Post on 18-Oct-2020
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GELD WIE HEU Komödie über das Finden des „Genug“ in einer Welt des „Mehr“
Von Martha Joy
GELD WIE HEU Komödie über das Finden des „Genug“ in einer Welt des „Mehr“
Von Martha Joy
Alle Rechte vorbehalten Unverkäufliches Manuskript
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Die Figuren in der Reihenfolge ihres Auftretens
MANFRED ROCKSTROH
Ehemaliger Broker einer großen Bank, der sich mit Übernahmen
von Billigkreditpaketen verspekuliert hat und seine Bank in
den Ruin getrieben, sowie viele Anleger und Fondmanager
verprellt hat. Er könnte sich mit seinen, über die Jahre
gesammelten Boni, Renditen und Immobilien zur Ruhe setzen,
wenn ihn sein angespanntes Berufsleben nicht gelehrt hätte,
ständig in Bereitschaft zu sein, den Markt zu beobachten und
den richtigen Riecher für das richtige Geschäft zu haben. Die
Gier Geld zu verdienen hat ihn stumpf gegenüber jedem Gefühl
der Mitmenschlichkeit gemacht. Kriege und Krisen waren stets
nur Zahlen für ihn, in die hineininvestiert wurde. Jetzt ist
er gesellschaftlich ins Aus geraten. Ein Geächteter. Die
Börsenzulassung ist ihm entzogen worden. Das verkraftet er
nicht und sucht verzweifelt ein neues Betätigungsfeld. Denn
das Geld ruht bekanntlich nie. Er sucht Heil bei Guru Adrian
Singer und findet die Stille der Berge und zurück zu sich
selbst.
MARIA JOSI
Eine eingeborene Bergbäuerin, die sehr undeutlich spricht in
ihrem tiefen Dialekt; sich aber immer verständlich zu machen
weiß. Sie hat von der Welt und der tobenden Finanzkrise nichts
mitbekommen. Braucht sie auch nicht. Denn sie hat alles was
sie zum Leben braucht. Sie ist, wie sich herausstellen wird,
sehr schlau. Ob sie sich das von der Natur abgeschaut hat? (Je
nach Aufführungsregion kann Maria selbstverständlich auch eine
Bäuerin auf einer Hallig sein, tiefstes Nordfriesisch sprechen
und ihre Kuh Mathild aus dem Wasser ziehen, wenn sie mal
wieder von der Flut erwischt wurde...) Ihre Kuh Mathild wird
nie zu sehen sein.
ADRIAN SINGER
Erfolgreicher Staranalyst und Börsenguru, der rechtzeitig vor
der Krise sein gesamtes Vermögen und das seiner Anleger in den
Erwerb von Derivaten setzte, die auf den Zusammenbruch des
Immobilienkreditmarktes wetteten und innerhalb eines Jahres
1000% Gewinn einfuhren. Er hat seine glücklichen Anleger
ausbezahlt, sein Vermögen in Gold angelegt und sich in die
Berge zurückgezogen um seine Memoiren zu schreiben und Hanf
(nicht nur) anzubauen.
4
PASCAL PARNASS
Ein begabter, charismatischer, in seinem Beruf komplett
Erfüllung findender Schauspieler, der sein hart erarbeitetes
Vermögen in Kreditderivate gesteckt hat, die ihm durch einen
Salesmanager von Manfred Rockstroh schmackhaft gemacht worden
sind. Er hat durch die Krise alles verloren. Nach dem
finanziellen Absturz und einem daraus folgenden beruflichen
Tief, hat er sich wieder gerappelt und ist nun auf der Suche
nach dem versteckt lebenden Adrien Singer, da er sich für den
Film „Der goldene Fallschirm“ auf die Rolle eines Börsengurus
vorbereiten will. Er bringt durch sein Eintreffen auf der Alm
ein Karussell ins rollen, das für alle alles ändert. Auch er
ist weitaus schlauer als man zu Anfang glauben mag.
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1. SZENE
Wenn sich der Vorhang öffnet, schauen wir auf ein idyllisches
Bergpanorama aus schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund und
saftiger Wiese im Vordergrund. Rechts im Anschnitt eine alte,
aber gepflegte Sennerhütte. Nichts als das Summen der Fliegen
und fernes Kuhglockengeläut stört die Idylle. Links sehen wir
den Schwanz von Mathild in die Bühne ragen, mit dem sie
imaginäre Fliegen vertreibt. (Auch hier ist das Bergpanorama
mit den windigen Weiten einer einsamen, platten Hallig in der
Nordsee austauschbar. Die plattdeutsche Fassung liegt parallel
vor.)
Rotorenlärm eines landenden Hubschraubers zerreißt die Idylle.
STIMME AUS DEM OFF
Hier soll es sein?
2.STIMME AUS DEM OFF
Ja.
STIMME AUS DEM OFF
Sind Sie sicher?
2.STIMME AUS DEM OFF
Wenn ich es Ihnen sage! Wo ist mein Geld?
STIMME AUS DEM OFF
Hier. Ich ruf Sie an, wenn Sie mich abholen können.
2.STIMME AUS DEM OFF
Das werden Sie müssen. Zu Fuß finden sie nicht
zurück.
Rotorenlärm eines startenden Hubschraubers. Von links, seinen
Hut haltend, kommt Manfred Rockstroh in feinem Nadelstreif
geduckt unter dem Windzug des Hubschraubers auf die Wiese. Er
bleibt stehen und blickt über die Wiese.
MANFRED ROCKSTROH
Mein Gott. Wie trostlos.
Von hinten bekommt er einen Schlag von Mathilds Schwanz ab.
MANFRED ROCKSTROH
Na Du? Kuh! Alles klar?
Ein weiterer Schwanzhieb trifft ihn.
6
MANFRED ROCKSTROH (LEICHT GEREIZT)
Super. Genauso hab ich mir das vorgestellt. Hör zu,
du Vieh. Wir machen das folgendermaßen: Du ziehst
dein Geschäft hier ab und störst mich nicht bei
meinem. Klar? (schaut ins Off.) Ich deute das als
ein JA. OK?
Maria Josi tritt von hinten über den Grashügel auf.
MARIA JOSI
Aja, samma zfrien? Wieda ois beinand? Du dammisches
Hornvieh. Du i watsch di glei so hea!
Manfred Rockstroh wirbelt herum, fühlt sich angesprochen.
MARIA JOSI
Da werst schaun mit deine Augn. Magsd ned glei
hoamkemma du bsuffäs Wagscheidl, elendigs. Wega dir
hob i a Blasn am Fuaß, a so a Bladschare scho a. Du
des is a so a Durchanand mit dir, vastähsd, dass se
koana mea auskennt. Wia soi’n do no oana gscheid
arwern kenna, vastähst. So, jätz weards amai Zeid
dast dai Graffe baggsd und hoam kummst. (ab an
Manfred vorbei)
MANFRED ROCKSTROH
(ins Off. Maria hinterrufend) Tag.
MARIA JOSI
(kommt kurz zurück) Hawediehre.
MANFRED ROCKSTROH
Sagen Sie, könnten Sie mir vielleicht sagen, ob ich
hier Herrn Singer finden kann?
MARIA JOSI
Jo wos is’n des? An Sänger ham ma do herom ned. I
muaß weida. Machs guad nacha, seavus. (zu Mathild)
So, pack mas du oids Drumm.
MANFRED ROCKSTROH
(dezidiert) Verstehe kein Wort. Ich suche einen
Herrn Singer!
MARIA JOSI
Ham ma net! Herrgott Kruzifünferl.
MANFRED ROCKSTROH
Singer. Hohes Tier in Bank. Geld! Börse.
Verstehn Sie?
7
MARIA JOSI
Bin ja ned bleed. Schau her. A bank hamma zum
hihocka, oba a Geld scheißt mei Mathild fei ned.
Dasd das woast.
MANFRED ROCKSTROH
(leise) Ach leck mich doch.
MARIA JOSI
Host gherd Mathild, der feine Herr is a
Feinschmecka aus da Schtood. Wenns Du moanst, mia
san auf da Brennsubbm daheagschwumma kumma, dann
host di sauba brennt. Du aufgstellter Maustrick du.
MANFRED ROCKSTROH
Alles klar. Hab jedes Wort verstanden.
MARIA JOSI
Schleich di. (Will grummelnd mit Mathild ab.)
MANFRED ROCKSTROH
Ich wollte nur wissen, ob ich hier Herrn Adrian
Singer finden kann. Wenn ich Ihnen zu viel Ihrer
wertvollen Zeit gestohlen haben sollte, machen Sie
mir ne Rechnung!
MARIA JOSI
Ah, zum Adrian wuist?
MANFRED ROCKSTROH
Ja, zu Herrn Adrian Singer. Nach wie vor.
MARIA JOSI
Warum sogstn des ned glei?
MANFRED ROCKSTROH
Ich dachte, das hätte ich…
MARIA JOSI
Ja zum Adrian… Do bist du hier völlig aufm Hoizweg.
MANFRED ROCKSTROH
Wie bitte?
MARIA JOSI
Hoizweg.
MANFRED ROCKSTROH
Das Heu ist weg?
8
MARIA JOSI
Host du wos mit deine Oarwaschln! Der Adrian wui
koan Bsuach.
MANFRED ROCKSTROH
Ich weiß, aber ich muß zu ihm.
MARIA JOSI
Wer bistn Du überhaupts?
MANFRED ROCKSTROH
Manfred Rockstroh. Ich bin sozusagen ein
Arbeitskollege von Herrn Singer.
MARIA JOSI
Ah, bist du do ah zum Schreim aufekemma? Dein
Lebensgschichtl. Oder so a Zeig?
MANFRED ROCKSTROH
Nein so weit ist es noch nicht. Ich möchte mich
noch ein wenig in den Tiefen des Tals tummeln. Wenn
sie verstehen was ich meine.
MARIA JOSI
Wos megst?
MANFRED ROCKSTROH
Egal. Können sie mir helfen Herrn Singer zu finden?
MARIA JOSI
Jo, mei, scho, des kost aba wos.
MANFRED ROCKSTROH
Was?
MARIA JOSI
Diri Dari!
MANFRED ROCKSTROH
Was fürn Ding?
MARIA JOSI
Ja a Kies. A Moos. A Geld hoid.
MANFRED ROCKSTROH
Ah Geld. Kein Problem.
MARIA JOSI
Dann nimmst de Mathild und kummst mit owe. Mia ham
an gleichn Weg.
9
MANFRED ROCKSTROH
Ist es denn weit?
MARIA JOSI
Zu mia ned. Aba nachad ziagts sich. I gib dia a
Wegbeschreibung mit. Aba zohln musst fei glei ge.
MANFRED ROCKSTROH
Bitte. (hält ihm generös einen Schein hin.)
Werden denn 20 Euro reichen?
MARIA JOSI
Do hengst jetz no a Nulla o, dann kemma zamm.
MANFRED ROCKSTROH
Was? 200 Euro? Ich will keinen Sherpa auf den Mount
Everest mieten. Ich will nur den Weg zu Singer
gezeigt bekommen.
MARIA JOSI
Wennst ned mogst, na bleibst hoid do.
MANFRED ROCKSTROH
Nehmen Sie auch Kreditkarten?
MARIA JOSI
Wos?
MANFRED ROCKSTROH
Schon gut.
Manfred Rockstroh händigt Josi 200 Euro aus, dieser steckt sie
achtlos ein. Alsdann machen sie sich über den Hügel von
dannen. Maria schnalzt ab und an mit der Zunge zu der im Off
nebenher trabenden Mathild. Ab.
Von links tritt Adrian Singer sommerlich gekleidet und barfuß
auf. Seine Schuhe hängen ihm locker über die Schulter. Er hat
ein Büchlein in der Hand und rezitiert aus Goethes „Faust“.
ADRIAN SINGER
„Wer sie nicht kennte,
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Wäre kein Meister
Über die Geister...“
Er tritt in einen Fladen Mathild’s.
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ADRIAN SINGER
Scheiße.
Er wischt sich am Gras den Fuß ab, schaut dabei nach hinten
und sieht Maria Josi in der Ferne.
ADRIAN SINGER
(ruft) Maria, Nachbarin. Wolltest du zu mir?
MARIA JOSI
(sehr fern) Na, na. Bast scho.
ADRIAN SINGER
Hast Du Besuch?
MARIA JOSI
(sehr fern) Na, na.
ADRIAN SINGER
Ich bin jedenfalls da, wenn du noch hochkommen
willst.
MARIA JOSI
(sehr fern) Schbäda nochad.
Adrian Singer wendet sich ab und geht in seine Sennerhütte.
Von innen hören wir ihn mit Schüsseln und Wasser hantieren und
dabei gar nicht so schlecht „Nessun Dorma“ von Puccini singen.
Mit einer Schüssel Wasser kommt er vor die Tür, setzt sich hin
und beginnt ein Fußbad zu nehmen. Dabei singt er tief
versunken:
ADRIAN SINGER
Kalaf Nessun dorma! Nessun dorma!
Tu pure, o Principessa,
nella tua fredda stanza
guardi le stelle che tremano
d’amore e di speranza!
Ma il mio mistero è chiuso in me,
il nome mio nessun saprà!
No, no, sulla tua bocca lo dirò,
quando la luce splenderà!
Ed il mio bacio scioglierà il silenzio
che ti fa mia!
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(Niemand schlafe! Niemand schlafe! Auch du, Prinzessin, in deinem kalten Zimmer
siehst die Sterne, die beben vor Liebe und Hoffnung! Aber mein Geheimnis ist verschlossen in
mir, niemand wird meinen Namen erfahren! Nein, nein, auf deinen Mund werde ich ihn
nennen, wenn die Sonne scheint! Und mein Kuss wird das Schweigen beenden,
durch das ich dich gewinne!)
Kaum ist er fertig, steigt hemdsärmlig, verschwitzt und
schnaufend Manfred Rockstroh über den Hügel.
MANFRED ROCKSTROH
Lassen...Sie...mich...Bilanz...ziehen...! Ein
Helikopterflug...für...1500 €, ein...bayerischer
Sherpa ...für 200 €, ein heiterer Spaziergang über
eine Wiese in 2000 Meter Höhe, Wasserverlust bis
zur Fast-Dehydrierung plus Spaßfaktor für alle
Umstehenden. Das nennt man perfekt wirtschaften.
The...walk...of...shame. Ich hoffe, ich konnte zur
allgemeinen Erheiterung beitragen.
ADRIAN SINGER
Entschuldigung?
MANFRED ROCKSTROH
Ich bin anscheinend ihrer Bäuerin da unten auf den
Leim gegangen. Oder ist das hier so etwas wie eine
Aufnahmeprüfung?
ADRIAN SINGER
Verzeihen sie, wenn ich nicht weiß wovon sie reden.
MANFRED ROCKSTROH
Von der Hirtin, die die dummen Schafe fängt.
ADRIAN SINGER
Sie sind ganz verschwitzt. Sie sollten sich ein
wenig Ruhe gönnen. Die Höhenluft ist nicht zu
unterschätzen.
MANFRED ROCKSTROH
Geht schon. Rockstroh. Manfred Rockstroh. Ich
wollte zu ihnen, aber dieser gewiefte Bauer hat
mich weggelockt und dafür noch 200 Euro kassiert.
ADRIAN SINGER
Keine schlechte Marge.
MANFRED ROCKSTROH
Sie kann froh sein, wenn ich sie nicht anzeige.
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ADRIAN SINGER
Dürfte schwer werden hier oben.
MANFRED ROCKSTROH
Nun gut. Wichtig ist; ich habe Sie gefunden.
ADRIAN SINGER
Mich?
MANFRED ROCKSTROH
Ja. Seit Ihrem phänomenalen Abgang von der Börse
ist ihr Aufenthaltsort das best gehütete Geheimnis
der Branche. Ihre Anleger sind durch sie so reich
geworden, dass sie eher ihre Leichen im Keller, als
ihren Gönner in den Bergen verraten würden.
ADRIAN SINGER
Klingt interessant.
MANFRED ROCKSTROH
Wie ein Märchen aus Tausend und einer Nacht.
ADRIAN SINGER
Dem Märchenalter bin ich seit einigen Jahren
entwachsen. Worauf wollen Sie hinaus?
MANFRED ROCKSTROH
Herr Singer, ich brauche Ihren Rat.
ADRIAN SINGER
Ich kenne keinen Herrn Singer.
MANFRED ROCKSTROH
Nein bitte, jetzt fangen Sie nicht an wie diese
Bäuerin. Die konnte ich wenigstens noch zahlen.
ADRIAN SINGER
Es tut mir sehr leid, aber ich weiß nicht wovon Sie
sprechen.
MANFRED ROCKSTROH
Kommen Sie. Wir sind hier ganz unter uns und ich
will nur einen Rat.
ADRIAN SINGER
Wenn ich helfen kann...
MANFRED ROCKSTROH
Herr Singer…
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ADRIAN SINGER
Wie gesagt, ich kenne keinen Herrn dieses Namens.
MANFRED ROCKSTROH
Also bitte. Jetzt lassen Sie das! Sie sind Adrian
Singer. Höchst dotierter Börsen Analyst. Graue
Eminenz im Hintergrund. Mit drohender Finanzkrise,
die Sie als einer der Ersten früh voraussahen,
landeten Ihren größten Coup. Sie wetteten auf den
einbrechenden Immobilienhypothekenmarkt und räumten
Milliarden für sich und ihre Anleger ab, während
andere alles verloren.
ADRIAN SINGER
(zitiert)
„Wer sie nicht kennte,
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Wäre kein Meister
Über die Geister...“
Goethes Faust. Schön nicht? Rein und klar.
