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Indienbericht Seite 1
Exkursionstagebuch für Indien 01.02.2014 bis 15.02.2014
verfasst und überarbeitet während der Indienreise
M. Schulz -16.02.2014
Sonnabend, 01.02.2014
Diese Reise beginnt im
Vorfeld mit der Nachricht,
dass vom 30. zum 31.
Januar 2014 in Frankreich
die Fluglotsen streiken. Die
Hoffnung blieb, dass dieses
Ereignis unseren Flug über
Paris nicht betreffen
würde. So starteten wir
nachts nach Hamburg, um uns dort 5.00 Uhr in der Abfertigungshalle des Flughafens
zu treffen. Die Schreckensnachricht bleibt aus, der Fluglotsenstreik war beendet und
wir konnten nun ohne Hindernisse losfliegen. Vor uns liegt die Vorfreude auf das
Unbekannte, die besonderen Reiseziele wie Varanasi, Darjeeling, Agra und Ganges,
auf die gemeinsamen Erfahrungen in diesem Land und auf die Religion des
Hinduismus und Buddhismus. Die Reisegruppe trifft sich fast pünktlich am Schalter
nach Delhi über Paris in Hamburgs Flughafen Terminal 1, doch alle waren
übernächtigt und müde. Die elektronische Buchung unseres Fluges ist eine echte
Herausforderung. Es dauerte fast 60 Minuten, bis wir das Gepäck aufgegeben und
unsere Plätze gebucht haben. Schnell finden wir uns in der Maschine nach Paris
zusammen und sind nun auf dem Weg dorthin. Das Fliegen ist nach wie vor eine
Frage des Zutrauens an Technik. Start wie Landung bleiben ein Augenblick voller
Respekt und Sorge. Die Maschinen beben im ganzen Stück, wenn die sichere Erde
verlassen wird und steigen stark geneigt nach oben. Das Knacken in den Ohren
meldet die Druckveränderungen. Niemals werde ich dazu ein Verhältnis der
Normalität bekommen. Neben mir im Flugzeug ein Ehepaar aus Ostfriesland so um
die 50. Beide sehr nett, wir erkennen uns gleich als Lehrer und tauschen Erfahrungen
aus. Sie ist eine Lehrerin aus Schleswig-Holstein, die nun in Grevesmühlen Unterricht
gibt. Ihr Ziel ist Mexiko und ihre Geschichten von Fliegen und Urlaub sind sehr lieb
gemeint, da sie meine Konzentration von den Geräuschen der Maschine ablenkten.
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Sie ist eine Frohnatur und ihr „Tschüssi und schöne Tage in Indien“ hallt lachend
durch die ganze Flughalle nach unserer Abfertigung. In Paris bleiben nur 90 Minuten,
um gegenüber am Gate einzuchecken. Unsere Koffer finden den Weg hoffentlich
sicher durch die Elektronik, wie sich herausstellen soll, nicht alle. Von meiner
Frohnatur hatte ich gehört, dass die Langstreckenflüge viel Platz haben und sehr
bequem wären. So besteige ich gut gelaunt die bis auf den letzten Platz besetzte
Boeing 777-300. Mein Platz y25 befindet sich zwischen zwei Indern rechts am
Fenster. Wenn es einen buddhistischen Gott gäbe, ich hätte ihn verflucht. Auf dem
Platz eines Mehrschweinchens, umgeben
von den wenigen privaten Sachen, sitze
ich nun 8 Stunden eingezwängt. Ich
versuche mit buddhistischer Meditations-
gelassenheit auszuharren und die ersten
vier Stunden vergehen mit lesen und dem
Ansehen von Bordfilmen. Für mehr
Persönliches ist leider kein Platz. Der Flug
ist sonst ruhig, doch mehrmals schütteln
recht schwere Luftlöcher uns
durcheinander, ohne Bauchgurte eine unsichere Angelegenheit. Mein rechter
Nachbar ist ein Inder, der im Silicon Valley in den USA arbeitet und über Paris nach
Delhi fliegt. Er ist geschätzte 30 Jahre jung und spricht so schnell Englisch, dass wir
uns dann darauf einigen, keine vollen Sätze mehr zu sprechen, sondern nur einzelne
Wörter, die ich dann auch verstehe. So gab es manch lustige Situation. Die
Stewardess wirft ihm recht unfreundlich das Essen auf den Tisch und er meint nur
„eat or die“ – friß oder stirb. Er bringt mir die ersten beiden indischen Wörter bei
„Namaste“ (guten Tag) war eines davon. Die anderen vier Stunden werden zu Qual.
Schmerzende Knie, fast 20 Stunden nicht geschlafen, brennende Augen durch die
Klimaanlage und überfüllte Toiletten. In solchen Situationen übernimmt der Körper
einfach den Rest, der Geist ist dann irgendwie abgeschaltet.
Dann endlich beginnt der Landeanflug auf Delhi. Wir setzten nach Ortszeit um 23.30
Uhr auf (in Deutschland 19.00 Uhr) und hier ist es Nacht. In der Abfertigungshalle nun
schnell das Gepäck holen und den Einreisestempel nicht vergessen. Wer diesen bei
der Einreise durch Oberflächlichkeit nicht bekommt, darf nicht wieder ausreisen.
Beim Gepäck dann der Schock. Von Elke fehlt der Koffer. So gehen wir dann zwei
Stunden auf die Suche und treffen auf indische Gleichmütigkeit. Nach einer Stunden
haben wir raus, dass der Koffer noch in Paris ist, nach einer weiteren, dass er morgen
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in unser Hotel geliefert wird. Meditation verlangsamt das Leben, das ist hier deutlich
zu spüren. Auf dem Flug hatte ich von Karin ein Buch angefangen. „Wenn Du Buddha
triffst, töte ihn.“ - ein 60 jähriger Autor, Andreas Altmann, reist durch Indien und
versucht die echte Seite des indischen Lebens zu entdecken. Er gibt tolle Tipps und
erzählt auch dort unendliche Beispiele indischer Bürokratie. Aber er gibt auch einen
sehr guten Rat, nicht einfach als Zuschauer zu verharren, sondern sich einzulassen auf
Indien - leichter gesagt, als wirklich getan. Gegen 1.30 Uhr verlassen wir dann die
Abfertigungshalle ohne den fehlenden Koffer, aber mit ersten Rupien in der Tasche.
Außen liegt dichter Nebel über der Stadt, eine Mischung aus Smog und feuchter Luft.
Unser Guide Gopal steht bereit und so sind wir gegen 2 Uhr im Hotel und fallen
einfach nur in die Betten und in einen tiefen, unbewussten Schlaf.
Sonntag, 02.02.2014
Um 7 Uhr klingelt das Hoteltelefon wie ein Hammer, alles ist innerlich matt und
müde, uns bleiben aber nur 45 Minuten bis zum Frühstück und um 8.30 Uhr ist
Abfahrt. Das Hotel war sauber, gemütlich und das Frühstück sehr lecker. Doch eine
rechte Freude am Essen kommt nicht auf. Die Müdigkeit sitzt tief und es fehlen allen
die Kräfte. Gefühlt ist es ja auch erst 4 Uhr nachts. Alle sind trotzdem pünktlich am
Bus, das Gepäck ist verladen und der erste Tag beginnt. Delhi liegt wieder im Dunst
und Nebel und überall in den Straßen ist
der Lärm von 1000den hupender Autos zu
hören. Wir haben heute ein kleines
Programm. Gopal, unser Reiseführer, ein
leicht grauhaariger sehr sympathischer
Inder so zwischen 40 und 50, beginnt uns
auf Delhi einzustimmen. Das machte er
mit dem nötigen Humor und einer Prise
Ironie. Er habe einige Zeit in Deutschland gelebt, am indischen Goetheinstitut
Deutsch gelernt und spricht fließendes
Deutsch mit wenig Dialekt. „Alle Affen,
Kühe und Politiker haben in Indien
Vorfahrt“ sein erster Spruch des Tages.
Dann gibt er uns den Hinweis, dass wir
bis Agra im Bus WLAN haben. In Teilen
Indiens ist im Umkreis großer Städte das
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Internet offen und kostenlos. Leider auch so langsam, dass das Abschicken einer
Email 5 Minuten dauerte. Unsere Fahrt durch die sonntägliche Großstadt mit 17 Mio.
Einwohnern macht uns alle fassungslos: Schmutz, Rikschas, TukTuks, Menschen,
Autos, wohin man sieht. Ein unkontrolliertes Durcheinander, an der Straße
Menschen, die sich waschen, Menschen, die Haare schneiden, Verkäufer, Fußgänger
und Autos, Motorräder und Tuk Tuks (Dreiräder mit Motor) „Vor ein paar Jahren hat
die indische Regierung vorgeschrieben, dass alle Busse mit Gas fahren müssen,
seitdem haben wir saubere Luft“…lange nicht so gelacht. Die Luft ist quälend, voller
unterschiedlicher Gerüche und wird langsam gemütliche 25 Grad warm. Das ist
Sommer auf der Haut, ein gutes Gefühl nach den kalten Wochen daheim. Der erste
Ausflug führte in die Moschee von Old-Delhi. Dieser historische Teil der Stadt ist
verwinkelt, eng - genau dort steht die Mosche. Ein prächtiger rötlicher Bau, der hier
freitags mit 20.000 Betenden besucht wird. Kleine Besonderheit: in diesem Teil der
Welt zeigt die Gebetsnische nach Mekka in Richtung Westen, bei uns ja nach Osten,
so merkt man, dass man am anderen Ende der Welt gelandet ist. Gopals Originalton
hier: „Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Muslime“ - muss
man mehr über das Verhältnis der Inder und Moslems sagen?
Der Ausflug bleibt mit 30 Minuten kurz. Ein paar konkrete Infos zum Islam und 10
Minuten Zeit für Fotos. Gut, dass wir die Gebetssocken mithaben. Hier gehören sie
dazu, wie in Israel die Kippa. Die Verkehrsschilder sind alle in 4 Sprachen –
Hindi/Englisch/Sikh/Urdu (für die Moslems). Bei 80%iger Hinduismuszugehörigkeit
10% Muslimen und 3% Christen sinnvoll. Städtenamen auf „…pur“ sind indischen, auf
„...bad“ muslimischen Ursprungs. Die Sikhs werden hier als Sekte gesehen, sind sie
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nicht eigentlich die Jesuiten dieser Religion? Im Straßenbild ist die Tonga normal -
eine Pferdekusche mit zwei Rädern und voll beladen. Unsere Rikschafahrt durch Old
Delhi eine Mischung aus Unsicherheit, Schamgefühl und Verwunderung. Das Leben
der Menschen spielt sich auf der Straße ab. Man blickt mitten ins Wohnzimmer und
das ist ungewohnt für uns. Sie schneiden sich im Straßendreck die Haare, verkaufen
dort Essen, sitzen dort und nähen. Was auffällt sind die suchenden Augen. Ein tiefer
Blick, der stand hält und oft freundliches
Lächeln wird, wenn man nicht wegschaut,
sondern verweilt. Fotos zu machen grenzt
fast an Beleidigung. Eingeprägt bleiben
mir eine Frau mit Kind auf dem Arm, ein
alter Mann beim Waschen seiner Füße
und ein Schneider, mit einfacher
Nähmaschine auf dem Boden des Bürgersteigs. Mittags (ohne Mittag) geht es zur
Gedenkstätte von Mahatma Gandhi. Ein Ort, den die Inder sehr verehren. „Große
Seele“ ist der Ehrentitel, den die Inder ihm geben. Mitten in der Stadt
menschengroße Figuren aus Stein, ein Monuments, das an den Salzmarsch Gandhis
1930 erinnern soll. Er wurde hier in Delhi von einem Brahmanen erschossen und
später verbrannt. Seine Asche ruht im Ganges. Deshalb liegen die Steine aus dem
Flussbett des Ganges auf dem Gelände. Ein schöner Park, eine riesige Gedenkanlage
und wieder nur mit Tempelsocken zu besuchen. Der Ort ist so heilig, dass er nicht mit
Schuhen betreten werden darf. Nach kurzen Fragen und Fotos ging es dann aus Delhi
heraus und in Richtung Jaipur (Aussprache Dschäpur). Jeder Straßenzug Delhis hat
hier eine besondere Baumart aufzuweisen, welche noch aus der Kolonialzeit
stammen. Das Straßenbild ist chaotisch. Lautes Hupen, voll besetzte Autos mit 7-8
Leuten darin, Busse ebenso überfüllt, ein Motorrad mit Fahrer, Frau und Baby auf
dem Arm, die berühmten indischen Tata-LKWs in endlosen Reihen hintereinander,
unfertige Straßen und Brücken mitten in der Landschaft und eben Linksverkehr. Doch
dieser Tag lässt uns ankommen. Auch wenn auf der Reise die Müdigkeit uns alle
packt, so lässt die sechsstündige Fahrt nach Jaipur doch Zeit für das Gefühl, in Indien
zu sein. Gopal erzählt auf dem Weg noch zwei spannende Seiten Indiens. Zum einen
erklärt er uns das indische Schulsystem, da wir ja alle Interesse an Schule haben und
uns morgen auf den Schulbesuch etwas vorbereiten möchten. Alle Kinder sind in
Indien schulpflichtig, auch wenn der Staat das nicht konsequent durchsetzt. Kinder
müssen die Uniform der jeweiligen Schule tragen, damit die Kastenunterschiede nicht
ersichtlich sind. 80% aller Schulen sind Privatschulen und nur 20% sind Staatsschulen.
