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Diagnostik von Identität und Persönlichkeit im Kindes- und Jugendalter
Klaus SchmeckKinder- und Jugendpsychiatrische Klinik
Zürich, 28.06.2018
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Wilhelm Wundt: die Einführung dimensionaler Konzepte
W. Wundt 1832 -1920
Variabilität
der Gefühle
Stärke der
stark
Gefühle
schwach
schnell
langsam
sanguinisch
phlegmatisch
cholerisch
melancholisch
Klaus Schmeck
Agenda
› Erfassung von Persönlichkeit
› Erfassung von beeinträchtigten Persönlichkeitsfunktionen- Identität- Levels of Personality Functioning- Struktur
› Die neuen Klassifikationssysteme- DSM-5 - ICD-11
| 328. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
Erfassung von Persönlichkeit im
Kindes- und Jugendalter
| 428. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Big Five-Inventare für Kinder und Jugendliche
› NEO-FFI (ab 16 J.)
erfasst auf fünf Skalen / 60 Items die Big-Five Dimensionen:
Neurotizismus
Extraversion
Offenheit für Erfahrung
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
› HiPIC (11-15 J.)
Hierarchical Personality Inventory for Children
Selbst- und Fremdbeurteilung
144 Items, Kurzform 30 Items
| 528. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
Weitere Inventare zur Erfassung von Persönlichkeit bei Kindern und Jugendlichen
PFK 9-14 Persönlichkeitsfragebogen für Kinder
› 9-14 Jahre, Selbstbeurteilung, 180 Items
PSSI Persönlichkeits-Stil und Störungs-Inventar
› ab 14 Jahren, Selbstbeurteilung,
140 Items zur Erfassung von 14 Persönlichkeitsstilen
JTCI Junior Temperament und Charakter Inventar
Drei Versionen:
› JTCI 3-6 R (3-6 J., Fremdbeurteilung, 86 Items)
› JTCI 7-11 R (7-11 J., Fremdbeurteilung, 86 Items)
› JTCI 12-18 R (12-18 J., Selbst-u. Fremdbeurteilung, 103 Items)
| 628. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
Cloninger´s psychobiologisches Persönlichkeitsmodell
4 Temperamentsdimensionen
Neugierverhalten (Verhaltensaktivierung durch Impulsivität oder Neugier)
Schadensvermeidung (Verhaltenshemmung durch Schüchternheit, Ängstlichkeit oder Besorgtheit)
Belohnungsabhängigkeit (Aufrechterhaltung von Verhalten durch soziale Belohnung)
Beharrungsvermögen (Aufrechterhaltung von Verhalten durch intrinsische Motivation)
3 Charakterdimensionen
Selbstlenkungsfähigkeit (verantwortliches und reifes Verhalten gemäß den eigenen Fähigkeiten)
Kooperativität (hilfsbereites, tolerantes und einfühlendes Verhalten)
Selbsttranszendenz (Bewußtheit von übergeordneten / spirituellen Werten)
Klaus Schmeck
„JTCI-Familie“ (Goth & Schmeck, 2009)
Altersbereich Erhebung Inventarname
3 - 6 Fremdbeurteilung JTCI/3-6
7 - 11 Fremdbeurteilung JTCI/7-11
12 - 18 Selbstbeurteilung JTCI/12-18 R
Klaus Schmeck
Fragebogen zur Erfassung von beeinträchtigten Persönlichkeitsfunktionen bei Jugendlichen
| 928. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
AIDA
Assessment of Identity Development in Adolescence
12-18 Jahre, Selbstbeurteilung,58 Items
1 Gesamtskala – 2 Aspekte (mit je 3 Facetten)
Identitätsdiffusion1. Kontinuität 2. Kohärenz
LoPF-Q 12-18
Levels of Personality Functioning Questionnaire
12-18 Jahre, Selbstbeurteilung,97 Items
4 Gesamtskalen – je 2 Aspekte (je 3-4 Facetten)
1) Identität2) Selbststeuerung3) Empathie4) Nähe
OPD-KJ2-SF
Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik – Strukturfragebogen
12-18 Jahre, Selbstbeurteilung,81 Items
4 Gesamtskalen (mit je 4-6 Facetten) 1. Steuerung2. Identität3. Interpersonalität4. Bindung
Klaus Schmeck
Identität
Unterscheidung zwischen
› Ich als “I”: intuitive, emotional erlebte vitale Selbstevidenz,
und
› Ich als “ME”: Ergebnis eines selbstreflexiven Prozesses, der
zu einer integriertenBewusstheit über einen Selbst führt.
