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Abstracts
Viszeralmedizin 2011 –abstrakter Anspruch odergelebte Realität?
BielefeldSamstag, 19. März 20119.00 – 15.30 Uhr
Veranstaltungsort:Stadthalle Bielefeld Willy-Brandt-Platz 133602 Bielefeld
Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld Prof. Dr. M. Löhnert, Bielefeld Prof. Dr. M. P. Manns, Hannover
Greifswald 18. Juni 2011
Hildesheim 9. April 2011
Dresden 25. Juni 2011
Stuttgart 16. April 2011
Erlangen 8. Oktober 2011
Trier 5. November 2011
Bonn 26. November 2011
BielefeldBielefeld19. März 201119. März 2011
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Programm 9.00 Uhr Begrüßung
Prof. Dr. M.P. Manns, Hannover, Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld, Prof. Dr. Dr. M. Löhnert, Bielefeld
Ösophagus und Magen Vorsitz: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler, Heidelberg Dr. Dr. D. Meessen, Bielefeld
9.10 Uhr Ösophagus und Magen: Häufigkeitsverteilung der Krankheitsbilder, Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik und Therapie in der gastroenterologischen Praxis Dr. B. Bokemeyer, Minden
9.30 Uhr Die moderne Klinik für Gastroenterologie: sinnvolle Diagnostik und endoskopische Therapiemöglichkeiten bei Reflux und Tumoren an Ösophagus und Magen Dr. U. Rosien, Hamburg
9.50 Uhr Diskussion
10.00 Uhr Chirurgie von Ösophagus und Magen: von minimalinvasiver Therapie zu maximal onkologischer Resektion Prof. Dr. H. Friess, München
10.20–10.40 Uhr
Kaffeepause
Pankreas Vorsitz: Prof. Dr. J.F. Riemann, Ludwigshafen Prof. Dr. Prof. h. c. (KGZ) M.A. Reymond, Bielefeld
10.40 Uhr Akute und chronische Pankreatitis in der niedergelassenen Praxis: Welche Diagnostik und Therapie ist sinnvoll, welche bezahlbar? (ohne Abstract) PD Dr. H. Grimm, Kiel
11.00 Uhr Differenzierung Pankreatitis – Pankreastumoren: Was ist vor einer Operation machbar? Prof. Dr. M.M. Lerch, Dr. M. Kraft, Dr. P. Simon, Dr. J. Ringel, Prof. Dr. J. Mayerle, Greifswald
11.20 Uhr Technik und Ergebnisse der Pankreasoperation bei Pankreatitis und Karzinom PD Dr. T. Hackert, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler, Heidelberg
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11.40 Uhr Diskussion
Colon und Rektum Vorsitz: Prof. Dr. M.P. Manns, Hannover Prof. Dr. Dr. M. Löhnert, Bielefeld
12.00 Uhr Colitis ulcerosa und Morbus Crohn in der gastroentero-logischen Praxis: Wo sind die Grenzen zur stationären Versorgung? Dr. M. Schmidt-Lauber, Oldenburg
12.20 Uhr Stationäre Behandlung bei kolorektalen Erkrankungen im Spannungsfeld zwischen DRG, Kostendeckung und Patientenversorgung: Was können wir machen – was müssen wir tun? Prof. Dr. J.F. Riemann, Ludwigshafen
12.40 Uhr Operative Koloproktologie in Deutschland – ambulant teilstationär oder vollstationär? (ohne Abstract) Prof. Dr. K.-W. Jauch, München
13.00–14.00 Uhr
Mittagspause mit Imbiss
Leber Vorsitz: Prof. Dr. H. Friess, München Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld
14.00 Uhr Leitlinien Hepatitis C – Konsequenzen für den Alltag PD Dr. M. Cornberg, Hannover
14.20 Uhr Fettleber und NASH – aktuelle Konzepte und Therapie zwischen Praxis und Klinik Prof. Dr. C. Trautwein, Aachen
14.40 Uhr Therapie chronischer Lebererkrankungen: Autoimmunhepatitis und cholestatische Hepatopathien Prof. Dr. M.P. Manns, Prof. Dr. C.P. Strassburg, Hannover
15.00 Uhr Zusammenfassung und Schlussworte Prof. Dr. M.P. Manns, Hannover, Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld, Prof. Dr. Dr. M. Löhnert, Bielefeld
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 51–52
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Ösophagus und Magen: Häufigkeitsverteilung der Krankheits-bilder, Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik und Therapie in der gastroenterologischen Praxis
B. Bokemeyer
Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis, Minden
Zur Abklärung von Ösophagus- und Magenerkrankungen werden in der gastro-
enterologischen Fachpraxis zahlreiche Untersuchungen, insbesondere aber die
Gastroskopie durchgeführt.
Die Gastroskopie wird in Deutschland regional unterschiedlich, teilweise auch von
Hausärzten, überwiegend aber doch von Fachärzten bzw. Gastroenterologen
erbracht. Aktuelle Zahlen der KVWL zeigen, dass etwa 17% der Gastroskopien noch
von Hausärzten durchgeführt werden. Die übrigen Untersuchungen, also weit über
80%, werden von fachärztlichen Internisten bzw. Gastroenterologen vorgenommen.
Gerade die in letzter Zeit verschärften Hygiene- und Überwachungsnotwendigkeiten
fördern diese Zentrierung der Untersuchung in spezialisierten gastroenterologischen
Praxen nachhaltig.
Die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) wird in der gastroenterologischen Praxis
insbesondere zur Abklärung von Oberbauchbeschwerden, in letzter Zeit aber auch
zunehmend zur Abklärung einer Refluxsymptomatik durchgeführt. Diese Abklärungs-
diagnostik bezüglich einer Refluxsymptomatik scheint tendenziell eher zuzunehmen.
Hier ist es von großer Bedeutung, durch eine hochauflösende Bildgebung die
chronische Refluxerkrankung zu erkennen und ggf. den Barrett-Ösophagus durch
gezielte Biopsien zu sichern.
Die überwiegende Anzahl der ÖGD wird eher in diagnostischer Ausrichtung
durchgeführt. Therapeutische Maßnahmen wie Polypektomien werden wegen des
erhöhten Komplikationsrisikos von Polypektomien im oberen Gastrointestinaltrakt
seltener vorgenommen. Darüber hinaus sind aber auch Bougierungen, hauptsächlich
bei peptischen Stenosen oder auch APC-Anwendungen, z. B. beim Wassermelonen-
magen, möglich. Um das gesamte Spektrum auch mit pH-Metrie und Manometrie
anbieten zu können, ist aber die sektorenübergreifende Zusammenarbeit von hoher
Relevanz. Denn nur so können im Sinne der Patienten und der Kostenträger
Ressourcen sinnvoll umgesetzt und teilweise auch eingespart werden.
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Ein großes Problem ergibt sich für die niedergelassenen Gastroenterologen daraus,
dass die ÖGD momentan im EBM nicht entsprechend refinanziert wird, was auf
Dauer so sicherlich nicht weiter hinzunehmen ist. Hier ist die adäquate Gewähr-
leistung einer entsprechenden Honorierung für die endoskopische Diagnostik im
oberen Gastrointestinaltrakt, auch im ambulanten Bereich, unbedingt zu fordern.
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Die moderne Klinik für Gastroenterologie: sinnvolle Diagnostik und endoskopische Therapiemöglichkeiten bei Reflux und Tumoren an Ösophagus und Magen
U. Rosien
Medizinische Klinik, Israelitisches Krankenhaus, Hamburg
Gastroösophageale Refluxkrankheit Refluxbeschwerden finden sich altersabhängig bei fast jedem zweiten Erwachsenen
(1). Nur in Verbindung mit einer Beeinträchtigung der Lebensqualität spricht man von
einer Refluxkrankheit. Bis zu 7% der Bevölkerung haben eine Refluxkrankheit ohne
erkennbare endoskopische Läsionen (non-erosive reflux disease, NERD), bis zu 4%
haben eine Refluxkrankheit mit erkennbarer Entzündung (ERD).
Im Gegensatz zu angloamerikanischen Ländern wird in Deutschland die
Ösophagogastroduodenoskopie als Indexuntersuchung bei der Erstdiagnostik der
Erkrankung empfohlen. Sie dient zum Ausschluss eines Malignoms und zur
Beurteilung des Schweregrads einer erosiven Refluxkrankheit bzw. dem Nachweis
ihrer Komplikationen wie Barrett, Ulkus oder Stenose (Tab. 1) (2, 3). Eine Indikation
zur Biopsie bei der Fragestellung Refluxkrankheit ergibt sich bei (Verdacht auf)
Barrett und bei Patienten mit Dysphagie (zum Ausschluss einer eosinophilen
Ösophagitis, dann als Stufenbiopsien aus verschiedenen Abschnitten der Speise-
röhre). Die Sensitivität im endoskopischen Nachweis erosiv-entzündlicher Verände-
rungen kann durch Verwendung anderer Lichtspektren (z. B. narrow-band imaging,
NBI) oder spezieller Bildprozessierung (z. B. flexible spectral imaging color enhance-
ment, FICE) gesteigert werden. Diese Steigerung der Sensitivität gelingt aber auch,
wenn man bei der konventionellen Videoendoskopie die Schleimhaut mit Kalium-
jodidlösung färbt (Schillersche oder verdünnte Lugolsche Lösung) (4).
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Tab. 1: Schweregradeinteilung der erosiven Refluxkrankheit (3)
Nach der Indexendoskopie wird man bei typischer Symptomatik auch bei fehlendem
endoskopischem Korrelat eine probatorische Behandlung mit Protonenpumpen-inhibitoren (PPI) einleiten.
Eine 24h-pH-Metrie ist indiziert, wenn die Symptome auf diesen Behandlungs-
versuch nicht ansprechen oder bei atypischen Symptomen ohne endoskopisches
Korrelat. Sie wird auch vor Durchführung einer Antirefluxchirurgie empfohlen, ist bei
endoskopisch eindeutigem Befund jedoch nicht zwingend erforderlich. Die Messung
erfolgt in der Regel sondenbasiert. Die Messung mittels einer endoskopisch an der
distalen Wand des Ösophagus passager fixierten Funkmess-Sonde hat sich auf-
grund des Aufwandes bislang nicht breit etablieren können (Bravo®). Als patho-
logisch gilt eine Refluxzeit von über 5,8% der gesamten Untersuchungszeit (pH < 4).
Verschiedene Score-Systeme versuchen Dauer und Intensität des Refluxes zu
bewerten (DeMeester u. a.), ohne eine größere Diagnoseverlässlichkeit zu erreichen.
Die 24h-pH-Metrie fällt bei bis zu 25% der Patienten mit Refluxkrankheit unauffällig
aus. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es deutliche Tag-zu-Tag-
Unterschiede im Ausmaß des Refluxes gibt (3). Die Kombination von 24h-pH-Metrie und Impedanzmessung (einem Verfahren zur Bestimmung des Volumen-
refluxes) kann die Sensitivität im Nachweis einer Refluxkrankheit deutlich steigern, ist
aber auch deutlich aufwendiger und bei Weitem nicht überall verfügbar (5).
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Die Indikation zur pH-Metrie bei Patienten mit Asthma oder Laryngitis posterior ist
kritisch zu prüfen, da in klinischen Studien nur diejenigen Patienten von einer
Behandlung mit PPI profitiert haben, die auch unter Sodbrennen litten (6, 7). In
ausgewählten Situationen, z. B. nach Magen(teil)resektion, kann bei unauffälliger
pH-Metrie die Messung des galligen Refluxes sinnvoll sein (Bilitec®)
Mit der Ösophagusmanometrie kann ein erniedrigter Tonus des unteren Ösopha-
gussphinkters nachgewiesen werden. Sie ist allerdings nur in Ausnahmesituationen
indiziert, wenn bei untypischer Befundkonstellation eine Antirefluxchirurgie geplant
oder eine andere Erkrankung (z. B. Achalasie, Ösophagusspasmus) ausgeschlossen
werden soll (3).
Standard der Behandlung der Refluxkrankheit sind die PPI und in geeigneten
Situationen die (laparoskopische) Antirefluxchirurgie. Seit 2002 wurden mehrere
Verfahren zur endoskopischen Therapie der Refluxkrankheit erprobt (Entaryx®,
EsophyX® Gatekeeper®, Plicator®, Stretta®). Die besten Ergebnisse zeigten sich
dabei für endoskopische Nahtverfahren. Die meisten Produkte wurden wieder vom
Markt zurückgezogen (aufgrund von Unwirksamkeit oder Nebenwirkungen). Die Zahl
der Publikationen ist rückläufig; es fehlen (positive) Langzeitergebnisse mit Schein-
interventionen. Patienten sollten diesen Verfahren daher ausschließlich im Rahmen
klinischer Studien zugeführt werden.
