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Quote as: Grames, P.P.; Redlich, T.; Wulfsberg, J.P.: Erfolgsfaktoren unternehmensübergreifender Wertschöpfungskooperationen am Beispiel der fertigungstechnischen Industrie Deutschlands. ZWF 107 (2012) 9
Erfolgsfaktoren unternehmensübergreifender
Wertschöpfungskooperationen
Patrick Philipp Grames
Tobias Redlich
Jens Wulfsberg
Arbeitsgruppe Wertschöpfungssystematik
Laboratorium für Fertigungstechnik
Helmut Schmidt Universität
Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg
Quote as: Grames, P.P.; Redlich, T.; Wulfsberg, J.P.: Erfolgsfaktoren unternehmensübergreifender Wertschöpfungskooperationen am Beispiel der fertigungstechnischen Industrie Deutschlands. ZWF 107 (2012) 9
Kurzzusammenfassung
Mit dem vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer mehrstufigen empirischen
Untersuchung dargestellt. Ziel der Untersuchung ist es im Rahmen eines ersten Schritts Faktoren
für erfolgreiche Wertschöpfungskooperationen in der fertigungstechnischen Industrie in
Deutschland zu identifizieren. In einem zweiten Schritt werden mit Hilfe von Experteninterviews
Wirkzusammenhänge zwischen diesen Erfolgsfaktoren erfasst werden, um einen
Handlungsleitfaden für das Management in produzierenden Unternehmen zu etablieren.
Summary
This paper presents the results of a multi-stage empirical study focusing on co-operations
within the German manufacturing industry. The aim of this study is to identify success
factors of value co-creation in a first step. In a second step, the relationship between these
factors will be evaluated by using expert interviews to establish guidelines to value co-
creation for the management in manufacturing companies.
Überblick
Der vorliegende Beitrag schlägt eine Brücke zwischen den Themengebieten
„Unternehmensnetzwerke“ und „interaktive Wertschöpfung“. Bei beiden handelt es sich zwar um
theoretisch erforschte und praktisch belegte Konstrukte, die jedoch im Zusammenhang und vor
allem mit dem speziellen Fokus auf die fertigungstechnische Industrie in Deutschland noch nicht
analysiert worden sind.
Vor diesem Hintergrund soll der organisatorische Rahmen von Unternehmensnetzwerken als
Basisinstitution oder Aufbauorganisation angesehen werden. Darin eingebettet wird das Konzept
der interaktiven Wertschöpfung betrachtet. Ihre Prinzipien sollen als Handlungsrahmen dienen und
ihre Vorteile als Chance für die künftige Zusammenarbeit von Unternehmen analysiert werden. Die
interaktive Wertschöpfung bildet damit die Ablauforganisation. Anschließend sollen beide
Konstrukte miteinander verknüpft werden.
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Dazu wurden Faktoren definiert, die den Erfolg von Unternehmenskooperationen mitbestimmen,
die ihren inhaltlichen Ursprung aber im Themenkomplex der interaktiven Wertschöpfung haben.
Diese Erfolgsfaktoren wurden dann mittels einer Ranking-Skala durch 71 fachkundige Befragte nach
ihrer Bedeutsamkeit für den Wertschöpfungserfolg geordnet.
Langfristiges Ziel ist es herauszufinden, ob die Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung auch in
einer von Konkurrenzkämpfen bestimmten Wirklichkeit, der in Netzwerken wirtschaftenden
Unternehmen, Bestand haben können. In einem Folgebeitrag werden daher weniger die
Erfolgsfaktoren selbst, als deren Beziehungen untereinander untersucht. Dabei soll die Frage
beantwortet werden, welche Faktoren sich direkt auf den Kooperationserfolg auswirken und in
welchem Beziehungsgeflecht sich verschiedene Faktoren untereinander beeinflussen. Als Ergebnis
wird dann ein Handlungsleitfaden für die erfolgreiche Etablierung von
Wertschöpfungskooperationen in der fertigungstechnischen Industrie präsentiert.
Interaktive Wertschöpfung
Für produzierende Unternehmen ist die Kooperation mit brancheninternen, aber auch
branchenexternen Partnern heute ein wichtiger und etablierter Bestandteil ihres
unternehmerischen Alltags [1].
