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FRP Working Paper 05/2016
Warum Südtirol mit ‚Ja‘ gestimmt hat
Die Südtiroler Autonomie
im Kontext des italienischen Verfassungsreferendums
von Melissa Goossens
Dezember 2016
Goossens, Melissa: Warum Südtirol mit ‚Ja‘ gestimmt hat Die Südtiroler Autonomie im Kontext des italienischen Verfassungsreferendums Regensburg: Dezember 2016 (Working Papers des Forums Regensburger Politikwissenschaftler – FRP Working Paper 05/2016)
Das Forum Regensburger Politikwissenschaftler (FRP) ist eine Initiative des Mittelbaus des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Regensburg. Es versteht sich als Diskussionsplattform für Politikwissenschaftler aller Teildisziplinen und publiziert online Working Papers zu politikwissenschaftlich relevanten Themen. Ziel der Beiträge ist es, auf Basis theoretischer Reflexion und unter Bezugnahme auf aktuelle akademische Debatten originelle Positionen, Erkenntnisse und Problemlösungsvorschläge in einem Format zu präsentieren, das die Profile und Kompetenzen der Politikwissenschaft für eine breitere Öffentlichkeit transparent macht. Jede Nummer erscheint in elektronischer Version unter http://www.regensburger-politikwissenschaftler.de Forum Regensburger Politikwissenschaftler Institut für Politikwissenschaft, Universität Regensburg Universitätsstraße 31, D-93053 Regensburg E-Mail: Redaktion.FRP@ur.de Homepage: www.regensburger-politikwissenschaftler.de Gründungsherausgeber: Alexandra Bürger, Henrik Gast, Oliver Hidalgo, Herbert Maier Redaktion: Sabine Fütterer, Simon Bein, Andreas Friedel © 2016, Forum Regensburger Politikwissenschaftler
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1. Einleitung
Dass im politischen System Italiens Defizite in der Effizienz und Reformfreudigkeit vorliegen,
wurde in den letzten Jahren national und international immer wieder bemängelt. Ministerpräsident
Matteo Renzi, der sich selbst als „Il Rottamatore“ („Der Verschrotter“, bezogen auf die alten Eliten
und deren Handlungsweise) bezeichnete, hatte sich zu Beginn seiner Amtszeit diesen Problemen
verschrieben und mit der Ankündigung des „Tausend-Tage-Programms“ dem politischen
Establishment frischen Wind prophezeit, deren Fortschritte auf der Homepage Passo dopo Passo
verzeichnet werden.1 Diverse Reformen in Justiz und Bildung, ein Anti-Korruptionsgesetz und die
Liberalisierung des Arbeitsrechtes führten nach dem ersten Jahr schnell zu Umfragewerten von
Renzi über 50%, die bis 2015 jedoch genauso schnell wieder auf knapp 30% sanken (Economist
2015).
Grund dafür war einerseits die Gleichzeitigkeit und Geschwindigkeit, mit der er versuchte
Italien an allen Ecken und Enden zu reformieren, was nicht immer auf Gegenliebe gestoßen ist.
Hinzu kam das Unvermögen, die positiven Ergebnisse der Bevölkerung zu vermitteln. Außerdem
formierte sich eine innerparteiliche Minderheiten-Opposition des PD (Partito Democratico) vor
dem Hintergrund des Vorwurfes, er würde Verrat an den linken Ideen der eigentlich
linksausgerichteten Partei begehen. Den Höhepunkt erreichte der Unmut schließlich, als die
besagte Verfassungsreform, die aufgrund ihrer potentiell weitreichenden Folgen auch als „Mutter
der Reformen“ (Kitzler 2016) bezeichnet wurde, in gleicher Eile vom Senat hätte verabschiedet
werden sollen, der sich in eben dieser Reform selbst entmachtet und beschnitten hätte.
Da für die Verfassungsreform in Senat und Abgeordnetenhaus eine Zweidrittel-Mehrheit
nötig gewesen wäre und dieses Quorum verpasst wurde, folgte am 4. Dezember 2016 ein
Referendum, in dem die Italiener über die Reform abgestimmt haben. Während die Umfragen bis
Mitte 2016 noch eine Befürwortung in der Bevölkerung verzeichnet haben, holten die Anhänger
des ‚Nein‘ schließlich auf (Economist 2016: 18; La Repubblica 2016). Diese Verteilung blieb bis
zum Wahltag erhalten und es stimmte die Mehrheit der Wähler gegen die Verfassungsreform.
Verfolgte man die Medien und Online-Diskussionen, wurde aber vor allem deutlich, dass
das Votum Italiens kein Zeichen gegen die Reform ist, sondern vielmehr eine Entscheidung gegen
Ministerpräsident Matteo Renzi, der den Ausgang des Referendums unnötigerweise an seine
politische Zukunft geknüpft hat. Seinen Rücktritt kündigte er in einer Fernsehansprache noch am
Abend des Referendums an, wobei Staatspräsident Mattarella darauf bestanden hat, dass Renzi
noch bis zur Verabschiedung des Haushaltes für das kommende Jahr im Amt bleiben sollte (Spiegel
2016).