Gopal hat sein Kind an eine private Schule gegeben, weil dort der gesamte Unterricht
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auf Englisch stattfindet. So lernen die Kinder diese für sie wichtige Sprache sehr
schnell. Der Schulbesuch kostet dann aber ca. 1300 € im Jahr. Für indische
Verhältnisse teuer. Doch für die besseren Chancen der Kinder gehen 80% der
Familien diesen Weg. Ein langes Thema ist der unterschiedliche Hinduismus in Nord-
und Südindien. Wir erfahren, dass die indogermanischen Nordinder die gebildeteren
und an der helleren Haut erkennbar sind. Sie leben hauptsächlich von Weizen, ein
Zeichen für besseren Wohlstand. In Südindien sind die ärmeren dunkelhäutigen und
hauptsächlich reisessenden Inder zu finden. Wir sahen bereits mehrere Gebäude
voller Symbole der Svastika - im Hinduismus das Zeichen der „Quelle der Existenz“
allen Lebens - in Deutschland das Hakenkreuz der NS-Zeit. Eins Symbol - zwei völlig
verschiedene Welten, bei uns verboten und missbraucht, hier ein Glückssymbol. Ein
typisches Merkmal des Hinduismus ist sein Aberglaube. Ehen zwischen Männern und
Frauen werden nur geschlossen, wenn die Horoskope es erlauben, an jedem Auto
hängen schwarze 50 cm lange Bänder gegen die bösen Blicke der anderen Autofahrer
und Nachbarn, Schlangen sollten niemals angesehen oder fotografiert werden, da sie
Lebensenergie vom Menschen nehmen. Der Abend endet dann in einer sehr
gemütlichen Abendbrotrunde am offenen Buffet, von dem die Quarkbällchen in
Honigsirup der Renner waren. Gegen 21.00 Uhr kommt dann die befreiende
Nachricht, dass Elkes Koffer bereits in Delhi ist und voraussichtlich morgen früh in
Jaipur im Hotel ankommt. Für sie endlich die Aussicht auf frische Wäsche.
Montag, 03.02.2014
Jaipur und seine Sehenswürdigkeiten sind heute unser Hauptziel. In unserem Hotel
bleiben wir zwei Nächte, ein unvorstellbarer Luxus an Zeit und Ruhe. Erste Begrüßung
durch Gopal „Namaschka“ - „Guten Tag“ in der alten höflichen Form. Doch auch hier
lässt die Höflichkeit nach. „In Indien wird sich auch das ändern, wenn jedes Kind
einen Facebookzugang hat.“
- lächelt uns Gopal an. Beim
Vorbeifahren an einer
indischen Flagge schnell die
Infos zu den Nationalfarben
Rot für Mut, Weiß für den
Frieden und Grün für den
Wohlstand. In der Mitte das
Rad des Lebens von Buddha.
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Unser erster Halt nach 20 Minuten am Palast der Winde, eine der
Sehenswürdigkeiten dieser Stadt. Seinen Namen trägt er, da die oberen Geschosse
vom Wind aus dem Umland durchweht werden. Das Gebäude aus rotfarbenem Stein
zeigt 470 Fenster, alle für die Frauen des Maharadscha, die dem Treiben auf der
Straße zusehen durften, selber aber verborgen bleiben mussten - ein Schleier aus
Stein, auch ein Leben hinter Stein - heute einfache Erinnerung an 200 Jahre
zurückliegende Geschichte, damals Gefängnis für ein Frauenleben. Vor dem Gebäude
ein Babel an Völkern, Stimmen, Touristen und Interessen. Manch eine Frau im Sari,
Japaner mit Fotoapparat, handelnde Inder, auch wir ein Teil des wahnsinnigen Lärms
und Durcheinanders. Aber der Anblick besticht durch seine Bauweise - trotzdem
irgendwie ein übergroßer Adventskalender. Die Region Rajasthan, in deren Herz wir
uns befinden, war einst unter den Maharadschas in 22 Reiche geteilt und gehörte zur
reichsten Region Indiens. Sie handelten und holten dadurch den Reichtum in die
Region. Als im 19. Jh. der Handel ausblieb, verarmte Rajasthan. Vom einstigen
Reichtum können wir uns im Ambert Fort überzeugen. Auf dem Berge nahe Amber
gelegen prangt eine Burg, die nicht weit von den Dimensionen der chinesischen
Mauer entfernt ist. 17 Kilometer lang durchzieht eine drei Meter hohe Mauer die
Umgebung der Stadt. Im Inneren eine Anlage zur Verteidigung, zum Leben und
Repräsentieren des Maharadschas. In einem zurückgelegenen Teil des Forts leben
heute die Nachfahren, vermieten für Staatsbesuche die Wohnräume und lasse uns
Besucher Einblick nehmen. Kennedy, Lady Diana und andere namhafte Menschen
waren hier Staatsgäste. Gopal spricht von einer „hinduarabischen Kultur“, die hier
geschaffen wurde. Moslems brachten Miniaturen, Türme und Säulen in die
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Architektur ein, die Hindus erbauten Säle, Wohnräume und Innenhöfe. Zusammen
eine Mischung, die dem Osmanischen Reich und seiner Kultur Ehre machen. Wir
betreten die Innenanlage und reiten
auf Elefanten den Weg zur Burg hinauf.
Immer in Zweiergruppen sitzen wir auf
dem Rücken der gutmütigen Tiere, die
den Rummel im Fort ruhig ertragen.
Die indischen Reiter treiben sie hinter
den Ohren sitzend an und die Straße ist
gefüllt von diesen Tieren, bunt bemalt
an Rüssel und Kopf. Trotz der
gewaltigen Ausmaße der 25-35 Jahre
alten Tiere setzen sie die großen Füße vorsichtig auf und treten sicher und sanft den
Weg nach oben an. Im Innenhof dann unglaubliche Mengen von Händlern, die oft
aufdringlich Zeitungen, indische Geigen, Turbane und Souvenirs verkaufen. Im
Gespräch mit einem Zeitungshändler der eine deutsche „Die Welt“ zu verkaufen
hofft, die bereits sechs Tage alt ist, erfahre ich, dass er einen Freund in Berlin hat, der
jedes Jahr zu ihm kommt und ihn in Indien besucht. Er hat sogar in Indien geheiratet.
Deutsche wären Freunde Indiens gibt er mir mit auf den Weg. Er erkundigt sich nach
unseren Reisegründen und freut sich über das Lob der Gastfreundschaft Indiens. Ein
Stück begleitet er uns noch und geht dann unter in
dem Trubel. Die Innenräume der Anlage, die Höfe und
Pavillons sind atemberaubend, ebenso ein Spiegelsaal
aus Silber und Glas. Dann nach einer kurzen Jeepfahrt
ins Tal zurück nach Jaipur in den Stadplast - dort ein
stiller Innenhof, leise Musik und runde Tische - ein Ort
für eine Pause und unser Mittagessen. Gemütlich
lassen wir uns nieder und hängen den Gedanken nach,
erzählen und lauschen der Musik. Ein Barde spielt für
die Gäste, ein anerkannte Beruf eines Poeten, der die
alten Legenden Indiens vorsingt. Seinen Dialekt
versteht auch Gopal nur zu 15 %. Eine Musik, die wir
aus Bollywoodfilmen kennen. Hier passt sie einfach zur
Umgebung und zum Moment. Im Buchladen des Forts
gibt es ein deutsches Buch mit dem Titel: „Die Erinnerung einer Prinzessin“. Hier
erzählt eine Maharani (die Hauptfrau eines Maharadschas) ihre Lebensgeschichte
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neben 11 Ranis (Nebenfauen). Allein die Ankündigung lässt uns zugreifen und voller
Spannung auf die Geschichte das Buch kaufen. Was bedeutet ein solches Leben in
diesen Mauern, voller Reichtum und doch verloren in der Aussichtslosigkeit auf ein
selbstbestimmtes Leben. Dann im Innenhof ein kleiner Junge, höchstens drei Jahre
alt, tiefschwarze Augen und die Liedstriche schwarz. Gopal erklärt uns, dass man in
Indien Kerzenruß nimmt und den Kindern abends
in die Augen macht, damit diese nachts nicht
verkleben. Dadurch wirken die Augen wie
geschminkt, kaum zu glauben, dass diese
Behandlung medizinisch sinnvoll ist. Der
Höhepunkt wird der Besuch des Observatoriums
im Palast. In Stein gehauene Präzision des Abbildes
der Sterne. Die größte Sonnenuhr der Welt, 25
Meter hoch, steht hier und misst auf zwei
Sekunden genau die Ortszeit. Jede Hochkultur der
Erde verfügte über astronomisches Wissen, Indien
stellt sich damit neben die Ägypter, die Maya und
die Europäer und beweist ein wissenschaftliches
Können mit höchster Genauigkeit. Die Uhrzeit in Indien nennt sich „Indienzeit“,
dieses riesige Land hat eine vereinheitlichte Zeitzone. Wir sind hier momentan am 27.
Breitengrad, fast am Wendekreis der Sonne. Wir merken es deutlich, denn heute sind
27 Grad und das nennt sich hier Winter. Viele
Inder laufen mit Mütze und Jacke herum, uns
laufen die Schweißtropfen. Die Burg
verlassen wir nun und sehen vom Bus aus
noch einmal hinauf. Die Sonne hat langsam
den Dunst aus der Luft aufgesogen und das
Fort schimmert am Horizont. Zwischen den
Besichtigungen der beiden Paläste finden
wir uns auf einem Hinterhof wieder, an
dessen Ende ein Schulschild zu finden ist. Das Gebäude wirkt eng, klein und finster
von außen. Keine Farben, Staub und von innen schallt der Ruf nachplappernder
Kinderstimmen im Chor. Nach kurzem Aufenthalt im Vorraum gehen wir unglaublich
dunkle Gänge entlang in den ersten Raum eines Kindergartens. Es riecht unsauber,
ein Wasserhahn tropft aus der Wand und 2 Neonröhren spenden im fensterlosen
Raum etwas Licht. Es handelt sich hier um eine bessergestellte private Schule.