MANFRED ROCKSTROH
Sehen Sie, und genau deshalb bin ich zu
Ihnen gekommen.
ADRIAN SINGER
(zitiert)
„Bist du Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?“
MANFRED ROCKSTROH
Wenn Sie so wollen. Das Sterntalermädchen bin ich
jedenfalls nicht. Also Herr Singer...
ADRIAN SINGER
So, genug gebadet. Ich darf mich empfehlen.
Er packt seine Schüssel und geht ins Haus. Manfred Rockstroh
folgt ihm, bis zur Tür, die vor seiner Nase zugeschlagen wird.
MANFRED ROCKSTROH
Herr Singer, ich setze hier keinen Fuß weg, ehe Sie
mich nicht angehört haben.
Er geht ums Haus, schaut in die Fenster, geht zu einer
Regentonne, kühlt sich das Gesicht.
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MANFRED ROCKSTROH
Ich hab Zeit, Herr Singer.
Schaut sich um. Sucht einen Platz im Schatten.
MANFRED ROCKSTROH
Viel Zeit.
Geht abermals zur Tonne und trinkt daraus vorsichtig ein paar
Schlucke Wasser. Er setzt sich erneut. Er beginnt ein paar
Fliegen zu vertreiben.
MANFRED ROCKSTROH
(zu sich): Da muss jetzt ich wohl durch.
Er geht zur Tür und klopft. Als sich nichts tut, will er sie
öffnen. Sie ist verschlossen.
MANFRED ROCKSTROH
(laut zu Singer ins Haus: Dürfte ich mal ihre
Toilette benutzen?
Klopft erneut an seine Tür.
MANFRED ROCKSTROH
Dürfte ich mal Ihre Toilette benutzen?
Als sich nichts tut, klopft er erneut.
MANFRED ROCKSTROH
(ärgerlich) Früher pochte man an meine Tür. Was tue
ich hier eigentlich? Hören Sie, ich muß mal.
ADRIAN SINGER
(Von innen) Nur zu.
MANFRED ROCKSTROH
Ich muß mal pinkeln.
ADRIAN SINGER
(kommt vor die Tür.)Tun Sie sich keinen Zwang an.
MANFRED ROCKSTROH
Dürfte ich einmal Ihre Toilette benutzen?
ADRIAN SINGER
Sie steht vor Ihnen. (Er deutet auf die Wiese.)
MANFRED ROCKSTROH
Das ist nicht Ihr Ernst!
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ADRIAN SINGER
Doch.
MANFRED ROCKSTROH
Ich soll hier vor Ihnen auf die Wiese...
ADRIAN SINGER
Wie Mutter Natur es eingerichtet hat.
MANFRED ROCKSTROH
Macht Ihnen das Spaß?
ADRIAN SINGER
Ich habe Sie nicht hergebeten.
MANFRED ROCKSTROH
Wenn Sie mich anhören würden, bin ich schneller
weg, als Sie denken.
ADRIAN SINGER
So schnell wie ich denke, können Sie gar nicht weg
sein.
Umständlich dreht sich Manfred Rockstroh weg, geht ein paar
Schritte und knöpft sich die Hose auf. Peinliches Schweigen
und Warten. Nach einer Weile dreht er sich um.
MANFRED ROCKSTROH
Ich kann nicht, wenn Sie mir in den Rücken starren.
ADRIAN SINGER
Denken Sie an einen rauschenden Gebirgsbach.
MANFRED ROCKSTROH
Wie schön, dass ich zu ihrer Unterhaltung beitragen
kann.
ADRIAN SINGER
Gebirgsbach. (ahmt das Rauschen nach.):
Schschschschsch…
MANFRED ROCKSTROH
So geht das nicht.
ADRIAN SINGER
Denken Sie an etwas, dass sie locker macht.
16
MANFRED ROCKSTROH
(während er zu pinkeln versucht) Locker von wegen.
Sein Sie mal Locker mit einer Schar von Gläubigern
im Rücken. Meine Kreditderivate fuhren die höchsten
Rendite ein. Ich tat nur das, was jeder von mir
wollte: Ich versprach hohe Erträge bei hoher
Sicherheit. Jeder, der das nicht glaubte, dem
verkaufte ich einfach keine Optionen. Ohne
Vertrauen funktioniert schließlich kein
Wirtschaftssystem. Ich verschaffte, was immer
gewünscht war. Ich habe die exotischsten Pakete
geschnürt. Ich war Herr über unregulierte
Zertifikate mit exorbitantem Gewinn. Ist das meine
Schuld? Ist es nicht das System, dass uns lehrt
alles zu Geld zu machen. Kann ich etwas dafür, dass
meine Anleger urplötzlich ihre Einlagen zurückhaben
wollten, weil sie das Vertrauen verloren hatten?
ADRIAN SINGER
Schschschschschsch…
MANFRED ROCKSTROH
Jetzt heißt es: „Wir sind schockiert und entsetzt.“
Das ich nicht lache. Noch vor kurzem haben mir
dieselben Leute Millionen hinterher geschmissen um
Abermillionen zu verdienen. Jetzt sagen sie, „Die
scheinbare Exklusivität der Rockstroh-Papiere war
nichts weiter als Verschleierungstaktik“. Jetzt bin
ich Schuld am Untergang der Unsinkbaren. Ich.
Schuld. Verstehen Sie? Ich, der ich immer im
Interesse der Banken gehandelt habe. Immer die Nase
im Wind. Immer den richtigen Riecher.
ADRIAN SINGER
Und läufts?
MANFRED ROCKSTROH
Nein. Jetzt hat der Wind gedreht, mich auf dem
falschen Fuß erwischt. Jetzt bin ich der Buhmann
für alle, die den Rachen nicht voll genug kriegen
konnten. Solange ich die Kohlen einfuhr, war ich
das geliebte Kind. Der Regenmacher. Der
Hohepriester des Kapitals. Aber ich bin nicht der
Eisberg, der die Titanic zum Sinken brachte.
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ADRIAN SINGER
Auch eine schöne Metapher. Denken sie an
einen Eisberg, der schmilzt.
MANFRED ROCKSTROH
(unbeirrt)
Es ist die Haltung, die dahinter steckt. Die
Arroganz, die uns alle getrieben hat. Es ist die
Geilheit nach mehr. Und das endlose Scheffeln von
Sicherheit ohne die wir das Leben nicht mehr
ertragen können, weil wir uns fernhalten wollen von
der Ungewissheit, die uns das Leben erst lebenswert
macht. Uns immer wieder überrascht. Nein, wir
wollen ja alles vorhersehen. Wir wollen Schicksal
sein. Wir wollen Gott spielen. Aber manchmal spielt
Gott mit uns und schlägt uns ein Leck in unseren
Stolz. Auf dass wir uns wieder besinnen müssen,
wozu wir eigentlich hier sind. Wenn das Wasser
abläuft, bleibt eben Schlamm zurück.
ADRIAN SINGER
Und wie liefs?
MANFRED ROCKSTROH
Überhaupt nicht.
ADRIAN SINGER
Den Druck kenne ich.
MANFRED ROCKSTROH
Das hilft mir auch nicht weiter.
ADRIAN SINGER
Na dann, gehen sie doch einfach hinters Haus, da
sieht sie keiner.
Wie vor den Kopf geschlagen rennt Manfred Rockstroh hinters
Haus. Ab.
ADRIAN SINGER
(ruft ums Haus) Hier, für Ihre Geschichte.
(Er schmeißt ihm einen Euro in seinen Hut) Sie war
so herzerweichend, dass ich fast drauf reingefallen
wäre.
MANFRED ROCKSTROH
(von hinterm Haus) Was meinen Sie damit?
ADRIAN SINGER
(ruft) Ihre hehren ethischen Standards. Fast hätte
ich geglaubt, dass Sie es ernst meinen.
18
MANFRED ROCKSTROH
(ruft) Das tue ich. Ich habe einen Job gemacht wie
jeder andere.
ADRIAN SINGER
„Jeder Andere“ hat nicht Millionen gescheffelt und
noch mehr Millionen in den Sand gesetzt. Sie haben
nicht verstanden auszusteigen, als es Zeit war. Sie
haben Verluste früherer Investoren mit dem Geld
immer neuer Anleger bezahlt. Bis der Schneeball zur
Lawine wurde und Sie überrollte. Wie viel Abfindung
haben Ihnen die Banken gezahlt, die Sie ruiniert
haben? Wie viel Geld haben sie eingefahren und
gebunkert als es noch gut lief?
Manfred Rockstroh stürmt wütend hinter dem Haus hervor.
MANFRED ROCKSTROH
Wie viel Geld haben Sie denn gebunkert?
ADRIAN SINGER
Es geht hier nicht um mich. Sie jammern hier auf
ziemlich hohem Niveau. Finden Sie nicht?
Adrian Singer geht ab ins Haus. Manfred Rockstroh stürzt ihm
hinterher und rüttelt an der Tür.
MANFRED ROCKSTROH
Ich bin hier hochgekommen um Rat zu suchen. Ich bin
weg vom Fenster. Raus. Geächtet. Börsenzulassung
ade´. Ich werde gesucht. Ich finde nirgendwo mehr
einen Job. Ich bin der Jungstar unter den
Pensionären.
Voller Wucht reißt er beim letzten Satz die Tür aus dem
Schloss, dass sie aufspringt. Verdutzt steht er in der offenen
Tür.
Adrian Singer kommt mit einem Gewehr im Anschlag vor die Tür.
ADRIAN SINGER
Noch einen Schritt näher und es kracht.
MANFRED ROCKSTROH
Tut mir leid. Das wollte ich nicht.
ADRIAN SINGER
Für einen Pensionär haben Sie erstaunlich viel
Kraft.
19
MANFRED ROCKSTROH
Eigentlich arbeite ich mehr mit dem Kopf.
ADRIAN SINGER
Was ihnen nicht viel genutzt hat.
MANFRED ROCKSTROH
Anscheinend.
ADRIAN SINGER
Dann machen Sie sich jetzt mal nützlich.
MANFRED ROCKSTROH
Wie?
ADRIAN SINGER
Ehrliche Arbeit. Kennen Sie das?
Er geht ins Haus und kommt mit einem Werkzeugkasten wieder
heraus.
ADRIAN SINGER
Hammer, Säge, Nägel, Schrauben, Bohrer. Holz ist um
die Ecke.
MANFRED ROCKSTROH
Hören Sie, das lässt sich doch bestimmt auf eine
andere Art lösen.
ADRIAN SINGER
So? Wie denn? Bisher wird das mit Werkzeug und Holz
erledigt, aber wenn Sie eine bessere Idee haben...
MANFRED ROCKSTROH
Ich wollte sagen, ich bezahle Ihnen den Schaden.
ADRIAN SINGER
An wie viel haben Sie denn gedacht?
MANFRED ROCKSTROH
100?
ADRIAN SINGER
Aha.
MANFRED ROCKSTROH
200?
ADRIAN SINGER
200. Und wofür soll das Geld sein?
20
MANFRED ROCKSTROH
Für die Tür.
ADRIAN SINGER
Und was soll die Tür mit ihrem Geld?
MANFRED ROCKSTROH
Herrgott, geben Sie es einem Tischler, einem
Schreiner, einem Handwerker, oder so was.
ADRIAN SINGER
Und wo soll ich „Sowas“ auftreiben?
MANFRED ROCKSTROH
Gibt’s hier keinen Handwerker?
ADRIAN SINGER
Der nächste wohnt unten im Tal. Einen kompletten
Tagesmarsch entfernt. Sie könnten ihn natürlich mit
dem Helikopter einfliegen lassen. Die Preise kennen
Sie ja bereits.
MANFRED ROCKSTROH
Allerdings.
ADRIAN SINGER
Plus Tagespauschale für den Schreiner von 500,- und
Materialkosten von 300,-, liegen wir bei 4000,-.
MANFRED ROCKSTROH
Ah, dann doch so günstig?
ADRIAN SINGER
Das Holz liegt immer noch um die Ecke.
MANFRED ROCKSTROH
Hätte nicht gedacht, dass ich auf einer Alm soviel
Bares brauchen könnte.
ADRIAN SINGER
Wie wär’s, wenn Sie zur Abwechslung mal fürs Geld
arbeiten würden, statt andersherum?
MANFRED ROCKSTROH
Jetzt belehren Sie mich nicht ständig. Wir sind
doch beide aus demselben Holz.
ADRIAN SINGER
Ihres liegt immer noch hinter der Hütte.
21
MANFRED ROCKSTROH
Klingt verlockend.
ADRIAN SINGER
Es wartet darauf geschnitzt zu werden.
MANFRED ROCKSTROH
Das wird mir jetzt langsam zu dumm.
ADRIAN SINGER
Ist es für Sie so abwegig Fehler zuzugeben?
MANFRED ROCKSTROH
Dafür hatte ich den Markt. Der regelte das bisher
für mich.
ADRIAN SINGER
Hier oben sind Sie der Markt. Es ist ganz einfach.
Nur drei Schritte hinters Haus.
MANFRED ROCKSTROH
Macht Ihnen das Spaß?
ADRIAN SINGER
Ihnen zu sagen, wie Sie Fehler korrigieren können?
MANFRED ROCKSTROH
Mich zu demütigen.
ADRIAN SINGER
Das ist Ihre Auffassung.
MANFRED ROCKSTROH
Ich hätte mir den ganzen Aufwand sparen sollen.
ADRIAN SINGER
Was wäre dann gewesen?
MANFRED ROCKSTROH
Ich säße in Ruhe bei einem Gläschen Wein und einem
Steak…
ADRIAN SINGER
...In trauter Runde mit netten Freunden, die Ihnen
nach wie vor die Treue halten, nicht wahr?
MANFRED ROCKSTROH
Wo war das Holz?
ADRIAN SINGER
Um die Ecke.
22
Er macht sich auf den Weg.
ADRIAN SINGER
(ruft) Ziehen Sie Ihren Gewinn aus der Sache!
MANFRED ROCKSTROH
(ruft zurück) Ich habe mit Informationen gehandelt.
Nicht mit Holz.
ADRIAN SINGER
(ruft) Time to Change. Wer zögert, ist ein
Verlierer.
MANFRED ROCKSTROH
Au. Ich habe mir einen Splitter eingezogen.
Kommt hinterm Haus hervor. Hält sich den Daumen.
ADRIAN SINGER
Tut’s weh?
MANFRED ROCKSTROH
Blöde Frage. Natürlich tut’s weh.
ADRIAN SINGER
Sein Sie froh. Das ist die erste Lektion. Sie haben
was gelernt.
MANFRED ROCKSTROH
Wie bitte?
ADRIAN SINGER
Der Markt ist ein gefühlloses Ungeheuer und wir
haben ihm unsere Gefühle für Schmerz und Mitgefühl
verkauft. Sie sind auf dem besten Wege sie wieder
zu erlangen.
MANFRED ROCKSTROH
Helfen Sie mir lieber den Splitter zu entfernen.
ADRIAN SINGER
Gerne.
Er geht auf Rockstroh zu, nimmt dessen Daumen, steckt ihn in
den Mund und saugt an ihm.
MANFRED ROCKSTROH
Au, sind sie wahnsinnig?
Singer saugt unbeirrt weiter.
23
MANFRED ROCKSTROH
Hören Sie auf damit! Das tut weh! Au!
ADRIAN SINGER
Hier oben geht es nicht mehr darum (saugt) wie laut
Sie schreien, (saugt) sondern nur noch darum was
Sie fühlen, (saugt) wenn Sie schreien.
MANFRED ROCKSTROH
Was ich fühle? Schmerz. Sie dämlicher Hund.
ADRIAN SINGER
Ja, lassen Sie ihn raus (saugt) und analysieren Sie
ihre Chancen, (saugt) hier oben mit einer
Blutvergiftung Hilfe zu bekommen. (saugt) Die
einzige Hilfe kommt momentan von mir. Und über den
Schmerz, den ich Ihnen zufüge. (saugt)
MANFRED ROCKSTROH
Wie soll ich denn denken, wenn Sie mir den Finger
abbeißen?
ADRIAN SINGER
Das konnten Sie doch sonst auch! (saugt)
Blitzschnell reagieren, Gerüchte streuen um
Unternehmenswerte in die Höhe zu treiben; (saugt)
vorher billig den Hauptteil der Aktien erwerben
(saugt) und sie später teuer verkaufen. Und bei
ihrem eigenen Körper sollten Sie Schwierigkeiten
damit haben?
MANFRED ROCKSTROH
Quatschen Sie nicht. Holen Sie den Splitter raus.
ADRIAN SINGER
Hab ich schon längst. (zeigt ihn.) Er lag mir schon
eine ganze Weile auf der Zunge.
MANFRED ROCKSTROH
Sie sind ein Sadist.
ADRIAN SINGER
Und Sie sind ein kleiner Junge, der mit dem Roller
hingefallen ist und nach der Mama ruft. Werden Sie
erwachsen. An die Arbeit.
24
Manfred Rockstroh setzt sich ins Gras und betrachtet das Stück
Holz, das er in Händen hält. Er weiß rein gar nichts damit
anzufangen. Dreht es in der Hand hin und her, geht zur Tür,
hält es an den Türstock, sieht, dass es zu groß ist und geht
um die Hütte um kurz darauf mit einem ganzen Schwung Holz
zurückzukommen und jedes einzelne anzupassen.
MANFRED ROCKSTROH
Passt nicht.
ADRIAN SINGER
Tatsächlich? Wie wär’s mit absägen?
