Post on 31-Dec-2016
transcript
Neurophysiol. Lab. 36 (2014) 33–38
Online verfügbar unterwww.sciencedirect.com
ScienceDirect
FALLBERICHT/CASE REPORT
Differentialdiagnostische Überlegungen beieiner TGA (transitorisch-globale Amnesie)
Differential diagnostic considerations in TGA(transient global amnesia)
Volker Milnik
St. Augustinus Krankenhaus Düren, Neurologische Klinik,Renkerstraße 45, 52355 Düren
Online verfügbar seit 25. November 2013
Zusammenfassung
Die Ursache der TGA ist nicht bekannt. Die Patienten klagen häufig über Kopfschmerzen und Übel-keit, häufig lassen sich psychische oder emotionale Faktoren als ,,Auslöser“ nachweisen. Die Patientensind hierbei wach und ansprechbar, wirken meist ratlos und fragen stereotyp. Gedächtnisinhaltekönnen erst nach einigen Stunden allmählich gespeichert werden. Da hier eine diffuse Bewusstseins-trübung vorliegt, muss differentialdiagnostisch auch an komplex-partielle Anfälle gedacht werden.
Schlüsselwörter: TGA; EEG; komplex-partielle Anfälle
Summary
The cause of TGA is unknown. Patients often complain of headaches and nausea, mental oremotional factors can be proren to trigger TGA. The patients are awake and responsive, seem mostperplexed and ask stereotype questions. Memory contents can be saved only gradually after a fewhours. Since fugue is present in TGA patients complex partial seizures should not be disregarded.
Keywords: TGA; EEG; complex partial seizures
Die Mechanismen der transient globalen Anmesie TGA sindnicht geklärt
Durch Schädigung des Hippocampus kommt es normalerweise zum amnes-tischen Syndrom mit anterograder und gleichzeitig vorliegender retrograderAmnesie ohne weitere neurologische Defizite. Bei akuten Schädigungen können
E-mail: Vmilnik.sak-dn@ct-west.dehttp://dx.doi.org/10.1016/j.neulab.2013.11.004
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Desorientierung, Verwirrtheit, Verhaltensauffälligkeiten und epileptische Anfälleauftreten (7).
Sedlaczek et al. [3] fanden im Diffusions MRI punktförmige Läsionen imlateralen Anteil des Hippokampus. Ischämische Schädigungen aber auch Medi-kamentennebenwirkungen und extreme Stresssituationen [2] können eine TGAverursachen. Ein akuter Beginn mit immer wieder den gleichen Fragen des Pati-enten mit einer Anmesie und schlechtem Wiedererkennen ergibt bei normalersomatischer Untersuchung am wahrscheinlichsten den Verdacht auf eine TGA.Während der Akutphase nehmen die Patienten ihren Gedächtnissausfall nichtwahr und wirken oft ratlos, irritiert und verängstigt (7). Oftmals ist eine Diffe-renzierung zu einem Anfallsleiden nur durch Bildgebung und EEG möglich.
Bei einfachen partiellen, motorischen wie somatosensorischen Anfällen bleibtdie fokale Erregungssteigerung eingegrenzt, sie kann sich aber auch sukzessivin benachbarte Hirnrindenareale ausbreiten. Bei abnormen Rhythmisierungenfokaler iktualer Erregungsteigerungen haben wahrscheinlich auch rückkop-pelnde benachbarte Kortexareale einen Anteil daran [4]. Bei Patienten mitkomplexen partiellen Anfällen werden iktuale Phänomene im Oberflächen EEGmit niedriger Frequenz im ϑ - � Bereich beobachtet. Hier liegen temporobasaloder frontobasal lokalisierte Herde zugrunde. Mesiotemporale Anfälle (Hippo-kampusregion) zeichnen sich oft durch langsame Rhythmisierungen aus [1]. Hiervariiert das EEG Wellenbild, oft werden moduliert polymorphe �-Wellen beob-achtet. Bei solch einer EEG Aktivität sollte immer an einen tiefliegenden Prozeßgedacht werden.
Kasuistik
Anamnese: Nach stationärer Aufnahme beklagte der Patient (männlich, 64Jahre) Nachmittags plötzlich über Erinnerungsstörungen. Er habe sich anGespräche und das Fernsehprogramm nicht mehr erinnern können. Er habeimmer wieder die gleichen Sachen fragen müssen. Ansonsten seien ihm keineAusfälle oder Beschwerden aufgefallen. Es habe sich um das erste Ereignis dieserArt gehandelt.