Identität kann so unterteilt werden in die beiden Bereiche
› “subjektives Selbst” mit einem Fokus auf Kontinuität, den
“stabilen Kern”;
eher emotionaler Zugang
› “definitorisches Selbst” mit einem Fokus auf Kohärenz, dem
“integrierten Ganzen”;
eher kognitiver Zugang
| 1028. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
William James 1842-1910
George H. Mead1863-1931
Klaus Schmeck
Identität als ein fundamentales Organisationsprinzip,
das es Menschen nicht nur ermöglicht, unabhängig von
anderen zu funktionieren, sondern auch, zwischen sich
und anderen zu unterscheiden („uniqueness“).
Identitätsbildung als ein lebenslanger Prozess mit dem
Streben, ein Gefühl von Kontinuität innerhalb des
eigenen Selbst („self-sameness“) herzustellen.
«Changing while staying the same»
Identität aus Sicht von E.H. Erikson (1958, 1973)
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Erik H. Erikson
1902-1994
Klaus Schmeck
Gibt es einen «g-Faktor»?
Was ist der Kern von Persönlichkeitspathologie?
Untersuchung von 966 stationären Patienten aus der Menninger Clinicmit dem SCID-II
Fokus auf BPD, ASPD, NPD, SZTPD, OCPD, AVPD
Klaus Schmeck
Borderline-Pathologie als Kern aller PS
Klaus Schmeck
Sharp et al., 2015
AIDA Assessment of Identity Development in Adolescence
Ziel: Entwicklung eines neuen Instruments zur Erfassung von normaler und gestörter Identitätsentwicklung bei Adoleszenten
Das AIDA Konstruktionsteam …
Kirstin Goth (Basel)
Klaus Schmeck (Basel)
Susanne Schlüter-Müller (Frankfurt)
Pamela Foelsch (New York)
Unter Mitarbeit von
Emanuel Jung
Oliver Pick
Christian Schrobildgen
Marc BirkhölzerKlaus Schmeck
Die beiden zentralen Dimensionen der Identität
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Zugang = emotional
„Kontinuität“
Subjektives Selbst als ein
unmittelbares intuitives Erlebnis,
vitale Selbstevidenz; innere
Gefühle, beeinflußt innere
Dringlichkeiten + offene Reaktion
Definitorisches Selbst als
Resultat von Selbstreflektion,
reflektierende Selbstevidenz;
Wünsche, innere Motive, be-
einflußt „übergeordenete“ Identität
Zugang = kognitiv
„Kohärenz“
Identität als wiederholte ganzheitliche emotionale Erfahrung von „I“, empfundene Stabilität über die Zeit
Identität als „mit sich selbst identisch sein“, Erkenntnis des „ ME “, definierter Kern undintegriertes Ganzes über verschiedene Stuationen
Klaus Schmeck
AIDA Dimensions
Diskontinuität
Inkohärenz
ID-Integration
ID-Diffusion
PS
Kontinuität
Kohärenz
Klaus Schmeck
AIDA Mittelwerte im Vergleich zwischen Diagnosegruppen und Normpopulation(Goth, Birkhölzer, Schrobildgen, Schlüter-Müller, Schmeck, in rev.)
| 1728. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
0
20
40
60
80
100
120
140
BPS PS INT EXT NORM Gesund
d=3.7Klaus Schmeck
A I : Identität
Ich-Integration vs. Ich-Diffusion
A. Selbst-bezogene PF Intrapersonale Pathologie
B. Sozial-bezogene PF Interpersonale Pathologie
A II : Selbst-lenkung
Selbstverwirk-lichung vs. Willens-pathologie
B I : Nähe / Bindung
Persönliche vs. beeinträchtigte nahe Bezieh. (nah vs fern)
B II : Empathie / Sozialverhalten
Prosoziale vs. beeinträchtigte Sozialfunktionen (warm vs kalt)
Vier zentrale Persönlichkeitsfunktionen (PF) definieren im DSM-5 die Kernbeeinträchtigungen, die Persönlichkeitsstörungen grundlegend kennzeichnen sollen (Kriterium A).
