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Die räumliche Mobilität von Arbeitslosen
in Westdeutschland.
Ergebnisse aus dem Projekt P5 – Flexibilisierungspotenziale heterogener regionaler
Arbeitsmärkte durch räumliche Mobilität.
DFG-Arbeitstreffen, Mannheim 17.03.2005Melanie Arntz und Prof. Dr. Horst Entorf
Agenda1. Motivation und Fragestellung2. Theoretischer Ansatz: Mehr-Regionen Suchmodell3. Daten 4. Methodischer Ansatz:
Verweildauermodell mit konkurrierenden Risiken5. Ergebnisse
– Mobilitätseffekte individueller Charakteristika– Mobilitätseffekte regionaler Bedingungen– Mobilität und Arbeitslosigkeitsdauer
6. Fazit und Ausblick
1. Motivation und Fragestellung
• Räumliche Mobilität von Arbeitskräften wichtig für Ausgleich regionaler Ungleichgewichte nach regionalen Schocks in den USA– Blanchard und Katz (1992)
• Räumliche Mobilität von Arbeitskräften in Europa/Deutschland ebenfalls wichtiger, jedoch langsamer Anpassungsmechanismus – Decressin und Fatás (1995), Möller (1995)– Decressin (1994), Puhani (1999)
• Evidenz für Westdeutschland zu individuellem Migrationsverhalten– Windzio (2004)
• Abhängigkeit der Effektivität räumlicher Mobilität von individuellen Migrationsverhalten
• Fokus auf dem Migrationsverhalten der Gruppe der Arbeitslosen
• Int. Studien zur Mobilität von Arbeitslosen: – Kettunen (2002)– Yankow (2002)
•Fragestellungen:
– Wählen Arbeitslose Suchstrategien, die eine Abwanderung aus Regionen mit ungünstigen Wiederbeschäftigungschancen begünstigen?
– Wie beeinflussen institutionelle Faktoren diese Suchstrategien? Führt eine extensive aktive Arbeitsmarktpolitik in der Region zu einem Locking-in Effekt?
– Westerlund, 1997/1998
– Fredriksson, 1999
2. Mehr-Regionen Suchmodell(vgl. Damm und Rosholm 2003, Thomas 1998)
• Suche über zwei Teilmärkte k = d(istant), l(ocal)
• Der Arbeitssuchende behält einen Job für immer
• Lohnangebote beider Teilmärkte werden aus bekannten Lohnverteilungen fk(w,t) gezogen
• Ein Lohnangebot in k erfolgt mit einer Wahr-scheinlichkeit k(ek,t) als steigende und konkave Funktion der Suchanstrengung ek in k, el+ek = 1
• Arbeitssuchender maximiert den erwarteten Gegenwartwert der Jobsuche durch Wahl von wk
r und ek
Wahl des Reservationslohns:
Gegenwartswert der Arbeitssuche:
Allokation der Suchanstrengungen:
Veränderung in l (z.B. regionaler Schock) bewirkt Veränderung von ed !
Die Wahrscheinlichkeit eines Abgangs aus Arbeitslosigkeit in den Teilmarkt k in t ist nun:
mit hl als lokalem Abgangshazard und hd als Migrationshazard.
Hypothesen: Lokale Arbeitsmarktbedingungen
verändern hd durch eine Verschiebung der Suchallokation
Lokale Arbeitsmarktprogramme (ABM, FbW) reduzieren hd durch eine Reduktion der Suchintensität in d
3. DatenIAB Beschäftigtenstichprobe 1975-1997 – regional
– Registerdatensatz mit Beschäftigungsspells und Informationen über Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld
– 1%ige Stichprobe der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (keine Beamten, Selbstständigen etc.)
