Post on 29-Jul-2018
transcript
1
Die Abtei Pomposa
(lat. Pomposia, [„die Schöne“?])
Benediktinermönche gründeten ca. im 6. Jahrhundert ein klei-
nes Kloster. Damals war der Ort wohl im Delta des Po eine
kleine Insel, sie war bewaldet und hatte durch ihre Meeresnähe
gesundes Klima. Die erste schriftliche Nachricht über das
Kloster findet sich in einem Fragment eines Briefes des Papstes
Johannes VIII. an Kaiser Ludwig II. im Jahr 874. Kaiser Otto
II. nennt in einer Urkunde aus dem Jahr 982 unter den
Schenkungen seines Vaters und seiner Mutter auch Pomposa.
Abb. 1. Blick auf die Kirche vom
Kreuzgang aus
Abb. 2. Campanile und Narthex
Abb.3. Cattedrale degli Ariani in Ravenna
Seine Blütezeit erlebte Pomposa gegen Ende des 10.,
Anfang des 11. Jahrhunderts: Papst Silvester und Kaiser
Otto III. lösten es aus seiner Abhängigkeit von San
Salvatore in Pavia und aus der der Oberhoheit der
Bischöfe von Ravenna und gaben dem Kloster seine
Selbständigkeit. Die Abtei erhielt mehr Privilegien und
unter dem charismatischen Abt Guido, der sie von 1008-
1046 leitete, wurde sie zu einem Zentrum geistig-
spiritueller Kultur. Berühmte Persönlichkeiten, wie der
Musiktheoretiker Guido d’Arezzo und der Kirchen-
reformer Petrus Damiani lebten zeitweise im Kloster.
Die Abtei mit ihren unverputzten Backsteinwänden
gleicht Basiliken in Ravenna, sie ist offensichtlich mit
Baumaterial aus Ravenna errichtet. Der älteste Teil ist
die Kirche. Die Apsis, die zwischen 752 und 874
entstand, ist innen halbkreisförmig, außen fünfeckig. Im
11. Jahrhundert ließ Abt Guido eine Erweiterung vor-
nehmen, die Eingangshalle kam 1026 dazu.
2
Abb. 4. Fünfeckige Apsis
Im 12. Jhdt. kamen zwei kleinere Aspiden, in
Halbkreisform dazu, von denen nach Umbauarbeiten nur
noch eine erhalten ist.
Die Kirche selbst ist dreischiffig, das Mittelschiff endet
in der Apsis. Im 18. Jahrhundert wurden zur Stützung
der Seitenschiffe Mauern eingezogen.
Die Vorhalle:
Abb. 5. Vorhalle
Detail: Vorhalle
Detail: Vorhalle
Wegen der vorgebauten Vorhalle, Narthex, ist von
außen nur der obere Teil der Basilika sichtbar. Man
sieht ein einfaches Giebeldach und zwei Bogen-
fenster. Der Narthex hat drei Eingangsbögen und
zwei Rundfenster mit durchbrochenen Verzierungen,
Transennen. Die Wände sind mit eingearbeiteten
Ziegelbändern verziert und geben der Fassade ein
besonders ansprechendes Aussehen. Reliefs, Ranken,
abwechselnd Pflanzen-, Tier- und Figurenmotive
vermitteln einen „orientalischen“ Eindruck.
In den Transennen kann man Greife und einen
Lebensbaum erkennen, man könnte meinen, sie seien
aus Stuck, sie sind aber aus Naturstein. Besonders
auffallend sind die runden Schalen aus farbig glasier-
ter Terrakotta, Majoliken; für deren Herstellung ist
Faenza, es liegt in unmittelbarer Nähe, berühmt, es
gab sogar dem französischen Wort fayence seinen
Namen.
3
Detail Abb. 5. Gedenkstein („Mazulo Magister“)
EGO MAZULO MAGIST(er)
QUI FECIT HAEC OPERA VOS O(mn)ES
DEPRECOR UT ORETIS P(ro) ME AD ad
D(omi)N(u)M ET DICATIS .MISERTUS
SIT TIBI OM(ni)P(ten)S D(omi)N(u)S
„Ich, Meister Mazulo, der dies Werk errichtet habe, bitte, dass ihr für mich zum Herrn betet und sagt: der allmächtige Herr möge dir gnädig sein.“
Der Glockenturm:
Abb. 6. Der Glockenturm
Der Turm, errichtet 1063 von Baumeister Deusdedit, hat eine Höhe
von ca. 50m. In den unteren drei Stockwerken sehen die einbögi-
gen Fenster wie Schießscharten aus; mit der Höhe ansteigend
werden sie zwei-, drei- und vierbogig, so dass im letzten Stockwerk
nur mehr Fenster und die Eckpfeiler zu sehen sind. Eine konische
Spitze krönt den Turm, sie ist mit Rundziegeln gedeckt. Der Turm
ist unterteilt mit Lisenen (Mauerblenden) und Halbsäulen.
