hier nur an
einige Affären, die in Deutschland hier jetzt in dem Bereich gelaufen sind.
� Schließlich Selbstvermarktung über ein Sportsmen-Image, man muss sportlich und fit sein.
Wenn sie sich das jetzt vor Augen halten, so ist das ein Bild von Männlichkeit, das nicht zu den
Vorstellungen unserer Regionalpolitiker passt, die ja auch den Wählern gegenüber verantwortlich sind.
Die haben mittlerweile auch gelernt, dass diesen internationalen Firmen einfach nicht mehr zu trauen
ist, denn die Firmen gehen unter Umständen auch wieder weg. Das heißt, irgendwas muss man in der
regionalen Wirtschaftpolitik ändern, denn diese Form von Männlichkeit können sie ihren Wählern und
Wählerinnen gegenüber nicht vertreten.
Und in dieser Situation hat die Regionalpolitik und Regionalwirtschaft den Schumpeter’schen
Entrepreneur2 wieder entdeckt. Das ist die neue Leitfigur, auf die man die ganzen Förderungen heut-
zutage zentriert. Was macht dieser Unternehmer? (s. auch Folie)
� Er ist kein Besitzer eines Unternehmens sondern ein Innovator; er geht Risiken ein, verlässt
gewohnte Bahnen, reagiert schnell.
� Er setzt neue Kombinationen am Markt durch, d.h. er erfindet etwas, was wirklich einmalig ist,
und erzielt daraus zumindest für eine gewisse Zeit so genannte Monopolgewinne.
� Er trifft keine Standortentscheidungen, sondern wächst in stimulierenden regionalen Milieus.
Das ist das, was ihn für die Regionalpolitik so attraktiv macht. Er ist keiner, der kommt und
dann wieder geht, sondern jemand, der im Milieu wächst, das sich ihm bietet. Eben deshalb
wird er jetzt sehr stark öffentlich gefördert.
� Er muss aber natürlich auch was tun und zwar ist er verantwortlich für die ökonomische
Anbindung der Region an die Weltwirtschaft. Es besteht die Hoffnung, dass indem diese Stärken
gefördert werden, Multiplikatoreffekte in die Region hinein ausgelöst werden und dass dadurch
ein Wandel in der regionalen Wirtschaft insgesamt zustande kommt.
Will man diese Form von Unternehmertum auf Frauen fokussieren, dann – so der Ausspruch der
Interviewten – sei das einfach zuviel Overhead. Dies sind Personen, die müssen flexibel, mobil und
unabhängig genug sein, um gewohnte Bahnen zu verlassen. Sie müssen eine hohe Risikobereitschaft
und Erfindungsgabe aufweisen, die auf Distanz zum Alltäglichen geht; sie müssen die Fähigkeit haben,
neue Kombinationen auszutüfteln und diese auch am Markt durchsetzen. Sie müssen zumindest vor-
übergehend darauf drängen, dass sie so etwas wie Monopolgewinne absahnen können. Sie müssen fit
genug sein für den Konkurrenzkampf am Weltmarkt und dort auch häufig siegreich sein und sie dürfen
sich auch nicht scheuen, sich auch auf Joint Ventures mit den Großen der Weltwirtschaft einzulassen.
Kampf, Konkurrenz, Risiko, Distanz zum Alltäglichen, Schnelligkeit, Mobilität, Unabhängigkeit,
Siegertum, sich auf gemeinsame Abenteuer einlassen, das sind alles Eigenschaften, die bei uns stark
männlich belegt sind, unabhängig von dem, wie es in der Realität ausschaut.
Denn wenn ich mir die Frauen anschaue, die ich in den letzten Jahren kennen gelernt habe, so sind das
innovative Frauen; die etwas Neues machen wollen und sich auf Abenteuer einlassen. Aber unabhängig
22
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
2 Dieser Begriff geht auf Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) zurück, mit dem er Unternehmer bezeichnet, diegrundsätzlich Neues schaffen.
davon sind das Eigenschaften, die stark männlich konnotiert sind. Sich vorzustellen, eine Person zu för-
dern, die als allein erziehende Mutter mit drei Kindern mit den großen Playern am Weltmarkt konkur-
riert, das ist irgendwie in unseren Köpfen nicht wirklich drin, auch wenn es diese Frauen sehr wohl gibt.
Und daraus wird dann auch immer wieder dieser Overhead abgeleitet: Da muss ich ja für
Kinderbetreuung sorgen, für Entlastung von Hausarbeit und muss ihr Selbstbewusstsein fördern, damit
sie das kann.
Ich habe einmal ganz neutral, sechs Leitlinien solcher regionaler Innovationspolitik beschrieben und
möchte diese jetzt in den größeren Rahmen regionaler Innovationspolitik stellen. Ich denke mir, auf
diese Leitlinien könnten wir uns grundsätzlich einigen:
� Stärkung von Unternehmertum und Unternehmensgründungen,
� Stärkung der Innovationskapazitäten regionaler Unternehmen,
� Organisation von Wissenstransfer in und aus der Region,
� Stärkung der Wettbewerbsposition der regionalen Unternehmen,
� Förderung des sozioökonomischen Strukturwandels und
� die Organisation nachhaltiger Lernprozesse. Wir sprechen auch von
lernenden oder von wissenden Regionen.
Das sind relativ neutrale Formulierungen. Wenn man diese Leitlinien mit dem Schumpeter’schen
Unternehmerbild, das ich als männliche Markierungen regionaler Innovationspolitik bezeichne, verbin-
det, so ist die Frage: was kommt dann dabei heraus?
Ich habe ein männliches Bild von Unternehmertum im Kopf: Konkurrenzfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit
und ähnliches. Wenn ich das im Hinterkopf habe, dann organisiere ich primär institutionell etwas für
junge Burschen, denen ich diese Wettbewerbsfähigkeit und Wettkampffähigkeit zutraue. Ein typisches
Beispiel sind diese Technologiezentren, die gebaut werden, bei denen man sich vorstellen kann, das es
sich um eine Art Stierkampfarena handelt, wo sich die Jungunternehmer – um im Bild zu bleiben – diese
Wettbewerbsfähigkeit untereinander antrainieren können, und wo man auch eine relativ große
Infrastruktur herumbaut, um ihnen soziale Kompetenzen, Marketingkompetenzen, Vernetzungs-
kompetenzen und ähnliches anzutrainieren.
Und da gibt es relativ viele Frauen, die im Management dieser Zentren tätig sind, die sich um die
Bürodienstleistungen, Sozialdienstleistungen, Vernetzungen, Marketing und ähnliches kümmern. Soviel
zum Overhead. Es wird eine relativ teure Infrastruktur gebaut, um die technischen Kompetenzen durch
soziale Kompetenzen zu ergänzen. Die österreichischen Zentren, die ich kenne, haben mittlerweile irr-
sinnige Probleme damit, die Finanzmittel aufrecht zu erhalten. Es braucht hunderte EU-Projekte, um
den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Ein derart technologisches Verständnis von Innovation, bei dem es um Technologietransfer, Rapid-
Prototyping, Forschungs- und Entwicklungs-Transfer, Risikokapital geht, erfordert relativ teure
Strukturen. Auch die EU und die OECD kritisieren mittlerweile massiv dieses technologisch lineare
Verständnis von Innovation, das in vielen Ländern – und bei uns halt besonders – stark ausgeprägt ist
und sprechen davon, dass es nicht die zu geringen Forschungs- und Entwicklungsausgaben sind, die
unsere Innovationsfähigkeit behindern, sondern auch fehlende Designinnovation, fehlende
Organisationsinnovation, fehlende Marketinginnovation und ähnliches.
Der Tacit-Knowlege-Transfer, dass heißt die Weitergabe von informellem Wissen, erfolgt sehr häufig in
23
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
männerbündischen Zirkeln mit großen Zutrittsbarrieren und sehr oft auch mit enorm aufwendigen tech-
nologischen Mitteln. Da gibt es dann Videokonferenzsysteme, die zwischen den verschiedenen Partnern
aufgebaut werden. Es geht um internationale Wettbewerbsfähigkeit, um die Präsenz auf internationa-
len Messen und darum, dass internationale Unternehmen in die Regionen und in die Cluster kommen.
Es geht um Strukturwandel durch Hightech; da werden mit viel Aufwand Qualifizierungen aufgebaut. Es
geht um sehr stark technologisch organisierten, schnellen Wissenstransfer, um schnelle kompakte
Wissensvermittlung, Leitfäden und ähnliches.
Wie schon gesagt, es gibt natürlich auch Frauen, die als Geschäftsführerinnen in Clustermanagements
oder auch in Geschäftsführungen oder in Teilgeschäftsführungen von Technologiezentren arbeiten. Im
sozialen Management dieser technologischen Cluster und Einrichtungen arbeiten aber sehr wohl viele
Frauen. Doch Unternehmerinnen sind in diesen Zentren oder in diesen Vernetzungsformen kaum zu fin-
den. Bei unseren Untersuchungen in Österreich haben wir jedenfalls in den Technologiezentren und
Clusterinitiativen kaum Unternehmerinnen gefunden.
Was machen Frauen und Fraueninitiativen eigentlich anders? Dazu möchte hier plakativ ein Bild neben
das bereits Bekannte stellen.
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
Regionale Unternehmen
Globaler
Markt
Regionale Beschäftigte
? ? ? ? ?
? ? ? ?
? ? ?
? ? ? ?
? ?
Regionale Bevölkerung
24
Zum einen setzen Frauen an der unteren Ebene an. Sie arbeiten mit den Frauen, d.h. mit Frauen, die
wieder in den Beruf einsteigen oder mit Frauen, die gerade aus Berufen ausgestiegen sind. Sie versu-
chen dann, das Umfeld in ihre Beratungsprozesse einzubeziehen, um dadurch die Frauen in eine
Beschäftigung hinein zu bekommen. Das ist die klassische Arbeit in solchen Frauenprojekten. In letzter
Zeit wird auch sehr häufig mit regionalen Unternehmen zusammengearbeitet, in dem man versucht,
Praktika in den regionalen Unternehmen zu erhalten und mit ihnen Absprachen zu treffen. In den letz-
ten Jahren haben Frauen-Initiativen vor allem über territoriale Beschäftigungspakte und über EQUAL-
Pakte, auch auf regionaler Ebene sehr stark initiierend gewirkt. In Entwicklungspartnerschaften hat man
sich mit der Wirtschaft an einen Tisch gesetzt und sich Neues überlegt und versucht, Frauen oder auch
Mädchen in die neuen Kompetenzfelder hineinzubekommen. Spannend ist hier ein Ansatz, mit dem über
wirklich neue Berufe Mädchen angesprochen werden. Man versucht auch die Karrieren der Frauen in
diesen Betrieben und in den Kompetenzfeldern zu stärken. Und schließlich gibt es in den letzten Jahren
eben auch sehr viele Gründungsinitiativen und Unternehmensgründungen von Frauen, die verstärkt
unterstützt werden. Und ich finde es spannend, diese regionalen Klein-Unternehmen, die Frauen viel-
fach gründen, mit der regionalen Wirtschaft zu verknüpfen oder Frauen überhaupt zu Gründungen zu
animieren.
Und wenn Sie sich jetzt die beiden Grafiken anschauen, dann sehen Sie die Unterschiede in den
Ansätzen. Ich denke, beide Ansätze müssten sich in beiden Richtungen erweitern, um weiter voranzu-
kommen. So sollte die langfristige Internationalisierung von frauengeleiteten Unternehmen weiter
unterstützt werden. Auf der anderen Seite muss sich der traditionelle Kompetenzfeldansatz mehr
Gedanken darüber machen, wie das, was regional und gesellschaftspolitisch vorhanden ist, was an
Veränderungen da ist, besser aufgegriffen und integriert werden kann.
Mein Paradeprojekt, an dem ich diese Unterschiede entwickelt habe, ist übrigens kein Frauenprojekt,
sondern ein Projekt von zwei Männern, die als Geschäftsführer das Gründungsservicezentrum
Fürstenfeld gegründet haben. Sie haben sich nie als Regionalpolitiker verstanden, sondern immer als
Unternehmer. Und sie haben in ihrem Zentrum mittlerweile 50% Unternehmerinnen als Gründerinnen
involviert. Aber diese Grundcharakteristika finden sich in sehr vielen Frauenprojekten. Und doch war
das beste Beispiel wirklich dieses von Männern geleitete Zentrum, die wahrscheinlich zuvor wenig von
Regionalpolitik oder Regionalökonomie gehört hatten. Das Zentrum basiert auf einem anderen Bild von
Unternehmertum, dem eines weiblichen Unternehmertums. Wir wissen doch alle: Wir müssen sozial-
kompetent sein, wir müssen vernetzen können, mit Leuten kommunizieren und im Team arbeiten kön-
nen. Wenn man so ein Bild vom Unternehmertum im Hinterkopf hat, dann setzt man unter Umständen
nicht auf ganz junge, sondern auf lebenserfahrene Personen. Auch in Österreich ist es so, dass
Firmengründungen im Normalfall von nicht ganz jungen Leuten durchgeführt werden, bei Frauen noch
seltener als bei Männern. Um mehr Frauen zu inkludieren, müsste man stärker auf ältere Personen set-
zen. Sie haben ein systemischeres Verständnis von Innovation, es geht auch um gesellschaftliches
Wissen, um institutionelle Innovationen und vor allem auch um die Schaffung innovativer Märkte. Auch
in vielen EU- und OECD-Papieren wird mittlerweile immer wieder erwähnt, dass es auch um
Marktschaffung geht. Es geht nicht nur darum, Bestehendes aufzugreifen, sondern um Marktschaffung.
