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Evaluierung der Troponin I Freisetzung in der kardialen Lymphe bei herzchirurgischen Eingriffen unter Einsatz des extrakorporalen
Kreislaufes
Von der Medizinischen Fakultät
der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Doktors der Medizin
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Oliver Johannes Liakopoulos
aus
Thessaloniki (Griechenland)
Berichter: Herr Universitätsprofessor
Dr. med. B. J. Messmer
Frau Professorin
Dr. med. M.-Ch. Seghaye
Tag der mündlichen Prüfung: 3. Mai 2001
Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar
Meinen Eltern
für Ihre Bemühungen und
meinem Bruder für seine Unterstützung
gewidmet
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis I Einleitung 1 II Einführung 2 1 Das lymphatische System des Herzens 2
1.1 Historisches 2
1.2 Anatomie 3
1.2.1 Aufbau des kardialen Lymphsystems 3
1.2.1.1 Der subendokardiale Plexus 4
1.2.1.2 Der myokardiale Plexus 4
1.2.1.3 Der subepikardiale Plexus 4
1.2.1.4 Die epikardialen Lymphgefäße 5
1.2.2 Lymphdrainage spezieller Herzregionen 7
1.2.3 Embryologie 8
1.2.4 Histologie 8
1.3 Physiologie des kardialen lymphatischen Systems 9
1.3.1 Funktion des kardialen Lymphsystems 9
1.3.2 Bildung und Fluß der kardialen Lymphe 12
1.3.3 Komposition der Lymphe 14
2 Der Extrakorporale Kreislauf 17
2.1 Historisches 17
2.2 EKK und myokardiale Schädigung 18
2.3 Das kardiale Troponin I (cTnI) 20
III Zielsetzung 22 IV Methodik 23 1 Tierexperimentelle Untersuchungen 23
1.1 Wahl des Tiermodells 24
1.2 Randomisierung der Tiere 24 2 Versuchsdurchführung 25
2.1 Anästhesiologisches Vorgehen 25
2.2 Operatives Vorgehen 25
2.3 Postoperative Überwachung 27 3 Probengewinnung und Verarbeitung 28
3.1 Lymphentnahmetechnik 28
Inhaltsverzeichnis II
3.2 Lymph- und Blutentnahmeprotokoll 32
3.3 Bestimmung des kardialen Troponin I (cTnI) 32
4 Statistik 33
V Ergebnisse 34
1 Das kardiale Lymphsystem des Schweines 34
1.1 Anatomieverteilung und Kanülierung 34
1.1.1 Rechtstyp 34
1.1.2 Intermediärtyp 35
1.1.3 Linkstyp 35
2 Der extrakorporale Kreislauf (EKK) 36
2.1 Tierkollektive 36
2.2 Hämodynamische Grunddaten 37
2.3 Der kardiale Lymphfluß während des EKK 37
2.3.1 Abhängigkeit von den Temperaturbedingungen 37
2.3.2 Abhängigkeit vom Anatomietyp 39
2.4 Korrelation des Lymphflußes mit den hämodynamischen
Grunddaten 42
2.5 Troponin I (cTnI)-Freisetzung während des EKK 42
2.5.1 Korrelationen der cTnI-Freisetzung 45
VI Diskussion 46 1 Anatomie und Kanülierung des kardialen Lymphsystems 46
2 Der kardiale Lymphfluß während des EKK 50
2.1 Abhängigkeit von den Temperaturbedingungen 50
2.2 Abhängigkeit vom Anatomietyp 54
3 Troponin I Freisetzung während des EKK 55
VII Zusammenfassung 62 VIII Literaturverzeichnis 65 IX Anhang 81 X Danksagung/ Lebenslauf 82
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AoX: : Aortenabklemmung
AVS : anteriorer interventrikulärer Stamm
BSA : body surface area
CK : Kreatininphosphokinase
CLN : kardialer Lymphknoten (nach Drinker)
EKL : efferenter kardialer Lymphstamm
GOT : AST, Aspartataminotransferase
GPT : ALT, Alaninaminotransferase
HDL : high density lipoprotein
HLM : Herz-Lungen-Machine
LAP : linksatrialer Mitteldruck
LCS : linker koronarer Hauptlymphstamm
LDH : Laktatdehydrogenase
LMS : linker marginaler Stamm
MAP : arterieller Mitteldruck
PAP : pulmonalarterieller Mitteldruck
PLN : prätrachealer Lymphknoten
PMS : perioperative myokardiale Schädigung
PVS : posteriorer interventrikulärer Stamm
RCS : rechter koronarer Hauptlymphstamm
SVC : Vena cava superior
TnI : Troponin I (c: myokardspezifisch; s: muskelspezifisch)
TnT : Troponin T
V/LDL : very bzw. low densitiy lipoprotein
ZVD : zentralvenöser Druck
Einleitung 1
I Einleitung
Der vorübergehende maschinelle Ersatz der Herz- und Lungenfunktion durch
den extrakorporalen Kreislauf (EKK) ermöglicht intrakardiale Eingriffe zur
Korrektur von kongenitalen und erworbenen Vitien am blutleeren und nicht
schlagenden Herzen. Neben den großen Vorteilen dieses Verfahrens,
verursacht der Einsatz der EKK eine Aktivierung des Komplementsystems,
Leukozytenaktivierung und Synthese sowie Freisetzung von Zytokinen, die zu
einer systemischen entzündlichen Reaktion führen. Die Freisetzung der
proinflammatorischen Mediatoren beeinflusst die postoperative Morbidität und
Mortalität von herzoperierten Patienten in hohem Maße. Am Herzen wird
zusätzlich das Ausmaß dieser entzündlichen Reaktion durch die kontrollierte
Myokardischämie und anschliessende Reperfusion potentiert. Diese
perioperative myokardiale Schädigung kann sich klinisch als Myokardinfarkt
manifestieren und zu postoperativen Komplikationen führen, wie das „Low
Cardiac Output“ Syndrom, Herzrythmusstörungen, pulmonale Hypertension und
Exitus des Patienten. Das kardiale Troponin I (cTnI) ist durch seine hohe
Spezifität und Sensivität bei der Diagnose der perioperativen myokardialen
Schädigungen geeignet, den Einfluß des EKK auf das Myokard unter
verschiedenen Temperaturbedingungen zu untersuchen.
Das lymphatische System des Herzens spiegelt, wegen seiner unmittelbar
anatomischen und biochemischen Nähe zum Interstitium des Herzens, die
physiologischen Verhältnisse des Myokards schneller und empfindlicher als
arterielles und koronarvenöses Blut wider. Tierexperimentelle Arbeiten unter
pathologischen Bedingungen wie Myokardinfarkt, Hypertension und
Herzinsuffizienz zeigten, dass enzymatische und zelluläre Veränderungen in
der myokardialen Lymphe sensitiv wiedergegeben werden. Die Rolle des
kardialen lymphatischen Systems in der Erkennung einer myokardialen
Schädigung, ausgedrückt durch die perioperative cTnI Freisetzung während
Operationen mit Einsatz des EKK, wurde bis heute noch nicht untersucht.
Ziel unserer Arbeit ist es, die intramyokardiale Freisetzung des Troponin I in der
kardialen Lymphe, dem arteriellen und koronarvenösen Blut im Rahmen
Einführung 2
einer standardisierten Herzoperation mit Einsatz des EKK unter verschiedenen
Temperaturbedingungen zu untersuchen. Vorraussetzung hierfür ist das
genaue anatomische Studium des kardialen Lymphsystems und dessen
erfolgreiche Kanülierung.
II Einführung 1 Das lymphatische System des Herzens 1.1 Historisches Die Erforschung des lymphatischen Systems des Herzens geht auf den
schwedischen Anatomen Olaus Rudbeck (1) im Jahre 1651 zurück. 1692
eröffnete Nuck (2) neue Perspektiven zur detaillierten Forschung des kardialen
Lymphsystems als er durch Quecksilberinjektionen, die er direkt in die kardialen
Lymphgefäße von Herzen toter Tiere applizierte, lymphatische Gefäße
darstellte. Diese Darstellungstechnik wurde dann im späten 18. Jahrhundert
von William Hunter und seinen Assistenten W. Hewson und W.Cruikshank (3-
5) in England übernommen und am menschlichen Herzen mit Erfolg
angewandt. Sie waren gemeinsam mit dem Italiener Mascagni (1787) (3;6) die
Ersten, die anatomisch-detaillierte Illustrationen und Zeichnungen
veröffentlichten. 1833 entwickelte Fohmann (7) die erste indirekte
Darstellungsmethode, indem er beobachtete, dass ins Myokardium injiziertes
Quecksilber von den kardialen Lymphgefäßen aufgenommen wurde. Einige
Jahre später (1863) war es der berühmte Anatome W. His (8), der die
Verbindung der subepikardialen Lymphgefäße mit Lymphkapillaren im
myokardialen Bindegewebe erstmals beschrieb. Albrecht (1887) (9) erreichte,
durch Injektion von Farbstoffen in das Myokard eines schlagenden Herzen, die
anterograde Anfärbung des kardialen Lymphsystems. 1924 beschrieb Aargard
(10) aus Kopenhagen in seinem Buch über das kardiale Lymphsystem im Detail
den Aufbau des subendokardialen, myokardialen und subepikardialen
lymphatischen Plexus des Herzen. Patek (11) veröffentlichte 1939 die bis zu
diesem Zeitpunkt wohl umfangreichste und ausführlichste Studie über die
Morphologie des kardialen Lymphsystems. Basierend auf Patek’s gründlichen
anatomischen Studien, gelang es Drinker et al. (12) in Harvard erstmals, ein
großes, efferentes, kardiales Lymphgefäß am Hund erfolgreich zu kanülieren
Einführung 3
und konnte somit den lymphatischen Fluß, Druck, und die Zusammensetzung
der Lymphe bestimmen. Dieser Meilenstein in der Geschichte der Erforschung
des lymphatischen Systems des Herzens eröffnete vielen nachfolgenden
Forschern neue Möglichkeiten, die Anatomie und Physiologie des
Lymphsystems am gesunden sowie am kranken Herzen zu erforschen und
damit die Bedeutung desselben besser zu verstehen. Der französische Chirurg
Servelle (13) war 1967 der Erste, der intraoperativ durch subepikardiale
Injektionen von Evans-blau die kardiale Lymphgefäßfärbung an Patienten
vornahm.
1.2 Anatomie Die Anatomie des kardialen Lymphsystems ist trotz zahlreicher Studien am Tier
und am Menschen nicht vollständig geklärt (14). Aufgrund der vielfältigen
Variationen des lymphatischen Systems und der unterschiedlichen
morphologischen Gegebenheiten von Spezies zu Spezies in der Familie der
Säugetiere ist es schwierig eine allgemein akzeptierte anatomische
Beschreibung des kardialen Lymphsystems abzugeben.
1.2.1 Aufbau des kardialen Lymphsystems Das kardiale Lymphsystem ist aus drei miteinander in Verbindung stehenden
Plexus aufgebaut, welche eine funktionelle Einheit bilden. Es besteht aus dem
subendokardialen Plexus, welcher über einen myokardialen mit dem
subepikardialen Plexus vernetzt ist (15). Die Hauptaufgabe dieses
dreidimensionalen lymphatischen Netzes ist die interstitielle Drainage des
Herzens. Das epikardiale Lymphsystem stellt die Endstrecke der oben
genannten Lymphplexus dar und drainiert die Lymphe des Herzens zu den
mediastinalen Hauptkollektoren. Der Hauptdrainageweg der kardialen
lymphatischen Flüssigkeit endet beim Menschen, Hund sowie Schwein
mehrheitlich in den Ductus lymphaticus dexter (14).
1.2.1.1 Der subendokardiale Plexus Der subendokardiale Plexus liegt als einschichtiges Kapillarnetz parallel zur
Innenfläche des Herzens. Er erstreckt sich auch in die Papillarmuskeln des
Herzens (11;16;17) sowie in das Trabekelwerk der Ventrikel (10). Seine
Einführung 4
Lokalisation ist immer zwischen dem Endothel des Endokards und dem
Purkinjefasernetz, ohne mit den letzteren zu kommunizieren (11). Es werden
hier keine größeren Lymphkollektoren gebildet und Klappen kommen nur
vereinzelt vor. Der Durchmesser der Lymphgefäße beträgt ca. 0.040 mm im
Durchschnitt (11;14). Der subendokardiale Plexus ist sowohl am Hund (16;17)
als auch am Schwein (18) und Menschen (19;20) durch indirekte Anfärbung
(Evans-blau; Indian ink) des Endokards gut darstellbar. Kurze
Verbindungsgefäße geben dem subendokardialen Plexus Anschluß an den
myokardialen Plexus.
1.2.1.2 Der myokardiale Plexus Der myokardiale Plexus durchsetzt gleichmäßig als dreidimensionales,
engmaschiges Gitternetz das gesamte Myokard (11;15). Die lymphatischen
Gefäße liegen in den interfaszikulären Bindegewebsräumen und umgeben die
Muskelbündel des Myokards, wobei jedem Bündel ca. 2-4 Lymphgefäße
parallel zugeordnet sind. Der Durchmesser der Lymphkapillaren beträgt ca.
0,045 mm im Durchschnitt. Die Lymphgefäße besitzen eine geringe Anzahl von
Klappen. Größere Lymphkollektoren werden auch hier nicht gebildet.
Den myokardialen Plexus erreichen in regelmäßigen Intervallen Lymphgefäße
aus dem subendokardialen Plexus. Diese verlaufen aus dem Endokard über
die Purkinjefasernetzschicht zum myokardialen Plexus. Über kleine
Lymphgefäße kommuniziert letzterer wiederum direkt mit dem subepikardialen
Plexus.
1.2.1.3 Der subepikardiale Plexus Das subepikardiale lymphatische Gewebe liegt zwischen dem Myokardium und
Epikardium im subepikardialen Bindegewebe. Es überzieht beide Ventrikel,
spart jedoch den anterioren und posterioren Sulcus interventricularis, sowie die
linksventrikuläre Herzkante, aus (11;14;15). Der Plexus besteht aus graden,
parallel laufenden Kapillaren (∅ ca. 0,042-0,228 mm), welche netzartig
untereinander in Verbindung treten. Mehrere kleine Lymphkapillaren
konvergieren zu größeren subepikardialen Lymphgefäßen (∅ ca. 0.32 mm).
Patek (10) bezeichnet diese Kollektoren als Gefäße 1.Ordnung. Sie ziehen
zusammen mit den korrespondierenden Blutgefäßen in Richtung des vorderen
Einführung 5
und hinteren Sulcus interventricularis und der linksventrikulärer Außenfläche
und anastomisieren dort zu Lymphgefäßen 2. Ordnung (∅ ca. 0.64 mm). Aus
der Verbindung mehrerer Lymphgefäße der 2. Ordnung bilden sich schließlich
drei epikardiale lymphatische Stämme, die Gefäße der 3.Ordnung (∅ ca. 0.768
mm). Klappen sind im subepikardialen Plexus mit ansteigender Kalibergröße
der Lymphgefäße zahlreich vorhanden.
1.2.1.4 Die epikardialen Lymphgefäße Der anteriore interventrikuläre Stamm (AVS), der posteriore interventrikuläre
Stamm (PVS) und der linke marginale Stamm (LMS; Gefäße 3.Ordnung)
verlaufen epikardial und gemeinsam mit den korrespondierenden
Koronarseitenästen (Ramus interventricularis anterior (RIVA); Ramus
interventricularis posterior (RIVP); Ramus marginalis (RMS)) in Richtung
Herzbasis zu den zwei koronaren Hauptlymphstämmen (Gefäße 4.Ordnung). In
ihrem Verlauf werden sie von zahlreichen kleinen Lymphgefäßen zusätzlich
gespeist. Die oberflächlich abführenden Lymphstämme enthalten zahlreiche
Klappen und glatte Muskulatur (14;21). Die zwei koronaren Hauptlymphstämme
begleiten die entsprechenden Koronararterien (Abbildung II-IV).
Der linke koronare Hauptlymphstamm (LCS) drainiert die Lymphe aus dem
gesamten linken Ventrikel, inklusive Septum und Papillarmuskel, und teilweise
auch aus dem rechten Ventrikel (15). Er ist meistens größer angelegt als der
rechte koronare Hauptlymphstamm (RCS). Seinen Ursprung findet der LCS im
PVS, der im Sulcus interventricularis posterior nach kranial in Richtung Sulcus
atrioventricularis sinister zieht. An der linken Herzkante vereinigt er sich mit
dem prominenten LMS. Im weiteren Verlauf passiert der LCS die linke
Herzkante und erscheint auf der Vorderfläche des Herzens. Hier bekommt er
Zufluß aus dem AVS und zieht im linken Sulcus atrioventricularis bedeckt vom
linken Herzohr hinter dem Truncus pulmonalis zu dem linken prätrachealen
Lymphknoten (PLN) (11;14;22-26). Dieser ist regelmäßig zwischen dem Arcus
aortae und dem Pulmonalarterienstamm lokalisiert. In einigen Fällen umgeht
der LCS den PLN (27) und fließt direkt in den „kardialen Lymphknoten“ (CLN)
nach Drinker (10). Der rechte koronare Hauptlymphstamm (RCS) führt
hauptsächlich die Lymphe aus dem rechten Ventrikel ab. Er entspringt im
Sulcus atrioventricularis dexter an der dorsalen Seite des rechten Ventrikels,
Einführung 6
kurz vor dem Sulcus interventricularis posterior. Beim rechts dominierenden
lymphatischen Versorgungstyp drainiert der RCS durch die Aufnahme des PVS
teilweise auch den linken Ventrikel (28). An der rechten Herzkante schlägt er
auf die Vorderseite des Ventrikels um und verläuft, zusammen mit der A.
coronaria dexter, im Sulcus atrioventricularis nach kranial, an die Basis des
Truncus pulmonalis. In seinem Verlauf erhält er Zuflüße der 1. und 2. Ordnung.
Von der Herzbasis aus fließt der RCS entweder direkt in den prätrachealen LN
oder verbindet sich schon davor mit dem LCS zu dem gemeinsamen efferenten
kardialen Lymphstamm (EKL), der dann die gesamte Lymphe des Herzens
drainiert. In einigen Fällen kann er jedoch auch als selbständiges Gefäß direkt
zum Ductus thoracicus (27;29) ziehen und somit in den linken Venenwinkel
drainieren.
Aus dem prätrachealen Lymphknoten entspringt der gemeinsame efferente
kardiale Lymphkollektor (EKL) als einzelnes Gefäß (14)(Abbildung II). Nach
einer kurzen Strecke verzweigt er sich häufig in zwei parallel laufende Äste, die
nach ca.3-5 cm kranialwärts, typischerweise zwischen Aorta ascendens und
oberer Hohlvene verlaufend, in den CLN fließen. Dieser liegt zwischen der V.
cava superior und dem Truncus brachiocephalicus. Von dem CLN aus finden
mehrere Lymphgefäße Anschluß an den Ductus lymphaticus dexter. Er
drainiert die Lymphe in den rechten Venenwinkel, der aus der senkrechten
Vereinigung der V. jugularis und V. subclavia gebildet wird. Häufig existieren
zahlreiche Verbindung vom CLN zu verschiedenen Lymph-
knotengruppierungen in dieser Region, seltener auch mit indirektem Zufluß
über diese Gruppen zum linken Venenwinkel (27). Selten hat der PLN durch
kleine Lymphgefäße zusätzliche Verbindungen zum Ductus thoracicus (14).
1.2.2 Lymphdrainage spezieller Herzregionen
• Vorhöfe: Das lymphatische Kapillarnetz in den Vorhöfen ist im Gegensatz
zu dem in den Ventrikeln nur spärlich ausgebildet (10;13;18;26;27;30;31). Die
Ausbreitung über die Wände ist unregelmäßig. Die Lymphkapillaren sind
hauptsächlich auf die gesamte subepikardiale Schicht der Atria beschränkt. In
der myokardialen und subendokardialen Schicht sind sie nicht vorhanden. Die
Lymphe des rechten Atriums drainiert variabel in den RCS oder in lymphatische
Gefäße, die entlang der V. cava superior verlaufen (25). Vom linken Atrium
Einführung 7
drainiert die Lymphe in den LCS (32).
• Herzklappen: Studien an Hunden zeigten sowohl in den Trikuspidal-, als
auch in den Mitralklappen die Anwesenheit von lymphatischen Gefäßen
(10;22;33;34). Dagegen schlugen Versuche, Lymphgefäße in den
Atrioventrikularklappen (10) und in den Taschenklappen (14) am Menschen
darzustellen, fehl.
