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Die internationale Bilanzierung von Finanzinstrumenten im umBruch – Die aBlösung Des ias 39
Positionen und Fakten
April 2011
Die internationale Bilanzierung von Finanzinstrumenten im umBruch – Die aBlösung Des ias 39
Positionen und FaktenApril 2011
BAN KENVERBAN D
Inhalt
I Positionen des Bankenverbandes zur Ablösung des IAS 39 6
II Fakten zur Ablösung des IAS 39 8
Bilanzierung 8
Der IAS 39 9
Projektübersicht IFRS 9 13
Klassifizierung und Bewertung (Phase 1) 13
Impairment (Phase 2) 23
Hedge Accounting (Phase 3) 29
Stichwort Konvergenz: Vorschläge aus den USA 30
Fazit 31
Glossar 32
6
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Die Rechnungslegungsvorschriften für Finanz
instrumente nach den International Financial
Reporting Standards (IFRS) sind seit langer Zeit
ein viel und kontrovers diskutiertes Thema. Ein
zentraler Aspekt dabei ist die Frage, in welchem
Umfang Finanzinstrumente zu fortgeführten
Anschaffungskosten oder zum Zeitwert (Fair
Value) bilanziert werden sollen. Mit Beginn
der Finanzmarktkrise haben sich diese Diskus
sionen verstärkt, da auch die Regelungen zur
Bewertung von Finanzins
trumenten – im Besonderen
die sogenannte FairValue
Bilanzierung – für das Ent
stehen beziehungsweise die
Verstärkung der Krise verant
wortlich gemacht werden.
Von Seiten der Politik (unter
anderem EU und G 20) wur
den aufgrund dessen Ände
rungen am Bilanzierungs
standard „IAS 39“ verlangt.
Zwar haben die derzeitigen
Bewertungsregelungen die
Krise nicht ausgelöst, sie können jedoch in ex
tremen Marktsituationen die Volatilität an den
Märkten verstärken und somit zu einer Abwärts
spirale beitragen.
Solch eine Abwärtsspirale kann etwa entstehen,
wenn Banken ihre Wertpapiere aufgrund gesun
kener Marktwerte – wie in der Finanzmarktkrise
geschehen – im Wert mindern müssen. Dies führt
gleichzeitig dazu, dass ihr Eigenkapital und da
mit ihr Kreditvergabespielraum sinken. Sind die
Banken nun gezwungen, die Wertpapiere zu
verkaufen (zum Beispiel zur Einhaltung aufsichts
rechtlicher Vorgaben), führt dies zu weiteren Ab
wertungen usw. (prozyklische Wirkung).
Wie man Finanzinstrumente bewertet, hat also
sowohl Einfluss auf die Marktsituation allgemein
als auch auf das wirtschaftliche Ergebnis von Ban
ken. Auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen
in der Finanzmarktkrise wäre eine pauschale
FairValueBewertung für alle Vermögenswerte
deshalb der falsche Weg. In Europa haben wir
eine sehr heterogene Bankenlandschaft – die Pa
Positionen des Bankenverbandes zur Ablösung des IAS 39
➜ International Financial
Reporting Standards (IFRS):
vom IASB entwickelte und
veröffentlichte internationale
Rechnungslegungsvorschriften
mit dem Ziel einer möglichst
umfassenden weltweiten An-
erkennung. Kapitalmarktorien-
tierte Unternehmen in der EU
haben ihre Konzernabschlüsse
zwingend gemäß den IFRS
aufzustellen.
7
BAN KENVERBAN D
lette reicht von kleinen Regionalbanken bis hin
zu großen Handelshäusern. Für eine angemes
sene und glaubwürdige bilanzielle Darstellung
der ökonomischen Realität ist es wichtig, dass
dabei auch die Besonderheiten der verschiede
nen Geschäftsmodelle berücksichtigt werden. Be
absichtigt die Bank zum Beispiel den Handel mit
Vermögenswerten, ist eine Bilanzierung zum Fair
Value sachgerecht. Strebt sie hingegen regelmä
ßige Einnahmen aus Wertpapieren an, ist eine Bi
lanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten
angemessen. Hierdurch werden dem Leser der
Finanzberichterstattung nützliche Informationen
bereitgestellt, die gleichzeitig eine Beurteilung
der nachhaltigen Ertragskraft des Unternehmens
ermöglichen.
Insofern ist es zu begrüßen, dass mit dem im
November 2009 vom International Accounting
Standards Board (IASB) verabschiedeten Stan
dard „IFRS 9: Financial Instruments“ (die soge
nannte Phase 1) zukünftig das Geschäftsmodell
ein wesentlicher Faktor dafür ist, ob eine Be
wertung zum Fair Value oder zu fortgeführten
Anschaffungskosten erfolgen kann. Das IASB
hat sich mit dem IFRS 9 erstmals auch dazu be
kannt, dass – abhängig vom Geschäftsmodell
einer Bank – die Anschaffungskosten sehr wohl
einen richtigen Wert bilden, der nützliche Infor
mationen liefert.
Eine Orientierung der Bi
lanzierungsvorschriften am
Geschäftsmodell und der
Risikomanagementpraxis
halten wir auch bei den Projekten zur Wertmin
derung (Impairment, die sogenannte Phase 2)
und zur Abbildung von Sicherungsbeziehungen
(Hedge Accounting, die sogenannte Phase 3)
richtig.
Die aktuellen Überlegungen des IASB beim Im
pairment scheinen zielführend. Die Erfassung
von Wertminderungen soll zukünftig in Form
von erwarteten Verlusten auf Portfolioebene er
folgen. Auch die bisherigen Vorschläge des IASB
zum Hedge Accounting werden von uns begrüßt,
da sie prinzipienorientierter als die bisherigen
Regelungen aus gestaltet
sind und sich stärker an der
Risikomanagementpraxis
ausrichten. Weitere Vor
schläge werden im zweiten
oder dritten Quartal 2011
folgen, so dass eine endgültige Beurteilung erst
dann vorgenommen werden kann.
Generell ist eine abschließende Meinung zum
IFRS 9 und seinen Detailregelungen erst dann
möglich, wenn zu allen drei Phasen finale Ent
scheidungen vorliegen.
➜ Hedge Accounting: bilanzielle
Abbildung von Sicherungs-
geschäften beziehungsweise
Sicherungszusammenhängen.
➜ Impairment: bezeichnet die
Wertminderung, zum Beispiel
von Krediten.