Barrett-Ösophagus Barrett ist eine Präkanzerose mit potenzieller Entwicklung eines Adenokarzinoms.
Das Karzinomrisiko ist mit 0,5% pro Jahr etwa 30-mal höher als in der Normalbe-
völkerung, insgesamt aber doch eher gering. Bis zu 5% der Normalbevölkerung und
bis 10% der Patienten mit Refluxkrankheit entwickeln einen Barrett. Histologisch
findet sich ein Ersatz des Plattenepithels des distalen Ösophagus durch speziali-
siertes, metaplastisches Zylinderepithel. Die Längsausdehnung des Barrett scheint
keine wesentliche Bedeutung für das Karzinomrisiko zu haben (Short-Segment-
Barrett: unter 3 cm; Long-Segment-Barrett: über 3 cm).
Als Standard zum Nachweis eines Barrett-Karzinoms oder dysplastischer Verände-
rungen gelten unverändert die Entnahme von 4-Quadranten-Biopsien alle 2 cm
aus dem Barrett sowie zusätzlich gezielte Biopsien aus auffälligen Arealen. Chromo-
endoskopie (in der Regel Essigkontrastierung), Einsatz spezieller Lichtspektren (NBI)
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und digitale Kontrastverfahren (z. B. FICE) können bei der Detektion auffälliger
Areale hilfreich sein, ersetzen aber derzeit nicht die Stufenbiopsien. Die Autofluores-
zenz und die Endomikroskopie haben noch keine Bedeutung im klinischen Alltag (8).
Patienten mit Barrett, die regelmäßig endoskopiert und biopsiert werden, haben eine
günstigere tumorbezogene Mortalität als Patienten ohne endoskopische Kontrollen.
Die Kontrollintervalle sind allerdings schlecht definiert. Bei Patienten ohne Dys-
plasie reicht eine Untersuchung alle 3–5 Jahre aus. Low-grade-Dysplasien sollten
nach 6–12 Monaten, danach in jährlichen Abständen überprüft werden. Bei High-grade-Dysplasien erfolgt eine endoskopische ablative Therapie. Alternativ wird in
der angloamerikanischen Literatur eine intensivierte Kontrolle empfohlen (viertel-
jährlich im ersten, halbjährlich im zweiten Jahr, dann in jährlichen Abständen bis zum
fünften Jahr). Das Hinzuziehen eines zweiten Pathologen zur Beurteilung einer
nachgewiesenen Dysplasie ist sinnvoll. Low-grade-Dysplasien sind oftmals für den
weniger Erfahrenen schwierig von entzündlichen Veränderungen abzugrenzen.
Andererseits haben „echte" Low-grade-Dysplasien eine relevante Progressionsrate
zu höhergradigen Veränderungen (9).
Beim Nachweis eines frühen Barrett-Karzinoms dient die Endosonografie dem
Ausschluss von Lymphknotenmetastasen. Ein sicherer Ausschluss einer Infiltration
der Submukosa gelingt auch mit diesem Verfahren nicht.
Barrett mit gesicherter Dysplasie und mukosale Barrett-Karzinome (pT1m) sollten
durch eine endoskopische Mukosaresektion (EMR) therapiert werden. Das
Vorgehen bei multifokalen Läsionen ist weniger gut definiert. Zirkuläre Mukosaresek-
tionen sind mit einer erhöhten Rate an Blutungen und Strukturen assoziiert und
sollten nur in ausgewählten Situationen erfolgen. Die Rate an neuen Dysplasien und
Karzinomen anderer Lokalisation ist nach einer EMR aber erhöht. Eine vollständige
Entfernung des Barrett ist daher sinnvoll. Die umfassendsten und längsten
Erfahrungen hierzu gibt es für die Argonplasmakoagulation (APC). Umschrieben
verbleibendes Barrett-Gewebe wird hierbei allerdings in 15–25% beschrieben. Bei
langem Barrett-Segment scheint die Radiofrequenzablation mit weniger Neben-
wirkungen bei möglicherweise höherer Therapiesicherheit verbunden zu sein.
Langzeitergebnisse liegen zu diesem – im Vergleich zur APC teuren – Verfahren
aber nur eingeschränkt vor (10).
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Dysplasien und frühe Karzinome im Plattenepithel Alkohol und Nikotin sind die wesentlichen Risikofaktoren für die Entwicklung einer
Dysplasie oder eines Karzinoms im Plattenepithel des Ösophagus. Achalasie,
Zustand nach Verätzungen, Papillomavirusträgerstatus und Tylosis führen ebenfalls
zu einem erhöhten Risiko. Eine Indikation zur regelmäßigen endoskopischen
Vorsorge kann hieraus allerdings nicht abgeleitet werden. Dagegen besteht bei
Tumoren von Mundhöhle, Hypopharynx, Larynx und Lunge die Indikation zur
Index-Ösophagogastroduodenoskopie, da in ca. 10% der Fälle synchrone
Tumoren des Ösophagus beobachtet werden. Der Nutzen regelmäßiger Kontrollen
ist jedoch auch in diesen Risikosituationen nicht gesichert.
Dysplasien im Plattenepithel des Ösophagus lassen sich deutlich besser durch
Chromoendoskopie mit Kaliumjodidlösung detektieren (Schillersche oder verdünnte
Lugolsche Lösung). Plattenepithel färbt sich durch das Kaliumjodid braun, dys-
plastische Areale (aber auch Entzündungen) nehmen keinen Farbstoff auf (Abb. 1).
Abb. 1: Mukosales Plattenepithelkarzinom des Ösophagus: Färbung mit
Schillerscher Lösung (Tumorkontur umrandet)
Wie beim Barrett können schwergradige Dysplasien und frühe Karzinome endosko-
pisch entfernt werden (endoskopische Mukosaresektion [EMR]; endoskopische submukosale Dissektion [ESD]). Allerdings muss schon bei Infiltration bis in das
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basale Drittel der Mukosa in bis zu 10% mit Lymphknotenmetastasen gerechnet
werden, sodass nur pTm1- und pTm2-Stadien als ausreichend sicher endoskopisch
therapiert gelten (90% 5-Jahres-Überleben) (11). Die Tumoren sollten nicht über
2 cm groß sein. Nach endoskopischer Resektion ist eine engmaschige
endoskopische Überwachung mit Chromoendoskopie zur Detektion von Zweit-
tumoren indiziert.
Magenkarzinom 95% der Magenkarzinome sind Adenokarzinome. Anfang dieses Jahrhunderts waren
Magenkarzinome noch an zweiter Stelle in der Krebssterblichkeit. Die Inzidenz des
distalen Magenkarzinoms hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Rauchen,
niedriger sozioökonomischer Status, Zustand nach Magenteilresektion und
insbesondere die Helicobacter-pylori-Infektion sind anerkannte Risikofaktoren.
Magenkarzinome können familiär gehäuft auftreten. Dies findet man besonders bei
Familien mit HNPCC (human non-polyposis colorectal cancer) und FAP (familiäre
adenomatöse Polypose). Bei letzteren entwickeln sich die Tumoren aus Adenomen,
die zwischen den mitunter zahlreichen Drüsenkörperzysten dieser Patienten
erschwert zu detektieren sind.
Bei familiärer Häufung von Magenkarzinomen (auch außerhalb von HNPCC und
FAP) erscheint ein endoskopisches Screening, ggf. mit Chromoendoskopie und
gastralem Mapping, sinnvoll. Nach Magenteilresektion wird ein endoskopisches
Screening erstmals 15–20 Jahre nach der Resektion empfohlen. Die Intervalle für
weitere Kontrollendoskopien sind schlecht definiert (i. d. R. alle 3 Jahre).
Ein Magenkarzinom wird endoskopisch durch Biopsie (mindestens 10 Proben)
gesichert. Das weitere Staging umfasst Abdomensonografie und -computer-
tomografie, Röntgen-Thorax (Thorax-CT bei proximalen Karzinomen) und bei
Verdacht auf Peritonealkarzinose eine Laparoskopie. Eine Endosonografie ist
indiziert bei proximal gelegenen Tumoren zum Ausschluss einer submukosalen
Infiltration von Kardia bzw. distalem Ösophagus, vor jeder neoadjuvanten Behand-
lung und wenn ein Frühkarzinom vermutet wird.
Magenkarzinome, die in die Submukosa infiltrieren, weisen in bis zu 20% Lymph-
knotenmetastasen auf. Dagegen können Frühkarzinome, die auf die Mukosa
beschränkt sind, endoskopisch entfernt werden (Lymphknotenbeteiligung bei 2%)
(12). Die endoskopische Exzision sollte in einem Stück als endoskopische submukosale Dissektion (ESD) erfolgen, um eine pathologisch bestätigte
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R0-Resektion zu ermöglichen (Abb. 2). In den großen asiatischen Studien waren ein
geringer Differenzierungsgrad und eine Größe der Läsion über 2 cm ohne negativen
Einfluss auf die exzellente Prognose. Die auf die große Zahl an Frühkarzinomen
beruhende Expertise der Asiaten ist aber nicht ohne Weiteres auf Europa zu
übertragen. Erste Publikationen deutscher Zentren weisen bei ESD-Raten von unter
10 p. a. relevante Komplikationen in bis zu 10% bei R0-Raten zwischen 70–90% auf
(13).
Abb. 2: Mukosales Adenokarzinom des Magens: endoskopische submukosale
Dissektion (ESD) mit R0-Resektion
Andere Magentumoren Adenome des Magens, nicht-adenomatöse Polypen ab einer Größe von über 1 cm
oder symptomatische Polypen (Blutung) sollten endoskopisch entfernt werden. Intra-
murale Tumoren sollten ab einer Größe von 2 cm oder bei Größenprogredienz
(chirurgisch) reseziert werden. Zur Verlaufsbeurteilung der Größe der Läsion bietet
sich die Endosonografie an. Die Ergebnisse der endosonografisch gezielten Punktion
zum Nachweis oder gar zum Ausschluss einer Entität sind wenig befriedigend, da in
der Regel nur eine Zytologie gelingt, die bei mesenchymalem Tumor nur einge-
schränkt Aussagen zur Dignität zulässt. Wichtigste Differenzialdiagnose sind die
gastrointestinalen Stromatumoren (GIST). Neuroendokrine Tumoren sollten ab einer
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Größe von 1 cm (endoskopisch) entfernt werden (vergleiche jeweils weiterführende
Literatur [3]).
Literatur: 1. Nocon M, Keil T, Willich SN. Prevalence and sociodemographics of reflux
symptoms in Germany – results from a national survey. Aliment Pharmacol Ther. 2006; 23: 1601–1605.
2. Peng S, Xiong LS, Xiao YL, Lin JK, Wang AJ, Zhang N, et al. Prompt upper
endoscopy is an appropriate initial management in uninvestigated chinese patients with typical reflux symptoms. Am J Gastroenterol. 2010; 105: 1947–1952.
3. Peter Layer, Ulrich Rosien (Hrsg.). Praktische Gastroenterologie. München:
Elsevier, 4. Auflage 2011. 4. Yoshikawa I, Yamasaki M, Yamasaki T, Kume K, Otsuki M. Lugol chromo-
endoscopy as a diagnostic tool in so-called endoscopy-negative GERD. Gastrointest Endosc. 2005; 62: 698–703.
5. Becker V, Bajbouj M, Waller K, Schmid RM, Meining A. Clinical trial: persistent
gastro-oesophageal reflux symptoms despite standard therapy with proton pump inhibitors – a follow-up study of intraluminal-impedance guided therapy. Aliment Pharmacol Ther. 2007; 26: 1355–1360.
6. Gatta L, Vaira D, Sorrenti G, Zucchini S, Sama C, Vakil N. Meta-analysis: the
efficacy of proton pump inhibitors for laryngeal symptoms attributed to gastro-oesophageal reflux disease. Aliment Pharmacol Ther. 2007; 25: 385–392.
7. Kiljander TO, Harding SM, Field SK, Stein MR, Nelson HS, Ekelund J, et al.
Effects of esomeprazole 40 mg twice daily on asthma: a randomized placebo-controlled trial. Am J Respir Crit Care Med. 2006; 173: 1091–1097.
8. Curvers WL, Herrero LA, Wallace MB, Wong Kee Song LM, Ragunath K, et al.
Endoscopic tri-modal imaging is more effective than standard endoscopy in identifying early-stage neoplasia in Barrett's esophagus. Gastroenterology. 2010; 139: 1106–1114.
9. Curvers WL, ten Kate FJ, Krishnadath KK, Visser M, Elzer B, Baak LC, et al.
Low-grade dysplasia in Barrett's esophagus: overdiagnosed and underesti-mated. Am J Gastroenterol. 2010; 105: 1523–1530.