Unglaublich, die Kinder winken uns fröhlich zu, sind 4 -5 Jahre und sitzen auf ihren
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kleinen Stühlen. Englisch wird gerade unterrichtet. Wir gehen zu ihnen und sie fragen
uns nach unseren Namen und wir sie nach ihren Lieblingsfächern. Wie kann man so
leben, unterrichten und Hoffnung behalten? Der zweite Raum gehört einer 7. Klasse,
die Jungs geben sich als Freunde, bitten darum, dass wir Fotos von ihnen machen und
erzählen von sich. Die Lehrerin wirkt wie ein 16 jähriges Mädchen. Sie muss hier 2
Jahre einen Bachelorabschluss machen und darf dann unterrichten. Ihr Gehalt beträgt
200 Euro. Wir haben keine Ahnung, ob das für ein Leben und den Alltag in diesem
Land ausreicht. Weitere Räume warten auf uns, einer davon voller Computer, die an
den Friedhof einer PC-Firma erinnern. Hier blinkt ein Cursor auf schwarzem
Bildschirm. Ich frage die Lehrerin, ob sie eine Software unterrichtet, sie verneint und
erklärt, dass die 5. Klasse programmiert. Hier wachsen gerade die neuen PC-
Spezialisten für Europa heran, leider unter zum Teil schwierigen Schulverhältnissen.
Ein Wasserhahn kommt aus der Wand und ein Junge geht zum Trinken in die Knie.
Was für eine Arroganz herrscht an unseren Schulen, was für interessenlose und
materiell satte Kinder unterrichten wir manchmal? Hier fehlt alles, was wir für
würdevoll erachten. Kaputte Tafeln sind vollgeschrieben mit englischen Sätzen und in
manchen Räumen leuchtet eine spärliche Glühlampe. Die Kinder haben keine Bücher
und schreiben alle Fächer in ein einziges Heft. Dieser Eindruck macht sprachlos und
unsere mitgebrachten Hefte, Stifte und Radiergummis erscheinen wie ein verlorenes
Stück Holz im Ozean. Die Weiterfahrt bringt Zeit zum Reden und Nachdenken, alle
brauchen das und die Hoffnung, dass so der Eindruck sich verändert, vergeht schnell.
Letzte Station ist an diesem Tag eine
Stoffdruckerei und Teppichweberei.
Wir sehen zu, wie Karin die
traditionellen Farben auf ein Stück
Stoff aufträgt und in 5 Schritten ein
Tuch mit indischen Mustern
schmückt. Nach dem Bad in Salz und
Essig sind diese natürlichen Farben
dann für 5 Jahre verewigt. Sie sollte
über einen Berufswechsel
nachdenken, denn das Endergebnis
ist beeindruckend. Im Innenhof sitzen Frauen an Webstühlen und knüpfen Teppiche.
Ihre Handwerklichkeit ist unglaublich, die Arbeitsbedingungen erscheinen
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vordergründig zumutbar. Tausende Fäden ergeben nach unendlichen Schritten
mühevoller Arbeit von 9 Monaten dann einen Seidenteppich. Am Ende finden wir uns
in einem klimatisierten Raum voller unterschiedlicher Teppiche und in einer
Verkaufsveranstaltung. Charmant und interessant werden uns bei kalten Getränken
die unterschiedlichsten Muster und Arten erklärt. Vieles ist farbenfroh, wunderschön
und einmalig und so folgt die Frage nach
den Kaufinteressen. Eventuelle Probleme
mit dem deutschen Zoll sind schnell geklärt.
Mit roten Wangen und weichen Knien
verhandeln einige von uns hart. Muster
werden verglichen, Farbe und Qualität
überprüft und dann per Handschlag der
Kauf besiegelt. Der Fußboden ist nicht mehr
zu erkennen, zig Teppiche liegen
übereinander, durcheinander, nebeneinander. Diese Schlacht war geschlagen und
ziemlich erfolgreich - drei Teppiche sind gekauft und nun in Taschen verpackt oder
gehen direkt auf dem Weg nach Deutschland. Nach der Rückfahrt treffen wir uns alle
zum Abendbrot im Hotel und lassen diesen Tag zu Ende gehen. Elke hat zuvor mit
Gopal ihren Koffer vom Flughafen geholt – ein Vorrat an sauberer Wäsche wartet auf
sie. Auf den Zimmern angekommen dann ein Höllenlärm vor dem Hotel. 30 Mann mit
Trompeten, Trommeln und Lampen begleiten einen Reiter zu Pferde. Wir folgen dem
Zug noch einen Augenblick und bewundern Schmuck und Musik.
Dienstag, 04.02.2014
Jaipur werden wir heute wieder verlassen,
zusammen mit erlebnisreichen Erinnerungen an die
rote Stadt Rajasthans, dem hektischen
Straßentreiben und die abendliche Hochzeit
gestern. Kurz vor dem Einschlafen hörten wir eine
Band vor unserem Hotel mit einer Mischung aus
Jazz und Blues. Ein Bräutigam saß zu Pferd,
umgeben von den tanzenden Gästen und
„Lichtträgern“. Frauen tanzen auf der Straße im
roten Sari und begleiteten den Bräutigam auf
seinem Weg zu seiner Frau. Die Hochzeitsfarbe ist
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hier Rot, Weiß steht für die Trauer. Ein lebensfrohes Bild inmitten des tobenden
Verkehrs, der hupend daran vorbeifährt. Gopals lächelnder Hinweis des Tages heute
früh: „Den Führerschein kann man in Indien machen lassen.“ gefolgt von „Zum
Fahren braucht man in Indien starke Bremsen, laute Hupen und viel Glück.“ Am
frühen Morgen aber sind die Straßen noch etwas leerer und wir sind auf dem Weg
zum 1990 erbauten Tempel. Uns empfängt ein Gebäude aus weißem Marmor, linkst
eine steile, spitze Kuppel für den Himalaya und den Hinduismus, mittig eine rundere
Kuppel für die buddhistische Stupa und rechts eine Rundkuppel für den Islam. Der
Tempel soll außen als ein Sinnbild der Gemeinsamkeiten dieser drei Religionen
gelten. Im Innern bunte farbige Fensterbilder die Brahman als den Erschaffer der
Welt, Vishnu als den Erhalter der Welt und Shiva als den Vernichter der Welt in einer
Dreifaltigkeit darstellen. Wir sehen hier das Abschreibungsobjekt einer der reichsten
Familien Indiens. Es gibt Vermutungen, dass mit dem Bau auch Schwarzgelder
gewaschen wurden. Wir warten mittlerweile indisch gelassen 20 Minuten auf die
angekündigte Zeremonie. Nur wenige Menschen strömen in das Gebäude. Der
Vorhang bewegt sich und wird geöffnet. Vishnu, die Schlange ist sein
Erkennungszeichen ebenso wie die vier Arme, wird mit einer Art Kerzenforke
umwedelt und zum Abschluss die Anwesenden mit Wasser bespritzt. Der Blick fällt ab
und an auf Bilder der Darstellungen von Ganesha, dem Glücksgott, der mit seiner
ganzen Familie und seinem Vater Shiva in Stein gemeißelt ist. Einer seiner Stoßzähne
ist zerbrochen, weil sein Gesang so schlimm war, dass Gott ihm dafür einen Zahn
zerbrach. Die Zeremonie endet überraschend schnell, nachdem 5 Minuten lang
Klangschalen geschlagen und unverständliche Rituale vollzogen wurden. An einer
Außenwand wieder eine überdimensionale
Svastika des alten Indiens. Glück und Verheißung
soll sie dem bringen, der sie trägt. So taucht sie
auf unserer Reise sehr oft auf den Motorhauben
der neueren Autos auf. Auf den Mauern um den
Park sehen wir wieder wilde Pfauen, die
Nationalvögel Indiens. Neben ihnen ist der Löwe
das Nationaltier und Lotus die Nationalblume
dieses Landes. An den Straßenrändern stehen, so
erklärt es uns Gopal, Milchmänner, die in die
Haushalte frische Milch liefern, und die
Henkelmänner, die den Angestellten in den Büros
das Essen ihrer Frauen liefern. Der
anschließende Besuch in der Steinschleiferei
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verläuft eine halbe Stunde später schnell und informativ. Wie bei der
Teppichherstellung sitzen die männlichen Arbeiter auf dem Boden und schleifen per
Hand kleine Edelsteine glatt, die dann im hauseigenen Shop verkauft werden.
Staubige Luft umgibt sie, die Maschinen sind eine wilde Konstruktion aus E-Motor
und Eigenbau. Indien ist reich an Edelsteinen und billigsten Arbeitskräften. 200.000
Angestellte hat diese Firma in der Umgebung. Im Bus dann nach der Weiterfahrt ein
kleiner Vortrag über die Sekte der Sikh, denn auch unser junger Busfahrer ist Sikh,
aber ohne erkennbaren Turban. Dieser religiösen Gruppe ist stark mitgespielt
worden. Erkennbar waren und sind sie durch ihren farbigen Turban, der vorne spitz
zugebunden wird. Das unterscheidet ihn vom indischen Turban. Wörtlich übersetzt
sind die Sikhs einfach nur „Schüler“, sie machen ca. 2% der indischen
Gesamtbevölkerung aus und sind eine Verbindung aus Islam und Hinduismus. Fünf
Sanskrit-Ks sind für sie verpflichtend: keine Haare schneiden, ein Armband tragen,
eine Dolch zur Verteidigung führen, einen Kamm für die Frisur besitzen und eine
Unterhose nutzen. Diese fünf Pflichten gelten auch für Frauen. Panjab ist die Heimat
der Sikh, doch 1984 kam es zu einem erschütternden Ereignis. Aufständische in
Panjab forderten die Eigenständigkeit dieser nördlichen Region Indiens. Indira Gandhi
besetze mit dem Militär den Hauptsitz in Ambritza und dabei wurden Teile des
Tempels zerstört. Die Sikhs hassten die Premierministerin dafür und erschossen sie.
Danach wurden die Sikh verfolgt und über 10.000 von ihnen ermordet. In dieser Zeit
legten viele von ihnen den Turban ab, wie unser Busfahrer, um unerkannt zu bleiben.
Kanada wurde eine neue Heimat für sie und heißt heute in Indien das „neue Panjab“.
Ihre Glaubensvorstellung klingt wie eine Mischung aus Backbuch und Heilsarmee. Sie
verehren ein Buch als personalisierten Gott selbst, haben 10 Propheten, welche die
Lehre verbreiteten, ihr Tempel ist der Speisesaal der Armen und jeder gibt freiwillige
Spenden. Sie dürfen nicht rauchen, trinken und müssen rein vegetarisch essen. Ihre
Vorstellung von der Wiedergeburt beinhaltet das Karma als Folge des Handelns und
das Moksha als Ziel des Lebens, nämlich die Erlösung. Unvergesslich bleibt der
persönliche Moment Gopals im Bus, als er uns von seiner arrangierten Ehe erzählt.
Wie zu guten Freunden spricht er von seiner Vermittlung durch seine Eltern, als er 29
Jahre alt ist. Seine Frau musste seiner Mutter Fragen beantworten. Es gab kein
Standesamt, sondern das brennende Feuer bei der Trauung zeigt, dass ein lebendiger
Gott Zeuge der Handlung war. Ein tolles Symbol in unserer heutigen bindungslosen
und symbolarmen Zeit. Sie gaben sich beide traditionell sieben Versprechen, wie
Ehrlichkeit. Für ihn symbolisiert eine arrangierte Ehe den Respekt gegenüber seinen
Eltern und die Frau ist für Gopal der Spiegel der Gesellschaft. So sehr ich mich
anstrenge, die Haltung einiger indischer Männer gegenüber Frauen beweist absolut
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das Gegenteil. Wie oft hörten wir in den letzten Wochen von Vergewaltigungen in
Indien. Auf unsere Frage, warum Bombay nun Mumbai und Kalkutta eben Kolkata
heißt, erfahren wir, dass Indien sich damit
deutlich von der britischen
Namensgebung abgrenzen und die alten
regionalen Namen verwenden will.
