Post on 29-Oct-2019
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Forschungspraktikum: Edmonton, Kanada
Durch einen Plakataushang im Biologiecampus, bin ich auf das Stipendium der University of
Alberta in Edmonton aufmerksam geworden. Vorerst erschien mir eine Teilnahme
unwahrscheinlich, da meine Noten nicht überdurchschnittlich waren. Durch ein weiteres
Schreiben des Studienkoordinators, welches auf mangelnde Teilnehmerzahl hinwies, habe
ich mich letztendlich doch entschlossen meine Bewerbung abzuschicken, da ich ohnehin
meinen Lebenslauf in englischer Sprache verfassen wollte. Leider war das Schreiben sehr
kurzfristig und ein firstgerechtes Bearbeiten und Ausfüllen der Formulare war dann leider
nicht mehr möglich, da Referenzen von mindestens zwei Professoren benötigt wurden und
diese nur durch eine vom Bewerbungssystem generierten Email erlaubt wurden. Dieser
Schritt ist sehr zeitintensiv und sollte früh begonnen werden. Auf Grund eines Fehlers im
Systems wurde meine Bewerbungsfrist dann um eine weitere Woche aufgeschoben, so dass
ich die notwendigen Unterlagen einsenden konnte. Bei dem Bewerbungsprozess konnte
man zudem sein Fachgebiet für das Forschungspraktikum favorisieren.
Einige Woche später empfing ich eine Email mit der Zusage und Aufnahme ins
Stipendienprogramm der University of Alberta (UARE). Die Email beinhaltete zudem eine
Checkliste aller weiteren Schritte, die für die kanadische und universitäre Behörde notwendig
waren. Zusätzlich wurde einem Hilfe und Hinweise zu allen organisatorischen Aufgaben wie
Finanzen, Wohnungssuche, Versicherung, Alltag usw. gegeben. Bei der Menge der zu
erledigenden bürokratischen Aufgaben und Formalitäten kann man zu Beginn leicht den
Überblick verlieren und schnell verzweifeln, da lohnt es sich wirklich ein To-Do-Liste mit
Abgabeterminen anzufertigen. Auch sollten alle Maßnahmen so schnell wie möglich
begonnen werden, denn die Behörden, insbesondere die kanadische Botschaft, haben ihren
eigenen Rhythmus. Die Beantragung eines Arbeitsvisums erwies sich als sehr umständlich
und bedurfte vieler Dokumente. Für den gesamten deutsch-sprachigen Raum ist nur eine
Botschaft zuständig, welche ihren Sitz in Wien hat. Telefonisch war der Kontakt nicht möglich
und jede Email hat eine gewisse Bearbeitungszeit. Da vermehrt Beschwerden über die
Botschaft aufkamen, hat die University of Alberta ein offizielles Schreiben aufgesetzt, was
die gesamten Antragsstellung beschleunigte. Sollten irgendwelche Fragen oder
Schwierigkeiten aufkommen, lohnt es sich die entsprechenden Bezugspersonen zu
kontaktieren und Stress vermeiden, denn oft haben viele Bewerber das gleiche Problem oder
Zweifel.
Bei der Wohnungssuche hatte ich enormes Glück und hatte durch die von der Universität
weitergeleiteten Angebote noch eine last-minute Wohnung finden können. Mein WG-Zimmer
war mit $450 CAD leicht über dem durchschnittlichen Mietpreis, jedoch war es weit aus
günstiger als ein Zimmer in einem der möblierten Plaza-Unterkünfte, die dort häufig für
Studenten angeboten werden. Insgesamt betrachtet ist Edmonton auf eine riesige Fläche
verteilt und so ist man ohne Auto, welches das absolute Hauptverkehrsmittel ist, teilweise
eingeschränkt, wenn man von A nach B kommen will. Das spärlich ausgebaute Netz der
öffentlichen Verkehrsmittel zum Preis von $100 CAD im Monat ist die einzige Alternative zum
Fahrrad. So sollte man bei der Lage der Unterkunft darauf achten, das Anschluss zum LRT
(Ubahnnetz) besteht.
Bei der Anreise nach Kanada ist darauf zu achten, dass man für alle Flüge mit einem
Zwischenstopp in den USA eine ESTA-Visum benötigen, welches frühzeitig beantragt
werden muss.