2. Das Verfassungsreferendum
Die Verfassungsreform wurde durch zwei zentrale Ideen charakterisiert: Zum einen war es der
Umbau des Zweikammern-Systems, das sich als schwerfällig und unpraktikabel erwies und über
Jahrzehnte den Reformdrang des Landes lahmgelegt hatte. Die politische Organisation im Staat
wäre durch die Reform effizienter und schlanker gestaltet worden. Zum anderen beinhaltete die
Reform aber auch die Rücknahme der zögerlichen Föderalisierungsversuche der Regierung
Berlusconi aus dem Jahr 2001. Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Regionen und Staat
wäre deutlich zentralistischer und weniger regionenfreundlich gestaltet worden, womit die
1 www.passodopopasso.it.
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Melissa Goossens Südtiroler Autonomie
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zentralistische Grundhaltung Renzis gegenüber der staatlichen Organisation mehr als deutlich
wurde (Zwilling 2015).2
Inwieweit Regionen mit Sonderstatut und insbesondere Südtirol ihren Platz in einem
zentralistischen Staat bewahren können und inwieweit die Autonomie dadurch in Gefahr gewesen
wäre, wurde von den Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen. Schützenbund und Süd-Tiroler
Freiheit3 bezichtigten die Südtiroler Volkspartei (SVP), die am Verhandlungstisch saß, des Verrates
gegenüber der Autonomie und dem Südtiroler Volk (Südtirol News 2016; Stol.it 2016), während
die SVP und diverse Wissenschaftler wie Francesco Palermo argumentierten, dass die
Schutzmechanismen derart stark sein werden, dass der zentralistische Staat nicht in die Autonomie
eingreifen könnte (SVP 2016a). Ob die Reform tatsächlich die Autonomie Südtirols beschneiden
hätte können, wird auf den folgenden Seiten dargestellt werden.
2.1 Unpraktikables Zweikammersystem vs. Neuordnung des Senats
Bisher galt in Italien das ‚perfekte Zweikammernsystem‘ (bicameralismo perfetto), das beide
Kammern in den Kompetenzen total gleichsetzt. Ziel dieser völligen Gleichberechtigung ist die
harmonische Rechtsetzungskompetenz, die eine Machtkonzentration in einer der Kammern
verhindern sollte (Köppl 2007: 121). Gesetzen müssen deshalb jeweils beide Kammern zustimmen
und da beide Kammern den exakt gleichen Wortlaut verabschieden müssen, kommen bereits
kleinste Änderungen einer Blockade des Gesetzes gleich, da jede Umgestaltung eine Retournierung
in die jeweils andere Kammer zur Folge hat, die ebenfalls wieder zustimmen muss. Dass dieser
Mechanismus blockierend, nicht praktikabel und vor allem unwahrscheinlich kostenintensiv ist,
wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder in Politik und Wissenschaft als „unzeitgemäß“
(Palermo 2015) bemängelt.
Das neue System hätte das Zusammenspiel der Kammern in drei Punkten effizienter
gestaltet, wobei die Abgeordnetenkammer weder in Quantität noch Qualität angetastet worden
wäre, sondern die Reform nur den Senat betroffen hätte. Dieser wäre verschlankt und in seinen
Kompetenzen beschränkt, sowie der Gesetzgebungsprozess optimiert worden, wodurch dieser in
seiner Ausgestaltung dem deutschen Bundesrat ähnlich geworden wäre. Die Verfassungsänderung
hätte den Senat von ursprünglich 315 Mitgliedern auf 100 verschmälert, von denen 95 Personen
aus den Regionen gekommen und fünf vom Staatspräsidenten ernannt worden wären (Neue Verf.,
Art. 57, Abs. 1). Bisher waren diese Senatoren auf Lebenszeit eingesetzt, was nach der Reform
ebenfalls nicht mehr möglich gewesen wäre (Benedikter 2016: 6).
Neben der Verschlankung der Zweiten Kammer hätten sich auch die Kompetenzen
verändert. In Zukunft hätte die Abgeordnetenkammer allein die Nation vertreten, während der
Senat die Vertretung der Gebietskörperschaften übernommen hätte und dadurch nur noch in
bestimmten Bereichen befugt gewesen wäre, am Gesetzgebungsverfahren mitzuwirken. Seine
Zustimmung zu Gesetzen wäre nur noch bei der Überarbeitung der Verfassung nötig gewesen,
sowie im Bereich von Europaangelegenheiten, des Wahlrechtes, des Minderheitenschutzes,
2 Außerdem wären die direktdemokratischen Elemente durch Ergänzung der bisherigen Instrumente gestärkt worden, wie z.B. durch das gesetzeseinführende Referendum.