Schnell sind wir an unserer
Zwischenstation mitten auf dem Land im
Dorf Albhaneri. Die Landschaft wird sehr
viel weitläufiger, ausgedehnte Felder sind
zu sehen und mitten in dieser Landschaft
ein in das Erdinnere bis zu 30 Meter tief in den Felsen gehauener Stufenbrunnen.
Unzählige Treppen führen hinab zum Wasser tief unten, welches dieser Region vor
2000 Jahren das Leben schenkte. Heute ist dieser Tempel verlassen. Ein Zeichen
unglaublicher Baukunst und menschlicher Schöpferkraft. Die Fahrt geht weiter durch
die Landschaft und bei einer kleinen Pause an Steinmetzwerkstätten treffen wir auf 3
Handwerker, die uns eine kleine und freundliche Vorführung liefern, wie sie aus
einem 2 Meter langen Felsbrocken eine Säule
herstellen. Einfachste Geräte und mit Fingern zeigen
sie uns 6-7 Tage an, die sie dafür brauchen. Einer von
ihnen ist schwer an seiner linken Hand verletzt,
sicherlich eine Folge des fehlenden Arbeitsschutzes.
Beim Untergang der Sonne wandern wir dann gute
500 Meter in die verlorene Stadt Fathepur Sikin nahe Agra. Der Mogul Akbar schuf
hier im 16. Jahrhundert ein Bauwerk, das heute Weltkulturerbe ist. Er musste schon
nach 4 Jahren sein erschaffenes Werk aufgeben, da eine Dürre und der Einfall der
Afghanen ihn dazu zwangen. Die Stadt verfiel und wurde in der Gegenwart
restauriert. Der Kaiserpalast in China
könnte hier ein Vorbild gewesen sein.
Unzählige Höfe grenzen aneinander,
wechseln sich mit Funktionsgebäuden,
Mausoleen, Wirtschaftsgebäuden und
Gängen ab. Nach jedem Innenhof gehen
wir durch eine Tür in den nächsten. In der
Zwischenzeit versinkt die Sonne über den
Kuppeln der Anlage im Dunst der
Landschaft. Der letzte Innenhof ist dann
Indienbericht Seite 15
aber eine Herausforderung an unsere Nerven. Kinderscharen begleiten uns und
wollen Postkarten und Holzelefanten verkaufen. Kein „Nein“ hilft, um ihnen
klarzumachen, dass wir kein Interesse haben. Eine Traube von ihnen begleitet uns
fast 20 Minuten und lässt erst von uns ab, als wir in den Bus einsteigen. Erschöpft
sehnen wir uns Agra entgegen. Doch die Einfahrt in die vor uns liegende Stadt bei
Dunkelheit lässt uns erstarren. Ein Geruch aus verbrannter Plastik, Feuer und
Menschen liegt über allen Straßen. Staubiger Schmutz weht in die Fenster. Dort, wo
die Straße vermutlich war, klaffen Löcher, mit Unrat verfüllt und der Bus schaukelt
durch diese Straßen wie ein Elefant auf 3 Beinen. Sicher fährt uns unser Fahrer durch
diese Hölle. Ein Verkehr, der nicht in Worte zu fassen ist. Autos, Motorroller und
Busse, Fußgänger und Radfahrer, alle quälen sich gleichzeitig durch die viel zu engen
Spuren. Wir brauchen fast eine Stunde zum Hotel. Ein Höllenlärm durchzieht die
Stadt. In den Straßen 8-10 Hochzeitsgesellschaften, wie wir sie gestern in Jaipur
sahen. Heute scheinen die Horoskope für Hochzeiten gut zu stehen, denn Gopal
erzählt uns, dass erst ein Astrologe zustimmen muss, ehe in Indien geheiratet werden
darf. Sein Bruder durfte seine vermittelte Frau nicht heiraten, da das Horoskop einen
frühen Tod einer der beiden Partner vorausgesagt hatte. Das Hotel erscheint wie ein
Fels in der Brandung, wie eine Quelle in der Wüste, wie die Erlösung nach
unendlichen Qualen. Pure Saubereit umgibt uns und alle freuen sich auf Abendbrot
und Schlaf.
Mittwoch, 05.02.2014
Heute werden wir es sehen, das Taj Mahal (gesprochen Täs Mähäl). Bisher nur ein
Traum, diesen Ort betreten zu können. Irgendwie geht aber alles sehr schnell. Gegen
6 Uhr holen uns Pferdewagen vor dem Hotel ab und bringen uns im Halbdunkel
diesem magischen Ort näher. Der Anblick hat Menschen gerührt, sie verzückt, ihnen
ein Lachen ins Gesicht gezaubert oder mythisch auf sie gewirkt. Wir mussten aber
erst einmal durch eine Sicherheitsabfertigung. Kein offenes Feuer, keine Messer, kein
Wasser, kein Kaugummi und keine Zigaretten dürfen den Eingang passieren. Wir
hatten nur Fotoapparat und Stifte dabei. Nach einem kleinen Vorhof und den Weg
durch das Osttor steht es vor uns. Weißer Marmor umgeben von Nebel. Die Konturen
verschwimmen und man ahnt manchmal nur, wo das Bauwerk aufhört und der
Himmel anfängt. Kein Postkartenmotiv aber eins für die Seele. Taj heißt Krone und
Mahal Palast, es ist die „Nachbildung des Paradieses“, ein Grabmal und ein
Touristenmagnet. Es wurde 1631 erbaut und 22 Jahre lang daran gearbeitet. 22
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Kuppeln sind an den Toren zum Taj zu sehen. Zahlenmystik oder Zufall? Wohl eher
nicht, denn eine tragische Geschichte ist der Grund für dieses heutige
Weltkulturerbe. Die Lieblingsfrau des Mogul Shan Jehan starb bei der Geburt ihres
14. Kindes mit nur 39 Jahren. Der Kaiser war mit ihr im Krieg und sie starb in seiner
Nähe, ein Schicksal einer Kaiserin eben. Bevor sie starb, versprach er ihr ein großes
Grabmal und erbaute es auch in besagter Zeit. Durch seine persischen Wurzeln wurde
es eine indoarische Architektur. Akbar scheute keine Ausgaben und erbaute das
Gebäude aus Backstein im Innern und ließ den kostbarsten Marmor aus 400
Kilometer Entfernung heranschaffen. Große Werkstätten befanden sich auf dem
Gelände und die besten Baumeister der Zeit waren vor Ort. Der Architekt ist bis heute
unbekannt. Auch die Legende, dass Akbar am gegenüberliegenden Ufer des nahen
Yamuna ein schwarzes identisches Gebäude für sich erbauen lassen wollte, ist bis
heute nicht beweisbar. Als die Briten das Gebäude 1948 vorfanden, war es dicht von
Bäumen umstellt. Sie ließen diese abholzen und fanden heraus, dass die Türme wie
Minarette gebaut waren, aber nur optische Verschönerung sind. Damit sie niemals
bei einem Erdbeben auf das Gebäude stürzen können, neigen sie sich leicht nach
außen. Heute sind die Fundamente bedroht, da der Fluss nicht genügend Wasser
trägt und der Untergrund austrocknet und weil die Millionen Besucher es durch ihr
Gewicht belasten. Vorbei an der Lady Diana Bank (hier saß sie und ließ geduldig die
Reporter Fotos machen) stehen wir nun direkt davor und sehen, wie die Sonne es
langsam rötlich färbt und der Dunst verschwindet. Die Konturen werden deutlicher.
Der Marmor schimmert und der Blick ist atemberaubend. Grüne Wiesen umgeben
das Taj und kleine Wasserbecken sind künstlich davor angelegt worden. In ihnen
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spiegeln sich die Kuppeln und die vier Minarette. In den Zeiten des Krieges wurde es
mit riesigen weißen Folien überzogen, damit kein Treffer das Gebäude zerstört. Man
vergisst schnell, dass es sich um ein Grabmal handelt. Die Lieblingsfrau war Muslima,
deshalb in dem Land, das seine Toten verbrennt, ein eher ungewöhnlicher
Bestattungsort. Ihr Grab befindet sich in einer Gruft, die wir nicht betreten dürfen. Ihr
Kopf zeigt nach Süden, ihre Füße nach Norden und ihr Mund nach Westen. Wir
bekommen Zeit für einen eigenen Moment an diesem Ort, Augenblicke für Fotos, für
Gespräche mit Touristen oder zum Stillwerden und Träumen. „Dieses Gebäude ist die
Erhabenheit der Form, nicht der Technik.“ So steht es in einem mitgebrachten
Reiseführer. Vom Plateau des Taj aus blicken wir auf den Yamuna, einen Nebenarm
des Ganges, der aus dem Himalaya kommt. Sein Wasser entspringt dort kristallklar,
hier schimmert es schwarz, Plastik und unbeschreiblicher Unrat treiben mit. „In
Deutschland habe ich 2 Mal eine Hupe am Auto gehört, beide Male wegen mir.“ lacht
uns Gopal an. Im Bus erzählt Gopal. „Es war bei meinem Besuch in Deutschland sehr
still auf den Straßen. Da gibt es ein Andreaskreuz, einen Beschleunigungsstreifen,
einen Fußgängerüberweg. Wenn ich Sehnsucht nach Deutschland habe, sehe ich in
mein mitgebrachtes Führerscheinheft und genieße die Vorfahrtsregeln.“ Wir
wechseln gerade über den Yumana und sehen vor uns ein weißes Gebäude, das Mini-
Taj-Mahal. Für die Frau „Das Licht der Welt“, eine Perserin, wurde dieses Gebäude
1622-1628 errichtet und war die Inspiration für das weltbekannte Taj. Es schimmert
wie Elfenbein und der Innenhof ist malerisch gestaltet. Eine Schulklasse in Uniform
winkt uns zu und verlässt den Hof. Wir folgen ihnen langsam. Die Weiterfahrt ist
durch die Rushhour blockiert. Wir stehen lange im Stau und beobachten einen mit
Menschen beladenen Traktor. Sein Anhänger ist zum Bersten mit Menschen besetzt.
Neben uns ein LKW mit Lademulde. Oben
schauen 20 bis 30 Köpfe heraus. Ein
Krankenwagen mit Martinshorn schafft es im
Schritttempo voranzukommen, ob er jemals
sein Ziel erreicht? Mitten im Stau springt
Gopal aus dem Bus und holt von einem Stand
frische Pflaumen und Bananen. Die Pflaumen
sind eine Mischung aus Schlehen und Birnen, die Bananen ein Traum an Geschmack.
Auf einmal hält unser Bus in einer Nebenstraße und wir stehen vor einer kleinen
Kirche mit Innenhof. Den Gang entlang kommt eine kleine indische Frau mit weißem
Ornat und blauen Streifen – so, wie es einst Mutter Theresa trug. Die kleine zarte
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Nonne mit dem zerfurchten Gesicht widmete ihr Leben der Hilfe obdachloser Kinder
und begann damit 1958 in Afrika und Asien. 1997 verstarb sie und erhielt für ihr
Lebenswerk den Friedensnobelpreis. Sie war eine
kritische Stimme der katholischen Kirche und
forderte immer wieder die Geburtenkontrolle,
gerade weil sie als Katholikin lange in Indien
arbeitet. Die Schwester ist ein kleiner Energiewirbel
und führt uns durch das Heim. 80 Kinder,
Jugendliche und Erwachsene mit und ohne
Handikap werden hier betreut. Als sie unsere Tüten
mit Mullbinde, Gummihandschuhen, Waschmitteln
und Seifen sieht, schließt sie schnell einen
Nebenraum auf und bittet uns, diese dort abzustellen. Sie leben von den Spenden,
die andere ihnen geben. Zusammen mit einer anderen Gruppe sehen wir in die
Räume der Kinder. Alles ist sehr sauber und fast still, ein Kind spielt an einer Tür, zwei
Jungs streiten um ein Holzspielzeug, doch schwer lasten die Bilder hier. Bewunderung
steigt auf für diese tägliche Arbeit angesichts des Leides. Aufopferung ist das Motiv,
still und ohne viele Worte. Danach machen wir Rast in einem kleinen Restaurant und
genießen die frühlingshafte Stimmung, die sich wie Balsam auf die wunde Seele legt.