10. Lyday WD, Corbett FS, Kuperman DA, Kalvaria I, Mavrelis PG, Shughoury AB,
et al. Radiofrequency ablation of Barrett's esophagus: outcomes of 429 patients from a multicenter community practice registry. Endoscopy. 2010; 42: 272–278.
13
11. Takahashi H, Arimura Y, Masao H, Okahara S, Tanuma T, Kodaira J, et al. Endoscopic submucosal dissection is superior to conventional endoscopic resection as a curative treatment for early squamous cell carcinoma of the esophagus (with video). Gastrointest Endosc. 2010; 72: 255–264, 264.e1–2.
12. Kunisaki C, Takahashi M, Nagahori Y, Fukushima T, Makino H, Takagawa R, et
al. Risk factors for lymph node metastasis in histologically poorly differentiated type early gastric cancer. Endoscopy. 2009; 41: 498–503.
13. Probst A, Pommer B, Golger D, Anthuber M, Arnholdt H, Messmann H. Endos-
copic submucosal dissection in gastric neoplasia – experience from a European center. Endoscopy. 2010; 42: 1037–1044.
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Chirurgie von Ösophagus und Magen: von minimalinvasiver Therapie zu maximal onkologischer Resektion
H. Friess
Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität
München
Neue Entwicklungen in der Chirurgie der Ösophagus- und Magenkarzinome haben
sich vor allem durch eine relative Zunahme der Adenokarzinome in den letzten
Jahren und eine frühere Diagnose dieser Tumoren durch moderne Methoden
ergeben. Insbesondere durch die frühere Diagnose sind individualisierte chirurgische
bzw. interdisziplinäre Therapiekonzepte entwickelt worden, die limitierte chirurgische
Resektionen und limitierte endoskopische Tumorentfernungen mit einschließen.
Zudem hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass multimodale
Therapiekonzepte deutlich an Stellenwert gewinnen und hier besonders die neo-
adjuvante Chemotherapie und/oder Radiochemotherapie der lokal fortgeschrittenen
Ösophagus- und Magenkarzinome sehr stark in den Vordergrund gerückt sind. Die
neue TNM7-Klassifikation, die 2010 veröffentlicht wurde (2), hat nun auch endlich zu
einer besseren Definition der Kardiakarzinome geführt, sodass nun solche
Karzinome, die innerhalb von 5 cm des ösophagogastralen Übergangs mit
Ausläufern in den Ösophagus liegen, entsprechend der Ösophaguskarzinome
gestaged werden sollen. Wohingegen Adenokarzinome im Magen, die weiter als
5 cm vom ösophagogastralen Übergang entfernt sind oder innerhalb von 5 cm
desselben liegen, aber keine Ausläufer in den Ösophagus haben, entsprechend der
Magenkarzinome gestaged werden sollen. Diese neue Klassifikation ist besonders
wichtig, da die Hauptprognosefaktoren für Ösophaguskarzinome die Absetzungs-
ränder, der Tumortyp bzw. die Tumortiefe und die Anzahl betroffener Lymphknoten
sind. Diese Faktoren werden von der neuen Klassifikation nun besser abgebildet. Bei
Patienten mit einem Ösophaguskarzinom sind zur Therapieentscheidung eine
sorgfältige präoperative Risikoabschätzung und ein ausgiebiges intensives Staging
notwendig, das vor allem eine Endoskopie mit Biopsie und Endosonografie sowie
eine Computertomografie des Thorax, Abdomens und Beckens mit einschließt. Für
die primäre Resektion sollte eine strenge Patientenselektion durchgeführt werden,
wobei keine Fernmetastasen vorliegen dürfen und nur frühe T-Kategorien einge-
schlossen werden sollten und ein guter funktioneller Status vorliegen muss. In den
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letzten Jahren wurde ein zunehmend radikaleres chirurgisches Vorgehen bei
Patienten mit einem guten funktionellen Status gewählt, sodass Ösophagus-
karzinome nun sehr häufig über eine transthorakale Ösophagektomie reseziert
werden können. Wohingegen die transmediastinale Ösophagektomie nur bei
proximalen Magenkarzinomen oder Patienten mit einem schlechten funktionellen
Status durchgeführt werden sollte. Zwar sind die Komplikationen beim transtho-
rakalen Vorgehen ebenso wie die Kosten etwas höher, das Langzeitüberleben
scheint jedoch nach abdominothorakaler Ösophagusresektion besser zu sein, wie
von Hulscher und Kollegen 2002 gezeigt werden konnte (1). Seit der „Magic-Studie“
ist die neoadjuvante Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Magenkarzinomen
Standard, da sich durch diese eine deutliche Verlängerung des 5-Jahres-Überlebens
gezeigt hatte. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass die neoadjuvante
Chemotherapie bei Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs zwar
effektiv und sicher ist, der Stellenwert beim Magenkarzinom jedoch noch nicht
endgültig geklärt ist. Insgesamt ergibt sich eine stadienabhängige Therapie, wobei im
Stadium IA eine limitierte Resektion infrage kommt, im Stadium IIB die primäre
radikale Resektion angestrebt werden sollte, im Stadium IIIA und B eine multimodale
Therapie eingeleitet werden sollte und im Stadium IV eine palliative Therapie infrage
kommt. Palliative Resektionen sind in Einzelfällen möglich, müssen jedoch bezüglich
ihrer Vor- und Nachteile genau abgewogen werden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Inzidenz von Magenkarzinomen
insgesamt abnehmend ist, die Adenokarzinome des ösophagogastralen Übergangs
jedoch eher zunehmend sind. Sowohl bei Ösophagus- als auch Magenkarzinomen
ist ein sehr intensives Staging notwendig, um eine Therapieentscheidung insbe-
sondere bei Frühkarzinomen entweder in Richtung endoskopisches oder
chirurgisches Vorgehen zu treffen. Gleichermaßen muss bei diesem Staging erfasst
werden, ob es sich um einen lokal fortgeschrittenen Tumor handelt, sodass evtl. eine
multimodale, neoadjuvante Therapie vorgeschaltet werden kann.
16
Literatur: 1. Hulscher JB, van Sandick JW, de Boer AG, Wijnhoven BP, Tijssen JG, Fockens
P, Stalmeier PF, ten Kate FJ, van Dekken H, Obertop H, Tilanus HW, van Lanschot JJ. Extended transthoracic resection compared with limited transhiatal resection for adenocarcinoma of the esophagus. N Engl J Med. 2002; 347: 1662–1669.
2. Wittekind C, Meyer HJ. TNM: Klassifikation maligner Tumoren. Wiley WCH
Verlag GmbH & co.KG aA, Weinheim, 2010.
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Differenzierung Pankreatitis – Pankreastumoren: Was ist vor einer Operation machbar?
M.M. Lerch, M. Kraft, P. Simon, J. Ringel, J. Mayerle
Klinik für Innere Medizin A, Universitätsklinikum Greifswald
Die chronische Pankreatitis und das Pankreaskarzinom haben in den meisten Welt-
regionen eine vergleichbare Inzidenz (10–20 pro 100.000 Einwohner). Im Jahr 2008
wurden in deutschen Krankenhäusern 60.940 Fälle mit Pankreatitis und 42.698 Fälle
mit einem Pankreasmalignom behandelt (Statistisches Bundesamt), sodass die
Häufigkeit der Erkrankungen bei der Differenzierung nicht wirklich weiterhilft. Auch
ihre klinische Symptomatik mit Ikterus, Abdominalschmerzen, einer gastrointestina-
len Stenosensymptomatik, ggf. auch dem Vorliegen eines Diabetes oder einer
exokrinen Pankreasinsuffizienz kann sich stark ähneln. Bei auf das Pankreas
beschränkten Befunden kann auch die bildgebende Diagnostik uneindeutig bleiben.
Hieraus ergeben sich verschiedene klinische Probleme. Das erste ist die Differenzial-
diagnose von chronischer Pankreatitis und (operablem) Pankreaskarzinom. Das
zweite ist die Tatsache, dass eine chronische Pankreatitis einen Risikofaktor für die
Entstehung eines Pankreaskarzinoms darstellt. Dieses Risiko wird von unterschied-
lichen Autoren unterschiedlich bewertet. Einige Studien besagen, dass bei
chronischer Pankreatitis (alle Fälle und Genesen) das Risiko nur von 1:10.000 auf
ca. 4:10.000 steigt. Andere Studien beziffern die Zunahme des Anstiegs des
relativen Risikos auf das 16-Fache. Bei hereditären Formen der Pankreatitis ist das
relative Risiko, als Folge der Pankreatitis ein Karzinom zu entwickeln, allerdings
nochmals wesentlich höher. Das dritte Problem ergibt sich aus dem vorgenannten
und betrifft die Diagnose eines Pankreaskarzinoms in einer vorbestehenden
chronischen Pankreatitis. Hierbei stellt sich nicht nur die Frage der Differenzial-
diagnose, sondern auch die eines möglichen Screenings von Risikopatienten. Alle
Untersuchungen zum letzten Punkt waren bisher erfolglos und weder wiederholte
ERCP noch Endosonografien konnten ihren Stellenwert für die Früherkennung von
Pankreaskarzinomen in einer chronischen Pankreatitis belegen.
Das Pankreaskarzinom gehört mit einer Inzidenz von 10 Fällen pro 100.000 Ein-
wohner in Deutschland zu den häufigsten Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts.
Das mediane Erkrankungsalter liegt in der 6.–8. Lebensdekade. Die 5-Jahres-
18
Überlebensrate beträgt nach optimistischen Studien 10,4% bei einer Resektionsrate
zwischen 14–20%. Hingegen liegt das mediane Überleben aller Erkrankungsfälle bei
6 Monaten.
Wenn ein Ikterus, Abdominalschmerzen, Übelkeit und Erbrechen vorliegen, ist die
Wahrscheinlichkeit, dass der Patient an einem Pankreaskarzinom leidet, ca. 20%.
Eine Prävalenz von 20% erfordert von einem diagnostischen Test eine Spezifität von
99,95% zur korrekten Stellung der Diagnose, da sonst genauso viele Patienten in der
Folge unter einem falsch-positiven Ergebnis leiden wie infolge der Erkrankung
versterben. Keine laborchemische oder bildgebende Methode hat heute eine so hohe
Spezifität bei der Differenzierung von Pankreaskarzinom und Pankreatitis. Aus
diesem Grund gelangen verschiedene komplementäre Methoden zum Einsatz.
Alle Versuche, laborchemische Verfahren mit einem geringen Grad an Invasivität zu
etablieren, haben nicht zur Erhöhung der diagnostischen Sensitivität beigetragen. In
der Vergangenheit wurde eine Vielzahl von Tumormarkern für die Diagnostik
evaluiert. Bis zum heutigen Tag ist kein Tumormarker in der Lage, Pankreastumoren
mit einer Sensitivität > 90% zu detektieren. Ihr Einsatz für die Diagnosestellung ist
somit obsolet. Als Basisverfahren der bildgebenden Diagnostik dient der trans-
abdominelle Ultraschall. Mit diesem Verfahren können Raumforderungen ab einer
Größe von 10–30 mm detektiert werden. Einschränkend muss jedoch hinzugefügt
werden, dass in 15–20% das Pankreas bei Darmgasüberlagerung technisch nicht
darstellbar ist. Die Sensitivität des Verfahrens zur Diskriminierung zwischen einem
Tumor und der chronischen Pankreatitis liegt bei 69–70%, die Spezifität bei 80–90%.
Eine korrekte Differenzialdiagnose kann in ca. 55% der operablen Fälle gestellt
werden. Eine deutlich höhere räumliche Auflösung lässt sich mit dem endo-
skopischen Ultraschall erzielen. Mit diesem Verfahren können fokale Läsionen ab
einer Ausdehnung von 2–3 mm detektiert werden. Die Sensitivität des endo-
skopischen Ultraschalls beim Staging von Pankreaskarzinomen liegt für T1-Tumoren
bei 88%, für T2-Tumoren bei 100% und für T3-Tumoren bei 93%. Liegt ein chronisch
entzündlich verändertes Organ vor, so reduziert sich die Spezifität des Verfahrens
auf bis zu 46%. Die Grenze der räumlichen Auflösung für die Computertomografie
(CT) liegt bei 20–30 mm. Der Nachweis nicht-resektabler Karzinome gelingt mittels
CT-Diagnostik in 100%, die richtige Einschätzung der Resektabilität jedoch nur in
16–72%. Leber- und Lymphknotenmetastasen werden in 20–73% der Fälle
diagnostiziert und Gefäßinfiltrationen durch das Malignom in 77% der Fälle. Eine
korrekte Differenzialdiagnose gelingt mit dem CT in 70–80%. Ergänzt man das CT
19
durch eine ERCP, kann mit ca. 90%iger Sicherheit eine korrekte Differenzialdiagnose
gestellt werden. Die Sensitivität der ERCP für die Diagnose eines Pankreas-
karzinoms wird mit 78–93%, die Spezifität mit 88–95% angegeben. Die Limitationen
der Untersuchung sind ein in ca. 5% der Fälle nicht darstellbarer Pankreasgang
sowie ein in 2,8–3% unauffälliges Gangsystem, trotz Vorliegen eines Pankreas-
karzinoms. Stellt sich in der ERCP eine Pankreasgangstriktur dar, die > 10 mm ist,
so muss mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Pankreaskarzinom ausgegangen
werden. Hingegen spricht eine kurzstreckige Stenose (< 5 mm) eher für das
Vorliegen einer chronischen Pankreatitis. 1976 wurde von Freeney et al. das „double
duct sign“ als pathognomonisch für das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms
beschrieben. In allen nachfolgenden Studien konnte die initial beschriebene Sensi-
tivität von 100% nicht nachvollzogen werden. In jüngster Zeit wurde die Spezifität mit
maximal 85% angegeben. Im Zeitalter von CT und MRT wird die ERCP fast
ausschließlich therapeutisch eingesetzt, z. B. zur Behebung von Gallenwegs-
stenosen bei chronischer Pankreatitis oder Pankreaskarzinom. Als rein
diagnostisches Verfahren zur Differenzierung einer Pankreasraumforderung ist die
ERCP inzwischen vollständig von den schnittbildgebenden Verfahren abgelöst
worden.