3 Der Südtiroler Schützenbund (gegr. 1958) versteht sich nicht im deutschen Sinne als Sportschützenvereinigung. Vielmehr steht die Traditionspflege sowie der Schutz und Erhalt der Südtiroler Werte im Zentrum. Die Vereinigung vertritt außerdem eine konservative Weltsicht, die sich auch im Kampf für die Autonomie und den Wunsch nach dem Anschluss an Österreich widerspiegelt. Die Süd-Tiroler Freiheit (gegr. 2007) ist eine politische Partei, die die gleichen Ziele vertritt: Selbstbestimmung für Südtirol und den Wiederanschluss an Österreich, was schon die Schreibweise verdeutlicht. Auch sie ist eher dem rechtskonservativen Spektrum zuzuordnen.
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ethischer Themen und bei Referenden. Außerdem wären die Beziehungen zwischen Europa, dem
Staat und den Regionen ebenfalls in der Zuständigkeit des Senats gelegen. Die übrigen Bereiche
wären allein in die Verantwortung der Abgeordnetenkammer gefallen (Neue Verf. Art. 70, Abs. 1).
Die Gesetzgebung hätte sich insofern verändert, dass Gesetze nach deren Verabschiedung
in der Abgeordnetenkammer in den Senat geschickt worden wären. Dort hätte innerhalb von zehn
Tagen mit Zweidrittel-Mehrheit eine Neuüberprüfung angeordnet werden können, wobei über die
Änderungsvorschläge aus dem Senat letztinstanzlich in der Abgeordnetenkammer abgestimmt
worden wäre (Neue Verf., Art. 70, Abs. 3). Es hätte also kein Vetorecht, aber ein Empfehlungs-
oder Änderungsvorschlagsrecht gegeben und Gesetze dadurch gleichermaßen vorübergehend
‚gestoppt‘ werden können.
2.2 Die Neuordnung der Beziehungen zwischen Staat und Regionen
Die zweite Umgestaltung wäre die Neuordnung der Zuständigkeiten von Staat und Regionen
gewesen, wobei letztere de facto so beschnitten worden wären, dass die Rückkehr zum
Zentralismus damit beschlossen gewesen wäre. Während in der Reform 2001 noch Kompetenzen
an die Regionen mit Normalstatut4 im Sinne einer Föderalisierung abgegeben wurden, wäre dieser
Schritt wieder rückgängig gemacht worden (Peterlini 2016: 5). Dies gilt vor allem (wieder) für die
Bereiche Umwelt, Raumordnung, Energie, Zivilschutz und Infrastruktur, wodurch die
konkurrierende Gesetzgebung aufgehoben worden und die Regionen mit Normalstatut quasi
aufgelöst worden wären, da sie keinerlei Befugnisse mehr gehabt hätten (Benedikter 2016: 23).
Einige dieser Bereiche hätten im Falle eines ausgeglichenen Haushalts im Rahmen eines
vereinfachten Verfahrens wieder vom Staat zurückgeholt werden können, ohne dass eine
Verfassungsänderung nötig gewesen wäre (Neue Verf., Art. 116, Abs. 3). Angesichts der
angespannten wirtschaftlichen Lage hätte diese Möglichkeit jedoch den wenigsten Regionen offen
gestanden.
Eine weitere Klausel hätte die „rechtliche und wirtschaftliche Einheit der Republik und das
nationale Interesse“ (Neue Verf. Art. 117, Abs. 4.) betroffen. Sind diese in Gefahr, hätte der Staat
die Möglichkeit gehabt, auch in den Bereichen gesetzgeberisch zu handeln, in denen er nicht
exklusiv zuständig ist. Hinsichtlich dieser Suprematieklausel bestand die Sorge, dass dieser Passus
auch die Regionen mit Sonderstatut betreffen kann und der Zentralstaat unter dem Vorwand des
nationalen Interesses legislativ und exekutiv in deren Belange eingreifen könnte und die Autonomie
so ausgehöhlt und obsolet wird.
Obwohl deutlich geworden ist, dass die Regionen mit Normalstatut über die Reform
abgeschafft hätten werden sollen, stimmten die betroffenen regionalen Vertreter ihr zu, da die
föderalistische Reform (2001) ihres Erachtens mehr Konflikte zwischen Staat und Regionen vor
dem Verfassungsgerichtshof verursachte.5 Diese bestanden meist darin, dass regionale Gesetze
einen Sichtvermerk aus Rom erhalten mussten, bis sie in Kraft treten konnten. Um wichtige
Gesetze schnell durchbringen zu können, nahmen die Regionen die Änderungen aus Rom meist
schlichtweg an, um nicht einen langen Prozess vor dem Verwaltungsgericht abwarten zu müssen
4 Italien ist in 20 Regionen unterteilt, die eigene Statute (regionale Verfassungen) haben. Fünf Regionen haben aus historischen Gründen Sonderstatute, die ihnen Gesetzgebungskompetenzen und eine gewisse finanzielle Autonomie zugestehen. Die Zuständigkeiten der Regionen mit Normalstatut lassen sich nur aus der gesamtstaatlichen Verfassung ableiten.