Und dazu müssen teilweise ganz andere Initiativen gewählt werden. Es geht um einen offenen
Wissensaustausch, bei dem Veranstaltungen kostengünstig allgemein zugänglich gemacht werden. Es
geht um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf der regionalen Ebene. Dazu muss man auch schon
„trendy“ sein, denn sonst kauft einem heutzutage auch im regionalen Kontext niemand etwas ab. Aber
man muss nicht einmalig sein, es müssen passende Produkte auf dem regionalen Markt sein. Und da
wird auch bereits viel Innovatives gemacht. Das heißt, man muss daran arbeiten, die Präsenz auf dem
und die Innovation für den regionalen Markt sicherzustellen. Dazu ist zu fragen: Wie kann ich regiona-
le Dynamiken auch gesellschaftspolitisch nutzen. Wie kann ich sie für weitere Initiativen nutzen? Wie
25
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
kann man die „Veralterungsprozesse“ der Bevölkerung für innovative Prozesse produktiv nutzen? Es
sollten maßgeschneiderte individuelle Qualifizierungen angeboten werden, und sei es auch für regiona-
le Unternehmen und regionale Bedarfe. Schließlich sollte auch ein selbstorganisierter Wissensaustausch
angegangen werden. Es geht in den Projekten immer auch darum, Gruppenprozesse und
Individualberatungen zu kombinieren. Wir haben einmal einen Gründungsworkshop für Frauen gemacht
und danach gefragt, welche Unterstützungen man aus Frauenperspektive braucht. Wir haben dann eine
lange Liste erstellt, zu der die Männer gesagt haben: „Das wollen wir aber auch alles.“ Derartige
Aktivitäten sollten weitergetrieben werden.
Zusammenfassend kann man zu den Wirkungen männlicher Kompetenzfeld- oder regionaler
Innovationspolitik sagen:
� Sie erreicht Frauen als Unternehmerinnen kaum.
� Sie schafft aber unter Umständen relativ viele, auch qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen.
� Es werden teilweise neue Berufsfelder für Frauen geschaffen.
Zu den Wirkungen einer weiblichen Kompetenzfeldpolitik lässt sich sagen:
� Sie erreicht Frauen als Unternehmerinnen sehr gut.
� Sie schafft nicht häufig viele gesicherte Arbeitsplätze für Frauen.
� Sie wirkt marginal auf die horizontale Segregation von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt.
Das heißt, dass eine Kombination von männlichen und weiblichen Markierungen der Kompetenz-
feldpolitik wichtig wäre. Ich kenne eine ganze Reihe von Projekten, wo solche Kombinationen stattge-
funden haben und die ganz erfolgreich waren. Es gibt z.B. eine Clusterinitiative in Kirchdorf in Steyr, die
versucht ein sozialwirtschaftliches Cluster aufzubauen. Da gibt es seitens der normalen Clusterpolitik
enorme Widerstände, dass diese Initiative überhaupt als Cluster bezeichnet wird. Das EQUAL-Projekt
muss jetzt umbenannt werden und darf nicht mehr unter Cluster geführt werden.
Für diese Frauenprojekt-Szene – ich nenne sie jetzt mal so – ist es wichtig und notwendig, dass solche
Projekte weiter laufen:
� Beschäftigungs-, Wiedereinstiegs-, Vereinbarungs- und Qualifizierungsprojekte.
� Auch die Projekte, die Frauen und ihre Karrieren stärken, also Mentoring-Projekte. Sie sind gut
gelaufen und haben ganz viel gebracht. Sie sind insofern wichtig, um sich später stärker auf das
Unternehmertum zu zentrieren. Denn Frauen müssen zuerst einmal eine gewisse
Karriereposition erreicht haben, bevor sie sich selbständig machen können.
� Zusätzlich wichtig sind Kooperationsprojekte mit den regionalen Unternehmen, die wirklich
regional sehr sensibel arbeiten und reagieren.
� Mehr sollte zum weiblichen „Entrepreneurship“ geschehen. Ich habe gestern gehört, dass es
auch ein Projekt gibt, dass die Unternehmensübernahme von Frauen betreut; solche
Projekte halte ich für ganz wichtig.
� Es sollten mehr Vernetzungsprojekte zwischen Unternehmerinnen und von Unternehmerin-
nen in die regionale Wirtschaft entstehen.
� Es sollten mehr Projekte entstehen, die sich auf die Produktivität von Beschäftigungs-
wechseln bei Frauen fokussieren. Im Normalfall wird ja in der innovationsorientierten
Regionalpolitik Beschäftigungswechsel als etwas sehr Positives gesehen, weil damit
Wissenstransfer zwischen Unternehmen erfolgt. Wir sollten dies ganz bewusst aufgreifen
26
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
und betonen, dass Mehrfachqualifizierungen und unter Umständen auch Beschäftigungswechsel
etwas Positives sind.
� Und schließlich Projekte, die explizit auf Diversity-Management setzen. Das ist übrigens ein Trend,
der von der EU und auch von den Finanzierungen der EU fokussiert wird.
Von der regionalen Wirtschaftspolitik sollten folgende Gesichtspunkte beachtet werden:
� Sie sollte ihr Bild von Unternehmensgründern ausweiten und auch bei erfahrenen Personen
ansetzen und nicht unbedingt bei den 20-jährigen.
� Sie sollte Innovationsprozesse in allen Unternehmen fördern.
� Sie sollte Mikrounternehmen, also Klein- und Kleinstunternehmen fördern: Ich kenne Beispiele,
wo dies erfolgreich geschieht. Bestehende auch nicht-technologische Unternehmen sollten
gefördert werden und die Mikrounternehmen sollten stärker in die Vernetzungen einbezogen
werden. So hat sich zum Beispiel herausgestellt, wie positiv es ist, den Leuten eine regionale
Datenbank von allen Unternehmen in der Region zugänglich zu machen. Sie hilft dabei,
Produkte den regionalen Unternehmen präsentieren zu können. Das sind kleine, einzelne
Schritte, die aber wichtig sind.
� Es braucht einen erweiterten systemischen Innovationsbegriff. In der Steiermark wollten sie ein
Sicherheitscluster um das Schlagwort „Sicheres Eigenheim“ herum aufbauen. Es stellte sich her-
aus, dass die Regionalpolitiker beim sicheren Eigenheim an Technologiefirmen, die Laserstrahl-
fenster produzieren, denken. Und wir denken bei sicherem Eigenheim an Kindersicherheit,
Altengerechtigkeit, Gewaltfreiheit für Frauen und ähnliches. Da kann man einiges miteinander
kombinieren.
� Es geht um einen offenen Wissenstransfer. Ich habe in der Steiermark spannende Dinge erlebt.
Sie haben dort ihre Vernetzung über Videokonferenzsysteme zwischen den regionalen
Innovationszentren aufgebaut und sie dann dazu genutzt, um Vorlesungen, Vorträge in die
Regionen zu überspielen. Bei einer Konferenz war ich dabei und habe gesehen, wie vor allem
ältere Frauen auf der regionalen Ebene Diskussionen über Postmodernismus führten. Es war toll
zu sehen, was so etwas auslösen kann.
� Auch im nicht-technologischen Bereich sollte auf hohe qualitative Nachfrage vor Ort geachtet
werden. Auch die EU achtet auf eine qualitative Nachfrage der öffentlichen Hand – aber nicht
nur im technologischen Bereich, sondern auch in den anderen Bereichen.
� Die Innovationsprozesse sollten stärker an die regionalen Dynamiken im gesellschaftlichen
Bereich angebunden werden. Wir wissen alle, wie wenig ältere Leute Handys bedienen können.
Also wir können nacharbeiten. Qualitative regionale Nachfrage ist ein ganz wesentliches
Kriterium für Wettbewerbsfähigkeit.
Ich wünsche Ihnen für Ihr Projekt weiterhin alles Gute. Wie ich gehört habe, passiert in Deutschland,
zumindest in NRW, einiges. Und da wünsche ich Ihnen viel Glück bei der Inkludierung von Aspekten,
die Ihnen wichtig sind. Danke.
Beifall
Christiane Poertgen: Danke Ihnen, Frau Aufhauser. Ich schlage vor, dass wir jetzt noch eine ganz kurze
Fragerunde machen und Herr Noll, da Sie ja in wenigen Minuten gehen müssen, darf ich Sie fragen:
Was ist hängen geblieben, was können Sie mitnehmen?
Wulf Noll: Da ist schon eine ganze Menge hängen geblieben. Nur habe ich mit der Position ein gewis-
27
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
ses Problem. Ich teile die Kritik an dem Rollenverständnis, das Sie dargestellt haben. Ich sehe auch die
Probleme, die Sie in den einzelnen Politikfeldern der Strukturpolitik darstellen, z.B. der
Gründungspolitik. Da sind wir in NRW in solchen Feldern sicherlich auch schon ein gutes Stück vorwärts
gekommen. Es ist alles zwar noch nicht Gold, was da glänzt, da muss noch einiges gemacht werden.
Nun bin ich mit der Überlegung hierher gekommen, wie man den Aspekt Gender-Mainstreaming bei der
Kompetenzfeldpolitik stärker verankern kann. Und bei uns sieht das so aus, dass Strukturpolitik in
bestimmte Rollen zerfällt: Qualifizierung, Gründung, Aus- und Ansiedlungswerbung, Messebeteiligung,
usw. Und die ganze Nachricht der Cluster-Politik besagt ja eigentlich nur, einen Teil dieser ganzen
Instrumente auf ein bestimmtes jeweiliges Clusterfeld zu konzentrieren. Es geht eigentlich nur um die
Konzentration vorhandener Mittel und vorhandener Instrumente. Aus Ihrem Vortrag erschließt sich für
mich noch nicht, worin denn das Cluster-Problem besteht. Sicher schlägt sich so ein Rollenverständnis,
wie Sie es darstellen, auch in den Netzwerken nieder, die dann hinter einem Cluster stehen. Das ist eine
Selbstverständlichkeit. Aber das ist nicht das grundsätzliche Problem von Clusterpolitik. Das grundsätz-
liche Problem ist viel breiter angelegt, es schlägt sich nur in gewisser Hinsicht in der Clusterpolitik nie-
der. Ich kann deshalb nicht den Umkehrschluss ziehen und versuchen mit Clusterpolitik das Feld von
hinten aufzuräumen. Das habe ich noch nicht richtig mitbekommen.
Elisabeth Aufhauser: Ich denke, diese Spezialisierungstendenz ist nicht unbe-
dingt förderlich für die Inkludierung von Frauen als Unternehmerinnen. Wenn
ich es jetzt mal die zentrale Ebene der Clusterpolitik betrachte, die
Unternehmen, dann ist eine Fokussierung auf bestimmte Felder und bestimm-
te Branchen sehr eng definiert und mit einem Gender Mainstreaming nicht
leicht zu vereinbaren. Das funktioniert so nicht, das ist ein völlig anderes
Denkmuster. Wenn ich bei der Ansiedlungspolitik auf Unternehmen setze, die
flächenintensiv ausweiten, dann erhalte ich keine oder wenige von Frauen
geführte Unternehmen. Bei der Beschäftigungszentrierung und bei der Entwicklung von neuen
Berufsfeldern kann eine Cluster-Politik dann für die Frauen sehr viel bringen. Die Frage ist immer, wel-
che Cluster nehme ich und wie clustere ich. Auch eine inhaltliche Aufweichung von Cluster hat sich als
schwierig erwiesen. Sie bleiben stark technologiezentriert. Sie definieren zwar z.B. Energie als
Ressource und sehr offen, also auch im Sinne von Lebensenergie und so was, aber die Förderungen
zentrieren sich letztlich doch wieder sehr stark auf Technologie. Bei dieser Sicherheitskonzeptdiskussion
in der Steiermark haben wir deshalb auch gesagt, dass Altengerechtigkeit im Eigenheim momentan
nicht zentral ist. Das ist etwas, was ich unterschätzt habe. Es ist schwierig, die gesellschaftliche Seite
in die Innovationsaktivitäten zu integrieren. Das wäre aber notwendig.
Teilnehmerin: Im Bereich Qualifizierung wird viel über interkulturelle Qualifizierung gesprochen, die
auch auf der Management-Ebene betrieben wird. Ich sehe dabei aber kulturelle und Traditionsgrenzen.
Wir haben in Gladbeck einen Betrieb, der ist auch Global-Player, der schickt keine Frauen ins Ausland,
weil in Japan Frauen nicht gut ankommen. Dort geht man abends zu einer Geisha, was soll die Frau
dann machen? Also, es gibt kulturelle, traditionelle, religiöse Grenzen, um im Global-Player-Betrieb als
Frau erfolgreich zu sein. Das finde ich entsetzlich, aber das ist so. Ich weiß da keine Lösung.
Elisabeth Aufhauser: Es gibt erfolgreiche globale Playerinnen, aber dass diese für die Firma im Ausland
verhandeln ist nicht das Übliche.
Teilnehmerin: Meine Frage geht in Richtung Berufsorientierung. Was wird in Österreich getan, um die
Jungen und Mädchen auf eine sinnvolle und gute Berufswahl vorzubereiten? Vielleicht können wir ja
davon lernen.
Elisabeth Aufhauser: Die Berufsorientierung in Österreich wird in unterschiedlichem Ausmaß von unter-
28
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
Elisabeth Aufhauser
schiedlichen Lehrern in unterschiedlicher Qualität wahrgenommen. Es gibt natürlich auch Diskussionen,
dass man die Wahl geschlechterspezifisch aufbricht und ausweitet. Es gibt einige tolle Einrichtungen in
Österreich, die eine spezifische Berufsorientierung für Mädchen anbieten. Aber die traditionelle
Berufswahl, die mit 14 Jahren stattfindet, wird nicht aufgebrochen. In Österreich finden die Berufswahl-
prozesse vor allem im Alter von 14 Jahren statt. Dann wird entschieden: Gehe ich in einen Lehrbetrieb
oder gehe ich in eine weiterführende Schule. Und der berufsbildende mittlere Sektor ist ganz klar
geschlechtsspezifisch in Berufe für Frauen und technische Berufe für Männer geordnet. Und mit 14
Jahren ist es schwierig, sich nicht geschlechterspezifisch zu entscheiden. Da spielen die Peer-Groups
eine sehr große Rolle. Und die wenigen Frauen, die vorher auf einer technischen höheren Schule waren,
studieren dann trotzdem Sozialwissenschaften. Dieses Problem haben wir. Und wir haben auch auf den
Universitäten keine stark steigenden Technikerinnenquoten. Ich kenne eine Studie, die herausfand, dass
Mädchen mit 10 Jahren ihre technischen Qualifikationen noch für gut halten und sich vorstellen können
in alle möglichen Berufe zu gehen. Mit 14 oder 15 Jahren werden sie kanalisiert auf das Bestehende.
Solange diese Entscheidungen mit 14 oder 15 Jahren fallen, ist es sehr schwierig, bei der Berufswahl
wirklich was umzustellen oder umzudirigieren. Ich glaube, das gelingt bei 16- oder 17-Jährigen ein biss-
chen besser.
Christiane Poertgen: Vielen Dank, Frau Aufhauser.