Je mehr Zeit ich für die Organisation des Forschungspraktikums investierte, desto größer
wurden auch die Zweifel, ob es die richtige Entscheidung ist und letzten Endes die gesamte
Mühe wert war. Anders als bei einem Austauschsemester, bei dem das Kennenlernen
anderer Studenten und der anderen Kultur stark im Vordergrund steht, ist bei einem
Praktikumsaufenthalt im Ausland die arbeitstechnische Entwicklung im Vordergrund. Diese
Erkenntnis beeinflusste mich stärker als ich es mir vorerst eingestehen wollte. Ich hatte das
bedrückende Gefühl dadurch mein Leben bereits auf eine gewisse Berufslaufbahn festlegen
zu müssen und gewisse Freiheiten, die man durch das reine Studium hat, aufzugeben. Hinzu
kamen auch Bedenken, ob ich den an mich gestellten Ansprüchen der Forschungsarbeit
genügen würde, da meine Leistungen nicht überdurchschnittlich waren.
Dennoch habe ich mich für dieses Praktikum entschieden. Ich habe diese Möglichkeit als
Chance gesehen, mich für eine gewisse Zeit auf den Forschungsalltag einzulassen, neue
Techniken zu erlernen und so tief wie möglich in die Arbeit einzusteigen, um dann
entscheiden zu können, ob ich diese Berufsweg wählen möchte oder nicht. Schließlich hatte
ich immer in meiner persönlichen Entwicklung davon profitiert, genau die Dinge zu wagen,
die eine gewisse Anstrengung und Unbequemlichkeit mit sich bringen.
Der Arbeitsalltag zeigte mir, dass ich zum Teil auf mein bisheriges Wissen und meine
erlernte Fähigkeiten zurückgreifen konnte. Weitere Techniken zeigte mir meine
Praktikumsleiterin Prof. Lacy persönlich und zeigte dabei viel Verständnis, so dass
permanent eine gute Balance aus Routinearbeit und neuen Anforderungen bestand.
Ungewohnter Weise wurde mir auch gleich zu Beginn eine hohe Verantwortung übertragen.
Dieses Vertrauen gegenüber Studenten hatte ich bis dahin nicht in dem Maße gekannt. Ich
habe für mein Projekt teuere Chemikalien und Mikroskope anvertraut bekommen und wurde
auch in die aktuelle Forschungsarbeit miteinbezogen.
Das Arbeitsklima war sehr entspannt und gelassen, besonders was den Umgang mit dem
Vorgesetzten betraf. Jeder der Arbeiter war bereit zu helfen, in der Arbeit als auch in privaten
Angelegenheiten. Oft wurden nach Feierabend am Freitag gemeinsame Aktivitäten
unternommen. Insgesamt war der Umgang miteinander sehr unkompliziert und man hielt
sich nicht unnötig an Reglungen auf, so dass ich mich manchmal selber ertappt habe, mit
der deutschen Herangehensweise zu sehr auf Regelungen zu achten.
Für die Austauschstudenten wurden viele Aktivitäten organisiert und viele der trafen sich
dann in ihrer Freizeit. Ich habe versucht von diesen Veranstaltung fernzubleiben, ungeachtet
dessen, dass sie eine einfache Gelegenheit darstellen, Kontakt zu anderen herzustellen und
herumzukommen. Persönlich halte ich es für problematisch, da man dadurch oft nur Umgang
mit Austauschstudenten hat. Ich habe durch den alleinigen Kontakt zu Kanadiern viele
Freunde gefunden.
Kanada ist ein großes Land und dessen wird man sich schnell bewusst. Die Dimensionen
sind enorm und Ausflugsziele von drei Stunden Entfernung sind das Minimum. In Edmonton,
mit seiner zentralen Lage, hat man schnell das Gefühl von der Welt abgeschnitten zu sein.
Auch verfügt Alberta über riesige Ölvorkommen, wodurch die Industrie einen hohen
Stellenwert einnimmt. So spürt man schnell das Edmonton eine Arbeiterstadt ist, die mit
ihren Malls, ihren Bauten, ihren Straßen und ihrer Downtown einer US-amerikanischen Stadt
ähnelt. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken wird ein großes kulturelles Angeboten
präsentiert und auch die Universität versucht den Studenten viel Programm zu bieten,
internationale Studenten zu halten und ihnen das Leben so abwechslungsreich wie möglich
zu gestalten.
Alles in allem war mein Forschungspraktikum in Kanada eine wichtige Erfahrung. Ich habe
gemerkt, dass ich der Forschungsarbeit, als bloße Ausführende Kraft, in meiner beruflichen
Zukunft nicht nachgehen werde. Was das Land Kanada betrifft habe ich eine wunderbare
Kultur und viele Freunde kennenlernen dürfen, wofür ich sehr dankbar bin.
Nähe „university station“ mit Blick auf das Heritage Medical Research Center (HMRC)
Blick auf den Fluss Saskatchewan, der die Stadt teilt
„Native festival“ zum Aboriginal Day
Edmonton – downtown
Wohnsiedlung nähe „century park“