– ~500.000 westdeutsche Individuen im Zeitraum
– Großer Datensatz, relativ wenige Variablen
- Inf. zur Mikrozensusregion des Arbeitsplatzes– Information vor und nach einem
Arbeitslosig-keitsspell für die Unterscheidung zwischen lokalem Abgang und Migration
– Def. Migration: Arbeitsaufnahme in einer anderen als der eigenen oder benachbarten Arbeitsmarktregion
- Sample (vgl. Lüdemann et al., 2004):– Westdeutsche Arbeitslosigkeitsspells (ohne
West-Berlin) zwischen 1982 und 1995– Alter zu Beginn der Arbeitslosigkeit 26-41
Jahre
Nachteil 1: Keine registrierte Arbeitslosigkeit
Notwendigkeit eines Proxies für registrierte Arbeitslosigkeit (Fitzenberger/Wilke, 2004)
Verwendung des Proxies von Lee/Wilke (2005):
B T T B
t
4 Wochen 4 (6)Wochen
4 Wochen Abgang in l/d≥ 4 Wochen Zensierung
Insgesamt 80,360 Spells, 27.7 % rechtszensiert, 63.6% mit Abgang innerhalb der Region, 8.7% mit Migration
Nachteil 2: Abgang in Beschäftigung kann auch Abgang in ABM etc. sein (unbeobachtet). Keine Untersuchung des direkten Effektes
der Teilnahme an einem Programm Untersuchung einer Mischung aus dem(a) Effekt von lokalen AAMP auf die
Suchstrategie von Arbeitslosen vor der Teilnahme an einem Programm
(b) Indirekten Effekt einer früheren Teilnahme ABM und FbW mobilitätshemmend
(Fredriksson und Johansson, 2003) Nur frühere ABM mobilitätshemmend
(Lindgren und Westerlund, 2003)
4. Ökonometrischer Ansatz • Mobilität im Laufe der Arbeitslosigkeitsdauer nicht
unbedingt konstant Berücksichtigung der Zeitabhängigkeit im Rahmen
von Verweildauermodellen- Kettunen (2002), Yankow (2002)- Windzio (2004)
• Abgänge in zwei verschiedene Zustände l und dModell konkurrierender Risiken unter der Annahme
konditional unabhängiger Risiken• Tagesgenaue Daten Stetiges
Verweildauermodell• Getrennte Schätzungen für Frauen und Männer
A: Stratified Cox proportional hazard model(Kalbfleisch/Prentice 1980, Chamberlain 1985,
Ridder/Tunali 1999) hkj (tij|xij, vj) Abgangsspezifischer Hazard in
Arbeitsmarktregion jtij Arbeitslosigkeitsdauer von
Individuum i in Region jhkj(tij, j) Flexibler Baseline Hazard
j Unbeobachteter Effekt der Arbeitsmarktregion j
Xij(tij) Zeitkonstante und zeitvariante Charakteristika (teilweise als lag)
B: Log-logistic accelerated failure time modelLineare Spezifizierung der Arbeitslosigkeitsdauer:
ui mit logistischer Verteilung und Shape Parameter .
Parametrische Spezifizierung der Hazard-Funktion mit möglichem nicht-monotonen Verlauf.