• Erregungsleitungsystem: Eine anatomische Beziehung zwischen dem
Erregungsleitungsystem und dem lymphatischen System des Herzens ist am
Menschen und am Hund beschrieben worden (30;35;36). Das lymphatische
Kapillarnetz des Sinusknoten ist im Gegensatz zu dem Blutkapillarnetz spärlich
ausgebildet. Es drainiert über subepikardial gelegene Lymphgefäße in den LCS
und von dort in den CLN. Vom Atrioventrikularknoten (AV) und dem His-Bündel
ziehen die Lymphgefäße beim Menschen hauptsächlich in den LCS, während
dagegen beim Hund die Lymphe aus dem AV-Knoten in den RCS drainiert (36).
• Herzbeutel: Die lymphatische Drainage des Herzbeutelraumes erfolgt über
lymphatische Gefäße des parietalen und visceralen Perikardiums (14). Die
oberflächlichen epikardialen Lymphgefäße führen den Hauptteil der Lymphe
aus dem Herzbeutel zum CLN ab (37). Das parietale Perikard ist mit einem
dünnen Lymphgefäßnetz ausgestattet, welches zur Herzbasis hin dichter wird.
Die Drainagewege des parietalen Perikards sind vielfältig. Die ventrale und
laterale Perikardseite drainiert ihre Lymphe hauptsächlich entlang ihrer
Blutgefäße (Aa/Vv. mammariae internae) und dem Nervus phrenicus zum
rechten bzw. linken vorderen mediastinalen Lymphknoten. Von diesen
Lymphknoten ziehen Gefäße zum Ductus lymphaticus dexter bzw. dem Ductus
thoracicus und von dort in die entsprechenden Venenwinkel (38;39). Die
dorsale und diaphragmale Perikardseite hat direkte Verbindung zu den
tracheobronchialen und ösophagealen Lymphknotengruppen (40).
1.2.3 Embryologie Das lymphatische System des menschlichen Herzens entwickelt sich aus zwei
plexiformen Anlagen des mediastinalen Lymphsystems aus. Diese breiten sich
im zweiten Schwangerschaftsmonat entlang der großen Blutgefäße aus und
erreichen die Herzbasis von kranial (41). Die erste Anlage entspringt aus dem
mediastinalen Anteil des Ductus thoracicus. Sie verläuft an der linken Seite des
Einführung 8
Aortenbogens entlang und zieht zwischen Aorta ascendens und Truncus
pulmonalis in Richtung der rechten Koronararterie, wo sie später den RCS
bildet.
Die zweite Anlage hat ihren Ursprung in dem prätrachealen lymphatischen
Plexus. Sie zieht unter der Pulmonalarterie auf die linke Seite des Herzens und
bildet entlang der linken Koronararterie den LCS. Diese Anlage ist eine kaudale
Erweiterung des rechten jugulären Lymphsackes und somit des Ductus
lymphaticus dexter und wird als die Dominante der beiden betrachtet.
Während des dritten Schwangerschaftsmonat breiten sich zahlreiche
lymphatische Gefäße, vom LCS und RCS ausgehend, zur Herzperipherie hin
aus und bilden im vierten Monat ein über die gesamte Herzoberfläche dicht
ausgeprägtes Netzwerk. Zeitgleich erscheinen die ersten lymphatischen
Klappen in den größeren Gefäßen.
1.2.4 Histologie Das kardiale Lymphsystem hat gemäß seiner Aufgabe, das Interstitium zu
drainieren, seinen Ursprung im interstitiellen Gewebe. Es beginnt in Form von
blind endenden Lymphkapillaren, die untereinander vernetzt sind. Die
klappenlosen Lymphkapillaren bestehen aus einschichtigen Endothelzellen,
deren Ränder überlappend angeordnet sind und somit klappenartig nach innen
„schwingen“ können, um den Einstrom von Gewebsflüssigkeit in das Lumen zu
erlauben (42). Im Bereich der Überlappungen besitzen sie nur lockere,
desmosomenähnliche Verbindungen zueinander und bilden somit offene
Interzellurspalten, durch die die Kapillaren mit dem Interstitium frei
kommunizieren. Den Lymphkapillaren fehlt im Gegensatz zu den Blutkapillaren
eine kontinuierlich ausgeprägte Basalmembran. An den Außenflächen der
Endothelzellen enden „anchoring filaments“ (Ankerfasern). Es handelt sich
hierbei um Bindegewebsfilamente, die aus dem umgebenden Interstitium auf
die Außenfläche der Endothelzellen zulaufen und somit die Lymphkapillaren
verankern (43;44). Sie bestehen vorwiegend aus elastischen Fasern, denen eine
antiödematöse Wirkung zugesprochen wird. Bei einer Zunahme des interstitiellen
Volumens verhindern diese Filamente nicht nur das Kollabieren der
Lymphkapillaren, sondern bewirken auch das Aufspannen der
Interzellurspalten, was den Einstrom der interstitiellen Flüssigkeit ermöglicht.
Einführung 9
Die größeren Lymphgefäße und Hauptstämme besitzen einen venenähnlichen
Aufbau mit glatter Muskulatur, welcher die Lymphgefäße zur Kontraktion
befähigt. Außerdem ist eine größere Anzahl meist zweiteiliger Klappen
vorhanden, die nur einen Fluß nach zentripetal in Richtung der abführenden
Gefäße zulassen. Die Endothelzellmembran ist oft eingestülpt und bildet
zahlreiche mikropinozytotische Vesikel, sowohl von der luminalen, als auch von
der abluminalen Seite. Im Zytoplasma liegen die Zellorganellen wie
Mitochondrien, rauhes endoplasmatische Retikulum und Ribosomen, sowie
wenige Lysosomen (45).
1.3 Physiologie des kardialen lymphatischen Systems 1.3.1 Funktion des kardialen Lymphsystems Das lymphatische System der Säugetiere ist das am weitesten entwickelte. Es
ist ein integraler Bestandteil des arteriellen Hochdrucksystems des Kreislaufes.
Infolge der hohen Druckverhältnisse des arteriellen Schenkels kommt es im
Kapillarbereich zu einer konstanten Abfiltration und Verlust von Wasser,
Proteinen und Elektrolyten ins interstitielle Gewebe. Dieser Verlust wird
teilweise durch Resorption im Kapillarbett kompensiert. Die Lymphdrainage
spielt jedoch die entscheidende Rolle bei der Regulation des interstitiellen
Volumens und Druck. Das Lymphsystem gleicht, durch Resorption aus dem
Interstitium und Abtransport in den Intravasalraum, die Flüssigkeits- und
Proteinverluste aus. Auf diese Weise wird pro Tag 2,4 l Lymphflüssigkeit dem
Blut zugeführt.
Das Herz unterscheidet sich aufgrund seiner ständigen muskulären Aktivität
wesentlich von anderen Organen. Die kontinuierliche Bewegung des Herzens
führt zu einer intramuskulären Druckentwicklung und somit zu einer konstanten
Abfiltration von Flüssigkeit und Proteinen aus den Blutkapillaren ins Interstitium.
Das kardiale Lymphsystem hat die Aufgabe, interstitielle Flüssigkeit und
Proteine zurück in den Kreislauf zu transportieren. Es schützt in erster Linie das
Herz vor Erhöhungen des Gewebedruckes durch Akkumulation von
Flüssigkeits- und Proteinmengen im Interstitium und wirkt deswegen
antiödematös. Somit reguliert es die Homöostase und den kolloidosmotischen
Druck im Extrazellulärraum (Tabelle I).
Nach Okklusion der kardialen Lymphdrainagegefäße am Hund werden
Einführung 10
interstitielle und intrazelluläre Ödeme im Herzen (46-48) und vereinzelt auch
akute Perikardergüsse (49;50) beobachtet. Nach Behinderung des koronar-
venösen Abflußes, durch Okklusion des Sinus Coronarius, übersteigt die
kapilläre Filtration die maximale Kapazität der Lymphdrainage und es entstehen
ebenfalls Myokardödeme und Perikardergüsse (49;51).
Durch die Lymphostasis kommt es zur vermehrten Einlagerung von
extravaskulären Proteinen in die extrazelluläre Matrix des Interstitiums und
somit zu einer Stimulation und Proliferation von Bindegewebszellen, die zu einer
Fibroelastose mit Verdickung des Endokardiums (34;52;53) führt. Weiterhin
bewirkt der Lymphstau eine Verdickung der Segel der AV-Klappen, durch
„myxomatöse“ Einlagerungen aus sulfatierten Muccopolysacchariden
(26;46;52;54). In den ödematösen Bereichen des Herzens ist die
Mikrozirkulation durch das Anschwellen der Endothelzellen, die Dilatation der
Lymphkapillaren und das Kollabieren der Blutkapillaren beeinträchtigt. Dies
führt zu einem verminderten Sauerstoffangebot in den betroffenen Arealen mit
ischämieähnlichen Myokardschädigungen und Nekrosen (48;55-57), die im
Elektrokardiogramm (EKG) für Ischämie- und sogar Infarkt typische
Veränderungen verantwortlich sind (58-60). Das Auftreten von
Herzrhythmusstörungen im Sinne eines Sick-Sinus-Syndroms (61) und eines
AV-Blocks (14) nach Blockierung der kardialen Lymphdrainage unterstreichen
die Bedeutung der Lymphdrainage für die intakte Funktion des
Erregungsleitungsystems.
Dem kardialen Lymphsystem wird auch eine Rolle bei der Entstehung der
Atherosklerose zugesprochen. So entwickelt sich nach Beinträchtigung der
Lymphdrainage eine Akkumulation von Plasma in der subendothelialen Schicht
und in der Media kleiner Koronararterien mit Untergang der glatten Muskulatur
und fibrinoiden Nekrosen (48;62). Dies kann zu Veränderung in der Intima
führen und die Bildung von artherosklerotischen Plaques fördern (14;63).
Das kardiale Lymphsystem hat eine wichtige Funktion bei der Beschränkung
von Myokardschädigung. Es entfernt Zelltrümmer aus dem beschädigten
Gewebe und fördert den Heilungsprozeß. Nach Myokardschädigung, durch
Eigenblutinjektion in die Ventrikelwand oder Infarkt, zeigen sich bei kardialer
Lymphblockade über längere Zeit vergrößerte Narbenareale (ca.10fach),
verlängerte Heilungszeiten und starke inflammatorische Reaktionen (64;65).
Einführung 11
Neuere Studien weisen dem kardialen Lymphsystem eine Rolle bei der
Erkennung und Lokalisation einer Infektion im Myokard zu. Die intravenöse
Applikation von Staphylokokken führt bei Lymphstase in 56% der Fälle zu einer
Endokarditis, Myokarditis oder einer Kombination aus beiden (66). Das Herz
scheint bei Lymphstau Infektionen gegenüber empfindlicher zu sein.
- Absorption und Transport von Proteinen, Wasser und Elektrolyten aus
dem Interstitium zurück in den Blutkreislauf
- Regulation des Gewebedrucks und –volumens
- Aufnahme und Entfernung von Zelltrümmern nach Schädigung/ Infarkt
- Beinflußung des Heilungsprozesses nach Schädigung/ Infarkt
- Lokalisation und Bekämpfung von Infektionen
- Abtransport von Cholesterol und Lipiden aus den Wänden der
Koronararterien
Tabelle I: Funktion des kardialen Lymphsystems
1.3.2 Bildung und Fluß der Lymphe Die Abfiltration aus den Blutkapillaren des Herzens führt zu einer Anreicherung
von Flüssigkeit und Makromolekülen im Interstitium. Um das Herz vor Anstieg
des Gewebedruckes und interstitiellem Ödem mit konsekutiver
Beeinträchtigung der Kontraktilität zu schützen, wird die interstitielle Flüssigkeit
über die Lymphkapillaren aufgenommen. Bei erhöhtem interstitiellen
Flüssigkeitsvolumen und Gewebedruck wird auf die „anchoring filaments“
(Ankerfasern) der Lymphkapillaren eine erhöhte Spannung ausgeübt, wodurch
die Interzellulärspalten aufgehalten und ein Einstrom des Gewebewassers
ermöglicht wird (14). Die treibende Kraft für den Einstrom von Flüssigkeit und
Makromolekülen ist die kolloidosmotische Druckdifferenz zwischen dem
Interstitium und den Lymphkapillaren (67).
Während der Systole steigt der Gewebedruck über den hydrostatischen Druck
Einführung 12
im Interstitium an. Der erhöhte Gewebedruck führt in den Lymphkapillaren zu
einer Abfiltration von Wasser und niedrigmolekularen Substanzen in das
Interstitium. Makromoleküle können aus den Lymphkapillaren nicht
heraustreten und werden somit in der Lymphe konzentriert. Dies hat in der
Diastole zur Folge, dass durch den erhöhten intralymphatischen onkotischen
Druck Flüssigkeit aus dem Interstitium angesaugt wird, welche weitere
Makromoleküle mit sich reißt.
Die Propulsion der Lymphe im Herzen erfolgt durch mehrere zusammen-
wirkende Mechanismen (15):
• Herzaktion: Während der Systole besteht an den Ventrikelwänden ein
Druckgefälle vom Endokard zum Epikard hin. Dadurch kommt es zu einer
Lymphströmung vom subendokardialen Plexus in Richtung des subepikardialen
Plexus. Zusätzlich werden durch die Herzmuskelkontraktion die Lymphgefäße
komprimiert und mit Hilfe der Lymphklappen ein unidirektionaler Fluß in
Richtung der großen abführenden Gefäße gebildet.
• Hydrostatischer Druck: Trotz Herzstillstand wird der kardiale Lymphfluß
vorübergehend aufrechterhalten. Dies spricht für die ständige kapilläre
Filtration, die den hydrostatischen Gewebedruck und somit auch den
Lymphfluß aufrechterhält.
• Eigenkontraktilität/Klappen: Die größeren epikardialen Lymphgefäße
enthalten glatte Muskulatur und zahlreiche Lymphklappen. Das muskuläre
Gefäßsegment zwischen zwei Klappen fungiert als Druck-Saug-Pumpe und
ermöglicht eine Propulsion der Lymphe ausschließlich von peripher nach
zentral.
• Atmung: Während der Atmung wird infolge der intrathorakalen
Druckschwankungen der Lymphfluß zu den mediastinalen Lymphkollektoren
zusätzlich gefördert (14).
Der basale kardiale Lymphfluß beträgt am narkotisierten Hund ca 3,2 ml/h was
ein Volumen von 76 ml/die ergibt (68;69). Er korreliert weder mit dem Körper-
noch mit dem Herzgewicht des Tieres. Der Fluß ist kontinuierlich und nicht
pulsatil und ist unabhängig von der Herzfrequenz (70;71).
Durch ihre unmittelbare anatomische Nähe zum interstitiellen Raum des
Einführung 13
Herzens reflektiert der kardiale Lymphfluß die Veränderungen im Kapillarbett
und Interstitium des Myokards spezifisch. Volumen- und Druckbelastung des
Herzens führen, durch Erhöhung des kapillären hydrostatischen Druckes und
der Permeabiltät, zu einer Steigerung der Flüssigkeitsfiltration ins Interstitium
und somit konsekutiv zu einer erhöhten lymphatischen Drainage durch das
kardiale Lymphsystem. Am Herz- Lungen- Präparat nach Starling (12) wurde
gezeigt, dass Epinephrine den arteriellen Druck und somit den Lymphfluß
steigert. Eine Volumenbelastung des Kreislaufsystems durch die Gabe von
Ringerlösung fördert die Bildung und den Fluß der kardialen Lymphe ebenso.
Niedrige arterielle Drücke durch Sodiumnitratapplikation, sowie erniedrigte
linksventrikuläre Drücke (LV dp/dt) wie z.B. durch Volumenverluste, mindern
naturgemäß den Fluß.
Im Tierexperiment beobachtete man nach linksventrikulärer Druckbelastung
(72), wie z.B. durch experimentell induzierte Aortenstenose oder intravenöse
Norepinephrineapplikation, einen Anstieg der arteriellen diastolischen Drücke
um 30 mmHg und dadurch eine Steigerung des kardialen Lymphflußes um
60% des Kontrollwertes. Angiotensin II erhöhte im selben Versuchsansatz die
Flußrate auf 100%, welches aus der Kombination einer Erhöhung der
Kapillardrücke und kapillären Permeabiltät resultiert. Tierexperimentell
induzierter arterieller Hochdruck durch Nierenarterienstenose steigert die
Lymphflußrate auf ein Dreifaches ihres Ausgangswertes (73).
Endothelschädigung durch experimentelle Anoxie oder Hypoxie mit erniedrigten
Beatmungsraten und pO2-Werten von unter 40 mmHg führen aufgrund einer
erhöhten Herzarbeit zu einem Anstieg der kapillären Permeabiltät und Austritt
von Flüssigkeit ins Interstitium mit konsekutiver Erhöhung der Lymphflußrate
(69;74;75). Gleichermaßen steigt nach akuter myokardialer Infarzierung zwei
Stunden nach Ligation der Koronararterien (Ramus circumflexus, RIVA) der
kardiale Lymphfluß um 53% an (71;76;77).
Nach partieller oder totaler Obstruktion des Sinus Coronarius und Ligierung der
großen kardialen Venen, wurde stauungsbedingt eine Erhöhung des
interstitiellen Flüssigkeitsvolumens mit myokardialem Ödem und
Perikardergüssen beobachtet (51;78). Die Flüssigkeitsüberflutung des
Interstitiums, und somit das myokardiale Ödem, kann durch eine maximale
Steigerung der Drainagekapazität des kardialen Lymphsystems bis auf das 6-
Einführung 14
fache der Normwerte nur teilweise kompensiert werden (49;50;79). Durch
intravenöse Administration von Hyaluronidase, einem Enzym, welches sowohl
die Gewebedurchlässigkeit, als auch die Diffusion der interstitiellen Flüssigkeit
verstärkt, kommt es zu einer gesteigerten Bildung von Lymphflüssigkeit. Dies
führt am ischämischen Herzen zu einer vermehrten Drainage des myokardialen
Ödems über die Lymphgefäße ins Interstitium und korreliert zugleich mit einer
Verminderung des infarzierten Areals im Myokard (80). Ähnliche Ergebnisse
sind in Studien zu der lymphagogen und angioprotektiven Substanz CLS2210
beschrieben worden (81;82).
1.3.3 Komposition der Lymphe Das kardiale Lymphsystem ist primär ein Drainagesystem des Interstitiums und
somit die Lymphe ein Produkt der interstitiellen Flüssigkeit des Myokards.
Obwohl die Lymphe nicht dieselbe Zusammensetzung wie die
Gewebsflüssigkeit besitzt, stellt sie jedoch aufgrund ihrer direkten
anatomischen Nachbarschaft die am nächsten liegende Stufe dar (14).
Trotzdem wird Blut aus dem Sinus Coronarius noch heutzutage häufig als
Indikator des Zustandes im Herzmuskel angesehen. Ein wesentlicher Vorteil
der kardialen Lymphe gegenüber dem Blut aus dem Sinus Coronarius, ist die
weitaus niedrigere Verdünnung der zusammensetzenden Substanzen. Dies
erklärt sich aus dem niedrigen kardialen Lymphfluß (ca. 3 ml/h) im Vergleich zu
dem hohen Blutfluß in den Koronarien (100 ml/min). Durch den geringen
Verdünnungsgrad der Lymphe können schon kleinste myokardiale
Veränderungen erfaßt werden (71;83). Aus diesem Grunde reflektiert die
Zusammensetzung der kardialen Lymphe die metabolischen und
physiologischen Verhältnisse des interstitiellen Gewebes am gesunden oder
erkrankten Herzen sensitiver als Blut aus dem Sinus Coronarius (74;84).
Die Komposition der Lymphe besteht einerseits aus den abfiltrierten
Substanzen der Blutkapillaren und anderseits aus den Stoffwechselprodukten
der myokardialen Zellen, welche ins Interstitium abgegeben werden. Daher
besteht die kardiale Lymphe aus einer Zusammensetzung von Proteinen,
Elektrolyten, Enzymen, korpuskulären Teilchen und weiteren Substanzen aus
dem Interstitium.
Einführung 15
Komposition der kardialen Lymphe unter normalen Bedingungen:
• Proteine: Aus den Blutkapillaren des Herzens werden unter normalen
Bedingungen konstant große Mengen an Proteinen abfiltriert (85). Dieses
„Kapillarleck“ führt zu einem Verlust von Proteinen in das Interstitium, welche
durch das lymphatische System dem Körperkreislauf wieder zugeführt werden.