Hier bekommen wir die bestellten Gruppenfotos vor dem Taj Mahal. Eine
unvergessliche Erinnerung für uns. Nach einer ruhigen Mittagspause mit Roti, einem
in Butter getränkten
Brotfladen, starten wir
zum Fort von Agra. Vor
uns stehen Mauern aus
rötlichem Sandstein, die
sich zum Himmel recken.
Ein weiteres
Weltkulturerbe wird heute
zu 1/3 für Besichtigungen
freigegeben und zu 2/3
vom Militär genutzt. Das
Fort scheint perfekt geeignet für Truppenübungen. Wenn die Vorhut sich versteckt,
braucht man sicherlich 3-4 Tage, um sie auf dem riesigen Gelände zu finden. Ich
verliere die Übersicht über Höfe und Hallen, Gemächer und Mosaike. Akbar, den wir
schon aus Fatehpur Sikri kennen, erbaute es 1565. Die Engländer verschanzten sich
darin und restaurierten es im 20. Jahrhundert. Bescheidenheit war nicht ihre Tugend,
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eine große Steintafel berichtet jedem Besucher davon. Für das Abendbrot hatte
Gopal wieder einen genialen Tipp. Ein kleines verstecktes Restaurant hatte „Tappas
für Inder“ – 7-8 kleine Edelstahlschüsseln voller Soßen, Reis und Nachspeise. Dort
schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. Unser Zug - Abfahrt Jaipur abends 20.45
Uhr nach Varanasi - hatte bereits 11 Stunden Verspätung. Diese Meldung in einer
deutschen Zeitung über die DB wäre der sichere Tod des Unternehmens. Wir hatten
alle davon schon gehört, dass Busse und Züge im Winter in Indien sehr unpünktlich
sind, jetzt waren wir betroffen. 11 Stunden warfen unser Programm für den
folgenden Tag durcheinander und schnell ging es um Alternativen. Ein Flug ging von
Delhi nach Varanasi, der 100 € kosten würde, doch wie nach Delhi kommen? Unser
Bus musste in der Nacht schon zur nächsten Reisegruppe. Wir beschlossen, auf den
verspäteten Zug zu warten, ein Ersatzhotel zu suchen und dann einen Tag später in
Varanasi anzukommen. Das Hotel wurde von der Agentur vermittelt. Zuvor lud uns
Gopal aber noch zu seiner Frau und Familie ein, die in Agra mit ihm wohnt. Ein paar
Blumen zur Begrüßung waren schnell gekauft und so standen wir vor dem Tor zu
seinem Haus. Seine Frau, eine bildschöne Inderin, begrüßte uns mit Tee und erlaubte
uns Einblicke in ihr Leben. Unglaublich herzlich wurden wir durch die moderne und
aufgeräumte Wohnung geführt und umsorgt. Ein Schweizer Ehepaar, so um die 55,
war gerade gestern angekommen und erzählte von den Plänen der kommenden
Tage. Gopal hat 2 weitere Brüder, die hier mit ihm wohnen. Der Garten wirkt wie eine
Oase der Stille, zugewachsen und liebevoll angelegt. Viel Arbeit hat er in sein Heim
gesteckt. Für uns ein schöner Abend. Wann werden wir jemals wieder die Chance
haben, eine indische Familie zu besuchen? Hier scheint die Welt klein, wir sitzen mit
drei verschiedenen Nationen an einem Tisch und unterhalten uns über unsere
Familien und Länder. Der Anruf der indischen Agentur beendet die Gemütlichkeit und
so starten wir in das „Nothotel“. Ursprünglicher Plan war, gegen 4.00 Uhr aus dem
Hotel zu starten, um gegen 7.00 Uhr in den verspäteten Zug einzusteigen, doch der
Hotelweckruf war keiner.
Donnerstag, 06.02.2014
Unsere Schlafenszeit verlängerte sich
nämlich um 2 Stunden und es war ein
buntes nächtliches Hotelflurtreffen,
weil die Nachricht über unsere
verspätete Abreise nicht bei allen
richtig angekommen war. Das
Frühstück verläuft eher
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homöopathisch – Toastbrot und Ei, dazu Marmelade und Butter – und schon ging es
nach Tundla, dem Bahnhof für Fernreisende in Richtung Kalkutta, nahe bei Agra. In
alten kolonialen Gewändern gekleidete Kofferträger helfen beim Weg zum Bahnsteig.
Innerhalb der nächsten 4 Stunden hören wir immer wieder vom verspäteten Zug, der
dann erst gegen 10.40 einlief. Unzählige Regionalzüge sind schon an uns
vorbeigefahren, Gitter vor den
Fenstern. Die Menschen schauen mit
abgestumpften Blicken heraus und
versorgen sich manchmal mit
Lebensmitteln. Die elektrischen
Leitungen der Beleuchtung über uns
schlagen Funken, weil die Isolierung
fehlt und knistert, Gerüche von
Unsauberkeit und Müll umgeben uns. Immer wieder kommen Menschen und
schauen uns an wie seltene Gäste einer fernen Welt. Ihre Blicke und Geste sind aber
freundlich und höflich. Wir ahnen, dass die vor uns liegende achtstündige Zugfahrt in
der 2. Klasse eine Herausforderung wird. Doch der Zug selbst ist innen überraschend
sauber und es herrscht eine klimatisierte und stille Atmosphäre. Wir suchen hektisch
unsere verstreuten Plätze zwischen den indischen Reisenden, die Koffer werden uns
schnell zugereicht und schon rollten wir an. Im Zug schlafen viele von uns, schreiben
Tagebücher und Notizen, sehen die Bilder der letzten Tage an und hoffen, dass der
Zug keine weitere Verspätung aufbauen wird. „Inder haben Zeit, sehr viel Zeit.“ - so
beschreibt Gopal die Atmosphäre. „Ranikoldre“ klingt es durch den Zug, wenn ein
Mann mit Wassereimer und Wasserflaschen durch den Gang geht. Manch einer kauft
etwas, mancher döst uninteressiert weiter. Trotz Klimatisierung dünsten alle vor sich
hin, Gerüche von Essen ziehen an uns vorbei. Die Zeit verrinnt und wir merken, wie
gut es sein kann, bei unserem vollen Programm auch einfach nur mal Zeit zu haben.
Auf dem Fußboden huschen Mäuse vorbei und versuchen in die Taschen zu kommen,
wir hindern sie daran, indem wir alle Taschen gut verschließen. Das ist Indien, wir
stecken mittendrin und kommen voran. Wir freuen uns auf Varanasi und auch wenn
wir heute die Totenzeremonie am Ganges verpassen, morgen wollen wir uns die
Treppen zum Fluss ansehen. Nach 17 Stunden Bahnfahrt dann endlich die Ankunft.
Unser Hotel wieder schnuckelig und sauber. Um 23.30 Uhr werden wir dort noch zu
einem Abenbrotbüfett eingeladen. Wo in Deutschland wäre das so fröhlich und
gastfreundlich zu dieser Zeit noch möglich. Früh morgens gehen wir zu Bett.
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Freitag, 07.02.2014
Um 6.30 Uhr steht unser Bus bereit und unser Ziel ist der Ganges bei Sonnenaufgang.
Ist es wirklich echt, ganz real? Wir gehen gemeinsam mit unserem buddhistischen
Guide zum Ganges und stehen nach kurzer Zeit an den Ufern dieses Flusses.
Lebensader im Norden
Indiens, religiöses
Heiligtum - denn wer
hier stirbt, geht direkt
den Weg der Erlösung –
Bestattungsort für die
Asche der Verstorben-
en, Kloake für Abfall
und tote Tiere, oder
größter Fluss
Nordindiens. Das alles sind Gründe, in seinem Leben an den Ganges zu reisen. Ein
Hindu sollte es zwei Mal in seinem Leben machen, nach seiner Geburt und vor
seinem Tod, denn die Stadt Varanasi (Stadt des Lichtes) besteht in hinduistischer
Vorstellung seit der Existenz der Erde ewiglich und unzerstörbar. Hier traten die
Lichtsäulen Gottes aus der Erde heraus und machten diese Stelle zum „Mekka der
Hindus“. Historiker sind sich einig, dass diese Stadt eine weit zurückreichende
Geschichte hat, höchstens aber 4000 Jahre alt ist. Nach der Lehre des Hinduismus
gibt es sechs weitere dieser Orte in Indien, die aufgesucht werden können. Das
Wasser des Ganges schimmert rötlich, denn die Sonne geht langsam auf und
erscheint als dunkelrote Scheibe im leichten Nebel. Ein religiöses Treiben wohin man
blickt. Brahmanen sitzen im Turban am Ufer und lassen sich fotografieren. Menschen
steigen halbnackt in den Ganges
und tauchen sich unter. Tiefes
religiöses Handeln verbunden
mit Hingabe und Demut. Wir
bekommen 15 Minuten Zeit für
die Suche nach Fotomotiven.
Mich spricht ein junges Mädchen
an, die Postkarten und Souvenirs
verkaufen möchte. Als ich ihr
sage, dass ich nichts kaufen, sondern einfach nur den Anblick des Ganges genießen
möchte, bietet sie sich als kleine Reiseführerin an. Sie geht mit mir ans Wasser und
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warnt mich, davon zu trinken, beschreibt die religiösen Übungen der Brahmanen und
lächelt mich mit einem Stapel Postkarten an. Diesen kaufe ich für 4€ und frage sie
danach, ob sie nicht in die Schule gehe. Diese beginnt für sie heute erst um 10 Uhr
und sie hat Hindi, Sport und Englisch. Die Schule macht ihr Freude. Sie spricht ein
sauberes und exzellentes Englisch. Charmant, pfiffig, aber auch aufdringlich mischt sie
sich immer wieder in unsere Gruppe, um Karten oder Bindi zu verkaufen. Ihr Name
ist Poona und beim Lachen hat sie tiefe Grübchen. Wir gehen nun auf unser
Ruderboot, das an den Ghattreppen wartet. Gaths sind die Terrassen, die hier
zahlreich zum Ufer führen und von den Hindus genutzt werden, um ins Wasser zu
steigen und dort unterzutauchen, ohne auszurutschen. Von Wasserseite aus
schimmern die Gaths rötlich. Ihre Gebäude sind zum Teil 20 Meter hoch errichtet.
Tausende Menschen stehen hier am oder im Wasser, unzählige Boote sind zu sehen,
manche brummen laut an uns vorbei, unseres wird still von zwei Indern gerudert. Es
ist unglaublich, was sich hier abspielt. Unsere Blicke streifen umher und versuchen zu
begreifen, was hier passiert. Mit den menschlichen Sinnen ganz sicher nicht
nachvollziehbar. Uns wird über das Kastensystem, über hinduistische Götter und über
Verbrennungstechniken erzählt.
Das Verbrennungsghat darf nicht fotografiert werden, wir sind Zeugen, wie dort ein
toter Mensch in einer Prozession zu Verbrennung gebracht wird. Pro Tag verbrennen
hier 200 Leichen. Für die 1000 Kilo Holz, die Duftöle, Gewänder und Tücher
verschuldet sich ein Hindu sehr hoch, umgerechnet etwa 80 €. Vor einiger Zeit
wurden elektrische Verbrennungsöfen installiert, die helfen sollen, die
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Umweltverschmutzung zu reduzieren, doch kaum jemand nutzt sie. Erst ab dem 13.