Berücksichtigung unbeobachteter Heterogenität auf der individuellen Ebene, h(t|)= h(t) mit ~ gamma mit E()=1 und Var() =
Berücksichtigung von unbeobachteten, zeitinvarianten Effekten auf der Ebene der Arbeitsmarktregionen durch entsprechende Dummies
Marginale Effekte auf die Mobilität(vgl. Lancaster, 1990; Thomas, 1996)
In einem Modell unabhängiger konkurrierender Risiken lässt sich der qualitative Effekt einer Variable x auf die Mobilitätswahrscheinlichkeit d nicht direkt ablesen, da gilt:
Marginaler Effekt:
Simulation von d; Modell A:
Konditionale Mobilitätswahrscheinlichkeit
Verlauf der Hazard-Funktion hd nicht als Veränderung der Mobilitätswahrscheinlichkeit im Zeitablauf interpretierbar, da Mobilitätswahrscheinlichkeit in t konditional auf einen Abgang in t gegeben ist als:
Simulation von Pd für Modell A und BModell A: Ohne Stratifizierung, dafür
Dummies für Arbeitsmarktregionen
Zeitinvariante, individuelle Kovariate
• Alter, Bildung, Familienstand• Erwerbshistorie:
– vorheriger Jobstatus, – vorheriger Beschäftigungssektor – Dauer des vorherigen Besch.-
verhältnisses– frühere Arbeitslosigkeit– Gesamtdauer früherer Arb.-perioden – vorheriges Lohneinkommen (Quintil) – vorheriger Recall
• Dummies für Zeitperioden und Quartal
Zeitvariante, regionale Indikatoren
• Informationen der IAB Beschäftigtenstichprobe:– Beschäftigungswachstum, Turnover,
Industrie-struktur, Anteil hochqualifizierter Jobs in der Region
• Daten auf Arbeitsamtsbezirksebene2:– Relative Arbeitslosen-Vakanzen Relation1
– Arbeitslosen-Vakanzen-Relation1
– ABM-Quote1
– Anteil der Männerarbeitslosigkeit– Einwohner-Arbeitsplatzdichte
1Variablen mit 1-year lag2 Quartalsgenaue Variablen (sonst Jahresebene)• Gesamtwirtschaftliche Einstellungsrate
5. Ergebnisse – Modellübersicht MännerModell A Modell B
l d l d
Individuelle KV X X X X
Regionale KV X X X X
180 AMR Dummies
X X
Strata (180 AMR)
X X
0.659 0.858
0.392 1.800
P-Value H0: = 0
0.000 0.000
2 (df) Clustering Test
315.86(41)
79.71(41)
Anzahl Spells 49.617 49.617 49.617 49.617
Anzahl Abgänge 34.907 4.757 34.907 4.757
Log-Likelihood -174247.1
-23127.0 -66899.0 -17180.6
Modellübersicht Frauen
Modell A Modell B
l d l d
Individuelle KV X X X X
Regionale KV X X X X
180 AMR Dummies
X X
Strata (180 AMR) X X
0.760 0.884
0.457 2.130
P-Value H0: = 0 0.000 0.000
2 (df) Clustering Test
156.19 (41)
74.53 (41)
Anzahl Spells 30,743 30,743 30,743 30,743
Anzahl Abgänge 16,172 2,229 16,172 2,229
Log-Likelihood -75,701.5 -10,275.9 -37,193.
7
-8,825.5
Mobilitätseffekte individueller Charakteristika, Männer
Modell A Modell B
Variablen l d d d
d Referenzperson 13.5% 9.0%
Ohne Berufsausbildung -0.113***
-0.280***
-2.0 -1.5
Universitätsabschluss -0.272***
0.150* 4.1 3.0
1. Lohnquintil -0.295***
-0.265***
0.1 -0.1
5. Lohnquintil -0.003 0.460***
6.6 3.7
Vorheriger Recall 0.384***
-0.739***
-8.8 -4.5
Vorh. Arbeitslosigkeit 0.211***
-0.075* -2.9 -1.8
Vorh. Arbeitsl.-dauer (Mon.)
-0.007***
-0.011***
-0.1 0.0
Restliche Kontrollvariablen
X X X X
Signifikanzniveaus: ***: 1% **: 5% *: 10%
Mobilitätseffekte individueller Charakteristika, Frauen
Modell A Modell B
Variablen l d d d
d Referenzperson 13.0% 14.9%
Ohne Berufsausbildung -0.146***
-0.398***
-3.0 -2.8
Universitätsabschluss -0.207***
0.079 2.9 3.0
1. Lohnquintil -0.252***
-0.659***
-4.4 -4.2
5. Lohnquintil -0.126** 0.376***
6.2 4.2
Vorheriger Recall 0.188***
-0.664***
-7.0 -6.0
Vorh. Arbeitslosigkeit 0.277***
0.106* -1.5 -1.0
Vorh. Arbeitsl.-dauer (Mon.)