Somit wird das Milieu interior des Interstitiums beibehalten. Die
Gesamtproteinmenge der kardialen Lymphe beim Hund beträgt 3.92 g% (68).
Sie ist niedriger als die Proteinkonzentration im Blutplasma. Der
Albumin/Globulin Quotient ist in der Lymphe höher als im Blut (69).
• Elektrolyte: Die Chlor- und Natriumionenkonzentrationen sind in der
Lymphe höher als im Sinus Coronarius Blut, während zugleich niedrigere
Kaliumionenkonzentrationen vorliegen. Dies spricht für selektive Permeabilität
der Zellmembran für Natrium- und Kaliumionen. Durch die Aktivität der Na/K-
Pumpe werden die Natriumionen vermehrt extrazellulär und die Kaliumionen
hauptsächlich intrazellulär gehalten (69).
• pH-Milieu und Laktat: Beim narkotisierten Hund mit einem Luft/ Sauerstoff
Beatmungsgemisch liegt der pH der kardialen Lymphe bei alkalischen Werten
von 8.0 oder höher. Diese Werte liegen weitaus mehr im alkalischen Bereich
als die des koronarvenösen Blutes. Die Laktatkonzentration liegt in der
Lymphflüssigkeit bei 21.5 mg% (69).
• Enzyme: Unter normalen Bedingungen ist die Aktivität der Enzyme in der
kardialen Lymphe um ein 5-10 faches höher als im arteriellen und
koronarvenösen Blut. Dies wurde für die Aktivitäten der Kreatinphosphokinase
(CK), die Laktatdehydrogenase (LDH) mit ihren Isoenzymen, GPT und GOT
nachgewiesen (70;76).
• Korpuskuläre Teilchen: Alle korpuskulären Bestandteile der Lymphe
müssen aus dem Blutkapillarbett in das Interstitium gelangen. Deswegen
beeinflußt die kapilläre Permeabilität in hohem Maße die Anzahl der Zellen in
der Lymphflüssigkeit. Beim narkotisierten Hund beträgt die Anzahl der
Erythrozyten ca. 0.02-0.01x106 (76).
• Lipoproteine: Die kardiale Lymphe von Schweinen beinhaltet HDL und LDL
Lipoproteine. VLDL- Banden werden nicht nachgewiesen (86). Die LDL sind die
Hauptcarrier für Cholesterol. Das Verhältniss LDL/HDL beträgt ca. 1,2. Die
Cholesterol-Konzentration ist in der Lymphe niedriger als im Blutplasma mit
Einführung 16
einem Verhältniss von CL:CP=0,62. Der kardialen Lymphe kann durch die
Abdrainierung der Lipoproteine eine protektive Funktion hinsichtlich
atherosklerotischer Veränderungen zugesprochen werden.
Komposition der kardialen Lymphe unter ischämischen Bedingungen: Nach Okklusion des Ramus Circumflexus der linken Koronararterie und somit
Induktion eines akut ischämischen Zustandes des Myokards, wird ein pH-Abfall
und ein starker Anstieg des Laktatspiegels in der kardialen Lymphe beobachtet.
Diese Veränderungen spiegeln den Zustand des Interstitiums im ischämischen
Myokard wieder. Der Anstieg der Erythrozytenzahl und der
Proteinkonzentration in der Lymphe weisen auf eine erhöhte, durch Schädigung
bedingte, Permeabilität der Blutkapillaren hin. Erhöhungen von Kalium, CK und
saurer Phosphatase weisen auf eine Zellschädigung und erhöhte
Zellmembrandurchlässigkeit. Signifikante Aktivitätssteigerungen in der kardialen
Lymphe sind für die Enzyme GOT, LDH und CK schon nach 1-2 Stunden nach
Herzninfarkt nachweisbar. In dem koronarvenösen Blut kamen diese nach 2-6
Stunden mit weitaus niedrigeren Aktivitätssteigerung zum Vorschein (76).
Dadurch ist die kardiale Lymphe für die Messung der myokardialen
Veränderungen nach akutem Infarkt dem koronarvenösen Blut überlegen und
spiegelt den aktuellen Zustand des Interstitiums sensitiver wider.
Komposition der kardialen Lymphe während des EKK: Das Potential der kardialen Lymphe als Indikator des „milieu interior“ des
Herzens während EKK ist tierexperimentell ausgenutzt worden (87). Die
Aortenabklemmung führt sowohl unter normothermen als auch unter
hypothermen Bedingungen während des EKK zu einer starken Verminderung
des lymphatischen Flusses. Nach Wiedereröffnung der Aorta kommt es zu
einem 2-3 fachen Anstieg des Lymphflusses, der den Beweis für eine erhöhte
Kapillarpermeabilität mit Myokardödem nach Ischämie liefert. Zusätzlich kommt
es in dieser Phase zu einer Beimischung von roten Blutkörperchen in die sonst
zellarme, klare Lymphflüssigkeit, was die Schädigung der Endothelzellschicht
des Koronarkapillarbettes während des EKK unterstreicht. Der Laktatanstieg
mit konsekutivem pH-Abfall in der Lymphe, vor allem unter normothermen
Bedingungen, ist ein Indikator für den anaeroben Metabolismus des Myokards
Einführung 17
und die Schädigung desselben durch den EKK, die durch die Blutproben des
Sinus Coronarius in diesem Ausmass nicht nachweisbar ist.
2 Der extrakorporale Kreislauf 2.1 Historisches Die Entwicklung und der erstmalige erfolgreiche Einsatz des extrakorporalen
Kreislaufes durch Gibbon im Jahre 1953 (93) bei einem Patienten mit
Vorhofseptumdefekt eröffnete eine neue Aera in der Herzchirurgie. Durch die
nunmehr mechanische Aufrechterhaltung der Körperperfusion und
Körperoxygenierung wurde es dem Herzchirurgen ermöglicht intrakardiale
Eingriffe am offenen Herzen durchzuführen.
Ein wesentlicher Schritt für die Chirurgie kongenitaler Herzvitien stellte die
Einführung der Körperhypothermie zunächst durch Oberflächenabkühlung, oder
später mittels eines Wärmeaustauschers, und ihr erstmaliger klinischer
Gebrauch beim Verschluss eines Vorhofseptumdefektes 1953 durch Lewis (93)
und Taufic dar. Indem die Hypothermie eine Flußreduktion bzw. einen totalen
Kreislaufstillstand mit einem blutfreien Zugang zu intrakardialen Strukturen
ermöglichte, konnten bei Kleinkindern, Säuglingen und bald auch bei
Neugeborenen korrigierende Herzoperationen durchgeführt werden. Während
der letzten 40 Jahren wurden die einzelnen Teile der HLM weiterentwickelt und
wesentlich in Hinblick auf Biokompatibilität der Oberflächen und die Größe und
Art der Oxygenatoren verbessert.
2.2 EKK und myokardiale Schädigung Der vorübergehende maschinelle Ersatz der Herz- und Lungenfunktion durch
den EKK, der für die Korrektur von erworbenen und angeborenen Herzfehlern
notwendig ist, verursacht eine systemische entzündliche Reaktion mit
konsekutiver myokardialer Schädigung. Dies schließt neben einer Aktivierung
des Komplementsystems (88), der Fibrinolyse und des Kallikreinsystems (89)
eine Leukozytenaktivierung (90) und Zytokinsynthese und -freisetzung (91) ein.
Die während des EKK freigesetzten proinflammatorischen Mediatoren
beeinflussen die postoperative Morbidität und Mortalität in hohem Maße
(88;92). Innerhalb des Herzens wird diese entzündliche Reaktion durch die
Myokardischämie und anschliessende Reperfusion (reperfusion injury), die
Einführung 18
während des Einsatzes der Herz- Lungenmaschine stattfindet, verstärkt
(88;91). Die Gründe der Induzierung der systemischen Entzündungsreaktion
mittels EKK sind neben dem operativen Trauma vorallem in den
unphysiologischen Extrembedingungen, die den EKK charakterisieren, wie
Ausschluß der Lungenperfusion, abnorme Fluß- und Temperaturbedingungen,
Ischämie und Reperfusion und dem Kontakt zwischen Blut und
Fremdkörperöberflachen, zu suchen.
Die perioperative myokardiale Schädigung (PMS) während Operationen unter
Einsatz des EKK ist seit langem bekannt (93) und wird in der neueren Literatur
in bis zu 70% der Fälle beschrieben. Sie betrifft Kinder und Erwachsene in
gleichem Maße (94-96). Der kardioplegische Herzstillstand während des
kardiopulmonalen Bypasses induziert die Bildung eines myokardialen Ödems
durch Schädigung der Endothelzellen im Kapillarbett und der Steigerung der
käpillaren Permeabilität durch die Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen
wie TNF-α (97). Weitere unphysiologische Faktoren, wie die Unterbrechung
des kardialen lymphatischen Abflußes beim Herzstillstand und die
Verabreichung einer großen Menge an kardioplegischer Lösung, fördern die
Bildung des Myokardödems (98). Die Flüssigkeitsakkumulation führt wiederum
zu einer erhöhten Sauerstoffdiffusionstrecke im reperfundierten Myokard und
kann eine Ischämie der Myozyten auslösen (99). Sowohl die PMS, als auch die
myokardiale Ödembildung, beeinträchtigen wesentlich die postoperative
kardiale Funktion. Sie führen zu niedrigeren kardialen Auswurfsleistungen, die
kreislaufunterstützende Maßnahmen wie die Katecholamingabe, die Plazierung
von intraaortalen Ballonpumpen (IABP) und den Einbau von Kunstherzen (heart
assist devices) benötigen (100). Neuere Studien zeigen, dass trotz modernerer
Methoden zur myokardialen Protektion, wie die Einführung der warmen
Blutkardioplegie (94), eine PMS in über der Hälfte der Patienten und in bis zu
7% der Fälle transmurale Infarzierungen auftreten können (96). Die Prognose
dieser Patienten wird durch das Ausmaß der myokardialen Schädigung
determiniert. Obwohl die normotherme systemische Perfusion mit
konventioneller kalter kardioplegischer Myokardprotektion, im Gegensatz zur
hypothermen Perfusion mit einer besseren postoperativen Kreislauffunktion
und geringerem intraoperativen Blutverlust einhergeht (101-103), scheint die
hohe Körpertemperatur während der Operation die systemische
Einführung 19
Entzündungsreaktion nach kardiopulmonalem Bypass zu potenzieren (104).
Hierdurch kommt es nach Operationen in Normothermie zu einer Steigerung
der kapillären Permeabilität mit Ausbildung eines myokardialen Ödems (98) ,
Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes und einem erhöhten Verbrauch
an kreislaufunterstützenden Medikamenten (101). Die systemische
Körperperfusion unter hypothermen Bedingungen hat einen protektiven
Mechanismus auf das Herz. Die Abkühlung der Zellen führt zu einer
Verlangsamung der metabolischen Stoffwechselvorgänge und erhält die
myokardialen Energiereserven durch einen geringeren Verbrauch an
hochenergetischen Phosphaten (ATP) (105). Unklar jedoch ist, ob das Myokard
nach Operationen in moderater oder tiefer Hypothermie eine geringere PMS
aufweist. Die Erkennung und Quantifizierung des Schweregrades der PMS
basiert heutzutage noch hauptsächlich auf konventionellen Methoden wie dem
Elektrokardiogramm (EKG), der Echokardiographie und Bestimmung der
kardialen Herzenzyme wie der CK-MB (106;107). Erst kürzlich wurden TnT und
cTnI als zuverlässige Marker zur Evaluierung der PMS nachgewiesen
(108;109).
2.3 Das kardiale Troponin I (cTnI) Biochemische Marker sind heutzutage wichtige Indikatoren zur
Diagnostizierung von myokardialen Schädigungen nach Myokardinfarkten,
Herzoperationen oder Herztraumen. Eines der 3 Hauptkriterien der WHO zur
Diagnose eines Herzinfarktes ist der zeitliche Verlauf der Werte dieser
biochemischen Marker (110). Myoglobin, das MB-Isoenzym der Kreatininkinase
(CK-MB) und die Isoenzyme der Lactatdehydrogenase (LDH) sind, trotz ihrer
nicht exklusiven myokardialen Herkunft, noch heute die klassischen Marker zur
Quantifizierung von Myokardschädigungen (111). Diesen Proteinen fehlt es an
kardialer Spezifität, da sie nicht nur im Myokard, sondern auch in größeren
Mengen in der Skelettmuskulatur vorhanden sind. Patienten mit erhöhten
Gesamt-CK Werten aufgrund operativer Eingriffe oder Skelettmuskel-
verletzungen zeigen ebenfalls einen Anstieg der CK-MB (112;113). Bei
Patienten mit chronischen Skelettmuskelerkrankungen und bei 5% aller
Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (114) werden erhöhte CK-MB und
gesamt-CK Werte beobachtet. Aufgrund der niedrigen kardialen Spezifität der
Einführung 20
CK-MB und der niedrigen Sensitivität des CK-MB-Prozentanteiles an der
gesamt CK, ist die Unterscheidung, ob ein erhöhter CK-MB Wert nun durch
myokardialer Schädigung oder durch Skelettmuskelschädigung bedingt ist,
erschwert (115;116). Troponin I bildet mit Troponin C und T den
Troponinkomplex. Der Komplex reguliert die Calcium-abhängigen Interaktionen
der Myosin und Aktin Filamente in der quergestreiften Muskulatur, d.h. die Kraft
der Muskelkontraktion. Troponin C (TnC; MG=18Kd) ist die Calcium-bindende
Untereinheit, während Troponin T (TnT; MG=42Kd) das bindende Element
zwischen Myosin und dem Troponinkomplex darstellt. Die Troponin I (TnI;
MG:18/23Kd) Untereinheit hat eine inhibierende Funktion für die Actin- und
Myosinfilamente in Abwesenheit von Calciumionen (117). Diese Untereinheiten
sind Produkte von verschiedenen Genen und besitzen somit unterschiedliche
Proteinstrukturen (118). Jede dieser Untereinheiten besitzen darüberhinaus in
den verschiedenen Geweben multiple Genloci, die verschiedene Isoformen
exprimieren. TnC besitzt eine herz- und eine muskelspezifische Form, die in
ihrer Aminosäuresequenz identisch sind. Für TnT sind zwei herz- und bis zu
fünfzehn muskelspezifische Isoformen bekannt (117). Dagegen gibt es nur zwei
muskelspezifische (sTnI; MG=18Kd) und eine myokardspezifische Isoform für
TnI (cTnI). Aufgrund ihrer verschiedenen Gene unterscheidet sich das cTnI von
den sTnI in ca. 40 % der Aminosäurensequenz (119) und hat 31 zusätzliche
Aminosäuren am N-terminalen Ende, welche die Möglichkeit der Erkennung
durch monoklonale Antikörper geben (120). cTnI wird weder in der
Entwicklungsphase, noch nach Trauma oder chronischen Myopathien in der
Sklelettmuskulatur produziert (121). Im Gegensatz zu CK-MB ist es
hochspezifisch für das myokardiale Gewebe, ist nicht nachweisbar beim
gesunden Menschen, und Erhöhungen enstehen nur nach myokardialer
Schädigung (115;116). Zusätzlich korreliert die Höhe der cTnI Freisetzung nach
myokardialem Infarkt signifikant mit dem histologischen Ausmaß der
Infarktgröße (122). Das cTnI erfüllt alle 3 Kriterien des idealen kardialen
Marker:
1. Es besitzt ein niedriges Molekulargewicht, welches dazu führt, dass cTnI
schon in 4-8 Stunden nach myokardialer Schädigung im Blutkreislauf
nachweisbar ist (123)
2. Es besitzt fast 100% kardiale Spezifität (124)
Einführung 21
3. Eine langandauernde Erhöhung im Kreislauf von 7-10 Tagen, welche im
Gegensatz zu CK-MB die Diagnose einer myokardialen Schädigung noch
Tage nach dem Geschehen ermöglicht (120).
Als diagnostischer Marker der myokardialen Schädigungen, die perioperativ
durch Herzoperationen oder Herzinfarzierungen (96) ausgelöst werden, und
auch zur Erkennung von akuten Myokardinfarkten (96;125) ist cTnI in Hinblick
auf Spezifität, Sensitiviät und dem zeitlich längerem Nachweisintervall, dem
Standardmarker CK-MB, Myoglobin und LDH überlegen. Dies etablierte cTnI in
den letzten Jahren bei der Diagnostizierung und Evaluierung der PMS nach
Herzoperationen an Kindern und Erwachsenen (95;96;101;108;122).
Zielsetzung 22
III Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit war, die durch den Einsatz des EKK herbeigeführten
myokardialen Schäden unter Einfluss verschiedener Körpertemperatur-
bedingungen zu analysieren. Hierzu wurden der kardiale Lymphfluß und cTnI
Werte der kardialen Lymphe, des arteriellen und koronarvenösen Blutes
miteinander verglichen.
Es sollen folgende Fragen beantwortet werden:
1. Wie ist das kardiale lymphatische System des Schweines aufgebaut?
Kann die von Dr. J.F. Vazquez-Jimenez entwickelte Inklusiontechnik zur
Kanülierung der kardialen efferenten Hauptgefässe und Sammlung von
Lymphe erfolgreich angewendet werden?
2. Wie ausgeprägt ist die Myokardzellschädigung nach Einsatz des EKK,
ausgedrückt durch den kardialen Lymphfluß und die perioperative
Freisetzung des kardiospezifischen Markers cTnI in der kardialen Lymphe,
dem koronarvenösen und arteriellen Blut?
3. Ist das Ausmaß der myokardialen Zellschädigung von der systemischen
Perfusiontemperatur durch die Herz-Lungen-Maschine abhängig?
4. Ist die kardiale Lymphe zur Beurteilung der zellulären und biochemischen
Verhältnisse im Myokard ein spezifischeres und sensitiveres Medium als
arterielles oder koronarvenöses Blut?
5. Korreliert das cTnI-Freisetzungsprofil der kardialen Lymphe mit dem im
Sinus Coronarius und im arteriellen Blut?
Methodik 23
IV Methodik
1 Tierexperimentelle Untersuchung Die tierexperimentellen Untersuchungen wurden am Institut für
Versuchtierkunde der Medizinischen Fakultät, RWTH Aachen (Direktor: Univ.-
Prof. Dr. W. Küpper), in enger Kooperation mit der Tierschutzbeauftragten der
Abteilung und unter strenger Beachtung der einschlägigen Vorschriften des
Tierschutzgesetzes durchgeführt. Die veterinärmedizinische Kontrolle und
Beratung bei Versuchsplanung, Tierhaltung und Versuchsdurchführung war
hierdurch gewährleistet. Die Genehmigung der Tierschutzkommission gemäß §8
des Tierschutzgesetzes liegt vor.
1.1 Wahl des Tiermodells In den letzten 20 Jahren etablierte sich, besonders zur anatomischen und
physiologischen Studie des kardialen lymphatischen Systems, das
Hundemodell zum goldenen Standard (14). Ihr lymphatisches System ist gut
erforscht, die Kanülierungstechnik der lymphatischen Gefäße ist standardisiert
und weit verbreitet. Leider existiert beim Koronarsystem des Hundes eine
starke Vernetzung über ausgebildete Kollateralkreisläufe, welche eine akute
myokardiale Ischämie kompensieren können (130). Konsekutiv können
lymphatische Studien während Ischämie am Hund anders ausfallen als am
Menschen. Lymphatische Proben werden am Hund durch Kanülierung des
gemeinsamen efferenten kardialen Lymphkollektors (EKL) gewonnen, der in
den kardialen Lymphknoten nach „Drinker“ drainiert. Anatomische Studien am
Hund zeigten, dass aufgrund von Verbindungen zum prätrachealen
Lymphknoten eine Kontamination von seitens der pulmonalen Lymphe in 81%
der Fälle existiert (131). Dies schränkt die Aussagefähigkeit der interpretierten
Daten aus den lymphatischen Studien am Hund stark ein.
Das Schwein ist ein gut dokumentiertes Tiermodell in der experimentellen
Herzchirurgie (126). Aufgrund der starken Ähnlichkeit des Herzens und der
großen Gefäße zwischen Schwein und Mensch (127) ist es für die Forschung
von kardiovaskulären Erkrankungen sehr wertvoll (128). Die Koronaranatomie
des Schweineherzens mit überwiegend funktionellen Endarterien (127) und
beidseitigen Versorgungstypen (129) ist vergleichbar mit dem des
Methodik 24
menschlichen Herzens. Allerdings muß man am Schweinemodell die erhöhte
Tendenz zu Komplikationen wie ventrikuläre Tachykardien und spontanes
Kammerflimmern bei der Manipulation des Herzens, maligne Hyperthermien
(132) und pulmonale Hypertension in der Postperfusionszeit nach
kardiopulmonaren Bypass (133) berücksichtigen. Diese Komplikationen können
vollständig vermieden werden, indem keine Halothan Narkoseeinleitung
gebraucht wird und man eine nicht streßanfällige Schweinerasse wie die
„Deutsche Landrasse“ als Tiermodell wählt (134;135).