Wütend beginnt Manfred Rockstroh zu sägen. Während er sägt,
beginnt er zu niesen. Unbeirrt sägt er weiter. Niest. Er geht
zur Tür und passt das Holz an. Es ist zu klein.
MANFRED ROCKSTROH
Mist.
ADRIAN SINGER
Was halten Sie von ausmessen? Oder wollten Sie mir
einen Schwung Brennholz für den Winter zurecht
sägen?
MANFRED ROCKSTROH
(Niest) Sparen Sie sich Ihre Pfadfinderweisheiten.
ADRIAN SINGER
Als Broker haben Sie mit Unsummen in die Zukunft
gewettet. Da werden Sie doch jetzt wohl ein paar
Zentimeter hinbekommen.
Niest. Und überprüft das zweite zersägte Stück Holz. Es ist
ebenfalls zu kurz geworden.
MANFRED ROCKSTROH
Na gut Fähnlein Fieselschweif, womit soll ich denn
(niest) diesen Mist ausmessen?
ADRIAN SINGER
Ist das Ihr Ernst?
MANFRED ROCKSTROH
Ja sicher. Das letzte Mal, das ich etwas ausmessen
musste, war die Garagenlänge. Damit mein Cayenne
hinter den Carrera passt. Und das hat ein
Porscheverkäufer für mich erledigt. (Niest)
25
ADRIAN SINGER
Gesundheit.
MANFRED ROCKSTROH
(Niest)
ADRIAN SINGER
Hier, bitte. (reicht ihm einen Zollstock)
MANFRED ROCKSTROH
Danke.
Er geht mit dem Zollstock zur Tür und misst die Länge des
herausgebrochenen Holzes, indem er ihn anhält.
MANFRED ROCKSTROH
Der ist zu kurz.
ADRIAN SINGER
Sie müssen ihn ausklappen.
MANFRED ROCKSTROH
Wie ausklappen?
ADRIAN SINGER
Wie eine Ziehharmonika.
MANFRED ROCKSTROH
Ach so.
Er zieht am Zollstock wie an einer Ziehharmonika und zerbricht
ihn.
ADRIAN SINGER
Mein Gott. Und „Sowas“ dealte mit Millionen.
MANFRED ROCKSTROH
Milliarden. (Niest)
ADRIAN SINGER
Sagen Sie’s keinem.
MANFRED ROCKSTROH
Ist ja eh keiner da. (Niest) Außer uns beiden.
Maria Josi tritt auf.
MARIA JOSI
Heyf da God. Servus Adrian. Bast ois do herom? I
hoab an Kiaschgeist, an Radi un a Greichatz dabei.
26
ADRIAN SINGER
Maria, du Gute, hab ich Dir diesen lieben Besuch zu
verdanken?
MARIA JOSI
Na! I hab gmacht wos du mia gsogt host und woidn
wiada obaschicka.
MANFRED ROCKSTROH
Hey, das habe ich verstanden.
ADRIAN SINGER
(zu Maria) Was Dir bestens gelungen ist.
MARIA JOSI
Hot’s dir dei Dia zamghaut? I hob dia ollwei gsogt,
das de ned guat beinanda is. Jetza hosd des Gfred.
MANFRED ROCKSTROH
(Nießt)
MARIA JOSI
Ah du bist ja sauba beinand.
MANFRED ROCKSTROH
Was für’n Ding?
ADRIAN SINGER
Maria wollte „Gesundheit“ sagen.
MANFRED ROCKSTROH
Danke. Bekomme noch 200,-Euro von ihr.
ADRIAN SINGER
Ist nicht mein Business. (beginnt sich einen Joint
zu drehen.)
MARIA JOSI
I woas jetz goar ned wos dea moant!?
MANFRED ROCKSTROH
Ich laß dir die 200,- wenn du mir bei der Tür hier
hilfst.
MARIA JOSI
Wovo tramstn du in da Nacht?
MANFRED ROCKSTROH
(zu Adrian) Könnten Sie mir das übersetzen?
27
ADRIAN SINGER
Sie meint, dass Sie sich beeilen sollten. Es wird
bald dunkel.
MANFRED ROCKSTROH
Ich nehme an, ich bekomme die 200,- nicht zurück
und sie hilft mir auch nicht bei der Tür. Ist es
so? (Nießt)
MARIA JOSI
Du bist ja da Schnellspanna von da Firma Langsam.
beginnt den Tisch vor der Hütte zu decken.)
MANFRED ROCKSTROH
Und jetzt reicht’s mir. (Holt sein
Satellitentelefon aus der Tasche.) Ich laß jetzt
den Hubschrauber kommen.
MARIA JOSI
Des is zschbäd. Der kummt heit nimma.
MANFRED ROCKSTROH
(er wählt, hört scheinbar nur den Anrufbeantworter
am anderen Ende.) Hier Rockstroh. Wenn Sie diese
Nachricht hören, setzen Sie ihren Kasten in
Bewegung und kommen mich abholen. So schnell es
geht. Danke.
MARIA JOSI
Die Dia nogln ma schbäda zam. Jetz essma zerst.
MANFRED ROCKSTROH
Danke. Ich werde gleich abgeholt. (Nießt. Macht
sich verzweifelt an die Arbeit)
MARIA JOSI
Prosit. Des is a Katarr.
MANFRED ROCKSTROH
Nein eine Allergie.
MARIA JOSI
Wast holt drunten blim mit deina Algerierin.
Do huift am bestn a Pfeiferl volla Graut. Geh Adrian
gib ihm oan von deine Tüt’n.
ADRIAN SINGER
Lieber Gras rauchen als Heuschnupfen. Gell? Josi?
(hat seinen Joint fertig und reicht ihn Rockstroh.)
28
MANFRED ROCKSTROH
Danke. Nicht bei der Arbeit. Und außerdem stehe ich
mehr auf das Zeug, das munter macht.
ADRIAN SINGER
Koks ist auch eine Möglichkeit zu sagen: „Ich habe
zu viel Geld“. Jetzt lassen Sie endlich das
Stöckchen fallen. Das ist eh schon wieder zu kurz
gesägt.
MARIA JOSI
Des is des oanzig Wahre. Rauchst a Pfeiferl und
dringsd a Schnapserl.
MANFRED ROCKSTROH
(Passt das zu kurz gesägte Holz an.) Das
gibt’s doch nicht.
MARIA JOSI
Drei moi obgschniedn un oiwei noh z’kuarz. Prost.
ADRIAN SINGER
Na? Wie sieht’s aus? Setzen Sie sich zu uns?
MANFRED ROCKSTROH
(Nimmt einen tiefen Zug aus Josis Schnapsflasche.
Resigniert) Tiefer geht’s nicht.
MARIA JOSI
Heher oba ah net.
ADRIAN SINGER
(rezitiert)
„Wer sie nicht kennte,
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Wäre kein Meister
Über die Geister...“
MARIA JOSI
Auf dai Gsundheit. Prost.
MANFRED ROCKSTROH
Rauch einen Joint, und die Welt ist dein Freund
...blabla
MARIA JOSI
Hock di hera, dann samma mehra.
29
MANFRED ROCKSROH
Was für ein Ding? (Niest)
MARIA JOSI
Liaba bsuffa und gschpassig, ois niachdan und bläd.
MANFRED ROCKSTROH
Jetzt brauch ich einen Zug.
ADRIAN SINGER
(reicht ihm den Joint Goethe rezitierend)
„Bist du Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?“
MANFRED ROCKSTROH
Auf die Hölle. (Niest und nimmt einen kräftigen
Zug.)
ADRIAN SINGER
(rezitiert in den Rauch)
„Den ganzen Raum füllt es an,
Es will zum Nebel zerfließen“
MARIA JOSI
Du schbinnst aba scho gscheid.
MANFRED ROCKSTROH
Was hat sie gesagt?
ADRIAN SINGER
Er meint, ich spinne ein gutes Garn.
MANFRED ROCKSTROH
Geben Sie mir ein wenig davon ab!
ADRIAN SINGER
Sie wollen einen Rat?
MANFRED ROCKSTROH
Was kann ich tun, um wieder Fuß zu fassen?
ADRIAN SINGER
Schüre genug Gier oder genug Angst unter den
Menschen. Denn der Wert einer Aktie ist nur ein
Indiz für die jeweilige Gier oder Angst seiner
Anleger.
30
MANFRED ROCKSTROH
Liegt der Broker tot im Keller, war der Kurs mal
wieder Schneller... (Nimmt einen tiefen Zug) Und
ich dachte, Sie hätten tatsächlich was für mich.
Ich hab meine Zulassung verloren. Ich komme an
keine Informationen mehr ran. Ich bin raus.
MARIA JOSI
Investier in an Schnaps. Wo kriagstn sonst no 40%?
ADRIAN SINGER
Eine Aktie ist wie ein brennendes Streichholz. Gib
es schnell weiter und sieh zu, dass du nicht der
Letzte bist, der es in Händen hält.
MARIA JOSI
Des Oanzige wosd a Geld macha konst san Schuidn.
MANFRED ROCKSTROH
(Nimmt kichernd einen nächsten tiefen Zug) Oder du
investierst in Steuern. Die steigen garantiert.
(Nimmt einen tiefen Zug)
MARIA JOSI
Manfred, jetzt host mi!
Saufma uns zam, wer woas wos moagn is.
MANFRED ROCKSTROH
(Zieht) Versteh kein Wort. Aber auf jeden Fall muß
ich nicht mehr niesen.
ADRIAN SINGER
Jetzt gib mal den Joint rüber.
MANFRED ROCKSTROH
Wenns sein muß. (Nimmt noch einen letzten Zug und
gibt ihm den mickrigen Rest.)
ADRIAN SINGER
Da ist ja nichts mehr dran!
MANFRED ROCKSTROH
Wie war das mit den Streichhölzern? Sind Sie etwa
der Letzte geworden? (kichert)
ADRIAN SINGER
Du, ich schick Dich gleich heim in deine einsame
Millionärsvilla.
31
MANFRED ROCKSTROH
Ich denke nicht dran. Da stehen die Gläubiger und
die Presse. Ich bleib so lange, bis Du mir verrätst
wie ich wieder ins Geschäft komme. (kichert)
ADRIAN SINGER
Vergiss es. Ich werde doch nicht jedem
dahergelaufenen Loser-Broker meine Geheimnisse
verraten.
MANFRED ROCKSTROH
Ich ein Loser? Ich habe Boni von 30 Millionen
eingestrichen. (kichert)
ADRIAN SINGER
Ach was?
MANFRED ROCKSTROH
Und Rendite von noch mal 30 Millionen.
(kichert)
ADRIAN SINGER
Und wo ist dein Problem? (hat inzwischen den
nächsten Joint fertig und raucht)
MANFRED ROCKSTROH
Mein Problem sind solche Hoity-Toitys wie du,
(schüttet sich aus vor Lachen) die die
Börsenweisheit mit Löffeln gefressen haben.
ADRIAN SINGER
Besser Toffy-Nose als Loser sein.
MANFRED ROCKSTROH
Ich kann gar nicht so viel fressen kann wie ich
kotzen möchte. (lacht)
ADRIAN SINGER
Schau an, unser Brokerpinsel zeigt sein wahres
Gesicht.
MANFRED ROCKSTROH
Solche Leute wie Du sind doch nur durch uns so weit
gekommen.
ADRIAN SINGER
Und solche Leute wie du, die haben doch nur eine
Ahnung von dem Geschäft, dass sie auf der Toilette
verrichten.
32
MANFRED ROCKSTROH
Was ist der Unterschied zwischen einer überfahrenen
Ratte und einem überfahrenen Topanalysten? Die
Bremsspur vor der Ratte. (kriegt sich nicht mehr
ein vor Lachen.)
ADRIAN SINGER
Was ist der Unterschied zwischen einem Broker und
einem Eimer Scheiße? Der Eimer! (Lacht jetzt mit
Manfred im KifferDuett)
Die ganze letzte Zeit hat Maria Josi staunend gelauscht und
dem Duell beigewohnt. Still trinkt sie vor sich hin. Dann
entgegnet sie trocken:
MARIA JOSI
Ja wo bin i n do neikemma.? Bei dea Blärarei sois
da ah no schmegga. Ja mi leggsd am Oasch.
MANFRED ROCKSTROH
Ich versteh immer noch kein Wort, aber langsam
gefällt mir die Schabracke. (kringelt sich)
MARIA JOSI
Jetz foid aba glei da Watschenbaum um, wennsd di
ned zamreist du damischa Saupreis, du damischa!
MANFRED ROCKSTROH
(kriegt sich nicht mehr ein) Was will sie?
ADRIAN SINGER
Sie will, dass du mit ihr einen trinkst.
MANFRED ROCKSTROH
Kann sie haben. (zu Josi) Dich sauf ich untern
Tisch.
MARIA JOSI
Des konsd amoi probian.
Sie trinken schwankend jeder Schluck für Schluck aus der
Schnapsflasche. Adrian Singer zählt die Punkte pro Schluck.
Maria Josi öffnet während sie stumm und taumelnd trinken eine
Dose Ölsardinen um sich mit Öl und Fett länger aufrecht zu
halten. Während des Trinkens.
MANFRED ROCKSTROH
Das ist Beschiss.
MARIA JOSI
Ah ah ah, do hamma fei vorher nix ausgmacht, ge.
33
MANFRED ROCKSTROH
Ohne dein Doping wärst du schon längst breit.
MARIA JOSI
I bin so lang net bsuffa, solang i baim Liegn net
umfoi!
MANFRED ROCKSTROH
Dann bin ich solange nüchtern bis ich verstehe was
du sagst.
Maria Josi isst weiter Sardinen. Sie trinken. Langsam geht die
Sonne unter.
MANFRED ROCKSTROH
Gib mir auch eine.
MARIA JOSI
Des kost aba wos.
MANFRED ROCKSTROH
Häh?
MARIA JOSI
Jo mei, des kost wos.
ADRIAN SINGER
Sie will Geld.
MANFRED ROCKSTROH
(angetrunken) Als hätt’ isch’s geahnt. Wieviel
darfss denn diesmal sein?
MARIA JOSI
Jo mei, a Geld hoid.
MANFRED ROCKSTROH
Ach wasss. Lass misch raten...200,-?
MARIA JOSI
Do hengst jetz no a Nulla o, dann kemma wieda zamm.
MANFRED ROCKSTROH
Alls klar...Sssweitausend für ne ÖöölSssardiene. Du
hassst wohl mittn Föhn geduscht.
ADRIAN SINGER
Nach eingehender Analyse des Marktes und der zu
erwartenden Entwicklung der Promillewerte beider
Kontrahenten, rate ich zum Kauf von Maria Josi-
Aktien.
34
MANFRED ROCKSTROH
Nischts da. Isch kauffe. Den ganzen Rest der
Büchse. Was kost das?
ADRIAN SINGER
(Zählt die übrig gebliebenen Sardinen in Josis
Dose.) 1...2...3. Drei Sardinen. Macht 6000,- Euro.
MANFRED ROCKSTROH
Gemacht.
MARIA JOSI
Jo. Duan rüba dein Flins.
MANFRED ROCKSTROH
Häh?
ADRIAN SINGER
Nur Bares ist Wahres.
MANFRED ROCKSTROH
Schon klar. Ihr seid sswei ganz Schlaue. Der Manne
hat aba kein Bares mehr. Hat sseine Schpendierhosen
ssu Hause gelassen in seinn Pallazo Prozzo. Aba
isch hau 60% drauff und schreib ein Schuldschein
auf 10.000. Ok?
ADRIAN SINGER
Das sind 66,66% Periode.
MANFRED ROCKSTROH
Na siehste mal. So großsssügisch iss der Manne.
Sogar mit Perjode.
ADRIAN SINGER
Maria, was machst du jetzt? Gibst du jemandem einen
Credit, dessen Kreditwürdigkeit du nicht abschätzen
kannst? Oder genießt du jetzt deinen Sieg.
MANFRED ROCKSTROH
Isch bin voll...Credit-Würdig. Voll! Isch schwör.
ADRIAN SINGER
Maria, du weißt schon was ein Credit ist, oder? Das
kommt aus dem Lateinischen und heißt „Glaube“ Und
wer glaubt, wird selig.
MARIA JOSI
Ab am bestimmten Punkt is des Geld nix mehr wert.
Es is des Schpui, wos zäit. I moch mit.
35
MANFRED ROCKSTROH
Hah, ich hab sswar nix vahstand’n, aba, ich glaub,
die Almöhi-erin spielt weita.
MARIA JOSI
(Gibt Manfred die Sardinen) Auffi!
MANFRED ROCKSTROH
Danke. Kumpel. Jetz wird (versuchts) gesuffer.
MARIA JOSI
Gsuffa.
MANFRED ROCKSTROH
Sag isch doch.
Sie trinken stumm einander im Auge behaltend bis beide
taumelnd auf die Knie sacken. Der Mond geht auf. Sie trinken.
Adrian zählt Schlucke und reicht neue Flaschen.
MARIA JOSI
Saufst – stirbst
Saufst net – stirbst a.
MANFRED ROCKSTROH
Ha! Ich ver’... steh im-mer noch...nischts.
Knieend saufen beide sich nicht aus den Augen lassend stumm
Schluck für Schluck weiter. Adrian zählt. Langsam geht der
Mond auf. Adrian zählt weiter. Kurzzeitig schauen beide
Kontrahenten hoch zum Mond und fallen augenblicklich um und
schnarchen in tiefem Rausch.
Von ferne hören wir Kuh Mathild laut und einsam muhen.
Black
36
2. SZENE
Am nächsten Morgen liegen Manfred Rockstroh und Maria Josi in
genau derselben Haltung wie sie Nachts zuvor umgefallen sind
schnarchend auf der Wiese inmitten der geleerten Flaschen.