8
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Bilanzierung
Bevor im Detail auf bestimmte Neuregelun
gen in der Bilanzierung eingegangen wird,
soll an dieser Stelle zunächst kurz der Sinn
und Zweck von Bilanzierung im Allgemeinen
dargestellt werden. In der Bilanz sind die ei
nem Unternehmen zurechenbaren Vermö
gensgegenstände und Schulden mit einem
bestimmten Wert abzubilden (Ansatz und
Bewertung). Wertänderungen in der Folge
zeit sind entsprechend zu erfassen (Folgebe
wertung). Ein Unternehmen zeigt durch eine
Bilanz seinen Erfolg oder Misserfolg eines
Geschäftsjahres. Es legt also Rechenschaft
ab. Die Bilanz hat somit Informations und
DokumentationsCharakter. Ferner dient sie
dazu, den Gewinn oder Verlust einer Periode
zu bestimmen.
Die Bewertung ist dabei ein Schlüsselbegriff
der Bilanzierung und bedeutet, Vermögens
gegenständen Geldwerte zuzuordnen. Die
einzelnen Posten des Vermögens und der
Verbindlichkeiten sind in der Bilanz in Geld
werten auszudrücken und zu bilanzieren. Die
Bewertung hat Einfluss auf die Höhe des Ge
winns (GewinnundVerlustRechnung, GuV).
Ist beispielsweise eine Kreditforderung um
100 Euro wertzumindern, schlägt sich dies
entsprechend in der GuV nieder. Die vorhan
denen Bewertungsgrund
sätze stellen dabei jedoch
lediglich Konventionen
dar. Es gibt keinen „rich
tigen“ oder „falschen“
Wert, da die Beurteilung
darüber, welchen Wert ein
Unternehmen einem be
stimmten Posten beimisst,
individuell zu treffen ist –
natürlich unter Maßgabe
der existierenden Regeln. Entscheidend ist
vielmehr die wirtschaftlich sinnvolle Abbil
dung zu einem Stichtag (zum Beispiel der
31. Dezember eines Jahres). Das bedeutet
gleichzeitig, dass solche stichtagsbezogenen
Werte stets vergangenheitsorientiert sind.
Fakten zur Ablösung des IAS 39
➜ Bilanz: Die Bilanz ist eine
kurzgefasste Gegenüberstel-
lung von Vermögen (Aktiva)
und Schulden (Passiva) in
Kontenform. Die Aktivseite gibt
Auskunft ber die Mittelverwen-
dung im Unternehmen, die
Passivseite über die Finanzie-
rung des Unternehmens.
9
BAN KENVERBAN D
Der IAS 39
Der derzeit noch gültige internationale Rech
nungslegungsstandard IAS 39 regelt den An
satz, die Bewertung und Folgebewertung von
finanziellen Vermögenswerten und finanziel
len Verbindlichkeiten (sogenannte Finanzin
strumente). Finanzinstrumente können zum
Beispiel sein:
− Kreditforderungen, verbindlichkeiten,
− Aktien,
− Anleihen,
− Spareinlagen oder auch
− Derivate.
Obwohl der Standard von allen Unternehmen
anzuwenden ist, betreffen die Regelungen
vor allem die Bankindustrie. Deren Bilanzen
bestehen nämlich fast
ausnahmslos aus Finanz
instrumenten im Sinne des
IAS 39.
Erstmals in der Bilanz
anzusetzen sind Finanz
instrumente nach einem
Vertragsabschluss, das
heißt etwa nach dem Kauf
einer Aktie oder der Ge
währung eines Kredites
durch ein Institut (gewissermaßen der „Start
wert“). Dabei ist jedes Finanzinstrument auf
grund seiner Art einer bestimmten Kategorie
zuzuordnen. Diese Zuord
nung entscheidet darüber,
wie das Produkt in der
Folgezeit zu bewerten ist
(„Folgewert“). Der IAS 39
sieht dabei entweder eine
Bewertung zum Fair Value
oder zu fortgeführten An
schaffungskosten vor.
➜ Fair Value (dt.: Beizulegender
Zeitwert): der aktuelle Markt-
oder Börsenwert. Der Begriff
„Fair Value“ kommt zwar aus
der angelsächsischen Rech-
nungslegung, jedoch kennt
auch die deutsche Rechnungs-
legung nach dem HGB seit
über 100 Jahren ein ähnliches
Prinzip.
➜ Fortgeführte Anschaffungs-
kosten: entsprechen den
ursprünglichen Anschaffungs-
kosten, jedoch korrigiert um
mögliche Tilgungen oder
Wertminderungen wegen
Bonitätsverschlechterungen.
10
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Bankenverband.
Schaubild 1
IAS 39 unterscheidet folgende Kategorien
Finanzinstrumente IAS 39
Fortgeführte An-schaffungskosten
Halteabsicht und -fähigkeit bis zur Endfälligkeit(Held to Maturity)
Fortgeführte An-schaffungskosten
Kredite und Forderungen(Loans and Receivables)
Erfolgswirksame Fair-Value-Bewer-tung
Finanzielle Vermögenswerte zum Fair Value(Held for Trading)
Erfolgswirksame Fair-Value-Bewer-tung
Zur Veräußerung verfügbar(Available for Sale)
Kategorie
Bewertung
11
BAN KENVERBAN D
Der IAS 39 unterscheidet folgende Kategori
en (Schaubild 1, Seite 10):
− Kredite und Forderungen (Loans and
Receivables): Diese umfassen fest und va
riabel verzinste Kredite oder Forderungen,
mit denen kein Handel betrieben werden
soll.
➜ Beispiel: Konsumentenkredite
− Bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanz
instrumente (Held to Maturity): Hierunter
fallen fest und variabel verzinste Vermö
genswerte beziehungsweise Wertpapiere,
die bis zur Endfälligkeit gehalten werden
sollen.
➜ Beispiel: 10jährige Bundesanleihe
− Zu Handelszwecken gehalten (Held for
Trading): Zu Handelszwecken gehaltene
Finanzinstrumente dienen im Regelfall
der Gewinnerzielung aus kurzfristigen
Schwankungen der Preise oder Händler
margen.
➜ Beispiel: Derivate oder Aktien
− Zur Veräußerung verfügbare Finanz
instrumente (Available for Sale): Vermö
genswerte beziehungsweise Wertpapiere,
die zur Veräußerung verfügbar und keiner
der anderen Kategorien zugeordnet sind
(deshalb „Restkategorie“).