Orientalisch anmutende Majoliken mit Sonnenmotiven lockern den
roten Backstein auf.
4
Die Kirche:
Im Mittelschiff, in der Apsis und an der Westwand
ist ein umfangreiches Bildprogramm zu sehen, das
dem Künstler Vitale da Bologna (14. Jahrhundert)
zugeschrieben wird; in den Seitenschiffen finden
sich ornamentale Dekorationen.
In der Apsis fällt der Blick auf den in der
Mandorla thronenden Christus. Er hält die heilige
Schrift in der linken Hand. „pacem meam do
vobis“ 1 kann man lesen. Seine rechte Hand ist
zum Segen erhoben. Abb. 7. Deckenbild der Apsis
Es umringen ihn oben Engel, darunter Heilige. Am unteren Bildrand halten Engel die Mandorla,
als wäre sie ein fester Gegenstand, zwei blicken auf die Gruppe der heiligen Frauen, die Maria
anführt. Ihr zu Füßen kniet ein Benediktiner. Die eine Hand Marias weist auf ihn, die andere hält
ein aufgerolltes Schriftband, das ihr Anliegen „tuam fili clementiam“2 deutlich zeigt. Direkt neben
ihr steht ein heiliger Mönch mit dem Abtstab. Es ist wohl der heilige Benedikt selbst, oder auch der
Abt Guido- als zweiter Fürbitter für den Knienden. „Die kniende Gestalt ist als Benediktiner
charakterisiert. Mit seiner langen Nase, seinem vorstehenden Kinn, den nach unten gezogenen
Mundwinkeln und dem durchdringenden Blick hat er porträthafte Züge. Eine direkt beigefügte
Inschrift oder ein Attribut, was ihn als bestimmte Person kennzeichnen würde, sind nicht zu sehen.
So bleibt unklar, ob die Figur als pars pro toto die gesamte Mönchsgemeinschaft repräsentiert
oder, was wahrscheinlicher ist, den damals regierenden Abt von Pomposa darstellt. Auf diesen
verwies auch die heute zu großen Teilen zerstörte Inschrift im Rahmenornament unterhalb der
Mandorla, die sich auf das Ausmalungsprojekt bezieht und dabei den regierenden Abt nennt.“ 3
1 Joh.14,27 „meinen Frieden gebe ich euch“.
5
Auf der rechten Seite der Mandorla wendet sich einer der Engel, die die Mandorla stützen, kleinen
nackten Figuren zu. Neben ihm steht der Erzengel Michael, der die Seelen wägt. Über dem Bild
hält ein Engel ein Schriftband: „Beati oculi Qui vident que vos
videtis“4 - „ glücklich die Augen, die sehen, was ihr seht“ - am
unteren Bildrand ist „Astra Poli XPS nitet cum carne beata“5 zu
lesen, „wie die Sterne des Himmels glänzt Christus mit seinem
seligen Leib“. Als Symbolik dazu in Entsprechung halten im
Scheitelpunkt der Apsis zwei schwebende Engel einen Clipeus
(Rundschild) mit einem großen Stern.
Mit blauer Farbe wird der Hinweis auf die künftige Welt gegeben,
alle Farben sind zu einem harmonischen Akkord komponiert.
Abb. 8. Detail Apsis: Seelenwägung
Darunter, unter dem heiligen Martin und Johannes dem Täufer, wird die Geschichte des heiligen
Eustachius erzählt. Vielleicht verweist der besondere Ort für die Anbringung dieser Fresken
darauf, dass Eustachius- der Standhafte- in Pomposa besonders verehrt wurde.