Als vielversprechend wurde lange Zeit die sonografisch gezielte Feinnadelpunktion
angesehen. Die Sensitivität dieses Verfahrens liegt aber nur bei 50–93%
(Durchschnitt 75%), die Spezifität bei 95% (19 zytologische Kriterien), eine korrekte
Differenzialdiagnose ist in ca. 75–90% der Fälle möglich. Wegen des möglichen
Auftretens von Stichkanalmetastasen, über das wiederholt berichtet wurde, wird die
transkutane Punktion von Pankreasraumforderungen eigentlich nur noch bei bild-
gebenden inoperablen Raumforderungen oder dem Nachweis von Metastasen
empfohlen. Bei metastasierten oder inoperablen Tumoren des Pankreas ist eine
Histologiegewinnung dagegen obligat, um vor der Wahl der Palliativtherapie eine
korrekte histologische Zuordnung vornehmen zu können.
Völlig anders stellt sich die immer besser etablierte Punktion mittels Feinnadel- oder
Grobnadelbiopsie im endoskopischen Ultraschall dar, die heute sehr gut etabliert ist.
Hier müssen Stichkanalmetastasen nicht befürchtet werden, da durchstochene
Magen- und Duodenalabschnitte bei Operabilität mitreseziert würden.
Bei Verdacht auf eine Pankreasraumforderung steht immer der transabdominelle
Ultraschall in der Hand des geübten Untersuchers an erster Stelle. Mit einem
negativen prädiktiven Wert von 94% kann so in den meisten Fällen der Verdacht auf
20
ein Pankreasmalignom ausgeräumt werden. Bei Fortbestehen der Verdachts-
diagnose sollte eine Kombination verschiedener bildgebender Verfahren zum Einsatz
kommen, deren Auswahl von den technischen Möglichkeiten und der Erfahrung der
Untersucher abhängt.
Bei der Behandlung der chronischen Pankreatitis stehen die Schmerztherapie, die
Prävention des Fortschreitens der Erkrankung durch Alkohol- und Nikotinkarenz
sowie die Behandlung der exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz im
Vordergrund. Zur Behandlung von Komplikationen der chronischen Pankreatitis wie
Gangstrikturen, Pseudozysten und einer Obstruktion von Gallenwegen oder
Duodenum steht eine Reihe von chirurgischen und interventionell-endoskopischen
Verfahren zur Verfügung. Beim Pankreaskarzinom liegt die ganze Hoffnung auf ein
Langzeitüberleben auf der chirurgischen Resektion im Frühstadium. Die adjuvante
Chemotherapie mit 5-FU oder Gemcitabin ist heute der Standard. Ein direkter
Vergleich dieser beiden adjuvanten Protokolle wurde gerade veröffentlicht und zeigt,
dass mit beiden Therapien die gleiche Überlebensrate von 20% nach 5 Jahren zu
erreichen ist, Gemcitabin aber weniger Nebenwirkungen zeigt. Sind entweder der
Tumor oder der Patient inoperabel, so ist die palliative Chemotherapie eine
Möglichkeit der begrenzten Lebensverlängerung. Die Leitlinie zur Behandlung des
Pankreaskarzinoms mit den verschiedenen Therapieverfahren wird gerade wieder
aktualisiert und auch eine Überarbeitung der Leitlinie für die chronische Pankreatitis
wird im Jahr 2011 veröffentlicht werden.
Weiterführende Literatur: 1. Brand RE, Lerch MM, Rubinstein WS, Neoptolemos JP, Whitcomb DC, Hruban
RH, Brentnall TA, Lynch HT, Canto MI. Advances in counselling and surveil-lance of patients at risk for pancreatic cancer. Gut. 2007; 56: 1460–1469.
2. Adler G, Seufferlein T, Bischoff SC, Brambs HJ, Feuerbach S, Grabenbauer G,
Hahn S, Heinemann V, Hohenberger W, Langrehr JM, Lutz MP, Micke O, Neuhaus H, Neuhaus P, Oettle H, Schlag PM, Schmid R, Schmiegel W, Schlottmann K, Werner J, Wiedenmann B, Kopp I. S3-Leitlinie ‘Exokrines Pankreaskarzinom’ 2007. Z Gastroenterol. 2007; 45: 487–523.
21
3. Neoptolemos JP, Stocken DD, Bassi C, Ghaneh P, Cunningham D, Goldstein D, Padbury R, Moore MJ, Gallinger S, Mariette C, Wente MN, Izbicki JR, Friess H, Lerch MM, Dervenis C, Oláh A, Butturini G, Doi R, Lind PA, Smith D, Valle JW, Palmer DH, Buckels JA, Thompson J, McKay CJ, Rawcliffe CL, Büchler MW. Adjuvant chemotherapy with fluorouracil plus folinic acid vs gemcitabine following pancreatic cancer resection: a randomized controlled trial. JAMA. 2010; 304: 1073–1081.
4. Lerch MM, Stier A, Wahnschaffe U, Mayerle J. Pancreatic pseudocysts: obser-
vation, endoscopic drainage, or resection? Dtsch Arztebl Int. 2009; 106: 614–621.
22
Technik und Ergebnisse der Pankreasoperation bei Pankreatitis und Karzinom
T. Hackert, M.W. Büchler
Klinik für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum
Heidelberg
Akute Pankreatitis In der Behandlung der akuten Pankreatitis steht die konservative Therapie mit
Flüssigkeitssubstitution, Analgesie, ggf. Antibiose und – falls erforderlich – Organ-
ersatzverfahren im Vordergrund. Auch bei Patienten mit schwerer nekrotisierender
Pankreatitis ist die Bedeutung der chirurgischen Therapie aufgrund der unverändert
hohen Mortalität in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund getreten. In
der Regel besteht die Indikation zur interventionellen oder chirurgischen Therapie mit
dem Ziel einer Sanierung des Infektfokus im Abdomen bei Nachweis infizierter
Nekrosen mittels CT-gesteuerter Feinnadelaspiration. Ziel der operativen Therapie
ist die organerhaltende Nekrosektomie, bei der gleichzeitig die Möglichkeit zur post-
operativen Spülung des Bauchraums und der Bursa omentalis zur Reinigung und
zum weiteren Ablauf der Nekrosen und des Exsudats geschaffen werden muss.
Bevorzugt wird heute das „geschlossene“ Vorgehen, d. h. im Rahmen der einmaligen
(auch laparoskopisch durchführbaren) Exploration mit Nekrosektomie und
Platzierung von Spüldrainagen in die Bursa omentalis und ggf. in retrokolische
Nekrosestraßen. In den ersten Tagen wird die Retroperitonealhöhle mit 35–40 Litern
Spülflüssigkeit täglich lavagiert. Abhängig vom klinischen Zustand des Patienten wird
die Menge der Spülflüssigkeit schrittweise reduziert, die Drainagen werden
konsekutiv entfernt. Der optimale Operationszeitpunkt liegt bei ca. 3–4 Wochen nach
Krankheitsbeginn. Nur bei vorher gesicherten infizierten Nekrosen oder beim
Auftreten seltener Komplikationen wie massiven Blutungen oder Darmperforationen
ist eine chirurgische Therapie in der Frühphase der Erkrankung indiziert.
Chronische Pankreatitis Bei der chronisch-kalzifizierenden Pankreatitis bestehen 2 Hauptindikationen zur
operativen Therapie: einerseits die effektive und langfristige Schmerzkontrolle,
andererseits das Vorliegen eines Malignomverdachts bei lange bestehender
Anamnese. Da der chronische Schmerz maßgeblich durch eine Obstruktion des
23
Pankreasgangs im Kopfbereich mit oder ohne begleitende Cholestase bedingt ist,
kann eine Gangdekompression die Beschwerden effektiv verbessern. Die endo-
skopische Gangdekompression, evtl. mit Einlage eines Pankreasgangstents, bietet
eine kurzfristige therapeutische Möglichkeit der symptomatischen Verbesserung, die
Quote an Rezidivstenosen mit der Notwendigkeit wiederholter Interventionen ist
jedoch hoch. Bei chronisch-kalzifizierender Pankreatitis benötigen bis zu 50% der
initial endoskopisch therapierten Patienten innerhalb eines Jahres eine definitive
operative Sanierung. Meist bestehen neben der reinen Gangstenose entsprechende
bildmorphologische Veränderungen im Sinne eines aufgetriebenen fibrotisch und
kalzifiziert veränderten Pankreaskopfs. In dieser Situation kann die Resektion des
veränderten Gewebes unter Erhalt des Duodenums und Schonung einer möglichst
großen Parenchymmenge des Pankreas durchgeführt werden. Dieses Operations-
verfahren einer duodenumerhaltenden Pankreaskopfresektion (DEPKR) wird
bevorzugt nach der Berner Modifikation durchgeführt, bei der eine Ausschälung des
Pankreaskopfs mit breiter Eröffnung des Pankreasgangs, und falls erforderlich auch
des Gallengangs, erfolgt, aber im Sinne eines möglichst parenchymschonenden
Eingriffs keine weitere Resektion durchgeführt wird. Der Defekt im Pankreaskopf wird
durch Drainage in eine hochgezogene Jejunalschlinge verschlossen. Dieses
Verfahren bietet bei geringem operativem Trauma sehr gute Langzeitergebnisse mit
einer Schmerzreduktion in 95% der Fälle und langfristiger Schmerzfreiheit bei
ca. 75–80% der Patienten.
Pankreaskarzinom Die Behandlung des Pankreaskarzinoms stellt nach wie vor eine therapeutische
Herausforderung dar, da es als vierthäufigste Tumorentität ca. 40.000 Todesfällen in
Europa pro Jahr verursacht und ein Langzeitüberleben unter Berücksichtigung aller
Erkrankungsstadien bei lediglich 1% der Patienten erreicht wird. Durch eine radikale
Resektion können 5-Jahres-Überlebensraten von 20–25% erzielt werden.
Entscheidend ist neben der Resektion die adjuvante Therapie, um eine systemische
und lokale Tumorprogression zu verhindern. Standardresektion ist dabei die partielle
Pankreatikoduodenektomie mit oder ohne Teilresektion des Magens für Tumoren im
Pankreaskopf sowie die Pankreaslinksresektion mit Splenektomie für Tumoren im
Pankreascorpus und -schwanz. Gelegentlich ist für eine komplette Tumorentfernung
eine totale Pankreatektomie erforderlich. Eine Resektion der Pfortader kann ohne
erhöhte Komplikationsraten durchgeführt werden, wohingegen bei arterieller
24
Gefäßinfiltration – aufgrund der erhöhten Morbidität und noch nicht eindeutig belegter
Überlebensvorteile – eine Resektion nicht standardmäßig empfohlen werden kann.
Bezüglich der Rekonstruktion ist die pyloruserhaltende Pankreatikoduodenektomie
der klassischen Whipple-Operation gleichwertig im Sinne der onkologischen Radika-
lität und perioperativen Morbidität, sodass heute der Pyloruserhalt als Standard
gelten kann.
Die neoadjuvante Therapie kann – meist als kombinierte Radiochemotheraopie – bei
lokal fortgeschrittenen Tumoren mit dem Ziel eines Downstagings und sekundärer
Resektion erfolgen, was bei ca. 30–40% der Patienten gelingt. Eine Evidenz für die
neoadjuvante Therapie primär resektabler Tumoren besteht bislang nicht.