Über den Hügel kommt ein Wanderer mit Rucksack und Karte auf
die Szene. Pascal Parnaß. Er orientiert sich und steuert auf
die Hütte zu. Bei den beiden Schlafenden bleibt er stehen.
Mustert sie.
Er geht auf Maria Josi zu und betrachtet ihn näher. Er scheint
ihn zu erkennen. Er stößt ihn leicht mit dem Fuß an.
PASCAL PARNASS
Heh, Sie! Frau Josi! Ich bin’s. Pascal Parnaß. Es
war nicht leicht, aber ich habe es gefunden. Hallo!
Er schaut sich um. Sieht die leeren Flaschen. Beugt sich zu
den Schlafenden hinab. Riecht.
PASCAL PARNASS
Da hilft wohl nur Wiederbelebung. (laut zu Maria
Josi) Hallo! Frau Josi! Ich bin da! (sieht auf
Manfred) Dann ist das wohl...ER. (betrachtet ihn
eingehend.) Hätte ihn mir...irgendwie...würdiger
vorgestellt. (Geht sehr nah an ihn heran) Meine
Güte, (wedelt sich frische Luft zu) da hätte ich
den Weg auch mit der Nase gefunden. Hätte mir die
Karte gespart... Egal. Jetzt bin ich hier. Und vor
mir... der Schlüssel zum Erfolg. (Er holt einen
Fotoapparat aus seinem Rucksack und schießt ein
paar Fotos von Manfred. Der zuckt beim aufleuchten
des Blitzes.)
MARIA JOSI
(wird wach) Hob i gwonna?
PASCAL PARNASS
(Fährt erschrocken herum) Was?
MARIA JOSI
Wos? Wer bist na’ du?
PASCAL PARNASS
Pascal Parnaß.
37
MARIA JOSI
Wos is noß?
PASCAL PARNASS
Parnaß! Wir haben letzte Woche im Dorf zusammen
getrunken. Erinnern Sie sich?
MARIA JOSI
Na.
PASCAL PARNASS
Ich bin’s. Pascal Parnaß. Schauspieler. „Die
Dornbachs“, „Dr. Koch“, der vorletzte Mörder im
Tatort!
MARIA JOSI
Na.
PASCAL PARNASS
(imitiert mit tiefer Synchronstimme eine
Bierwerbung) „EDEN-Bräu. Der Genuß der Gewinner.
Wir zählen auf Dich!“
MARIA JOSI
I brauchat jetz a Röhrl-Bräu.
PASCAL PARNASS
Ein was?
MARIA JOSI
A Wasser ausm Röhrl. Ausm Hahn hoid!
PASCAL PARNASS
(Gibt ihr seine Mineralwasserflasche aus
dem Rucksack.) Da.
MARIA JOSI
Mersee. Wer bist jetz glei wida?
PASCAL PARNASS
Parnaß. Pascal Parnaß. Sie kennen mich aus dem
Fernsehen.
MARIA JOSI
Hob i koan!
38
PASCAL PARNASS
Gott wie anstrengend. Wir saßen letzte Woche unten
im Wirtshaus und ich erzählte Ihnen, dass ich auf
der Suche nach Adrian Singer sei und Sie kritzelten
mir diese Zeichnung mit der Wegbeschreibung.
Nachdem ich Ihnen ein hübsches Sümmchen auf den
Tisch gelegt habe. (zeigt ihm die Zeichnung)
MARIA JOSI
Jessas. Des hob i fei echt gmoin. Und des hob i Dia
gem?
PASCAL PARNASS
Allerdings.
MARIA JOSI
Mei, muß i bsuffa gwen sei.
PASCAL PARNASS
Sagen Sie, ist er das? (zeigt auf Manfred
Rockstroh)
MARIA JOSI
Wer?
PASCAL PARNASS
Adrian Singer?
MARIA JOSI
Na.
PASCAL PARNASS
Nein?
MARIA JOSI
(hat Geistesblitz) Na...nafreile issa des. Wer soin
des sonst sai? (schnell) Du, i muß waida. Pfiati.
Und jetz konnst ma mei Kartn fei zruckgem.
PASCAL PARNASS
Hören Sie, ich habe Ihnen dafür praktisch mein
letztes Hemd gegeben. Wenn es Ihnen also nichts
ausmacht, dann würde ich sie auch gerne behalten.
Ich muß ja schließlich irgendwie wieder von hier
wegkommen.
MARIA JOSI
Kruzifix. Zefix noamoi. Aba sogs koam vo wem du des
host.
39
PASCAL PARNASS
Kein Problem.
MARIA JOSI
Oisso, i hab no an Weg vor mia. Pfiati. (schnell
ab)
PASCAL PARNASS
Ja. Auf wieder sehen.
Er schaut Maria Josi hinterher, dreht sich dann rasch zu dem
schlafenden Manfred Rockstroh um und kniet sich zu ihm.
PASCAL PARNASS
(flüsternd) Herr Singer. Sie. Herr Singer. Bitte
verzeihen Sie diesen...nun wie soll ich’s
nennen...Überfall. Mein Name ist Parnaß. Pascal
Parnaß. Sie kennen mich sicher aus dem
Fernsehen...Herr Singer...
Er holt seine Wasserflasche und besprenkelt ganz leicht
Rockstrohs Gesicht mit Wasser.
MANFRED ROCKSTROH
(Im Schlaf) Das Wasser fließt ab. Was bleibt, ist
Schlamm.
Pascal rennt zu seinem Rucksack, holt ein Notizheft heraus und
notiert:
PASCAL PARNASS
„Das Wasser fließt ab. Was bleibt ist Schlamm.“
Das ist interessant. (zu Manfred) Was meinen Sie
damit?
MANFRED ROCKSTROH
(im Schlaf) Hmm, hmm.
PASCAL PARNASS
(behutsam) Herr Singer? (für sich) Schlamm.
Schlamm. Schlimm. Vielleicht hat er schlimme
Kopfschmerzen. (zu Manfred) Brauchen Sie ein
Aspirin? (zu sich) Aber was ist dann das „Wasser“?
(zu sich) „Das Wasser fließt ab.“ Klar, er braucht
Wasser. Nachdurst. Brand. (zu Manfred, flüsternd)
Herr Singer, ich hab Wasser. Wollen Sie Wasser?
MANFRED ROCKSTROH
(im Schlaf) Wasser...Unterbewertet...Kaufen...
Kaufen...
40
PASCAL PARNASS
Nein, Sie können es so haben. Sie brauchen es nicht
zu kaufen. Hier. Kommen Sie erstmal zu sich.
Er hebt Manfreds Kopf und gießt ihm ein wenig Wasser in den
halb geöffneten Mund. Woraufhin sich Manfred komplett
verschluckt und wach wird.
MANFRED ROCKSTROH
(hustend) Was? Was ist? Was wollen Sie? Ich will
meinen Anwalt.
PASCAL PARNASS
Ganz ruhig. Ich habe Ihnen nur etwas zu Trinken
gegeben.
MANFRED ROCKSTROH
Wer...wer sind Sie?
PASCAL PARNASS
Pascal Parnaß. Schauspieler. Sie kennen mich.
MANFRED ROCKSTROH
(noch benebelt) Muß ich?
PASCAL PARNASS
Mit Sicherheit. „Die Dornbachs“? Na?
MANFRED ROCKSTROH
Die wer?
PASCAL PARNASS
„Dr. Koch“? Der vorvorletzte Mörder im Tatort!
MANFRED ROCKSTROH
Ich schaue nur n-tv.
PASCAL PARNASS
Na, dann kennen Sie mich aus der Werbepause: „EDEN-
Bräu. Der Genuß der Gewinner. Wir zählen auf Dich!“
MANFRED ROCKSTROH
In der Werbepause schalte ich um.
Pascal läuft zu seinem Rucksack und holt ein paar Papiere und
eine DVD daraus hervor.
PASCAL PARNASS
Hier, meine Vita, meine Theaterkritiken und mein
Showreel.
41
MANFRED ROCKSTROH
Sehen Sie hier irgendwo einen DVD-Player?
PASCAL PARNASS
Macht nichts. Sie können auch auf meine Seite
gehen: www.PasParNaß.de
MANFRED ROCKSTROH
(verdreht die Augen)
PASCAL PARNASS
Ah, schon klar. Dann sehen Sie hier. Ein paar
Autogrammkarten.
MANFRED ROCKSTROH
Ja, das sind Sie.
PASCAL PARNASS
Sehr offen. Wie ich finde. Läßt viel Gestaltung zu.
Man muß ja immer eine ganze Bandbreite abdecken. Vom
Schwarm aller Schwiegermütter zum mörderischen
Psychopathen, oder vom jugendlichen Liebhaber zum
Ehebrecher, wie ich immer sage.
MANFRED ROCKSTROH
Aha.
PASCAL PARNASS
Oder hier. Meine letzte Kritik aus dem Hamlet:
„Sagenhaft wie Parnaß es versteht, Shakespeare so
zu zelebrieren, als säßen wir in einem
Gottesdienst, der aus den Feiertagen ein Dauergebet
werden lässt.“
MANFRED ROCKSTROH
Und was wollen Sie mir damit sagen?
PASCAL PARNASS
Ich bin hier um Sie zu studieren.
MANFRED ROCKSTROH
Um mich was?
PASCAL PARNASS
Ich weiß, das klingt jetzt ein wenig wie ein
Überfall, aber ich wusste mir keinen anderen Rat.
MANFRED ROCKSTROH
Entschuldigen Sie, ich hatte gestern einen schweren
Tag...
42
PASCAL PARNASS
Das macht nichts. Ich habe Zeit mitgebracht. Ach,
wenn ich von allem so viel hätte wie Zeit. Ich
werde Sie nicht stören. Schauen Sie, (schüttet
seinen Rucksack aus) ich habe mein eigenes Zelt
mitgebracht, Kocher, Seife, Handtuch, Zahnbürste.
Wenn ich vielleicht ab und an mein Handy bei Ihnen
aufladen dürfte…
MANFRED ROCKSTROH
Geht nicht.
PASCAL PARNASS
Ach wegen der Adapter? Machen Sie sich keine
Sorgen, auch daran habe ich gedacht. (holt
sämtliche Euro-Stecker aus seinem Rucksack)
MANFRED ROCKSTROH
Ich meine Ihr Handy. Das geht hier nicht. Hier oben
geht überhaupt kein Handy. Außer Sie haben ein
Satellitentelefon.
PASCAL PARNASS
Ach so. Macht auch nichts. Dann kann ich mich ganz
meinen Studien widmen.
MANFRED ROCKSTROH
Welchen Studien?
PASCAL PARNASS
Ihnen!
MANFRED ROCKSTROH
Ich versteh nicht ganz...
PASCAL PARNASS
Ich habe alles in Bewegung gesetzt, um Sie hier
oben aufzuspüren.
MANFRED ROCKSTROH
Mich?
43
PASCAL PARNASS
Gut, eigentlich rede ich nicht gerne darüber, das
versaut den Ruf, aber wir sind hier unter uns und
ich will mit offenen Karten spielen: Ich habe mein
gesamtes Geld in den Sand gesetzt...Also nicht ich.
Eher windige Broker, die mit meinem Geld gespielt
haben, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Einzige
für den es kein Morgen mehr gab, war ich. Die
Broker haben sich abgesetzt. Allen voran ein
Schwein Namens Rockstroh. ROCKSTROH! Merken Sie
sich diesen Namen! Freihändler der Bank meines
Vertrauens. Wenn ich den je in die Finger kriege...
MANFRED ROCKSTROH
(vorsichtig) Dann?
PASCAL PARNASS
Das möchten Sie gar nicht wissen. Ich blieb mit
einem Haufen Schulden, dem nötigen Frust,
ausbleibenden Rollen und einem stetig wachsenden
Alkoholkonsum zurück. Aber ich bin keiner, der sich
geschlagen gibt.
MANFRED ROCKSTROH
(etwas nervös) Richtig so.
PASCAL PARNASS
Jetzt habe ich die Rolle meines Lebens bekommen.
Sagt Ihnen der Titel: „Der goldene Fallschirm“
etwas? Internationaler Kinofilm. „Die
Weltwirtschaft als Wetteinsatz einer handvoll
durchgeknallter Banker.“ Europäische Co-Produktion.
Die Amis sind stocksauer. Haben die Rechte nicht
schnell genug erworben. Sie wollten es mit Brad
Pitt in der Hauptrolle realisieren. Und jetzt
spiele ich sie. Die Rolle meines Lebens: Arnold
Katz, Börsenanalyst und Brokerguru, der alle zum
Narren gehalten hat und in der Krise satte 1000%
gemacht hat. Und wer ist für diese Rolle mein
Vorbild? Sie! Was sagen Sie!
MANFRED ROCKSTROH
(unsicher) Ich bin sprachlos.
44
PASCAL PARNASS
Dachte ich mir. Deshalb bin ich hier. Ich möchte
sie studieren. Sie beobachten, Sie unter die Lupe
nehmen. Mich so eingehend mit Ihnen beschäftigen,
dass ich lerne SIE ZU SEIN. Sie brauchen mir nichts
zu erzählen, sie brauchen nichts zu tun. Lassen Sie
mich einfach an Ihrem Leben teilhaben. Aus der
Ferne. Sein sie einfach Sie selbst; mein lebendiges
Vorbild. (macht ein Foto von Rockstroh) Singer
sein, oder nicht sein. Das ist hier die Frage!
(lacht)
MANFRED ROCKSTROH
So, jetzt ist es aber genug.
Unbeachtet von den beiden öffnet sich die Tür zur Hütte und
Adrian Singer tritt heraus.
PASCAL PARNASS
Schon klar. Schon klar. Ich bleib auf Entfernung.
Ich weiß doch selbst wie es ist, permanent von wild
gewordenen Fans angestarrt und angegrabscht zu
werden.
MANFRED ROCKSTROH
Na, sehen Sie, dann wissen Sie ja bescheid.
PASCAL PARNASS
Vollkommen.
Er setzt sich in einiger Entfernung vor Manfred und macht sich
Notizen.
MANFRED ROCKSTROH
Haben Sie verstanden? Sie sollen verschwinden.
PASCAL PARNASS
(beeindruckt) Grandios, diese Macht in der Stimme.
Das ist natürlich nicht nur die Stimme. Das ist die
innere Überzeugung. Das kommt ganz tief aus dem
Bauch. Beeindruckend.
MANFRED ROCKSTROH
Welchen Teil des Wortes „Verschwinden“ haben Sie
nicht verstanden?
PASCAL PARNASS
Ah der alte Kalauer. Immer wieder gerne gehört.
Kann ich sicher irgendwo einbauen.
45
MANFRED ROCKSTROH
Hauen Sie ab!
PASCAL PARNASS
Ich verstehe ja, dass es Sie ärgert, so dreist
angestarrt zu werden. Aber ich sage Ihnen, man
gewöhnt sich dran. Und: Ich setze Ihnen mit meiner
Darstellung ein Denkmal.
MANFRED ROCKSTROH
Wenn ich Ihnen jetzt eins auf die Glocke haue, wird
das ihr Denkmal sein.
PASCAL PARNASS
Interessant, dass sie so weit gehen würden. Das
hätte ich jetzt nicht gedacht. Na, man steckt eben
nicht in der Haut eines Bankers. Leider.
MANFRED ROCKSTROH
Und jetzt reicht’s! (geht drohend auf Pascal zu.)
PASCAL PARNASS
Ok. Pause. Ich verstehe. Ich vertrete mir ein wenig
die Beine...am besten dort hinten.
MANFRED ROCKSTROH
Sie vertreten hier höchstens noch Ihren Abgang. Sie
Komödiant. Aber zackig.
PASCAL PARNASS
Sie können mich hier nicht rausschmeißen. Das ist
öffentliches Gelände. Und ich werde mich nicht um
die Chance meines Lebens bringen lassen. Nicht,
nachdem mir ein Schwein namens Rockstroh alles
genommen hat.
Adrian Singer Mischt sich ein.
ADRIAN SINGER
Guten Morgen, kann ich helfen?
PASCAL PARNASS
Verzeihen Sie. Parnaß. Pascal Parnaß. Sie kennnen
mich sicher aus dem Fernsehen.
ADRIAN SINGER
Selbstverständlich. (Imitiert den Affen aus der
Toyota-Werbung):“Nichts ist unmööööglich:
Toyooooota!“
46
PASCAL PARNASS
Nein, da müssen Sie mich jetzt verwechseln.
ADRIAN SINGER
So? Dabei könnte ich schwören, dass Sie der Mann
mit der falschen Betonung waren.
PASCAL PARNASS
Der bin ich ganz sicher nicht. Wer sind Sie, wenn
ich fragen darf?
MANFRED ROCKSTROH
(dazwischen) Das ist...ein alter Freund von mir...
netter Besuch.
Auf den fragenden Blick von Adrian Singer springt Manfred
Rockstroh die Stufen zur Hütte hoch und stellt sich neben ihn
um ihm zuzuflüstern:
MANFRED ROCKSTROH
(flüsternd) Ich erklär gleich alles. (zu Pascal)
Ja... ansonsten hat es mich sehr gefreut, aber ich
stehe leider nicht zur Verfügung. Danke.
ADRIAN SINGER
Wozu denn bitte?
MANFRED ROCKSTROH
Ach weißt Du, Herr Pornaß...
PASCAL PARNASS
Parnaß.
MANFRED ROCKSTROH
... Parnaß möchte gerne hier oben einen Film
drehen.