29
Ass. Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser - Vortrag und Diskussion
Wie kann Geschlechtergerechtigkeit in den Kompetenzfeldansatz integriertwerden?
Vortrag von Mechthild Kopel, Beraterin für Chancengleichheit in Unternehmen, wert.arbeit GmbH
Christiane Poertgen: Mechthild Kopel wird nun über Leuna-Bitterfeld sprechen. Hat man dort früh-
zeitig durch die Gender-Brille geschaut?
Mechthild Kopel: Leuna-Bitterfeld liegt bei Leipzig und ist eine aufstrebende Stadt.3 Leuna-Bitterfeld
ist von Leipzig genauso weit entfernt wie Recklinghausen von Düsseldorf. Man hat dort nicht von
Beginn an auf die Gender-Perspektive geschaut. Und das ist auch ein
Punkt, den wir in der Diskussion aufgreifen müssen. Was heißt das über-
haupt, wenn wir Gender-Aspekte in die Kompetenzfeldpolitik integrieren
wollen? Glauben wir wirklich, dass wir mit der Formulierung, „jetzt muss
Kompetenzfeldpolitik gegendert werden“ weiterkommen? Ich glaube das
nicht. Ich glaube, wir müssen uns noch einmal die Kompetenzen und die
Potenziale anschauen, die aus der Frauenpolitik kommen und die wir in die
Kompetenzfeldpolitik einbringen können.
Christiane Poertgen: Ich würde gern noch einen Schritt zurückgehen. Sie
sagen, Geschlechtergerechtigkeit in die Wirtschafts- und Strukturpolitik zu integrieren ist eine alte
Forderung mit viel zu wenig Breitenwirkung. Woran liegt das denn, dass diese Breitenwirkung nicht
vorhanden ist, obwohl das Thema schon so lange ein Thema ist?
Mechthild Kopel: Das hängt damit zusammen, dass es zwei unterschiedliche Kulturen gibt. Es gibt
eine Kultur der Frauen- und Gleichstellungspolitik, die hat ihrerseits heftige Berührungsängste mit
der Wirtschaftspolitik, und es gibt eine Kultur der Wirtschaftspolitik, die ihrerseits für ihre
Clusterpolitik in der Frauenpolitik kaum Kompetenzen vermutet.
Christiane Poertgen: Erzählen Sie uns, was Sie beruflich machen?
Mechthild Kopel: Ich bin seit ungefähr dreizehn Jahren Beraterin für Unternehmen zum Thema
Chancengleichheitspolitik und berate auch Behörden und Ministerien. Ich war bis vor fünf Jahren
bei einem Unternehmen im Ruhrgebiet ansässig, seitdem mache ich meine Tätigkeiten in Berlin
unter dem Label wert.arbeit GmbH – Gesellschaft für Arbeit Chancengleichheit und Innovation.
Christiane Poertgen: Dann lassen Sie uns teilhaben an Ihren Überlegungen zu Leuna-Bitterfeld und
dem Chemiestandort.
Mechthild Kopel: Ich werde nicht nur, aber auch, über Leuna-Bitterfeld reden. Ich soll hier ja zum
Thema sprechen, wie Geschlechtergerechtigkeit in den Kompetenzfeldansatz integriert werden
kann. Beim Nachdenken darüber habe ich mich gefragt, ob wir diese Frage deshalb nicht beant-
worten können, weil wir nicht wissen, warum es so wenig gelingt. Wenn ich an den Verlauf der
Diskussion von heute Vormittag denke, dann wälze ich einen Punkt hin und her: Warum reden wir,
wenn wir über die Integration von Geschlechteraspekten in die Kompetenzfeldpolitik reden, immer
über Frauen, warum reden wir nicht über die Politikelemente von Kompetenzfeldpolitik? Warum
30
Mechthild Kopel - Vortrag
3 Anm. d. Red.: Leuna hat im 20. Jahrhundert mit Gründung der Leunawerke im Jahre 1916 Industriegeschichtegeschrieben.
Mechthild Kopel
sagen wir immer Gender Mainstreaming und Kompetenzfeldpolitik? Warum sagen wir eigentlich
nicht, wir wollen verbesserte Vertriebswege der Unternehmen, damit sie ihre Produkte und
Dienstleistungen auf den Markt bringen und die Vertriebswege so gestalten können, dass Frauen
und Männer gleichermaßen davon profitieren können.
Ich will zu Beginn deutlich sagen, dass wir uns auch Gedanken dazu machen müssen, wie wir uns
mit unserem Anspruch von Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterperspektiven in diesem
Politikfeld bewegen. Und ich will auch sehr deutlich sagen: Nach wie vor ist Wirtschaftspolitik und
Frauenpolitik kulturell und von den Akteuren her betrachtet ein ungleiches Paar. In der
Wirtschaftspolitik wird kaum vermutet, dass es in der Frauenpolitik Know-How für die Gestaltung
gibt. Deswegen muss man sagen, dass Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeldpolitik zu inte-
grieren vor allem eine Anforderung an die Frauen- und Gleichstellungspolitik ist und es muss auch
dort Veränderungsprozesse geben. Es geht nicht nur um Anforderungen an die Wirtschaftspolitik,
sondern auch an die Frauenpolitik. Ich habe schon gesagt, dass Geschlechtergerechtigkeit eine alte
Forderung ist und nicht zuletzt sind auch hier in der Region Emscher-Lippe dazu erste Gehversuche
gemacht worden. Es gab z.B. einen sehr umfangreichen, nach Geschlecht differenzierten
Datenstrukturenatlas zur Region Emscher-Lippe. In dem Punkt, dass es für Entwicklungsprozesse
geschlechtsspezifische Daten braucht, sind wir in den letzten Jahren ein ganzes Stück weiterge-
kommen. Es ist nicht mehr so, dass wir in unserer Gesellschaft für bestimmte Felder nicht das
Know-How, nicht die Daten, nicht die Erkenntnisse nach Geschlecht differenziert hätten. Das ist so.
Wir sind aber zwischen den Akteuren und Akteurinnen der Frauen- und Wirtschaftspolitik noch
nicht zusammengekommen. Dabei gibt es auf der Unternehmensebene schon mehr
Verbindungslinien und Schnittflächen zur Frauenpolitik als immer angenommen wird.
Ich will mal ein kurzes Beispiel aus dem Daimler-Chrysler Konzern aus Berlin nennen. Dort gibt es
in der Personalabteilung eine Frau, die für die Personalentwicklung zuständig ist. Sie hat vor eini-
ger Zeit versucht, sich an einem Samstag in Berlin ein Auto zu kaufen und ist natürlich zur
Daimler-Chrysler-Niederlassung gegangen. Dort hat der Verkäufer ihr dann gesagt, sie könnte ja
vielleicht nächste Woche mit ihrem Mann wiederkommen. Da hat er natürlich gleich die Richtige
getroffen, die ihrerseits daraus Konsequenzen gezogen hat und unternehmensintern auf eine
Erhöhung der Anzahl von Frauen in Verkauf und Vertrieb gedrängt hat. Das heißt, von
Unternehmensebene her wird die Nachfrageseite, also die Kundenseite durchaus betrachtet, und
es werden auch Veränderungsprozesse auf den Weg gebracht.
Bei den Akteuren der Wirtschaftspolitik steht immer die internationale Wettbewerbsfähigkeit im
Mittelpunkt. Die Frage, wie man auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähiger werden kann,
wenn man die Potentiale von Frauen, und die Erkenntnisse aus der Frauenpolitik einbezieht, ist
meines Wissens in der Wirtschaftspolitik so noch nicht gestellt worden; doch sie muss gestellt wer-
den. Und diese Frage zu stellen, ist auch eine Aufgabe der Frauenpolitik. Wir behaupten ja, Gender
Mainstreaming eröffnet eine Erweiterung der Perspektiven für alle Akteurinnen und Akteure. Dann
müssen wir auch fragen, was heißt das für die Frauenpolitik? Was müssen wir dazu in den Blick
nehmen?
Im vorangegangenen Beitrag ging es aus der österreichischen Perspektive um das Gründungs-
verhalten und um Gründungsprozesse. Wenn wir beispielsweise innerhalb des Kompetenzfelds
Gesundheitswirtschaft auch die Geschlechterperspektive umsetzen wollen, dann heißt das, wir
müssen die Situation beider Geschlechter in diesem Bereich betrachten und danach fragen, wie
beide Geschlechter von den weiteren Prozessen profitieren können. Doch da dürfen wir nicht ste-
hen bleiben, wenn es um die Integration der Geschlechterperspektive geht, sondern wir müssen
31
Mechthild Kopel - Vortrag
auch danach schauen, wie wir bestimmte Cluster zukunftsfähig machen können. Das heißt,
wir müssen die Beschäftigten im Bereich der Gesundheitswirtschaft so sensibilisieren und mobili-
sieren, dass sie die Forschungserkenntnisse aus dem Bereich Medizintechnik auch in ihren Alltag
integrieren können. Ich will damit sagen, wir müssen auch Anforderungen an die Beschäftigten
stellen. Wir müssen uns auch damit auseinandersetzen, was die Beschäftigten tun müssen, um die
Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Wenn wir Geschlechterperspektiven in die Clusterpolitik
integrieren wollen, dann müssen wir uns auch mit den entscheidenden Institutionen dieser Politik
auseinandersetzen und nicht nur mit der Situation von Frauen. Deswegen bin ich skeptisch, ob
Frauenprojekte auf jeden Fall weitergeführt werden sollen. Natürlich sollen Frauenprojekte
weitergeführt werden, aber wir müssen schon danach fragen, welchen Stellenwert frauenspezifi-
sche Projekte in der Entwicklung der Kompetenzfeldpolitik haben. Das ist ganz wichtig. Wenn wir
nicht sagen, wir qualifizieren bestimmte Gruppen aus der Gesundheitswirtschaft in technologischen
Fragen der Medizintechnik, dann kommen wir keinen Schritt weiter. Das heißt, wir können nicht
einfach sagen, die Prozesse müssen gegendert werden, sondern wir müssen auch sagen, wie wir
das ganz konkret bezogen auf welches Kompetenzfeld machen können, wo es Institutionen und
Personen in der Gestaltung der Kompetenzfeldpolitik gibt. Für Emscher-Lippe heißt das vielleicht,
wo sind denn interessante Menschen, die im Kompetenzfeld Chemie an der Entwicklung der
Fragestellung Chancengleichheitspolitik und Geschlechterperspektive mitwirken können.
Ich sehe ein großes Problem darin, dass wir auf der oberflächlichen Ebene stehen bleiben und nur
sagen, Gender Mainstreaming muss eine Rolle spielen. Das wird nicht gehen. Das funktioniert
genauso wenig wie die Behauptung, dass Chancengleichheitspolitik den Unternehmen Vorteile bie-
tet. Das haben wir alle schon mal gehört, das glaubt keiner und zum Handlungserfordernis wird es
auch nicht. In den Unternehmen entstehen die Handlungserfordernisse nicht aus einem
Forderungskatalog, sondern daraus, dass die Geschäftsprozesse optimiert werden. Und da gibt es
aus verschiedenen Projekten der letzten Jahre und aus vielen Studien von Hochschulen
Erkenntnisse, die in die Kompetenzfeldpolitik integriert werden müssen.
Ein starkes Schlagwort in der Gestaltung der Kompetenzfeldpolitik ist: die Stärken stärken. Wir
haben wie nie zuvor eine Generation von gut ausgebildeten Frauen. Wo ist der Beitrag in den
Regionen und in den Kompetenzfeldern, der genau sagt, worin die Stärken der Frauen liegen? Das
ist auch Aufgabe des Landes. Es darf nicht nur abwarten, was die Unternehmen wollen, dass man
also auf Unternehmensanfragen reagiert. Wenn ein Land wie NRW sagt: Wir wollen eine
Kompetenzfeldpolitik stärken, dann kann es auch sagen, wir brauchen für jedes dieser
Kompetenzfelder eine Studie, um die Beschäftigungspotentiale von Frauen, die wir stärken wollen,
herauszuarbeiten. Das dürfte kein so großes Problem sein. Der Staat ist ja nicht nur verpflichtet,
eine effiziente Clusterpolitik zu machen, sondern er ist ebenso dem gesellschaftspolitischen Ziel
der Chancengleichheit für Frauen und Männer verpflichtet. Aber – um das noch mal zu unterstrei-
chen – wir müssen uns auch mit den Politikelementen und mit den verschiedenen Punkten der
Clusterpolitik auseinandersetzen und nicht nur mit dem Leben, Leiden und Jammertal der Frauen.
Existenzgründung ist ein zentrales Element auch der Clusterpolitik. Wenn es ein Cluster Gesund-
heitswirtschaft gibt, warum gibt es eigentlich, keine Landesinitiative zur Existenzgründung von
Frauen im Bereich der Gesundheitswirtschaft? Warum sagen wir nur, Frauen sollen eine Existenz
gründen. Wir wissen doch, dass eine Existenz sicherer ist, wenn sie in einem regionalen
Wirtschaftszusammenhang mit einer Zukunftsperspektive liegt. Warum sagen wir nicht, dass wir
Existenzgründungen von Frauen im Schwerpunkt Gesundheitswirtschaft wollen, damit wir nicht das
tausendste Nagelstudio erhalten und die Gefährdung bei den Frauen nicht so groß ist. Da müssen
wir schauen, wie man die Instrumente, die man aus dem Bereich Gleichstellung von Frauen kennt
32
Mechthild Kopel - Vortrag
in die Clusterpolitik integrieren kann. Aber wenn wir wirklich Gender-Prozesse in der Clusterpolitik
wollen, dann bleibt es uns nicht erspart, jeweils die mikropolitische Ebene der entscheidenden
Cluster zu untersuchen. Und uns bleibt es nicht erspart zu sagen, wie die Situation von weiblichen
Ingenieuren im Bereich Chemie ist. Wer bildet aus, was ist das Interesse, und und und? Welche
Bereiche der Chemie sind für die Wirtschaft zukunftsfähig? Wer könnte aus einer Region wie
Emscher-Lippe daran mitwirken, dass Ingenieurinnen im Bereich Chemie besser zum Tragen kom-
men? Diese Fragen müssen wir uns stellen.
Das heißt, wir müssen uns einen Kopf darum machen, wie wir im Vorfeld oder im Zuge dieser
Kompetenzfeldpolitik über Studien, über beteiligungsorientiertes Vorgehen mit bestimmten
Workshops, die Potentiale heben und sagen, das ist ein möglicher Weg. Und ich kann an dieser
Stelle schon mal sagen, dass wir uns auf klar und deutlich ausgewählte Punkte festlegen müssen.