Laparoskopische Pankreasresektionen werden insbesondere bei der Linksresektion
auch bei onkologischen Indikationen zunehmend durchgeführt, wobei hier bislang
keine qualitativ hochwertigen Studien zum Vergleich mit dem offenen Vorgehen
vorliegen.
25
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn in der gastroentero-logischen Praxis: Wo sind die Grenzen zur stationären Versorgung?
M. Schmidt-Lauber
Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Oldenburg
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn Die Betreuung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine besonders enge Koopera-
tion gerade dann, wenn es um die Frage einer ambulanten oder stationären
Behandlung geht.
Die gastroenterologische Praxis sollte eine kontinuierliche Langzeitbetreuung dieser
Patienten gewährleisten, die alle diagnostischen und konservativ therapeutischen
Maßnahmen einschließlich immunsuppressiver Therapie, Antikörpertherapie, Eisen-
substitution, Monitoring und Behandlung der extraintestinalen Manifestationen und
Therapiefolgen umfasst und dabei andere Fachgruppen konsiliarisch einbindet
(Rheumatologie, Ophthalmologie, Dermatologie u. a.). Für diese Behandlung sind
Versorgungsleitpfade mit 3 ambulanten Ebenen vorgeschlagen worden, die gerade
in Pilotprojekten erprobt werden (Raspe, 2009). Entscheidend für eine gute
Betreuung ist eine enge Abstimmung und Kooperation zwischen allen Ebenen, die
u. a. in Fallkonferenzen erfolgen sollte.
Eindeutige medizinische Indikationen für eine stationäre Behandlung sind Notfälle
wie akute Blutungen, Sepsis, Verdacht auf schwere (opportunistische) Infektionen,
toxisches Megakolon, schwerer fulminanter Schub, akutes Abdomen, (Sub)ileus und
Abszess sowie Operationen und ein ambulant nicht behandelbarer schwerer Schub.
In der Versorgungsleitlinie sind aber unstrittig ausdrücklich auch psychologische,
pflegerische und soziale Indikationen aufgeführt, die besonders bei hohem
Pflegebedarf und einer unzureichenden wohnortnahen Versorgungsinfrastruktur
(z. B. Inseln) eine Rolle spielen. Neben Ernährung und Schmerz seien psychosoziale
Probleme, Stomakomplikationen und proktochirurgische Probleme genannt.
Folgende Bedingungen kennzeichnen die Schnittstelle zwischen ambulanter und
stationärer Therapie: gleiche Medizin unter anderen Organisationsbedingungen,
notwendiger stationärer Back-up für eine immunsuppressive Therapie sowie eine
fehlende ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage für CED- Schwerpunkt-
26
praxen und Ambulanzen (keine GKV/EBM-Ziffern). Entscheidend ist es, die Grenze
zwischen ambulanter und stationärer Medizin bei diesen komplexen Krankheits-
bildern so durchlässig wie möglich zu gestalten. Dies erfordert eine enge Koopera-
tion, verbindliche Absprachen und gegenseitiges Vertrauen.
Diskussionspunkte, die vor Ort geregelt werden sollten, sind die Ernährungstherapie
(besonders parenteral), die Ballondilatation, anale Endosonografie, Kapselendo-
skopie und intravenöse Therapien (z. B. CMV).
(Kolon)polypen Die Mehrzahl der Kolonpolypen wird in der ambulanten Praxis abgetragen (etwa
5–600.000/Jahr in Deutschland). Zurzeit werden knapp 3% der Patienten mit Kolon-
polypen zur stationären Polypektomie überwiesen, etwa 1,5% zur Operation, mit
erheblichen Unterschieden von Praxis zu Praxis (eigene Daten 0,2–0,5%). 60% der
ambulant tätigen Gastroenterologen (n = 1154) bieten die Mukosektomie an, 56%
Färbeverfahren.
Die Voraussetzungen für die endoskopische Therapie unterscheiden sich nicht
zwischen Klinik und Praxis (hochauflösende Videoendoskopie, div. Schlingen,
Kappen, Clip, Loop, Nadel, APC, ggf. Färbung/NBI, Umsetzung Sedierungsleitlinie,
Qualitätsüberwachung). Koloskopiekommissionen, Hygieneüberwachung und das
automatische Benchmarking der Vorsorgekoloskopie sind im niedergelassenen
Bereich (nur GKV) verpflichtend und wegweisend.
Gründe für eine stationäre Behandlung können in der Größe, einer suspekten
Morphologie, der Polypenzahl, dem Komplikationsmanagement und in patientenbe-
zogenen Problemen liegen (Multimorbidität, fehlende Nachsorge im häuslichen
Umfeld, Gerinnungsstörungen, riskante Sedierungen/Narkosen).
Grundsätzlich ist die Polypektomie im Rahmen der Koloskopie ambulant
vorzunehmen – dies gilt auch für die Mukosektomie, insbesondere bei Polypen unter
2 cm Größe. Eine Ausnahme mag die Indikation zu einer endoskopischen
Submukosadissektion (ESD) sein, wenn Malignitätszeichen vorliegen (Gefäßarchi-
tektur, Oberfläche, negatives lifting sign, bestimmte lateral-spreading-Typen).
Polypen über 2 cm sollten ambulant abgetragen werden, wenn sie gestielt sind.
Wenn sie breitbasig oder flach erscheinen, ist zunächst die Frage zu klären, ob eine
ESD erfolgen kann oder soll. Ohne ESD können auch diese Polypen ohne feste
Grenze bei entsprechender Expertise ambulant abgetragen werden. Die ESD muss
allerdings stationär in einer Abteilung mit endoskopischem Schwerpunkt erfolgen
27
(Lernkurve, begrenzte Erfahrungen). Frühkarzinome können auch in der ambulanten
gastroenterologischen Praxis endoskopisch behandelt werden, sofern sie leitlinien-
gerecht in einem Stück sicher abgetragen werden, histologisch eine low-risk-
Situation vorliegt und eine entsprechende Nachsorge gewährleistet ist.
Die Zahl der Polypen spielt zwar grundsätzlich keine entscheidende Rolle,
gelegentlich stößt die ambulante Medizin hier aber an Probleme bezüglich Logistik,
Wirtschaftlichkeit und Ressourcen.
28
Stationäre Behandlung bei kolorektalen Erkrankungen im Spannungsfeld zwischen DRG, Kostendeckung und Patienten-versorgung: Was können wir machen – was müssen wir tun?
J.F. Riemann
Stiftung LebensBlicke, Klinikum der Stadt Ludwigshafen
Mit der Einführung der DRGs (Diagnose-bezogene Fallgruppen) hat sich in den
Kliniken ein Klassifikationssystem etabliert, das Ökonomie und Medizin zu verbinden
versucht. Haupt- und Nebendiagnosen bestimmen die Klassifikationen. Diese DRGs
sind Grundlage einer jeden Abrechnung und stellen damit natürlich auch jedes
Krankenhaus vor große Herausforderungen. Zusätzlich zu den DRGs werden
Schlüsselsysteme eingesetzt (ICD-Schlüssel, OPS-Schlüssel), nach denen
Prozeduren klassifiziert werden. Stimmt die Kodierung in dieses System nicht, geht
das zu Lasten des Leistungsanbieters. Dieser Entwicklung sind in vielen Häusern
inzwischen spezialisierte Kodierer (zum Teil auch aus nicht-ärztlichen Berufen)
entgegengetreten, die eine besondere Expertise auf diesem Gebiet haben.
Entscheidend ist letztlich die Kodierqualität.
Die Gastroenterologie hat mit der Einführung der DRGs durchaus Probleme
bekommen. Verglichen mit anderen Fächern, wie z. B. der Kardiologie oder der
Chirurgie, ist daher die wirtschaftliche Situation in gastroenterologischen Abteilungen
nach wie vor problematisch (Rosien U, 2011). Dabei spielen die sogenannten
Sammel-DRGs eine wichtige Rolle. Dies sei an 2 Beispielen verdeutlicht: In der
„einfachen“ G67D finden wir die kollagene Kolitis mit endoskopischer Diagnostik,
eine virale Gastroenteritis, aber auch komplexe Motilitätsstörungen von Dünn- und
Dickdarm wieder (Abb. 1 ). Für diese DRG steht eine Summe von € 1280 für 5 Tage
zur Verfügung. Wenn im Rahmen einer solchen DRG aufwendige Leistungen, wie
z. B. Funktionsuntersuchungen, durchgeführt werden, so ergeben sich klar
Schwierigkeiten, dies mit dem genannten Erlös in Einklang zu bringen. Der Versuch,
über die DGVS beim DIMDI-Institut eine Komplex-UPS, z. B. für Motilitätsstörungen,
zu erreichen, ist bisher wenig erfolgreich geblieben.
29
G67D Ösophagitis, Gastroenteritis und verschiedene Erkrankungen der Verdauungsorgane ohne komplette oder komplizierte Diagnose. Kostengewicht: 0,434 (Zuschlag: 0) Entgelt: 1286,30 €(Zuschlag: 0,00 €; Basisfallpreis: 2963,82 €)
Fallbeispiel:Weiblich, 73 Jahre, seit 4 Monaten wässrige Diarrhö mit Stuhlinkontinenz. Stuhlkultur, Sonografie, ÖGD + Kolo mit Stufen-PE. Diagnose: mikroskopische Kolitis. Therapie mit Budesonid, VD 5 Tage
€ 1280 für 5 Tage
Rosien U, 2011; persönliche Mitteilung
Abb. 1
In diesen Sammeltopf fällt auch die akute Divertikulitis mit konservativ behandeltem
Abszess. Wenn bei einem solchen Patienten aufgrund klinischer Kriterien aber eine
z. B. perkutane Abszessdrainage notwendig wird, ergibt sich ein Erlössprung von
€ 1700 auf 5300.
Endoskopische Leistungen lassen sich durch eine von InEK zur Verfügung gestellte
Kostenmatrix berechnen. Wesentlich ist hier, dass nur ein geringer Kostenfaktor für
Sachkosten berechnet worden ist. Grund hierfür ist, dass die von der DGVS
zusammengestellten kalkulierenden Krankenhäuser diese Sachkosten offensichtlich
nicht in gleichem Maße aufgeschlüsselt und errechnet haben wie die Kardiologen.
Diesem Mangel wird schrittweise durch Intervention der DGVS abgeholfen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass häufig ein Spagat zwischen Patienten-
versorgung und Kostendeckung gegangen werden muss. Auf der anderen Seite
stehen im Rahmen des DRG-Systems, das ein lernendes und weiter zu
entwickelndes System ist, zunehmend Möglichkeiten zur Verfügung, die Kosten-
deckung vor allem für aufwendige Prozeduren eindeutig zu verbessern.
30
Neben der ständigen Verbesserung der Expertise der Kodierkräfte muss intensiv und
detailliert an einer sorgfältigen Dokumentation der erbrachten Leistungen weiter-
gearbeitet werden, die die realen Kosten im Versorgungsprozess abbildet, will man
die Patientenversorgung auf hohem Niveau gewährleisten.
31
Leitlinien Hepatitis C – Konsequenzen für den Alltag
M. Cornberg
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische
Hochschule Hannover
Gemäß Schätzungen sind weltweit ca. 130 Millionen Menschen chronisch mit dem
Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert (1). Es gibt starke regionale Unterschiede. In
Deutschland geht man von 400.000–500.000 Personen mit chronischer Hepatitis C
aus. Nach Infektion mit dem HCV kommt es zur akuten HCV-Infektion, welche
überwiegend symptomarm verläuft und daher meist inapparent bleibt. Studien
zeigen, dass es bei 50–90% der Infizierten in den ersten 6 Monaten nicht zu einer
Elimination des Virus und damit definitionsgemäß zum Übergang in ein chronisches
Stadium der Infektion kommt. Auch die chronische HCV-Infektion verläuft zunächst
häufig klinisch inapparent oder wird von nur unspezifischen Symptomen begleitet.
Die Folgen der chronischen Hepatitis C sind Leberzirrhose und hepatozelluläres
Karzinom (HCC), welches allerdings im Gegensatz zur chronischen Hepatitis B
ausschließlich in einer zirrhotischen Leber entsteht (jährliche Inzidenz des HCC dann
2–5%). Der natürliche Verlauf der chronischen Hepatitis C bzw. die Aktivität der
Fibroseentwicklung weist eine große Variabilität auf. Bei 2–35% der Patienten
erreicht der Krankheitsprozess nach 20–25 Jahren das Stadium der Leberzirrhose.