-0.004***
-0.013***
-0.1 -0.1
Weitere Kontrollvariablen
X X X X
Signifikanzniveaus: ***: 1% **: 5% *: 10%
Mobilitätseffekte regionaler Charakteristika, Männer
Modell A Modell B
Variablen l d d d
Individuelle KV X X X X
Restliche regionale KV1 X X X X
Beschäftigungswachstum
0.019***
-0.010 -0.3 -0.2
Turnover 0.001 -0.004 -0.1 0.0
Relative AV-Relation -0.039 0.152***
2.5 1.6
AV-Relation -0.005***
-0.005** 0.0 0.0
ABM-Quote 0.001 -0.003 0.0 0.0
Gesamtw. Einstellungsrate
0.008 0.027** 0.2 0.2
Signifikanzniveaus: ***: 1% **: 5% *: 10%1 Industriestruktur (6 Sektoren), Anteil hochqualifizierter Beschäftigter, Einwohner-Arbeitsplatzdichte, Anteil der Männerarbeitslosigkeit
Mobilitätseffekte regionaler Charakteristika, Frauen
Modell A Modell B
Variablen l d d d
Individuelle KV X X X X
Restliche regionale KV1 X X X X
Beschäftigungswachstum
0.014***
-0.011 -0.3 -0.2
Turnover 0.011***
0.001 -0.1 0.0
Relative AV-Relation -0.080** 0.042 1.4 1.3
AV-Relation -0.005***
-0.012**
-0.1 -0.1
ABM-Quote -0.018***
-0.039 -0.3 -0.2
Gesamtw. Einstellungsrate
0.014* 0.029 0.2 0.2
Signifikanzniveaus: ***: 1% **: 5% *: 10%1 Industriestruktur (6 Sektoren), Anteil hochqualifizierter Beschäftigter, Einwohner-Arbeitsplatzdichte, Anteil der Männerarbeitslosigkeit
Unterschiede nach Bildungsniveau, Modell AOhne Berufsausbildung
Universität.
Variablen d d
d Referenzperson 11.0 % 28.4 %
Individuelle KV X X
Restliche regionale KV1 X X
Beschäftigungswachstum
-0.6 0.5
Turnover 0.0 -0.2
Relative UV-ratio 1.1 3.6
UV-ratio 0.0 0.0
ABM-Quote 0.3 -0.4
Gesamtw. Einstellungsrate
0.3 1.0
Anzahl Spells 22,916 5,423
Anzahl Abgänge l/d 14,767/1,370 2,551/1,071
Mobilität und Arbeitslosigkeitsdauer - Männer
(a) Cox prop. Hazards Modell (b) Log-logistisches AFT-Modell
Mobilität und Arbeitslosigkeitsdauer - Frauen
(a) Cox prop. Hazards Modell (b) Log-logistisches AFT-Modell
6. Fazit und Ausblick• Mobilitätseffekte individueller Charakteristika
dominieren Effekte der Arbeitsmarktbedingungen• Arbeitslose, insbesondere Männer und
Hochqualifizierte, passen ihre Suchstrategie teilweise an regionale Arbeitsmarktbedingungen an
• Geringe Reaktion von Geringqualifizierten auf regionale Schocks problematisch im Hinblick auf einen Anpassungsmechanismus durch räumliche Mobilität
• Keine (sehr geringe) mobilitätshemmende Wirkung einer hohen lokalen ABM-Quote für Männer (Frauen)
• Anstieg der Mobilitätswahrscheinlichkeit mit der Suchdauer
• Weiterer Forschungsbedarf:– Locking-in Effekte der Teilnahme an AAMP?– Rolle der Arbeitslosenunterstützung?– Einfluss von Faktoren im Zeitablauf?– Relevanz von Pull-Faktoren?
• Mögliche methodische Weiterentwicklungen:– Berücksichtigung unb. ind. Heterogenität im
Modell A – Modell abhängiger konkurrierender Risiken– Quantilsregressionen zur Analyse der Effekte im
Laufe der Arbeitssuche– Vergleich der Ergebnisse mit Datensatz der
Identifikation registrierter Arbeitslosigkeit erlaubt