Ein römischer Feldherr, Placidus, wird durch eine Erscheinung
Christi im Geweih eines Hirsches bekehrt. Er lässt sich und seine
Familie taufen und nimmt den Namen Eustachius an. Durch eine
Reihe von Prüfungen verliert er seine Familie, findet sie aber
nach sieben Jahren wieder. Weil er sich dann aber weigert, den
heidnischen Göttern zu opfern, erleidet er das Martyrium. Da die
wilden Tiere, denen er zum Fraß vorgeworfen wird, ihn
verschonen, wird er mit seiner Familie in einem glühenden Ofen,
der in Form eines Stieres dargestellt ist, zu Tode gebracht.
Abb. 9. Eustachius
2 „Deine Milde, o Sohn“. 3 S. Hauer, Erneuerung im Bild. Die Benediktinerabtei Pomposa und ihre Wandmalereien des 14. Jahrhunderts, Wiesbaden 1998. 4 Luc.10,23. 5 Offensichtlich ist bei der Restaurierung ut ausgelassen worden.
6
Vereint und glücklich, unbeeindruckt vom Scher-
gen, der das Feuer entfacht, sitzen Eustachius,
seine Frau und ihre zwei Söhne im Stier. Ihre
Seelen werden bereits von den Engeln emporge-
tragen.
Abb. 10. Martyrium des Eustachius Im Innenraum tragen unterschiedliche Säulen, die Spolien sind, in der Höhe oder am Boden
angeglichen, mit verschiedenen Kapitellen die Trennwände zwischen Haupt- und Seitenschiffen.
Auf ihnen sieht man von der Apsis ausgehend in drei Reihen Szenen aus der heiligen Schrift. Die
oberste Reihe beider Wände erzählt das Alte Testament, die Reihe darunter das Neue Testament,
die darunterliegende Bildfolge stellt die Apokalypse des Johannes dar. Die Bilder der Reihen
korrespondieren miteinander, oft ist im Alten Testament eine Vordeutung dargestellt, die sich
darunter durch das Neue Testament erfüllt. Die Szenen sind chronologisch aneinander gegliedert,
sie entfalten sich vor den Augen des Betrachters zu einer Geschichte.
Der Sündenfall, das Opfer von Kain und Abel,
der Brudermord und die Sintflut reihen sich an
die Erzählung von Abraham, von Jakob, von
Josef und seinen Brüdern, und kommen an der
nördlichen Wand zu den Geschichten von Moses,
zu David, der Goliath besiegt, zu Daniel in der
Löwengrube und Elias’ Himmelfahrt. Abb. 11. Sündenfall, Kain und Abel, Brudermord
Das Neue Testament erzählt an der südlichen Wand von der Verkündigung Mariae, der Geburt
Christi, der Anbetung der heiligen drei Könige, dem Bethlehemitischen Kindermord und der Flucht
nach Ägypten, der Darbringung im Tempel, der Taufe Christi, der Hochzeit zu Kana, der
Erweckung der Tochter des Jairus, der Erweckung des Jünglings von Nain, und geht an der
nördlichen Wand zur Erweckung des Lazarus über. Es folgt der Einzug in Jerusalem, mit dem die
7
Leidensgeschichte Christi beginnt, das Abendmahl und Judas, der Verrat im Garten Gethsemane,
die Kreuzigung, Beweinung und Grablegung, die Frauen am Grab, der ungläubige Thomas, die
Himmelfahrt und eine Darstellung von Pfingsten. Man kann nur staunend betrachten und Kapitel
um Kapitel der Erzählung folgen.
Einige Beispielszenen aus dem Neuen Testament:
Die Hochzeit von Kana:
Vor einem Wandbehang sitzen 6 Personen, Braut und Bräutigam. Christus am rechten Rand, er
spricht mit der neben ihm sitzenden Maria. Das Wunder „erliest“ man, wenn man den Diener sieht,
der aus einem Fass Wasser in die Krüge gießt, während ein anderer Diener aus den Krügen den
inzwischen verwandelten Wein abzapft. Ein bärtiger Gast trinkt, er weiß wohl schon von dem
Wunder. Er deutet auf Christus, der neben ihm sitzende Gast schaut ihn fragend an.
Abb. 12. Christus im Garten Gethsemane Abb. 13. Hochzeit von Kana
Christus im Garten Gethsemane:
Auf dem Bild ist Christus im Gebet zu sehen, im Gespräch mit den Jüngern, wie er verraten und
gefangen genommen wird. Während er betet, erscheint ein Kelch.