Kofaktoren wie Alkoholkonsum, Steatose, Übergewicht, Drogenabusus, höheres
Alter und Koinfektionen beschleunigen den Verlauf zur Leberzirrhose. Viruspara-
meter wie der HCV-Genotyp und die Höhe der Hepatitis-C-Virämie scheinen keinen
wesentlichen Einfluss auf den natürlichen Verlauf der chronischen Hepatitis C zu
besitzen. Die Prognoseabschätzung im Einzelfall bleibt jedoch problematisch, da die
Fibroseprogression nicht linear verläuft, wie aktuelle Untersuchungen eindeutig
belegen. In vielen Fällen kann auch bei langjährigem, gering progredientem Verlauf
ein rascher Übergang in ein Zirrhosestadium eintreten. Im Vergleich zur Allgemein-
bevölkerung haben Personen mit chronischer Hepatitis C ein signifikant erhöhtes
leberbezogenes Mortalitätsrisiko.
Wichtig ist daher, möglichst alle Patienten mit einer HCV-Infektion so frühzeitig wie
möglich zu diagnostizieren, damit durch eine rechtzeitige Therapie Endpunkte
verhindert werden können. Die Indikation zur Diagnostik ist daher breit. Bei allen
Patienten mit erhöhten Transaminasen sollte anti-HCV bestimmt werden. Darüber
32
hinaus gibt es weitere Indikationen zur Diagnostik, z. B. bei Patienten mit normalen
Transaminasen, die einer Risikogruppe (Transfusionen vor 1992, aktive oder
ehemalige i.v.-Drogenkonsumenten) angehören.
Aufgrund der Daten zum natürlichen Verlauf und der verbesserten Wirksamkeit der
antiviralen Therapie, stellt die chronische Hepatitis C unter Berücksichtigung der
Kontraindikationen eine Indikation zur antiviralen Therapie dar. Ein frühzeitiger
Behandlungsbeginn im Verlauf der chronischen Infektion erhöht die Chancen auf
eine anhaltende virologische Response (SVR) und wird daher empfohlen. Erhöhte
Transaminasen und/oder der Nachweis einer Fibrose sind keine in jedem Fall
notwendigen Voraussetzungen für die Indikationsstellung zur Therapie. Extra-
hepatische Manifestationen, berufliche Gründe, eine Elimination des Transmissions-
risikos sowie ein Therapiewunsch des Patienten können ebenfalls unabhängig von
der Erkrankungsaktivität eine Therapieindikation darstellen.
Das Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis C ist die Elimination des HCV und
damit verbunden die Senkung der Morbidität und Mortalität der HCV-Infektion. Für
Patienten mit dauerhaftem virologischem Therapieansprechen (sustained virologic
response, SVR) auf eine (PEG)-Interferon-alfa-basierte Therapie wurde ein günstiger
Effekt auf der Grundlage biochemischer und histologischer Parameter für die
Progression der Lebererkrankung, ev. extrahepatischer Manifestationen, eine
Reduktion des HCC-Risikos, eine Verhinderung eines Leberversagens und teilweise
ein verlängertes Überleben im Vergleich zu Non-Respondern nachgewiesen (2). Ob
diese Ziele auch für Patienten mit einem fehlenden oder partiellen Ansprechen auf
eine Interferon-alfa-basierte Therapie erreicht werden können, ist unsicher.
Die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C erfolgt aktuell mit einem
pegylierten Interferon-alfa (PEG-IFN) in Kombination mit Ribavirin (Dosis siehe
Tab. 1). Die Kombinationstherapie aus PEG-IFN und Ribavirin ist die derzeitige
Standardtherapie und führt zu dauerhaften Ansprechraten von insgesamt 54–63%
(3). Bei Patienten mit den HCV-Genotypen 2 und 3 kann mit einer Therapiedauer von
nur 24 Wochen sogar eine Ausheilung von bis zu 90% erreicht werden. Ribavirin
sollte körpergewichtsadaptiert dosiert werden (Tab. 1).
33
Substanz Zugelassene Dosierung
Alfa‐Interferone
Pegyliertes Interferon‐alfa‐2 (Pegasys®) 180 µg 1x pro Woche
Pegyliertes Interferon‐alfa‐2b (PEG‐Intron®) 1,5 µg/kg Körpergewicht 1x pro Woche
Interferon‐alfa‐2a (Roferon®)1 3–4,5 Mio I.E. 3x pro Woche
Interferon‐alfa‐2b (Intron A®)1 3 Mio I.E. 3x pro Woche
Ribavirin
Ribavirin (Copegus®) 800–1200 mg aufgeteilt auf 2 Tagesdosen in Kombination
mit PEG‐Interferon‐ oder Standard‐Interferon‐alfa
Ribavirin (Rebetol®) 600–1400 mg aufgeteilt auf 2 Tagesdosen in Kombination
mit PEG‐Interferon‐ oder Standard‐Interferon‐alfa 1In der Standardtherapie durch PEG‐Interferon‐alfa ersetzt
Tab. 1: Zugelassene Medikamente zur Therapie der chronischen Hepatitis C
In den letzten Jahren erfolgten auf der Grundlage der verschiedenen HCV-Geno-
typen und des Abfalls der HCV-RNA im frühen Verlauf der Therapie eine
Individualisierung der Therapiedauer und eine Optimierung des Managements von
Nebenwirkungen. Die Therapiedauer richtet sich im Wesentlichen nach dem
HCV-Genotyp, der HCV-RNA-Konzentration vor Therapie und dem virologischen
Verlauf unter der Behandlung (Behandlungsalgorithmus siehe Abb. 1 und 2). Die
Therapie sollte bei fehlendem virologischem Ansprechen (Non-Response,
Definitionen siehe Tab. 2) vorzeitig beendet werden. Ist die HCV-RNA nach
12 Wochen Behandlung nicht um mehr als 2 log10-Stufen abgefallen oder noch
höher als 30.000 IU/ml, so ist nicht mehr mit einem dauerhaften Ansprechen zu
rechnen und die Therapie kann abgebrochen werden (Abb. 1). Bei einem Nachweis
von HCV-RNA mit einem sensitiven Assay (Nachweisgrenze in den publizierten
Studien < 30–50 IU/ml) zu Woche 24 der Therapie ist die Wahrscheinlichkeit eines
dauerhaften Therapieansprechens mit 1–6% sehr gering, sodass hier ebenfalls ein
Therapieabbruch empfohlen wird. Eine Fortführung als niedrig dosierte Monotherapie
mit PEG-Interferon-alfa bei fehlendem virologischem Ansprechen kann gegenwärtig
nicht empfohlen werden, da bei großen Studien (z. B. HALT-C) keine eindeutige
Verbesserung des histologischen bzw. klinischen Verlaufs nachweisbar war. Ob
bestimmte Subgruppen (z. B. portale Hypertension) von einer niedrig dosierten
34
Monotherapie mit PEG-Interferon-alfa profitieren, muss weiter untersucht werden
(Literatur in [4]).
Rasches virologisches Ansprechen (rapid virologic response, RVR):
Rascher Abfall der HCV‐RNA mit fehlender Nachweisbarkeit mit einem sensitiven Assay (< 50 IU/ml) zu Woche 4 der Therapie (Rapid‐Responder)
Frühes virologisches Ansprechen (early virologic response, EVR):
Abfall der HCV‐RNA zu Woche 12 der Therapie um mindestens 2 log10‐Stufen im Vergleich zur Ausgangsviruslast vor Therapiebeginn oder unter einen absoluten Wert von 30.000 IU/ml
Komplettes frühes virologisches Ansprechen (complete early virologic response, cEVR):
Abfall der HCV‐RNA mit fehlender Nachweisbarkeit mit einem sensitiven Assay (< 50 IU/ml) zu Woche 12 der Therapie (Standard‐Responder)
Langsames virologisches Ansprechen (slow response):
Abfall der HCV‐RNA zu Woche 12 um mindestens 2 log10‐Stufen im Vergleich zur Ausgangsviruslast oder unter 30.000 IU/ml, aber noch nachweisbare HCV‐RNA und Negativierung mit einem sensitiven Assay (< 50 IU/ml) bis zu Woche 24 der Therapie (Slow‐Responder)
Durchbruch (break‐through, BT): Anstieg der HCV‐RNA‐Konzentration um ≥ 1 log10‐Stufe unter der Therapie oder fehlende Nachweisbarkeit der HCV‐RNA im Blut während der Therapie, gefolgt von einem positiven HCV‐RNA‐Befund noch unter der Behandlung
Fehlendes Therapieansprechen (Non‐Response, NR):
Abfall der HCV‐RNA‐Konzentration um weniger als 2 log10‐Stufen bis zu Woche 12 der Therapie oder persistierende Nachweisbarkeit der HCV‐RNA im Blut zu Woche 24 der Therapie (Non‐Responder)
Dauerhaftes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR):
Fehlende Nachweisbarkeit der HCV‐RNA im Blut mit einem sensitiven Assay mindestens 24 Wochen nach dem Ende der Therapie
Rückfall (Relapse): Fehlende Nachweisbarkeit der HCV‐RNA im Blut mit einem sensitiven Assay zum Therapieende, gefolgt von einem positiven HCV‐RNA‐Befund nach Therapieende
Tab. 2: Definitionen des virologischen Therapieverlaufs
35
HCV‐RNA > 12‐15 IU/ml
HCV‐RNA <12‐15 IU/ml
Baseline HCV‐RNA <6‐8x105 IU/ml 24 Wochen Therapie#
Baseline HCV‐RNA >6‐8x105 IU/ml 48 Wochen Therapie
Woche 4
HCV‐RNA Woche 12
Woche12
HCV‐RNA negativ (<12‐15 IU/ml)
48 Wochen Therapie
HCV‐RNA < 2log AbfallOder > 30,000 IU/ml Abbruch
HCV‐RNA > 2log AbfallAber HCV‐RNA > 12‐15 IU/ml
HCV‐RNA positivWoche 24
HCV‐RNA negativ
HCV‐RNA Woche 24
Abbruch
72 Wochen Therapie
Abb. 1: Behandlungsalgorithmus mit PEG-IFN und Ribavirin bei Patienten mit
HCV-Genotyp 1 [Achtung: keine Therapieverkürzung bei Leberzirrhose, Insulin-
resistenz, Steatose und anderen negativen Prädiktoren für ein Therapie-
ansprechen] (13)
Baseline HCV‐RNA <8x105 IU/ml12‐16 Wochen TherapieBaseline HCV‐RNA >8x105 IU/ml 24 Wochen Therapie
Re‐Evaluation Woche 12
(24‐) 48 Wochen Therapie
Abbruch
Woche 4
Woche 12
HCV‐RNA <12‐15 IU/ml
HCV‐RNA positiv
HCV‐RNA > 2log Abfall
HCV‐RNA < 2log Abfall
Abb. 2: Behandlungsalgorithmus mit PEG-IFN und Ribavirin bei Patienten mit
HCV-Genotyp 2 oder 3 [Achtung: keine Therapieverkürzung bei Leberzirrhose,
Insulinresistenz, Steatose und anderen negativen Prädiktoren für ein Therapie-
ansprechen] (13)
36
Bei Patienten mit Therapieversagen auf eine (PEG)-Interferon-alfa/Ribavirin-
Kombinationstherapie sollte die Vortherapie überprüft werden (Dosierung PEG-Inter-
feron-alfa und Ribavirin, Dosisreduktionen, Therapiepausen, Therapiedauer,
HCV-RNA-Kinetik, Management von Nebenwirkungen, Compliance, u. a.). Diese
Faktoren sollten bei einer Re-Therapie optimiert werden. Patienten mit einem
Rückfall auf eine (PEG)-IFN/Ribavirin-Kombinationstherapie sollten unabhängig vom
Genotyp insgesamt 48 bzw. bei langsamem virologischem Ansprechen 72 Wochen
behandelt werden. Kommt es unter der Re-Therapie nach 12 Wochen nicht zu einer
Negativierung der HCV-RNA mit einem sensitiven Assay (< 50 IU/ml, cEVR), liegt die
Wahrscheinlichkeit für ein dauerhaftes Ansprechen bei 5%, weshalb in diesem Fall
ein Therapieabbruch empfohlen wird. Bei Non-Respondern kann eine erneute
Therapie mit PEG-IFN und Ribavirin bei einer suboptimalen Vortherapie und
Verbesserungsmöglichkeiten in der Re-Therapie versucht werden. Bei optimaler
Vortherapie liegen die dauerhaften virologischen Ansprechraten nach einer Re-
Therapie mit PEG-IFN und Ribavirin nur bei 2–16%, je nach Therapiedauer. Bei
einem virologischen Ansprechen sollte die Therapie möglichst über insgesamt
72 Wochen fortgeführt werden, da nach 72 Wochen die SVR besser waren. Sollte
eine Re-Therapie durchgeführt werden, sollte zu Woche 12 der Therapie die
HCV-RNA negativ sein (Literatur in [4]).