PASCAL PARNASS
Nein. Recherchieren. „Der goldene Fallschirm“. Ich
bin der Hd.
MANFRED ROCKSTROH
Wer?
PASCAL PARNASS
Der Hauptdarsteller. Sozusagen das Alter-Ego von
Herrn Singer. (deutet auf Manfred)
ADRIAN SINGER
Interessant. Und Sie möchten deshalb Herrn Singer
(deutet auf Manfred) imitieren?
47
PASCAL PARNASS
„Imitieren“... Ich bitte Sie. Ich bin Profi. Ich
muß mich in ihn versenken, um ER ZU SEIN!
MANFRED ROCKSTROH
Ja, nun, meine Antwort kennen Sie und ich möchte
Sie jetzt zum letzten Mal bitten, meinen...diesen
Grund zu verlassen.
PASCAL PARNASS
Aber…
ADRIAN SINGER
(zu Manfred) Aber „Adrian“, der Herr Parnaß kommt
den weiten Weg herauf, um den berühmten Singer
kennen zu lernen. Was würdest Du denn tun, wenn Du
dir deshalb den weiten Weg gemacht hättest.
MANFRED ROCKSTROH
Hab ich aber nicht.
ADRIAN SINGER
Tatsächlich nicht?
MANFRED ROCKSTROH
Ganz bestimmt nicht.
ADRIAN SINGER
Soviel ich mitbekommen habe, ist Ihnen ihr Vermögen
abhanden gekommen? Herr Parnaß? Durch einen
windigen Hund namens...?
PASCAL PARNASS
Rockstroh!
ADRIAN SINGER
Ja, der ist mir ein Begriff.
PASCAL PARNASS
Kennen Sie ihn?
ADRIAN SINGER
Flüchtig.
PASCAL PARNASS
Wissen Sie wo er sich aufhält?
ADRIAN SINGER
Er versucht gerade unentdeckt zu bleiben.
48
PASCAL PARNASS
Ich habe tagelang vor seinem Haus auf ihn gewartet.
ADRIAN SINGER
Ich könnte ein Treffen arrangieren.
MANFRED ROCKSTROH
So! Genug geplaudert.
ADRIAN SINGER
Aber ich fange doch gerade erst an mit Herrn
Harras…
PASCAL PARNASS
Parnaß
ADRIAN SINGER
...zu plaudern.
MANFRED ROCKSTROH
Aber…
ADRIAN SINGER
Herr Parnaß, Herr Singer hat nichts dagegen, wenn
Sie hier ihre Zelte aufschlagen, um ihn zu
studieren. Er ist mir einen Gefallen schuldig. (zu
Manfred) Nicht wahr, Herr „Singer“.
MANFRED ROCKSTROH
Hmm.
PASCAL PARNASS
Ich danke Ihnen. Herr...
ADRIAN SINGER
Meine Freunde nennen mich Dig.
PASCAL PARNASS
Ok. Danke...Dig.
Er macht sich unbeholfen an sein Zelt. Man sieht, dass er es
zum ersten Mal versucht. Im Laufe der Folgenden Ereignisse
führt Pascal einen verzweifelten Kampf mit seinem Zelt.
MANFRED ROCKSTROH
(leise zu Adrian) Was soll das denn?
ADRIAN SINGER
Das frage ich Sie?
49
MANFRED ROCKSTROH
Er hat mich verwechselt. Ich wurde wach und er
quatschte mich mit Ihrem Namen an.
ADRIAN SINGER
Anscheinend hat Ihnen das gefallen…
MANFRED ROCKSTROH
Ehe ich ihn bremsen konnte, hat er mir von einem
„Schwein Namens Rockstroh“ erzählt, der ihn
angeblich in den Ruin getrieben hat. Wie konnte ich
mich da zu erkennen geben?
ADRIAN SINGER
Das ist Ihr Problem.
MANFRED ROCKSTROH
Jetzt ist es unser Problem. Deshalb schmeiße ich
ihn jetzt auch vom Hof.
ADRIAN SINGER
Damit wir morgen das Fernsehen, das Kino und die
gesamte Unterhaltungsjauche hier oben haben!?
MANFRED ROCKSTROH
Daran habe ich nicht gedacht.
ADRIAN SINGER
Das scheint Ihnen öfter zu passieren.
MANFRED ROCKSTROH
Was soll das denn?
ADRIAN SINGER
Sie wollen Broker sein?
MANFRED ROCKSTROH
Allerdings! Und ein verdammt guter!
Pascals Zelt fällt gerade über ihm zusammen.
PASCAL PARNASS
Scheiße.
ADRIAN SINGER
Ein guter Broker spielt!
MANFRED ROCKSTROH
Und was hilft mir das?
ADRIAN SINGER
Spielen Sie!
50
MANFRED ROCKSTROH
Wozu?
ADRIAN SINGER
Es macht Spaß. Geben Sie ihm, was er will.
MANFRED ROCKSTROH
Warum sollte ich das tun?
ADRIAN SINGER
Weil ich hier oben genauso wenig erkannt werden
will wie Sie! Sie Blitzmerker.
Gerade fällt Pascals Zelt zum zweiten Mal zusammen.
ADRIAN SINGER
(zu Pascal) Sie machen das ganz toll!
PASCAL PARNASS
(aus seinem Zelt) Danke. Ich hab hier irgendwie
noch nicht den richtigen Zugang zu der Sache.
MANFRED ROCKSTROH
(leise) Dafür stecken Sie aber ganz schön tief
drinnen.
PASCAL PARNASS
Aber ich komm schon noch dahinter, wie das hier
alles zusammenhängt. Ich finde die Zentralschraube.
MANFRED ROCKSTROH
(leise) Hoffentlich nicht.
ADRIAN SINGER
(zu Manfred) Das hängt von Ihnen ab.
PASCAL PARNASS
(Aus dem Zelt) Hey, was ist ein Holländer ohne
Anhängerkupplung? Na? Obdachlos! Gut? Oder? Hahaha!
War ein Camperwitz. Kommt aber anscheinend genauso
an wie meine Zeltbaukünste.
ADRIAN SINGER
(leise zu Manfred) Hören Sie! Sie spielen mich, ich
spiele „Big Swinging Dig“ und wenn unser Künstler
sein „Applaus“ bekommen hat und abgezogen ist, dann
sage ich Ihnen, wie Sie wieder auf die Füße fallen.
Einverstanden?
Pascals Zelt fällt zum dritten Mal über ihm zusammen.
51
PASCAL PARNASS
Mist.
MANFRED ROCKSTROH
(leise) Mist.
ADRIAN SINGER
(zu Pascal) Herr Parnaß, der Herr Singer kommt
jetzt mal zu Ihnen und hilft ein wenig.
Einverstanden?
PASCAL PARNASS
Nein. Das kann ich nicht annehmen. Ich möchte Herrn
Singer nicht über Gebühr belästigen.
ADRIAN SINGER
Das tun Sie nicht. Er ist viel menschenfreundlicher
als er sich gibt. (zu Manfred) Nicht wahr, Herr
„Singer“!?
MANFRED ROCKSTROH
Aber gerne doch. „Big Swinging Dig“!
Er macht sich widerstrebend daran Pascal beim Aufbau seines
Zeltes zu helfen. Es wird aber nur noch chaotischer. Zwei
Männer im Kampf mit der rätselhaften Statik eines Zeltes.
MANFRED ROCKSTROH
Haben Sie keine Beschreibung?
PASCAL PARNASS
Nein. Ich hab das Zelt gebraucht gekauft.
MANFRED ROCKSTROH
So sieht das Ding auch aus. Vielleicht fehlen ja
auch ein paar Stangen und Seile.
PASCAL PARNASS
Nein, der Verkäufer hat mir versichert, dass alles
vollständig ist.
MANFRED ROCKSTROH
Und das hat er Ihnen natürlich auch schriftlich
gegeben.
PASCAL PARNASS
Auf Schriftliches gebe ich nichts. Die Rockstroh-
Fonds hatte ich auch „schriftlich“! Die sind jetzt
weniger Wert als eine Gebrauchsanleitung für dieses
Zelt. Jetzt halten Sie mal hier.
52
Er gibt ihm ein Halteseil und klopft auf der anderen Zeltseite
einen Hering in den Boden. Er besieht sich das Werk. Das Zelt
fällt abermals zusammen.
ADRIAN SINGER
(dreht sich genüsslich seinen ersten Joint und
schaut zu.) Man muss aus den Crashs lernen. Warum
viele Kleinanleger ihr Dach über dem Kopf verloren
haben... Arbeitet weiter. Ihr arbeitet am heiligen
Gral der Wirtschafttheorie.
MANFRED ROCKSTROH
Wir könnten hier eine helfende Hand gebrauchen!
ADRIAN SINGER
Ich ordne von hier oben. Ich berechne gerade den
Faktor Mensch. Die Wirtschaft ist nichts als ein
aufgespanntes Stück Stoff, das entweder einigen ein
Dach bietet oder viele unter sich begräbt.
Interessant.
PASCAL PARNASS
Sie kennen sich aus.
ADRIAN SINGER
Ich lerne. Herr „Singer“ gibt mir immer wieder die
besten Vorlagen.
MANFRED ROCKSTROH
(Er findet Josis Wegbeschreibung) Hier ist ja die
Bauanleitung.
PASCAL PARNASS
Nein, das ist nur eine, äh...
Wegbeschreibung. (nimmt sie ihm ab.)
ADRIAN SINGER
Eine Wegbeschreibung?
PASCAL PARNASS
Ja. Aber die tut nichts zur Sache.
MANFRED ROCKSTROH
Vielleicht ja doch. (nimmt sie wieder an sich.)
PASCAL PARNASS
Nein, ich habe versprochen die nicht aus der Hand
zu geben.
53
ADRIAN SINGER
Wem denn?
PASCAL PARNASS
Einer ...einem Bekannten.
ADRIAN SINGER
(ist runter gekommen und schaut auf die
Beschreibung.) Ist dieser Bekannte zufällig ein
Schlitzohr von Bäuerin? Schwer zu verstehen und
äußerst trinkfest?
PASCAL PARNASS
Ich sage nichts.
ADRIAN SINGER
Brauchen Sie auch nicht. Maria Josi, das
Schlitzohr. Die soll mir hochkommen. (Steckt die
Beschreibung ein und tritt wütend gegen eine
Spannschnur des gerade wieder aufgebauten Zeltes,
das abermals zusammenfällt.)
MANFRED ROCKSTROH
Na toll. Jetzt kannst Du’s mal aufbauen. „Diggi“.
ADRIAN SINGER
(Setzt sich wieder zu seinem Joint) Weißt Du
„Adrian“, ich möchte mich ungern auf die Ebene von
Versagern begeben. Das führt mich aufs falsche
Parket.
MANFRED ROCKSTROH
Wer ist hier ein Versager?
ADRIAN SINGER
Wussten Sie, Herr Parnaß, dass sie die Bank dafür
haftbar machen können, wenn die ihre
Aufklärungspflicht vernachlässigt hat? Schauen sie
sich Ihre Police noch einmal genau an!
PASCAL PARNASS
Welche Bank?
ADRIAN SINGER
Die, bei der Sie Ihr Geld gewinnbringend angelegt
haben.
54
PASCAL PARNASS
Die gibt es nicht mehr.
ADRIAN SINGER
Tja, dann bleibt Ihnen tatsächlich nur noch ein
Weg.
PASCAL PARNASS
Und welcher?
ADRIAN SINGER
Selbstjustiz.
PASCAL PARNASS
Sagen Sie mir wo ich ihn finde und ich spiele ihnen
eine Justizia gegen die Arnold Schwarzenegger ein
Kindergärtner ist.
MANFRED ROCKSTROH
(Lenkt ab.) So, jetzt ziehen Sie mal hier drüben und
dann steht ihr Zelt!
Pascal tut es und tatsächlich, das Zelt steht.
PASCAL PARNASS
Das baue ich ein. Das muss in den Film. Ein
Staranalyst, der die Ärmel hochkrempelt und ein
Zelt aufstellt. Das wird volksnah. Das gibt
Sympathiepunkte beim Publikum.
ADRIAN SINGER
Genau wie im Leben.
PASCAL PARNASS
(zu Manfred) Vielen Dank, Herr Singer.
MANFRED ROCKSTROH
Brauchen Sie noch Hilfe beim Einzug? Vielleicht ein
paar Möbelpacker?
PASCAL PARNAß
(ihn bereits in Gestus und Ausdruck imitierend.)
“Möbelpacker“, sehr gut.
MANFRED ROCKSTROH
Machen Sie mich nach?
55
PASCAL PARNASS
Ich weiß, dass Sie nicht erfreut sind. Aber denken
Sie daran: „Denkmal“!
MANFRED ROCKSTROH
Das ist das Letzte, woran ich denken will.
PASCAL PARNASS
(in ähnlichem Tonfall) „Das ist das Letzte, woran
ich denken will.“ Ja, ja, ich nähere mich Ihnen.
MANFRED ROCKSTROH
(drohend) Lassen Sie das!
PASCAL PARNASS
Ich mache Sie nicht nach, ich versetze mich in
Sie. „Lassen Sie das!“ Toll
MANFRED ROCKSTROH
Da habe ich ja wohl noch ein Wörtchen mitzureden.
ADRIAN SINGER
Lass’ ihn doch „Adrian“. Mir gefällt das.
MANFRED ROCKSTROH
Na, dann lass DU dich doch imitieren. „Diggi“.
PASCAL PARNASS
Ich imitiere nicht. Ich lebe mich ein! Ich gehe vom
Außen ins Innen. Das ist harte Arbeit.
MANFRED ROCKSTROH
Das reicht jetzt, sie Hanswurst.
PASCAL PARNASS
Perfekt! (ihn imitierend) „Das reicht jetzt, sie
Hanswurst.“
ADRIAN SINGER
(kichert in sich hinein.) Sind Sie mit der Nummer
noch frei?
PASCAL PARNASS
(zu Adrian) Seit dem ich Schauspieler bin, ist jeder
Mensch für mich ein offenes Buch, in dem ich lese.
Lese. Lese. (schreibt)
ADRIAN SINGER
(lacht) Bravo!
56
MANFRED ROCKSTROH
Also gut, was wollen Sie „Lesen“? Sagen Sie’s, dann
haben wir das hier schnell hinter uns.
PASCAL PARNASS
Ok. Wo anfangen... (sucht in seinen Notizen) Was
mich am meisten interessiert, ist: Wie analysiert
der Broker den Markt?
MANFRED ROCKSTROH
Es ist wie Sex. Sie brauchen zwei Dinge. Erfahrung
und Intuition. Sie müssen die Gefühle der Geliebten
immer vorausahnen; Ihr immer einen Schritt voraus
sein und sie mit ihrem Wissen überraschen.
ADRIAN SINGER
(kichert) Nicht schlecht, „Adrian“.
MANFRED ROCKSTROH
Irrt sich der Broker, ist er raus.
ADRIAN SINGER
(kichernd)...aus der Geliebten.
MANFRED ROCKSTROH
Aus dem Spiel. Er muss das Geschäft lieben wie eine
Frau. Erst dann kann er eine glückliche Beziehung
mit ihr eingehen.
ADRIAN SINGER
Und was ist, wenn seine Frau ihn betrügt?
MANFRED ROCKSTROH
Dann wird die Frau fallengelassen.
PASCAL PARNASS
Wie meinen Sie das?
MANFRED ROCKSTROH
Wir geben Empfehlungen in gut laufende Firmen. Das
bedeutet, die schlecht Laufenden verlieren an
Aktienwert, die gut Laufenden gewinnen. Die gut
Laufenden kaufen die schlecht Laufenden auf. Und
laufen dadurch umso besser.
ADRIAN SINGER
(kichert) Und läuft und läuft und läuft...und wenn
er nicht gestorben ist, bekommt er noch die
Abwrackprämie.
57
MANFRED ROCKSTROH
Sie wollten doch Herrn Pienatz...
PASCAL PARNASS
Parnaß!
MANFRED ROCKSTROH
...”etwas zu Lesen” geben!
ADRIAN SINGER
Wenn wir nicht geldgeile Zyniker wären, die jedem
Gefühl einen Kurswert geben müssten, würde ich
sagen, wir sind Kinder, die mit einer brennenden
Lunte spielen und glauben, es sei ein Lutscher.
MANFRED ROCKSTROH
Das ist Mumpitz. Ohne knallharte Analyse läuft gar
nichts.
PASCAL PARNASS
Ok. (schreibt und imitiert Manfred)
ADRIAN SINGER
Geh mit den Kunden Saufen, zeig ihnen die
Highlights des Nachtlebens, besorg ihnen was immer
sie wollen und mach sie zu deinen Freunden. Dann
fühlen sie sich verpflichtet und kaufen dir ab, was
du ihnen vorsetzt. Analyse hin oder her.
PASCAL PARNASS
Sie meinen, der Broker ein Topschauspieler auf dem
Parket, das das Geld bedeutet?
ADRIAN SINGER
Lanciere, dass ein Unternehmen wahrscheinlich rote
Zahlen schreiben wird und das Unternehmen wird rote
Zahlen schreiben!
MANFRED ROCKSTROH
Wer erzählt denn solchen Unsinn.
ADRIAN SINGER
Was machst Du, wenn du erfährst, dass deine Frau
dich mit dem Banker von nebenan betrügt?
PASCAL PARNASS
Ich haue ihm eins in die Fresse.