Es ist sinnvoller, sich zu konzentrieren und nicht so zu tun, als könnten wir alles lösen. Vielleicht
ist es in der Emscher-Lippe-Region besser, den Anteil weiblicher Ingenieurinnen in den
Unternehmen XYZ zu erhöhen oder für Frauen und Männer in Leitungspositionen bessere
Möglichkeiten der Vereinbarkeit zu schaffen. Darauf müssen dann die Schritte aufbauen.
Wir haben bei der Umsetzung des Gender Mainstreaming nicht genügend Mut, uns auf bestimmte
Sachen festzulegen. Und das hat für Gender Mainstreaming ganz verheerende Wirkungen, denn die
Forderung bleibt sonst oberflächlich und kann dann auch verschwinden. Das gilt auch für die
Projekte, die vom Land gefördert werden. Wir sind sehr schnell zufrieden, wenn im Formblatt für
die Bewilligung bestimmter Maßnahmen der Aspekt der Chancengleichheit enthalten ist und die
Projektträger dann einfach ankreuzen können, dass sie dies berücksichtigen werden. Und dann
glauben wir, dass das dann so ist. Doch das ist nicht so. Denn mittlerweile bewegen sich viele auf
diesem Terrain und kreuzen durchaus das Richtige an, damit das Projekt bewilligt wird. Aber
dadurch wird in der Regel noch nichts umgesetzt. Für die Geschlechterperspektive in der
Kompetenzfeldpolitik sollten wir meines Erachtens den Mut zu einer Festlegung auf bestimmte
Bereiche haben, z.B. Chancengleichheit in mittleren Führungspositionen oder darauf, dass in den
Projekten bessere Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Geschlechtergleichheit geschaffen
werden. Doch wir sollten nicht versuchen, alles auf einmal zu fordern. Gender Mainstreaming erfor-
dert als Innovationsprozess eine so umfangreiche Umsetzung, die sich innerhalb von kurzer Zeit
nicht regeln lässt. Diese Geduld müssen wir in der Frauenpolitik aufbringen.
Wichtig ist aber, dass wir auch die Anforderung an die Landespolitik stellen, im Kompetenzfeld-
management in jedem Cluster die Fragen der Geschlechterperspektiven zu integrieren. Das heißt,
jede Clustermanagementgruppe sollte mindestens eine Beratung dazu und eine Unterstützung
dabei bekommen, in welcher Funktion oder in welcher Strecke der Geschlechterperspektive in
ihrem Kompetenzfeld angegangen werden soll. Und da wünsche ich mir, dass wir da bundesweit
und auch in NRW klare Zielvorgaben haben. Was spricht dagegen, wenn es im Clustermanagement
z.B. für das Cluster Gesundheitswirtschaft im Ruhrgebiet eine Zielvereinbarung gibt, die klare
Punkte beinhaltet, wie im Bereich der Gesundheitswirtschaft der Aspekt Geschlechter- oder
Chancengleichheit für beide Geschlechter umgesetzt werden kann? Das sollte keine Larifari-
Zielvereinbarung sein, sondern sehr klar festlegen: Wir wollen, dass im mittleren Management
mehr weibliche Personen auch von technologischen Entwicklungsprozessen profitieren, deswegen
wollen wir diese Personen qualifizieren. Ich glaube, da muss man klare Vereinbarungen, klare Ziele
und Maßnahmen treffen, um voran zu kommen.
Ich komme jetzt zu Leuna. Beim ehemaligen Chemiestandort Leuna existieren auf einer
Riesenfläche4 über hundert Unternehmen mit 9000 Beschäftigten. Die machen seit Jahren eine
33
Mechthild Kopel - Vortrag
4 Anm. d. Red.: Das Territorium des Chemiestandortes Leuna umfasst eine Fläche von 1.300 ha.
Clusterpolitik oder ein Kompetenzfeldmanagement in sehr verschiedenen Bereichen – wie das
üblich ist. Dieser Aspekt ist mir bisher noch ein bisschen zu kurz gekommen: Es geht in der
Clusterpolitik nicht nur immer um Wettbewerbsfähigkeit, sondern im konkreten Cluster geht es um
Infrastrukturpolitik, geht es um Umweltschutz, Flächensanierung, es geht um Personalentwicklung,
es geht aber auch um Finanzierung und Unterstützung von Finanzierungen, also um die Frage, wie
man welche Darlehen bekommt usw. Und alle diese verschiedenen Elemente von Clusterpolitik sind
von uns zu analysieren, um zu sehen, wie wir einzelne Aspekte einfügen können, damit Frauen und
Männer gleichermaßen Chancen haben z.B. in dem Chemiecluster in Leuna-Bitterfeld.
Am Standort Leuna-Bitterfeld gibt es seit Jahren ein Betriebsrätenetzwerk, das sich um die
Standortentwicklung bemüht. Das ist ein konstruktiver Dialog von Betriebsräten mit dem
Management, einschließlich der Marketing-Abteilung, die sich alle ihr Interesse an der weiteren
Entwicklung des Standortes tagtäglich neu bescheinigen. Ich betone deshalb, dass es ein offener
und konstruktiver Dialog ist und dass es ein gemeinsames Interesse von Unternehmensleitung und
Betriebsräten gibt, weil mir z.B. der Betriebsrat sehr deutlich gesagt hat, dass diese
Zusammenarbeit weder von der Wirtschaftspolitik im Land auf- und ernst genommen wird, noch
die entsprechende Unterstützung aus den Gewerkschaften kommt. In Leuna laufen diese Prozesse
sehr unternehmensnah und standortbezogen, und die Politik nimmt das gar nicht so auf. Das heißt,
es gibt oft wesentlich weitere Entwicklungsprozesse, auch für die Integration der
Geschlechterperspektive, wenn wir mit Verbandsvertretern von Politik reden. Es ist auch wichtig
nach Verbündeten zu suchen und nicht zu glauben, dass das sowieso nicht funktionieren kann. Das
kennen wir ja auch vom Thema Chancengleichheitspolitik in Unternehmen. Wir haben mehrfach
sehr deutlich erlebt, dass da die Unternehmen weiter sind als die Verbandsvertreter.
Doch zurück zu Leuna. In dem Dialog mit Betriebsräten, Unternehmensleitung und Marketing-
Abteilung, gab es eine lange und ausführliche Debatte um das Thema Personalrekrutierung und
Personalbindung. Leuna liegt ganz weit ab5 und ist natürlich für viele kein attraktiver Wohnort,
schon gar nicht für die Besten der besten Ingenieure und Ingenieurinnen, die sie haben wollen.
Das war der Aufhänger dafür, im Sinne von weichen Standortfaktoren etwas tun, damit sie die
Besten der Besten bekommen und auch junge Ingenieurinnen bekommen. Und dann haben sie
festgestellt, dass sie im Moment noch gar nichts zu der Frage machen, wie eigentlich ihre
Beschäftigten, und das sind fast 9000 Personen, überhaupt „Work Life“ leben können? Zwischen
Leipzig und Leuna liegen 90 km und die Unternehmensanforderungen nach Arbeitszeit-
flexibilisierung wachsen permanent. Da ist es für viele nicht mehr möglich, den Anforderungen der
Unternehmen und ihren eigenen Vorstellungen von Leben zu entsprechen. Also wechseln diese
Personen den Arbeitsplatz. Das war eine bittere Pille für viele Unternehmen am Standort Leuna und
man hat gesagt: Wir wollen jetzt was tun, um diesen weichen Standortfaktor im Rahmen unserer
Kompetenzfeldpolitik – die anderen Sachen machen sie natürlich auch – weiter zu forcieren und
darüber eine stärkere Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu erreichen. Es gab dann
lange Debatten in diesen Zirkeln, es gab eine Befragung der Beschäftigten in den Unternehmen,
an der sich insgesamt 15 Unternehmen beteiligt haben. Das heißt, dieser weiche Standortfaktor
wurde von Unternehmensseite und der Betriebsseite sehr ernst genommen. Ich will jetzt nicht die
einzelnen Ergebnisse vorstellen, sondern nur ganz deutlich sagen, dass dies ein integraler
Bestandteil im Rahmen dieser Kompetenzfeldpolitik ist. Es ist kein Frauenprojekt, das von einer
„Regionalstelle“ gemacht wurde, sondern Träger dieses Prozesses sind die Akteure in den
Unternehmen. Sie sehen das als ein Teil zur Optimierung ihrer Entwicklungsprozesse. Hier kann
man nicht sagen: „Jetzt machen die auch ein bisschen auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“
Das ist nicht ihre Sichtweise und ihre Perspektive. Ihre Sichtweise und Perspektive ist, dass wenn
34
Mechthild Kopel - Vortrag
5 Anm. d. Red.: Leuna liegt in Mitteldeutschland, in Sachsen-Anhalt.
sie die Besten der Besten haben wollen, sie den Beschäftigten etwas bieten müssen. Sie brauchen
auf Dauer zufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die auch den flexiblen Anforderungen der
Unternehmen gerecht werden können. Deshalb machen sie sich auf den Weg und schauen, was sie
zum Thema „Work Life Balance“ tun können. Und die Befragung hat deutlich gezeigt, dass
Ansprüche nicht nur von Frauen mit kleinen Kindern, denen das Thema ja so gerne zugeschoben
wird, formuliert werden. Die Ansprüche werden – nach Geschlecht gleich verteilt – von Männern
und Frauen in der Altersgruppe gerade zwischen 30 und 40 formuliert, die sagen: „Wir wollen da
Veränderungen und wir erwarten auch von Unternehmen, dass da was getan wird.“ Man kann auf
der Internetseite vom Chemiestandort Leuna6 auch nachlesen, dass dies nicht von dem Referat
Chancengleichheitspolitik, sondern von der Marketing-Abteilung als ein zentraler Punkt kommuni-
ziert und angegangen wird. „Work Life Balance“ ist ein Baustein innerhalb der Kompetenzfeldpolitik
in Leuna-Bitterfeld gewesen.
Der nächste Baustein in diesem Standortentwicklungskonzept befasst sich mit der Frage der
Rekrutierungsstrategie, also der Frage, wie junge Frauen und junge Männer gleichermaßen aus den
Fachhochschulen und Hochschulen angesprochen werden können. Über solche Rekrutierungs-
strategien gibt es Literatur, in der man nachlesen kann, z.B. mit welchen Bildern junge Frauen
besonders angesprochen werden können. Aber bei den Unternehmen und bei den Entscheidungs-
trägern in den Unternehmen ist diese Lektüre nicht vorhanden. Diese Literatur schlummert in den
Regalen der Frauenpolitik und muss zu den Entscheidungsträgerinnen in den Unternehmen trans-
portiert werden. Das heißt, dass wir die Informationen so aufbereiten müssen, dass sie in die
Geschäfte der Unternehmen zu integrieren sind. Wir kommen keinen Millimeter weiter, wenn wir
sagen: „Ihr müsst auch die Frauen berücksichtigen.“ Wir können ihnen aber sagen, was die
Chancengleichheitspolitik und Frauenpolitik der letzten Jahre zu bieten hat. Wir können ihnen das
Know-How so aufbereiten, dass es anwendbar und praxistauglich für Geschäftsprozesse in
Unternehmen ist. Denn wir wissen ja, dass und wie man Anzeigen anders gestalten kann, wie man
Ansprachekonzepte anders gestaltet. Und das trifft durchaus auf offene Ohren, weil es auch zur
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit führt. Denn die Motivation ist die Verbesserung der
Geschäftsprozesse. Das ist die einzige Motivation, die zählt und nicht der Anspruch auf
Gleichstellung. Das heißt, wir müssen, wenn es um Kompetenzfeldpolitik und Geschlechtergerech-
tigkeit geht, all die Informationen, all das Wissen, das in der Frauen- und Chancengleichheitspolitik
aufbereitet ist, durchleuchten, um es praxistauglich für unternehmerische Strategien zu machen.
Und da gibt es eine ganze Menge. Ich wähle noch einmal das Beispiel aus der Gesundheitswirt-
schaft. Wir haben eine ganze Reihe Studiengänge in der Bundesrepublik, die sich z.B. mit
Pharmazie und Gesundheit von Frauen und Männern beschäftigen. Diese Informationen, welche
Krankheiten Frauen bekommen, wie Frauen krank werden, welche Medikamente sie wie und warum
nicht vertragen, diese Informationen sind vorhanden. Sie sind aber in aller Regel noch nicht in den
Forschungsabteilungen der pharmazeutischen Unternehmen angekommen. Da gibt es zwei Züge,
die auseinander laufen. Und die müssen wir zusammenbringen. Und wir müssen sehen, wie wir die-
ses Wissen entsprechend aufbereiten. Ich möchte ein Beispiel aus dem Bereich der
Gesundheitswirtschaft in Berlin nennen: die Firma Schering als ein Global-Player hat dort jetzt
gerade Brücken zu den verschiedenen Forschungseinrichtungen geschlagen, die sich mit Frauen
und Gesundheit befassen. Und Schering will diese Informationen! Denn für den Konzern ist es eine
Katastrophe, wenn es irgendwo Erkenntnisse darüber gibt, wie Medikamente anders wirken könn-
ten, oder anders wirken und sie nicht über dieses Wissen verfügen. Dann würden sie auch
Forschungsgelder in den Sand setzen, eben weil sie auf solche bereits vorhandenen Erkenntnisse
und solches Know-How verzichten.
35
Mechthild Kopel - Vortrag
6 www.infraleuna.de
Deshalb müsste ein solcher Wissenstransfer organisiert werden. Und hier kann man natürlich die
Verantwortung nicht alleine an die Frauenpolitik abgeben, sondern in dieser Beziehung ist auch das
Land in der Verpflichtung. Es gibt Erkenntnisse aus Frauenprojekten, es gibt Erkenntnisse aus
Studiengängen. Diese müsste man einmal zusammentragen und aufzeigen: „Wie bringen wir das
in Expertisen zusammen und wie bringen wir das in das Cluster Management hinein?“
Gleichzeitig müssen wir natürlich schauen, wie wir im Rahmen der Clustermanagementpolitik auch
Netzwerke aufbauen. Es gibt Netzwerke von Unternehmen und es gibt Unternehmenskooperatio-
nen. Was spricht eigentlich dagegen, wenn wir im Rahmen der Netzwerkkooperationen der
Unternehmen auch regelmäßige Netzwerktreffen einrichten, bei denen über die Frage gesprochen
wird, wie in diesem Kompetenzfeld Chancengleichheit vorangetrieben werden kann. Ein Betriebs-
rätenetzwerk zum Thema Chancengleichheitspolitik in der Chemieindustrie gehört in ein Cluster.