➜ Beispiel: Aktie eines Dax30Unterneh
mens
Die Beantwortung der Frage „Fair Value oder
fortgeführte Anschaffungskosten?“ hängt
also nach den bisherigen Regelungen des
IAS 39 sowohl ab von der Art des Produktes
als auch von der Verwendungsabsicht des
Unternehmens. Aufgrund der relativ kom
plexen Regelungen stand der IAS 39 bereits
seit seinem Inkrafttreten in der Kritik. Diese
intensivierte sich im Zuge der Finanzmarkt
krise. Neben der Komplexität wurde auch die
schon eingangs beschriebene prozyklische
Wirkung der FairValueBewertung bemän
gelt. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass im
Falle von Wertminderungen von Vermögens
werten zu spät und zu wenig Risikovorsorge
gebildet wurde (siehe hierzu detailliert den
Abschnitt „Impairment“).
12
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Bankenverband.
Schaubild 2
Die Projektphasen zur Ersetzung des IAS 39
IAS 39
IFRS 9
Phase 2
Impairment
Phase 1
Finaler Standard 2009 Standardentwurf 2009/2011 Standardentwurf 2010
Klassifizierung und
Bewertung
Phase 3
Hedge Accounting
13
BAN KENVERBAN D
Projektübersicht IFRS 9
Aufgrund der oben genannten Kritik am
IAS 39 hat das IASB 2009 beschlossen, den
Standard IAS 39 abzulösen und durch den
IFRS 9 zu ersetzen. Der ursprüngliche Plan
des IASB war, den IAS 39 umfassend in einem
Rutsch zu überarbeiten. Die Politik forderte
jedoch bereits frühzeitig anwendbare neue
Regeln. Daraufhin entschied sich das IASB,
die Überarbeitung des IAS 39 in drei zeitlich
nachgelagerte Phasen aufzuteilen.
Die Reduktion von Komplexität wird dabei
vom IASB explizit bei der Erarbeitung des
IFRS 9 angeführt, während die Verringerung
der FairValueBewertung weniger im Fokus
des Boards stand. Das Schaubild 2, Seite 12
zeigt die Projektphasen zur Ersetzung des
IAS 39.
Im Folgenden wird näher auf Phase 1 (Klas
sifizierung und Bewertung), Phase 2 (Impair
ment) sowie Phase 3 (Hedge Accounting)
eingegangen.
Klassifizierung und Bewertung (Phase 1)
Bewertungskategorien
Während der IAS 39 wie oben aufgeführt
noch vier Kategorien beinhaltete, sieht sein
Nachfolgestandard IFRS 9 nur noch die zwei
Kategorien „Fair Value“ und „Amortised Cost“
vor (siehe Schaubild 3, Seite 14). Bei der Kate
gorie „Fair Value“ ist weiter zu unterscheiden
zwischen FairValueÄnderungen, die sofort er
gebniswirksam in der GuV erfasst werden, und
zwischen solchen, die er
folgsneutral im sogenann
ten Other Comprehensive
Income erfasst werden kön
nen. Letztgenannter Punkt
betrifft Eigenkapitalinstru
mente und wird später im
Abschnitt „Eigenkapitalins
trumente“ (siehe Seite 19)
näher beschrieben.
Insgesamt stellt die Verringerung der Kategori
en im IFRS 9 mehr eine formale als eine inhalt
liche Vereinfachung dar, weil auch der IAS 39
lediglich die zwei (Bewertungs)Kategorien
Fair Value und Amortised Cost definiert. Das
Schaubild 3 verdeutlicht die Änderungen des
IFRS 9 gegenüber dem IAS 39.
➜ Other Comprehensive Income:
Hier werden sämtliche Wert-
änderungen von Vermögens-
gegenständen und Schulden,
die nicht über die Gewinn-und-
Verlust-Rechnung (GuV) erfasst
werden, berücksichtigt, das
heißt innerhalb des Eigenkapi-
tals (=erfolgsneutral).
14
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Bankenverband.
Schaubild 3
Änderungen des IFRS 9 gegenüber dem IAS 39
Finanzinstrumente
Amortised Cost
Held to MaturityLoans and Receivables
Fair Value
Fair Value Available for Sale
Kategorien IAS 39
Neu:Kategorien IFRS 9
15
BAN KENVERBAN D
Eine Bewertung zu fortgeführten Anschaf
fungskosten ist dann vorzunehmen, wenn die
beiden ersten Bedingungen kumulativ erfüllt
sind. Andernfalls ist das Finanzinstrument zum
Fair Value zu bewerten.
Neben diesen neuen Regeln zur Bewertung
(fortgeführte Anschaffungskosten oder Fair
Value) beinhaltet der IFRS 9 weitere Ände
rungen gegenüber dem IAS 39. Einige davon
werden im Folgenden näher erläutert.
Verbriefungstitel
Der Begriff „Verbriefung“ bezeichnet unter
schiedliche Strukturen, bei denen nicht handel
bare Finanzpositionen, wie Unternehmenskre
dite, Leasing oder Kreditkartenforderungen,
zusammengefasst und in handelbare Wertpa
piere (im Englischen AssetBacked Securities,
kurz ABS) umgewandelt werden (siehe auch
die Broschüre „Positionen und Fakten“ vom
November 2009: „Zur Diskussion über eine an
gemessene Regulierung der Verbriefungsakti
vitäten von Banken“). Die Wertpapiere weisen
in der Regel einen unterschiedlichen Risikoge
halt auf. In diesem Zusammenhang wird auch
oft von „Wasserfallstrukturen“ gesprochen
(siehe Schaubild 5, Seite 18).
Die Folgebewertung wird dabei künftig we
sentlich vom Geschäftsmodell („Business
Model“) bestimmt. Hier ist maßgeblich, ob
Vermögenswerte gehandelt werden sollen
(Handelsabsicht) oder ob sie dazu dienen,
regelmäßige Erträge zu erzielen.
Eine weitere Rolle spielen die vertraglichen
Geldflüsse („Contractual Cash Flow Charac
teristics“). Hier ist entcheidend, ob es sich
ausschließlich um Zins und Tilgungszahlun
gen handelt, die ausgehend von den Vermö
genswerten entstehen, oder nicht.
Die Abbildung auf der folgenden Seite (Schau
bild 4, Seite 16) illustriert, wann grundsätzlich
eine Bewertung zum Fair Value oder zu fortge
führten Anschaffungskosten zu erfolgen hat.
16
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: PwC.
Schaubild 4
Bewertung zum Fair Value oder zu fortgeführten
Anschaffungskosten?