Lebensjahr wird im Hinduismus der Körper verbrannt. Wer vorher verstirbt, ist noch
zu rein und wird beerdigt oder im Ganges an einem Stein versenkt. Dafür gibt es
einige wenige Friedhöfe im Land. Ganz anders bei den Parsen, persische Inder, wie
der Mann von Indira Gandhi, die als Aas in den Naturkreislauf gegeben werden. Wir
setzten jeder für uns eine Blumenschale mit einer Kerze ins Wasser, während der
Mönch ein Mantra spricht, und sehen zu, wie diese aus unseren Blicken
verschwindet. Ein Ritual, mit dem jeder von uns eigene Gedanken verbindet. Ein paar
Sätze sind mir noch in Erinnerung geblieben, die wir hier hören. “Der Körper ist der
Tempel der Seele. Hindus sind deshalb Fanatiker körperlicher Sauberkeit.“ und uns
umgibt an vielen Orten nur Schmutz und Unrat. Viele Menschen leben im Dreck.
Dieser Gedanke kann nur mystisch gemeint sein. „Varanasi ist das Heidelberg
Indiens“ - eine Stätte philosophischer Fragen also. „Sanskrit ist die ältere Schwester
des Latein.“ - mindestens 3000 Jahre älter, wenn ich richtig rechne. Als wir das Boot
verlassen, lacht uns Poona schon wieder am Ufer an. „I have see you in the boot and
follow you!“ – sieht sie in uns gute Kunden? Warum macht sie das? Auf dem Weg
durch die Altstadt erzählt sie dann, dass sie vier kleine Geschwister hat, in der Nähe
am Ganges wohnt und uns gerne ihre Emailadresse geben würde. Mit krakeliger
Schrift schreibt sie in mein Heft FULMANIPOONA@gmail.com und fragt mit absolut
ernstem Blick, ob ich wirklich schreiben werde. Ihr ernstes „realy“ werde ich nie
vergessen. Dann ist sie verschwunden, der Blick auf die Uhr sagt uns, dass für sie jetzt
gleich die Schule beginnt. Unser Weg durch die Altstadt ist ein Hindernislauf. Kühe,
Händler, Kuhfladen, Hunde, Wasserlöcher und tausende Menschen in diesen engen
Gassen haben scheinbar nur ein Ziel - uns am Vorwärtskommen zu hindern. Der Bus
ist in Reichweite und wir
auf der Fahrt nach
Sarnath. Dieser Ort ist
auf ewig mit dem Leben
des Siddhartha Gautama
Buddha verbunden, der
560 v. Chr. in Lumbini
geboren wurde, in Bodh
Gaya seine Erleuchtung
hatte und hier in Sarnath
das erste Mal im Gazellenhain predigte. Buddhas Lebenswerk füllt Bücher und
beschäftigt ganze Klosterschulen. Er schaffte die Kasten ab und gab einen Ausweg aus
dem ewigen Rad des Lebens (Samsara). Die vier edlen Wahrheiten sind seine
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Philosophie, konzentriert auf das Leid als Ursache aller Probleme, welches es zu
überwinden gilt. Durch Meditation scheint es möglich. Nur er wurde ein Buddha und
ging in das Nirwana (nichts/verwehen) ein. Hier in Sarnath stehen wir vor der Stupa,
die an Buddha erinnert und den Resten der Anlage. Eine Frau betet in Richtung Stupa
und verwendet den Perlenkranz mit 108 Perlen. Zahlenastrologie, wie wir hören, ist
der Grund. Die Veden teilen das Kalenderjahr in 4 große Zyklen zu 27 Tagen, daher
die 108. Eine andere Erklärung: 9 Planeten und 12 Sternenbilder. Hier überrascht uns
die Nachricht, dass bereits nachmittags unser Zug nach Darjeeling (gesprochen
Darseling) acht Stunden Verspätung hat. Gopal gibt uns eine Alternative. Wir fahren
um 16.00 Uhr mit zwei Kleinbussen nach Parnath (ca. 300 km) zu einer anderen
nördlicheren Zuglinie und müssen dort um 22.50 Uhr einsteigen. Bis 16.00 Uhr
bekommen wir Freizeit für Mittag und Geldautomaten und dann beginnt eine Jagd
gegen die Zeit, die brutal wird. Unsere beiden Fahrer jagen durch die Innenstädte und
den Verkehr. Hier ist Freitag, die Straßen sind abends alle voll, Traktoren mit
Lautsprechern bepackt lärmen moderne Discoklänge. Jugendliche blockieren die
Straßen, weil sie um den Traktor herum tanzen. Alle Straßen sind mit den Tata-LKW
überfüllt. Sie lassen kaum Platz
zum Überholen und nur mit
Zwang kann an ihnen
vorbeigefahren werden.
Manchmal stockt der Atem, weil
der Gegenverkehr ohnehin mit
Aufblendlicht fährt und keine 10
Meter vor uns auftaucht. Gopal
erklärt uns, dass jeder
Autofahrer weiß, dass er gelyncht wird, wenn dabei ein anderer Mensch stirbt. Das ist
keine Beruhigung für uns. Die Straßen existieren eigentlich gar nicht. Es sind Schotter-
oder Sandpisten voller riesiger Löcher und Absätze. Es staubt unbeschreiblich, alles
knirscht zwischen den Zähnen und der Ford Sprinter springt wie ein Känguru. Als wir
nach Parnat reinjagen, zeigt die Uhr 23.15 Uhr und der Zug wird gerade angekündigt.
Endlich bringt eine Verspätung auch mal Vorteile. Vor dem Zug stehen Hunderte, wir
finden unseren Wagon kaum, stürzen hektisch hinein, die reservierten Plätze sind
nach 30 Minuten gefunden und wir versuchen, die Liegeplätze irgendwie gemütlich
einzurichten. Da hilft nur ein großer Schluck Whisky und die Nacht kommt dumpf
und kalt. Im Wagen läuft die Klimatisierung auf 100 % und lässt sich nicht regeln.
Unsere drei Mitreisenden im Viererabteil steigen nach vier Stunden aus und jetzt
haben wir Platz. Morgens weckt uns die Sonne, wir genießen den Kaffee im Zug.
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Manch eine(r) traut sich an die offenen Lebensmittel zum Verkosten heran. Bohnen,
Erbsen, Zwiebeln werden in alten Blechdosen aus dem Bauchladen serviert. Um 14.00
Uhr sind wir dann endlich am Endbahnhof angekommen, in New Jalpaiguri.
Sonnabend, 08.02.2014
Den halben Tag haben wir heute also in der Bahn verbracht, doch nur so sind wir nun
endlich in der Provinz Sikkim hoch im Norden angekommen. Es war ein langer Weg,
der sich aber sehr gelohnt hat. Die Landschaft ist weit, kaum Schmutz zu sehen,
Reisfelder wechseln sich mit Teeplantagen und Bananenfeldern ab. Wir sehen das
Ende dieser Bahnfahrt herbei und nachdem wir den Bahnhof in Jalpaiguri erreicht
haben, treffen wir dort unseren neuen Guide für Darjeeling. Wir werden auf vier PKW
verteilt und fahren gemächlich zu einem Restaurant. Dort gibt es ein kleines, aber
leckeres Mittag und schnell soll weitergefahren werden, da Darjeeling noch gute drei
Stunden entfernt ist. Bald verlassen wir die Ebene und sehen die Berge auf uns
zukommen. Je höher wir fahren, um so diesiger wird es. Unsere Fahrt beginnt auf 400
Meter und führt uns bis auf 2220 Meter hinauf. Dargeeling hat etwa 100.000
Einwohner und ist für seinen Tee bekannt. Hier wächst er überall, soweit das Auge
reicht. Der Nebel wird immer dichter und mittlerweile ist es dunkel. Bei einem
kleinen Stopp merken wir, dass die Temperaturen auf unter 9 Grad gefallen sind. Die
Tage vorher lagen bei 30 Grad und so werden alle Jacken, Socken und Westen schnell
herausgesucht. Im Dunkel sind Lichter zu sehen und eine kleine gemütliche Stadt mit
niedlichen Geschäften taucht schemenhaft auf. Schnell sind wir am Hotel. Da wir hier
auf über 2000 Meter sind, wird das Tragen der Koffer eine Herausforderung. Wir
japsen wie die
Hunde nach Luft,
als wir die Treppe
geschafft haben.
Die Zimmer sind
gemütlich, im
oberen Bereich des
Hotels gibt es eine
kleinen Bullerofen,
um den wir uns
setzen, denn uns
allen ist kalt hier. Das Abendbrot ist lecker, doch heute verschwinden alle schnell in
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den Betten. Morgen gibt es ein gekürztes Programm, denn alle müssen zu Kräften
kommen und leider soll die Sicht auf den Kangchenjunga durch Nebel versperrt
bleiben. Kurz vor dem Einschlafen klopft es an der Tür und wir bekommen alle eine
Wärmflasche für die Nacht - hot waterboddel für jeden! So schlummern wir schnell in
den warmen Betten ein.
Sonntag, 09.02.2014
Dieser Tag gehört Darjeeling, einer überschaubaren Stadt in der Region Sikkim. Wir
sind nun ganz weit im
Norden gelandet und
genießen die Einöde.
Darjeeling erinnert ein
wenig an eine Stadt im
Thüringer Wald, schmale
Gassen, alles sehr
verwinkelt und wenig Verkehr in den Straßen, die Häuser wie Schwalbennester am
Hang. Entweder es geht eine Straße hoch oder runter. Ebenerdig ist hier wenig. Die
Menschen begegnen uns sehr freundlich, überhaupt nicht aufdringlich und im Hotel
ist es absolut schnuckelig. Auch wenn die Zimmer keinen hohen Standard haben, der
Gemeinschaftsraum mit dem Ofen und einer großen Bibliothek ist ein Ort, wo man
gerne sein möchte. Am frühen Morgen sehen wir durch das riesige Panoramafenster
und zuerst ist es völlig neblig. Als die Sonne den Nebel aufleckt werden alle Gäste im
Raum unruhig, fotografieren und auch wir blicken schnell aus dem Fenster. Die Spitze
des dritthöchsten Berges im Himalaya - der Kangchenjunga - ist zu sehen. Mit Eis
bedeckte Bergkuppen in vielleicht 100 Kilometer Entfernung und 8598 Meter hoch.
Bläulich-weiß schimmernd, in der Sonne glänzend, unendlich klar und scharfkantig, so
liegt er vor uns. Ein Bild zum Träumen. Dann versinkt er schon wieder in Wolken.
Schnell ist das leckere Frühstück verputzt und wir schmeißen uns in warme Sachen.
Draußen sind 5 Grad und wir hüllen uns in warme Schalen aus Jacken, wie eine
Zwiebel. Unten vor dem Hotel scheint die Sonne und wärmt die müden Knochen.
Unser erster Weg führt zu einem kleinen Kloster im Zentrum von Darjeeling. 100e
Gebetsfahnen wehen hier, ein Tempel in der Mitte, natürlich wieder Shiva gewidmet.
Mönche beten, leben hier und pflegen ihre Religion. Der Buddhismus ist sehr beliebt,
so erzählt uns der regionale Guide Bijou, da er die Natur verehrt, so viele Formen hat,
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Bilder zulässt, Musik einschließt, nicht zu viele Vorschriften erhebt. Hier sehen wir
überall Fotos vom Dalai Lama. Im Hotel war er sogar persönlich. Hier in der
Grenzregion sind viele Nepalesen eingewandert und mit ihnen der Lamaismus. Wir
wandern die erste Anhöhe hinauf und merken, wie Puls und Atmung pumpen, weil
wir die Höhe nicht gewöhnt sind. Bald sind wir noch 1500 Meter höher, wie mag es
uns dort ergehen? Das Wetter ein Wechselspiel aus Sonne und kaltem Wind. Zuerst
ziehen wir uns die Jacken aus, im nächsten Moment weht ein eisiger Wind die Hänge
hinauf und mit ihm Wolken zum Greifen nahe, die Sonne verschleiert sich und wir
werfen alle Pullover und Jacken über, die wir haben. Wir ahnen schon, dass wir zu
dünn angezogen sind für die
kommende Bergwanderung. Wenig
später stehen wir an der Haltestation
zur Toy Train (Spielzeugeisenbahn).