5 70% aller Rechtsprechungen des Verfassungsgerichtshofes behandeln Kompetenzstreitigkeiten zwischen Staat und Regionen (Economist 2016, 18ff.).
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(SVP 2016a: 5). Fraglich ist, ob die Lösung dieser Konflikte in einer Abschaffung der Kompetenzen
liegt.
2.3 Ergebnisanalyse
Letztlich stimmten am 4. Dezember 2016 bei einer Wahlbeteiligung von 68,48% knapp 60% der
Wähler gegen die Verfassungsreform. Während das Referendum insgesamt zwar verloren wurde und
die Mehrheit der Regionen die Ablehnung deutlich machten, stimmten im Gegensatz dazu in der
Autonomen Region Trentino-Alto Adige 53% und in der Provinz Südtirol sogar knapp 64% für
die Reform. Daneben konnte nur noch in den Regionen Emilia-Romagna mit knapper Mehrheit
und der Toskana mit ähnlichem Ergebnis wie in Südtirol positive Stimmen verzeichnet werden.
Offensichtlich wird auch, dass Italien zwar nicht hinsichtlich der Ja- und Nein-Stimmen
strikt in Norden und Süden aufgeteilt ist, eine Tendenz der Dominanz der Nein-Stimmen aber im
Süden zu verorten ist. Die Regionen Kalabrien, Basilikata, Puglia, Kampanien, Abruzzen und
Latium als die sechs südlichen Regionen nehmen zusammen mit Sizilien und Sardinien die Plätze
eins bis acht der meisten Nein-Stimmen ein (Innenministerium 2016).
Abbildung 1: Ergebnisse nach Regionen, inkl. Italien gesamt und Provinz Südtirol zum Vergleich. (Eigene Darstellung auf Datenbasis des Innenministeriums Italien.)
Insgesamt zeigt dieser Vergleich, dass die stärkste Ablehnung in erster Linie aus südlichen
Gebietskörperschaften stammte. Es kann also davon ausgegangen werden, dass der wirtschaftliche
Cleavage zwischen Nord und Süd auch eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben muss. Da
sich dieses Paper jedoch auf die Situation der Autonomen Regionen und vor allem Südtirols
konzentriert, würde eine gesamtstaatliche Analyse hier zu weit gehen.
Die letzten Wochen und Tage des Wahlkampfes wurden in ganz Italien emotional begleitet.
Vor allem in Südtirol kochten die Emotionen hoch, da die Gegner des Referendums die Ängste
geschürt haben, dass die Schutzmechanismen der Autonomie zu schwach sein werden, außerdem
eine selbstverwaltete Region in einem zunehmend zentralistischen Staat keinen Platz mehr haben
wird und ganz generell der Zentralismus eine nicht zu unterstützende Entwicklung ist.
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ERGEBNIS DES REFERENDUMS
INKL. ITALIEN G ESAMT & PROVINZ ST
Si No
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Warum sich die Südtiroler Bevölkerung letztendlich doch für die Zustimmung entschieden hat, soll
auf den folgenden Seiten dargelegt werden.
3. Die Regionen mit Sonderstatut
Neben Südtirol haben aus historischen Gründen auch Sizilien und Sardinien Sonderstatute. Nach
dem zweiten Weltkrieg waren in beiden Regionen die Separationsbewegungen sehr stark, weshalb
die Zentralregierung über Sonderrechte und eine gewisse Autonomie versuchte, den Frieden
aufrechtzuerhalten. Daneben verfügt auch die Region Aostatal aufgrund des Schutzes der dort
lebenden französischsprachigen Minderheit über ein Sonderstatut, sowie die Region Friaul-Julisch
Venetien, um die Rechte der slowenischen Minderheit sichern zu können.
Während die ersten vier Regionen bereits 1948 durch die verfassungsgebende
Versammlung geschaffen wurden, wurde die Region Friaul-Julisch Venetien erst 1963 eingerichtet.6
3.1 Fallbeispiel Südtirol
Die Südtiroler Autonomie gilt seit langem als Vorbild für die erfolgreiche Vereinbarung regionaler
Selbstbestimmungsbestrebungen mit dem Verbleib im Zentralstaat, welche europaweit in den
letzten Jahren medial immer wieder in den Fokus gerückt sind. Gründe für diese Bewegungen, die
nicht nur in Europa, sondern weltweit immer wieder für Aufregung sorgen, sind unter anderem
die Benachteiligung oder Unterdrückung ethnischer oder sprachlicher Gruppen, wie in Südtirol.