Viele Untersuchungen beleuchten im Speziellen die Möglichkeiten der Offenheit von Unternehmen
und der interaktiven Wertschöpfung [2,3,4]. Der überwiegende Teil der Veröffentlichungen bezieht
sich jedoch auf die Entwicklung innovativer Produkte, also auf die Anfangsphase jeder
Wertschöpfungskette (BILD 1). Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Phase finden
Unternehmen aber häufig keine Verwendung mehr für die etablierte Kooperationsbeziehung.
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BILD 1 – Interaktive Wertschöpfungskette
Es sollte aber angestrebt werden, über die Entwicklungsphase hinaus, während Produktion und
Vertrieb, weiterhin die Kooperation von Unternehmen aufrecht zu erhalten, um Wissensverlust
nahezu gänzlich abzufangen und ihn in interorganisationale Erfahrung umzuleiten. Die seit etwa
einer Dekade etablierte Forschung zu Open Innovation [5] und interaktiver Wertschöpfung [6] ist
noch jung. In dieser kurzen Zeit hat man sich vornehmlich auf das Potential der Systematiken
konzentriert, das zwischen Unternehmen und verbrauchendem Endkunden generiert werden kann.
Ein Unternehmer der fertigungstechnischen Industrie, der die angesprochenen Vorteile aber selbst
als „Kunde“ seiner Zulieferer nutzen will, das Potential der interaktiven Wertschöpfung also
„upstream“ verschieben will (BILD 2), findet derzeit keinen praktischen Anwendungsleitfaden, der
ihm dabei hilft diese Prinzipien über die Entwicklungsphase hinaus in seinen laufenden Betrieb zu
implementieren.
BILD 2 – Zuliefererpyramide
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Erfolgsfaktoren
Bei Erfolgsfaktoren handelt es sich um Einflussgrößen, die „den Erfolg eines Geschäfts beeinflussen.
[...] Erfolgsfaktoren können produktspezifisch oder branchenspezifisch sein“ [7]. Im hier
untersuchten Kontext soll es bekanntermaßen um „unternehmensübergreifende
Wertschöpfungskooperationen“ als Untersuchungsobjekt gehen. Sie stellen das
branchenspezifische „Geschäft“ dar, das Gausemeier et al. Beschreiben [7]. Erfolgsfaktoren sind
demnach als Teil des gesamten Erfolges eines Geschäfts oder einer Strategie zu sehen. Tritt ein
Erfolgsfaktor ein, so wird es wahrscheinlicher, dass auch die Entwicklung der Erfolgsdimension, der
er zugeordnet ist, positiv verläuft.
Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der Erfolgsfaktoren von
unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskooperationen.
Vorgehen
Dass Vorgehen lässt sich in drei Phasen aufgliedern. In der ersten Phase wurden potentielle
Erfolgsfaktoren aus der relevanten Literatur exzerpiert. Durch anschließende Brainstormingrunden
in der Forschungsgruppe wurden insgesamt 91 voneinander differenzierbare Faktoren definiert.
Diese wurden thematischen Kategorien (Wirtschaft, Technik, Ideologie, Gesellschaft und Recht) und
Erfolgsdimensionen (Zulieferererfolg, Produkterfolg und Abnehmererfolg) zugeordnet.
Aus Gründen der Operationalisierbarkeit wurde die Datenbasis von 91 Erfolgsfaktoren in der
zweiten Phase allerdings auf 24 reduziert (BILD 3). Hierzu konnten eine qualitative Vorstudie [8]
und Grundsatzliteratur [3] genutzt werden, um die Erfolgsfaktoren frühzeitig auf die vermeintlich
Bedeutsamsten einzugrenzen.
In der dritten Phase wurde im Rahmen einer Onlinebefragung die Bedeutsamkeit der einzelnen
Erfolgsfaktoren untersucht. Dazu wurde die Methode der Ranking-Skala gewählt. Hierbei wird der
Befragte dazu genötigt, mehrere Begriffe nach deren Bedeutsamkeit in eine Rangfolge zu bringen,
ohne, dass dazu Rangplätze doppelt vergeben werden können (Forced-Choice). Dadurch wird im
Gegensatz zu üblichen Bewertungsskalen verhindert, dass sich bestimmte Antwortmuster
einstellen (wie z.B. durchgehend hohe Bewertungen), die etwa auf kognitive Überforderung oder
Desinteresse zurückgeführt werden können.