Sie gehört zum Weltkulturerbe, denn
sie ist eine der höchsten
Schmalspurbahnen der Welt. Die
Briten errichteten sie 1870, weil sie
ein Transportmittel für den Tee ins Tal benötigten. Bis dorthin braucht sie 9 Stunden
und ist immer eng an den Hang gebaut. Wir fahren mit der Dampflock gute 45
Minuten mit und sind erinnert an den Rasenden Roland. Keine 10 Km/h schafft sie
und müht sich einige Steigungen ordentlich hoch. Von ihrer Endstation auf 2257
Meter geht es zum Kloster Gohm. Hier ist aktiver Buddhismus zu erleben. Im Kloster
werden junge Mönche ab dem 5. Lebensjahr ausgebildet. Für indische Buddhisten
gibt es den Mahayana-Buddhismus, oder auch großes Fahrzeug genannt (unser
Reiseführer sagt dazu „like a bus“) und den Hinayana-Buddhismus, oder auch kleines
Fahrzeug genannt (Reiseführer “like a bicycle“). Beide Wege stehen ihnen hier offen.
Die Bodhisattvas sind dabei eine besondere Form. Sie verzichten im Kreislauf der
Wiedergeburt auf ihre nächste Inkarnation und opfern sich auf für einen anderen
Menschen, um ihm bei seinem Karma zu helfen. Eine Inkarnation aus Mitleid für die
Menschheit. Manchen Menschen fällt es schon schwer, hier und heute Mitleid zu
leben. Wie dann erst für ein kommendes Leben? Am Kloster dann eine Reihe von
Gebetsmühlen. Sie dürfen einfach im Vorbeigehen angestoßen werden und das
Mantra wird dann Wirklichkeit. „Ich setze ein Juwel der Erleuchtung von Lotus in
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mein Herz“. Dieses Mantra steht auf kleinen Zetteln in den Gebetsmühlen und alle
Buddhisten kennen es. Wir erfahren, dass wir an einer buddhistischen Zeremonie
teilnehmen dürfen, also wieder die Schuhe aus und 10 Minuten warten, ehe sich die
Tür öffnet und der
Gebetssaal sich
füllt. Ein großer
Gong wird
geschlagen, Kerzen
entzündet, die
Mönche treten in
die Halle und
verneigen sich vor
der Buddhastatue.
Immer mehr
Mönche betreten den Saal nacheinander und besetzen alle freien Plätze. Die
Trommeln werden schneller, alles um uns ist dunkelrot durch die Gewandung der
Mönche. Plötzlich beginnt ein gemeinsames Murmeln, alle Mönchen sprechen einen
Text nach, zwei Hörner werden geblasen, die Geräusche schwellen an und werden
wieder leiser, dann wird es auf einmal wie eine Melodie, alles wird rhythmisch und
man hat den Eindruck, in einer Welle aus Geräuschen zu versinken. Die ca. 100
Mönche sitzen versteinert, ohne ihr Gesicht zu verziehen und nach 15 Minuten gehen
wir hinaus. Die Zeremonie geht noch 2 Stunden weiter. So lange können wir nicht
warten - Europäer eben durch und durch. Nach der Rückkehr ins Hotel und einem
leckeren Mittag ist der Nachmittag vorgesehen für eine Teeverkostung. In einem
kleinen Laden nahe der Innenstadt sitzen wir zusammen und bekommen in kleine
Glastassen das Getränk der Region. Wo, wenn nicht in Darjeeling möchte man so
etwas gerne ausprobieren? Hier in Darjeeling gibt es 70 verschiedene Anbaugebiete.
Assam ist auch nicht weit und zählt zu den billigeren Anbausorten hier. Die Briten
brachten dieses Getränk heimlich aus China nach Indien über die Grenze mit, eine
Pflanze der Kamelienfamilie. Zuerst
bekommen wir Schwarzen Tee -
first flush (Erntezeit Februar/März),
kaum zu schmecken, fast wie
Wasser. Danach second flush
(Erntezeit April bis September)
schon besser, gefolgt von autumn -
einer Herbsternte - sehr köstlich.
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Grüner und Weißer Tee fallen geschmacklich völlig durch. Danach entdecken wir im
Laden leckere Mischungen und kaufen nach unseren Wünschen ein. Nun ist Freizeit,
wir durchstreifen in kleinen Gruppen oder alleine die Innenstadt und entdecken
kleine Läden mit indischem Whisky, Pullovern, Jacken, Postkarten und abends treffen
alle mit ihrer Beute vor dem Bullerofen oben im Lesezimmer ein. Gemütlich schreiben
einige Karten, lesen oder erzählen, alles ist gedämpft und die Gesichter glühen von
der Luft und der Sonne. Nach dem Abendbrot brechen wir recht schnell auf, denn
morgen geht es um 5.00 Uhr auf den Tiger Hill.
Montag, 10.02.2014
Temperaturen um den Gefrierpunkt begrüßten uns am frühen Morgen, es ist dunkel
und trotzdem hält uns das alles nicht davon ab, heute auf den Tiger Hill, ca. 11
Kilometer von Darjeeling entfernt, zu fahren. Warum trägt ein Berg einen solchen
Namen? Hier lebten einst Tiger, war es der Spitzname eines britischen Offiziers, oder
einfache Fantasie? Für uns der Weg auf einen 2600er Berg, um bei Sonnenaufgang
das Kangchenjunga-Massiv als Teil der Himalayakette zu sehen. Die Auffahrt ist
beschwerlich, Serpentinen ohne Ende und das alles im Konvoi mit vier Fahrzeugen.
Nach 30 Minuten sind wir oben und wandern noch gute 100 Meter. Oben sind viele
Menschen zusammengekommen. Wir mischen uns unter sie und sehen schon einen
rosafarbenen Streifen am Horizont. Wir haben es gerade richtig geschafft. Hier weht
ein eisiger Wind, der durch Mark und Knochen geht. Doch bald wird der rosafarbene
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Streifen immer breiter. Die gegenüberliegende Gebirgskette ist zur unteren Hälfte
von Wolken bedeckt. Wir stehen hier über ihnen und dürfen einem Schauspiel
beiwohnen. Ein Raunen geht durch die Menschenmenge, als ein kleiner Teil der
Sonne seine Spitze über den Horizont reckt. Blitzlichter leuchten immer wieder auf
und die gegenüberliegende Gebirgskette wird goldgelb. Kein Foto kann diesen
Moment festhalten oder wiedergeben. Pures Glück, bloße Bewunderung, endlose
Versunkenheit in den Moment - wenn da nicht die Kälte wäre, die uns in die
Wirklichkeit zurückholt. Welche Gewalten schufen diese Bergkette als Zeugnis einer
Erdgeschichte. Wir weichen von hier nur ungern, doch der Moment ist in die Seele
gebrannt. Das Frühstück gibt die Möglichkeit, wieder warm zu werden, denn der Tag
hat weitere schöne Punkte. Nach kurzer Fahrt stehen wir vor einer Siedlung
geflüchteter Tibeter. Uns wird erst nach und nach klar, was uns hier erzählt wird.
1959 musste der 14. Dalai Lama Tibet verlassen, da China die Religion verboten hat.
Auf 2,5 Mio Km² lebten damals 6 Mio Menschen. Sie flohen, heute leben nur noch
20% dort. Sie dürfen ihre Religion nicht ausüben, da China es ihnen verbietet. Der
Dalai Lama floh nach Dharamsalam (nördlich von Delhi) in den Norden Indiens.
Seinen Panchenlama, der für die Wahl der Nachfolge des 15. Dalai Lama
verantwortlich ist, folterte und
tötete man vermutlich. Sein
Verbleib ist unbekannt. Ein neuer
kann nicht gewählt werden, weil
man nicht sicher sein kann, ob der
echte noch lebt. Ganz sicher ein
Vorgehen mit konkreten Zielen.
Unglaublich, hier fand ein Genozid
statt, der von der Welt beobachtet
und geduldet wurde, nur um die
wirtschaftliche Zusammenarbeit mit
China nicht zu gefährden und die
politischen Beziehungen zu wahren.
Der Lamaismus in Lhasa wurde
ausgerottet. Hier in Nordindien fanden 1,2 Mio. Anhänger eine Heimat, in Nepal 3
Mio. Dieser kleine Ort, den wir besuchen, ist so ein Beispiel. Einfachste Verhältnisse,
in den Räumen eisige Kälte, die Frauen sitzen auf dem Fußboden und knüpfen
Teppiche, Stricken oder spinnen Wolle. Die Männer schnitzen filigrane Ornamente,
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nähen oder helfen den Frauen. Überall hängen Fotos vom Dalai Lama als junger und
heutiger Mann. Eine alte Frau erzählt am Spinnrad sitzend und unser Guide übersetzt,
dass sie mit 2 Jahren hierher kam und große Sehnsucht nach Tibet hat. Sie weiß aber,
dass sie ihre Heimat niemals wiedersehen wird. Ein gezeichnetes Gesicht, das nicht
zur quirligen Erzählweise passt. Unheimlich lebendig spricht die 56 jährige und man
spürt förmlich die Energie ihrer Worte, als sie ihr persönliches Schicksal
zusammenfasst. 25 Freunde von ihr wurden bei der damaligen Flucht umgebracht.
Wir kaufen im Souvenirladen ihre Arbeiten, keine
wirkliche Hilfe aber ein Zeichen unserer Betroffenheit.
Danach geht es weiter in das Himalaya Mounteniering
Insitut. Unter diesem umständlichen Namen verbirgt
sich eine Ausbildungsschule für Bergsteiger im
Himalaya. Angeschlossen ist ein Museum zur
Geschichte des Mount Everest. Zwei Männer, der Inder
Tenzing Norgay und der Neuseeländer Edmund Hillary
machten sich unter der Leitung von John Hunt 1953
auf, um den größten Berg der Erde zu bezwingen.
Damals brauchte Hillary drei Monate
Vorbereitungszeit. Den letzten Weg gingen beide
Männer alleine, die Crew blieb im Basiscamp. Am
29.05.1953 um 10.30 Uhr war es so weit. Als sie
herunterkamen, wird Hillary später berichten, er habe
Tenzing getragen, da dieser erschöpft war und somit
sei Hillary der erste Mann auf dem Mount Everest (der Namensgeber war ein
britischer Vermesser). Beide schweigen lebenslang und Tenzing wird in Indien als
erster Bezwinger, Hillery in England als ebendieser verehrt. Zwei Männer am Ende
ihrer physischen Kräfte schaffen es nicht, in der Weltgeschichte den Ruhm zu teilen?
Lieber gehen sie mit diesem Geheimnis in den Tod, als darüber zu reden. Ganz sicher
Stoff für Bücher und Geschichten, die an Amundsen und Scott erinnern. Waren diese
Herausforderungen für sie ein Krieg, ein Wettlauf, ein Beweis, dass sie leben. Lieber
den Tod in Kauf nehmen, als zu versagen. Auch unsere Zeit kennt solche Menschen,
die Extreme bezwingen wollen. Der Mount Everest heißt auf Nepali Sagarmatha
(„Stirn des Himmels“) und ist dort heilig. Deshalb mussten bis 1959 Anfragen zur
Bezwingung an den Dalai Lama gestellt werden. Heute werden alle Expeditionen hier
in Sikkim/Darjeeling vorbereitet, deshalb hier auch die Ausbildungsschule. Das
Museum berichtet von Abstürzen und missglückten Versuchen, von der ersten Frau
(eine Japanerin) 1975 auf dem Mount Everest und von Reinhold Messner. Der
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Südtiroler verlor ja vor wenigen Jahren seinen Bruder bei der Bezwingung des
Himalayas. Für uns endet hier der Tag, damit wir die nun folgende dreitägige
Wanderung vorbereiten können.