„Vater, lass den Leidenskelch an mir vorüber gehen.“ (Luc.22,42) Dann findet er seine Jünger
schlafend und weckt Petrus, indem er ihm die Hand an den Kopf legt. Jesus steht ruhig da, obwohl
von Soldaten mit Waffen umringt. Judas hat ihn gerade umarmt. Er schaut auf Petrus, der einen
Soldaten zu Boden geworfen hat, und zum Hieb ausholt. Jesus hat die Hand ausgestreckt, um
Petrus daran zu hindern.
8
Die Apokalypse
In der dritten Reihe beginnt die Erzählung mit
dem schlafenden Johannes.
Off.1,13:
„und sah mitten unter den Leuchtern einen, der
wie ein Mensch aussah; er war bekleidet mit
einem Gewand, das bis auf die Füße reichte,
und um die Brust trug er einen Gürtel aus
Gold.“ Abb. 14. Der schlafende Johannes
Dann sieht man ihn zusammengekauert, das entspricht
Off.1, 17 „als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder.“
Off.1.19 „Schreib auf, was du gesehen hast; was ist und was danach geschehen wird.“
Die Bildabfolge beginnend an der südlichen Wand folgt der Offenbarung und endet an der
nördlichen Wand mit einem Engel, einer Halbfigur ohne Flügel, die von einer Gloriole umgeben
ist.
Off.19.17, Die Bilder der Apokalypse schließt mit dem Bild des Drachen, der im Feuerpfuhl
endet, in den ihn ein mit Speeren bewaffneter Engel gestoßen hat und dort festhält, entsprechend
Off.19, 20-21; 20,10.
Abb. 15. Tiere der Apokalypse (Off. 17,7) So spannt sich von der Apsis ausgehend auf beiden Seiten die Erzählung und findet ihren
Abschluss in der Darstellung des Jüngsten Gerichts, die an der Westwand über und um das Portal
zu sehen ist.
Matth.24, 30-31: „Danach wird das Zeichen des Menschensohns am Himmel erscheinen; dann
werden alle Völker der Erde jammern und klagen, und sie werden den Menschensohn mit großer
Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen. Er wird seine Engel unter
lautem Posaunenschall aussenden, und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Wind-
richtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zu dem anderen.“
9
In der Mitte sitzt Christus in einer strahlenden Mandorla zu
Gericht. Seine Rechte zeigt eine aufnehmende Geste, seine
Linke eine abweisende. Beisitzende Apostel umgeben ihn,
über ihm sind Posaunenengel zu sehen. Weiter unten, zu
seiner Rechten mit der aufnehmenden Geste, führt ihm ein
Engel sechs Selige zu. Unter seiner abweisenden Linken
treibt ein Engel die Sünder in die Hölle, in der grauenvolle
Bestrafungen zu sehen sind. Der riesige Kopf Luzifers, mit
Bockshörnern ist über einem Feuerkessel zu sehen. Luzifer
leckt sich schon die Lippen. Im Gegensatz zu dieser Szene
repräsentieren auf der entsprechenden linken Seite die drei
Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob das Paradies. Ein
eigens gerahmtes Bildfeld direkt daneben zeigt die Figur Abb. 16. Das Weltgericht
eines Benediktiners, der einen Nimbus trägt, - es handelt sich wohl um den heiligen Benedikt- und
sich einer viel kleineren Figur, die ebenfalls ein Benediktinergewand trägt,- wohl der Abt Guido-
zuwendet. Auf der entsprechenden anderen Seite ist ebenfalls ein Bildfeld eingefügt. Es zeigt eine
männliche, mit Lendenschurz bekleidete Gestalt.6 Genau über Christus, dem Richter, steht wieder
Christus in einer Mandorla, seine Rechte ist zu segnender Geste erhoben, in seiner Linken trägt er
die Heilige Schrift. Er ist von Engeln umringt, in einem Band zu seinen Füßen scharen sich
Heilige und Selige. In der linken Ecke, neben dem
Fenster, sieht man eine mittelalterliche Stadt, deren
Tore geöffnet sind. Durch das darüber schwebende
Medaillon und Lamm ist die Stadt als das himmli-
sche Jerusalem zu identifizieren.
( Off. 21,1-22,5)
Detail: Abb. 16.