Weitere Beispiele sind Schottland und Katalonien, aber auch diverse Regionen in Südosteuropa,
die ihrem Selbstbestimmungsanspruch auf mehr oder weniger gewaltsame Art und Weise
Nachdruck verleihen.7
Der Wunsch nach Autonomie hat in Südtirol eine lange Geschichte, was im Dasein als
Spielball zwischen den Nationen begründet ist. Die Region wurde immer wieder zwischen dem
Habsburger Reich und Italien hin- und hergeschoben und fiel schließlich erst nach dem Zweiten
Weltkrieg endgültig Italien zu. Um die Rechte der ladinisch- und deutschsprachigen Bevölkerung
vor dem Hintergrund der Italienisierung schützen zu können, gründet sich als Sammelbecken für
diese Sprachgruppen die Südtiroler Volkspartei (SVP). Zusammen mit österreichischer
Unterstützung kämpfte sie für das Südtiroler Selbstbestimmungsrecht, was immer wieder am
Widerstand Italiens scheiterte. Gründe dafür waren die Ablehnung der italienisch-sprachigen
Mehrheit, die hohen Investitionen in Südtirol und der Vertrag von St.-Germain (Aschauer 1987:
59).
Im Pariser Abkommen erzielte 1947 Österreichs Außenminister Gruber schließlich mit
dem italienischen Außenminister de Gasperi einen ersten Erfolg, der den deutschsprachigen
Südtirolern die „volle Gleichberechtigung mit den italienischsprachigen Einwohnern“ sowie „die
Ausübung einer autonomen, regionalen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt“ zugestehen konnte
(Landespresseamt Bozen 2006). Italien verabschiedet schließlich – nicht konform dazu – am
1.1.1948 eine Verfassung, die Südtirol die Autonomie lediglich im Rahmen einer Trentino-Südtirol-
Region zugesteht – die damit wieder mehrheitlich italienischsprachig ist (Steininger 1987: 159).
Diese Verfassung ist das Erste Autonomiestatut, das zunächst eine Verbesserung der Verhältnisse
nach sich ziehen sollte. De facto nahm die Diskriminierung der deutschsprachigen Bevölkerung
6 Vgl. Ulrich (2009: 696). 7 Beispiele hierfür sind der Konflikt in der Region Berg-Karabach, der im April 2016 wieder gewaltsam aufgebrochen
ist, aber auch Transnistrien und Südossetien, die die letzten Jahre als eingefrorene Konflikte gelten, aber nicht gelöst wurden.
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jedoch weiter zu. Die Arbeits- und Heimatlosigkeit leisteten der Bewegung Vorschub und führten
letztendlich zur Radikalisierung der separatistischen Bewegung. Ihren Gipfel erreichte die
Bewegung Mitte der 50er Jahre im Versuch mittels Bombenattentaten die Loslösung von Rom zu
erzwingen (Stocker 2007: 53 ff).
Nach Eingreifen der UNO wurde 1964 als Kompromiss das ‚Südtirol-Paket‘ präsentiert,
das sowohl bei der SVP, als auch in Österreich Anklang fand und 1972 als Zweites
Autonomiestatut in die Verfassung einging. 137 ‚Maßnahmen zugunsten der Bevölkerung
Südtirols‘ erweitern die autonome Verwaltungskompetenz und garantieren der dann sogenannten
Provinz Bozen umfangreiche Rechte im Tourismus, der Landwirtschaft und den öffentlichen
Ämtern (Aschauer 1987: 70). Dazu kam ein Abkommen, dass 90% der Südtiroler Steuern zur
Finanzierung der Selbstverwaltung wieder zurück nach Südtirol fließen ließ8. 1992 erfolgte mit der
Übergabe der ‚Streitbeilegungserklärung‘ das letzte formale Kapitel der Differenzen zwischen
Italien und Südtirol, da das Paket als erfüllt angesehen wurde (Landespresseamt Bozen 1992).
Im Sinne einer ‚dynamischen Autonomie‘ wurden die Gesetzgebungs- und
Verwaltungsbefugnisse Südtirols auch nach 1992 weiterentwickelt bzw. ausgebaut, wobei nach wie
vor keine Vollautonomie9 herrscht. Mittlerweile haben sich die Südtiroler mehrheitlich damit
arrangiert ein Teil Italiens zu sein, was nicht bedeutet, dass sie den Bemühungen um mehr
Eigenständigkeit ein Ende setzen werden. Die starke Regionalkultur, die eng verbunden mit der
österreichischen und bayerischen ist und eine wirtschaftlich starke Stellung in Italien und Europa
tragen zu einer starken Identität bei, die nicht zugunsten einer italienischen ersetzt werden wird
(Peterlini 1996: 68). Diese Stellung als periphere Region, sowie die enge Verbindung zu Österreich
schlägt sich auch in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino nieder.