Dienstag, 11.02.2014, bis Donnerstag 13.02.2014
Diese drei Tage bilden den Abschluss unserer Reise. Entfliehen wir doch einfach dem
Lärm der überfüllten Städte und gehen in der Natur wandern, so der Plan. Unweit
von Darjeeling, gute 3 Autostunden entfernt, gibt es ein paradiesisches
Naturschutzgebiet in der Provinz Sikkim. Es ist nur leichtes Gepäck angesagt, denn
unsere Übernachtungen sind in Zelten auf den Höhenzügen geplant. Die kleinen
Rucksäcke sind schnell zusammengepackt und die Fragen werden immer deutlicher.
Wie weit werden wir jeden Tag wandern? Wie hoch werden wir aufsteigen? Wie
werden wir dort oben verpflegt? Doch wie so oft ist die Antwort auf die Frage die
Realität. Wir haben einen regionalen Führer – Bijoy Rai (bijoydarj@yahoo.com). Er ist
Lehrer an einer Schule in Darjeeling und hat gerade Winterferien
(www.schoolaidindia.org) Nach gut fünf Stunden Fahrt kommen wir auf 2700 Meter
Höhe in Chitray an. Dort erfahren wir, dass unser Ziel heute 3636 Höhenmeter sind.
Damit diese auch geschafft werden, geht es zu Fuß weiter. Diese erste Anhöhe ist als
reines Training vorgesehen, denn den Weg hätten die Jeeps locker fahren können.
Doch wir müssen unsere
Körper an die Höhenluft
gewöhnen. Unglaublich, wie
das Herz nach wenigen
Schritten wummert, der
ganze Körper pumpt und
schnell ist eine Pause
notwendig. Wir kommen
nach einer Stunde
Fußmarsch ordentlich ins
Schwitzen. Dann stehen endlich Jeeps bereit, die uns bis Kalpokang auf 3186 Meter
fahren. Diese Jeeps sind aus Zeiten, die längst vergangen sind. Vieles ist notdürftig
geschweißt, an manchen Stellen leckt Flüssigkeit heraus, alles klappert und wackelt.
Sie fahren noch, doch uns vergeht der Mut. In einem Selbstmördertempo jagen die
jungen Fahrer eine Piste hinauf, die hart am Abhang entlang führt, riesige Löcher in
der Piste werfen uns auf den Sitzbänken in die Luft und die Knochen werden
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durchgeschüttelt. Wir erfahren, dass diese Fahrt drei Stunden gehen wird. Überall
Staub, an manchen Stellen sind Wasserfälle mit Eiszapfen als Zeugnis der kalten
Nächte übrig. Unser Atem ist langsam zu sehen und wir ziehen uns immer mehr
Jacken an. Auf 3186 Meter Höhe eine kleine Pause. Wir erfahren, dass wir jetzt schon
in Nepal sind und die Grenze zu Indien hier ineinander übergeht, weil beide Länder
ein gemeinsames Grenzabkommen haben. Wir müssen unsere Pässe mitführen, falls
eine Kontrolle kommt. Die kleine Pause in einer Holzhütte mit Bänken und einer
einfachen Küche wird zur Kälteprobe. Wir bekommen ein kleines Lunchpaket und
futtern die gekochten kalten Kartoffeln, den Apfel und die Teigtasche heißhungrig in
uns hinein. Dann noch einmal ein großes Stück mit dem Jeep. Die letzten fünf
Kilometer nach Sandakphu müssen erwandert werden. Die Luft ist hier noch dünner.
Manche von uns
kommen an ihre
Grenzen. 60 Schritte
sind zu schaffen, dann
fehlt die Luft. Wir
brauchen länger als
geplant. Ein eisiger
Wind weht durch alle
Sachen. Durch die
Bewegung sind wir
warm, aber sobald wir
stehen bleiben, ist es eisig. Die Sonne versinkt langsam hinter den Bergen und gibt
traumhafte Fotomotive. Im Halbdunkeln kommen wir im Zeltlager auf nepalesischer
Seite an. Wir sind entsetzt, der Wind fegt über die Ebene. Die Zelte hält es kaum in
den Verankerungen. Im Gemeinschaftszelt ist der Tisch aufgestellt. Trotz dicker
Jacken frieren wir, bekommen unsere Schlafsäcke und verschwinden nach einem
leckeren Abendbrot schnell. Die
Nacht wird zur Härteprobe. Die
Wasserflaschen sind am Morgen
gefroren. Es gibt minus 5 Grad in
der Nacht, kaum einer kann
schlafen und zur Ruhe kommen.
Durch die dünne Luft wird das
Umdrehen im Schlafsack ein
Angriff an den Kreislauf. In der
Nacht hören wir, wie das Gemeinschaftszelt zusammenbricht. Der Sternenhimmel ist
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unbeschreiblich, denn hier oben auf 3636 Meter stört kein Stadtlicht. Gegen 6 Uhr
morgens sind wir froh, als wir geweckt werden und diese Nacht ein Ende hat. Uns
allen ist klar, eine solche Nacht überstehen wir körperlich nicht ein zweites Mal.
Deshalb besprechen wir beim Frühstück einen vorzeitigen Abstieg auf eine geringere
Höhe. Morgens sehen wir ein unglaubliches Panorama auf vier über
Achttausenderberge. Der Makalu, der Lhotse, der Mt. Everest und der Kangchenjunga
liegen vor uns. Diese Gebirgskette unter einem azurblauen Himmel, nur ungern
geben wir uns geschlagen. Dieser Eindruck ist auf ewig schön. Für den weiteren Weg
haben wir eine Alternative gefunden. Die gestrigen 6 Kilometer Wanderung stecken
uns in den Beinen. Auch heute liegen 6-7 Kilometer vor uns. Aber wir sinken wieder
auf 2340 Meter. Der Wind lässt schnell nach, wir wandern durch endlose Bambus-
und Rhododendrenwälder, die den Weg säumen. Hier ein Unkraut, das oft
Baumsetzlingen den Platz zum Wachsen
nimmt. Wir machen ganz regelmäßige Pausen
und entspannen uns, denn wir haben
Kopfschmerzen, das Essen will nicht
schmecken und die Glieder sind matt. Nach
einem steilen Abstieg sind wir in Gurdung
angekommen. Hier liegt vor uns ein kleines
Sherpa-Dorf, sehr sauber, übersichtlich und gemütlich. Wir finden hier eine
Übernachtung in einer Lodge. Abends sitzen wir in einem Gemeinschaftsraum am
Feuer und genießen die Wärme des Holzes in einer Radfelge. Eine spannende
Gesprächsrunde über die Sherpas bildet sich. Sehr intensiv und interessant, was wir
hier hören dürfen. Ein Sherpamann, 28 Jahre alt, gehört zu unserem Team, der
gerade ein paar Fotos von seiner Mount Everest Besteigung zeigt. Er war im Mai 2012
und 2013 oben - wir können kaum glauben, was er erzählt. Minus 50 Grad, 45
Kilogramm Last tragend und 2
Monate im Basiscamp lebend,
ehe dann in 15 Tagen der
Everest selbst bezwungen
wurde. Er erzählt die Geschichte,
als wenn er sonntags spazieren
war. Sherpas sind das Volk aus
dem Osten, vermutlich aus
Tibet, sie wanderten im 16.
Jahrhundert ein und sind als ein Trägervolk bekannt geworden. Da sie die enorme
Höhe kennen, haben sie keine Probleme mit der Anpassung. Ihr Blut hat höhere
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Hämoglobinanteile, dadurch kennen sie keine Höhenkrankheit. Ihre durchschnittliche
Lebenserwartung liegt bei sehr einfacher Lebensweise über 80 Jahren. Unser
Himalaya-Man“ - wie wir ihn nennen, weil wir seinen Namen nicht kennen - bekam
knapp 4000 € für die Begleitung eines Everest-Besteigers und bereitet sich schon
wieder für kommenden Mai darauf vor. Seine Fotos zeigt er kurz in der Runde. Ein
Volk, das dient, hilfsbereit und bescheiden ist. Ihre Gesichter sind gleichmütig und
freundlich, keine großen Worte, trotzdem liebevoll und irgendwie traurig. Schnell
ziehen wir uns danach in die Zimmer zurück und können schlafen. Ein tiefer,
schwerer Traum aber zum Glück ohne eisigen Wind. Auch hier gibt es von den
Sherpas ein sehr leckeres Frühstück mit einfachen Mitteln zubereitet. Die letzte
Etappe liegt vor uns und wir merken, dass die Beine immer schwerer werden. Doch
weitere sieben Kilometer müssen bezwungen werden. Wir betreten ein Tal, durch
einen kleinen Bach geformt und voller traumhaften Motive. Eine Art Urwald, der hier
beheimatet ist, voller
Orchideen, Ranken,
exotischer Vögel und
Pflanzen. Die Nadelbäume
sind aus Japan
eingeschleppt worden und
bedrohen die einheimische
Vegetation. Ihre Nadeln in
der Hand zerrieben riechen
wie Tannenbaum. Eine
Hängebrücke überspannt das Tal und Mulihändler überholen uns. Die Glöckchen an
den Tieren hört man noch weit, auch wenn sie schon hinter der letzten Ecke
verschwunden sind. Wir treffen auf einzelne Menschen, die freundlich grüßen. An
einer Stelle ein Rest eines Erdrutsches. Man sieht ein tiefes Loch, Reste eines
zerstörten Hauses, Teile der Straße sind weggebrochen - der Monsun hat hier tiefe
Spuren gegraben. Seine Wassermassen müssen im Sommer die Erde ins Tal gerissen
haben. Wir sehen Häuser, eng an den Hang gebaut, mit bunten Blumen davor. Das
Leben findet im Freien statt, Menschen sitzen vor den Haustüren, erzählen, essen,
grüßen. Der Weg will nicht enden. Dann stehen unsere Autos bereit. Auf der Fahrt
nach Darjeeling schlafen einige ein, so stark waren die Strapazen. Doch die
Wanderung war ein besonderes Erlebnis. Wir sahen eine Landschaft, die unser Herz
erobert hat. Abends erzählen wir viel über das Erlebte, sind frisch geduscht und
freuen uns über die Wärme der Zimmer und die saubere Kleidung.
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Ab morgen beginnt dann unserer Rückreise nach Deutschland. Voller Eindrücke, die
erst einmal in Ruhe verarbeitet werden müssen, kehren wir heim.
Was bleibt nun zu sagen über dieses Land, welches uns 14 Tage lang Heimat war. „Für
Indien ist ein Leben zu wenig“ verabschiedet uns Gopal herzlich im letzten Hotel in
Delhi und er wird wieder einmal Recht haben. Er lädt uns als Freunde nach Indien ein
und verspricht, uns im Mai in Deutschland besuchen zu kommen. Gopal war für uns
ein Gesicht dieses Landes. Er hat uns so viel Persönliches geschenkt und uns
Anteil nehmen lassen. Wie oft musste er aushalten, dass wir Indien mit
Deutschland vergleichen und wie viele passende Worte fand er, uns
genau das auszureden. Wir spüren an jedem Muskel, dass die Fahrt
körperlich anstrengend war, unsere Müdigkeit hat uns die letzten Tage
kaum verlassen und doch ist es nicht das, was letztlich bleiben wird. Es
ist eher eine Sehnsucht nach dieser Gelassenheit des Lebens, die
wir fanden, das bunte Leben in Indiens Straßen als Puls eines
Volkes, die farbenfrohen Saris der Frauen als leuchtendes
Zeichen im Grau manchen Alltages und es sind die tiefen,
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freundlichen Blicke der Menschen, denen wir begegneten. Was wir daraus machen,
das liegt an uns. Wir sagen „Namaste Indien“ und legen beide Hände vor dem Gesicht
zusammen.