Meines Wissens gibt es das noch nicht. Das muss nicht nur aus Frauen bestehen, aber der Anstoß
kann aus der Frauenpolitik kommen. Oder aber auch: Wie können wir bestimmte Ansätze, z.B.
Mentoring für junge Frauen oder für Frauen in Führungspositionen in diese Netzwerkkooperationen
integrieren? Das heißt, wir müssen Wege finden, wie sich die Kulturen der Wirtschaftspolitik und
Frauenpolitik zukünftig besser begegnen und auch an den Clusterpolitikstrategien arbeiten können.
Vom Verständnis her würde ich sagen, müssen wir die Integration der Geschlechterperspektive in
die Kompetenzfeldpolitik als Unternehmensförderung verstehen. Es ist unstrittig in der
Wirtschaftspolitik, dass es bezogen auf Technologie einer Unternehmensförderung bedarf. Ich glau-
be, um wettbewerbsfähig zu sein brauchen viele Unternehmen eine Förderung zum Thema „Gleiche
Chancen für Frauen und Männer in den Unternehmen“ – nicht nur aufgrund der demographischen
Entwicklung. Heute wird häufig gesagt: “Irgendwann sind alle so alt, da müssen doch die Frauen
kommen.“ Frauen müssen bei ihren Rekrutierungsstrategien schon jetzt einbezogen werden, damit
das Know-How wirklich zum Tragen kommt. Die Unternehmen brauchen Förderung im Hinblick auf
ihre Vertriebswege, weil viele Produkte die Kunden und Kundinnen nicht erreichen. Sie brauchen
eine Förderung im Hinblick darauf, wie sie Vertriebswege so verändern können, dass ihr
Kundenspektrum erweitert wird. Auch bezogen auf ihr Marketing. In Österreich gibt es nun bei-
spielsweise ein Wellnesscluster. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es auch ein Wellnesscluster.
Jetzt schaut man sich mal die Marketingstrategien der Wellnesseinrichtungen an. Wer geht tradi-
tionellerweise in solche Einrichtungen? Frauen und Männer im Alter zwischen 45 und 60, die über
viel Geld verfügen. Die können das auch bezahlen, privat bezahlen. Wie sehen die
Marketingstrategien der Einrichtungen aus? Abgebildet sind Frauen, ganz schick, gerade aus dem
Sonnenstudio kommend, schlank. Im Hinblick auf diese Marketing-Strategien gibt es also noch eine
Menge zu tun. Wichtig ist, dass wir Gender Mainstreaming als ein Teil der Wirtschaftsförderung
begreifen und konkretisieren.
Beifall
36
Mechthild Kopel - Vortrag
Podiumsgespräch: Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeldpolitik
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Podiums:Christiane Poertgen, WDR Dortmund; Dr. Klaudia Schulte, MWME Düsseldorf; Dr. LarsTata, Universität Dortmund; Ass.-Prof.in Dr.in Elisabeth Aufhauser, Wien; MechthildKopel, wert.arbeit Berlin; Gabriele Thiesbrummel, FATZ Recklinghausen; Diskutierendeaus dem Publikum
Christiane Poertgen, Moderatorin: Ich möchte Ihnen Dr. Klaudia Schulte vorstellen. Sie ist hier in
einer schwierigen Rolle, weil sie eigentlich nicht zum politisch handelnden Personal gehört. Sie ist
aber von diesem beauftragt. Sie ist Bauingenieurin, zweifache Mutter und weiß also zum Teil auch,
worüber wir reden. Sagen Sie uns noch etwas, was ich jetzt noch nicht angesprochen habe.
Klaudia Schulte: Ich arbeite im „Ziel 2-Sekretariat“ im Wirtschaftsministerium. Dieses Sekretariat
unterstützt die operative Umsetzung des „Ziel 2-Programms“. Dieses Programm umfasst 2 Mrd.
Euro und soll insbesondere den Strukturwandel, derzeit noch hauptsächlich im Ruhrgebiet, ankur-
beln oder verstärken. Wir machen Monitoring, Controlling, Öffentlichkeitsarbeit und bewerten die
Förderfähigkeit von Projektanträgen hinsichtlich der EU-Kriterien und der Konformität zum „Ziel 2-
Programm“; wir handeln aber nicht politisch. Derzeit erstellen wir ein neues Programm für die
Förderphase von 2007 bis 2013. Wir rechnen damit, wieder ca. 2 Mrd. Euro für den Strukturwandel
im ganzen Land zur Verfügung zu haben. Derzeit gestalten wir die Inhalte, die Maßnahmen und die
Instrumente und gucken natürlich auch jetzt schon, wie man in der neuen Programmphase Gender
Mainstreaming berücksichtigen kann. In der derzeitigen Periode haben wir einiges pilothaft auspro-
biert und sammeln Erfahrungen. Und man hat sich jetzt gesagt, man will das Ganze systematisch
angehen und auf verschiedenen Ebenen auch an den Rahmenbedingungen arbeiten, also sehen,
wie diese zu verändern sind, wie man bei der Kompetenzfeldstrategie des Landes Impulse setzen
kann und Gender Mainstreaming integrieren kann.
Christiane Poertgen: Und als Sie hörten, dass Sie zu dieser Tagung eingeladen sind, haben Sie
gedacht: „Super! Da nehme ich was mit.“ oder haben Sie gesagt: „ Ach herrjemine“? Sie wussten
schon, in welcher Rolle wir Sie hier empfangen ...
Klaudia Schulte: Ich mache diesen Job seit 2001 und weiß, dass man häufig als Landesbeamter
angesehen wird. Ich habe mich trotzdem gefreut, weil wir – wie gesagt – auch sehr stark zu dem
Thema und seiner Umsetzung arbeiten und dabei auch mit Experten zusammenarbeiten, die uns
auch beraten. Und ich hoffe, hier viele Informationen darüber mitzunehmen, was wir der
37
Podiumsgespräch
Podiumsgespräch (v. l.): Mechthild Kopel, Dr. Lars Tata, Christiane Poertgen, Dr.in Elisabeth Aufhauser, Dr. Klaudia Schulte
Landesregierung vorschlagen können. Ich glaube, da können wir schon wichtige Impulse setzen
und auch maßgeblich mit beeinflussen, was aufgenommen werden soll und was nicht.
Christiane Poertgen: Gut. Danke bis hierhin. Lars Tata kommt aus
Dortmund und ist wissenschaftlicher Angestellter im Institut für
Raumplanung und Projektmanager beim „Dortmund-Projekt“. Wir
werden nachher noch hören, welche Erfahrungen man dort gemacht
hat. Sein Interesse liegt im Kompetenzfeld- und Clustermanagement.
Und von ihm stammt sinngemäß folgende Aussage: „Ich arbeite seit
Jahren im Bereich der Clusterforschung. Das mit Gender
Mainstreaming in Verbindung zu bringen, ist für mich eine neue
Dimension.“ Jetzt müssen Sie uns von Ihrem Aha-Erlebnis berichten.
Lars Tata: Ich hatte ja bereits schon einmal das Vergnügen, in dieser Runde zu berichten. Und vor
dieser ersten Einladung vor einem halben Jahr war für mich Gender Mainstreaming und
Clusterpolitik in der Tat eine neue Verknüpfung. Insofern liegt das Aha-Erlebnis ein Stück weit
zurück. Aber heute habe ich eben auch schon Aha-Erlebnisse gehabt und davon kann ich vielleicht
gleich auch noch mal berichten.
Christiane Poertgen: Ja, fangen Sie direkt an!
Lars Tata: Aus meiner Sicht gibt es zwei verschiedene Ansätze, wie mit Gender Mainstreaming im
Zusammenhang mit Kompetenzfeldpolitik umzugehen ist. Ich habe Frau Aufhauser so verstanden,
dass sie dafür plädiert, außerhalb der normalen Kompetenzfelder zu schauen, welche frauenspezi-
fischen Kompetenzfelder es gibt, die zu fördern sind. Den Beitrag von Frau Kopel habe ich eher so
verstanden, dass Sie sagt: „Wir haben definierte Kompetenzfelder und es macht auch Sinn, wie wir
diese definiert haben, weil das sozusagen auch die Stärken der Region abbildet. Und wir müssen
gucken, wie wir aus Gendersicht mit diesen Kompetenzfeldern umgehen, wo wir innerhalb der
Förderlandschaft ansetzen können, wo wir die gegebenen Instrumente um frauenspezifische
Förderinstrumente ergänzen können. Aber im Prinzip sind das schon die richtigen Kompetenzfelder,
die wir bearbeiten.“ Insofern sind da aus meiner Sicht zwei Ansätze.
Christiane Poertgen: Glauben Sie, der eine schließt den anderen aus?
Lars Tata: Nicht zwingend. Aus meiner Sicht ist das noch offen. Vor den Vorträgen hätte ich eher
so argumentiert: „O.k., wir haben definierte Kompetenzfelder in ganz bestimmten Regionen und
nun sehen wir, wie wir stärker die Frauen in diese Kompetenzfelder bekommen, auch in höher qua-
lifizierte Positionen.“ Das ist vielleicht eher eine Realo-Herangehensweise oder vielleicht auch eher
die Perspektive von Männern, die sich gar nicht so sehr mit dem Thema befassen.
Christiane Poertgen: Zwei Frauen sagen Ihnen jetzt, ob sie richtig verstanden worden sind. Frau
Aufhauser, sehen Sie sich auch im Gegensatz zu Frau Kopel?
Elisabeth Aufhauser: Wenn es so rübergekommen ist, dann ist es von mir nicht richtig rüberge-
bracht worden. Ich habe versucht, meine Erfahrungen auf eine Gegenüberstellung zu zentrieren:
In welchen Bereichen unterscheidet sich das, was Projekte auf der regionalen Ebene tun und wie
differenziert sich das in einem innovativen Ansatz. Ich wollte diese Grundlinien von
Kompetenzfeldpolitik oder innovativer Regionalpolitik mit Förderung von Unternehmen und
Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Förderung von Wissenstransfers aufzeigen. Daraus ergibt
sich die Frage, wie sich diese Grundlinien in der traditionellen Regionalökonomie heraus kristalli-
38
Podiumsgespräch
sieren: Es erfolgt eine Konzentration auf relativ junge Gründerinnen und auf technologischen
Wissenstransfer. Und dann ist zu fragen, wie es kontrastmäßig in Projekten ausschaut die Frauen
ansprechen, die durchaus von Männern geführt werden können. Was spricht mehr Frauen an? Ich
habe versucht durch diese plakative Gegenüberstellung herauszustellen, dass es in gewissen zen-
tralen Bereichen anders aussieht und danach gefragt, was anders gemacht werden sollte in der
innovationsorientierten regionalen Politik. Es wird ja oft gesagt, dass das was wir fordern, nicht
mehr dem traditionell regionalökonomischen Zugang entspreche. Und wenn ich sage, dass man die
internationale Wettbewerbsfähigkeit von oben her denken, sprich bei der Internationalität direkt
ansetzen und nicht bei der Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit anfangen und von dort
auf die internationale Ebene gehen sollte, dann entspricht das nicht dem derzeitigen
Kompetenzfeldansatz. Das wird sicherlich für die generelle regionalökonomische Diskussion schwer
werden. Ich habe versucht zu sehen, was traditionell gemacht wird. Mittlerweile sehe ich, dass die
Frauen-Berufseinrichtungen gerade hier in NRW von der Grundkonzeption her immer strukturpoli-
tisch angelegt sind. Ich sehe die österreichische Situation, wo gerade diese
Frauenberufseinrichtungen sehr stark aus einer regionalen Frauen-Projektszene kommen. Und
wenn in Deutschland nun Druck von oben kommt, dass die Arbeit von Frauen-Berufseinrichtungen
weniger strukturpolitisch angelegt sein soll und sich stärker mit traditionellen Aufgaben wie z.B.
Qualifizierung von Frauen befassen soll, dann kann ich dazu sagen, dass wir in Österreich in den
letzten Jahren die Beobachtung gemacht haben, dass die Fraueneinrichtungen anfangen, struktur-
politisch zu denken und zu arbeiten.
Christiane Poertgen: Ich will noch einmal nachfragen, ob sich Gender Mainstreaming und
Kompetenzfeldansatz gegenseitig ausschließen.
Mechthild Kopel: Warum soll sich das ausschließen? Gender Mainstreaming heißt nichts anderes als
die Geschlechterperspektive in alle politischen Prozesse, in diesem Fall die Kompetenzfeldpolitik,
zu integrieren. Und das sollen alle machen: die Frauenpolitik, die Wirtschaftspolitik, die
Kompetenzfeld-Manager.
Christiane Poertgen: Aber wir haben heute Morgen gehört, dass das so nicht klappt. Das hat Herr
Noll ja deutlich gemacht – in der Kompetenzfeldpolitik gibt es diesen Ansatzpunkt nicht.
Mechthild Kopel: Wir dürfen nicht sagen, wir machen Gender Mainstreaming in der Kompetenzfeld-
politik. Diese Aussage ist so allgemein wie die, dass wir unsere Welt besser machen. Wir müssen
fordern, die Geschlechterperspektive in die Kompetenzfeldpolitik zu integrieren. D.h. beispielswei-
se im regionalen Kompetenzfeld Chemie ein Netzwerk aufzubauen, das sich ausdrücklich dieser
Perspektive widmet. Dies könnte z.B. ein kleineres Netzwerk zum Thema Chancengleichheitspolitik
in Unternehmen sein. Oder: Das Land Nordrhein-Westfalen hat Kompetenzfelder festgelegt und
fordert nun Gender Mainstreaming, damit alle Potenziale zum Tragen kommen und nicht die allein
männliche Sicht- und Herangehensweise dominiert. Dann müssen wir
durch Studien erst einmal die Potenziale und Qualifikationen heraus-
arbeiten, damit sie integriert werden können. Sonst kommen wir
nicht weiter. Oder wir zeigen einer Branche z.B. der Gesundheits-
wirtschaft, die eine Schwäche bei den Vertriebswegen oder in der
Kunden- und Serviceorientierung hat, dass sie um diese Schwäche im
Rahmen der Kompetenzfeldstrategien abzubauen, dies in Zusam-
menhang mit einer Geschlechterperspektive erreichen kann. Das
heißt, wir müssen die Unternehmen an einen Tisch bekommen und
nach ihren Vertriebswegen fragen und danach, wie sie diese verän-
39
Podiumsgespräch
dern können und was das für die weiblichen und männlichen Kunden bedeutet. Das wäre konkret.