1.2 Randomisierung der Tiere Siebzig (70) reinrassige, streßresistente, weibliche, drei bis vier Monate alte
Schweine der „Deutschen Landrasse“ mit einem mittleren Körpergewicht von
39,7±3,6 kg wurden ausgewählt. Bei Anlieferung der Schweine wurde eine
veterinärmedizinische Eingangsuntersuchung durchgeführt um sichtbare
Anomalien und Transportschäden auszuschließen. Die anatomische Studie des kardialen lymphatischen Systems wurde an 70
Schweinen durchgeführt. Bei allen Schweinen wurde eine Anfärbung des
kardialen lymphatischen Systems vorgenommen. Bei 59 von 70 Schweinen
versuchten wir den efferenten kardialen lymphatischen Kollektor (EKL) zu
kanülieren. Von diesen wurden 21 Versuchstiere randomisiert einer der
folgenden Gruppen zugeordnet:
GRUPPE ANZAHL (n) OPERATIONSTEMPERATUR
1 6 Normothermie 37°C
2 8 Moderate Hypothermie 28°C
3 7 Tiefe Hypothermie 20°C
Tabelle II: Randomisierung des Tierkollektivs (n=21)
Methodik 25
2 Versuchsdurchführung 2.1 Anästhesiologisches Vorgehen Die Prämedikation erfolgte an allen Schweinen mit Atropin 1% (0,03 mg/kg
i.m.), Azaperon (4 mg/kg i.m.) und Ketamin (4 mg/kg i.m.). Nach endotrachealer
Intubation wurde jedes Tier mit einem Tidal Volumen von 15 ml/kg
Körpergewicht durch einen Servo A Ventilator (Siemens-Elema, Solna,
Schweden) maschinell beatmet. Es wurde ein Luft/Gas Gemisch (50-60%)
zugeführt und eine Atemfrequenz von 15-18/min eingestellt. Zur Narkose-
führung wurden zusätzlich mindestens alle 45 Minuten intravenöse Boluse von
Pentobarbital (5 mg/kg) und Ketamin (1 mg/kg) appliziert. Um eine ausreichende
Tiefe der Narkose zu gewährleisten, wurden bei Anzeichen von Blutdruck- und
Herzfrequenzanstieg weitere Pentobarbital und Ketamingaben in Form von
Bolusen verabreicht. Zur perioperativen Überwachung des Herzrythmus und
Frequenz waren alle Tiere an ein Siracust 404 EKG Monitor angeschlossen
(Siemens, USA). Die Urinausscheidung wurde mittels eines Tiemann-
Ballonkatheters und eines Urometers dokumentiert. Der Flüssigkeitsersatz
erfolgte mit Ringer-Lactat, Glucose 5% je nach Bedarf, sowie einer
Elektrolytsubstitution.
2.2 Operatives Vorgehen Der Aufbau des Experimentes erfolgte im tierexperimentellen Operationssaal
unter sterilen Bedingungen. Die rechte A. carotis interna und V. jugularis
interna wurden vor Sternotomie zur Bestimmung des mittleren arteriellen (MAP)
und zentralvenösen Druckes (ZVD) katheterisiert . Nach Sternotomie und
während des kardiopulmonalen Bypasses wurden die Katheter zu Messung des
pulmonal-arteriellen (PAP) und linksatrialen (LAP) Druckes unter Sicht plaziert.
Zusätzlich wurde für die sequentielle perioperative Messung der
koronarvenösen cTnI-Konzentrationen ein Katheter in den Sinus Coronarius
gelegt. Direkt nach Sternotomie und Eröffnung des Perikardbeutels erfolgte die
Lymphgefäßdarstellung und Kanulation wie in 4.3.1. besprochen.
EKK und myokardiale Protektion: Sobald eine ausreichende Antikoagulation
nach Heparinapplikation (300 IU/kg i.v.; B.Braun, Melsungen AG, Melsungen,
Deutschland) bestand, wurde mit der Umschlingung der Aorta ascendens, der
Vena cava superior (SVC) und deren Kanülierung sowie dem Anschluß an die
Methodik 26
Herz-Lungen-Maschine (HLM) fortgefahren. Die Kanülierung der Aorta erfolgte
mit einer 18 French-Perfusionkanüle (Argyle THI, Brunswick Company,
St.Louis, USA) und die der SVC mit einer 24 French-Spiralkanüle (V900-176;
Stöckert Instrumente GmbH, München, Deutschland). Der EKK wurde mit nur
einer venösen Kanüle begonnen. Die Perfusion wurde durch eine Stöckert
Rollenpumpe (Stöckert Instrumente GmbH, München, Deutschland)
aufrechterhalten. Das offene extrakorporale Kreislaufsystem bestand aus
einem Kapillarmembranoxygenator (Dideco D-4000/Kindperfusion, Italien),
einem Kardiotomy Auffangbehälter (Dideco D 754, Italien) unter Herzniveau,
einem Wärmeaustauscher und einem HLM-Set (Größe:3/8 inch; PVC-
Schläuche Medos Medizintechnik GmbH, Stolberg, Aachen) für Kinder mit
Anschluß für eine arterielle, zwei venöse Kannülen, zwei Kardiotomy Sauger
und einer Kanüle zur Linksherzdrainage. Zusätzlich wurde ein Blutfilter (Dideco
D733/ Micro, Italien) mit einer Porengröße von 40 µm an die arteriellen Linie
des Schlauchsystems eingefügt. Vor Einleitung des EKK wurde die HLM mit
einem Maschinenfüllvolumen (priming volume) von 1000 ml kristalloider Ringer-
Lösung (Delta Pharma GmbH, Pfullingen, Germany), 8,4%
Natriumhydrogencarbonat (Delta Pharma GmbH, Pfullingen, Germany), 20%
Mannit-Lösung und Heparin (1IE auf 1ml Lösung; B.Braun, Melsungen AG,
Melsungen, Germany) aufgefüllt. Durch das „priming“-Volumen entstand eine
Hämodilution mit Erniedrigung des Hämatokrits auf Werte von ca. 20-25%. An
der EKK angeschloßen, erfolgte dann die Kanülierung der unteren Hohlvene
mit einer 28 French-Spiralkanüle (V122-28; Stöckert Instrumente GmbH,
München, Deutschland). Die Kerntemperatur wurde vor Aortenabklemmung je
nach Versuchsgruppe über den Wärmeaustauscher der HLM in einem
Zeitraum von 30 Minuten auf tiefe Hypothermie (20°C; Gruppe 3), milde
Hypothermie (28°C; Gruppe 2) gekühlt oder bei Normothermie (37°C; Gruppe
1) beibehalten und über eine Temperatursonde im distalen Ösophagus und
Rektum kontrolliert. In Gruppe 1 wurde der systemische Blutfluß durch die HLM
auf 2,7 L/min/m², in Gruppe 2 und 3 auf 1,6 und 1,3 L/min/² eingestellt. Nach
dreißig minütigem EKK und Erreichen der vorgegebenen Kerntemperatur
wurde die Aorta abgeklemmt und der kardioplegische Herzstillstand durch die
Infundierung von 1000 ml eisgekühlter (4°C) Kardioplegielösung (Custodiol;
Dr.F.Köhler, Chemie GmbH, Alsbach-Hähnlein, Deutschland) nach
Methodik 27
„Brettschneider“ in die Aortenwurzel herbeigeführt. Zur Entlastung des linken
Ventrikels während der Reperfusionszeit plazierten wir eine Linksherzdrainage
über die rechte obere Pumonalvene in den linken Ventrikel. Nach 60 minütiger
Ischamiezeit eröffneten wir die Aorta und es folgte die Wiedererwärmung über
den Wärmeaustauscher für einen Zeitraum von 30 Minuten. Nach Erreichen
einer Kerntemperatur von 37° entwöhnten wir die Tiere schrittweise von der
HLM. Dann folgte die Entfernung der Kanülen und 10 Minuten nach
Beendigung des EKK die Aufhebung der Antikoagulation durch 1:1
Protaminsulfatgabe (Protamin 1000 Roche 5ml, Hoffman-La Roche AG,
Germany). Zuletzt wurden temporäre Schrittmacherdrähte und
Thoraxdrainagen angebracht.
EKK-Handhabung: Ösophagus- und Bluttemperatur wurden kontinuierlich
gemessen. In der Kühlungs- bzw. Aufwärmphase wurde darauf geachtet, dass
die Temperaturdifferenz kleiner als 10°C blieb, um die Bildung von
Gasbläßchen im Kreislauf zu verhindern. Der mittlere arterielle Druck wurde
während HLM auf 40-60 mmHG eingestellt. Während des EKK wurde die ACT
(activated clotting time) halbstündlich kontrolliert und bei Bedarf durch
Heparingabe auf einem Wert von über 450 Sekunden gehalten. Die Stimulation
der Nierenfunktion mittels Osmofundin wurde individuell gehandhabt. Die
Oxygenierung erfolgte über den Kapillarmembranoxygenator mit einem
Sauerstoffpartialdruck von 200-250 mmHG. Als Kontrollgröße galt die venöse
Sauerstoffsättigung mit Werten von 40-60%.
Das operative Vorgehen entspricht dem durchschnittlichen Vorgehen und
zeitlichem Verlauf einer Operation unter Einsatz der EKZ im Kindesalter.
2.3 Postoperative Überwachung Unter Narkose wurde die Beatmung für sechs Stunden nach Operation
beibehalten. Postoperatives Monitoring erfolgte kontinuierlich und beinhaltete
die Messung der Herzfrequenz, des Herzrhythmus, der transkutanen
Sauerstoffsättigung (SpO2), des arteriellen Mitteldruckes (MAP), des
zentralvenösen Druckes (ZVD), des linksatrialen Druckes (LAP), des pulmonal-
arteriellen Druckes (PAP) und der ösophagealen Temperatur. Die
Lungenfunktion wurde über stündliche Blutgasanalysen (pO2, pCO2,
Sauerstoffsättigung, pH, BE) geprüft und die Beatmungsparameter registriert.
Methodik 28
Stündlich erfolgte auch die Messung der Nierenaussscheidung und des
Elektrolythaushaltes. Um stabile hämodynamische Verhältnisse postoperativ
aufrechtzuerhalten wurden bei sinkenden ZVD und LAP unter 10 mmHG eine
Flüssigkeitssubstitution je nach Bedarf vorgenommen. Bei Senkung des MAP
unter Werte von 60 mmHG wurden positiv inotrope Substanzen appliziert
(Dopamin). Zusätzliche Sedierung und Analgesie (Ketamin/ Pentobarbital)
wurden nach Indikation gegeben. Der Exitus der vollnarkotisierten Tiere erfolgte
nach genau 6 Stunden post-EKK durch intravenöse Gabe von KCL und einer
Überdosis an Pentobarbital.
3 Probengewinnung und Verarbeitung 3.1 Lymphentnahmetechnik Die folgende Lymphentnahmetechnik wurde von Dr. J.F. Vazquez-Jimenez
entwickelt und wird zum Verständnis der Arbeit kurz aufgeführt.
Nach medianer Sternotomie und Inzision des Perikardbeutels wurde am
schlagenden Herzen mit der Lymphgefäßdarstellung des Herzens fortgefahren.
Dazu wurden 0,1-0,5 ml der lymphotropen 0,5% Evans-Blau-Farbstofflösung
(bioMerieux sa., Marcy l’Etoile, France) epikardial entlang der Haupt-
koronarstämme des rechten und linken Ventrikels sowie des rechten Vorhofes
injiziert. Hierfür wurde eine Insulinspritze (1ml Luer, B.Braun, Melsungen AG,
Melsungen, Germany) mit einer 20G kurzer Nadel verwendet (Foto 1). Nach
erfolgreicher Blaufärbung der epikardialen Lymphgefäße wurde der EKL
zwischen Aorta ascendens und SVC aufgesucht. Es folgte die Umschlingung
der Aorta und der SVC um das Operationsfeld durch Zug zu vergrößern. Bei
der Umschlingung der SVC mußte darauf geachtet werden, dass der Kollektor
nicht beschädigt wird. Der EKL wurde nun mit einer 4-0 Ligatur (Ethicon) an
seinem distalen Ende vor Anschluß am CLN umschlungen und ligiert. Dies
hatte zur Folge das der Kollektor durch den Lymphstau um 10-50% des Aus-
gangskalibers anschwoll und ein Diameter von 0,5-0,8 mm erreichte. Das nun
größere Gefäß wurde vorsichtig auf die maximal mögliche Länge freipräpariert.
Methodik 29
Foto 1: Darstellung der epikardialen Lymphgefäße nach Injektion von Evans-Blau.
Pfeil: Anfärbung des AVS neben dem R. interventricularis anterior (RIVA).
Es erfolgte die Vorbereitung der Lymphkanüle. Dazu wurde ein 18G Cavafix-
Certo-Basilica Katheter (∅0,5/0.8mm; B.Braun, Melsungen AG, Melsungen,
Deutschland) auf eine Länge von ca. 15 cm gekürzt. Die distalen 8 cm des
Katheters wurden mit einer durchsichtigen Klebefolie (Opsite, TJ
Smith&Nephew, England) umhüllt, um einen 2 cm breiten Rand auf beiden
Seiten der Kanüle zu bekommen (Foto 2). Dieser wurde zur späteren Fixation
und Stabilisation an das Perikard und Epikard benötigt.
Foto 2: Fertigstellung des 18G Cavafix-Certo-Basilica Katheters zur Kanülierung des
EKL.
Methodik 30
Abbildung I: Schematische Darstellung der Kanulation des EKL. SVC: Vena cava
superior; Lymph: efferente kardiale Lymphkollektor; Cat: Katheter
Foto 3: Kanülierung des EKL
Der Katheter wurde mit Heparin gespült. Eine 6-0 Prolene Ligatur wurde am
distalen Ende des freien lymphatischen Kollektors, 3 mm proximal der 4-0
Ligatur, plaziert. Nun wurde der EKL zwischen den beiden Ligaturen
durchtrennt und der 6-0 Prolene Faden vom distalen Ende durch den Cavafix
Katheter gezogen. Unter leichter Spannung der Prolene-Ligatur wurde die
Lymphkanüle vorsichtig über den EKL geführt bis dieser komplett innerhalb der
Kanüle lag (Abbildung I.1; Foto 3). Der Katheter konnte nun mit zwei 6-0
Prolene - Nähten durch den Klebefolienrand an das Perikard und die Adventitia
Methodik 31
Foto 4: Eröffnung des EKL durch Zug an der distalen Ligatur des Gefäßes.
der SVC fixiert werden. Dabei sollte die Kanüle sehr weich an die
anatomischen Strukturen angepaßt werden. Der EKL wurde weiterhin unter
Spannung gehalten um eine Dislokation des Gefäßes in der Kanüle und vor
allem ein Abknicken an der Katheterspitze zu verhindern. Das Ende des
Konnektors des Cavafix-Katheters wurde nun aus den Thorax gelegt und an
der Haut fixiert. Als nächstes wurde mit Hilfe einer Gefäßpinzette das
Lymphgefäß in der Kanüle in seiner Position fixiert, um dann die 6-0 Prolene-
Ligatur abzureißen.
Dabei brach das distale, ligierte Ende des Gefäßes mit der Ligatur ab und
konnte aus dem Katheter gezogen werden. Spontan füllte sich der Katheter mit
Lymphe (Abbildung I.2/3; Foto 4). Eine kurze Verlängerung (∅1.2×2.2 mm;
30cm; B.Braun, Melsungen AG, Melsungen, Deutschland) wurde am
Konnektor-Ende der Lymphkanüle außerhalb des Thorax angebracht und das
freie Ende der Verlängerung unter Thoraxniveau gelegt, um durch die
Gravitationskraft die Lymphdrainage zu erhöhen.
Zur Freipräparierung des EKL wurde stets eine Lupenbrille benutzt.
Methodik 32
3.2 Lymph- und Blutentnahmeprotokoll Die Lymphflüssigkeitsproben wurden in skalierten 9 ml EDTA-Röhrchen
(Sarstedt S-Monovette, Sarstedt, Germany) gesammelt, und die gesammelte
Menge zur Berechnung des lymphatischen Flußes wurde aufgezeichnet. Es
folgte die sofortige Zentrifugation für 10 Minuten der Proben bei 3000 U/min.
Den Überstand dekantierten wir in ein neues Röhrchen und lagerten diese bei
−70°C bis zur späteren Parameterdetermination. Blutproben wurden seriell
intra- und postoperativ von dem intrakardialen Katheter des Sinus Coronarius
und der arteriellen Linie des EKK in 2.7 ml EDTA-Röhrchen (Sarstedt S-
Monovette, Sarstedt, Germany) gesammelt. Die Zentrifugation und Lagerung
erfolgte wie bei den Lymphproben. Dabei wurde darauf geachtet, dass keine
Kontamination mit zellulären Bestandteilen im Röhrchen erfolgte, um keine
Verfälschung durch zelluläre Zytokin-Produktion zu erhalten.
Die serielle Probengewinnung der kardialen Lymphe und des arteriellen und
koronarvenösen Blutes wurde nach dem folgenden Entnahmeprotokoll
ausgeführt:
Nr Zeitpunkt Lymphe SC-Blut Art.-Blut
2 Prä-AoX/ EKK-Beginn ×× ×× ××
4 Post-AoX/ Reperfusion ×× ×× ××
6 2h post AoX ×× ×× ××
8 4h post AoX ×× ×× ∅
10 6h post AoX ×× ×× ××
Tabelle III: Entnahmeprotokoll für die Lymphe und dem arteriellen (Art.) und
koronarvenösen (SC) Blut; AoX: Aortenaklemmung.
3.3 Bestimmung des kardialen Troponin I (cTnI) Die Bestimmung des kardialen Troponin I wurde im Laboratorium des „Service
d’Immunologie des Hôspitaux Universitaires Saint-Pierre et Brugmann“ Direktor
Prof. Dr. J.Duchateau, Freie Universität Brüssel, Brüssel, Belgien durchgeführt.
CTnI wurde in den seriellen Blutserum- und Lymphflüssigkeitsproben mit dem
kommerziell erhältlichen Stratus II zweiseitigem sandwich-immunoassay
Methodik 33
(Stratus cTnI, Dade Diagnostika, Munich, Germany) quantitativ bestimmt.
Dieser Assay benutzt zwei monoklonale Antikörper, die spezifisch für den
kardialen Isotypen des Troponin I sind und zwei verschieden Epitope am cTnI-
Molekül erkennen.
Prinzip: Die zu messende Probe wird auf eine Fiberglasplatte pipettiert, welche
mit dem ersten monoklonalen Antikörper beschichtet ist (feste Phase). Hier wird
das existierende cTnI nach einer kurzen Inkubationszeit fest gebunden. Nun
wird das Konjugat mit dem zweiten monoklonalen Antikörper, der an seinem
Fab-Fragment mit dem Enzym alkalische Phosphatase markiert ist,
hinzugefügt. Das gebundene cTnI reagiert mit dem markierten Antikörper.
Durch Hinzugabe des Substrates (Wash V) wird die enzymatische Reaktion
initiert. Die enzymatische Aktivität wird mittels Fluoroskopie bestimmt und ist
proportional zur Probenkonzentration des cTnI.
Der Assay ist durch den Stratus Analyzer automatisiert. Eine Bestimmung
dauert 10 Minuten. Die minimale messbare Konzentration beträgt 0.35 ng/ml.
Die Reproduzierbarkeitsrate der Ergebnisse liegt bei >90%.
4 Statistik
Alle Ergebnisse sind als Mittelwert ± Standardfehler des Mittelwertes
(MW±SEM) bzw. Standardabweichung (SD) angegeben. Für die nicht normal
verteilten Daten wurden nicht-parametrische Tests angewandt. Der Wilcoxon
Test wurde für die Analyse innerhalb einer Gruppe benutzt und der Kruskal-
Wallis Test für den Vergleich zwischen den unterschiedlichen Gruppen. Die
Korrelationen der verschiedenen Parameter wurden mit Hilfe des Pearson-
Korrelationskoeffizienten untersucht. Dabei galten p-Werte <0,05 als signifikant
und <0,01 als hochsignifikant.