Aktuell stehen wir aber am Beginn einer neuen Ära, welche die Therapie der
chronischen Hepatitis C enorm verändern wird. Die Zulassung neuer direkt antiviral
wirksamer HCV-Proteaseinhibitoren steht kurz bevor. Auf (PEG)-Interferon-
alfa/Ribavirin kann allerdings noch nicht verzichtet werden. Die Tripel-Therapie mit
(PEG)-Interferon-alfa/Ribavirin plus Telaprevir oder Boceprevir führt bei bisher
unbehandelten HCV-Genotyp-1-Patienten nahezu zu einer Verdopplung der SVR
(ca. 70–75%) bei z. T. kürzerer Therapiedauer. Auch Patienten, die in der
Ersttherapie mit (PEG)-Interferon-alfa/Ribavirin angesprochen hatten, aber einen
Rückfall erlitten, sprechen hervorragend auf die neue Therapie an. Das Problem
bleiben Non-Responder. Hier hat bereits die (PEG)-Interferon-alfa/Ribavirin-
Kombinationstherapie zu keinem signifikanten Abfall der HCV-RNA geführt, sodass
die Re-Therapie mit einem zusätzlichen Proteaseinhibitor praktisch eine Mono-
therapie darstellt. Hier kommt es rasch zu Resistenzentwicklungen. Die dauerhaften
virologischen Ansprechraten liegen bei etwa 30 bis maximal 40% (5–7). Daher muss
jetzt diskutiert werden, bei welchen Patienten wir auf die neue Therapie warten und
welche Patienten wir sofort behandeln. Die neue Therapie wirft noch weitere Fragen
37
auf. Wir werden auch neue Nebenwirkungen kennenlernen (z. B. „Rash“ und
Anämie). Ein weiteres Problem stellt die Dosierung der Proteaseinhibitoren dar. Die
Medikamente müssen alle 8 Stunden verabreicht werden. Dadurch wird die
Therapieadhärenz sicher nicht verbessert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die
Proteaseinhibitoren nicht bei allen HCV-Genotypen wirksam sind (nicht wirksam bei
Genotyp 3). Weiterhin wird eine Unterscheidung der Subtypen 1a und 1b zunehmend
relevant.
Zusammenfassend erwarten wir eine deutliche Verbesserung der antiviralen
Therapie, allerdings wird die Behandlung zunächst deutlich komplexer. Eine rasche
Anpassung der Leitlinie ist nach der Zulassung der Proteaseinhibitoren notwendig.
Literatur: 1. Shepard CW, Finelli L, Alter MJ. Global epidemiology of hepatitis C virus infec-
tion. Lancet Infect Dis. 2005; 5: 558–567. 2. Veldt BJ, Heathcote EJ, Wedemeyer H, Reichen J, Hofmann WP, Zeuzem S, et
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effects, and complications. Gut. 2006; 55: 1350–1359. 4. Sarrazin C, Berg T, Ross RS, Schirmacher P, Wedemeyer H, Neumann U, et al.
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38
Fettleber und NASH – aktuelle Konzepte und Therapie zwischen Praxis und Klinik
C. Trautwein
Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
In den industrialisierten Ländern der westlichen Zivilisationen stellen die Fettleber
und ihre Folgestufen die am weitesten verbreiteten Formen einer Lebererkrankung
dar. Als Fettleber (NAFLD, non-alcoholic fatty liver disease) wird eine Ansammlung
von intrahepatischem Fett verstanden, die 5% des Gesamtgewichts der Leber
übersteigt. Die eigentliche NASH (nicht-alkoholische Steatohepatitis) wird dann über
das Auftreten einer zusätzlichen entzündlichen Komponente definiert und tritt in
ca. 10% der Fälle einer Leberverfettung auf. Als Hauptrisikofaktor für die Entwicklung
einer Fettlebererkrankung hat sich das Vorliegen eines metabolischen Syndroms
herausgestellt, welches eine stetig steigende Prävalenz von 20–40% der adulten
Gesamtbevölkerung unserer Gesellschaft aufweist.
Die reine Steatose ohne entzündliche Aktivität oder fortgeschrittene Fibrose galt
bisher als gutartiger Befund ohne relevante Morbidität. Dies wird mittlerweile etwas
kritischer gesehen, denn eine sonografisch nachweisbare Fettleber ist bei gleich-
zeitigem Vorliegen erhöhter γGT-Werte mit einer signifikant erhöhten Mortalität der
Allgemeinbevölkerung assoziiert. Das Risiko der Entwicklung einer Leberzirrhose
wird jedoch vor allem durch die entzündliche Aktivität in der Leber (Steatohepatitis)
bestimmt. Bei etwa einem Drittel der NASH-Patienten kommt es zu einer
fortgeschrittenen Fibrose oder sogar zur Entwicklung einer Leberzirrhose. Diese
NASH-bedingte Zirrhose hat eine 10-Jahres-Mortalität von bis zu 25%. Im
Allgemeinen sind hepatozelluläre Karzinome (HCC) in der reinen NASH seltener als
bei anderen chronischen Lebererkrankungen wie alkoholische Zirrhose oder Virus-
hepatitis, aufgrund der oft fehlenden Symptomatik bei Erstdiagnose jedoch bereits
weiter fortgeschritten. Dennoch sollte erwähnt sein, dass eine Steatose selbst einen
unabhängigen Risikofaktor für die HCC-Entwicklung bei anderen chronischen
Lebererkrankungen, z. B. bei der Hepatitis-C-Virusinfektion, darstellt.
Für die Entstehung der Fettleber spielt die Insulinresistenz eine wichtige Rolle. Die
Speicherung überschüssiger Lipide findet normalerweise im Fettgewebe statt. Bei
Übersättigung der peripheren Fettspeicher im subkutanen und viszeralen Gewebe
kommt es dann zum Beginn einer Mehrspeicherung in der Leber. Eine große Rolle
39
spielt hierbei die Insulinresistenz, da die Lipolyse-unterdrückende Wirkung des
Insulins im peripheren Gewebe fehlt. Die gesteigerte Lipolyse führt zu einer
vermehrten Konzentration an freien Fettsäuren im Serum, welche dann in der Leber
in Form von Triglyzeriden gespeichert werden. Neben dem Fettgewebe als
möglichem Initiator des Geschehens spielen offensichtlich proinflammatorische
Zytokine wie TNFα (Tumor-Nekrose-Faktor-α), IL-6 (Interleukin-6) und MCP-1
(monocyte chemoattractant protein-1) als Mediatoren der Entwicklung der NASH
eine gewichtige Rolle. Diese werden vor allem von Makrophagen im Fettgewebe und
in der Leber sezerniert und stellen damit einen pathophysiologischen Link zur
Entzündungsreaktion dar.
Für die Diagnostik der NASH hat die Leberbiopsie derzeit die höchste Genauigkeit.
Zur Beurteilung einer Leberbiopsie wurden von der AGA international weitgehend
akzeptierte Richtlinien herausgegeben. Diese beinhalten den Ausschluss eines
relevanten Alkoholkonsums (< 20 g/Tag) sowie einer chronischen viralen Hepatitis
(Hepatitis B oder C) und das Vorliegen einer charakteristischen Leberbiopsie, welche
die Verfettung des Parenchyms sowie entzündliche Veränderungen zeigt. In der
diagnostischen Abklärung der NASH sollte neben dem Ausschluss einer chronischen
Virushepatitis die erweiterte differenzialdiagnostische Abklärung erfolgen. Hierzu
gehört unter anderem eine Autoantikörperdiagnostik zum Ausschluss einer Autoim-
munhepatitis oder primär biliären Zirrhose (ANA, AMA, SMA). Beachtet werden muss
dabei, dass bis zu 40% der Patienten mit Fettlebererkrankung erhöhte Autoanti-
körpertiter aufweisen können.
In Bezug auf therapeutische Überlegungen stellt für die NASH eine Störung der
metabolischen Regulation ein zentrales Problem dar, die auf einer inadäquat hohen
Nahrungsaufnahme im Verhältnis zum Energieverbrauch steht. Die wichtigste
Therapiemaßnahme bei Patienten mit NASH beruht deswegen auf einer
Verminderung des Körpergewichts. Dies kann durch Bewegung, eine Diät und eine
Änderung der allgemeinen Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten bewirkt
werden. Da ein langfristiger Erfolg von entscheidender Bedeutung ist, hat das Ziel
der Veränderung des allgemeinen Verhaltens einen hohen Stellenwert.
In den letzten Jahren stellt die sogenannte metabolische Chirurgie bei zunehmender
Inzidenz der schweren und schwersten Adipositas bei Patienten mit einem
BMI > 40 kg/m² eine zunehmende Option dar, da sie auch einen positiven
Therapieeffekt auf die NASH hat. Als Adipositas-chirurgische Methoden stehen dabei
40
das Magenband, der Magenbypass oder die biliopankreatische Diversion zur
Verfügung.
Da die Insulinresistenz pathophysiologisch eng mit der NASH-Entstehung verknüpft
ist, ist vor allem die Verwendung von Insulin-sensibilisierenden Medikamenten
(Metformin, Glitazone) als therapeutisches Konzept untersucht worden. Die
Glitazone konnten dabei die initial geweckten Hoffnungen nicht nachhaltig erfüllen.
Für die alleinige Verwendung von Metformin als Therapeutikum spricht seine relative
Anwendungssicherheit, bedingt durch die lange Erfahrung mit dem Medikament. In
einer kontrollierten Studie konnte jedoch nur bei 30% der Patienten ein positiver
Effekt auf die Entwicklung der NASH nachgewiesen werden. Eine kürzlich publizierte
Studie zeigt jedoch einen positiven Effekt bei der Verwendung relativ hoher Vitamin-
E-Dosen, sodass hier ein potenziell neuer Ansatz zur Therapie wieder in der
Diskussion ist, und erste eigene Anwendungen von Vitamin E können die Studien-
daten bestätigen. Weitere Studien mit Vitamin E müssen jedoch zeigen, ob damit
auch ein positiver Effekt auf die Endpunkte der NASH wie die Entwicklung einer
Leberzirrhose oder eines HCC erreicht werden kann. Abzuwarten bleibt, inwieweit
neuere Medikamente wie Inkretin-Mimetika oder DDP4-Hemmer, die bereits in der
Diabetes-Therapie eine wichtige Rolle spielen, auch für die Therapie der NASH von
Nutzen sein können.
Zusammenfassend ist die Fettlebererkrankung die häufigste Form einer Hepato-
pathie in unserer Gesellschaft. Als Risikofaktoren gelten Übergewicht, Hypertonus,
Hyperlipidämien und der Diabetes mellitus. Die Erkrankung zeigt einen Progress von
der reinen Fettleber über die Fettleberhepatitis (NASH) bis hin zur Zirrhose mit
möglicher Karzinomentwicklung. Zur Diagnosestellung einer NASH werden der
histologische Nachweis charakteristischer Veränderungen sowie der Ausschluss
eines relevanten Alkoholkonsums und einer viralen Hepatitis gefordert. Die
therapeutischen Alternativen zur Behandlung der Fettleber und assoziierter
Erkrankungen sind vielfältig, führen jedoch wegen der Komplexität des Krankheits-
bildes zu sehr variablen und aktuell noch selten dauerhaften Therapieerfolgen.
41
Therapie chronischer Lebererkrankungen: Autoimmunhepatitis und cholestatische Hepatopathien
M.P. Manns, C.P. Strassburg
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische
Hochschule Hannover
Die autoimmunen Lebererkrankungen werden in 3 Krankheitsbilder unterteilt: die
Autoimmunhepatitis (AIH), die primär biliäre Zirrhose (PBC) und die primär
sklerosierende Cholangitis (PSC) (11). Sie zeigen unbehandelt eine Progression zur
Leberzirrhose. Die AIH war die erste chronische Lebererkrankung, bei der eine
konservative Therapie eine dauerhafte Remission erreichen konnte.
Definition und Diagnose der Autoimmunhepatitis (AIH) Die Diagnose der AIH ist gekennzeichnet durch eine Ausschlussdiagnostik anderer
Lebererkrankungen (1). Die serologische Subklassifikation der AIH hat keinen
Einfluss auf die Therapiestrategie. Es sind zu 70–80% Frauen betroffen. Die
Immunglobuline im Serum sind erhöht (7, 12). Hinweisend sind Autoantikörper, die
überlappend auftreten können und auch bei viralen Hepatitiden vorkommen. Die AIH
ist serologisch heterogen und kann prinzipiell in 3 Untergruppen unterteilt werden:
die, die antinukleäre Autoantikörper und Antikörper gegen glatte Muskelzellen (ANA,
SMA) aufweisen (AIH Typ 1), die, die durch Leber-Niere mikrosomale Autoantikörper
(LKM-1) gekennzeichnet sind (AIH Typ 2), oder die, bei der Antikörper gegen
lösliches Leberantigen/Leber-Pankreas-Antigen (SLA/LP) nachweisbar sind
(AIH Typ 3). Am häufigsten ist die ANA-positive AIH (AIH Typ 1) (12).