Christiane Poertgen: Gibt es ein praktisches Beispiel, wie so was funktionieren kann, also eine ganz
praktische Handlungsanleitung?
Mechthild Kopel: Also ich will jetzt nicht plädieren für das Wolf-im-Schafspelz Modell, bei dem wir
die Wölfinnen sind und uns jetzt den Schafspelz der Unternehmerin oder des Global Players
umhängen und sagen: „Wir reden mit Euch über Eure Vertriebswege und stellen dann zufällig die
Frage nach den Geschlechtern.“
Der Auslöser für Aktivitäten z.B. in Leuna/Bitterfeld seitens der Unternehmen sind Erfordernisse
aus den Unternehmen. Daraus entsteht ein Handlungsdruck. Er entsteht nicht, weil die
Landesregierung Gender Mainstreaming umsetzen will, sondern er entsteht aus den
Geschäftsprozessen heraus. Und wir müssen uns fragen, was wir im Rahmen der Frauen- und
Gleichstellungspolitik für Erkenntnisse und Erfahrungen gemacht haben, die wir da implementieren
können. Solche Schnittflächen sind zu finden. Ich weiß aus der nordrhein-westfälischen Landschaft,
dass es viele Erkenntnisse zum Thema Rekrutierungsstrategien gibt. Diese Kenntnisse sind so auf-
bereitet, dass man z.B. im Kompetenzfeld Chemie für die Entscheidungsträger aus den
Unternehmen eine kleine Fachveranstaltung durchführen könnte, bei der Rekrutierungsstrategien
von Frauen und Männer sowie jungen Frauen angesprochen werden. Das ist für mich lebendige
Kompetenzfeldpolitik. Oder man sagt, dass man im Kompetenzfeld Chemie bei den
Qualifizierungsmaßnahmen sehen will, wer diese Qualifizierungsmaßnahmen macht; wie die
Ansprache-Konzepte, Inhalte und Zeiten für diese Qualifizierungsmaßnahmen gestaltet sind ? Denn
wir wissen alle, dass Weiterbildungszeiten oft so gelegt sind, dass Frauen nicht die gleichen
Zugangschancen haben wie Männer. Also geben wir doch den Kompetenzfeld-Managern die
Erkenntnisse, die wir haben und sagen ihnen, dass und wie sich Weiterbildungszeiten verändern
müssen. Aber wir kommen nicht weiter, wenn wir uns nicht in diese Niederungen der Erfordernisse
des Kompetenzfelds bewegen.
Bemerkung aus dem Publikum: Wir brauchen aber eine Türöffnerin oder einen Türöffner. Denn wir
sind nicht automatisch als fachkompetente Personen anerkannt, selbst wenn wir umfassende
Erfahrungen haben. Wir kommen nicht aus uns selber und auch nicht in ersten Anlauf auf die
Managementetagen. Die Frage ist deshalb wo ist der Türöffner?
Klaudia Schulte: Die Verankerung muss vorgegeben sein. Deswegen
ist die Frage, wer das Management von Kompetenzfeldern überneh-
men wird. Die alleinige Tatsache, dass da eine Frau sitzt, reicht nicht
aus. Das ist noch lange keine Gewähr dafür, dass die
Geschlechterperspektive integriert wird. Sondern wir müssen dann,
im Kompetenzfeld-Management klare Vorgaben haben. Es muss klar
gesagt sein, dass da EU-Gelder eingesetzt werden und dass dies ver-
pflichtet, die Gelder geschlechtergerecht auszugeben. Das muss man
auch in Deutschland Ernst nehmen. Und man muss sagen, wie dies zu
gestalten ist. Aber da müssen dann die Vorschläge auf den Tisch. Ich
meine, es gibt entweder eine klare Vorgabe, dass eine bestimmte Person im Rahmen des
Kompetenzfeld-Managements dafür zuständig ist und eine klare Vorgabe, wie viel Geld es dafür
gibt. Es muss klar sein, dass das für uns ein Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist.
Das Verständnis auf Seiten der Wirtschaftspolitik darf nicht sein, dass auch was für Frauen getan
werden muss. Also ich glaube, dass die Frauen und ihr Potenzial inzwischen gesehen werden. Ich
glaube, wir sind aus der Phase heraus, dass man sagt, dieses Querschnittsziel der EU –
40
Podiumsgespräch
„Chancengleichheit“ – muss aufgenommen werden. 2001 und bei den ersten Gesprächen hat das
noch viel Gelächter und Super-Frauenwitze auf den Tisch gebracht, wenn wir das Thema angespro-
chen haben. Aber aus der Phase sind wir definitiv herausgewachsen. Inzwischen haben alle
erkannt, dass da ein Potenzial liegt. Und insbesondere das Wirtschaftsministerium, das
Frauenministerium sowieso, haben dieses Potenzial erkannt. Und vielleicht muss man von der
Clusterthematik her noch mal sagen, wie derzeit der konzeptionelle Stand aussieht, der derzeit
noch in der Ideenfindung ist und zu dem ich gerne Anregungen von Ihnen mitnehme. Prinzipiell
werden zwei Ansätze unterschieden. Da sind einmal diese Exzellenzcluster, wenn man wirklich die
internationale Wettbewerbsfähigkeit als Kriterium ansetzt. Aber man weiß inzwischen auch, dass
auf der Regionalebene die Regionen selber ihre Stärken bestimmen müssen und daraus einen
Cluster aufbauen müssen. Genau hier sehen wir das meiste Potenzial für Frauen. Unsere Idee ist,
in Form von Gender-Action-Plans vorzugehen, obwohl wir diese englischen Begriffe nicht unbedingt
verwenden. Wir geben den Regionen mit auf, dass, wenn sie ihre Stärken dem Land gegenüber
belegen und eine Förderung haben wollen, sie uns einen Plan vorlegen müssen, in dem die Frauen-
Potenziale angesprochen sind und auch, wie sie die nutzen wollen. Aus der Diskussion nehme ich
mit, dass das natürlich heißt, dass man für diese Erarbeitung den Unternehmen durch qualifizier-
te Ansprechpartner in den Regionen und auch durch finanzielle Mittel Hilfestellung geben muss. Ich
glaube, da muss man auch noch mal unterscheiden. Es ist vorhin gesagt worden, Clusterpolitik ist
ja eigentlich nur eine konzentrierte Zusammenstellung von Instrumenten, die es sowieso bereits
gibt: Infrastrukturpolitik, Qualifizierungspolitik. Und diese Instrumente werden spezifiziert. Unser
Ansatz geht bisher auch dahin, dass insgesamt bei den Rahmenbedingungen im Gender
Mainstreaming noch viel mehr gemacht werden müsste. Bei der Finanzierungsfrage haben wir
immer auch das Problem, dass Frauen nicht in Kleingründungen hinein kommen. Das spielt natür-
lich bei der Kompetenzvermittlung eine wichtige Rolle. Wir müssen das Potenzial in der Branche für
Kleingründungen nutzen. Unsere Idee ist es, in diese Mikro-Systeme hinein zu gehen. Große
Infrastrukturmaßnahmen können zurzeit eine Gender-Begleitung bekommen, die dafür sorgt, dass
sich auch in diesen Technologiezentren wirklich etwas ändert, dass sich auch Frauen durch dieses
Konzept stärker angesprochen fühlen. Das sind Aspekte, die wir auch noch einmal den Cluster-
Managern eigentlich an die Hand geben wollen. Und unsere Idee ist, diese Cluster-Manager – ich
finde, dieser Begriff sollte wahrscheinlich gegendert werden – zu sensibilisieren, z.B. durch
Schulungen. Wir überlegen schon, wie in diese regionalen Wachstumskerne – nicht in den
Exzellenz-Clustern, von denen halten wir uns erst mal fern – Gender Mainstreaming verankert wer-
den kann.
Christiane Poertgen: Haben Sie auch schon darüber nachgedacht, wer diese Gender-Begleitung
machen soll?
Klaudia Schulte: Nein, das haben wir noch nicht. In der derzeitigen Phase machen dies zum einen
die Regionalstellen und zum anderen das Zentrum Frau in Beruf und Technik in Castrop-Rauxel.
Weiter gehen die Vorstellungen noch nicht. Wir denken über die Strategie nach, wie sich das ver-
nünftig verankern lässt. Wie man es dann später umsetzt, das muss man noch überlegen. Aber erst
einmal finde ich es wichtig, darüber nachzudenken, wie dieser Gender-Gedanke in diese regiona-
len Wachstumskerne gebracht werden kann.
Teilnehmerin aus dem Publikum: Ich finde das völlig richtig und bin auch dankbar dafür, dass die
Strukturfonds sehr deutlich Gender Mainstreaming fordern. Und ich finde es wichtig, dass auf der
operationalen Ebene Bundes- oder Landesregierung deutliche Vorgaben machen. Ich finde die
Frage allerdings genauso wichtig, welche Akteure da agieren. Es fehlen strukturpolitische Akteure.
Die Entwicklung von regionalen Kompetenzfeldern, so wie ich sie kennen gelernt habe, ist zum Teil
41
Podiumsgespräch
eine Gemengelage aus Closed-Shop-Gesprächen. Ich sage das auch vor dem Erfahrungshinter-
grund von 18 Jahren Regionalstellenarbeit. Wenn ich kleinere und mittlere Betriebe in einer Region
betrachte, mit denen wir arbeiten, dann geht es auch darum, Vertrauen aufzubauen. Das gibt die
Möglichkeit, darauf hinzuweisen, an welchen Stellen Probleme liegen. Sie liegen nicht nur bei der
Frage, wie Personal qualifiziert und dann ein Quotenschnitt gemacht wird, der besagt, so viele
Frauen und so viele Männer werden gebraucht. Es geht auch darum, auf die dahinter liegenden
Prozesse aufmerksam zu machen und diese in die gesamtbetriebswirtschaftliche Entwicklung ein-
zubinden. Und das heißt auch Kompetenz bereit zu stellen und zur Hilfe zu geben, um diese
Entwicklung zu planen. Das ist eine Aufgabe, wie sie in der Wirtschaftsförderung sehr häufig vor-
kommt. Man muss sich fragen, wie man mithelfen kann, damit Betriebe sich entwickeln. Dies
geschieht zunächst für den Betrieb selber, dann aus der lokalen und regionalen Sichtweise, um auf
Dauer dahin zu kommen, dass wir keine Kompetenzfeldentwicklung haben, die von außen über
Großbetriebe dominiert wird, sondern in der auch kleine Betriebe agieren, so dass wir also eine
regionale Unterfütterung haben. Mein Plädoyer in dieser Hinsicht ist also, dass wir in den Regionen
Akteurinnen und Akteure brauchen, die genau dies betreiben. Denen sollte eine Sicherheit gege-
ben werden, dass sie diese Kompetenzfeldpolitik umsetzen können, die auch die endogene
Potenzialentwicklung – ein Begriff, der heute noch nicht aufgetaucht ist – sehr wohl mit einbe-
zieht.
Christiane Poertgen: Und da sehen Sie z.B. das Land in der Pflicht?
Teilnehmerin aus dem Publikum: Ich sehe die Kommunen und die Region, aber auch sehr wohl das
Land in der Pflicht. Wenn wir ein Programm haben, das wir operational umsetzen wollen, dann
müssen wir auch zusehen, dass es eine Struktur gibt, mit der dies umgesetzt werden kann.
Christiane Poertgen: Herr Tata, sie waren doch bereits einmal in der Funktion eines Cluster-
Managers. Können sie etwas zu der Gesprächsstruktur sagen und darüber, wie sich die
Kommunikation entwickeln soll?
Lars Tata: Davon kann ich gerne berichten. Bisher reden wir ja – wie ich finde – relativ abstrakt
von Länderebene und kommunaler Ebene und inwieweit man Forderungen formulieren kann. Es
stellt sich die Frage, inwieweit die Kommune von sich aus darauf kommt, die Frauenperspektive
stärker mit einzubeziehen, weil das für ihre Entwicklung oder die der Region Sinn macht. Ich war
bis 2003 vor Ort tätig. Und ich weiß nicht, wie es heute in Dortmund aussieht, doch zumindest bis
2003 spielte diese Frage im Alltag im Prinzip keine Rolle.
Christiane Poertgen: Ja, woran lag das?
Lars Tata: Das will ich erklären. Ich denke, dass in den Kommunen, in den Wirtschaftsförderungs-
gesellschaften oder Einrichtungen das Thema noch nicht auf der Tagesordnung steht. Also bei uns
war es z.B. so, dass es innerhalb der Wirtschaftsförderung eine Projektgruppe „Frau und
Wirtschaft“ gab. Das war eine Planstelle, die es, glaube ich, auch immer noch gibt. Die Mitarbei-
terin war meine Vorgängerin in meiner jetzigen Position, die dann aber zu dieser Projektgruppe
gegangen ist. Meine Wahrnehmung war, dass es im Prinzip keinerlei Querschnittsorientierung die-
ser Projektgruppe „Frau und Wirtschaft“ hin zu den Kompetenzfeldern und einzelnen Kompetenz-
Managerinnen und -Managern gab. Insofern gibt es da noch eine ganze Menge Nachholbedarf. Wo
man ansetzen muss, das ist ja schon gesagt worden. Es geht nur über Anreize und über
Anreizstrukturen. Die muss aus meiner Sicht der Geldgeber vorgeben. Dann fließt Geld eben nur,
wenn bestimmte Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden.
42
Podiumsgespräch
Christiane Poertgen: (mit Blick auf Mechthild Kopel): Sie gucken total brummelig.
Mechthild Kopel: Ja, das ist genau einer der Punkte, den ich eben versucht habe, anzusprechen.
Wenn jetzt z.B. das „Dortmund-Projekt“ gemacht wird und das Cluster-Management mit Ihrer
Person besetzt wird, dann ehrt sie das und ist eine tolle Aufgabe, aber es handelt sich nicht um
ein Cluster. Nachdem, was ich in der Wirtschaftsförderung gelernt habe, ist ein Cluster anders zu
definieren.
Lars Tata: Ich habe es auch nicht definiert.