Alle Daten wurden mit Hilfe eines kommerziell erhältlichen Statistikprogrammes
(SPSS PC Version 9.0, SPSS Inc. Chicago,Illinois, USA) nach eingehender
Beratung durch einen Diplom-Mathematiker aus dem Institut fur Medizinische
Informatik und Biometrie der RWTH-Aachen bearbeitet.
Ergebnisse 34
V Ergebnisse
1 Das kardiale Lymphsystem des Schweines 1.1 Anatomieverteilung und Kanülierung Ein dichtes Netzwerk von subepikardialen Lymphkapillaren wurde nach
Farbstoffinjektion in die beiden Ventrikel und den rechten Vorhof sofort
sichtbar. Diese sammelten sich in drei konstant vorhandenen epikardialen
Lymphgefäßen, dem AVS, PVS und LMS, entlang der entsprechenden
Koronararterien (RIVA; RIVP; RMS), um dort die beiden koronaren
Hauptstämme zu formieren. Der RCS zog im Sulcus atrioventricularis
zusammen mit der Arteria coronaria dexter in Richtung Herzbasis, wo er über
das rechte Vorhofdach hinter die Aortenwurzel gelang und dort in einen
konstant angelegten prätrachealen Lymphknoten (PLN) drainiert. Der LCS
verlief, bedeckt vom linken Herzohr, hinter den Truncus pulmonalis wo auch er
in den PLN mündete.
Es existierten 3 verschiedene anatomische Varianten der mediastinalen,
abführenden Lymphgefäße: 1.1.1 Rechtstyp (Abbildung II): Bei 36
von 70 Schweinen (51,4%) entsprang
ein einziger, großkalibriger EKL (ca. 0,6-
0,8 mm) aus dem PLN. Dieser bekam
ausschließlich Zufluß aus dem RCS und
LCS. Der EKL verlief dann auf einer 3-4
cm langen Strecke auf der dorsalen
Seite der oberen Hohlvene (ad loco
typico). Von hier drainierte er in den
CLN, der konstant zwischen der SVC
und der Trachea lokalisiert war. Der
CLN fand über kleinere Gefäße
Anschluß an die rechte Vena subclavia
in Höhe des rechten Venenwinkels. Der
Prozentsatz, bei dem der EKL erfolgreich Abbildung II: Rechtstyp kanüliert werden konnte, betrug 71% (22/31).
Ergebnisse 35
1.1.2 Intermediärtyp (Abbildung III): Bei 28 von 70 Schweinen (40%) war
kein gemeinsamer EKL aufzufinden. Die
Lymphdrainage erfolgte bei diesem
Typen via 2 bis 3 kleinen
Lymphgefäßen (ca. 0,2-0,5 mm) die in
der Tiefe zwischen dem rechten
Vorhofdach der obereren Hohlvene und
der Aorta ascendens lokalisiert waren.
Diese entsprangen auch alle aus dem
PLN. Von dort fanden sie Anschluß an
den CLN um ebenfalls in den rechten
Angulus Venosus zu drainieren. Bei 11
von 22 Schweinen (50%) konnte eines
der Lymphgefäße kanüliert werden. Abbildung III: Intermediärtyp
1.1.3 Linkstyp (Abbildung IV): Bei 6
von 70 Schweinen (8,6%) fand sich erst
nach Eröffnung der linken Pleura ein
angefärbeter, großkalibriger Lymph-
kollektor (ca. 1- 1,5 mm). Dieser war
über der linken Pulmonalarterie
lokalisiert und entsprang aus dem
ebenfalls blaugefärbten PLN. Nach
einem kranialen Verlauf im hinteren
Mediastinum entlang der Trachea,
drainierte er in den Ductus thoracicus
und von dort in die linke Vena
subclavia. Dieser Lymphkollektor konnte
einmal (16,7%) erfolgreich punktiert
werden . Bei dieser Variante
konnte der CLN durch die Anfärbung der Abbildung IV: Linkstyp
Lymphgefäße nicht dargestellt werden.
Ergebnisse 36
Insgesamt konnte bei 34 von 59 Schweinen (57,6%) der EKL erfolgreich
kanüliert werden (Tab IV). Bei allen 3 Typen war eine pulmonale
Lymphkontamination durch Verbindungsgefäße nicht sichtbar.
Anatomietyp Rechtstyp Linkstyp Intermediärtyp Gesamt
Anzahl (n) 36 6 28 70
in Prozent 51,4% 8,6% 40% 100%
Kanülierung 22/31 1/6 11/22 34/59
in Prozent 71% 16,7% 50% 57,6%
Tabelle IV: Anatomieverteilung und Kanülierungserfolg des EKL (n=70).
2 Der extrakorporale Kreislauf (EKK) 2.1 Tierkollektiv Die Basisdaten der Tiere in den 3 verschieden Gruppen sind in Tabelle V
aufgeführt. Die EKK-Zeit betrug 120 Minuten mit einer Ischämiezeit von 60
Minuten. Die Gruppe 1 wurde unter Normothermie (37°C), Gruppe 2 bzw. 3
unter moderater bzw. tiefer Hyperthermie (28°C vs. 20°C) operiert. Das
Körpergewicht lag im Mittel bei 39,4±3,6 kg und der berechnete BSA-Wert bei
1,05±0,07 m².
Parameter Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3
Anzahl (n=21) 6 8 7
Kerntemperatur (°C) 37° 28° 20°
Gewicht 40,0±3,3 38,5±2,9 40,1±5,0
BSA (m2)* 1.09±0,06 1,04±0,05 1,05±0,09
120 120 120
60 60 60
EKK-Zeit (min)
- Aortenabklemmzeit
- Reperfusionszeit 30 30 30
Tabelle V: Basisdaten der 3 Gruppen des Tierkollektivs (n=21); Datenangabe als
Mittelwert±Standardabweichung (MW±SD); *BSA= body surface area; aus dem
Normogramm nach DuBois errechnet.
Ergebnisse 37
2.2 Hämodynamische Grunddaten Die hämodynamischen Grunddaten zu den verschiedenen Zeitpunkten in den
drei Gruppen sind in der Tabelle I des Anhanges detailliert dargestellt.
In allen Gruppen kam es nach Beendingung des EKK zu einer signifikanten
Erhöhung (p<0,05) der arteriellen Mitteldrücke (MAP). Die zentralvenösen
(ZVD), linksatrialen (LAP) und pulmonalen (PAP) Druck-, sowie die
Herzfrequenzmessungen (HF) ergaben keine signifikanten Unterschiede
zwischen den Gruppen. In Gruppe 1 war die Katecholamin Unterstützung
(Dopamin) 4 Stunden postoperativ signifikant höher als in den anderen beiden
Gruppen (5,37±2,35 µg/kg/ml vs. 0,83±0,83 µg/kg/ml Gruppe 2, p<0,018;
2,24±1,45 µg/kg/ml Gruppe 3, p<0,048). Gruppe 1 und 3 verbrauchten
postoperativ die höchste Menge an Dopamin (50,12 µg/kg/ml vs 45,79
µg/kg/ml) im Gegensatz zu Gruppe 2, bei der die geringste Menge verabreicht
wurde (14,07 µg/kg/ml).
2.3 Der kardiale Lymphfluß während des EKK 2.3.1 Abhängigkeit von den Temperaturbedingungen Der kardiale Lymphfluß wurde nach Kanülierung des EKL durch skalierte
EDTA-Sammelröhrchen bei 21 Schweinen, die randomisiert einer der 3
Temperaturgruppen (Gruppe 1: n=6; Gruppe 2: n=8; Gruppe 3 n: 7) zuge-
ordnet wurden, gemessen (Abbildung V).
Gruppe 1; 37°(n=6): Der Lymphfluß betrug zu Beginn des Experiments
5,12±1,33 ml/h und verringerte sich geringfügig bei Initiation des
kardiopulmonalen Bypasses. Nach Abklemmung der Aorta und 60 minütigen
kardioplegischem Herzstillstand fiel der kardiale Lymphfluß signifikant auf
0,56±0,22 ml/h (p<0,05). Bis zu diesem Zeitpunkt stellte sich die
Lymphflüssigkeit klar ohne Zeichen einer Rotverfärbung im Sinne einer
Blutbeimischung dar. Sofort nach Beendigung der Ischämie und Eröffnung der
Aortenklemme und dem Wiedereintritt der normalen Herzaktion stieg der
Lymphfluß signifikant während der Reperfusionphase auf 5,3±1,93 ml/h
(p<0,05) um in der ersten Stunde postoperativ sein Maximum von 8,14±2,22
ml/h zu erreichen. In der zweiten bis fünften postoperativen Stunde pendelte
sich der Fluß bei 7 ml/h ein, um in der sechsten Stunde auf die präoperativen
Werte von 4,48±2,25 ml/h zu sinken. Die Lymphflüssigkeit verfärbte sich sofort
Ergebnisse 38
nach Aorteneröffnung rot an und verblasste dann wieder bis ans Ende des
Experimentes zunehmend.
Gruppe 2; 28°(n=8): In dieser Gruppe bestand zu Beginn des Experimentes
der niedrigste Lymphfluß mit 1,5±0,36 ml/h. Während des Herzstillstandes sank
der Lymphfluß auch in dieser Gruppe signifikant auf 0,46±0,15 ml/h (p<0,05)
ab. Nach Wiedereröffnung der Aortenklemme und Eintritt der Herzaktion kam
es zu einem erhöhten Fluß von 2,65±0,65 ml/h (p<0,05) der seine maximalen
Werte in der zweiten und fünften Stunde postoperativ erreichte. Die
Blutbeimischung der Lymphflüssigkeit begann auch hier erst in der
Reperfusionphase der Operation und hielt bis zur sechsten Stunde
postoperativ, dann aber weniger intensiv, an.
Gruppe 3; 20°(n=7): Die kardiale Lymphproduktion, vor Beginn des
kardiopulmonalen Bypass, betrug 3,46±1,18 ml/h. Wie erwartet sank dieser
signifikant während des Herzstillstandes auf 0,28±0,05 ml/h ab und erreichte
sofort nach Wiedereröffnung der Aorta seinen maximalen Wert von 8±2 ml/h
(p<0,05). Nach der dritten Stunde post-AoX sank die Lymphproduktionsrate
bedeutend (4,9±1,24 ml/h; p<0,05) und betrug am Ende des Experimentes
4,69±1,05 ml/h. Auch in dieser Gruppe wurde nach Wiedereintritt der
Herzaktion in der Reperfusionsphase eine starke Rotverfärbung der Lymphe
beobachtet, die bis zum Ende des Versuches bestehen blieb.
2.3.1.1 Vergleich der Temperaturgruppen Der Mittelwert der basalen Lymphproduktion der drei Gruppen lag vor Beginn
des EKK bei 3,37±0,69 ml/h (Abbildung V). Ein Unterschied bestand zwischen
der Gruppe 1 und der Gruppe 2 (5,12±1,33 vs. 1,5±0,36 ml/h; p<0,05). Nach
Einleitung des kardiopulmonalen Bypasses kam es in Gruppe 1 und 3 zu einer
geringeren Erniedrigung der Lymphflußraten (p<0,05). Nach dem
kardioplegischen Herzstillstand verhielten sich alle drei Gruppen gleich mit
einem signifikanten Abfall des Lymphflußes (0,42±0,08 ml/h). Bei allen drei
Gruppen steigerte sich der Lymphfluß nach Eröffnung der Aortenklemme
signifikant (p<0,05), wobei dieser bei Gruppe 2 über 75% und bei Gruppe 3
über 230% in bezug auf die präoperativen Werte zulegte. In Gruppe 1 und 3
war die postoperative Lymphproduktionsrate in den folgenden sechs
postoperativen Stunden ähnlich und um einen Faktor von 2-3 höher als in
Ergebnisse 39
0
2
4
6
8
10
12
Kontr Ini AoX Rep 1h 2h 3h 4h 5h 6h
LF (m
l/h)
Gruppe 1 37° Gruppe 2 28° Gruppe 3 20°
§ # &
&
Signifikanz (p< 0.05):1) innerhalb der Gruppen: Gruppe 1 = § Gruppe 2 = # Gruppe 3 = &
2) zwischen den Gruppen: Gruppe 1-2 = % Gruppe 1-3 = ß Gruppe 2-3 = +%
%
ß
+
Verfärbung der Lymphflüssigkeit
§ # &
Gruppe 2. Signifikante Unterschiede waren zwischen Gruppe 1 und 2 in der
ersten postoperativen Stunde (8,14±2,19 ml/h vs. 3,18±0,8 ml/h; p<0,05) und
zwischen Gruppe 2 und 3 in der zweiten postoperativen Stunde (2,70±0,85 ml/h
vs. 7,78±1,85 ml/h; p<0,05) zu beobachten. In allen drei Gruppen tendierte die
Lymphflußmenge gegen Ende des Experimentes in Richtung der Kontrollwerte
vor Einleitung des EKK. Die Rotverfärbung der kardialen Lymphe, die bis zur
Aortenabklemmung optisch klar war, stellte sich verstärkt in allen Gruppen nach
Aorteneröffnung dar und verwusch sich nach der vierten bis zur sechsten
Stunde postoperativ zunehmend.
Abbildung V: Lymphfluß: Abhängigkeit von der Temperatur des EKK (MW±SEM).
2.3.2 Abhängigkeit vom Anatomietyp An 23 Schweinen wurde unabhängig von den Temperaturbedingungen
während der EKK der kardiale Lymphfluß der 3 unterschiedlichen
Anatomiegruppen des kardialen lymphatischen Systems (siehe 1.1) gemessen
und miteinander verglichen (Abbildung VI).
Rechtstyp-Gruppe : Bei 15 Schweinen wurde ein nach rechts drainierender
EKL kanüliert. Der präoperative Kontrollwert der Lymphproduktionsrate betrug
3,42±0,79 ml/h und sank nach Initiation des kardiopulmonalen Bypasses leicht
Ergebnisse 40
auf 2,95±0,39 ml/h. Den niedrigsten Wert erreichte der Lymphfluß während des
kardioplegischen Herzstillstandes wo er hochsignifikant auf 0,62±0,15 ml/h
(p<0,01) abfiel, um nach Eröffnung der Aorta sein Maximum von 6,75±1,19
ml/h (p<0,01) zu erreichen. In den folgenden zwei postoperativen Stunden
verblieb der Fluß auf Werten über 6 ml/h und sank dann ab der dritten
postoperativen Stunde (4,6±0,78 ml/h; p<0,05) bis zum Ende des Experimentes
in Richtung des präoperativen Kontrollwertes.
Intermediärtyp-Gruppe : Der Kontrollwert in dieser Gruppe (n=8) lag bei
3,84±1,39 ml/h. Sowohl bei Beginn des kardiopulmonalen Bypass (1,87±0,46
ml/h; p<0,05), als auch nach Aortenabklemmung (0,37±0,17 ml/h; p<0,05) kam
es zu einer signifikanten Reduktion der Lymphflußrate. Diese stieg nach
Wiedereintritt der Herzaktion und in der ersten postoperativen Stunde, wo sich
ein maximaler Fluß von 4,69±1,01 ml/h (p<0,05) einstellte. In der zweiten
postoperativen Stunde kam es zu einer signifikanten Senkung der
Lymphproduktionsrate (3,08±0,77 ml/h, p<0,05) die sich in den folgenden vier
Stunden, im Vergleich zu den präoperativen Werten, auf niedrigerem Niveau
bewegten.
Linkstyp-Gruppe : Bei dieser Gruppe konnte nur ein Schwein erfolgreich
kanüliert werden. Es wurde präoperativ eine Lymphflußrate von 3 ml/h
gemessen, die sich nach Aortenabklemmung um ca. 50% auf 1,4 ml/h
erniedrigte. Auffällig hoch waren die postoperativen Werte mit einem
maximalen Fluß von 19,2 ml/h (zweite postoperative Stunde). Die extrem hohe
Lymphproduktion des Herzens blieb bis ans Ende des Experimentes bestehen.
Hier wurden 9 ml/h gemessen.
2.3.2.1 Vergleich der Anatomietypen Zwischen den unterschiedlichen Anatomietypen konnte kein signifikanter
Unterschied der Lymphflußrate festgestellt werden. Es konnte jedoch
beobachtet werden , dass, obwohl die präoperativen Kontrollwerte nicht
wesentlich voneinander divergierten (Rechtstyp: 3,43±0,79 ml/h vs.
Intermediärtyp: 3,84±1,39 ml/h), die postoperative Lymphproduktion in der
Rechtstypgruppe fast um das zweifache höher lag als in der
Intermediärtypgruppe. Die maximalen Werte stellten sich in der
Rechtstypgruppe in der Reperfusionsphase und in der Intermediärtypgruppe
Ergebnisse 41
§
§
§
#
#
#
#
#
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Kontr Ini AoX Rep 1h 2h 3h 4h 5h 6h
ml/h
Rechtstyp Intermediärtyp
Signifikanz p<0,05:§= Rechtstypgruppe#= Intermediärtypgruppe
während der ersten postoperativen Stunde ein (6,75±1,19 ml/h vs. 4,6±1,01
ml/h). Bei beiden Gruppen fiel ab der zweiten bis dritten postoperativen Stunde
die Lymphflußrate ab und passte sich den präoperativen Kontrollwerten an.
In der Linkstypgruppe kann aufgrund der geringen Anzahl (n=1) nur ein Trend
festgelegt werden. Präoperativ und bis zur Reperfusionsphase zeigten sich
keine wesentlichen Lymphflußunterschiede im Vergleich zu den beiden
anderen Anatomiegruppen. Auffällig war in der postoperativen
Überwachungsphase die extrem hohe Lymphproduktionrate, die in einer
Spannbreite von 14,6-19,2 ml/h lag und dann sechs Stunden postoperativ auf 9
ml/h abfiel. Dies entspricht einem um einen Faktor 4-6 erhöhten Lymphfluß
verglichen mit den anderen beiden Gruppen.
Abbildung VI: Lymphfluß: Abhängigkeit vom Anatomietyp (MW±SEM)
2.4 Korrelation des Lymphflußes mit den hämodynamischen Grunddaten In keiner Gruppe fand sich eine signifikante Korrelation zwischen dem
Lymphfluß und mittlerem arteriellen (MAP), zentralvenösem (ZVD), linksatrialen
(LAP) und pulmonalarteriellen (PAP) Druck. Ebenfalls korrelierte in keiner der
Ergebnisse 42
Gruppen der Lymphfluß zum Gewicht, der BSA und der Herzfrequenz (HF) und
der applizierten Katecholaminmenge.
2.5 Troponin I-Freisetzung während des EKK Kardiale Lymphe: Die Abbildung VII zeigt die Troponin I (cTnI) Freisetzung in
der kardialen Lymphe in den drei Temperaturgrupppen. Bei allen Tieren betrug
die mittlere TnI Konzentration nach Einleitung des EKK und vor Abklemmen
der Aorta 205 ± 38,6 ng/ml. Zu diesem Zeitpunkt wurde kein signifikanter
Abbildung VII: Troponin I Freisetzung in der kardialen Lymphe (MW±SEM)
Unterschied zwischen den Gruppen verzeichnet. In Gruppe 1 erhöhten sich die
cTnI-Werte nach Wiedereröffnung der Aorta und für die folgenden
postoperativen Stunden signifikant (p<0,05) und erreichten vier Stunden nach
Aorteneröffnung ihr Maximum (p=0,043 vs prä-AoX und Vorwert). Gruppe 2
zeigte auch zwei Stunden post-AoX eine Erhöhung des cTnI (1745±481 ng/ml;
p=0,043 vs prä AoX Werten; p=0,018 vs Vorwert), welches auch 4 Stunden
post-AoX sein Maximum erreichte. Die cTnI-Freisetzung in Gruppe 3 war
während der gesamten postoperativen Zeit signifikant höher als zu den prä-
AoX Werten und den jeweiligen Vorwerten (p<0,05). Die maximale cTnI-
Konzentration wurde sechs Stunden post-AoX mit 3311±538 ng/ml gemessen.
In der gesamten postoperativen Zeit zeigte die normothermische Gruppe eine
0
1500
3000
4500
6000
7500
9000
10500
12000
prä-AoX post-AoX 2h 4h 6h
Trop
onin
I (n
g/m
l)
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
; p<0,05; + = zu prä-AoX; # = zum Vorwert;
; p<0,05; § = zu prä-AoX; $ = zum Vorwert;
; p<0,05; % = zu prä-AoX; & = zum Vorwert;
+ #
+ #+
§ $§% &
% &
% &%
Ergebnisse 43
0
5
10
15
20
25
30
35
40
prä-AoX post-AoX 2h 4h 6h
Trop
onin
I (n
g/m
l)
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
; p<0,05; + = zu prä-AoX; # = zum Vorwert;
; p<0,05; § = zu prä-AoX; $ = zum Vorwert;
; p<0,05; % = zu prä-AoX; & = zum Vorwert;
+ #§ $%&
+ #
% &
%
§ $
§ $
§ $
% &
3.5-4.5 fach höhere cTnI-Freisetzung als die beiden hypothermen Gruppen. Die
TnI-Konzentration ab der vierten Stunde war in Gruppe 3 höher als in Gruppe
2. Dennoch konnte kein signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden
Gruppen beobachtet werden.