58
ADRIAN SINGER
Quatsch. Du wettest all dein Geld auf fallende
Werte der Bank. Dann steckst du der Presse, dass
die gute Bank bald Pleite sein wird, weil sie sich
mit exotischen Fonds verspekuliert hat. Jeder zieht
aus Angst vor der Pleite der Bank sein Geld ab und
die Bank geht Pleite. Du gewinnst Millionen! Und
dafür kannst Du Dir dann eine neue Frau kaufen.
MANFRED ROCKSTROH
Glauben Sie das nicht. Das ist Insiderhandel und
verboten.
ADRIAN SINGER
„Trash & Cash“. Kasse machen, während die Welt
zusammenbricht.
PASCAL PARNASS
Wow!
ADRIAN SINGER
Kurzsichtig und rücksichtslos. Wer zögert ist ein
Verlierer. Hire & Fire.
PASCAL PARNASS
(zu Manfred) So wie Sie in die fallenden
Aktienwerte der aufziehenden Krise investiert
haben?
ADRIAN SINGER
(ein wenig voreilig und stolz) Exakt!
PASCAL PARNASS
(verwirrt) Sie auch?
ADRIAN SINGER
(kichert) Ich bin ein „Autrist“.
MANFRED ROCKSTROH
Ein was?
ADRIAN SINGER
Ein artistischer Autist. Die Welt unter mir muß mir
egal sein, wenn ich auf dem Hochseil balanciere.
Langsam beginnt sich Pascal immer mehr für den richtigen
Adrian Singer zu interessieren. Und fängt an, sich Notizen
über ihn zu machen und ihn im Stillen zu imitieren.
59
ADRIAN SINGER
Was glauben Sie, haben wir gemacht, als die großen
Krisen die Welt erschütterten?
PASCAL PARNASS
Sie haben sich überlegt, ob sie verkaufen sollen.
ADRIAN SINGER
Quatsch. Wir haben nichts überlegt. Wir haben
gerechnet. Wir haben auf die Uhren geschaut und den
Panikpegel beobachtet. Angst und Gier! Die Welt lag
im Schock. Als die Türme zusammenbrachen lag die Welt
90 Minuten lang im Schock. In diesen magischen 90
Minuten wurde auf den Markt geworfen, was man vorher
in einem ganzen Leben nicht kaufen konnte. Und 90
Minuten lang kauften wir. Wir kauften alles auf. So
billig und günstig wie nie. Und damit machten wir ein
Vermögen. Auf dem Drahtseil über der Welt. Während
die anderen aus den Fenstern sprangen. So sind wir!
Genau so. Und jetzt spielen Sie das mal.
PASCAL PARNASS
Das muss man erst mal verdauen.
ADRIAN SINGER
Guten Appetit.
PASCAL PARNASS
Und sich dann einfühlen.
ADRIAN SINGER
Quatsch. Da gibt’s nichts einzufühlen. Das Fühlen
überlassen sie den Verlierern, oder dem Publikum.
Die zahlen dafür. So oder so.
PASCAL PARNASS
Wow.
ADRIAN SINGER
Na? Immer noch interessiert?
PASCAL PARNASS
Mehr denn je.
ADRIAN SINGER
Herzlich willkommen im Club.
In diesem Moment kommt Maria Josi auf die Bühne.
60
MARIA JOSI
(zu Adrian) Grias die Adrian! Host du mei Mathild
gseing? Des damisches Sauviech, des damische? (Als
Adrian schweigt.) Net? Na des wead dem Sauviech aba no
leid doa. (im Vorbeigehen zu Manfred.) Servuß
Rockstroh! Oilde Pappnasen. Host valohrn gegen mi, ge?
(Ab) (Alle drei schauen sich verdutzt an.)
Pause
61
3. SZENE
Die drei Männer stehen genau so verdutzt wie im letzten Moment
vor der Pause.
PASCAL PARNASS
(zu Manfred) Sie sind Rockstroh?
MANFRED ROCKSTROH
Äh, nein.
PASCAL PARNASS
Die Bäuerin hat Sie aber gerade „Rockstroh“
genannt.
MANFRED ROCKSTROH
Da haben Sie sich verhört.
PASCAL PARNASS
Ich glaube nicht.
MANFRED ROCKSTROH
Mein Name ist Singer.
PASCAL PARNASS
Nein. (zu Adrian) Sie sind Herr Singer!
ADRIAN SINGER
Adrian.
PASCAL PARNASS
Ihr Säcke! Da spielt ihr mir hier ein
Schmierentheater vor, dass jeder Depp durchschaut
und glaubt, ich komme nicht dahinter?
MANFRED ROCKSTROH
Moment mal. Sie haben mich permanent mit „Singer“
tituliert.
ADRIAN SINGER
Und einem Menschen mit einer Mission sollte man nie
die Illusionen nehmen.
PASCAL PARNASS
(zu Manfred) Sie haben mein Geld verzockt.
MANFRED ROCKSTROH
Ich habe Fonds aufgelegt über deren Risiko ich
informiert hatte!
62
PASCAL PARNASS
Dann wird es Zeit, dass ich Sie über die Risiken,
die Sie mit „dem Auflegen Ihrer Fonds“ eingegangen
sind, „informiere“.
Er nähert sich ihm.
MANFRED ROCKSTROH
Ganz ruhig. Wir können über alles reden.
PASCAL PARNASS
Vom Reden bekomme ich kein Einlagen zurück. (geht
weiter auf ihn zu.)
MANFRED ROCKSTROH
Vorsicht. Machen Sie sich nicht unglücklich.
PASCAL PARNASS
Mich ganz bestimmt nicht. Aber für Dich wird’s eng.
MANFRED ROCKSTROH
Wir sind doch erwachsen. Ich bitte Sie.
PASCAL PARNASS
Falsch! (imitiert perfekt Adrian Singer) Wir sind
spielende Kinder mit der Lunte in der Hand.
Er greift sich eine Zeltstange und stürzt sich auf ihn.
Manfred greift sich eins von seinen zu kurz gesägten Hölzern.
Sie kämpfen solange bis sie übereinander herfallen und ins
Zelt stürzen, das über ihnen abermals zusammenbricht.
Maria Josi tritt erschöpft auf.
MARIA JOSI
Jo wos isn do los? Grias eich. Wie gähds oiwei? I
hobts ihr eia Bierzeyt zamghaut?
Langsam krauchen die Männer unter dem Zelt hervor.
ADRIAN SINGER
Maria Josi! Du Schlitzohr. Haben wir das alles dir
zu verdanken?
MARIA JOSI
Ja warum jetzat mia?
ADRIAN SINGER
(zeigt ihm die Wegbeschreibung) Die ist doch von
Dir, oder?
63
MARIA JOSI
Ja...do...iss ja mei Kartn. Di suach i scho dauand.
Das de jetzat bei dia is? Ha! Des is gschpassig.
PASCAL PARNASS
(sich aus dem Zelt befreiend zu Manfred)
Ich mach Dich alle.
MANFRED ROCKSTROH
Na dann komm. Dann zeig mal was du drauf hast.
Komödiant.
Beide tanzen um die Reste des Zeltes.
PASCAL PARNASS
Ich bin Schauspieler. Du...
Du...Existenzvernichter.
MANFRED ROCKSTROH
Komm her, wenn Du was willst. Faxenmacher.
PASCAL PARNASS
Ich will mein Geld zurück, und zwar ein bisschen
plötzlich, Du Hirnpfütze.
MANFRED ROCKSTROH
Reimejodler.
PASCAL PARNASS
Das wars.
MARIA JOSI
(die beiden beobachtend) Dös gfällt ma.
ADRIAN SINGER
Ich schlage vor, ihr einigt euch.
PASCAL PARNASS/MANFRED ROCKSTROH
Wie einigen?
ADRIAN SINGER
(zu Pascal) Was hast Du verloren?
PASCAL PARNASS
200.000,-
ADRIAN SINGER
Wann?
PASCAL PARNASS
Vor anderthalb Jahren.
64
ADRIAN SINGER
Wie hoch war die garantierte Rendite?
PASCAL PARNASS
12% pro Jahr.
ADRIAN SINGER
Wie lange lag Dein Geld im Fond bevor er sich
auflöste?
PASCAL PARNASS
5 Jahre.
ADRIAN SINGER
(zu Manfred) Wie hoch waren die tatsächlichen
Rendite?
MANFRED ROCKSTROH
Das weiß ich doch jetzt nicht mehr.
ADRIAN SINGER
(wie ein Computer, der Daten ausspuckt!) Aber ich.
Der Rockstroh-Fond schüttete abwärts vom letzten
Jahr 35%, 43%, 54%, magere 28%, 52% und 48% aus.
Das sind im ersten Jahr 200.000,- Einlage plus 48%
gleich: 296.000,-! Im zweiten Jahr plus 52% gleich
450.000,-! Im dritten Jahr plus magere 28% gleich
576.000,-, plus 54% im vierten Jahr, macht
887.000,-, plus 43%, macht 1.269.000,- plus ein
halbes Jahr lang 35% also 17,5%, macht 1.492.000,-
Euro.
PASCAL PARNASS
Könnte ich den Mittelteil bitte noch einmal hören.
MARIA JOSI
Mei, des is ja...leck mi, des is ja...ja narrisch.
Und wo kriagt ma des gschenkt?
ADRIAN SINGER
Unser Manne hat allein aus deiner Anlage
1.292.000,- Euro Kapital geschlagen.
MANFRED ROCKSTROH
Sie wissen genau, dass das eine absolute
Milchmädchenrechnung ist. Was ist mit den
Verwaltungskosten, dem Ausgabeaufschlag, den
Portfoliomanagern, die ausbezahlt wurden?
65
ADRIAN SINGER
Den Ausgabeaufschlag hast Du eingestrichen, der
Portfoliomanager warst Du und die Verwaltung hat
die Bank aus ihrer Kasse gezahlt. Macht einen
Reingewinn von 1.492.000,- Euro.
MANFRED ROCKSTROH
Absurd.
ADRIAN SINGER
Stimmt, das ist absurd. Davon kann Pascal seinen
Film selbst produzieren. Und dieses Geld wirst Du
ihm jetzt auch überweisen.
MANFRED ROCKSTROH
Wie bitte?
MARIA JOSI
Sakkrisch guat.
ADRIAN SINGER
Entweder Du gehst jetzt an dein Satellitentelefon
und führst den Auftrag aus, oder ich informiere die
Presse über deinen Aufenthaltsort.
MANFRED ROCKSTROH
Das ist Erpressung!
ADRIAN SINGER
Das ist besser als Knast.
MANFRED ROCKSTROH
Aber ich habe nicht soviel Geld.
ADRIAN SINGER
Wer 30 Millionen Boni und 30 Millionen Rendite
eingestrichen hat, der hat das Taschengeld von
anderthalb Millionen jederzeit griffbereit. Du
wolltest doch einen Rat: Investiere in Deine
Sicherheit.
PASCAL PARNASS
(benommen) Ist hier irgendwo eine versteckte
Kamera?
MANFRED ROCKSTROH
Das werde ich nicht tun. Nie im Leben.
Meine Konten sind eh gepfändet.
66
ADRIAN SINGER
Gut. (Nimmt eine von den Zeltschnüren.) Maria, Du
hältst jetzt den Manfred mal fest.
MANFRED ROCKSTROH
Was wird das? Wenn ich fragen darf?
MARIA JOSI
Gemma her Biarschl. (behände springt Maria Josi zu
Manfred und dreht ihm kraftvoll den Arm auf den
Rücken.)
MANFRED ROCKSTROH
Au, du tust mir weh.
ADRIAN SINGER
Pascal, leg ihm den Strick um und zieh ihn fest.
PASCAL PARNASS
Eye, eye Käpt’n.
Adrian geht ins Haus, kommt sofort mit seinem
Satellitentelefon zurück. Er wählt, während Manfred weiter
gefesselt wird.
ADRIAN SINGER
Ist da das News Service Portal? Ich habe eine
Exklusivstory für Sie.
MANFRED ROCKSTROH
(der gerade geknebelt wird)
IhrSchweinemachtmichlosdasistFreiheitsberaubung.
JOSI MARIA
Wos host gsogt?
ADRIAN SINGER
(ins Telefon) Interessiert Ihr Euch für einen
flüchtigen Broker?
MANFRED ROCKSTROH
IchzahleIchzahleIchzahle.
ADRIAN SINGER
(ins Telefon) Moment bitte. Ich rufe gleich zurück.
(zu Pascal) Hol sein Telefon.
PASCAL PARNASS
Das klingelt wie Geld in meinen Ohren. (zu Manfred)
Wenn ich um den telefonischen Apparat bitten
dürfte.
67
MANFRED ROCKSTROH
Häh?
PASCAL PARNAß
Das Feldtelefon, Du Loser, damit wir ein wenig die
Kriegskasse aufpolieren.
MANFRED ROCKSTROH
(schwach) Sehr komisch, du Hans-Wurst.
PASCAL PARNASS
Na!
MANFRED ROCKSTROH
In meiner Jackentasche.
Pascal holt das Telefon aus seiner Tasche und überreicht es
feierlich Manfred.
PASCAL PARNASS
Die Friedenspfeife, großer Bruder. Oder besser:
gleich großer Bruder.
Während Manfred die Nummer seines Accounts wählt, dreht sich
Adrian den nächsten Joint, Maria Josi grinst, während Pascal
sich ein Siegesgeschrei verkneifen muß.
MANFRED ROCKSTROH
Hier Rockstroh. Kontonummer 38146. Zugangscode:
„Creditboy“.
ADRIAN SINGER
(kichert) „Creditboy“.
MARIA JOSI
Den hod a verspuid. Bis Sankt Nimmerlein. Sei
Credit.
MANFRED ROCKSTROH
Haben Sie? OK. Überweisen Sie Eins-komma... (zu
Adrian) Wieviel?
ADRIAN SINGER
Runde auf. Mach Anderthalb Millionen draus. Das ist
einfacher für die Bank. Zum Rechnen.
PASCAL PARNASS
(mit zitternden Händen reicht er Manfred seine EC-
Karte) Auf dieses Konto bitte.
68
MANFRED ROCKSTROH
(ins Telefon) Anderthalbmillionen auf das Konto
7624587, Bankleitzahl 456 2200. Auf den Namen
(ließt) Pascal Parnaß. Was? Ja, ich weiß, dass das
Konto damit leer ist.
ADRIAN SINGER
(ins Telefon) Und bitte sofortige
Auftragsbestätigung an Parnaß’ Bank.
PASCAL PARNASS
Yes!
ADRIAN SINGER
So, und jetzt rufst Du Deine Bank an, und fragst,
ob die Anweisung gefaxt wurde. (reicht ihm sein
Telefon)
PASCAL PARNASS
(wählt mit zittrigen Fingern) Hallo? Hier Parnaß.
Meine Nummer: 7624587. Mein Zugang: „Brad Pit“.
ADRIAN SINGER
(kichert) Das Bankgeheimnis sollte nie gelüftet
werden. Was da sonst alles an geheimen Wünschen zu
Tage träte...
PASCAL PARNASS
Haben Sie eine Gutschrift auf meinem Konto? Was?
Alimente sind abgegangen?... Dispo überzogen?...
Schauen Sie mal auf Ihr Faxgerät... Kommt da
was?... Was? (zu den anderen) Das ist schon
abgestellt. Die Bank schließt gleich. Ich dreh
durch.
ADRIAN SINGER
(nimmt den Hörer) Hier Singer. Sie haben noch genau
2 Minuten geöffnet und gehen jetzt zu Ihrem Fax,
stellen es an und schauen in den Eingang. Wenn Sie
das nicht tun, haben Sie morgen eine
Dienstbeschwerde nach Paragraf 18 b 12 Absatz 3 auf
dem Tisch, der Ihnen in der derzeitigen Lage den Job
kosten dürfte. Sie haben die Wahl... (hält den Hörer
zu. Zu den anderen) Er geht nachsehen.
PASCAL PARNASS
Woher kennen Sie diese Paragraphen?
69
ADRIAN SINGER
Kenne ich nicht. Aber der Angestellte auch nicht.
Und er wird mit 100%iger Sicherheit nicht innerhalb
von 2 Minuten nachschlagen gehen und damit seinen
Job riskieren. (ins Telefon) Ja? Ich reiche Sie
weiter. (reicht Pascal das Telefon) Ihr Goldesel.
PASCAL PARNASS
(nimmt den Hörer) Ja? ... Wieviel? ... Danke.
Er lässt das Telefon fallen, gleitet langsam zu Boden und
bleibt dort ohnmächtig liegen.
70
4. SZENE
Nachts. Die Vier sitzen um ein Lager(theater)feuer auf der
Wiese. Alle sind heiter. Bis auf Manfred. Rechts im Anschnitt
ist wieder wie am Anfang der Schwanz von der grasenden Mathild
zu sehen.
PASCAL PARNASS
...Wird ein Schauspieler gefragt, wie viel Geld er
für einen Drehtag bekommt. Antwortet der: 10.000.
Sagt der andere: Das ist ja mehr, als der
Finanzminister kriegt. Darauf der Schauspieler: Der
spielt ja auch keine Rolle. (alle außer Manfred
schütten sich aus.)
ADRIAN SINGER
Ein Broker erwacht nach zwei Jahren aus dem Koma in
das er bei einbrechender Finanzkrise fiel. Er
fragt: Was macht die Konjunktur? Alles in Ordnung.
Was macht die Krise? Überstanden. Was kostet ein
Bier? 3000 Yen. (alle außer Manfred schütten sich
aus.)
MARIA JOSI
Streitens sich zwoa. Soagt der oane: Du, i hob
Liabesbriaf dahoam in vier vaschidne Sproch. Sogt
der Andre. Des is nix, i zahl Alimente in sechs
vaschidne Währung. (alle außer Manfred schütten sich
aus.)