Mechthild Kopel: Okay. Aber ein Cluster innerhalb einer Region ist letzten Endes auch als regiona-
les Oberzentrum zu verstehen, dessen Aufgabe die Bindewirkung in die Region hinein ist. Da geht
es auch um die Frage, wie man Strukturen aufgreifen kann. Und da kommen wir zu dem Punkt,
den ich skandalös finde. Das bezieht sich nicht auf Sie alleine, sondern da müssen wir uns alle auch
selber an die Nase packen, weil wir offensichtlich nebeneinander her agieren und nicht miteinan-
der gearbeitet wird. Und deswegen glaube ich, ist es notwendig, dass die Landesregierung auch
genaue Vorgaben dazu macht, dass z.B. Gender in diesen Bereichen Berücksichtigung findet. Und
wenn Sie gezwungen sind, Herr Dr. Tata, in Ihrem Dortmund-Projekt das zu erfüllen, dann werden
Sie sich wahrscheinlich Expertisen dazu holen, davon gehe ich aus.
Christiane Poertgen: Sie sagen, es braucht Vorgaben z.B. von der Landespolitik. Die Menschen, die
wir heute gehört haben, die für die Politik stehen, sagen, es braucht auch konkrete Forderungen
als Arbeitsauftrag. Wartet hier der eine auf den anderen?
Gabriele Thiesbrummel: Wir haben hier fünf oder sechs Cluster oder Kompetenzfelder, aber wir
haben nur ein wirklich gemanagtes Cluster. Nach dem Referat von Mechthild Kopel frage ich mich,
ob Gender Mainstreaming nur dann funktioniert, wenn es auch eine Managementstruktur gibt, die
mit dieser Aufgabe betraut ist und auch Ansprechpartner oder Ansprechpartnerinnen bietet.
Klaudia Schulte: Es wird definitiv kein Cluster gefördert, das nicht eine vernünftige Cluster-manage-
mentstruktur hat. Die Region muss genau belegen, wie sie ein Cluster aufbauen, wie sie ein Cluster
managen will. Das ist nicht neu. Es gibt in der Landesregierung jede Menge Cluster, die richtig
gemanagt werden.
Gabriele Thiesbrummel: Aber nicht hier in der Region.
Klaudia Schulte: Okay. Aber wenn Ansätze als gut befunden wurden, dann hat man schon immer
ein Clustermanagement gefördert bekommen. Und das wird auch in
Zukunft so sein. Denn diese regionalen Cluster oder Wachstumskerne
sind unsere Potenziale. Um sie wirklich auszubauen, dazu braucht es
immer einen Clustermanager. Ohne vernünftiges unabhängiges
Management lässt sich kein Cluster aufbauen.
Christiane Poertgen: Frau Aufhauser, ich habe das Gefühl, dass viele
hier noch danach suchen, was als Arbeitsauftrag an die entsprechen-
den Stellen zu formulieren ist. Geben sie uns ein bisschen Nachhilfe,
denn Sie haben ja schon solche Forderungsthesen umgesetzt.
Elisabeth Aufhauser: Ich habe einige Forderungsthesen aufgestellt, aber in der Praxis gehen wir
natürlich in die konkrete Entwicklung hinein. Und im Moment denke ich mit Mechthild Kopel, dass
man sich auf gewisse Dinge konzentrieren muss. Dabei ist es immer ganz wichtig, auch regionales
43
Podiumsgespräch
Know-how und Erfahrungen einzubringen und daran anzusetzen. Konkret gibt es in allen Ländern
und Regionen Unterschiede dahin gehend, was gemacht werden kann und wo wirklich Chancen
bestehen. Wir haben in Österreich versucht, in den Strategieplan für Österreich aufzunehmen, dass
Gender Mainstreaming ein durchgängiges Querschnittsprinzip bleibt. Wir verstehen unter
Innovationen nicht nur Technologie, sondern beziehen uns auf einen erweiterten Innovations-
begriff. Das hat sich dann natürlich nicht immer durchziehen lassen. Doch wir haben versucht,
zumindest auch Pilotprojekte in diesem Clusterbereich zu machen. Bei uns geht es im Moment
stärker um die Vernetzung von Clusterinitiativen. In diesem Bereich sollten Pilotprojekte gefördert
werden. Im Moment schaut es nicht so aus, als würden wir es schaffen, in allen Ländern durch-
gängig zu erreichen, dass sie Geld geben, um diese Clusterstrukturen zu gendern und zu fixieren.
Es war aber ganz wichtig, überall Klein- und auch Mikrounternehmen in diese Gründungsphasen
und Begleitungsphasen explizit hinein zu bekommen. Wir wissen aus der Frauenperspektive, dass
das einfach Notwendigkeiten sind. Und jetzt steht das zumindest im Programm und es wird jetzt
bei uns auf die Länderebene herunter gebrochen. An den Clustern selbst oder Schwerpunkten, die
teilweise schon definiert sind, wird sich nicht mehr viel ändern. Insofern müssen wir jetzt mal
schauen, wie man in diesen bestehenden Clustern arbeiten kann. Es gibt z.B. in der Steiermark
eine eigene Maßnahme zur Entwicklung neuer Stärkefelder. Aber natürlich sind bei uns die
Frauenabteilungen, die dann immer gebraucht werden schnell überfordert, die operationalen
Maßnahmen in der vorgegebenen Geschwindigkeit fertig zu stellen.
Mechthild Kopel: Ich möchte noch etwas ergänzen. Ich glaube, man muss zwei Ebenen unterschei-
den. Es gibt einmal eine übergeordnete Ebene, die Existenzgründung, Mikrogründung,
Qualifizierungs- und Beratungsprogramm betrifft. Wir haben immer wieder festgestellt, dass
Frauen in der Öffentlichkeit viel mehr wahrgenommen werden müssen. Da geht es um Vorbild-
funktion, um Kommunikation und Wahrnehmung. Das sind Bereiche, die auf einer generellen Ebene
liegen. Und es gibt auch eine Fülle an Ideen und Aktivitäten, die im Land auch schon gelaufen sind.
Aber man muss gucken, was zusätzlich in diesen Kompetenzfeldern gemacht werden kann. Da
brauchen wir noch viele Ideen. Im Infrastrukturbereich sind wir soweit, dass wir erkannt haben,
dass sich Gender lohnt. Aber es fehlt noch der Input, jetzt im Infrastrukturbereich in einer
bestimmten Branche z.B. auch im Qualifizierungsbereich noch einmal speziell nach neuen
Berufsbildern zu gucken.
Gabriele Thiesbrummel: Ich will noch mal ein Stück zurückgehen. Heute Morgen haben wir von
Herrn Noll gehört. Er hat gesagt, dass er wartet, dass die Unternehmen zu ihm kommen. Und ich
stelle mir jetzt die Frage, ob das der Weg ist und ob wir dadurch nicht vielleicht nur zu einzelnen
Vorzeigebetrieben Zugang finden, die sich sowieso schon aufgrund ihrer Kundenorientierung öff-
nen müssen. Ich möchte eine Schleuse direkt zum Unternehmen haben. Es ist eine breite
Sensibilisierung und Qualifizierung aller Akteure notwendig. Wenn wir diese Frage an Beauftragte
delegieren, dann muss sich keiner drum kümmern. Das muss der Manager machen oder die
Managerin, doch nicht der Unternehmer. Aber der ist es, der zu Herrn Noll ins Ministerium geht und
nach Förderung sucht. Und da stellt sich die Frage: „Gibt es eine Kommunikationskultur, lässt sich
diese herstellen, lässt sie sich auch fördern? Lassen sich unabhängig von Ministerien, von
Managern eigene Zugänge in die Unternehmen schaffen? Das ist der eine Punkt. Und der andere
ist die Wiedereroberung von Definitionsmacht darüber, was ein Kompetenzfeld und was ein Cluster
ist.
Christiane Poertgen: Frau Kopel, können Sie jetzt etwas dazu sagen, wie Kommunikation stattfin-
den kann? Zwischen welchen Akteuren soll sie stattfinden? Was soll sie in Bewegung setzen?
44
Podiumsgespräch
Mechthild Kopel: Angesichts immer knapper werdenden Ressourcen und angesichts eines steigen-
den Drucks, ein regionaler Wachstumskern zu sein oder zu werden, und angesichts der Tatsache,
dass es diese Clustermanager gibt, muss man doch sagen, dass viel an Ressource und Potenzial
verschenkt wird, wenn das Clustermanagement keine klaren Vorgaben hat. Das zeigt sich auch im
Dortmund-Projekt. Das heißt, jeder Clustermanager in jedem Bundesland muss für sein Cluster
einen operationalen Arbeitsplan vorlegen, der deutlich macht, wie, wo und mit wem die
Geschlechterperspektive integriert wird. Um einen solchen operativen Arbeitsplan für das Cluster
X vorlegen zu können, sollte dem Clustermanager anheim gestellt werden, sich mit denjenigen aus
der Region, die das seit Jahren machen, zusammenzusetzen und abzusprechen, was sie zu wel-
chem Bereich beitragen können. Also die Ressourcen müssen gebündelt werden. Wenn der IT-
Manager im Dortmund-Projekt gewusst hätte, welche Erkenntnisse es im Bereich Lernen von
Frauen im IT-Bereich, in Bezug auf Weiterbildungszeiten von Frauen, auf didaktische Formen gibt,
dann – vermute ich – hätte das IT-Cluster im Dortmund-Projekt gewonnen. Jetzt liegt eine Menge
an Erkenntnissen und Erfahrungen brach. Dies hat seine Ursachen auch im Separatismus der
Politik. Ähnlich wie bei regionalen Entwicklungskonzepten kann man doch sagen, dass es das
Cluster X und das Clustermanagement Y gibt. Wir müssen wissen, welche Person verantwortlich
ist. Die Person ist nicht dazu da, immer die Frauenfahne zu heben und sagen, dass ein bisschen
Gender sein muss. Diese Person muss einen Arbeitsplan vorlegen und jährliche
Fortschrittsberichte. Dann hätte man die Frage in die Politikstrukturen implementiert. Die Details
muss man dann sozusagen von Region zu Region, Cluster zu Cluster neu überlegen. Aber meines
Erachtens werden hier Ressourcen verschenkt. Ich komme aus der Frauen- und
Geschlechterforschung und denke nicht an das biologische, sondern an das soziale Geschlecht.
Doch ich habe den Eindruck, dass es immer nur um Frauenförderung geht, wenn z.B. davon
gesprochen wird, die Frauenperspektive mit einzubinden. Doch bei Gender Mainstreaming geht es
überhaupt nicht darum, die Frauenperspektive mit einzubinden, sondern es geht darum, das sozia-
le Geschlecht zu berücksichtigen. Das heißt, das soziale Geschlecht sollte als ein konstruiertes
Geschlecht anerkannt werden und es sollte dafür gesorgt werden, dass man nicht z.B.
Frauenkompetenzen definiert, die dann von Männerkompetenzen unterschieden werden. Gender
Mainstreaming in Zusammenhang mit Unternehmen läuft aus meiner Sicht immer auf ein Diversity
Management hinaus, denn das originäre Interesse von Unternehmen ist niemals,
Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, sondern immer, Gewinn zu machen. Letzten Endes handelt
es sich um Diversity Management, weil sich damit immer ein betriebswirtschaftlicher Nutzen ver-
bindet. Das wirkliche Ziel ist nicht Geschlechtergerechtigkeit.
Elisabeth Aufhauser: Eine andere Sache ist natürlich, dass wir in den deutschsprachigen Ländern in
einer geschlechterdifferenzierten Kultur leben. Für mich ist es immer wieder erschreckend zu
sehen, wie stark, wie intensiv und wie markant sich diese geschlechtliche Differenzierung auswirkt.
Und meine plakative Darstellung heute Vormittag habe ich aus dem Gründerservicezentrum
gewonnen, das von zwei Männern gegründet wurde. Ich wollte die Unterschiede ausmachen zwi-
schen diesem Gründungszentrum, das von zwei Männern geleitet wurde und dass 50 %
Unternehmerinnen anspricht, während in den anderen Gründer- und Technologiezentren praktisch
keine Frauen sitzen. Und anhand dieses Beispiels mit den zwei Männern, die das geführt haben,
konnte ich deutlich diese Unterschiede sehen.
Was mir auch immer wieder ins Auge fällt ist, dass Clustermanager oder Technologiezentrums-
manager in der Regel Vertreter von regionalen Vereinen sind. In diesem Gründungszentrum arbei-
teten aber zwei Unternehmer, die in der Region unternehmerisch tätig sein wollten. Sie verstehen
sich bis heute als Unternehmer und nicht als Regionalpolitiker. Sie haben in der Region mit relativ
geringen Ressourcen ein Zentrum geschaffen. Das ist eine ganz eigene Philosophie, jede Aktivität
45
Podiumsgespräch
sehen sie aus ihrer unternehmerischen Perspektive. Und ich denke, das Ganze unter diesem unter-
nehmerischen Gesichtspunkt anzuschauen bringt sehr viel. Die Frauenprojekte bei uns sind mei-
stens nicht voll subventioniert, d.h. sie müssen unternehmerisch tätig sein. Sie müssen Projekte
generieren und durchführen. Und dann werden sie im regionalen Kontext innovativ. Sie vernetzen
die Regionalunternehmen, sie haben eine regionale Datenbank aufgebaut. Sie vernetzen z.B.
Mikrounternehmen im ländlichen Raum und geben ihnen Plattformen, ihre Produkte im regionalen
Kontext zu vermarkten.
Christiane Poertgen: Trotzdem noch einmal die Frage: Passt das Etikett ‚Gender Mainstreaming’ hier
eigentlich. Wird der Begriff ‚Gender Mainstreaming’ hier falsch benutzt? Ich habe den Eindruck,
dass es mit dieser Begrifflichkeit schwierig ist und dass dies auch ein Grundproblem darstellt.
Klaudia Schulte: Ich glaube, daran trägt die Politik die Schuld. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht.
Solange wir noch ein Wirtschaftsministerium und ein Frauenministerium haben, die Ziele definie-
ren, die nur auf Frauen ausgerichtet sind, werden diese natürlich gegendert umgesetzt. Doch die
Erreichung der Ziele wird daran gemessen, wie hoch die Frauen-Handwerkstätigkeit ist, wie viele
Frauenarbeitsplätze geschaffen worden sind.