Sinus Coronarius: In allen Gruppen betrug die mittlere cTnI-Konzentration vor
Aortenabklemmung, ohne Unterschiede zwischen den Gruppen, 0,96±0.52
ng/ml (Abbildung VIII). Nach Wiedereröffnung der Aorta kam es in Gruppe 1 zu
einer signifikanten Steigerung der cTnI-Konzentration (4,86±1,64 ng/ml;
p=0,043). Die maximalen Werte in dieser Gruppe wurden zwei Stunden post-
AoX mit 27,7±18,9 ng/ml (p<0,043) verzeichnet.
Abbildung VIII: Troponin I Freisetzung im koronarvenösen Blut (MW±SEM).
In der moderat hypothermen Gruppe 2 kam es zu einer langsamen aber
signifikanten cTnI-Erhöhung post-AoX, die bis zur sechsten Stunde mit einem
maximalen Wert von 18,9±3,7 ng/ml anhielt (p=0,028 zu prä-AoX und Vorwert).
Ähnlich verhielt sich die cTnI-Freisetzung in Gruppe 3 mit dem höchsten Wert
sechs Stunden nach Wiedereröffnung der Aorta (25,1±6,9 ng/ml; p=0,028 vs
prä AoX und Vorwert). Die maximalen cTnI-Werte waren in Gruppe 1 und 3
zeitversetzt aber ähnlich hoch. Gruppe 2 zeigte während des gesamten
Experimentes die geringste TnI-Freisetzung. Statistisch signifikante
Ergebnisse 44
0
5
10
15
20
25
30
35
40
prä-AoX post-AoX 2h 4h 6h
Trop
onin
I (n
g/m
l)
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
; p<0,05; + = zu prä-AoX; # = zum Vorwert;
; p<0,05; § = zu prä-AoX; $ = zum Vorwert;
; p<0,05; % = zu prä-AoX; & = zum Vorwert;
+ #§ $%&
+ #
% &
§ $
§ $
% &
+ #
Unterschiede zwischen den Gruppen wurden nicht beobachtet.
Arterielles Blut: Die mittlere TnI-Konzentration nach Beginn des EKK betrug
bei allen Gruppen ohne signifikante Unterschiede 0,25±0,06 ng/ml (Abbildung
VI). Alle drei Gruppen zeigten nach Wiedereröffnung der Aorta und der zweiten
bzw. sechsten Stunden post-AoX eine langsame Steigerung der cTnI-Werte im
Vergleich zu den jeweiligen prä-AoX und Vorwerten (p<0,05). Die maximalen
Konzentrationen wurden sechs Stunden post-AoX gemessen. Die TnI-
Freisetzung in der normothermen Gruppe war, obwohl nicht statistisch
signifikant, höher als in den hypothermen Gruppen.
Abbildung VI: Troponin I Freisetzung im arteriellen Blut (MW±SEM).
2.5.1 Korrelation der TnI-Freisetzung Bei allen Tieren (n=21) korrelierten die lymphatischen cTnI-Werten direkt nach
Wiedereröffnung der Aorta, zwei und vier Stunden post AoX hochsignifikant mit
den Werten aus dem Sinus Coronarius (2h post-AoX: Pearson r=0,951;
p<0,000), sowie direkt nach Aorteneröffnung, zwei und sechs Stunden post-
AoX mit den gemessenen cTnI-Konzentrationen im arteriellen Blut (2h post-
AoX: Pr=0,922; p<0,000). Die cTnI-Freisetzung im Sinus Coronarius und dem
arteriellen Blut korrelierte ebenfalls, zum Teil hochsignifikant, zwei und sechs
Ergebnisse 45
Stunden post-AoX (2h post-AoX: Pr=0,990; p<0,000 und 6h post AoX:
Pr=0,930; p<0,000) zu allen Zeitpunkten nach Eröffnung der Aorta. Der kardiale
Lymphfluß zeigte eine positive Korrelation zwei Stunden post-AoX mit den
gemessen cTnI-Werten im Sinus Coronarius (Pr= 0,585; p<0,036) und
arteriellem Blut (Pr=0,550; p<0,042). Zu diesem Zeitpunkt kam es zusätzlich zu
einer hochsignifikanten Korrelation der cTnI-Werte in der kardialen Lymphe
(Pr=0,7; p=0,001), dem Sinus Coronarius (Pr=0,792; p=0,000) und dem
arteriellen Blut (Pr=0,817; p=0,000) mit der verabreichten Dopaminmenge.
Diskussion 46
VI Diskussion
1 Anatomie und Kanülierung des kardialen Lymphsystems
Obwohl das kardiale lymphatische System beim Schwein seit 1966 (19)
bekannt ist, wurde bis zum heutigen Zeitpunkt das Hundemodell als goldener
Standard für lymphatische Studien des Herzens vorgezogen (14). Das
wesentliche Problem bei lymphatischen Studien am Schweinemodell ist die
Kanulierung des gemeinsamen efferenten kardialen Lymphkollektors (EKL).
Aufgrund seiner anatomischen Lage hinter der Aorta ascendens, zwischen der
Aortenwurzel, dem linksatrialen Dach und der Einmündung der Vena cava
superior (SVC) in das rechte Atrium war eine stabile Kanülierung des EKL beim
Schwein selten erfolgreich. Hinzu kommt, dass der kleine Durchmesser des
Kollektors von ca. 0.3-0.5 mm eine Punktion mit den üblichen Kathetern, wie
sie beim Hund seit Jahrzehnten verwendet werden (12), schwierig macht.
Aufgrund dieser technischen Problematik wurde das Schweinmodell, obwohl es
ein etabliertes Modell für kardiovaskülare Forschung darstellt (127), für kardiale
lymphatische Studien nur einmal benutzt (86).
In unserer anatomischen Studie des kardialen lymphatischen Systems stellten
wir nach Anfärbung der kardialen Lymphgefäße mit Evans-Blau ein dichtes
subepikardiales Netzwerk im rechten Vorhof und Ventrikel sowie im linken
Ventrikel dar. Die 3 abführenden epikardialen Hauptgefäße des Herzens folgen
den Koronararterien. Der rechte Ventrikel wird über den rechten koronaren
Hauptlymphstamm (RCS), dem Verlauf der rechten Koronararterie zur
Herzbasis folgend, drainiert. Hinter dem Truncus pulmonalis fließt er direkt in
einen konstant vorhandenen linken prätrachealen Lymphknoten (PLN). In
einigen Fällen kommt es schon vor dem Truncus pulmonalis zu Verbindungen
mit dem linken koronaren Hauptstamm (LCS). Letzterer drainiert den linken
Ventrikel und das Herzseptum. Konstante großkalibrige Zuflüße bekommt der
LCS aus dem anterioren interventrikülaren Stamm (AVS), dem linken
marginalen Stamm (LMS) und posterioren interventrikulären Stamm (PVS), die
epikardial dem Verlauf der korrespondierenden Koronarseitenäste folgen. An
der Herzbasis verschwindet der LCS zwischen Truncus pulmonalis und linkem
Vorhofohr und findet Anschluß an den PLN. Die von uns beschriebenen
Diskussion 47
epikardialen Drainagewege der Hauptlymphstämme am Schwein decken sich
mit Studien am Hund (14;26) und Menschen (25;28;32). Julien et al fanden (86)
zwei anatomische Variationen der mediastinalen Drainagewege bei 25
Schweinen. Bei 15 von 35 Schweinen (67%) fand er einen gemeinsamen
efferenten kardialen Kollektor zwischen der Vena cava superior und Aorta.
Dieser entsprang aus dem PLN und fand Anschluß an den CLN, der hinter dem
Truncus brachiocephalicus lokalisiert war. Von dort drainierte die Lymphe über
kleinere Gefäße in den rechten Venenwinkel. Bei den anderen 5 Schweinen
(33%) fand sich kein gemeinsamer EKL, sondern 2-3 kleinere Gefäße mit
einem Durchmesser von 0,3-0,6 mm. In unserer Studie konnten wir 3
verschiedene anatomische Variationen beobachten. Bei 36 von 70 Tieren
(51,4%) fanden wir ebenfalls einen großkalibrigen EKL (0,6-0,8 mm) zwischen
Aorta und Vena cava superior, der über den CLN in den rechten Venewinkel
drainierte (Rechtstyp). Die Aufteilung des EKL in 2-3 kleinere efferente
Lymphgefäße konnten wir in 40% (28/70 Schweinen) der Fälle beobachten
(Intermediärtyp). Nach erfolgloser Suche an der typischen Stelle zwischen der
oberen Hohlvene und Aorta zeigte sich eine zusätzliche Variation in unserer
Versuchreihe bei 6 von 70 Schweinen (8,6%). Vom PLN ausgehend fand sich
ein großkalibriges Lymphgefäß (∅ 1-1,5 mm) das entlang der unteren
Pulmonalarterie in kranialer Richtung zum Ductus thoracicus und von dort in
den linken Venenwinkel drainierte (Linkstyp). Diese seltene Variante wurde
bisher in einigen Studien am Hund (29) und Menschen (28) beobachtet.
Beim Menschen ist trotz der bekannten kardialen Anatomie des lymphatischen
Systems (13) noch nie eine erfolgreiche Kanülierung beschrieben worden.
Drinker et al gelang 1940 (12) erstmalig die erfolgreiche Kanülierung des
kardialen Lymphsystems am Hund. Er entwickelte eine standardisierte Technik,
wobei er mit einer starren Glaskanüle (∅ 4 mm) den gemeinsamen kardialen
Lymphkollektor zwischen der oberen Hohlvene und dem Truncus
brachiocephalicus punktierte. Seitdem wurde diese Technik zur
Lymphflüssikeitsgewinnung am Hund in zahlreichen Studien benutzt. Die
Erfolgsrate der Kanülierung lag je nach Untersucher bei ca. 50% (14). Der
einzige Versuch den EKL am Schweinemodell zu kanülieren, erfolgte durch
Julien et al 1981 (86). Bei 4 Schweinen punktierte er mit einem feinen
Polyethylen-Katheter (∅ 0,3-0,6 mm) den EKL (∅ 0,3 mm-0,6 mm). Zu Beginn
Diskussion 48
unserer Studie übernahmen wir diese Punktionstechnik. Der Erfolg blieb jedoch
bei den ersten 7 Schweinen aus, da entweder die anatomische Lage des EKL
(4 Rechtstypen; 3 Intermediärtypen) die Punktion unmöglich machte oder die
starre Kanüle (20 GA; Medicate, Shrewd Medical, Toolmaker, Ireland) nach
Punktion des kleinkalibrigen EKL (0,2-0,6 mm) aus dem Gefäß dislozierte oder
dieses durch Perforation zerstörte. Aufgrund dieser Problematik entwickelte
Dr. med. J.F. Vazquez-Jimenez eine neue Kanulationstechnik, wobei der EKL
in einen gängigen Cavafix-Certo-Basilica Katheter (∅ 0,5/0,8 mm) inkludiert
wird. Dies hat den Vorteil, dass die Kanülierung des EKL aufgrund der
ausreichenden Länge und der weichen Konsistenz des Katheters bei allen
anatomischen Typen möglich war und einer Dislokation des Gefäßes durch
Fixation des Katheters an das umliegende Gewebe vorgebeugt werden konnte.
Eine Perforation des EKL war aufgrund der Inklusion ausgeschlossen. Bei dem
anatomischen Rechtstyp konnten 22 von 31 Schweinen (71%) erfolgreich
kanüliert werden. Wir benutzten aufgrund des größeren Durchmesser des EKL
(∅ 0,6-0,8 mm) stets den Cavafix-Certo-Basilica Katheter mit einem inneren
Durchmesser von 0,8 mm. Die hohe Erfolgsrate bei diesem anatomischen Typ
ist primär auf die günstige Position und die Länge des EKL zwischen oberer
Hohlvene und der Aorta ascendens zurückzuführen. Bei der anatomischen
Intermediärgruppe war die Kanülierung eines Lymphgefäßes wegen des
kleineren Durchmessers (∅ 0,2-0,5 mm) und der unzugänglichen
anatomischen Position in Höhe des rechten Vorhofdaches äußerst schwierig. In
50% der Fälle (11/22 Schweine) konnten wir das Lymphgefäß erfolgreich mit
einem kleineren Cavafix-Certo-Basilica Katheter (∅ 0,5 mm) kanülieren.
Dieser wurde dem im Durchmesser größeren Cavafix-Certo-Basilica Katheter
(∅ 0,8 mm) vorgezogen, um eine Dislokation des kleinen Lymphgefäßes zu
vermeiden. In der anatomischen Linkstypgruppe wurde wegen der Größe des
Lymphkollektors (∅ 1-1,5 mm) die konventionelle Punktionstechnik mit einer 20
GA Kanüle (Medicate, Shrewd Medical, Toolmaker, Ireland) bei 1 von 6
Schweinen (16,7%) erfolgreich angewandt. Insgesamt konnten wir in unserer
Studie bei 34 von 59 Schweinen den EKL kanülieren (56,7%). Die Erfolgsrate
nach Einführung der Inklusionstechnik lag bei 65,4% (34/52).
Eine besondere Bedeutung bei der Kanülierung und Sammlung der kardialen
Diskussion 49
Lymphe spielt der Ausschluß einer möglichen lymphatischen Kontamination
durch pulmonale Verbindungsgefäße. Die Annahme, dass die gesammelte
Lymphe rein kardialen Ursprungs ist, spielt bei der Interpretation der
gewonnenen Daten eine essentielle Rolle. Eine pulmonale Kontamination der
kardialen Lymphe würde konsekutiv zu einer Verfälschung aller erzielten
Ergebnisse führen. Leeds et al (136) konnte an Hunden eine pulmonale
Kontamination der kardialen Lymphe feststellen. Er bemerkte bei einer distalen
Punktion des EKL in Höhe des CLN einen signifikant höheren Lymphfluß als
bei einer proximalen herznahen Punktion (1,14±0,63 vs. 2,16±1,7 ml/h;
p<0,05). Dieser Unterschied wurde auf pulmonale Verbindungsgefäße vor dem
CLN zurückgeführt. Wir kanülierten den EKL stets proximal direkt an der
Herzbasis, so dass von distal vorhandenen pulmonalen Lymphzuflüßen keine
Beimischung entstand. Geissler et al zeigte in einer neueren Studie an Hunden,
dass in bis zu 81% der Fälle eine pulmonale Lymphbeimischung von bis zu
34% des Lymhflußes bei Kanülierung des EKL vorliegt (131). Um eine, bisher
am Schwein noch nicht bekannte, pulmonale Kontamination in unserer Studie
auszuschließen, wendeten wir zwei Untersuchungsmethoden an. Erstens
konnten wir nach Injektion von Evans-blau in alle Lungenlappen und in die
hiliären Lymphknoten keine Änfarbung des EKL oder CLN über pulmonale
Verbindungsgefäße feststellen. Zweitens ist bekannt, dass die Propulsion der
pulmonalen Lymphe von der respiratorischen Bewegung der Lungen abhängig
ist. Bei einer pulmonalen Lymphbeimischung des EKL würde einer Änderung
der Beatmungsparameter (Tidal-Volumen Erhöhung) über den Respirator beim
kardioplegischen Herzstillstand eine Erhöhung des Lymphflußes folgen (131).
Dies wurde in unserem Experiment nicht beobachtet. Durch den Ausschluß der
pulmonalen Lymphkontamination, die genaue anatomische Klassifizierung des
kardialen Lymphsystems und die neuentwickelte, standardisierte
Kanülierungstechnik des EKL mit einer zufriedenstellenden Erfolgsrate, zeigt
sich, dass das Schweinemodell für kardiale lymphatische Studien geeignet ist.
Diskussion 50
2 Der kardiale Lymphfluß während des EKK 2.1 Abhängigkeit von den Temperaturbedingungen
Die extrakorporale Zirkulation mit kardioplegischem Herzstillstand führt sowohl
beim Menschen als auch im Tiermodell zu myokardialer Dysfunktion (137).
Diese Dysfunktion wird größtenteils auf die Bildung eines interstitiellen
myokardialen Ödems mit konsekutiver Beeinträchtigung der kardialen Funktion
zurückgeführt. Die Formation eines interstitiellen Ödems ist Ausdruck eines
Ungleichgewichtes zwischen erhöhter Flüssigkeitsfiltrationsrate über das
koronare Gefäßstrombett in Richtung Interstitium und des verminderten
Abtransportes dieser über die kardialen lymphatischen Drainagewege in der
frühen postoperativen Phase (98;138). Die erhöhte Filtrationsrate ins
myokardiale Interstitium entsteht durch den verminderten kolloidosmotischen
Druck aufgrund der isotonen kardioplegischen Lösung (98) und die erhöhte
kapilläre Permeabilität bedingt durch die hypoxische Endothelzellschädigung
nach Aortenabklemmung (74). In mehreren Studien am Hundemodell wurde
gezeigt, dass der myokardiale Lymphfluß hauptsächlich von der normalen
ventrikulären Kontraktion abhängig ist (74;139). Bei Verlust der normalen
rhythmischen Kontraktionsfähigkeit des Myokards durch Flimmern kommt es zu
einer starken Senkung der Lymphflußrate. Direkt nach Wiederherstellung des
physiologischen Herzrhythmus wird die akkumulierte Gewebsflüssigkeit durch
einen maximalen Anstieg der Lymphflußrate abdrainiert (75;140). Ähnlich
verhält es sich beim kardioplegischen Herzstillstand mit vollkommen
eingestellter ventrikulärer Kontraktion, wo eine signifikante Verminderung des
kardialen Lymphflußes und des daraus gemessenen Lymphflußdruckes
beobachtet werden konnte (98). Die fehlende Herzaktion und der damit
verminderte Abtransport der interstitiellen Flüssigkeit über das kardiale
lymphatische System sowie die damit verstärkte interstitielle Ödembildung
potenzieren somit ihre depressorische Wirkung auf die postoperative
Myokardfunktion.
Der basale kardiale Lymphfluß in allen Gruppen unserer Studie lag bei 3,4 ml/h
(0,7-8 ml/h). Dieses Ergebnis entspricht den gemessenen Mengen am
Hundemodell (3,2 ml/h) (14) und stellt ein tägliches Volumen von 71,4 ml dar,
welches vom myokardialem Interstitium über die Lymphgefäße drainiert wird.
Diskussion 51
Signifikante Unterschiede wurden zwischen den Gruppen 1 und 2 präoperativ
beobachtet (p<0,05). Da keine statistisch relevanten Unterschiede in allen drei
Gruppen zwischen Gewicht, BSA der Tiere und den präoperativen
hämodynamischen Grunddaten, wie Herzfrequenz und mittleren arteriellen
Druck, existierten, und diese bewiesenermaßen nicht positiv mit einer
Steigerung des Lymphflußes korrelieren (71;141), ist der Unterschied zwischen
den beiden Gruppen am ehesten durch Kontraktilitätsunterschiede des
Herzens oder durch einen unterschiedlichen, präoperativen zentralvenösen
Druck oder Füllungszustand der Tiere erklärbar (142).
Der Beginn des kardiopulmonalen Bypasses zeigte nur einen geringen
vermindernden Einfluß auf die kardiale Lymphflußrate. Es wurde keine
Verfärbung der klaren Lymphflüssigkeit durch Blut bis zu diesem Zeitpunkt
beobachtet. Dies korrespondiert auch mit Beobachtungen am Hund, wo die
Initiation des kardiopulmonalen Bypass sowie der Übergang zum totalen
Bypass zu keiner Veränderung der kardialen Lymphproduktion führte (87).