10
Der Fußboden:
Der erste Abschnitt, das Mosaik vor dem Altar, zeigt ineinander verflochtene Kreise und Quadra-
te. Innerhalb der Quadrate finden sich Knoten und kreuzförmige Geflechte. Der zweite Abschnitt
wirkt geometrisch, eine Binde läuft um einen Kreis in der Mitte, darin ein Kreuz, in dessen Mitte
das Wappen der Abtei. Auf dem Arm des Kreuzes ist das Einweihungsdatum, der 7. Mai 1026
eingeschnitten.
Abb. 17. Fußboden vor dem Altar
Der dritte Abschnitt zeigt ein Band, das drei Paare von Tieren umschlingt, Adler, Hirsche, Pfauen.
Darunter Fabeltiere, Löwe, Drache und Hirsch. Darunter ein Tier, das wie ein Elefant aussieht.
Der vierte Abschnitt ist geometrisch. Um einen
Innenkreis, in den eine Rose gesetzt ist, sieht man
weitere Kreise, mit geometrischen, sich wieder-
holenden Mustern. Vom Innenkreis, gehen Stern-
achsen aus, die im äußeren Umrandungskreis enden.
Weihwasserbecken stehen rechts und links, kniende
Figuren tragen die Schalen.
Detail: Abb. 18.
Abb. 18. Vierter Fußbodenabschnitt
11
Das Refektorium:
Der Bilderzyklus wird Pietro da Rimini, 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, zugeschrieben. Leider ist
die Dekoration nicht mehr in allen Teilen erhalten.
Christus, in der Linken das aufgeschlagene Evangelienbuch, die Rechte zum Segen erhoben, sitzt
zwischen Maria und Johannes. Maria hat die Hände in Orantenstellung, Johannes hält eine offene
Schriftrolle in der Hand mit der Inschrift „ ECCE AGNUS DEI Q(UI) TO(LLIT) P(ECCATUM
MUNDI)“7. Benedikt und Guido stehen daneben. Beide haben Bischofsstäbe ihn der Hand.
Die sündige Menschheit kann nur durch
Gottes Gnade errettet werden und braucht
noch besondere Fürsprecher vor Gott. Die
drei Gestalten, die heilige Gottesmutter,
Christus und der Vorläufer Jesu, Johannes
der Täufer, bilden schon seit dem
sechsten Jahrhundert eine in der byzan-
tinischen Kunst als Deesis bezeichnete
ikonographische Figur.
Abb. 19. Deesis8
Abb. 20. Deesis (15. Jhdt.)
12
Abb. 21. Letztes Abendmahl
Das letzte Abendmahl, ein überaus
passendes Bild für den Zweck dieses
Raumes. Johannes sitzt direkt zur Linken
Jesu, alle Jünger haben einen Nimbus.
Der Jünger, der Jesus gegenüber sitzt,
führt als einziger einen Bissen zum
Mund, sein Nimbus ist als einziger grau,
es ist Judas. (Markus 14, 18.) „einer von
euch wird mich verraten und ausliefern,
einer von denen, die zusammen mit mir
essen.“
Die gemalten, doch wie echt wirkenden
Säulen, die die einzelnen Szenen gliedern,
verbinden sie zugleich.
Guido verwandelt Wasser in Wein. Der Mann, der
erschrocken vor ihm zurückweicht, ist Gebhard, der
Erzbischof von Ravenna. Die Mönche Guidos blicken
zu ihrem Abt, sie wissen, dass er Wunder wirken kann.
Die Würdenträger zur Rechten des Bischofs kommen-
tieren das Geschehnis. Wie das Bild des letzten
Abendmahles ist auch dieses überaus passend gewählt
worden.
Abb. 22. Das Wunder d. Hl. Guido
13
Kapitelsaal:
Abb. 23 und Abb. 24. Blick auf die östliche Wand
Die mehrfigurige Kreuzigungsdarstellung an der Ost-
wand ist das zentrale Bild des Raumes. Die beiden
flankierenden Figuren stellen Petrus und Paulus dar.
Paulus ist durch das Schwert gekennzeichnet, bei der
Figur des Petrus kann man, da der obere Teil der
Figur zerstört ist, nur noch den ockerfarbigen Mantel
und den unteren Teil des Stabes erkennen.9
Die beiden Figuren daneben sind Guido auf der
rechten Seite, und auf der linken Seite der heilige
Benedikt.