Christiane Poertgen: Okay. Machen wir hier jetzt einfach einen kleinen Break – auch in Anbetracht
der Zeit. Ich will hier Lars Tata zitieren, der sagt, Kompetenzfeldpolitik konzentriere sich häufig auf
technisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete Branchen, in denen erwerbstätige Frauen unterre-
präsentiert seien. Kompetenzfeldpolitik, die sich an Chancengleichheit orientiert, setzt im
Bildungsbereich an und versucht, Frauen für die relevanten Berufe zu interessieren. Das könnte
heißen, Frauen sind selber Schuld, wenn sie sich nicht für die Branchen interessieren, die gerade
aktuell sind und sie müssen sich bewegen. Müssen sich auch Männer bewegen?
Lars Tata: Was ich im ersten Teil dieser These als Frage aufwerfen will ist, wer definiert denn
eigentlich die Kompetenzfelder? Also wer sagt, das sind unsere Stärken? Das sind in aller Regel
Männer. Und insofern ist es dann auch nicht überraschend, dass am Ende 80% der definierten
Kompetenzfelder technisch-naturwissenschaftlicher Art sind. Und wenn ich nun aber dem zustim-
me, dass an den Kompetenzfeldern kein Weg vorbei führt, eben weil die Wertschöpfung ist wie sie
ist, dann bin ich der Meinung, dass man nicht nur daneben auch vielleicht eher frauenspezifische
Kompetenzfelder definieren müsste, um Chancengleichheit zu errei-
chen, sondern man müsste – aber das ist auch keine neue These – im
Bildungsbereich ansetzen und Frauen stärker für naturwissenschaftli-
che und technologische Inhalte interessieren.
Christiane Poertgen: Heißt im Umkehrschluss, Frauen müssen erst mal
auf diese Cluster- und Kompetenzfeldpolitik mehr Einfluss bekommen,
um zu ganz anderen Kompetenzfeldern zu kommen. Elisabeth
Aufhauser hat ja von der Frauenprojektszene in Österreich berichtet.
Elisabeth Aufhauser: Es müssen nicht unbedingt andere Kompetenz-
felder sein – teilweise natürlich, weil teilweise sind sie tatsächlich sehr technisch formuliert. Aber
es gibt auch Kompetenzfelder, die relativ offen formuliert sind, aber in der Umsetzung dann immer
wieder technologisch belegt werden. Das ist das eine. Das Zweite ist – abgesehen davon, dass
Technik im deutschsprachigen Raum wirklich sehr männlich belegt ist – einfach die Grundstimmung
in der Bevölkerung. Technikferne ist in einem gewissen Sinne da und wird, wie ja so manche Studie
zeigt, bis zum Alter von 14, 15 Jahren auch anerzogen. Ich denke, es geht weniger darum, die
Mädchen in die Technikberufe zu kriegen, sondern auch die technischen Studien umzugestalten,
46
Podiumsgespräch
damit sie auch für Mädchen und Frauen attraktiv werden. Wie viele Mädchen kennen Sie, die in
höhere technische Schulen gefördert wurden, und welches dieser Mädchen macht dann anschlie-
ßend nicht ein wirtschaftswissenschaftliches Studium? Oder: Welche Frau, die Technik studiert, ist
nicht in zwei, drei Jahren wieder auf einer Schiene, die in eine andere Richtung führt? Wir kombi-
nieren unsere Studien auch falsch, so dass sie für die Mehrzahl unserer Frauen nicht attraktiv sind.
Also ich denke, unsere Studien sind teilweise falsch konzipiert. Und insofern kann man sagen, erst
dann, wenn die Studien verändert sind, kann man auch die Kompetenzfelder weiter formulieren.
Mechthild Kopel: Ich würde der These offensiv widersprechen, dass das alles eine Frage der
Qualifizierung ist. Das ist ungefähr so, als wenn Sie sagen, um Chancengerechtigkeit zu erreichen,
müssen wir alles bei der Berufswahlorientierung ändern und alles fängt im Elternhaus an. Wir
haben mittlerweile gut ausgebildete Frauen, die einen Zugang auch zu ingenieurswissenschaftli-
chen Studiengängen haben, auch wenn es da ein bisschen Rückgang gibt. Wenn wir wollen, dass
dort Frauen und Männer aller Altersstufen gleiche Chancen haben, dann müssen wir doch diese
Prozesse, diese Politikelemente in der Kompetenzfeldpolitik verändern. Und ich nenne noch mal
zwei Beispiele, bei denen ich glaube, dass es konkrete Ansatzpunkte gibt. Man schaue sich im
Kompetenzfeld X die Weiterbildungen an – Qualifizierung der Beschäftigten ist ein zentrales
Moment, um regionaler Wachstumskern zu sein, zu bleiben oder zu werden. Dann würde ich mal
gerne für ein bestimmtes Kompetenzfeld eine Analyse machen, wer bietet welche Weiterbildung
an? Wie sind die Strukturen, die Zeitstrukturen, die inhaltlichen Strukturen dieser Weiterbildung?
Und sind sie so konzipiert, dass Frauen und Männer gleichermaßen partizipieren können? Und ich
glaube, da kommen wir zu dem Ergebnis, dass Weiterbildungsangebote schon allein räumlich und
zeitlich so gestrickt sind, dass Frauen und Männer nicht gleichermaßen partizipieren können. Das
wäre für ein Cluster im IT-Bereich eine wichtige Erkenntnis, denn dann könnte man konkret etwas
ändern. Das ist ein Beispiel dafür, worauf man ein Augenmerk setzen sollte. Wenn man es schafft
dies, in einem Cluster, z.B. der Chemie, zu untersuchen, wäre es interessant zu sehen, ob denn
eigentlich die örtliche Ingenieurin daran teilnehmen kann. Ein anderer Punkt, von dem wir wissen,
dass es Hemmnisse für gleiche Chancen von beiden Geschlechtern gibt, ist die Tatsache, dass
Arbeitszeitregelungen in den Unternehmen sehr flexibel sind. Von Seiten der Unternehmen wird
von den Beschäftigten Flexibilität verlangt und wir haben hochflexible Arbeitszeiten. Daneben
haben wir aber starre Zeitstrukturen, z.B. in Kinderbetreuungseinrichtungen. Diese Entwicklungs-
prozesse hemmen die Entwicklung regionaler Wachstumskerne. Die meisten Frauen müssen sich
zurückziehen, weil sie sonst gar nicht überleben können, weil die Öffnungszeiten bei der
Kinderbetreuung so sind wie sie sind. Eine Clusterfeldpolitik oder Kompetenzfeldpolitik würde die-
sen Schwerpunkt aufgreifen, und untersuchen, inwie-
weit Infrastrukturrahmenbedingungen, sprich Öff-
nungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen, sich
verändern müssen, damit die Potenziale beider
Geschlechter in den Unternehmen zum Tragen kom-
men. Das sind für mich klare Geschlechterperspektiven
in der Kompetenzfeldpolitik.
Teilnehmerin aus dem Publikum: Ich habe eine
Anmerkung. Ich dachte, es ginge bei dieser Veranstal-
tung auch darum, welche Appelle oder Vorschläge man
weitergeben kann. Und ich möchte mich meiner Vorrednerin anschließen und für eine stärkere
Vernetzung auch im Hinblick auf die Auswertung von Ergebnissen plädieren. Also es ist z.B. belegt,
dass Ingenieurinnen weniger verdienen und dass sie auch sehr viel stärker von Arbeitslosigkeit
betroffen sind als ihre männlichen Kollegen. Deshalb muss man überlegen, ob die Politik überhaupt
47
Podiumsgespräch
dahingehend gewirkt hat, Frauen in technische Berufe zu bringen. Sobald sie technisch qualifiziert
sind, verdienen sie weniger und fallen auch als Erste raus. Also dass hier sehr viel geschehen
muss, sieht man am deutschen Gender-Datenreport 2005, der seit mehreren Wochen z.B. im
Internet auch zur Verfügung steht.
Also ich würde schon auch dafür plädieren, dass eine sehr viel stärkere Transparenz, Vernetzung
und auch Teilhabe möglich ist, um Informationen zu erhalten und auch, um ein Monitoring zu
ermöglichen. Also ich selbst hatte z.B. Schwierigkeiten, als ich mich über den ESF informieren woll-
te. Interessanterweise ist Deutschland das einzige Land auf den europäischen Seiten, das keine
Projekte darstellt. Ich frage mich, warum? Es mag mehrere Gründe geben. Aber ich denke, das
sollte sich doch ändern, damit man nachvollziehen
kann, was gefördert wird. Wo gibt es überhaupt Cluster
– auch in meiner Stadt? Für die meisten ist das nicht
nachvollziehbar. Also, dies ist ein Appell an
Transparenz, Teilhabe und neue Partizipation.
Christiane Poertgen: Ja, dann haben wir jetzt noch fünf
Minuten. Sie haben einen guten Auftakt gemacht, also:
Was können wir aus dieser Veranstaltung mitnehmen?
Lassen sich da konkrete Dinge formulieren?
Teilnehmerin aus dem Publikum: Die Diskussion hier geht völlig an meinem Problem vorbei. Ich bin
von der Regionalstelle aus Gelsenkirchen, also hier aus der Region. Und wir arbeiten ja seit Jahren
in dem Bereich und das, was Mechthild Kopel gesagt hat, das ist unser tägliches Brot.
Kinderbetreuung passt nicht zu Arbeitszeiten. Wir versuchen deshalb in die geförderten Bildungs-
maßnahmen ‚Frauenzeiten’ herein zu bekommen, also Teilzeitbildung. Dieses ganze Geschäft
machen wir ja. Doch die Diskussion geht insofern an unseren Problemen vorbei, als dass wir die
Kompetenzfelder der Region kennen und wissen, wer wo sitzt und wer was macht. Das Problem ist
nur, wir kommen da nicht dran. Da haben wir überhaupt nichts verloren, die nehmen uns über-
haupt nicht ernst. Und es kostet viel Energie und ist schwierig, da heran zu kommen.
Christiane Poertgen: Im Hintergrund ist eine Dame. Haben Sie das gleiche Gefühl?
Heike Rumpf: Nein, ich muss mich jetzt einmal outen. Ich heiße Heike Rumpf arbeite bei der WIN
Emscher-Lippe und mir obliegt das Projektmanagement im Kompetenzfeld Chemie. Ich möchte
mich für die vielen interessanten Anregungen und Informationen bedanken.
Christiane Poertgen: Das ist doch schon mal schönes Ergebnis dieser Veranstaltung. Aber wir
beschließen sie damit nicht. Vielleicht gibt es ja noch die eine oder andere Anregung?
Teilnehmerin aus dem Publikum: Vielleicht kann das Land noch einmal eine Konferenz fördern, wo
wir darüber nachdenken können, welche Kompetenzfelder wir parallel zu denen entwickeln können,
die von den Männern entwickelt werden – im Sinne von Gender Mainstreaming. Dann könnten wir
vielleicht auch noch mal ein paar Ideen von außen erhalten.
Teilnehmerin aus dem Publikum: Vielleicht sollten wir einmal eine Liste aller Kompetenzfeldmana-
ger anfertigen und versuchen die Akteurinnen und die Manager zusammenzubringen.
Klaudia Schulte: Für mich ist das jetzt noch mal ein großes Aha-Erlebnis. Wir haben hier ein paar
Beispiele gehört und wenn wir tatsächlich mit der Kompetenzfeldstrategie die Wettbewerbs-
48
Podiumsgespräch
fähigkeit im Land und in der Region stärken wollen, dann wäre nun danach zu schauen, wo man
sich untereinander „befruchten“ kann und wo es konkrete Hilfestellungen bei der Entwicklung der
Humanressourcen gibt. Ein anderes Thema ist die Infrastrukturentwicklung. Und ein drittes Thema
ist die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen dort, wo es in bestimmten Clustern tat-
sächlich identifizierbare Abnehmerinnen und Abnehmer gibt. Im Maschinenbau ist das ohne
Bedeutung. Aber z.B. im Bereich Gesundheit oder auch möglicherweise IT, da macht so etwas Sinn.
Das sind drei Felder, wo man sehr genau sagen kann, welche Anforderungen bestehen oder in wel-
chem Cluster kommen diese Anforderung im Bereich Humanressourcen, Infrastruktur,
Produktentwicklung zum Tragen und wie kann man die mit einer Genderperspektive und den ent-
sprechenden Expertinnen und Experten gemeinsam aktiv werden. Das fände ich sehr befruchtend.
Teilnehmerin aus dem Publikum: Ich habe noch eine kritische Anmerkung zur Vernetzung. Ich finde
es naiv zu glauben, dass man über Vernetzung ganz nach oben kommt. Wir reden doch dann von
formalen Netzwerken. Aber wo werden denn die Entscheidungen getroffen? Wie kommen Sie an
Leute ran? Doch nicht über formale Netzwerke! Ist es nicht das Old-Boys-Network, zu dem man
eigentlich den Zugang haben muss? Ich bin nicht gegen Netzwerke, es muss uns nur klar sein, dass
dahinter noch was existiert, was uns als Netzwerk nicht vorgestellt wird und das als
Machtinstrument gebraucht wird. Da stehen wir außen vor. Das dürfen wir dabei nicht vergessen.
Christiane Poertgen: Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Es war ganz groß-
artig, was wir gehört haben. Vielen Dank.
Gabriele Thiesbrummel: Ich möchte noch ein kurzes Abschlusswort sagen und Ihnen, Frau Poertgen,
herzlich danken. Ich danke allen Referentinnen und dem Referenten. Es war eine spannende und
auch lebhafte Auseinandersetzung. Und ich hoffe, dass dies erst der Anfang ist. Irgendwann müs-
sen wir mal konkreter werden. Dann müssen wir uns vielleicht auch einzelne Punkte genauer
anschauen. Ich hoffe, dass diese EQUAL-Partnerschaft ChanZE dazu eine Möglichkeit bietet, freue
mich aber auch über jede Tagung des Wirtschaftsministeriums, ob mit dem Frauenministerium oder
alleine. Ich glaube, wir brauchen noch viel Diskussion und konkrete Auseinandersetzung. Dazu war
das heute ein Auftakt. Ihnen allen vielen Dank. Ich wünsche Ihnen jetzt allen noch viel Spaß beim
networken – so heißt es ja jetzt immer. Also auf Neudeutsch beim Kaffeetrinken und Quatschen.
Beifall
49
Podiumsgespräch
50
Bild
quel
le D
eckb
latt
: Ph
oto
Cas
e.co
m