Nach Aortenabklemmung und Instillation der eisgekühlten, kardioplegischen
Lösung kam es in allen Gruppen zu einer signifikanten Senkung der
Lymphflußrate auf ca. 13% der Ausgangswerte (p<0,05). Durch das Wegfallen
der koordinierten Herzaktion und der Beatmung der Lungen während des
kardioplegischen Herzstillstandes kommt es zu einer geringen Propulsion der
kardialen Lymphe, die hauptsächlich auf den kapillären Filtrationsdruck und der
Eigenkontraktilität der Lymphkapillaren beruht. Nach Eröffnung der Aorta und
dem Wiedereintritt der normalen Herzaktion kam es in allen Gruppen zu einer
Steigerung der gemessenen Lymphflußrate (p<0,05). Im Vergleich zu den
präoperativen Werten kam es in Gruppe 2 zu einer 75%igen und in Gruppe 3
zu einer 230%igen Steigerung der Lymphflußraten. In der normo- und tief
hypothermen Gruppe (Gruppe 1 und 3) wurde kein Unterschied in der
Lymphdrainage beobachtet. Die postoperativen Lymphflußkurven der beiden
Gruppen ähnelten sich mit einer hohen Lymphproduktion in den ersten 5
Stunden, die progredient auf die präoperativen Kontrollwerte zurückfielen. In
der Gruppe 2 mit moderater Hypothermie wurden über die gesamte
postoperative Phase deutlich geringere Flußraten der kardialen Lymphe
gemessen, die im Vergleich zu den präoperativen Kontrollwerten nur
geringfügig erhöht waren. Ullal et al (87) beobachtet in der bis heute einzigen
Diskussion 52
Vergleichsstudie mit unterschiedlichen HLM-Temperaturgruppen am Hund,
dass es keinen Unterschied zwischen dem kardialen Lymphfluß während
normo- und moderater Hypothermie gibt. Eine Erklärung der widersprüchlichen
Ergebnisse mit unserer Studie kann im Versuchsaufbau gefunden werden. Wir
benutzten zur Erzielung des Herzstillstandes stets 1000 ml eisgekühlte (~4° C)
krystalloide kardioplegische Lösung und unsere totale Abklemmzeit betrug
exakt 60 Minuten. In Ullal‘s Studie wurde ein anoxischer Herzstillstand mit 15-
minütiger Abklemmzeit der Aorta herbeigeführt. Dieser führt zu einer stärkeren
Beeinträchtigung der postoperativen linksventrikulären Funktion (105). Es ist
bekannt, dass längere Aortenabklemmzeiten einerseits die Bildung eines
interstitiellen Myokardödems verstärken und andererseits das Ausmaß der
Myozytenschädigung bis hin zur Nekrose erhöhen (94;105). Weiterhin bewirkt
die Gabe von krystalloider kardioplegischer Lösung durch Verminderung des
kolloidosmotischen Druckes die Entwicklung eines myokardialen Ödems (98).
Die verstärkten postoperativen Lymphflußraten während Normo- und tiefer
Hypothermie implizieren eine Erhöhung der kapillären Permeabiltät durch eine
verstärkte Schädigung des Endothels. Die Erhöhung der kapillären
Permeabilität und die stark verminderte Lymphflußrate führen zu einer
Akkumulation von Flüssigkeit im Interstitium und zur Formation eines
Myokardödems. Kay et al fand in seiner Studie an 200 Hunden ähnliche
Ergebnisse (105). In der normothermischen Gruppe konnte er 45 Minuten nach
Wiedereröffnung der Aorta eine signifikant höhere interstitielle
Flüssigkeitsansammlung im Herzen finden als in der moderat hypothermen
Gruppe. In den drei Gruppen konnte nach Eröffnung der Aorta eine starke
Blutbeimischung der zuvor klaren Lymphe festgestellt werden, die bis ans Ende
des Experimentes anhielt. Eine visuelle Beurteilung der Stärke der
Blutbeimischung führten wir aufgrund der Subjektivität dieser Methode nicht
durch. Ullal et al (87) sieht in der verstärkten Rotverfärbung der kardialen
Lymphe den Beweis einer langanhaltenden, wenn nicht permanenten
Schädigung der koronaren Kapillaren induziert durch die Ischämiezeit während
des kardiopulmonalen Bypasses. Er bemerkte, dass das Ausmaß und die
Dauer der Blutbeimischung in der normothermen Gruppe stärker und höher war
als in der hypothermen Gruppe. Dies interpretierte er als eine vergleichsweise
stärkere Schädigung des Myokards in der normothermen Versuchsreihe. In
Diskussion 53
einer weiteren Versuchsgruppe mit kontinuierlicher Koronarperfusion während
Normothermie konnte er keinen Endothelschaden im Sinne einer
lymphatischen Blutbeimengung erkennen und wertete dieses Verfahren als
protektiv für das Myokard.
Die Akkumulation der interstitiellen Flüssigkeit im Myokard während des
Herzstillstandes wird nach Eröffnung der Aorta durch Erhöhung der
Lymphdrainage kompensiert. So zeigt die Addition der über den präoperativen
Kontrollwerten liegenden postoperativen Lymphflußraten, dass in der Gruppe 1
(37° C) ca. 10,8 ml in der Gruppe 2 (28° C) ca. 9,4 ml und in Gruppe 3 (20° C)
ca. 16,9 ml zusätzlich aus dem Myokard abdrainiert wurden. Hieraus wird klar,
dass die Rolle des kardialen lymphatischen Systems zur Reduzierung des
durch den kardiopulmonalen Bypass induzierten Myokardödems von
besonderer Wichtigkeit ist. So führt ein myokardiales Ödem post-HLM über
mehrere Mechanismen zu einer Beeinträchtigung der linksventrikulären
Funktion. Erstens kommt es durch die Flüssigkeitsansammlung im Myokard zu
einer Verlängerung der Sauerstoff-Diffusionsstrecke, welche zu einer
Myozytenschädigung führen kann (143). Zweitens wird durch den erhöhten
interstitiellen Druck im Myokard und der daraus resultierenden Versteifung des
linken Ventrikels die Effizienz der myokardialen Kontraktion stark beeinträchtigt.
Darüberhinaus ist der myokardiale Energieverbrauch des ödematösen Herzens
erhöht (79;144). Allen et al zeigte, dass nach Verbesserung des Cardiac Index
und der linksventrikulären Funktion (dP/dtmax) durch intraoperative Applikation
des positiv inotrop wirkenden Medikamentes Dobutamin der kardiale Lymphfluß
signifikant gesteigert werden konnte und dass somit die Resorption des HLM-
induzierten myokardialen Ödems beschleunigt werden konnte (139).
Unsere Studie über den kardialen lymphatischen Fluß während der
extrakorporalen Zirkulation zeigte, dass es zu einer Lymphstasis während des
kardioplegischen Herzstillstandes kam, der in der Reperfusions- und
postoperativen Phase zu einer verstärkten Lymphflußproduktion von Seiten des
Myokards führt. Dieser ist bei der normothermen und tiefen hypothermen
Gruppe am ausgeprägtesten und impliziert eine erhöhte Flüssigkeits-
akkumulation im Interstitium mit Bildung eines myokardialen Ödems, welches
bedingt durch eine erhöhte kapilläre Permeabilität zustande kommt. Im
Diskussion 54
Gegensatz dazu scheint die moderate Hypothermie einen protektiven Faktor
bei der Bildung eines interstitiellen Ödems darzustellen. In allen drei Gruppen
wurde jedoch durch die Blutbeimischung in der kardialen Lymphe nach der
Ischämiezeit sichtbar, dass der kardiopulmonale Bypass mit kardioplegischem
Herzstillstand zu einer langanhaltenden Schädigung des Endothels des
koronaren Kapillarbettes führt, die zumindest in der gesamten postoperativen
Beobachtungszeit vorhanden ist.
2.2 Abhängigkeit vom Anatomietyp
Um eine objektive Interpretation der Lymphflußdaten während des
kardiopulmonalen Bypasses zu ermöglichen, verglichen wir die Lymphflußraten
zwischen den verschiedenen Anatomietypen. Leeds et al (145) berichtete in
einer Zusammenfassung der bis dato erschienenen Studien am Hund, dass die
Messung des kardialen Lymphflußes zwischen den verschiedenen
Forschungsgruppen trotz des gleichen Tiermodells breit variierten (0,8-3.2
ml/h). Primär verantwortlich für die unterschiedlichen Ergebnisse waren
einerseits der operative Zugang (Sternotomie vs. Thorakotomie), die
Präparations- und Punktionstechnik des Chirurgen und letztlich die Lokalisation
des gemeinsamen efferenten Lymphkollektors. Wir konnten zwischen den
unterschiedlichen Anatomietypen keinen signifikanten Unterschied der
Lymphflußrate feststellen. Es konnte jedoch beobachtet werden, dass
obwohl die präoperativen Kontrollwerte nicht wesentlich voneinander
divergierten (Rechtstyp= 3,43±0,79 ml/h vs. Intermediärtyp: 3,84±1,39 ml/h),
die postoperative Lymphproduktion in der Rechtstypgruppe fast um das
zweifache höher lag als in der Intermediärtypgruppe. Die Begründung hierfür
liegt in dem größeren Durchmesser des Rechtstypkollektors sowie der
Abdrainierung der kardialen Lymphe über mehrere Kollektoren im
Intermediärtyp. Bei beiden Gruppen fiel ab der zweiten bis dritten
postoperativen Stunde die Lymphflußrate ab und passte sich den präoperativen
Kontrollwerten an.
In der Linkstypgruppe kann aufgrund der geringen Anzahl (n=1) nur ein Trend
festgelegt werden. Die postoperativen extrem hohen Lymphflußraten lagen um
Diskussion 55
einen Faktor 4-6 höher als bei den anderen beiden Gruppen. Als eine Erklärung
für diesen enormen Unterschied kann einerseits der große Durchmesser von 1-1,5
mm des Lymphgefäßes und anderseits die unmittelbare anatomische Nähe
zum Ductus thoracicus und den tracheobronchialen Lymphknoten der linken
Lunge dienen. Hansson et al konnte bei Untersuchungen des Ductus
thoracicus an 4 Patienten einen basalen Lymphfluß von ca. 32-34 ml/h messen
(146). Eine mögliche Kontamination von Seiten des Ductus thoracicus durch
Kollateralgefäße konnten wir nicht feststellen. Trotzdem scheint sie in dieser
anatomischen Variation zu existieren. Aufgrund der einmaligen Kanülierung des
Linkstypes, sowie der nicht signifikanten Unterschiede in den Rechts- und
Intermediärtypgruppen scheint der Einfluß dieses Anatomietypes auf den
kardialen Lymphfluß in unserer Studie am Schweinemodell von
untergeordneter Bedeutung zu sein.
3 Troponin I Freisetzung während der EKK
Troponin I (cTnI) ist ein häufig benutzter und weit etablierter Marker zur
Erkennung von myokardialen Schäden. Zahlreiche Studien belegen seine Höhe
Spezifität in der Evaluierung von myokardialen Schäden nach Myokardischämie
und Herzoperationen bei kongenitalen (95;101;109;147) und erworbenen
(96;108;148) Herzvitien. Aufgrund seines exklusiven Vorkommens im
Herzmuskel und der nicht vorhandenen Kreuzreaktivität mit den 2
muskelspezifischen Isoformen (sTnI) ist die Sensivität und Spezifität von cTnI
den herkömmlichen myokardialen Markern wie dem Troponin T (cTnT),
Myoglobin, Lactatdehydrogenase (LDH) und der Creatinphosphokinase
(CK/CK-MB) überlegen (111;115;117;147). Untersuchungen, die eine
pathologische Erhöhung des CK-MB Enzyms bei Verletzungen der
Skelettmuskulatur mit fehlender myokardialer Schädigung (116) und des cTnT
bei akuter Niereninsuffizienz (116;149;150) ergaben, schränken den
diagnostischen Wert dieser als myokardspezifische Indikatoren zusätzlich ein.
Die perioperative myokardiale Schädigung (PMS) nach Operationen am Herzen
wird einerseits über die chirurgische Intervention selbst und anderseits durch
den Einsatz der extrakorporalen Zirkulation induziert (151). CTnI-Erhöhungen
im venösen Blut sind bei allen Patienten nach herzchirurgischen Operationen
Diskussion 56
nachweisbar (148). Dies unterstreicht die Annahme, dass trotz des
kardioplegischen Herzstillstandes die Operation zu einer unvermeidbaren
Schädigung des Myokards führt (151). Das kardiale Troponin I bildet mit
Troponin C und T einen Proteinkomplex, der Calcium-abhängig die
Interaktionen der myokardialen Aktin-Myosin-Filamente reguliert. Troponin I
fungiert als Inhibitor dieser Interaktion. In isolierten Rattenherzen fand sich
nach 60-minütiger globaler Ischämie eine Reduktion der cTnI und TnT-
Konzentration um bis zu 50% im myokardialen Gewebe (152). Während
Ischämie und der folgenden Reperfusion kommt es zu einer intrazellulären
Calciumerhöhung, welche die Aktivierung von proteolytischen Enzymen wie die
Transglutamase (Tgase) induziert. Diese spaltet die cTnI-Untereinheit, welche
durch die Zellmembran ins Interstitium und von dort in die kardiale Lymphe und
den Blutkreislauf gelangt (153;154). Dieser Freisetzungsmechanimus in den
Körperkreislauf scheint auch in unserem Experiment nach kardiopulmonalem
Bypass zu existieren. Obwohl die kardiale Lymphe aufgrund ihrer unmittelbaren
Nähe zum Myokard, schneller und sensitiver als arterielles und Sinus
Coronarius Blut, intramyokardiale Schäden nach Myokardischämien wiedergibt
(74;76;83), ist bis heute eine Bestimmung des herzspezifischen cTnI in diesem
Medium noch nicht erfolgt. Die basale cTnI-Konzentration in der kardialen
Lymphe in unserem Schweinemodell (n=21) betrug 205±38 ng/ml ohne einen
Unterschied zwischen den drei Gruppen. Im Vergleich zu den
korrespondierenden Werten im arteriellen und Sinus Coronarius Blut
(0,25±0,06 ng/ml und 0,96±0,52 ng/ml) stellt dieser Wert eine massive
Konzentration von cTnI in der kardialen Lymphe dar. Das in der kardialen
Lymphe unter normalen Bedingungen stark erhöhte Enzymkonzentration von
CK, GOT, GPT und LDH mit seinen Isoenzymen existieren, ist am
Hundemodell bekannt (155). So wurden in kardialer Lymphe 5-10 fach höhere
Werte der CK und LDH als im Sinus Coronarius gemessen (70;156). Die
Ursache hierfür liegt primär in der unmittelbaren Nähe der kardialen Lymphe
am myokardialen Interstitium. Blut aus dem Sinus Coronarius hat seinen
Ursprung nicht direkt im Interstitium und repräsentiert somit Veränderungen an
den Myozyten weniger spezifisch. Wegen der hohen Verdünnungseffekte
sowohl bei Sinus Coronarius als auch bei arteriellen Blutproben kann man eher
eine Aussage über Veränderungen im gesamten Körper als ausschließlich im
Diskussion 57
Myokard machen (87).
Trotz der Anwendung von verschiedenen Techniken der myokardialen
Protektion während des EKK (157) wird das Myokard in einem
unterschiedlichen Ausmaß geschädigt. So geht die Anwendung von
Blutkardioplegie im Vergleich zur kalten krystalloiden Lösung mit geringeren
postoperativen cTnI-Werten einher (158). Die Ansichten über den Wert der
Normothermie zur myokardialen Protektion und postoperativen Funktion des
Myokards sind kontrovers. Einerseits wird vermutet, dass die normotherme
Perfusion via kollaterale Blutzuflüße und durch die wärmere Umgebung des
Herzens zu einer schnellen Erwärmung des Myokards und damit geringeren
Protektion führt (159). Andererseits zeigen Studien eine bessere postoperative
hämodynamische Kreislauffunktion im Vergleich zum hypothermen
kardiopulmonalen Bypass (103). In allen drei Gruppen unserer Studie konnte
direkt nach Aorteneröffnung im arteriellen und Sinus Coronarius Blut und zwei
Stunden nach Wiedereröffnung der Aorta in der kardialen Lymphe eine
signifikante Freisetzung von cTnI festgestellt werden. Dies deckt sich mit
vorherigen Untersuchungen an kardiochirurgischen Patienten, die eine
signifikante cTnI-Freisetzung im venösen Blut zwei Stunden und maximale
cTnI-Werte sechs Stunden nach kardiopulmonalem Bypass zeigten
(96;148;160). Die maximalen cTnI-Konzentrationen stellten sich in unserem
Experiment vier Stunden nach Aorteneröffnung in der kardialen Lymphe und
sechs Stunden nach Aorteneröffnung im arteriellen und Sinus Coronarius Blut
ein. Erhöhte cTnI-Konzentrationen nach Einsatz der EKK sind beim Menschen
bis zum fünften postoperativen Tag nachgewiesen (96). In der normothermen
Gruppe war die cTnI-Freisetzung postoperativ am höchsten. Sie betrug in der
kardialen Lymphe ca. das 3-4 fache im Vergleich zu den beiden hypothermen
Gruppen. Auch im arteriellen und koronarvenösen Blut zeigte sich in dieser
Gruppe im gesamten postoperativen Verlauf die höchste cTnI-Konzentration.
Hirsch et al konnte an am Herzen operierten Kindern zeigen, dass die
postoperative cTnI-Freisetzung im arteriellen oder venösen Blut sowohl mit der
Aortenabklemmzeit als auch mit der Höhe der Temperatur während des
kardiopulmonalen Bypasses positiv korreliert (101). Da in allen Gruppen die
gleiche Aortenabklemmzeit (60 Minuten) eingehalten und Myokardprotektion
benutzt wurde, hat die Normothermie während des kardiopulmonalen Bypasses
Diskussion 58
in Gruppe 1 wohl den wesentlichen Einfluß auf die postoperativen cTnI-
Freisetzung. Mair et al. konnte an Patienten eine positive Korrelation zwischen
den cTnI-Konzentrationen im Blut und dem Ausmaß der Myokardläsion nach
Herzinfarkt ausmachen (122). Die Schädigung der Myokardzelle führt über den
Verlust der semiselektiven Zellwandpermeabilität zu einer Freisetzung von
intrazellulären Bestandteilen, wie dem cTnI, ins umgebende myokardiale
Interstitium. CTnI-Erhöhungen im systemischen Körperkreislauf haben einen
engen Zusammenhang mit dem Ausmaß der Myozytennekrose (161), und sie
dienen als Indikator für die perioperative myokardiale Schädigung nach
Herzoperation (162).
Ein weiterer Hinweis auf die stärkere myokardiale Schädigung in der
normothermen Gruppe war die höhere postoperative Dopaminunterstützung,
die sich signifikant vier Stunden nach Aorteneröffnung von den beiden
hypothermen Gruppen, unterschied. Dieses Ergebnis korrespondiert mit
vorherigen Studien an Patienten, die unter normothermem kardiopulmonalen
Bypass operiert wurden, welche aufgrund eines sinkenden peripheren
Gefäßwiderstandes einen höheren Bedarf an Katecholaminen und
Flüssigkeitszufuhr hatten (94). Bei moderater Hypothermie war die
Katecholaminunterstützung am geringsten. Hirvonen et al hat gezeigt, dass es
unter moderater Hypothermie postoperativ zu einer zehnfachen Erhöhung der
eigenen Katecholaminkonzentrationen im Plasma kommt und somit der
postoperative periphere Gefäßwiderstand erhöht wird (163). Zusätzlich gab es
in unserer Studie einen direkten Zusammenhang der cTnI-Konzentrationen mit
der Dopaminunterstützung der Tiere zwei Stunden nach Wiedereröffnung der
Aorta. Die direkte positive Korrelation zwischen der Höhe der postoperativen
cTnI-Werte nach kardiopulmonalem Bypass und dem Ausmaß der
Katecholaminunterstützung haben schon mehrere Studien belegt (101;160).
Der erhöhte Verlust von cTnI im Myozyten verändert die mechanischen
Eigenschaften des Myokards und kann zu einer tödlichen Form des akuten
Herzversagens im Tierexperiment führen. Er vermindert die Fähigkeit des
Calciums, die normale kardiale Kontraktion des Myokards zu regulieren, und
bringt konsekutiv eine Beeinträchtigung der Relaxation und diastolischen
ventrikulären Füllung mit sich. Diese erhöhte myokardiale „stiffness“ hatte in
unserem Experiment die erhöhte Dopaminzufuhr in der normothermen Gruppe
Diskussion 59
zufolge. Eine myokardiale Depression erfolgt zusätzlich durch die EKK-bedingte
systemische Entzündungsreaktion im Kreislauf. So kommt es während und
nach kardiopulmonalem Bypass zu einer Aktivierung des Komplement- und
Kallikreinsystems (88;89), einer Leukozytenstimulation (90) sowie einer
Synthese und Freisetzung von Zytokinen, wie TNFa, IL-1, IL-6, IL-8 und IL-10
(91). Erhöhte Zytokinkonzentrationen von TNFa und IL-1 induzieren eine
Endothelschädigung mit Erhöhung der kapillären Permeabilität, die zu einer
Verringerung des systemischen Gefäßwiderstandes und myokardialer
Funktionsbeeinträchtigung führen (164). Die Freisetzung dieser Zytokine
während des kardiopulmonalen Bypasses ist temperaturabhängig und führt
somit konsekutiv bei normothermem kardiopulmonalen Bypass zu einer
verstärkten Vasodilatation mit doppelt so hohem Verbrauch an Katecholaminen
in der postoperativen Phase (104).