MANFRED ROCKSTROH
Lautsprecheransage im Spieleparadies: Der kleine
Dax möchte im Keller von seinen Anlegern abgeholt
werden. (alle außer Manfred schweigen.)
Es wird getrunken, geraucht, gegessen. Außer Manfred. Der
setzt nur ab und zu die Schnapsflasche an.
ADRIAN SINGER
(zu Pascal) Und, wie fühlt man sich? Plötzlich
Millionär?
PASCAL PARNASS
Uhh. Das ist wie ein himmlisches Bad im Harem von
Topkapi; inmitten der schönsten Frauen, die mich
alle gleichzeitig massieren.
71
ADRIAN SINGER
Bei 40 Frauen lernst du keine wirklich kennen.
Konzentriere dich auf eine, lerne sie kennen und
investiere in sie! So geht das bei Aktien.
MANFRED ROCKSTROH
Vor allem mit meinem Geld!
PASCAL PARNASS
Meinem Geld.
MARIA JOSI
Red ma net drüber, sauf ma drauf.
MANFRED ROCKSTROH
Das bringt meinen Verlust auch nicht wieder rein.
Auch bei (riecht an der Flasche) geschätzten 40%
nicht.
PASCAL PARNASS
Geld verschwindet nicht! Nur seine Besitzer
wechseln. (lacht)
MARIA JOSI
Prost.
ADRIAN SINGER
Wie macht man an der Börse ein kleines Vermögen?
MANFRED ROCKSTROH
Indem man ein großes mitbringt.
MARIA JOSI
Des is guat. Des merk I mia.
ADRIAN SINGER
Wie macht man heute wieder gute Geschäfte?
MANFRED ROCKSTROH
(mürrisch) Das war von Anfang an meine Frage.
MARIA JOSI
Indem ma orbeid. Wos sonst?
ADRIAN SINGER
(zieht am Joint und deutet auf ihn) Hier drin
stecken meine kleinen Arbeiter. Flink und
zuverlässig.
MANFRED ROCKSTROH
Wie? Drogenabhängige? Kiffer?
72
ADRIAN SINGER
Hanf!
MANFRED ROCKSTROH
Hanf?
ADRIAN SINGER
(liebevoll die Tüte streichelnd) Älteste Nutz-,
Faser-, Heil-, und Ölpflanze der Welt. Seit 2500
vor Christus..
MANFRED ROCKSTROH
Jetzt kommt die älteste Geschichte der Welt.
ADRIAN SINGER
Stimmt. Die erste Gutenberg Bibel war auf Hanf
gedruckt. Die ersten haltbaren Segel bestanden aus
Hanf. Wächst überall wie Unkraut.
Schädlingsresistent und pflegeleicht. Besser geht’s
nicht!
MANFRED ROCKSTROH
Bier macht dick, Schnaps macht krank, ich bin
Kiffer, Gott sei Dank. (er nimmt Adrian die Tüte ab
und raucht.)
ADRIAN SINGER
Stimmt, hilft gegen grünen Star, Depressionen und
Appetitlosigkeit.
MARIA JOSI
Marhuana, die oanzge Grasoart, die an Gärtna
ummähen ko.
MANFRED ROCKSTROH
Was hat er gesagt?
PASCAL PARNASS
Er meint, dass du dich entspannen sollst.
MANFRED ROCKSTROH
Ich mich entspannen? Ich soll mich entspannen? Das
muß ich mir von einem unterbelichteten
Darstellungsbeamten nicht sagen lassen, der mir
gerade 1,5 Millionen gestohlen hat?
PASCAL PARNASS
Traf es einen Armen?
73
MANFRED ROCKSTROH
(es bricht aus ihm heraus) Habt ihr eine Ahnung!
Meine Frau ist mit den Kindern weg. Meine Libido
ist im Arsch. Arbeit statt Sex, ein Magengeschwür
und eine vergrößerte Prostata. Ich kann noch nicht
mal mehr Pinkeln wenns mir passt. Mit mir ist
nichts mehr los. So sieht’s aus. (weint)
Alle schweigen. Adrian reicht ihm seinen Joint. Manfred raucht
schluchzend.
MARIA JOSI
Zwengs am Geld un de Weiba kumst im Lem nie weida.
Alle schweigen. Sinnen und starren ins Feuer.
PASCAL PARNASS
Was war das jetzt mit Hanf?
ADRIAN SINGER
Preisgünstigste Alternative für alle
Mineralölerzeugnisse. Die ultimative Alternative zu
teuren Medikamenten, umweltschädlichem Mineralöl,
holzintensiver Papierherstellung und
chemieintensiver Farben-, Lacke- und
Waschmittelherstellung.
PASCAL PARNASS
Und wie macht man damit Geschäfte?
ADRIAN SINGER
Mach Dich auf die Suche nach Industrien, die sich
auf Hanfverarbeitung spezialisiert haben und
investiere!
MANFRED ROCKSTROH
Warum machst du das nicht selber?
(raucht)
ADRIAN SINGER
Weil ich die Schnauze voll habe. Ich habe genug
gezockt.
MANFRED ROCKSTROH
(reichlich zu)Du kannst nicht aussteigen. Keiner
von uns kann das.
ADRIAN SINGER
Ich habs gemacht. Mir geht’s gut hier!
My New Religion.
74
MANFRED ROCKSTROH
Geld ist unsere Religion. Unser Glaube. Unsere
göttliche Potenz. (steigert sich in einen Rausch.)
Geld verkündet uns die Wahrheit und zwar immer die
Wahrheit seines Besitzers. Geld ist der Hebel mit
dessen Hilfe wir unseren Willen durchsetzen. Das
Bewusstsein sich alles leisten zu können, ist der
Zustand göttlichen Seins. Und Geld steht für die
Überzeugung der gesamten Menschheit. Diese Allmacht
ist größer als Gott. Und sein Besitzer ist Gott.
Ich besitze! Ich besitze. Ich besitze. Ich...
bekomme... keine... Luft mehr! (taumelt und fällt
um)
PASCAL PARNASS
Er braucht Wasser.
MARIA JOSI
Na der braucht a Milli. Der hat koa Koizium mehr in
sein Bluad drin.
ADRIAN SINGER
Ein Irrwitz. Das alles. Ein Irrwitz. Das bricht
alles zusammen.
MARIA JOSI
Ja, des sixt ja jetzat deitlich. Jetz flaggta do.
Sie läuft an den rechten Bühnenrand und melkt schnell Mathild
in einen Eimer..
MARIA JOSI
Der Herr Burgschauspieler, der windige, kumm. Druck
eam s Mai auf. Etz kriagt er a gscheide Infusion.
PASCAL PARNASS
Parnaß ist mein Name. Außerdem muß ich auf
Toilette.
MARIA JOSI
Scho guat. Kimm, Adrian, hilf halt du.
Sie bearbeiten beide Manfred Rockstroh. Während Adrian ihm den
Mund aufhält und Maria Josi langsam Milch aus dem Eimer
fließen lässt, sammelt Pascal heimlich Satellitentelefone und
Wegbeschreibung ein. Er verschwindet. (ab)
75
ADRIAN SINGER
(während er Manfred den Mund aufhält)Immer neue
Schulden. Wir leben auf Schulden. Ein ganzer Berg
voll. Wir leben ohne Deckung. Ein Wahnsinn! Neues
Geld muß her! Leistungsgedecktes Geld. Geld, dass
im Fluß ist. (schaut, wie Milch in Manfreds Mund
rinnt) Es darf nicht gehortet werden. (zu Manfred)
Nun schluck schon. Das ist es! Es muß verarbeitet
werden. Jeder muß bis zu einem bestimmten Stichtag
sein Geld los sein. Es in Werte umgesetzt haben, da
es am nächsten Tag nichts mehr wert ist. Wer will
schon die Scheiße von Gestern wiederkäuen. (zu
Mathild) Na gut, du vielleicht. Aber dein Gras
bringt ja auch keine Zinsen. (benommen) Wo war ich?
Ach ja, dann wird neues Geld aufgelegt und nur der
bekommt es, der Gegenwerte bietet, die er mit dem
Verkauf seines alten Geldes geschaffen hat. Kein
Zins. Kein Zinseszins. (zu Mathild) Gell, du
verstehst mich.
Das ist nämlich Vollbeschäftigung. Das ist gesunde
Zirkulation. Das ist der wahre Sinn des Geldes.
Sein Tauschwert. Nicht Spekulationsobjekt.
Freibier. Ich meine Freigeld. (zu Manfred) Oder
Freimilch. Das bringt uns auf die Beine. Das stellt
Wertesysteme wieder her. Das ist krisensicher. Das
ist endloses Monopoly mit limitiertem
Höchsteinsatz. Langweilig, aber langwierig. Und
somit wirtschaftlich sicher. Genial. Manne: wir
machen Freigeld!
Maria lässt weiter Milch fließen. Manfred schluckt warme Milch
und kommt langsam zu sich. Glücklich schaut er Mathild in ihre
großen Augen.
MANFRED ROCKSTROH
(benommen) Mama?
ADRIAN SINGER
Nein. Freigeld.
MANFRED ROCKSTROH
Geld?
ADRIAN SINGER
Ja, Freigeld.
76
MANFRED ROCKSTROH
Mama.
MARIA JOSI
Wo is unsa Kaschperlkopf hi?
MANFRED ROCKSTROH
(benommen) Hier!
MARIA JOSI
Der hot si jetz gschlicha.
MANFRED ROCKSTROH
Nein. Ich bin doch hier.
MARIA JOSI
Wo wui der denn jetz no hi?
ADRIAN SINGER
Ich fürchte, er ist schlauer als wir dachten.
MANFRED ROCKSTROH
(immer noch benommen) Nach Hause telefonieren.
ADRIAN SINGER
Morgen. Jetzt wird erstmal geschlafen.
Er sucht sein Telefon.
MANFRED ROCKSTROH
Nach Hause telefonieren.
Jetzt sucht auch Adrian sein Telefon.
ADRIAN SINGER
Ich glaube, wir haben ein Problem.
MARIA JOSI
(ruft in die Dunkelheit) He Mo, wo wuist den no hi.
Du findst du nia obe.
ADRIAN SINGER
Ich glaube schon. Er hat deine Karte.
MARIA JOSI
Na wart, den find i scho wieda. (Ab.)
MANFRED ROCKSTROH
Gibt’s noch was von dem Salat in der Tüte?
77
ADRIAN SINGER
Du hast genug für heute.
MANFRED ROCKSTROH
Ich trink auch meine Milch aus.
Er legt sich hin und kippt sich den Milcheimer in den Mund.
Black/Vorhang
78
5. SZENE
Der Vorhang wird mittig nach hinten gezogen und gibt ein
Rednerpult frei. Projektion auf den Vorhang:
„INVESTITION HANF: ROHSTOFF DER ZUKUNFT“
Darunter:
„Special Guest: Adrian Singer“
Applaus vom Band.
Auftritt Pascal Parnaß in perfekter Maske und Garderobe als
Adrian Singer. Im Folgenden imitiert Pascal Parnaß Adrian
Singer zum verwechseln ähnlich.
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Liebe Manager, liebe Analysten. Ich hatte ich mich
vor geraumer Zeit vom Parket verabschiedet, um in
Ruhe die Früchte meiner, unserer Arbeit zu
genießen. Aber wie Sie wissen: (rezitiert)
„Wer sie nicht kennte,
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Wäre kein Meister
Über die Geister...“
Goethes Faust. Schön nicht? Rein und klar.
(Applaus)
Ich kann nicht anders: Ich bin zurück!
Sind wir nicht geboren, um ein Mehr zu schaffen?
Sind wir das nicht unseren Anlegern schuldig? Denn
wie heißt es so schön: Die Gier stirbt zuletzt.
(Gelächter und Applaus) Ich habe etwas für Sie
mitgebracht, dass krisensicher nicht sein kann.
Gerade weil die Anleger die Schnauze voll haben vom
ewigen Rauf und Runter der Börse, habe ich für Sie
das perfekte Produkt! Der Rohstoff zum Abheben!
Pascal schnipst mit den Fingern. Eine Schaukel kommt aus dem
Schnürboden. Pascal setzt sich darauf, wird mit ihr ein Stück
hochgezogen, holt einen Joint aus der Tasche und zündet ihn
an.
79
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Wollten Sie sich nicht alle schon einmal
seelenruhig zurücklegen, alle Viere gerade sein
lassen, dabei Geld verdienen und nebenbei etwas
Gutes tun? Dann habe ich genau das Richtige für
Sie. Es geht wie im Rausch. Es ist das Geschäft mit
einem völlig vernachlässigten Produkt. Schauen Sie:
Was habe ich hier an? Armani? Nein Hanf!
Was halte ich hier in Händen? Bedruckte Seiten?
Nein Hanf. Woraus ist das Seil der Schaukel, die
mich trägt? Hanf! Woraus dieser Vorhang hinter mir?
Hanf! Womit ist er gefärbt? Hanf! Womit wird er
gewaschen? Hanf! Womit heile ich meine Depressionen
wenn Sie mir das nicht glauben? Hanf! Womit
bekämpfen Sie ihren grünen Star? Hanf! Was wächst
wie Unkraut? Hanf. Womit fährt ihr Auto wenn uns
das Öl ausgeht? Hanf. Womit dämmen sie Ihre Häuser
wenn die nächste Eiszeit kommt? Hanf. Womit heizen
Sie ihre Öfen, wenn Kohle, Gas und Öl versiegen?
Hanf. Hanf. Und nochmals Hanf.
ZWISCHENRUFERIN
Und rauchen kann man es auch.
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Richtig. (zündet sich seinen Joint an, schaukelt)
Das hilft gegen den Frust bei schwacher Rendite.
Und genau das passiert Ihnen bei Hanf nie. Der
Krisensicherste Rohstoff der Erde. Komplett
unterbewertet. Und genau hier setzen wir an.
(schaukelt vor und zurück und gibt so seiner Rede
Nachdruck) Während sich der Markt nach wie vor auf
und ab bewegt; Anleger unsicher sind, ob der
Ölpreis steigt oder fällt, die Chemische Industrie
im Auf- oder Abwärtstrend ist, die Heizkosten
steigen oder sinken, unsere Autos fahren oder
nicht, Geld bald nur noch Papier ist, oder wieder
einen Gegenwert erhält; Investieren wir in ein
stabiles Fundament! All diese Märkte lassen sich
mit Hanf regulieren. Investieren wir in die
Industrien, die sich auf die Erzeugung,
Verarbeitung und Vermarktung von Hanf spezialisiert
haben. Bauen wir auf den Fels in der Brandung. Wir
liefern, wenn der Ölpreis steigt. Und unsre Aktien
steigen. Wir sind zur Stelle, wenn andere versagen.
Und unsre Aktien steigen. Wir gleichen aus, wenn
der nächste Riese fällt. Und unsere Aktien steigen.
Sie steigen immer dann, wenn andere in der Krise
80
stecken. Und von Krisen meine Damen und Herren:
haben wir genug. Sollen die anderen weiterhin in
leere Blasen investieren. Sollen sie Benchmarken ob
ihr Call im Rahmen des Exposures ihres Jelly Rolls
liegt, oder ob sie besser hedgen, um Ihr
Kurs/Gewinn-Verhältnis zu sichern, um dann doch zu
Scalpen und eine Short-Position mittels Spread in
eine Long-Position bei steigender Volatilität zu
verwandeln, um dann doch alles in Rauch aufgehen zu
sehen. Na? Alles verstanden?
ZWISCHENRUFERIN
Könnte ich den Mittelteil noch einmal hören?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Sehen Sie? Und genau das meine ich. Wir haben als
Kinder Wundertüten für 50 Pfennig gekauft und uns
über den Schrott geärgert, der darin steckte. Und
jetzt tun wir genau das Gleiche nur mit mehr Geld
und genau der gleichen Dummheit. Lottospielen ist
sicherer. Da wird wenigsten der Schein des Geldes
gewahrt.
ZWISCHENRUFERIN
Aber wer sagt uns das. Haben Sie uns nicht genau
diese Wundertüten verkauft?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Deshalb bin ich ja jetzt zu Ihnen zurückgekehrt, um
Ihnen das Reinste und Ursprünglichste anzubieten
was die Erde uns schenkte. Ich habe Ihnen im
Folgenden eine ganze Liste mit Hanf verarbeitenden
Unternehmen aufgelistet, in die Sie investieren
können.
ZWISCHENRUFERIN
Und wer garantiert uns den Gewinn?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Die Logik der Krise. Wir brauchen wieder reale
Gegenwerte für unser Geld. Und das hier ist einer.
ZWISCHENRUFERIN
Und (fällt leicht in einen uns sehr bekannten
Dialekt) kennas sie mia des garantiern?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
(hört auf zu schaukeln, stutzt, nervös) Sie müssen
nicht investieren, wenn Sie nicht wollen. Ich mache
nur Vorschläge.
81
ZWISCHENRUFERIN
(Kommt nach vorn an die Bühne. Wir erkennen Maria
Josi. Sie trägt ein elegantes Kleid und sieht
umwerfend aus.) Aba wenn i do wos investier, hob i
dann von Earna a a Sicherheit?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Zu einem weit höheren Prozentsatz als alle anderen
Anlageformen.
ZWISCHENRUFERIN/MARIA JOSI
Sogn ma moi so. Wenn Earna oana an dein Krogn wui,
oda an des wos dir khert. Oda no schlimma an dai
guaten Ruf und ois was da hoit so aufbaut host in
deim Lem. Wos waarn des wert. Quasi jetzat so für
di? Was waar dir des wert do drom?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
(unsicher) Wie meinen Sie das?