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BILD 3 – Untersuchte Erfolgsfaktoren
Der Online-Fragebogen beinhaltete insgesamt sechs Ranking-Aufgaben. Bei diesen sollten die fünf
bzw. vier Erfolgsfaktoren der jeweiligen Kategorien Wirtschaft, Technik, Ideologie, Gesellschaft und
Recht nach ihrer vermuteten Bedeutsamkeit für den Erfolg der Wertschöpfungskooperation sortiert
werden. Die letzte Aufgabe verlangte dann ein Ranking der fünf Kategorien selbst.
Die Adressaten des Onlinefragebogens waren insgesamt 1492 Studierende wirtschafts- und
ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge. Mit insgesamt 71 fertiggestellten Fragebögen lag die
Rückläuferquote bei knapp 5%.
Ergebnisse und Diskussion
Durch die Anwendung der Ranking-Skala und der „Forced-Choice-Idee“ ergab sich, dass bei den
späteren Ergebnissen jeder Rangplatz in jeder Kategorie genau einmal vergeben sein wird. Es
konnte also eine Aussage über die Bedeutsamkeit der Erfolgsfaktoren innerhalb jeder Kategorie
getroffen werden. Im letzten Teil der Befragung wurde zusätzlich abschließend die unterschiedliche
Bedeutung der einzelnen Kategorien abgefragt (BILD 4).
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BILD 4 – Ergebnis des Rankings der Kategorien von Erfolgsfaktoren
Die Online-Befragung ergab, dass die wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren die größte Bedeutung
aufweisen (2,097 Punkte). Dicht gefolgt von den technischen Erfolgsfaktoren (2,528 Punkte). Die
ideologischen Erfolgsfaktoren liegen mit 2,806 Punkten allerdings noch dichter an den technischen
Faktoren. Dies lässt die Beurteilung zu, dass die wirtschaftlichen, technischen und ideologischen
Erfolgsfaktoren den deutlich größten Anteil am Erfolg von unternehmensübergreifenden
Wertschöpfungskooperationen ausmachen. Unternehmen sollten versuchen Erfolgsfaktoren aus
diesen drei Kategorien in ihren Alltag und in die Geschäftsbeziehung mit ihren Kooperationspartner
einzubeziehen. Unter Berücksichtigung der Standardabweichung können außerdem die
gesellschaftlichen Erfolgsfaktoren als relativ bedeutsam aufgefasst werden. Hier ist eine
Beurteilung der Erfolgsfaktoren nach der reinen Bedeutsamkeit ihrer Kategorie nicht hinreichend.
Die rechtlichen Erfolgsfaktoren sind mit einem Punktwert von 4,014 deutlich auf den letzten Rang.
Auch unter Berücksichtigung der vollen Standardabweichung würden sie maximal auf den vierten
Rang vorrücken können.
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Nach Auswertung aller Ergebnisse war jeder der 24 Erfolgsfaktoren mit einem kategorieinternen
Punktewert und damit auch Rangplatz versehen. Wie zu erwarten war, wiesen die beiden ersten
Plätze zweier verschiedener Kategorien sehr ähnliche Punktwerte auf. Dies machte eine
interkategorieelle Vergleichbarkeit kaum stichhaltig möglich. Es wurde sich deshalb für eine
Gewichtung der Erfolgsfaktoren entschieden. Der Punktwert jedes Erfolgsfaktors wurde mit dem
Punktwert seiner jeweiligen Kategorie multipliziert. Das Ergebnis ist ein gewichtetes Gesamtranking
der 24 Erfolgsfaktoren, was eine Vergleichbarkeit über die Kategoriengrenzen hinweg ermöglicht
(BILD 5).
BILD 5 – Ergebnis des gewichteten Rankings der Erfolgsfaktoren
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Wirtschaftliche Erfolgsfaktoren
Die Kategorie der wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren ist geprägt von sehr nahe beieinander liegenden
Ergebnissen. Die fünf Faktoren weisen lediglich eine Spannweite (Range) von R=1,208 Punkten auf.
Durch die Erfolgsfaktoren „Aussicht des Zulieferers auf Senkung hoher Forschungs- und
Entwicklungskosten“ (2,528) und „Chance beider Beteiligten auf Senkung hoher Kosten für den
Informationsaustausch“ (2,625) zeichnet sich eine klare Konzentration auf das
Kostensenkungspotential ab, das von interaktiver Wertschöpfung und von
unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskooperationen ausgeht.