Standardtherapie der AIH Ziel der Therapie ist die Induktion und Erhaltung einer Remission. Sie ist indiziert,
wenn die Aminotransferasen erhöht sind, histologisch multilobuläre oder Brücken-
nekrosen auftreten oder auch wenn erhebliche hepatische oder extrahepatische
Symptome vorliegen. Gleich effektiv ist die Monotherapie aus Prednisolon oder die
Kombinationstherapie mit Azathioprin. Die Entscheidung zur Kombinationstherapie
orientiert sich am Risikoprofil des Patienten (Schwangerschaft, metabolisches
Syndrom, Diabetes mellitus, Osteoporose). Eine Remissionsinduktion gelingt in 87%
der Fälle innerhalb von 3 Jahren. Allerdings ist die Rückfallrate mit 70% innerhalb
42
von 3 Jahren nach Absetzen der Immunsuppression erheblich. Das 10-Jahres-
Überleben in Remission beträgt 90%. Wird keine Remission erreicht und schreitet die
Erkrankung fort, bleibt die Lebertransplantation.
Abb. 1
80%
Remission
80%
Remission
20%Non-
responder
20%Non-
responder
Induktion einer Remission
Induktion einer Remission
Standard Therapie:SteroideAzathioprin
Das Problem der Remissionsinduktion
In etwa 10–20% der Fälle gelingt eine Remissionsinduktion nicht. Hier werden
alternative immunsuppressive Therapeutika eingesetzt: Ciclosporin A, Cyclo-
phosphamid, Mycophenolsäure, Tacrolimus (FK506). Diese Immunsuppressiva sind
wegen ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils jedoch Studien an hepatologischen
Zentren vorbehalten.
43
Abb. 2
Alternative Medikamente:- Cyclosporin Alvares, J Hepatol 1999- FK 506 Van Thiel, Am J Gastroenterol 1995- Mycophenolate/MMF Richardson, J Hepatol 2000- Cyclophosphamid Kanzler, Z Gastroenterol 1997- Rapamycin Kerkar, Am J Transplant 2005- Budesonid Wiegand et al. Liver International 2005
80%
Remission
80%
Remission
20%Non-
responder
20%Non-
responder
Induktion einer Remission
Induktion einer Remission:Wann muss man an Alternativen Denken ?
Standard Therapie:SteroideAzathioprin
Das Problem der Remissionserhaltung
Mit dem Ziel des Steroidsparens konnte gezeigt werden, dass eine Remissions-
erhaltung (aber nicht eine Remissionsinduktion) mit Azathioprin-Monotherapie
(2 mg/kg KG/Tag p. o.) erreicht werden kann. Eine weitere Möglichkeit zur
potenziellen Verminderung von Steroidnebenwirkungen ist die Anwendung des
topischen Steroids Budesonid. Dessen Vorteile werden in einem über 90%igen
hepatischen First-pass-Metabolismus gesehen, was bei portosystemischen Shunts
und fortgeschrittener Zirrhose eingeschränkt ist. Eine kürzlich abgeschlossene
multizentrische Studie zum Budesonid zeigt, dass Budesonid in Kombination mit
Azathioprin die Remission induzieren kann, mit weniger steroidspezifischen
Nebenwirkungen. Ein Wechsel nach 6 Monaten von Prednison auf Budesonid konnte
die steroidspezifischen Nebenwirkungen bei Erhalt der Remission reduzieren
(17, 18).
44
Abb. 3
ERHALT DER REMISSION
15%
Langzeit
Remission
15%
Langzeit
Remission
85%
Relaps
85%
Relaps
Nach Drug Withdrawal
Langzeit Therapie:
Azathioprin 2 mg/kg Prednis(ol)on 5 – 15 mgBudesonid ??? 1-2 x 3 mg
Diagnose der primär biliären Zirrhose (PBC) Die Diagnose der PBC erfolgt durch den serologischen Nachweis antimitochondrialer
Antikörper (AMA mit PDH-E2- oder BCKD-E2-Spezifität), das cholestatische Leber-
enzymprofil, eine Immunglobulin-M-Erhöhung im Serum sowie durch den
histologischen Nachweis einer entzündlichen Gallenwegsbeteiligung (10).
Sonografisch und in der endoskopisch retrograden Cholangiografie (ERC) sind die
Gallenwege nicht erweitert. Auffällig ist die hohe Anzahl von extrahepatischen
Erkrankungen (Tab. 1).
45
Tab. 1: Diagnostik der primär biliären Zirrhose
Serologische Befunde Autoantigene
Antimitochondriale Autoantikörper Pyruvatdehydrogenase (PDH-E2)
Verzweigtkettenketosäuredehydrogenase
(BCKD-E2)
Antinukleäre Autoantikörper anti-SP100
anti-gp210
anti-Laminin-B-Rezeptor
anti-nucleoporin p62
Extrahepatische Manifestationen
Sicca-Syndrom/Sjögren-Syndrom
rheumatoide Arthritis
Autoimmunthyreoiditis
mixed connective tissue disease (MCTD)
CREST-Syndrom
Polymyalgie
chronisch entzündliche Darmerkrankungen
systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Leberhistologie
bei AMA-Negativität: zur Unterstützung der Diagnostik (Gallen-
wegsbeteiligung? Granulome?)
bei AMA-Positivität: fakultativ, nur für Fibrosegrad („Staging“)
und entzündliche Aktivität („Grading“)
Die Reihenuntersuchung (Screening) der AMA erfolgt durch Immunfluoreszenz, die durch Western
blot und enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) spezifiziert werden. In 5% treten AMA-negative
Fälle auf, in denen ANA zur weiteren Diagnosefindung beitragen können. Die extrahepatischen
Manifestationen können den Symptomen der PBC zeitlich deutlich vorausgehen.
46
Standardtherapie der PBC
Eine immunsuppressive Behandlung der PBC ist in der überwiegenden Mehrzahl der
Patienten nicht erfolgreich. Die Standardbehandlung besteht aus der oralen Gabe
von 13–15 mg/kg KG/Tag Ursodeoxycholsäure (UDCA). Sie führt zur Besserung der
biochemischen Serumparameter einschließlich des Bilirubins (Mayo-Prognose-
modell), des Überlebens, aber nicht der portalen Hypertension. Die Datenlage zum
Einfluss von UDCA ist kontrovers, allerdings ist besonders bei früher Behandlung ein
prognostisch günstiger Effekt zu erwarten. Durch UDCA wenig beeinflusst werden
Müdigkeit und Osteoporose (9).
Diagnose der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) Die PSC zeichnet sich durch eine progressive Destruktion großer intra- und extra-
hepatischer Gallenwege aus und betrifft in 64% der Fälle Männer mit einem Alters-
maximum zwischen 25 und 45 Jahren. Auffallend häufig ist die Colitis ulcerosa (CU)
(England 71%, Schweden 72%, eigene Patienten Hannover 52%) mit der PSC
assoziiert, seltener der Morbus Crohn (eigene Patienten Hannover 11%) (2, 16).
CED-Patienten mit auffälligen Leberwerten (ca. 5%) sollten auf eine PSC untersucht
werden. Die CU bei PSC-Patienten ist häufiger durch eine klinisch inapparente
Pankolitis, eine „backwash ileitis“ und durch rektale Aussparung gekennzeichnet.
Das Dysplasierisiko ist deutlich erhöht. Das Krankheitsbild der PSC ist durch
Oberbauchbeschwerden, Pruritus, Anorexie und Fieber gekennzeichnet, wobei bis
zu 50% der Patienten asymptomatisch sein können. Die Diagnose gründet sich
neben der Cholestase auf die charakteristischen Befunde in der ERC sowie der
Leberbiopsie (Ringfibrose der Gallenwege). Serologisch können atypische
antineutrophile zytoplasmatische Autoantikörper (xANCA) bei bis zu 80% der
Patienten nachgewiesen werden, die allerdings zur Diagnosesicherung wenig
beitragen. In einer Untergruppe liegt eine sogenannte „small bile duct PSC“ vor (3),
bei der in der ERC keine Gallenwegsauffälligkeiten nachweisbar sind und die eine
bioptische Sicherung erfordert.
Beurteilung der PSC als Präkanzerose
Anders als bei AIH ist bei der PSC das Karzinomrisiko erhöht (2). Die Diagnose des
Cholangiokarzinoms (CCC) des PSC-Patienten ist ein unbefriedigendes klinisches
Problem (16), da Stenosen entzündlich bedingt sein können, biochemische Tests
und bioptische Verfahren wenig Sensitivität und Spezifität aufweisen und
47
bildgebende Verfahren bei intramural wachsenden Tumoren insensitiv sind. Das
CCC-Risiko des PSC-Patienten beträgt 1,5% pro Jahr und ist damit 161-fach höher
als bei Gesunden. Darüber hinaus besteht eine 10-fache Erhöhung des Kolorektal-
karzinomrisikos und eine 14-fache Erhöhung des Pankreaskarzinomrisikos (2). Die
Diagnostik der PSC sollte jährliche koloskopische Untersuchungen und Ultraschall-
untersuchungen des Abdomens einschließen.
Standardtherapie der PSC
Die PSC ist durch medikamentöse Maßnahmen nicht heilbar. Die Therapie der Wahl
ist trotz aller Kontroversen die UDCA (15–25 mg/kg KG/Tag p. o.) (5). Niedrigere
Dosierungen (unter 10 mg/kg KG/Tag) scheinen weniger wirkungsvoll zu sein. Eine
Studie zur UDCA-Therapie bei PSC mit höherer UDCA Dosierung (25–30 mg/kg)
wurde aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Andererseits scheint unter UDCA das
Risiko einer Kolondysplasie vermindert (14). Bei rezidivierenden Cholangitisschüben,
steigendem Bilirubin und fortschreitender portaler Hypertension bleibt die Lebertrans-
plantation, wobei die PSC im seit 2006 eingeführten „model of end-stage liver
disease“ (MELD) nur unzureichend abgebildet wird.
Endoskopische Therapie
Endoskopische Dilatationen dominanter Stenosen können die Cholestase
verbessern. Die Kombination mit UDCA-Therapie führt zu einer signifikanten
Verlängerung des transplantationsfreien Überlebens (9). UDCA allein erreicht diesen
Effekt nicht.
Overlap-Syndrome Überlappende Syndrome zwischen PSC und AIH sowie PBC und AIH kommen in
ca. 10% der Fälle vor. Verbindliche Diagnostik- oder Therapierichtlinien gibt es nicht.
Es empfiehlt sich eine histologische Evaluation, eine Bestimmung des Autoanti-
körperprofils (13). Klinisch wird zunächst die führende Komponente behandelt:
Steroide bei ausgeprägter Hepatitis, UDCA bei Cholestase. Beide Behandlungen
können kombiniert werden.
Lebertransplantation AIH, PBC und PSC sind anerkannte Indikationen für eine Lebertransplantation. Bei
der PSC liegt das 10-Jahres-Überleben bei 70% (4), bei der PBC zwischen 67% und
48
88% (6) und bei der AIH bei 80–90% (16). Die Rezidivrate aller 3 Krankheitsbilder
nach Lebertransplantation beträgt rund 25%.
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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Dr. B. Bokemeyer Gastroenterologische Gemeinschafts-praxis Minden Uferstr. 3 32423 Minden Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler Klinik für Allgemeine, Viszerale und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg PD Dr. M. Cornberg Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Prof. Dr. H. Friess Chirurgische Klinik und Poliklinik Klinikum rechts der Isar Technische Universität München Ismaninger Str. 22 81675 München PD Dr. H. Grimm Gastroenterologische Schwerpunktpraxis Feldstr. 5–7 24105 Kiel Prof. Dr. K.-W. Jauch Chirurgische Klinik und Poliklinik Klinikum der Universität München – Großhadern Marchioninistr. 15 81377 München Prof. Dr. M. Krüger Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie Ev. Krankenhaus Bielefeld Standort Johannesstift Schildescher Str. 99 33611 Bielefeld
Prof. Dr. M.M. Lerch Klinik für Innere Medizin A Universitätsklinikum Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23A 17487 Greifswald Prof. Dr. Dr. M. Löhnert Klinik für Allgemeinchirurgie und Koloproktologie Klinikum Bielefeld Rosenhöhe An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld Prof. Dr. M.P. Manns Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Dr. Dr. D. Meessen Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie Klinikum Bielefeld Rosenhöhe An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld Prof. Dr. Prof. h. c. (KGZ) M.A. Reymond Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Ev. Krankenhaus Bielefeld Standort Johannesstift Schildescher Str. 99 33611 Bielefeld Prof. Dr. J.F. Riemann c/o Stiftung LebensBlicke Klinikum der Stadt Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Dr. U. Rosien Medizinische Klinik Israelitisches Krankenhaus Orchideenstieg 14 22297 Hamburg