Sieht das Geschäftsmodell des Unternehmens das Halten des finanziellen Vermögenswertes zur Vereinnahmung der vertraglichen Zahlungsströme vor?
Bestehen die vertraglichen Zahlungsströme ausschließlich aus Zinszahlungen und Tilgungen zu festgelegten Zeitpunk-ten?
Fortgeführte Anschaffungskosten
Ja
Ja
Nein
Nein
Ergebniswirksame Zeitwertbewertung
17
BAN KENVERBAN D
Zins und Tilgungszahlungen aus einem
Portfolio fließen zuerst der SuperSenior
Tranche zu. Ein danach noch vorhandener
Überschuss geht dann der SeniorTranche
zu usw. Verluste werden als Erstes von der
JuniorTranche getragen. Ein CDO (Collatera
lized Debt Obligation) ist ein Beispiel für ein
solches Konstrukt.
Die Bewertung solcher Strukturen ist relativ
komplex. Nach den derzeit geltenden Bestim
mungen des IAS 39 muss zum Zugangszeit
punkt (> erstmaliger Ansatz) entschieden
werden, welcher Kategorie ein Verbriefungs
titel zuzuordnen ist. Da solche Instrumen
te in der Regel eine feste Laufzeit und eine
bestimmbare Vergütung aufweisen, ist eine
Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungs
kosten grundsätzlich möglich (das heißt Ka
tegorien „Loans and Receivables“ oder „Held
to Maturity“).
Die Bewertung nach IFRS 9 fokussiert stärker
die Eigenschaften der einzelnen Produkte,
die – wie im Rahmen einer Verbriefung – in
einem Pool zusammengefasst werden. Dabei
sind vor allem die aus den einzelnen Produk
ten resultierenden Geldflüsse zu prüfen und
es ist zu beurteilen, ob es sich um Zins und
Tilgungszahlungen handelt. Kann dies bejaht
werden, ist der Verbriefungstitel grundsätz
lich zu fortgeführten Anschaffungskosten
bewertbar, andernfalls muss zum Fair Value
bewertet werden. Allgemein kann gesagt
werden, dass eine FairValueBewertung nach
IFRS 9 für Wasserfallstrukturen grundsätzlich
dann erfolgen wird, wenn die in dem Pool
befindlichen Produkte komplexer Natur sind.
18
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Froitzheim, R. (2007), Seite 38.
Schaubild 5
Die Wasserfallstruktur bei Wertpapieren
Super-Senior
Senior
Mezzanine
Junior
Kreditportfolio
Verluste
Zinsen und Tilgung
19
BAN KENVERBAN D
Nach IFRS 9 haben Banken nunmehr alle Ei
genkapitalinstrumente zum Fair Value an
zusetzen; die bisherige Ausnahmeregelung
entfällt.
Unabhängig davon besteht beim erstmali
gen Ansatz die unwiderrufliche Möglichkeit,
FairValueÄnderungen von Eigenkapitalinst
rumenten, die nicht zu Handelszwecken er
worben wurden, erfolgsneutral im sonstigen
Ergebnis (Other Comprehensive Income) zu
erfassen. Hierbei handelt es sich um die oben
in dem Abschnitt „Bewertungskategorien“
genannte Unterteilung der Kategorie „Fair
Value“.
Das Schaubild 6 auf Seite 20 veranschaulicht
die Bewertung von Eigenkapitalinstrumen
ten.
Eigenkapitalinstrumente
Beispiele für Eigenkapitalinstrumente sind
unter anderem:
− Aktien,
− GmbHAnteile sowie
− Options und Bezugsrechte.
Bisher, das heißt nach IAS 39, sind diese
grundsätzlich zum Fair Value zu bilanzieren,
jedoch mit einer Ausnahmeregelung: Nach
dieser dürfen Eigenkapitalinstrumente dann
zu fortgeführten Anschaffungskosten bewer
tet werden, wenn für sie kein auf einem akti
ven Markt notierter Preis vorliegt und der Fair
Value nicht verlässlich ermittelt werden kann.
Aktiver Markt:
Markt, der die folgenden Bedingungen
erfüllen muss:
1. Die auf dem Markt gehandelten
Produkte sind homogen.
2. Vertragswillige Käufer und Ver
käufer können in der Regel jeder
zeit gefunden werden.
3. Preise stehen der Öffentlichkeit zur
Verfügung.
20
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Bankenverband; PwC.
Schaubild 6
Bewertung von Eigenkapitalinstrumenten nach IFRS 9
Handelsabsicht Keine Handelsabsicht
Fair Value (GuV) Wahlrecht: Fair Value (GuV) oder Fair Value (OCI)
Eigenkapitaltitel
21
BAN KENVERBAN D
Umwidmungen
Umwidmungen von Finanzinstrumenten von
einer Kategorie in die andere (das heißt aus
der FairValueKategorie hin zu fortgeführten
Anschaffungskosten oder umgekehrt) sind
nach IFRS 9 zukünftig bei einer Änderung des
Geschäftsmodells verpflichtend. Unter einer
GeschäftsmodellÄnderung fallen jedoch nicht
Marktverwerfungen oder das (temporäre) Ver
schwinden von Märkten. Das IASB schränkt so
mit die bisherigen Möglichkeiten zur Umwid
mung ein, da der IAS 39 in solchen Situationen
Umklassifizierungen erlaubte. Diese Restrikti
on des IFRS 9 ist – auch vor dem Hintergrund
der Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise –
kritisch zu sehen. Vormals festgelegte Unter
nehmensstrategien sind laufenden (externen)
Veränderungen (wie etwa das Austrocknen
von Märkten) unterworfen. Diese Änderun
gen von Unternehmensstrategien sollten ent
sprechend bilanziell erfasst werden. Gerade
die Illiquidität von Märkten war ein zentrales
Problem während der Finanzmarktkrise und
erforderte die Umwidmung von Finanzinstru
menten aus der FairValueBewertung heraus.
Zeitpunkt des Inkrafttretens
Verpflichtend anzuwenden sind die Regeln des
IFRS 9 ab 2013. Für die Anwendbarkeit inner
halb der EU ist aber noch die Übernahme in
europäisches Recht (Endorsement) nötig. Die
se steht noch aus.
Die Übersicht auf der folgenden Seite (Schau
bild 7, Seite 22) zeigt die wesentlichen Verän
derungen des IFRS 9 gegenüber dem IAS 39
hinsichtlich der Klassifizierung und Bewertung
von Finanzinstrumenten.
22
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Bankenverband.