Technische Erfolgsfaktoren
Mit den Erfolgsfaktoren „gute Möglichkeit des Zugriffs auf externes Fachwissen“ (2,389) und „hohe
Modularität der Produkte“ (2,625) wurden zwei Kernelemente der interaktiven Wertschöpfung als
bedeutsamste Faktoren ausgezeichnet. Als Treiber und Motivation zur Realisierung von Projekten
der interaktiven Wertschöpfung dienen sie einer zielführenden Gestaltung
unternehmensübergreifender Wertschöpfungskooperationen.
Ideologische Erfolgsfaktoren
Eine „ausgeprägte Kommunikationskultur“ (2,472) ist ein weiteres Basiselement interaktiver
Wertschöpfungsvorhaben. Es ist darüber hinaus überraschend, dass die Befragten nicht davon
ausgehen, dass es besonders wichtig sei, dass ein Unternehmer eine „hohe Bereitschaft zur
Veränderung des traditionellen Unternehmensverständnisses“ (3,667 Punkte) haben.
Gesellschaftliche Erfolgsfaktoren
Die Befragten sind davon überzeugt, dass eine „hohe Motivation aller Beteiligten an einer
Unternehmenszusammenarbeit mitzuwirken“ (2,306) einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist.
Weiterhin wird eine „hohe inhaltliche Qualität der Beiträge der Beteiligten“ (2,509) als sehr
bedeutsam empfunden. Es wird deutlich, dass die Befragten einer rein quantitativ hohen
Beteiligung durch „Vorschlagsfluten“ misstrauen und fundierte Kooperation erwarten. Dies wird
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auch durch einen soliden Abstand zwischen dem Punktwert dieser beiden Erfolgsfaktoren und dem
Rest der Kategorie belegt.
Rechtliche Erfolgsfaktoren
Die „gute Möglichkeit zum Abschluss ‚lückenloser‘ Verträge“ (1,944) wird neben der „guten
Möglichkeit der Durchsetzung von Patent- und Urheberrechten“ (2,215) als wesentlich wichtiger
angesehen, als die reine Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Gesetze (2,722 bzw. 3,208).
Gewichtetes Gesamtranking
Mit einer Gewichtung sollen die Erfolgsfaktoren auch interkategoriell beurteilt und ausgewertet
werden können. Dadurch kann eine Diskriminierung einer besonders bedeutsamen Kategorie, die
besonders viele bedeutsame Erfolgsfaktoren enthält, gegenüber einer Kategorie, die allgemein als
weniger bedeutsam gilt ausgeschlossen werden. Der durchschnittliche Punktwert jedes
Erfolgsfaktors wird daher mit dem durchschnittlichen Punktwert seiner Kategorie multipliziert und
damit gewichtet. Trotz dieser Gewichtung, die das Gesamtergebnis übersichtlich und auswertbar
gestalten soll (BILD 5), liegen bei einer solchen Zusammenlegung von identischen Skalen und fünf
sehr ähnlichen Verteilungen der Punktwerte auf den Skalen die Werte zwangsläufig sehr nah
beieinander. Dies schmälert die Aussagekraft einer eindimensionalen Skala etwas. Allerdings lassen
sich mit der vorliegenden Untersuchung sehr gute tendenzielle Aussagen bezüglich des Kontinuums
der bedeutsameren und unbedeutenderen Erfolgsfaktoren treffen. Bei eingehender Analyse des
gewichteten Gesamtrankings fällt auf, dass die Rangplätze eins bis sieben ihrem jeweiligen direkten
Nachbaren gegenüber höchstens eine Differenz von 0,596 Punkten aufweisen. Zum achten Rang
hingegen weist der Siebte eine Differenz von 0,825 Punkten auf. Die sieben ersten Erfolgsfaktoren
bilden eine gebündelte Spitzengruppe und gelten damit als Schlüsselfaktoren (BILD 6). Sie sind es,
die den Erfolg einer unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskooperation direkt bedingen.