An Vorerkrankungen berichtete der Patient über eine bestehende Hypertonie,über einen Zustand nach Leistenbruch-Op. sowie einen Zustand nach Augen-operation rechtsseitig.
Neurologischer Befund: Bei der körperlichen Untersuchung fand sich keinMeningismus, der Hirnnervenbefund war unauffällig. Es waren keine Sen-sibilitätsstörungen nachweisbar. Die Koordination und Motorik war bis aufeine geringe sensible Ataxie unauffällig. Die Muskeleigenreflexe ließen sichseitengleich mittellebhaft auslösen bis auf einen bds. abgeschwächten Achil-lessehnenreflex. Es waren keine Pyramidenbahnzeichen nachweisbar. Weiterhinwaren keine zentralen oder peripheren Paresen nachweisbar.
Psychischer Befund: Der Patient war wach, vollständig orientiert, insgesamtetwas verlangsamt wirkend mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses. Ansons-ten ergab sich ein unauffälliger psychischer Befund. Internistisch-klinischer
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Abb. 1. Subakutes Infarktareal im rechtsseitigen Hypocampus
Befund: Bei der internistischen Untersuchung ergaben sich keine Auffällig-keiten außer einem erhöhten Blutdruck, dieser lag in der Aufnahmesituationbei 185/90 mmHg, später auf der Station bei 130/80 mmHg. Der Puls warunauffällig, es zeigte sich keine Temperaturerhöhung.
Aufgrund der Anamneseschilderung und der körperlichen Befunde wurdedie Verdachtsdiagnose einer TGA (transitorisch-globale Amnesie) gestellt. Beider kernspintomographischen Untersuchung des Gehirns wurde ein subakutesInfarktareal im rechtsseitigen Hippokampus gefunden (Abb. 1a und b).
Dieser Befund wurde durch eine Kontroll-Untersuchungbestätigt
Es wurden mehrere EEGs durchgeführt. Das iktuale EEG zeigte eine rhythmi-sierende �-Aktivität von 3-4/s bitemporal beidseits mit Projektion bis frontal undparasaggital Abb. 2 und 3). Bei längerer Ablenkzeit lässt sich das Dekrement derEntladungsfrequenz deutlich erkennen (Abb. 4).
Nach medikamentöser Einstellung konnte 10 Tage später ein unauffälliges�-EEG abgeleitet werden Abb. 5).
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Abb. 2. Diskontinuierlich frontal betonte ϑ-� Tätigigkeit, die auch an einen Zwinkerartefakt denkenlässt
Abb. 3. Das iktuale EEG zeigte eine rhythmisierende �-Aktivität von 3-4/s bitemporal beidseits mitProjektion bis frontal und parasaggital
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Abb. 4. Iktales EEG mit langsamerer Registriergeschwindigkeit. Hier erst wird das Crecendo derAnfallsentwicklung verdeutlicht
Abb. 5. Nach antiepileptischer Einstellung zeigt sich 10 Tage später ein unauffälliges Alfa EEG
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Konsequenzen aus der elektrophysiologischen Diagnostik
Generell sind Anamnese und klinischer Befund richtungsweisend für dieDiagnose. Bei unklaren Patientenangaben sollten generell die differentialdiagnos-tischen Überlegungen ausgeweitet werden. Mit Hilfe der EEG Untersuchungenkonnte letztendlich die Diagnose sichergestellt werden. Dies zeigt den immernoch aktuellen Stellenwert qualitativ hochwertiger EEG Ableitungen.
Danksagung
Ich danke Herrn Dr. med. Martin Steinhoff, Chefarzt der Radiologie des St.Augustinus Krankenhauses Düren, für die Überlassung der MRT Aufnahmen.
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
[1] A. Ebner, M. Hoppe, Noninvasive electroencephalography and mesial temporal sclerosis, J ClinNeurophysiol. 12 (1995) 23–31.
[2] J.R. Hodges, Transient amnesia. Clinical and neurophysiological aspects, Saunders, London,1991.
[3] O. Sedlaczek, J.G. Hirsch, E. Grips, C.N. Peters, A. Gass, J. Wohrle, et al., Detection of delayedfocal MR changes in the lateral hippocampus in transient global amnesia, Neurology 62 (2004)2165–2170.
[4] Zschocke, S. Klinische Elektroenzephalographie, 2 Auflage (2002) Spinger Verlag Heidelberg.