3.2 Bewertung der geplatzten Verfassungsreform
Bewertet man die Verfassungsreform hinsichtlich des Senats und der Rolle der Südtiroler Vertreter
dort, kann festgehalten werden, dass die Region Trentino-Südtirol überproportional stark vertreten
gewesen wäre10, da die beiden autonomen Provinzen Bozen und Trient als eigene Regionen gelten
und damit vier Vertreter bei einer Bevölkerung von 1,1 Mio. entsenden hätten dürfen (Neue Verf.,
Art. 57, Abs. 4). Daneben hätte auch die Autonomiegruppe im Senat eine stärkere Position
einnehmen können, wenn sich – wie es theoretisch möglich wäre – die zwei Vertreter des Aostatals,
sowie die vier Vertreter der Provinzen Trient und Bozen und die Senatoren auf Lebenszeit
zusammengeschlossen hätten. Waren es bisher acht Senatoren aus dieser Runde auf 315 in der
Gesamtzahl, so hätten in Zukunft sechs Senatoren auf 100 kommen können, wodurch die
Verfassungsreform quantitativ gesehen für Südtirol ein Gewinn gewesen wäre.
Gemessen an den Gesetzgebungskompetenzen kann eine Beschneidung der Politikfelder
aus Sicht des Senats nicht ohne Zweifel positiv bewertet werden. Für Südtirol gesehen wäre jedoch
vor allem die Gesetzgebungskompetenz in Verfassungsdingen und der Minderheitenschutz
relevant gewesen und diese Bereiche wären als gemeinsame Gesetzgebungsfunktion beider
Kammern verblieben (Neue Verf., Art. 70, Abs. 1).
8 Der Zuschuss wurde 2009 im Zuge der Eurokrise zurückgenommen, als eine Vereinbarung zwischen Südtirol, dem Trentino und Rom festlegte, dass jährlich 500 Mil. € aus dem Budget zur italienischen Haushaltssanierung nach Rom gehen müssen.
9 Vollautonomie ist in Südtirol wie beispielsweise die ‚Devolution Max‘ in Schottland zu verstehen: Ziel ist nicht ein eigener Staat, sondern die Autonomie in allen Bereichen, exklusive Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Im Zentrum steht dabei vor allem die Fiskal- und Steuerautonomie.
10 Vgl. Region Ligurien mit 1,5 Mio. Einwohnern entsendet 2 Vertreter.
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Die Tatsache, dass das Verfassungsgericht als Schnittstelle zwischen Regionen und Staat meist
regionenkritisch geurteilt hat, und jetzt der Senat in Zukunft das Recht gehabt hätte, zwei
Verfassungsrichter zu bestimmen, hätte für Südtirol als vorsichtig optimistisch bewertet werden
können (Neue Verf., Art. 135, Abs. 1). Da bisher die stimmgewaltigere Abgeordnetenkammer und
der Senat gemeinsam fünf Richter ernannt haben, hätte es die Möglichkeit gegeben, in der Reihe
der 100 Senatoren eine Mehrheit für Autonomie- oder Regionen-‚freundliche‘ Verfassungsrichter
finden zu können. Inwieweit diese Einschätzung realistisch ist, kommt auf verschiedene politische
Parameter an, theoretisch wäre die Möglichkeit jedoch gegeben gewesen.
Da auf regionaler Ebene, wie bereits erwähnt, vor allem von den Regionen mit
Normalstatut kein Widerstand geäußert wurde, organisierten sich die Vertreter der Autonomen
Regionen Friaul-Julisch-Venetien, Sardinien, Sizilien, Aostatal und der Autonomen Provinzen
Südtirol und Trient, um ihre Autonomien und Sonderstatute absichern zu können (Peterlini 2016:
266). Diese Schutzklausel hätte als Ergänzung ebenfalls in den Verfassungsänderungsentwurf
Eingang gefunden (Art. 39, Abs. 13).
Inhalt der Schutzklausel war die Nichtanwendung des Titels IV auf die Autonomen
Regionen, der den Bereich der Kompetenzverteilung und der Suprematie-Klausel betrifft, bis deren
Autonomiestatute überarbeitet werden. Ein zweiter Punkt, wodurch sich die Situation auch von
der Reform 2001 unterschieden hat, ist die Überarbeitung der Statute, die nur auf Einvernehmen
zwischen Staat und Region erfolgen hätte können. An dieser Stelle entstand eine rege Diskussion
über die Stärke der Formulierung ‚auf Basis des Einvernehmens‘ (‚sulla base di intese‘). Es bestand
der Verdacht, dass Regierung oder Parlament dieses Einvernehmen mit Zweidrittel-Mehrheit
übergehen könnten, wenn keine Einigung zwischen Rom und Südtirol gefunden wird. Allerdings
war im Text der Verfassung kein entsprechender Passus hinterlegt, der diese Möglichkeit oder eine
zeitliche Limitierung angeboten hätte.11 Es hätte sich also bei einem Konflikt um ein
Präzedenzurteil des Verfassungsgerichtes gehandelt, dessen Ausgang unklar gewesen wäre. Vor
dem Hintergrund der starken zentralistischen Ausrichtung war der Verdacht jedoch nicht ganz
unbegründet. Andererseits hätte dieses Einvernehmen auch als Chance betrachtet werden können,
da die fällige Überarbeitung des Statuts auf Basis beiderseitiger Zustimmung umfassend erfolgen
hätte können. Hätte die Zentralregierung nicht zugestimmt, wäre für Südtirol die alte Verfassung
gültig geblieben, wodurch die Situation theoretisch nur verbessert hätte werden können.