Wenn es einem Unternehmen möglich ist seine Rahmenbedingungen durch eigenes Handeln so zu
verändern, dass das Auftreten eines oder mehrerer dieser Schlüsselfaktoren begünstigt wird, so
kann nun prognostiziert werden, dass die gesamte unternehmensübergreifende
Wertschöpfungskooperation in allen drei Dimensionen (Erfolg des Zulieferers, Erfolg des Produkts,
Erfolg des Abnehmers) ein Erfolg sein wird.
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BILD 6 – Systematik der Erfolgsfaktoren
Als zweiter von drei zusammenhängenden Blöcken konnten die Erfolgsfaktoren der Ränge acht bis
einschließlich 18 identifiziert werden. Sie stellen die Leistungsfaktoren des Kooperationserfolgs dar,
die zwar nie unentbehrlich sind, aber dennoch wichtige Treiber darstellen. Auch sie zeichnen sich
durch geringe interne Punktwertdifferenzen (max. 0,549 Punkte) und größere Lücken zu den
anderen beiden Blöcken aus (1,124 Punkte von Rang 18 auf 19). Zum dritten Block zählen die
Erfolgsfaktoren der Ränge 19 bis 24. Sie bilden den Grundstock des Wertschöpfungserfolgs, der
zwar nicht von ihnen bestimmt wird, aber trotzdem von ihnen ausgehen kann.
Die Standardabweichung
Die über alle Erfolgsfaktoren gemittelte Standardabweichung liegt bei SD = 1,12 Punkten. Für
Punktwerte die nur zwischen 1,0 und 5,0 liegen können, lässt sich also von rund einem Fünftel
Standardabweichung sprechen. Anders formuliert bedeutet dies, dass jeder Erfolgsfaktor
möglicherweise, wenn auch nur knapp, einen Rangplatz höher oder tiefer liegen könnte.
Die Ursachen dafür können vielfältig sein. Natürlich besteht zunächst die Möglichkeit, dass die
Meinungen bezüglich der Bedeutsamkeit der Erfolgsfaktoren tatsächlich sehr pluralistisch sind. Es
muss aber konstatiert werden, dass die Onlinebefragung ein durchaus komplexes Themenfeld
behandelt hat. Es kann hierbei niemals kontrolliert werden mit welcher Sorgfalt ein Teilnehmer
gearbeitet hat. Letztlich bleibt noch zu vermuten, dass eine Stichprobe von mehr als 71
fertiggestellten Fragebögen bei einem derart komplexen Themenfeld sicherlich zu stärkeren
Meinungsschwerpunkten geführt hätte.
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Ausblick
Aus der Interpretation der dargestellten Ergebnisse ergeben sich zahlreiche Implikationen für
weitere Forschungsvorhaben. Es ist deutlich geworden, dass Erfolgsfaktoren ein probates Mittel
sind, um Erfolg von unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskooperationen zu beschreiben
und zu prognostizieren. Als wichtigste Aufgabe für zukünftige Forschung an der Schnittstelle der
interaktiven
Wertschöpfung und der Unternehmenskooperationen ist die Analyse einer hier aufgeworfenen
Theorie zu verorten. Diese unterstellt erstens eine direkte Beeinflussung des Kooperationserfolgs
durch einige Erfolgsfaktoren und zweitens eine gegenseitige Beeinflussung der Erfolgsfaktoren
untereinander, was einer indirekten Wirkung auf den Kooperationserfolg gleichkäme. Zukünftiges
Forschungsziel ist daher eine detaillierte Aufstellung der wechselseitigen Beziehungen
der Erfolgsfaktoren. Um diese Beziehungen zu analysieren sollte jedoch Expertise von Praktikern
aus der fertigenden Industrie mit einbezogen werden, die in funktionierenden
Unternehmensnetzwerken verankert sind und deshalb auch fundiert über die dort ablaufenden
Prozesse Auskunft geben können.
Zusammenfassung
Die Diskussion der Ergebnisse lässt den Schluss zu, dass sich unter konsequenter Nutzung der
interaktiven Wertschöpfung zwischen Unternehmen eine Kommunikations- und Kooperationskultur
etablieren lässt, die für eine erhebliche Steigerung der Nettowertschöpfung von
Wertschöpfungssystemen sorgen kann. Es wurden 91 Erfolgsfaktoren von
unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskooperationen identifiziert, von denen 24 näher
untersucht wurden. Dazu wurden sie in fünf Kategorien und drei Erfolgsdimensionen unterteilt. Es
konnte gezeigt werden, dass es sieben Erfolgsfaktoren gibt, die als besonders bedeutsame
Schlüsselfaktoren auf den Erfolg unternehmensübergreifender Wertschöpfungskooperationen
wirken.