Schaubild 7
Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten nach
IAS 39 und IFRS 9
IAS 39
Fair Value:• Fair Value (GuV) Held for Trading FairValueOption• Fair Value (OCI) Available for Sale
Amortised Cost:• Loans and Receivables• Held to Maturity
• Nach Verwendungsabsicht und • Produktspezifika
(Folge)Bewertung in Abhängigkeit der (erstmaligen) Kategorisierung
Oben genannte Kategorien / Klassifizierungskriterien
Fair Value Fortgeführte Anschaffungskosten im Ausnahmefall
Möglich unter besonderen Umständen (zum Beispiel Marktverwerfungen)
Fair Value:• Fair Value Fair Value (GuV) Fair Value (OCI)
Amortised Cost:• Amortised Cost
• Geschäftsmodell und• vertragliche Geldflüsse
Beide Kriterien erfüllt > Amortised Cost, sonst Fair Value
Von Eigenschaften der im Pool befindlichen Produkte abhängig
Fair Value
Pflicht zu Umwidmungen bei Änderung des Geschäftsmodells (aber nicht bei Marktverwerfungen)
IFRS 9
Kategorie
Klassifizie-rungskriterien
Verbriefungen (Tranchen)
Eigenkapital-instrumente – Bewertung
Umwidmungen
Thema
23
BAN KENVERBAN D
Impairment (Phase 2)
Ein wesentlicher Aspekt des vorausgegange
nen Kapitels „Klassifizierung und Bewertung
(Phase 1)“ war die Frage, wann zukünftig nach
IFRS 9 Finanzinstrumente zum Fair Value oder
zu fortgeführten Anschaffungskosten zu be
werten sind. Dieses Kapitel widmet sich nun
der Folgebewertung von Finanzinstrumen
ten, die zu fortgeführten Anschaffungskosten
bewertet werden (zum Beispiel Kreditforde
rungen). Man spricht in diesem Zusammen
hang von sogenannten Wertberichtigungen.
Notwendig ist die Anwendung eines Wert
berichtigungsmodells allgemein für solche
Finanzinstrumente, die nicht zum Fair Value
bewertet werden. Folgendes Beispiel zeigt,
dass zum Fair Value bilanzierte Instrumen
te nicht gesondert wertberichtigt werden
müssen: Verschlechtert sich beispielsweise
das Rating einer Staatsanleihe (festverzinsli
ches Wertpapier), führt dies zu Kursverlusten
an der Börse. Die Wertminderung wird also
sofort eingepreist. Besitzt eine Bank solche
Anleihen und bilanziert sie zum Fair Value,
schlägt sich das direkt im Wert und damit im
Ergebnis der Bank nieder (siehe Schaubild 8,
Seite 24).
Wertberichtigungen dienen also dazu, den
Wert von Finanzinstrumenten zu korrigieren,
und spiegeln damit Wertverluste (zum Bei
spiel von Kreditforderungen) wider.
Entstehen können solche Verluste etwa
durch:
− finanzielle Schwierigkeiten des Schuldners
oder
− Vertragsbrüche (Verzug bei Zins und Til
gungszahlungen).
Kann zum Beispiel ein Kreditnehmer aufgrund
von Arbeitslosigkeit seinen Hypothekenkredit
nicht wie vorgesehen zurückzahlen, so hat die
Bank für diesen Betrag eine Wertberichtigung
zu erfassen, die sich gleichzeitig negativ in ih
rem Ergebnis (GuV) niederschlägt. Wenn die
Restschuld des Kredits 50.000 Euro beträgt
und Sicherheiten in Höhe von 30.000 Euro
existieren, muss die Bank die Differenz von
20.000 Euro wertberichtigen. Durch die bi
lanzielle Abbildung dieser Ereignisse werden
somit Risiken transparent gemacht.
24
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: Bankenverband.
Schaubild 8
Berücksichtigung von Wertminderungen bei
Finanzinstrumenten
Fair Value Fortgeführte Anschaffungskosten
Wertanpassungen über Kursveränderungen erfolgt
Wertanpassungen gesondert vorzunehmen
Quelle: Bankenverband.
Schaubild 9
Anwendung des Incurred-Loss-Modells
Finanzinstrumente IAS 39
Held to MaturityFair Value
Incurred-Loss-Modell
Loans and Receivables
Available for Sale
Bewer-tungskate-gorien
25
BAN KENVERBAN D
Ereignisse beziehungsweise Erwartungen dür
fen nur in sehr eingeschränktem Maße berück
sichtigt werden. An dieser Stelle sei nebenbei
kurz erwähnt, dass die Bestimmungen der
deutschen HGBRechnungslegung in diesem
Bereich prinzipiell nicht von den IFRSRegeln
abweichen. In Konsequenz führt das Abstellen
auf Ausfall ereignisse dazu, dass Wertverluste
erst sehr spät – aber dafür dann schlagartig
in voller Höhe – in den Bankbilanzen zu erfas
sen sind. In einer RezessionsPhase mit vielen
Kreditausfällen müssen somit hohe Wertbe
richtigungen gebildet und massive Verluste
ausgewiesen werden. Dies hat zur Folge, dass
das Eigenkapital reduziert wird und gleichzei
tig weniger Kredite vergeben werden können.
Auf die Kritik, etwa der G20, an dieser Praxis
hat das IASB im November 2009 reagiert und
einen Entwurf mit neuen Vorschriften für die
Wertberichtigung von Finanzinstrumenten
veröffentlicht („ED Amortised Cost and Impair
ment“). Im Kern geht es darum, Verluste be
reits dann in der Bilanz zu erfassen, wenn sich
diese abzeichnen („erwartete Verluste“). Dazu
sollen die Zinserträge, die die Bank aus den
Krediten erhält, in Höhe der Ausfallerwartun
gen gewissermaßen als Puffer zurückgelegt
werden. Fällt später tatsächlich ein Kredit aus,
kann die Bank hierauf zurückgreifen.
Im Zuge der Finanzmarkt
krise gerieten die bisheri
gen Regeln des IAS 39 zur
Bildung von Wertberich
tigungen in die Diskussi
on. Kritisiert wurde, dass
Wertberichtigungen bei
Banken zu spät gebildet
worden und die existieren
den Regelungen zu kom
plex seien. Das im IAS 39
verankerte sogenannte IncurredLossModell
berücksichtigt nur bereits eingetretene Kre
ditausfälle und nicht etwa auch Erwartungen
zukünftiger Ausfälle.