Die anschließenden Figurenpaare, die in einer Art
Biforien stehen, sind monochrom dargestellt und
wirken wie Skulpturen. Ihre Namensinschriften sind
kaum zu entziffern, zumal sie bei der Restaurierung
verunklärt wurden. S. Hauer10 führt sie wie folgt an:
Auf der südlichen Wand sind jeweils als Paare Moses
und David, Jesaja und Jeremias, Habakuk und Joel,
auf der nördlichen Johannes der Täufer und Sacharja,
Daniel und Hosea, Amos und Sophonias (Johannes)
dargestellt. David wird als Rex, alle anderen dagegen
werden als Propheta bezeichnet.“
Abb. 25. Hl. Benedikt
Abb. 26. Propheten
14
Die Abtei Pomposa in ihrem heutigen Erscheinungsbild muss als Ergebnis einer Reihe von
Bauarbeiten gesehen werden, die im 8. Jahrhundert begannen - der Freskenzyklus kam im 14.
Jahrhundert dazu-und mit der Restaurierung im 20. Jahrhundert endeten.
Der Eindruck, den Pomposa auf einen Betrachter, der die Bilder in ihren Farbharmonien auf sich
wirken lässt, der sich von den Szenen der Heiligen Schrift, vom Schrecken des Jüngsten
Gerichts, aber vor allem von dem friedvollen Apsisbild mit seiner Heilsvision berühren lassen
kann, ist ein ganz besonderer.
So hat die Abtei den Namen, den sie verdient: Pomposa.
Die Kreuzigungsdarstellung:
Christus hängt am Kreuz, sein Kopf ist schon nach
vorne gesunken. Er ist bereits tot. Engel umschweben
das Kreuz. Sie tragen Schalen in der Hand, einer trägt
die Hände gefaltet. Unter dem Kreuz, zur Rechten
Christi sieht man Maria, die im Zusammenbrechen
von ihren Begleitern, Johannes und Maria, der Frau
des Kleophas, aufgefangen und gestützt wird. Zu
Christi Füßen kniet Maria Magdalena und küsst das
Suppedaneum. Hinter ihr ein Hauptmann, seine Hand
verweist auf den Gekreuzigten. Auch er trägt einen
Nimbus, wohl um dem Betrachter zu vermitteln, dass
er Christus erkannt hat. Hinter ihm stehen Soldaten
mit Lanzen und einer Fahne.
Abb. 27. Die Kreuzigung
15
Quellenverzeichnis:
BRESCHI, M.G., La cattedrale ed il battisterio degli Ariani, edizione „Dante“, Quaderno N.6, Ravenna 1965.
DI FRANCESCO, C., Die Abtei und das Museum von Pomposa. (Führer durch die Abtei Pomposa, herausgegeben vom Mueso Pomposiano), o.O, o.J.
HAUER, S., Die Benediktinerabtei Pomposa und ihre Wandmalereien des 14. Jhdt., Wies-baden 1998.
MISTRORIGO, T., Die Abtei von Pomposa, Bologna 1961.
MÜLLER-EBELIN, C., RÄTSCH, C., ZLATOHLAVEK, M., Das Jüngste Gericht, Fresken, Bilder Gemälde, Düsseldorf 2001.
SALMI, M., Die Abtei von Pomposa, Rom 1954.
Abbildungsverzeichnis:
Abb.1 Mistrorigo 4
Abb. 2 di Francesco 20
Abb. 3 Breschi 30
Abb. 4 Mistrorigo 5
Abb. 5 di Francesco 22
Abb. 6 eigenes Bild
Abb. 7 di Francesco 42
Abb. 8 Hauer Abb.55
Abb. 9 di Francesco 44
Abb. 10 di Francesco 43
Abb. 11 Hauer Abb.38
Abb. 12 Mistrorigo 20
Abb. 13 Mistrorigo 18
Abb. 14 Hauer Abb.45
Abb. 15 Mistrorigo 20
Abb. 16 di Francesco 47
Abb. 17 di Francesco 38
Abb. 18 di Francesco 32
Abb. 19 di Francesco 71
Abb. 20 Müller Ebeling 102
Abb. 21 di Francesco 71
Abb. 22 Mistrorigo 31
Abb. 23 Hauer Abb.4
Abb. 24 Hauer Abb.3
Abb. 25 Mistrorigo 27
Abb. 26 di Francesco 60
Abb. 27 di Francesco 60
Tamara Frömel, Karin Weseslindtner