Das langfristige Ziel dieser Untersuchung ist die Erstellung eines Leitfadens für die Durchführung
erfolgreicher unternehmensübergreifender Wertschöpfungskooperationen, der in einem späteren
Beitrag vorgestellt werden wird.
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Literatur
[1] Koller, H.; Langmann, C.; Untiedt, H.M. : Das Management von Innovationsnetzwerken in
verschiedenen Phasen. Erkenntnisse und offene Forschungsfragen. In: Wojda, F., Barth, A. (Hrsg.):
Innovative Kooperationsnetzwerke. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2006
[2] Sydow, J.; Möllering, G.: Produktion in Netzwerken. Make, buy & cooperate. 1. Aufl., Vahlen,
München 2004
[3] Redlich, T.; Wulfsberg, J.P.: Wertschöpfung in der Bottom-up-Ökonomie. 1. Aufl., Springer,
Berlin, 2011
[4] Redlich, T.; Wulfsberg, J.P.; Bruhns, F.-L.: Open production: scientific foundation for co-creative
product realization. Production Engineering Research and Development 5 (2011) 2, S. 127-139
[5] Chesbrough, H.W.: Open innovation. The new imperative for creating and profiting
from technology. 1. Aufl., Harvard Business School Press, Boston 2003
[6] Reichwald, R.; Piller, F.T.: Interaktive Wertschöpfung. Open Innovation, Individualisierung und
neue Formen der Arbeitsteilung. 1. Aufl., Gabler Verlag, Wiesbaden 2006
[7] Gausemeier, J.; Ebbesmeyer, P.; Kallmeyer, F.: Produktinnovation. Strategische Planung und
Entwicklung der Produkte von morgen. 1. Aufl., Carl Hanser Verlag, München 2001
[8] Grames, P.P.; Redlich,T.; Wulfsberg, J.P.: Open Source Hardware. Wie interaktive
Wertschöpfung traditionelle Produktionssysteme revolutioniert. ZWF 106 (2011) 5, S. 314-320
Autorenprofile
B.Sc. Patrick Philipp Grames, Jahrgang 1986, studiert Wirtschaftsingenieurwesen im
Masterstudiengang mit der Studienrichtung Produktentstehung/Produktion an der Helmut-
Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Am Laboratorium
Fertigungstechnik dieser Universität fertigt er derzeit seine Master-Abschlussarbeit zum
Thema „Handlungsleitfaden für das Management in Unternehmenskooperationen“ in
Quote as: Grames, P.P.; Redlich, T.; Wulfsberg, J.P.: Erfolgsfaktoren unternehmensübergreifender Wertschöpfungskooperationen am Beispiel der fertigungstechnischen Industrie Deutschlands. ZWF 107 (2012) 9
Zusammenarbeit mit A. T. Kearney und verschiedenen Unternehmen des Luftfahrtclusters
Metropolregion Hamburg e.V. an.
Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Tobias Redlich, studierte an der Helmut-Schmidt-
Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg Wirtschaftsingenieurwesen mit der
Vertiefungsrichtung Fertigungstechnik. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Laboratorium Fertigungstechnik dieser Universität tätig und wurde dort 2010 promoviert.
Seitdem ist er Dozent für Mathematik, Elektrotechnik und Mechanik an der Technischen
Schule des Heeres in Aachen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der
Wertschöpfungssystematik und der Untersuchung von Auswirkungen neuer
Wertschöpfungsmuster auf die Produktionstechnik und das Produktionsmanagement.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jens P. Wulfsberg ist Leiter des Laboratoriums Fertigungstechnik und
Vizepräsident für Forschung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Er studierte
Maschinenbau an der Universität Hannover mit dem Schwerpunkt Produktionstechnik und
promovierte dort zum Dr.-Ing. Von 1991 bis 2001 hat er die Abteilung „Entwicklung,
Konstruktion und Technologie“ der Olympus Winter & Ibe GmbH in Hamburg geleitet. Die
Forschungsschwerpunkte am LaFT sind die Bereiche Mikroproduktion,
Wertschöpfungssystematik sowie Fertigungsautomation und Robotik