Ausgehend vom oben genannten Klassifizie
rungsschema des IAS 39 ist das „Incurred
LossModell“ für die auf Seite 24 im Schau
bild 9 aufgeführten Kategorien anzuwenden.
Wann liegt bisher nach IAS 39 eine Wertmin
derung vor? Der IAS 39 gibt hierzu wie bereits
genannt bestimmte Ausfallereignisse vor, zum
Beispiel das Ausbleiben von Zins und Til
gungszahlungen, oder andere Indikatoren für
finanzielle Schwierigkeiten des Schuldners. In
der Praxis lassen sich diese jedoch nicht immer
eindeutig bestimmen, so dass ein gewisser Er
messensspielraum vorhanden ist. Zukünftige
➜ Incurred-Loss-Modell (Modell
der eingetretenen Verluste):
Dieser Ansatz nach IAS 39
berücksichtigt im Rahmen der
Risikovorsorge nur bereits
eingetretene Kreditverluste.
Dazu werden im Standard ex-
emplarisch bestimmte Ausfall-
ereignisse (sogenannte Trigger
Events) aufgeführt.
26
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: PwC.
Schaubild 10
Grundlegende Änderung der Wertminderungsvorschriften
für Forderungen
Ansatz aufgetretener Verluste (Incurred Loss)
Bisher (IAS 39)
Ansatz erwarteter Verluste (Expected Loss)
ED Amortised Cost and Impairment
Indikatorbasiert (Trigger Event) Periodische Neueinschätzung der erwarteten Ausfälle
Keine Berücksichtigung zukünftiger Verluste
Berücksichtigung zukünftiger Verluste
Zwingende Wertaufholung, sofern Indikator vorliegt
Wertaufholungen, implizit über die periodische Neueinschätzung der erwarteten Ausfälle
1
27
BAN KENVERBAN D
Eine Umsetzung der Vorschläge des IASB aus
November 2009 hätte bei den Banken jedoch
zu großen (technischen) Schwierigkeiten ge
führt, da sie nicht adäquat die Kredit und Ri
sikomanagementpraxis der Institute berück
sichtigen.
Aufgrund der signifikanten Schwächen des
IASBModells hat der europäische Bankenver
band (EBF), ein Zusammenschluss der priva
ten Banken in Europa, alternative Prinzipien
entwickelt. Diese basieren auch auf einem
Konzept der erwarteten Verluste („Expected
Loss“), stehen jedoch besser im Einklang mit
der Kreditsteuerung der
Banken und sind dabei
einfacher und kostengüns
tiger zu implementieren.
Das Konzept basiert dar
auf, zukünftige Verluste
auf der Ebene von Portfo
lios (zum Beispiel Zusam
menfassung von einzelnen
Krediten gleicher Art oder
mit denen eine bestimmte
Strategie verfolgt wird) zu
erfassen. Zur Bestimmung
eines Expected Loss kön
nen dabei auch bereits in
den Banken genutzte Sys
teme und Risikomodelle verwendet werden.
In Höhe der zukünftig zu erwartenden Verlus
te wird über die Zeit in einem separaten Pos
ten („Risikovorsorge“) ein Puffer aufgebaut.
Das IASB hat auf die Kritik an seinem ur
sprünglichen Modellvorschlag reagiert und
Ende Januar 2011 ein überarbeitetes Modell
zur Konsultation veröffentlicht. Dieses greift
auch Prinzipien der EBF auf und berücksich
tigt somit insgesamt besser und sinnvoller
die Risikomanagementpraxis von Banken, als
dies die ursprünglichen Vorschläge des IASB
vorsahen.
➜ Expected Loss (erwarteter
Verlust): Der erwartete Verlust
stellt den Verlust dar, der
aufgrund von (Kredit-)Risiken
in der Zukunft zu erwarten ist.
Geschätzt werden dabei etwa
Ausfallwahrscheinlichkeit und
Ausfallhöhe. Sinnvoll angewen-
det werden kann dieser Ansatz
nur auf (Kredit-)Portfolio ebene.
Dies entspricht der Praxis von
Kreditinstituten, da diese die
Kredite in der Regel auf Port-
folioebene steuern.
28
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Quelle: in Anlehnung an IASB.
Schaubild 11
Vom IASB angestrebtes Zusammenspiel von Risikomanagement
und Bilanzierung
RisikomanagementBilanzierung
29
BAN KENVERBAN D
Hedge Accounting (Phase 3)
Dieses Kapitel zur driten Phase der Überar
beitung des IAS 39 thematisiert die bilan
zielle Abbildung von Sicherungsgeschäften
(„Hedging“). Unter „Hedging“ (engl. für „ab
sichern“) versteht man die Absicherung einer
Transaktion gegen Risiken, wie zum Beispiel
Wechselkurs oder Marktpreisschwankungen.
Mögliche Wertänderungen eines Geschäftes
(so genanntes Grundgeschäft) sollen durch den
Abschluss eines Sicherungsgeschäftes (in der
Regel Derivat) kompensiert werden. Hedging
ist somit eine Form der Risikobegrenzung.
Das „Hedge Accounting“ bezeichnet die bi
lanzielle Abbildung von Sicherungsgeschäf
ten beziehungsweise Sicherungszusammen
hängen. Das Erfordernis hierzu ergibt sich
aus der unterschiedlichen
Bewertung von Finanzinst
rumenten (Fair Value bezie
hungsweise fortgeführte
Anschaffungskosten). Der
IAS 39 enthält bestimmte
Vorschriften zum Hedge
Accounting.
Trotz komplexer Regelun
gen hat sich die bisherige
Praxis des Hedge Accoun
tings in den Unternehmen
etabliert. Partielle Verein
fachungen wären dabei jedoch begrüßens
wert. Die Ansätze zur Komplexitätsreduktion
beim Hedge Accounting sollten sich vor allem
auf die Dokumentation und den Effektivitäts
nachweis richten.
Beispiel für die Notwendigkeit von Hedge Accounting
Ein Grundgeschäft wird zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert, das dazuge
hörige Sicherungsgeschäft zum Fair Value. Sofern sich beide Geschäfte gegenläufig
entwickeln, entsteht der Bank wirtschaftlich kein Gewinn oder Verlust. Bilanziell
würden ohne ein Hedge Accounting jedoch Wertänderungen des Grundgeschäftes
nicht erfasst werden, während die des Sicherungsgeschäftes sich im Ergebnis nieder
schlagen würden. Das ökonomische Risiko wäre kompensiert, aber das bilanzielle
Risiko würde in den Jahresabschluss Eingang finden. Um eine solche Konstellation zu
vermeiden, sind spezielle Regelungen für Hedge Accounting nötig.