Dysfunktionale Persönlichkeitsstrukturen – Das LoPF-Modell
Klaus Schmeck
Erfassung von beeinträchtigten Persönlichkeitsfunktionen: LoPF-Q 12-18
(Goth, Birkhölzer & Schmeck, 2018)
| 1928. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
50
55
60
65
70
75
80
Identity Self-direction Empathy Intimacy
T-
va
lue
s
LoPF-Q 12-18 - Impairments in personality functions
PD avoidant (N=22)
PD Borderline (N=43)
PD dissocial+narcissistic(N=13)
PD schizoid+paranoid(N=10)
Klaus Schmeck
| 2028. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Operationalisierte Psychodynamische Diagnostikim Kindes- und Jugendalter (Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2013)
Achse «Struktur»
› Identität
› Steuerung
› Interpersonalität
› Bindung
Klaus Schmeck
| 2128. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
https://academic-tests.com
Klaus Schmeck
Die neuen Klassifikationssysteme
DSM-5
ICD-11
| 2228. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
Persönlichkeitsstörungen im DSM5
Die überarbeitete Klassifikation der
Persönlichkeitsstörungen im DSM-5 ist ins Kapitel III
verschoben worden.
Hybridmodell: kategorial und dimensional
Persönlichkeitsstörungen als Einschränkungen in
den beiden zentralen Funktionsbereichen:
1. „Selbst-bezogene
Persönlichkeitsfunktionen“
(Identität und Selbstlenkung)
2. „Interpersonale
Persönlichkeitsfunktionen“
(Empathie und Nähe)
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Klaus Schmeck
DSM-5 Pathologische Persönlichkeitsmerkmale
Die Diagnose einer PS darf nur gestellt werden, wenn pathologische Persönlichkeitsmerkmale in mindestens einem der folgenden 5 Bereiche zubeobachten sind:
› Negative Affektivität
› Distanziertheit (detachment)
› Feindseligkeit (antagonism)
› Unterkontrolliertheit (disinhibition)
› Psychotizismus
| 2428. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
ICD-11 (veröffentlicht 15.06.2018)
| 2528. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
Konzeptualisierung von PS im ICD-11:Kategoriale Klassifikation eines dimensionalen Konstrukts
(modifiziert nach WHO, 2018)
| 2628. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Keine
Persönlichk.
pathologie
Persönlichk.
Schwierig-
keiten
Leichte
Persönlichk.
störung
Mittelgrad.
Persönlichk.
störung
Schwere
Persönlichk.
störung
Keine PS-Diagnose PS-Diagnose
Klaus Schmeck
Konzeptualisierung von PS im ICD-11:Die Art der Persönlichkeitsstörung wird durch die Ausprägung von Persönlichkeits-Traits bestimmt.
| 2728. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
Negative
EmotionalitätDissozialität mangelnde
Impuls-
kontrolle
(Disinhibition)
Zwang-
haftigkeit
(Anakastia)
Distanziert-
heit
(Detachment)
«PS-Profil»
Klaus Schmeck
Überblick über diagnostische Verfahren zur Erfassung von Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörungen bei Kindern und Jugendlichen
Schmeck, K., Goth, K. (2018). Diagnostische Verfahren im Kinder-
und Jugendbereich.
in:
G. Berberich, M. Zaudig, C. Benecke, H. Saß, J. Zimmermann (Hg.).
Update Persönlichkeitsstörung. Entwicklung – Diagnostik –
Therapie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Schattauer, 2018
| 2828. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | Klaus Schmeck
Sonderheft “Identity” im JournalChild and Adolescent Psychiatry and Mental Health
Editors: Schmeck, Fegert, Schlüter-Müller (2013, Jul 31;7(1))
› Schmeck, Fegert, Schlüter-Müller: Editorial: On Identity
› G. Northoff: Brain and Self – A neurophilosophical account
› D. Sollberger:On identity: From a philosophical point of view
› Schmeck, Schlüter-Müller, Foelsch, Döring: The role of identity in the DSM-5 classification of personality disorders
› Jung, Pick, Schlüter-Müller, Schmeck, Goth: Identity development in adolescents with mental problems
› Kazin, De Castro, Arango, Goth: Psychometric properties of a cultural adapted Spanish version of AIDA (Assessment of Identity Development in Adolescence) in Mexico
| 2928. Juni 2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | http://www.capmh.com/
3028.06.2018Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |
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