Der protektive Effekt der intraoperativen Hypothermie auf das Myokard
während des kardiopulmonalen Bypasses ist seit langem bekannt und wird bei
der Korrektur von erworbenen und vor allem kongenitalen Herzvitien
ausgenutzt (105;109). Hypotherme Temperaturen verlangsamen den
Stoffwechsel, und hemmen den Verbrauch der Phosphatreserven des
Myokards und ermöglichen somit die Erhaltung der Energiereserven, die der
postoperativen myokardialen Funktion zugute kommen (105). Darüberhinaus
scheint die Hypothermie während des kardiopulmonalen Bypasses selbst eine
geringere myokardiale Schädigung herbeizuführen. Die cTnI- Konzentrationen
in der kardialen Lymphe, dem arteriellen und koronarvenösen Blut lagen
sowohl in der moderat als auch in der tiefen Hypothermie Gruppe am
niedrigsten. Obwohl der Unterschied zu der normothermen Gruppe nicht
signifikant war, läßt sich daraus vermuten, dass der protektive Effekt der
moderaten und tiefen Hypothermie in unserer Studie das Ausmaß der
intraoperativen myokardialen Schädigung niedrig gehalten hat. Birdi et al.
konnte in einer Studie an 66 Patienten, die einer unkomplizierten Koronaren-
Bypass-Operation mit unterschiedlichen Temperaturbedingungen während des
EKK unterzogen wurden, ebenfalls keine signifikanten Unterschiede der cTnI-
Konzentrationen zwischen seiner normothermen, moderat hypothermen und
tief hypothermen Gruppe finden (157). Ein einschränkender Faktor seiner
Studie war die relativ kurze kardiopulmonale Bypass-Zeit (ca. 85 min) und
Diskussion 60
Aortenabklemmzeit (ca. 40 min). Da sowohl die Dauer des kardiopulmonalen
Bypasses als auch die Aortenabklemmzeit und die dadurch induzierte Ischämie
positiv mit der perioperativen Freisetzung von cTnI korreliert (101), scheint die
myokardiale Schädigung zu gering gewesen zu sein um starke Unterschiede
zwischen den Gruppen hervorzuheben. Mit Blick auf die postoperativen cTnI
Werte der beiden hypothermen Gruppen konnten wir, obwohl in der tief
hypothermen Gruppe diese leicht höher tendierten als die in der moderat
hypothermen Gruppe, keinen Unterschied in der Myokardprotektion durch
niedrigere Temperaturen feststellen. Im Gegenteil scheint die tief hypotherme
Gruppe ausgedrückt durch den hohen postoperativen Lymphfluß eher eine
myokardiale Ödembildung mit anschließender Drainage über das lymphatische
System zu fördern. Dies erklärt auch den von uns beobachteten relativ höheren
postoperativen Dopaminverbrauch in dieser Gruppe.
Bei der Interpretation der lymphatischen cTnI-Werte und der
Freisetzungsprofile dieser in der postoperativen Phase nach kardiopulmonalem
Bypass fallen drei wesentliche Unterschiede im Vergleich zum arteriellen und
koronarvenösen Blut in der gesamten Tiermenge auf: Erstens kam es zu einer
positiven Korrelation des kardialen Lymphflußes zwei Stunden nach
Wiedereröffnung der Aorta mit den cTnI-Konzentrationen in arteriellen und
koronarvenösem Blut. Dies unterstreicht die Annahme, dass die myokardiale
Schädigung nach kardiopulmonalem Bypass zu einer Freisetzung von
intrazellulären Proteinen in den Körperkreislauf und einer Erhöhung der
kapillären Permeabilität mit Ausbildung eines myokardialen Ödem führt (87).
Zweitens sprechen sowohl die präoperativen als auch postoperativen hohen
lymphatischen cTnI-Konzentrationen für den geringen Verdünnungseffekt im
Gegensatz zum arteriellen und koronarvenösen Blut. Das Ausmaß der
myokardialen Schädigung nach dem kardiopulmonalen Bypass und der 60-
minütigen Ischämiezeit reflektierte sich in der kardialen Lymphe direkt nach
Wiedereröffnung der Aorta und ging mit einer bis zu 25-fachen Erhöhung der
cTnI-Werte vier Stunden post AoX einher. Die postoperative cTnI Freisetzung
in der kardialen Lymphe, dem Sinus Coronarius und dem arteriellen Blut
korrelierten zu allen Zeitpunkten hochsignifikant miteinander. Das hohe cTnI-
Konzentrationsniveau in der kardialen Lymphe läßt schon geringste
Veränderungen im Sinne einer myokardialen Schädigung erkennen. Diese
Diskussion 61
hohe Sensitivität der kardialen Lymphe in der Messung von „kardialen“
Markerenzymen wie CK zeigte Feola et al an experimentell induzierten
Herzinfarzierungen am Hund (76). Die CK-Freisetzung in der kardialen Lymphe
stieg signifikant nach akuter Myokardinfarzierung, während die CK-
Veränderungen in Sinus Coronarius Blut und systemisch venösem Blut noch
keinen Anhalt für eine myokardiale Ischämie gaben. Drittens hat die
unmittelbare Nähe des kardialen lymphatischen Systems zum myokardialen
Interstitium zur Folge, dass es zu einer schnelleren Erhöhung der myokardialen
Markerenzyme in der Lymphe als in dem koronarvenösen und arteriellen Blut
kommt. Die maximalen cTnI-Werte der kardialen Lymphe wurden bei unseren
Tieren vier Stunden nach Aortenwiedereröffnung erreicht. Dagegen zeigten
sich in den beiden Blutmedien erst zwei Stunden (sechste Stunde post-AoX)
später die maximalen cTnI-Konzentration. Dies wurde durch Studien mit
induziertem Myokardinfarkt an Hunden weiterhin belegt, wo die Erhöhung der
myokardialen Ischämiemarker wie CK, LDH und GOT nach ein bis zwei
Stunden in der kardialen Lymphe nachweisbar waren, während deren
Freisetzung im Blutserum erst zwei bis sechs Stunden nach Infarkt erkannt
wurde (70). Diese Daten machen klar, dass die kardiale Lymphe in der
Beurteilung von perioperativen myokardialen Schäden durch serielle
Bestimmung des cTnI dem koronarvenösen und arteriellen Blut überlegen ist.
Darüberhinaus kommt es während Operationen mit kardiopulmonalem Bypass
zu einer myokardialen Schädigung mit cTnI-Freisetzung in der kardialen
Lymphe, die um ein vielfaches (100-1000fach) höher ist als im arteriellen und
Sinus Coronarius Blut. Dies bringt den Vorteil, dass schon kleinste
Veränderungen und Schädigungen im Myokard, die im arteriellen oder
koronarvenösem Blut noch nicht auftreten, durch die cTnI-Freisetzung in der
kardialen Lymphe erfaßt werden können.
Zusammenfassung 62
VII Zusammenfassung
Der vorübergehende maschinelle Ersatz der Herz- und Lungenfunktion durch
den extrakorporalen Kreislauf (EKK) ermöglicht intrakardiale Eingriffe zur
Korrektur von kongenitalen und erworbenen Vitien am blutleeren und
nichtschlagenden Herzen. Neben den grossen Vorteilen dieses Verfahrens,
verursacht der Einsatz des EKK eine Aktivierung des Komplementsystems,
eine Leukozytenaktivierung und die Synthese sowie Freisetzung von Zytokinen,
die zu einer systemischen Entzündungsreaktion führen. Zusätzlich kommt es
durch die perioperativen unphysiologischen Verhältnisse wie kardioplegischer
Herzstillstand, Ischämie und Reperfusion des Myokards zu einer myokardialen
Dysfunktion, die hauptsächlich auf die perioperative myokardiale Schädigung
zurückzuführen ist.
Das kardiale Troponin I (cTnI) ist wegen seiner bekannten hohen Spezifität und
Sensivität bei der Diagnose der perioperativen myokardialen Schädigung
geeignet, den Einfluß der EKK unter verschiedenen Temperaturbedingungen
auf das Myokard zu untersuchen. Weiterhin ist bekannt, dass das lymphatische
System des Herzens wegen seiner unmittelbaren anatomischen Nähe zum
Interstitium des Herzens, die physiologischen Verhältnisse des Myokards
schneller und empfindlicher als arterielles und koronarvenöses Blut
widerspiegelt. Zahlreiche tierexperimentelle Arbeiten zeigten, dass die
gesammelte Lymphflüssigkeit des Herzens der empfindlichste Indikator von
enzymatischen und zellulären Veränderungen unter pathologischen
Bedingungen wie Myokardinfarkt, Hypertension und Herzinsuffizienz ist.
Obwohl das Schwein für die kardiovaskuläre Forschung ein etabliertes und weit
verbreitetes Tiemodell ist, gilt das Hundemodell für die Erforschung des
lymphatischen Systems des Herzens als goldener Standard. Die Untersuchung
des kardialen lymphatischen System und dessen erfolgreiche Kanülierung am
Schweinemodell wurde bisher wegen der unklaren anatomischen
Gegebenheiten und aufwendigen chirurgischen Punktionstechnik vermieden. In
unserer detaillierten anatomischen Studie an 70 Tieren konnten wir drei
unterschiedliche anatomische Typen des kardialen lymphatischen Systems
beobachten und klassifizierten sie als Rechts-, Intermediär- und Linkstyp. In
Zusammenfassung 63
51,4% der Fälle dominierte der Rechtstyp, dessen erfolgreiche Kanülierung
nach der Entwicklung einer neuen Inklusiontechnik mit Hilfe eines gängigen
Katheters in 71% der Fälle gelang. Der Intermediär- und Linkstyp kam mit einer
Häufigkeit von 40% bzw 8,6% vor und konnte mit einer Erfolgsrate von 50%
bzw 16,7% kanüliert werden. Insgesamt konnte in unserer Studie in 56,7% der
Fälle eine erfolgreiche Kanülierung durchgeführt werden. Nach Entwicklung der
neuen Inklusiontechnik stieg diese auf 65,4%. Im Vergleich zu der gängigen
Punktionstechnik beim Hund, die je nach Erfahrung des Chirurgen in 50% der
Tiere erfolgreich ist, stellt das lymphatische System des Schweines nach
Einführung der neuen Inklusiontechnik kein Hindernis zur Untersuchung der
kardialen Lymphe mehr dar.
Weiterhin untersuchten wir an 21 Schweinen die durch die EKK bedingte
perioperative myokardiale Schädigung (PMS) und den Einfluß der
systemischen Perfusion auf die perioperative cTnI-Freisetzung und den
kardialen Lymphfluß. Der basale kardiale Lymphfluß betrug 3,4ml/h und
sistierte während der gesamten Ischämiezeit während des EKK, was zu einer
Flüssigkeitsakkumulation im Myokard führt. Nach Wiedereröffnung der Aorta
und in der postoperativen Phase kommt es zu einer 2-3 fachen Steigerung des
kardialen Lymphflußes, der in der normo- und tief hypothermen Gruppe am
ausgeprägtesten war und bis zur vierten Stunde nach Aortenwiedereröffnung
beobachtet wurde. Die ab der Reperfusionsphase deutlich sichtbare Blut-
beimischung in der sonst klaren Lymphflüssigkeit weist auf einen deutlichen
endothelialen Schaden des Kapillarbettes in allen Versuchsgruppen hin. Die
postoperative cTnI-Freisetzung in die kardiale Lymphe mit einem schnelleren
und stärkeren Anstieg als im koronarvenösen und arteriellen Blut zeigt die
unmittelbare Nähe dieses Mediums zum Myokard. Zusätzlich konnten wir durch
die hohe postoperative Zunahme der gemessenen cTnI-Konzentrationen eine
perioperative myokardiale Schädigung bedingt durch den Einsatz der EKK
nachweisen, die in der moderat hypothermen Gruppe das geringste Ausmaß
annahm und mit dem kleinsten postoperativen Bedarf von Katecholaminen
einherging.
Obwohl der Einfluß der Temperatur während des EKK in den drei Gruppen
keinen statistisch signifikanten Unterschied aufwies, scheint in unserem
Zusammenfassung 64
Experiment die Operation der Tiere unter moderater Hypothermie aufgrund des
geringeren postoperativen Lymphflußes, der niedrigeren cTnI-Freisetzung und
Katecholaminunterstützung die effektivste Myokardprotektion zu bieten.
Darüberhinaus denken wir, dass die kardiale Lymphe zur Untersuchung der
perioperativen myokardialen Schädigung durch den kardiospezifischen Marker
cTnI geeignet ist und die Veränderungen im myokardialen Interstitium sensitiver
widerspiegelt als arterielles und koronarvenöses Blut.
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Anhang 81
IX Anhang
Parameter Kontrolle AoX Rep 2h 4h 6h
MAP 75±24 60±6 54±5 66±8 71±9 72±12
ZVD 8±3 9±4 8±3 9±4 10±4 10±4
LAP - 8±3 9±4 10±2 12±3 12±3
PAP - 21±8 18±6 19±5 21±9 21±9
Gru
ppe
1 (3
7°)
HF (1/min) 126±12 0±0 132±1 133±2 141±21 125±15 MAP 62±16 55±5 53±10 72±9 75±12 82±10
ZVD 10±3 10±5 10±5 10±3 10±4 10±5
LAP - 8±3 8±3 10±4 10±3 10±4
PAP - 22±7 17±6 20±3 20±5 20±6
Gru
ppe
2 (2
8°)
HF (1/min) 129±13 0±0 128±1 118±1 117±17 128±20 MAP 65±23 59±9 53±10 68±17 75±15 70±25 ZVD 9±3 8±4 7±3 7±3 8±3 8±4
LAP - 8±6 9±5 6±4 7±4 9±6
PAP - 19±7 17±5 20±5 20±4 21±5
Gru
ppe
3 (2
0°)
HF (1/min) 135±17 0±0 118±2 105±1 109±20 117±17
Tabelle I: Hämodynamische Grunddaten (MW±SD). MAP: mittlerer arterieller Druck;
ZVD: zentralvenöser Druck; LAP: linksatrialer Durck; PAP: pulmonalarterieller
Druck; Alle Druckmessungen in mmHG.
Danksagung 82
Danksagung
Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn OA Dr. med. J.F. Vazquez-Jimenez,
dessen Idee, das kardiale lymphatische System des Herzens zu erforschen, die
Grundlage für alle hier präsentierten Ergebnisse, darstellt. Seine Geduld sowie
sein chirurgischer Einfallsreichtum ermöglichte erstmals die kardiale Lymphe
am Schweinemodell zu sammeln und auszuwerten. Er unterstützte mich in den
letzten vier Jahren in jeglichen Fragen mit hohem Engagement und brachte mir
die Grundlagen der Herzchirurgie bei, so daß wir eine produktives Team bilden
konnten.
Ebenso danke ich Frau Universitätsprofessorin Dr. med. M.C. Seghaye dafür,
dass sie mit ihrem enormen wissenschaftlichen Erfahrungsschatz in der
Forschung der systemischen Entzündungsreaktion unter Einsatz des EKK, mir
bei neuaufgetretenen Schwierigkeiten und Fragestellungen immer mit
hilfreichen Ratschlägen zur Seite stand. In diesem Zusammenhang möchte ich
auch besonders ihr Doktorandenteam (Fräulein S.Joeres und S.Lücking) und
Frau Dr. med. Ma Qing erwähnen, die bei allen Experimenten die perioperative
anästhesiologische Betreuung der Tiere durchführten. Ohne diese Gute
Zusammenarbeit wäre die Durchführung der Experimente nicht möglich
gewesen.
Meinen großen Dank möchte ich auch meinem jetzigen Chef Universitäts-
professor Dr. med. B.J. Messmer für seine jahrelange Unterstützung und
Bereitstellung des tierexperimentellen Operationsaales samt HLM-Maschine.
Diese wurde bei allen Experimenten durch den erfahrenen und stets gut
gelaunten Kardiotechniker Edgar Müller bedient.
Zuletzt möchte ich auch der gesamten Mannschaft des Tierversuchsabteilung
unter der Leitung von Herrn Universitätsprofessor Dr. med. vet. W. Küpper
danken die kompetent und engagiert bei der Betreuung der Tiere mithalfen.
Lebenslauf 83
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name: Liakopoulos Vorname: Oliver – Johannes Geburtsdatum: 19. Februar 1974 Geburtsort: Thessaloniki , Griechenland Familienstand: ledig Konfession: römisch-katholisch Eltern: Margret Carolina Liakopoulos, geb. Müggenborg Geb. 12.09.1940 Beruf: Bankkauffrau Pantelis Panagiotis Liakopoulos Geb. 16.08.1936 Beruf: Dipl.-Ing. für Maschinenbau Geschwister: Aris Pantelis Liakopoulos Geb. 15.10.1971 Beruf: Dipl.-Ing. für Architektur
Ausbildung
Schulausbildung: 1984-5.1993: Deutsche Schule Athen (Gymnasium/Abitur) Hochschulausbildung: September 1993: Immatrikulation und Studium an der medizinischen Fakultät der
RWTH-Aachen September 1995: Ablegen der Ärztliche Vorprüfung September 1996: Ablegen des 1. Abschnitts der ärztlichen Prüfung April 1999: Ablegen des 2. Abschnitts der ärztlichen Prüfung
Mai 2000: Ablegen des 3. Abschnitts der ärztlichen Prüfung Praktika und Famulaturen
Sept.94/Mär.95: Pflegepraktikum an der medizinischen Fakultät der Universität von Athen, Griechenland.
März/April 1997 Famulatur in der Intensivstation des Onassis Cardiac Surgery Centers in Athen, Griechenland. (Direktor: Prof. Dr. med. S. Geroulanos)
Feb./Mär.1997: Famulatur in der Klinik der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der RWTH- Aachen. (Leiter: Univ.-Prof. Dr. med. B.J. Messmer)
Aug/Sept.1997: Famulatur in der anästhesiologischen Abteilung des Hermann Hospitals an der Universität Houston in Texas, USA.
Zusätzliche experimentelle Tätigkeit im Zentrum für mikrovaskuläre und lymphatische Studien. (Direktor: Steven J. Allen M.D. Professor of Anesthesiology)
Lebenslauf 84
März/April 1998 Praxis-Famulatur in der internistischen Praxis von Dr. med. D. Vangis (Facharzt für Kardiologie und Angiologie), Athen Griechenland
PJ-Tertiale und AiP 1. Tertial Medizinische Kliniken I-IV der RWTH Aachen
(Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. C. Mattern) 2. Tertial Chirurgische Klinik der RWTH-Aachen (Direktor: Univ.-Prof. Dr. h.c. Dr. med. V. Schumpelick)
3. Tertial Wahlfach in der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der RWTH-Aachen. (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. B.J. Messmer)
Arzt im Praktikum Seit 1.7.2000 in der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der RWTH-Aachen. (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. B.J. Messmer)
Zusatztätigkeiten
Juni/Juli 1995: Tutor am Institut für Neuroanatomie der RWTH-Aachen; Sept.95–Feb.96: Tutor im makroskopisch - anatomischen Kurs der RWTH-Aachen Feb.97-April 98: stud. Hilfskraft im Lehrgebiet der Allgemeinmedizin; RWTH-
Aachen. Zusätzliche Netzwerkbetreuung in der Abteilung. (Leiterin: Prof. Dr. med. W. Kruse)
Seit März 1997: Tierexperimentelle Promotionsarbeit in der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der RWTH-Aachen über das kardiale lymphatische System und die systemische Entzündungsreaktion nach kardiopulmonalen Bypass am Schweinemodell in vivo.
Juli-Nov. 1997/ Pflegekraft in der operativen Abteilung der Thorax-, Herz- und April-Juli 1998: Gefäßchirurgie der RWTH-Aachen Okt.‘98-Sep.’99 Studentische Hilfskraft im Rahmen durch das START-Programm
geförderten Forschungsprojektes KARDIOLYMPH in der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der RWTH-Aachen. (Projektleiter: OA Dr. med. J.F. Vazquez-Jimenez)
Sprachkentnisse
Deutsch, Englisch, Griechisch (fließend in Wort und Schrift) großes Latinum