➜ Dokumentation: Zu Beginn
einer Sicherungsbeziehung
muss die Transaktion doku-
mentiert werden. Dabei sind
unter anderem das Grund- und
das Sicherungsgeschäft sowie
das abgesicherte Risiko zu
nennen, die vom Management
verfolgte Sicherungsstrategie
und die Methode zur Messung
der Effektivität. Dies erfordert
die Pflicht zur umfangreichen
Dokumentation.
30
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Stichwort Konvergenz: Vorschläge aus den USA
Der USamerikanische Standardsetzer, das
Financial Accounting Standards Board (FASB),
hat im Mai 2010 einen umfänglichen Entwurf
für die Überarbeitung der Bilanzierung von
Finanzinstrumenten veröffentlicht. Dieser um
fasst Regeln zur Klassifizierung und Bewertung
von Finanzinstrumenten, zur Bildung von Wert
berichtigungen (Impairment) sowie zur Ab
bildung von Sicherungsbeziehungen (Hedge
Accounting). Die Überlegungen aus den USA
weisen jedoch teilweise deutliche Unterschie
de zu den (geplanten) Regelungen nach IFRS
auf. So wird unter anderem eine Auswei
tung der FairValueBilanzierung als auch das
grundsätzliche Festhalten am bisher gültigen
„IncurredLossModell“ vorgeschlagen.
Die jüngsten Äußerungen aus den USA deu
ten jedoch zumindest darauf hin, dass das
FASB zumindest in Teilen von einer umfas
senden FairValueBewertung wieder abrückt.
Außerdem wird der vom IASB im Januar 2011
veröffentlichte Vorschlag für ein Impairment
Modell von den USA unterstützt. Somit scheint
die Zielsetzung der beiden internationalen
Standardsetzer (IASB und FASB), bis zum Jahr
2011 die IFRS und USGAAP zu verbessern und
Die im Dezember 2010 ver
öffentlichten Vorschläge
des IASB zu stärker prinzipi
enbasierten Regeln begrü
ßen wir dabei grundsätzlich.
Sie stehen zudem besser im
Einklang mit der Risikoma
nagementpraxis. So schlägt
das IASB beispielsweise vor,
die bisherigen starren und
restriktiven Regelungen bei
der Messung, ob eine Siche
rungsbeziehung effektiv ist,
zu lockern.
Derzeit diskutiert das IASB,
wie die Absicherung von
ganzen Portfolien zukünftig
bilanziell dargestellt wer
den soll. Es werden Vorschläge im zweiten oder
dritten Quartal 2011 erwartet. Risiken werden
von Banken wegen der Vielzahl an Geschäfts
vorfällen und Transaktionen meist nicht auf Ein
zelgeschäftsebene, sondern auf Portfoliobasis
gesteuert. Dabei bestehende Res triktionen im
Bereich des Portfolio Hedge Accounting sollten
unserer Ansicht nach gemildert werden, um so
mehr Unternehmen das Hedge Accounting zu
ermöglichen und das Steuern ökonomischer
Risiken besser abzubilden.
➜ Effektivität (Wirksamkeit): Ein
Sicherungszusammenhang
muss nach IAS 39 hocheffektiv
sein, das heißt die Wertän-
derungen von Grund- und
Sicherungsgeschäft müssen sich
weitestgehend aufheben. Zur
Bestimmung dieser Effektivität
können verschiedene (teilweise
statistische) Verfahren ange-
wandt werden. Die Effektivität
ist dabei laufend zu überwa-
chen; bestimmte Grenzwerte
sind hier sowohl zukunftsge-
richtet (prospektiv) als auch
vergangenheitsbetrachtend
(retrospektiv) einzuhalten.
31
BAN KENVERBAN D
eine Konvergenz beider Standards zu erreichen,
realistischer. Trotzdem ist, auch aufgrund noch
bestehender Unterschiede, fraglich, ob das Ziel
der Konvergenz in diesem Jahr erreicht werden
kann. Dennoch ist die Fortsetzung des Konver
genzprogramms unerlässlich, um zu einem in
ternational einheitlichen und allgemein akzep
tierten Regelwerk zu gelangen.
Fazit
Die vom IASB vorgeschlagenen beziehungs
weise bereits finalisierten Änderungen bei der
Bilanzierung von Finanzinstrumenten stellen
zum Teil deutliche Abweichungen gegenüber
den bisherigen Regelungen dar. Dabei ist vor
allem die Beibehaltung des Mixed Models, das
heißt des Aufrechterhaltens einer Bilanzierung
sowohl zum Fair Value als auch zu fortgeführ
ten Anschaffungskosten, positiv zu werten.
Ebenfalls zu begrüßen ist die stärkere Betonung
des Geschäftsmodells. Negativ sind dagegen
die bestehenden Unschärfen als auch die bei
einigen Finanzinstrumenten zu befürchtende
Ausweitung der FairValueBilanzierung (Eigen
kapitalinstrumente). Ob es jedoch zukünftig zu
einer Ausweitung der FairValueBilanzierung
kommt, kann nicht pauschal, sondern nur ins
titutsindividuell beantwortet werden.
Der vom IASB eingeschlagene Weg zu einem
stärker zukunftsorientierten Wertminderungs
modell ist richtig und angemessen. Wichtig
dabei ist, dass solch ein Modell die Kreditsteu
erungs und Risikomanagementpraxis der Ins
titute adäquat berücksichtigt. Das IASB hat hier
schlussendlich auch alternative Vorschläge,
etwa von der Europäischen Bankenvereinigung
(EBF), aufgegriffen, die deutlich leichter in die
Praxis umsetzbar sind als die ursprünglichen
IASBÜberlegungen.
Die Berücksichtigung der Risikomanagement
praxis spielt auch beim Hedge Accounting eine
wichtige Rolle. Die bisherigen Entscheidungen
des IASB deuten auf einen Schritt in diese Rich
tung hin. Hier bleiben jedoch die endgültigen
Vorschläge abzuwarten.
Fraglich ist, inwieweit sich IASB und FASB an
nähern. Die ursprünglichen Vorschläge aus
den USA wichen zum Teil erheblich von de
nen des IASB ab. Nunmehr haben die beiden
Boards jedoch in einigen Punkten einen Kon
sens gefunden, wobei die endgültigen Ent
scheidungen abzuwarten bleiben. Insgesamt
wäre es wünschenswert, wenn sich die beiden
Boards verständigen können, wobei dies keine
Angleichung der IFRS an die USGAAP bedeu
ten darf.