MARIA JOSI
Paß auf. Wenn Sie jetzat net du waarn, sondern
jemand anderst, der nur a Rolln spuin daat, wer
daat dir dann no glam?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Gute Frage.
MARIA JOSI
Findst ah, ge? Herr Singer. Des is alles eine Frage
vom Glauben. Oiso wos glabst du?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Jaa.
MARIA JOSI
Ja?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Also ich würde dem...jenigen beweisen, dass ich ich
bin.
MARIA JOSI
Und wia?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Ja, (rezitiert) „Bist du Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?“
MARIA JOSI
Ah, mit am Gedicht?
82
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Nein. Mit dem was ich am besten kann.
MARIA JOSI
Gedichte hersang?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Geld verdienen! Indem ich in die richtigen Menschen
und deren Können investiere.
MARIA JOSI
Waa i a so oana?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Sie scheinen mir zumindest so einen Eindruck zu
machen. Sie sind jemand die klüger ist, als sie
sich im ersten Moment gibt. Das gefällt mir.
MARIA JOSI
Guat, dann steig i mit fuchzg Prozent vo Iam Geld
ei!
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Von meinem Geld? (Gelächter vom Band)
MARIA JOSI
Na, wenn Sie so von iam Hanf übazeigt san, dann gems
mia an Credit von fuchzg Prozent vo Iam Geld und i
investier und zoi nachad ois zruck. Schlag ei!
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Moment. Wie bitte?
MARIA JOSI
Oiso, i glab bessa kennas de Leid do net überzeign
ois das sie mir jetzat fuchzg Prozent ihres Geldes
do nei investieren lassn. In ihr Gschäft. Herr
Par...Singer.
Tosender Applaus vom Band.
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Hut ab. Sie sind gut.
MARIA JOSI
Net woa? Herr Par...
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Ok. Ich mach den Deal. (Applaus)
83
MARIA JOSI
Des is a Word. (Schüttelt Pascal freudig die Hand.)
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
(schüttelt zerknirscht seine Hand und flüstert)
Halsabschneiderin!
MARIA JOSI
(laut) Wos host gsogt?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
(rezitiert)
„So sieh dies Zeichen,
Dem sie sich beugen,
Die schwarzen Scharen“
MARIA JOSI
Mei, Hanf drauf! I moan Hand drauf. Jetz
unterschreibma des Babier und dann samma quitt.
(holt ein vorgefertigtes Papier raus.)
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
(anerkennend) Respekt.
MARIA JOSI
Jo mei. I muß nur aus de zwanzg Prozent, die i scho
neigschriem hob, fuchzge machen.
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
(zischt) Hundsfott! (unterschreibt)
MARIA JOSI
Wos war des jetz grod?
PASCAL PARNASS (ADRIAN SINGER)
Pfundspott!
Black / Vorhang
84
6. SZENE
Der Vorhang geht auf und gibt die idyllische Almwiese frei.
Einige Tage später. Manfred Rockstroh sitzt auf einem
Melkschemel und „kämmt“ die Molke in einem Eimer zu Klumpen
für Käse. Seine Kleidung ist leger und besteht aus Resten
seines Anzuges. Auf der anderen Seite ist Adrian Singer damit
beschäftigt die kaputte Tür zu reparieren. Während Manfred
sehr zufrieden aussieht, flucht Adrian leise vor sich hin.
ADRIAN SINGER
Jetzt passt das schon wieder nicht!
MANFRED ROCKSTROH
(ins Off zu Mathild) Na, Mathild, mein Schatz,
jetzt haben wir uns eingespielt aufeinander. Hat
eine Weile gedauert, was? Du bist eine wundervolle
Kuh. Geduldig warst Du. Hast gedacht aus dem
CityBoy wird schon noch ein Cowboy.
ADRIAN SINGER
Mein Gott, jeden Tag dieses Geschwafel. Heirate sie
doch.
MANFRED ROCKSTROH
(ins Off) Er meint es nicht so, Mathild. Er ist in
seiner Selbstfindungsphase ein wenig stehen
geblieben.
ADRIAN SINGER
Doch. Er meint es so. Und dieser Geruch von
gegorener Milch hier überall. (deutet auf die Eimer,
die überall herumstehen.)
MANFRED ROCKSTROH
Das wird Käse.
ADRIAN SINGER
Das ist saure, ranzige Milch und die schmeiß ich
jetzt weg.
MANFRED ROCKSTROH
Ich experimentiere noch.
ADRIAN SINGER
Aber nicht vor meinem Haus. Geh woanders hin und
nimm deine Verlobte gleich mit. (Mathild muht im
Off.)
85
MANFRED ROCKSTROH
Ach, wem hab ich denn zu verdanken, dass ich
mittellos hier oben hänge? Daß ich mein Vermögen an
einen dahergelaufenen Statisten abgeben musste und
von hier nicht mehr wegkomme.
ADRIAN SINGER
Zum letzten Mal: Ich habe Dich nicht gebeten
hierher zu kommen.
MANFRED ROCKSTROH
Du hast aber auch nichts unternommen, als ich den
Mimen rausschmeißen wollte.
ADRIAN SINGER
Du hast Dich doch als Adrian Singer ausgegeben!
MANFRED ROCKSTROH
Ich war besoffen. Ihr habt mich mit Eurer Wetterei
bis zum Stehkragen abgefüllt.
ADRIAN SINGER
Wer wollte denn unbedingt mit dem Bauerndeppen
zocken? Du!
MANFRED ROCKSTROH
Und wer hat sich zum Oberguru aufgeschwungen und
wollte alles im Griff haben? Du!
ADRIAN SINGER
Ich bin der Oberguru!
MANFRED ROCKSTROH
Ja! Du bist der Oberuhu von Heidiland.
ADRIAN SINGER
Und Du bist ein Versager, der heulend hier ankam:
„Bitte leite mich, ich leide so…“ Solange es solche
Weicheier wie Dich gibt, gibt’s Gurus wie mich.
MANFRED ROCKSTROH
Ich ein Weichei?
ADRIAN SINGER
Zitzengrabscher.
MANFRED ROCKSTROH
Kiffer.
ADRIAN SINGER
Immer noch besser als Milchbubi.
86
MANFRED ROCKSTROH
Wer ist hier der Milchbubi?
Manfred nimmt den Eimer mit der frischen Milch und stülpt ihn
Adrian über den Kopf.
Adrian steht eine Weile reglos mit dem Eimer über dem Kopf da.
Dann nimmt er ihn ganz langsam ab, geht zu einem der Eimer mit
Manfreds Käseexperimenten und stülpt ihm einen über den Kopf.
Auftritt Maria Josi in ihrem schöen Kleid.
MARIA JOSI
Mei bei eich is ja pfundig. Ko ma da no mitmacha?
Auftritt Pascal Parnaß noch als Adrian Singer verkleidet.
PASCAL PARNASS
Ah, ein neues Spiel? „Wer hat Angst vorm weißen
Mann?“
Manfred, der seinen Topf abgesetzt hat, sieht Pascal.
MANFRED ROCKSTROH
Ahh? Noch einer von der Sorte.
ADRIAN SINGER
(mit offenem Mund zu Pascal) Ich sehe mich!
PASCAL PARNASS
Gestatten: Singer. Adrian Singer.
ADRIAN SINGER
War da was in der Milch? Hab ich was verpasst?
PASCAL PARNASS
Den Auftritt meines Lebens.
MARIA JOSI
Des war fei a ganz a gscheide Red.
MANFRED ROCKSTROH
(schaut mit offenem Mund die ganze Zeit
auf Maria in ihrem schönen Kleid)
PASCAL PARNASS
Leider waren Sie nicht zugegen, sonst hätten Sie
sicher vom großen Kuchen abhaben können. Sie
glauben ja gar nicht wie gierig sich die Manager
auf meine Hanfaktien gestürzt haben.
87
MARIA JOSI
Der hot de ja olle sauba dableckt.
PASCAL PARNASS
Sagen wir, ich habe ein wenig getrickst.
MARIA JOSI
A ausgfuxta Batzi, a ausgfuxta.
PASCAL PARNASS
Aber du warst auch nicht schlecht meine Liebe. Und
das in feinstem Hochdeutsch!
MARIA JOSI
Was? Ich? Ausgeschlossen!
MANFRED ROCKSTROH
Ha! Ich versteh Dich…!
ADRIAN SINGER
Ich dafür kein einziges Wort. Klärt mich mal jemand
auf?
PASCAL PARNASS
(zu Maria Josi) Willst Du es ihm sagen, oder muß
ich es tun?
MARIA JOSI
Mach Du des, (liebevoll):Schaustella. (zu Adrian)
Mei war der guat. I hob ihm net widakannt. Selbst
des Gedicht wos er afgsagt hat, des hätt von Earna
san kenna.
ADRIAN SINGER
Er hat also Gedichte aufgesagt…
PASCAL PARNASS
Goethe. Faust. Rein und klar.
ADRIAN SINGER
Aha. Und waren Sie erfolgreich?
MARIA JOSI
Des koma scho song. 3 Millionen hot des bracht.
PASCAL PARNASS
(bewundernd) Von denen Du Zockerin mir anderthalb
abgeluchst hast.
88
MARIA JOSI
Obgwatscht hob i di. Vor olle Leid. Weil i di
durchschaut hob. Mit deine eigne Waffen hob i di
gschlogn.
PASCAL PARNASS
Erpresst hast du mich.
ADRIAN SINGER
Dürfte ich eventuell erfahren worum es geht?
Beide hören nichts um sich. Sie sind verstrickt in einem
Streit, der beinahe einkleiner Ehestreit sein könnte.
MARIA JOSI
Ohne mi hättst des Geld nie kriagt.
PASCAL PARNASS
Ach du meinst, die Manager sind auf deinen
Hütchenspielertrick reingefallen? Das ich nicht
lache. Ohne meine steile Vorlage hättest Du keine
müde Mark gemacht.
MARIA JOSI
Des glaabst ah nua du.
PASCAL PARNASS
Wer hat denn sämtliche Hanfaktien im Vorfeld
erworben? Wer hat sie denn nach meiner genialen
Rede mit 100% Gewinn wieder verkauft? Wer wird denn
jetzt wegen Insiderhandel gesucht? Ich!
MARIA JOSI
Du?
ADRIAN SINGER
Ich meine... Adrian Singer. Also... nicht ich...
sondern...(zu Adrian) Sie.
ADRIAN SINGER
Ich? Wieso ich?
MARIA JOSI
Ja des is aba jetzt a saublede Frog. Gell Mathild.
(Mathild muht im Off.)
MANFRED ROCKSTROH
Ruhig Braune, ruhig.(bewundernd) Klever!
Maria!
89
ADRIAN SINGER
Dürfte ich vielleicht erfahren, was hier
gespielt wird?
PASCAL PARNASS
Du Geselle, bist nun ein Flüchtling der
Hölle. Frei nach Goethe.
MARIA JOSI
Se gäm is owa.
PASCAL PARNASS
Rien ne va plus.
MANFRED ROCKSTROH
(kichernd) Ich ahne Fürchterliches.
PASCAL PARNASS
Ja, vielen Dank noch mal für das Startkapital. Ich
hab’s verdoppelt. Wenn ich gewusst hätte, das das
so einfach ist, hätte ich früher umgeschult.
ADRIAN SINGER
Und deshalb werde ich jetzt wegen Insiderhandel
gesucht?
MARIA JOSI
Laida.
PASCAL PARNASS
Ja, danke auch für Ihren guten Namen. (nimmt die
Maske ab.) Der ist ja nun nichts mehr wert.
MARIA JOSI
Laida.
ADRIAN SINGER
Aber ich war die ganze Zeit hier oben. Das kann
Manfred bezeugen.
PASCAL PARNASS
Das sehen die Manager der Veranstaltung anders.
Nicht wahr Josi.
MARIA JOSI
Laida.
ADRIAN SINGER
Das geht nicht! Das könnt Ihr nicht machen. Ich bin
Adrian Singer! Ich... Manfred,... Du bezeugst, dass
ich hier oben war die ganze Zeit.
90
MANFRED ROCKSTROH
Aber immer Adrian. Vor allem, weil mir jeder
glauben wird. Vor allem die Gläubiger.
MARIA JOSI
Mir dad do fei scho wos eifoin, ge.
ADRIAN SINGER
Nein danke.
MANFRED ROCKSTROH
Hör sie doch erstmal an.
MARIA JOSI
I hob mei Geld in so a Freigeld umbastelt.
ADRIAN SINGER
In was?
MARIA JOSI
I hob hoid die ganze Zeit recht guat zuarkhert wenn
Du wos gsogt host. I bin a no so a Freigeld-
Gmeinschaft beitren.
MANFRED ROCKSTROH
(zärtlich) Was meinst Du Maria?
MARIA JOSI
I hob mei Geld guat investiert. In an neia Hof. Ois
Bio. Ois Solar tutti kompletti Selbstversorga. Und
olle, die einsteign woin, kenna des doa. Es wead a
anständig zoit. Mit soichane Marken, de wo am Ende
vom Johr eizogn wern und nachad nei druckt wern.
Und a no nei ausgem wern je noch erarbeitetem Wert,
vaschtähst? Koane Zinsen, koa Inflation, koa Ärger,
koa Geiz und koa Gier. Freigeld hoid! Moang fang ma
o zum baun.
Alle stehen stumm und staunen. Pascal schaut sie bewundernd
an. Mathild muht.
MARIA JOSI
Wea wui mitmacha?
MANFRED ROCKSTROH
(begeistert von Maria) Ich!
MARIA JOSI
Guat. Dei Freindin konst mitnehma. Oba fei ja koan
Damenbesuch nach sechse omts. Wei do muaß in iam
Stoi sei.
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MANFRED ROCKSTROH
Eye, eye Chefin.
MARIA JOSI
Hostmi?
MANFRED ROCKSTROH
Hobdi.
MARIA JOSI
Und wos is mit dia, Adrian?
ADRIAN SINGER
Hab ich eine Wahl?
PASCAL PARNASS
Ja. Scheißeschaufeln oder Knast.
ADRIAN SINGER
Verlockend. Aber nur, wenn Ihr Manfred verbietet
seine Käseexperimente fortzusetzen.
MARIA JOSI
Ah, des is a Kaas? I hob gmoand, des is a Dünger
fürn Bodn.
MANFRED ROCKSTROH
Vorsicht. Das ist der Anfang meines neuen
Geschäfts. „Almrausch.“ „Der Käse, der nach
Freiheit schmeckt.“ (Mathild leckt über sein
Gesicht)
PASCAL PARNASS
Wenn ich ihn nicht essen muß, spreche ich Dir den
Werbetext dafür.
ADRIAN SINGER
Mit dieser Biowaffe lebe ich nicht unter einem Dach.
Er trägt ein paar Eimer rechts von der Bühne.
MANFRED ROCKSTROH
Kannst ja draußen schlafen. Wir hätten da noch ein
Zelt zu bieten.
Holt im Wechsel ein paar Eimer zurück.
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ADRIAN SINGER
Falsch. Du schläfst draußen. Das lockt uns
wenigstens die Fliegen aus dem Haus.
MANFRED ROCKSTROH
Du kannst froh sein, wenn wir dich nicht ausliefern.
PASCAL PARNASS
Das sagt der Richtige.
MANFRED ROCKSTROH
Ganz ruhig Hans Wurst.
PASCAL PARNASS
Vorsicht! Geldvernichter.
ADRIAN SINGER
(zu Pascal) Existenzvernichter!
PASCAL PARNASS
Komm doch her, du...Dagobert!
ADRIAN SINGER
Gesichtsakrobat.
PASCAL PARNASS
Du...Lottoschein.
MANFRED ROCKSTROH
Lottoschein ist gut!
ADRIAN SINGER
Halt dich da raus! Niete.
MANFRED ROCKSTROH
Aushilfsguru.
MARIA JOSI
(die bisher stumm zugeschaut hat.) Und Mathild? Is
des a Krach nach deim Gschmack?
Aus dem Off ist nur ein dumpfes Muhen zu hören.
MARIA JOSI
(ins Off) Mathild? Wos host? Sie trinkt aus deim
Eima Manfred.
MANFRED ROCKSTROH
(ins Off) Mathild, dein Euter!
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Er deutet ins Off. Anscheinend geschieht da etwas mit Mathilds
Euter.
PASCAL PARNASS
Es...
ADRIAN SINGER
...wächst!
PASCAL PARNASS
Und zwar in Zeitraffer.
MANFRED ROCKSTROH
Mathild...Schatz...Gehts dir gut?
PASCAL PARNASS
Das platzt gleich.
MARIA JOSI
Na. Des dehnt sich mit sei Inhoit.
ADRIAN SINGER
...wächst mit seinen Aufgaben.
JOSI MARIA
Des macht da Kaas!
MANFRED ROCKSTROH
Mein Käse!
ADRIAN SINGER
Das ist 500%ige Ertragssteigerung.
Pause. Alle schweigen und schauen auf ein sich scheinbar
stetig selbst vergrößerndes Euter.
PASCAL PARNASS
Ich hätte da DIE Geschäftsidee!
MANFRED ROCKSTROH
Das ist mein Käse!
ADRIAN SINGER
Das ist mein Grund und Boden.
PASCAL PARNASS
Das ist meine Idee.
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MARIA JOSI
Des is mei Kua!
Plötzlich spritzt ein weißer Strahl Milch auf die Bühne. Alle
greifen nach einem Eimer und fangen die Milch auf.
MATHILD
(sehr laut und befreit im Off) Muh!
Black
(Ende)
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