Unbestritten war jedoch die Stärkung der regionalen Autonomien als Ergebnis der
Schutzklausel im Gegensatz zu den Regionen mit Normalstatut, da erstere ohnehin eine bereits
starke Stellung innerhalb des Zentralstaates errungen haben. Damit wäre die regionale Asymmetrie
Italiens noch zusätzlich verschärft worden: Während die Regionen mit Normalstatut
dementsprechend Teil der neuen zentralistischen Verfassung gewesen wären, gilt für die Regionen
mit Sonderstatut die ehemalige regionenfreundliche Verfassung (Palermo 2015). Diese Tatsache
und die einmalige Ausgestaltung der Schutzklausel unterstrich auch der ehemalige
Verfassungsrichter und Kritiker dieser Sonderrolle der Autonomen Regionen, Ugo de Siervo, der
von einer „super garanzia parafederale“ gesprochen hat und die „caotica coesistenza“
verschiedener Gesetzgebungsbefugnisse für verschiedene Regionen und den Staat kritisierte (de
Siervo 2016: 4).
Neben den bereits behandelten Kritikpunkten wurde auch die internationale Absicherung
der Schutzklausel bemängelt, da keine diplomatischen Zusicherungen von Italien gegenüber
11 Eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Gianclaudio Bressa hat diesen Fakt schon 2015 klargestellt.
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Österreich ausgesprochen wurden (unsertirol24 2016). Hierzu kann festgestellt werden, dass die
Schutzmacht Österreich als Signatarstaat des Pariser Vertrages auch im Rahmen des
Einvernehmens formal Zustimmung zu einem neuen Statut geben müsste. Dadurch wäre die
Funktion als Schutzmacht auch auf das neue Statut ausgedehnt und nicht aufgelöst worden
(Peterlini 2016: 270; SVP 2016b: 8).
3.3 Das Ergebnis in den übrigen Regionen mit Sonderstatut
Wie bereits in den Feststellungen zum Referendum deutlich wurde, hätten auch die übrigen
Autonomen Regionen bezogen auf die Autonomiestatute von der Reform profitieren können. Es
wäre die Chance gewesen, im Übereinkommen mit Rom die regionalen Verfassungen zu
reformieren und dank der Schutzklausel ihre Rolle als autonome Region festigen zu können. Diese
Analyse hätte vermuten lassen, dass auch die übrigen Regionen mit Sonderstatut der Reform
zustimmen werden.
Abbildung 2: Wahlergebnisse der Autonomen Regionen Italiens (Eigene Darstellung).
Wie jedoch bereits erläutert wurde, war Südtirol in der Reihe der Autonomen Regionen die einzige
Region, die der Reform zugestimmt hat, während sie die vier anderen Autonomen Regionen mit
Sonderstatut teilweise mehr als eindeutig ablehnten. Am eindrucksvollsten ist das in den Regionen
Sardinien und Sizilien zu sehen, die landesweit an der Spitze der Referendumsgegner mit jeweils
72,2% und 71,6% Ablehnung stehen. Friaul-Julisch Venetien und das Aostatal sind im Mittelfeld
aller italienischen Regionen zu finden und damit ebenfalls nicht Befürworter der Reform.
Außerdem fällt auf, dass die beiden Inselregionen unter den Schlusslichtern der Wahlbeteiligung
sind, wohingegen die übrigen Regionen Wahlbeteiligungen über 70% verzeichnen konnten.
Verbindet man dieses Ergebnis mit der Nord-Süd-Schere, müssen außerdem die
wirtschaftlichen Verhältnisse in der Region betrachtet werden. Während der Mezzogiorno
europaweit als Sorgenkind gilt, das bei den Pro-Kopf-Einkommen auf halbem Niveau des Südens
liegt und gleichzeitig knapp 21% Arbeitslosigkeit zu verzeichnen hat, blüht die Region um Rom
und der Norden, vor allem in Südtirol (NZZ 2015). Es ist also in dem Fall nicht die Rolle als
Autonome Region ausschlaggebend, sondern die wirtschaftliche Stärke, oder eben Schwäche, wie
in den Autonomen Regionen Sizilien und Sardinien.
4. Fazit
Die Verfassungsreform wäre hinsichtlich des Ausmaßes und der Ausgestaltung sicher eine der
bedeutendsten Veränderungen im Italien des 21. Jahrhunderts gewesen. Vergleichbar war nur die
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20
40
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Region Trentino-Südtirol
Region Aostatal Italien gesamt Region Friaul-Julisch Venetien
Region Sizilien Region Sardinien
ERGEBNISSE DER REGIONEN MIT SONDERSTATUT
Si No Wahlbeteiligung
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Reform, die 2005 zwar in den Kammern genehmigt, jedoch im Referendum abgelehnt wurde
(Palermo 2015). Aus Sicht der Regionen wäre die Verfassungsreform im Bereich der Neuordnung
der Kompetenzen zwischen Staat und Regionen sicher ein Rückschritt gewesen. Die starke
Zentralisierung, die damit wiedereingerichtet worden wäre, hätte die Regionen in ihren
Kompetenzen deutlich beschnitten und die Suprematieklausel dem Staat die Möglichkeit gegeben,
unter dem Vorwand des nationalen Interesses einzugreifen. Zusätzlich wäre eine weitere
Verstärkung der Differenzen zwischen Regionen mit Normal- und Sonderstatut der
gesamtstaatlichen Harmonie ebenfalls nicht besonders zuträglich gewesen.