32
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Glossar
Available for Sale (AfS)
Zur Veräußerung nichtderivativer finanziel
ler Vermögenswerte nach IAS 39, die zur
Veräußerung verfügbar und keiner ande
ren Kategorie zugeordnet sind.
Bezugsrecht
Ein mögliches Anrecht eines Altaktionärs
auf den Bezug von jungen (neuen) Aktien,
wenn etwa ein Unternehmen eine Kapital
erhöhung vornimmt.
Bilanz
Aufstellung von Herkunft und Verwen
dung des Kapitals eines Unternehmens.
Die Bilanz ist neben der GuV ein wesent
licher Teil des Jahresabschlusses. Sie ist
eine kurzgefasste Gegenüberstellung von
Vermögen (Aktiva) und Schulden (Passiva)
in Kontenform.
Collateralized Debt Obligation (CDO)
Überbegriff für Finanzinstrumente, die zu
der Gruppe der forderungsbesicherten
Wertpapiere (AssetBacked Securities) und
strukturierten Kreditprodukte gehören.
CDO bestehen aus einem Portfolio aus fest
verzinslichen Wertpapieren. Diese werden
in der Regel in drei Tranchen aufgeteilt: Se
niorTranche, MezzanineTranche und die
EquityTranche. Das Ausfallrisiko steigt –
aufgrund der nachrangigen Bedienung im
Fall eines Ausfalls – mit sinkendem Rating.
Daher bietet die EquityTranche als Aus
gleich den höchsten Nominalzins (Kupon).
Derivat (lat. derivare = ableiten)
Derivate sind Finanzinstrumente, deren
Preis oder Wert von den Kursen oder Prei
sen anderer Handelsgüter (zum Beispiel
Rohstoffe oder Lebensmittel), von Vermö
gensgegenständen (Wertpapiere wie Ak
tien oder Anleihen) oder von marktbezo
genen Referenzgrößen (Zinssätze, Indices)
abhängt. Es handelt sich um Verträge, in
denen die Vertragsparteien vereinbaren,
einen oder mehrere Vertragsgegenstände
zu festgelegten Bedingungen in der Zu
kunft zu kaufen, zu verkaufen oder zu tau
schen beziehungsweise alternativ Wert
ausgleichszahlungen zu leisten.
Endorsement
Europäisches Übernahmeverfahren, mit
dem die vom IASB verabschiedeten Stan
dards und Interpretationen unmittelba
res und verbindliches europäisches Recht
werden.
33
BAN KENVERBAN D
Financial Accounting Standards Board
(FASB)
USamerikanischer Standardsetzer, der die
USGAAP entwickelt und verabschiedet.
Pendant zum IASB.
Financial Assets at Fair Value
Zu Handelszwecken gehaltene Finanz
instrumente, die der Gewinnerzielung aus
kurzfristigen Schwankungen der Preise
oder Händlermargen dienen, oder Finanz
instrumente, die freiwillig zum Fair Value
bewertet werden (FairValueOption).
GewinnundVerlustRechnung (GuV)
Ist neben der Bilanz ein wesentlicher Teil
des Jahresabschlusses, also der externen
Rechnungslegung eines Unternehmens.
Sie stellt Erträge und Aufwendungen ei
nes bestimmten Zeitraumes, insbesonde
re eines Geschäftsjahres, dar und weist
dadurch die Art, die Höhe und die Quel
len des unternehmerischen Erfolges aus.
Überwiegen die Erträge, ist der Erfolg ein
Gewinn, andernfalls ein Verlust.
Hedge Accounting
Bilanzielle Abbildung von Sicherungsge
schäften beziehungsweise Sicherungszu
sammenhängen.
Held to Maturity (HtM)
Nichtderivative finanzielle Vermögens
werte (Wertpapiere) mit festen oder be
stimmbaren Zahlungen sowie einer festen
Laufzeit, die ein Unternehmen bis zur End
fälligkeit halten will und kann.
Impairment
Bezeichnet die Wertminderung, zum Bei
spiel von Krediten.
International Accounting Standards Board
(IASB)
Unabhängiges Gremium internationaler
Rechnungslegungsexperten, das die IFRS
entwickelt und verabschiedet. Die Mitglie
der des IASB werden von den Treuhändern
der International Accounting Standards
Committee Foundation nach festen Kri
terien zur Herkunft und Qualifikation er
nannt. Der IASB wurde 2001 als Nachfolger
für das frühere International Accounting
Standards Committee (IASC) eingerichtet.
34
POSIT ION EN UN D FAKTEN
Option
Bezeichnet in der Wirtschaft ein Recht,
eine bestimmte Sache zu einem späteren
Zeitpunkt zu einem vereinbarten Preis zu
kaufen oder zu verkaufen. Deshalb wird
hier auch vom bedingten Termingeschäft
gesprochen. Für den Optionsinhaber han
delt es sich ausdrücklich um ein Recht
und keine Pflicht, das heißt, er entschei
det einseitig, ob er die Option gegen den
Optionsverkäufer (Stillhalter) ausübt oder
diese verfallen lässt.
USGeneral Accepted Accounting Principles
(USGAAP)
USamerikanisches Pendant der IFRS.
International Financial Reporting Standards
(IFRS)
Vom IASB entwickelte und veröffentlich
te internationale Rechnungslegungsvor
schriften mit dem Ziel einer möglichst
umfassenden weltweiten Anerkennung.
Kapitalmarktorientierte Unternehmen
in der EU haben ihre Konzernabschlüsse
zwingend gemäß den IFRS aufzustellen.
Loans and Receivables (LaR)
Nichtderivative finanzielle Vermögenswer
te mit festen oder bestimmbaren Zahlun
gen, die nicht auf einem aktiven Markt
notiert und nicht zu Handelszwecken be
stimmt sind oder als „Available for Sale“
klassifiziert wurden.
Mixed Model
Bezeichnet ein Modell, in dem eine Bilan
zierung zum Fair Value als auch zu fortge
führten Anschaffungskosten zulässig sind.
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BAN KENVERBAN D
impressum
Die internationale Bilanzierung von Finanz instrumenten im
Umbruch – die Ablösung des IAS 39
Berlin, April 2011
herausgeber
Bundesverband deutscher Banken e.V.
Postfach 040307, 10062 Berlin
Telefon (0 30) 16 63-0
Telefax (0 30) 16 63-1399
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Burgstraße 28
10178 Berlin
April 2011