Unverständlich ist deshalb, dass die Vertreter der Regionen mit Normalstatut die Reform
zunächst befürwortet haben. Da sich dieses Paper jedoch auf Südtirol als Region mit Sonderstatut
konzentriert, soll hier keine Bewertung des Verhaltens der weiteren Regionalvertreter gemacht
werden. Aus regionaler Sicht muss die Zentralisierung kritisiert werden, wie das auch von der
Südtiroler Landesregierung und der SVP getan wurde. Sie vermerkte in ihrem Statement, dass ein
‚Nein‘ der Regionen mit Normalstatut durchaus nachzuvollziehen ist, da die zentralistische
Ausrichtung keineswegs eine positive Errungenschaft sein wird.
Anders verhält es sich mit der Zustimmung der Bevölkerung in den Regionen mit
Sonderstatut. Erstens kann festgehalten werden, dass die Zentralisierung dank der Schutzklausel
nicht angewendet hätte werden können. Zweitens hätte die Einvernehmensklausel sogar dafür
sorgen können, dass die Autonomie nicht nur gesichert, sondern sogar ausgebaut hätte werden
können. Außerdem wäre die überproportionale Vertretung der Südtiroler (6/100) im Senat als
positiv zu bewerten gewesen. Eine Reform des Statuts wird in diesem vergleichsweise sicheren
Rahmen in den nächsten Jahren nicht vorgenommen werden können, weshalb das ‚No‘ diese
Reformen auf Eis legen wird. Ob die nächsten Vertreter der Sonderregionen ebenfalls eine Klausel
wie die jetzige verhandeln werden können, ist angesichts der zunehmenden zentralistischen
Ausrichtung Italiens zweifelhaft.
Auch wenn aus dezentralistischer, regionalistischer Sicht keine positive Bewertung erfolgen
kann, hätte der Parlamentarismus in Italien doch dringend reformiert werden müssen, weshalb die
Verabschiedung der Verfassungsreform auch auf den Gesamtstaat betrachtet, wünschenswert
gewesen wäre, um das System wieder handlungsfähig machen zu können.
Das Votum Südtirols und dessen Zustimmung zur Verfassung lässt sich letztendlich in
einer ersten Analyse auf verschiedene Parameter zurückführen. Einerseits muss das Vertrauen in
die SVP als Regierungspartei eine Rolle gespielt haben, die nicht nur massiv für das ‚Ja‘ geworben
und die Stärke der Schutzklausel herausgehoben hat, sondern das Referendum als Chance für die
Weiterentwicklung des Statutes dargestellt hat. Der zweite Faktor wird dementsprechend auch die
Hoffnung oder der Wunsch der Bevölkerung nach der Weiterentwicklung gewesen sein, die
Autonomie zu stärken und auszubauen. Wie im landesweiten Vergleich zwischen Nord und Süd
sowie in der Gruppe der Autonomen Regionen deutlich wurde, scheinen außerdem wirtschaftliche
Gründe ebenfalls ausschlaggebend gewesen zu sein.
Vor dem Hintergrund, dass die anderen vier Regionen mit Sonderstatut für das ‚Nein‘
gestimmt haben, kann das Ergebnis also dahingehend interpretiert werden, dass die Region
Südtirols aus verschiedenen Gründen tatsächlich eine Sonderrolle in Italien spielt und das Ergebnis
nicht auf der Rolle als autonome Region beruht.
Es bleibt einmal mehr das Fazit: Südtirol ist eben doch irgendwie nicht Italien.
Melissa Goossens Südtiroler Autonomie
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5. Literatur
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Hinweis zu den Online-Quellen: Alle Quellen waren bis einschließlich 08.12.2016 online abrufbar.
Melissa Goossens, M.A., promoviert derzeit an der Universität Passau am Lehrstuhl Internationale Politik im Bereich Autonomie- und Separationsbewegungen
Forschungsschwerpunkte: Globalisierung, Separation/Autonomie, State-/Nation-Building
Kontakt: E-Mail: goossmel@gmail.com.
Empfohlene Zitation: Goossens, Melissa (2016): Warum Südtirol mit ‚Ja‘ gestimmt hat. Die Südtiroler Autonomie im Kontext des italienischen Verfassungsreferendums, FRP Working Paper 05/2016, Regensburg: abrufbar unter: www.regensburger-politikwissenschaftler.de/medien/frp_working_paper_05_2016.pdf
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