Post on 23-Aug-2019
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Diagnose Rheumatoide Arthritis
Was muss ich wissen Was kann ich tun
Dr. med. Christina Binder Rheumapraxis München Gottfried-Keller-Strasse 20 81245 München
Rheumatoide Arthritis
Allgemeines / Wissenswertes Symptome Diagnostik Therapiemöglichkeiten Auswirkungen auf Beruf und Familie Hilfen und Tipps
Entstehung des Rheumas
Störung des Immunsystems (Autoimmunkrankheit): Das Immunsystem greift körpereigene Strukturen an und zerstört diese (z.B. Gelenkinnenhaut). Ursachen sind noch immer unbekannt. Es gibt allerdings wichtige Risikofaktoren: - Genetisch - Geschlecht (Frauen häufiger betroffen) - Infektionen - Gifte (Zigarettenrauch)
Epidemiologie der rheumatoiden Arthritis
• weltweit die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung
• 0,5-1% der erwachsenen Bevölkerung sind betroffen
• in Deutschland ca. 800 000 Patienten
• Frauen erkranken 2-3 mal häufiger als Männer
• Hauptmanifestationsalter 40-60 Jahre
Gelenksymptome Gelenkschmerz Gelenkschwellung Morgensteifigkeit Symmetrischer Befall der Grund- und
Mittelgelenke der Finger Rötung Bewegungseinschränkung
Allgemeine Symptome Schwäche Ermüdung Unwohlsein Fieber Gewichtsabnahme Depressionen
MCP(Metacarpophalangeal Gelenke)
PIP (Proximale Interphalangeal Gelenke)
Symptome der rheumatoiden Arthritis
Chronische Gelenkentzündung
systemischer Knochenabbau und schwere Knochenzerstörung
Zwei Prozesse stehen im Vordergrund:
Knorpel
Gelenk-kapsel
Pannus
durch Zerstörung der Knorpelschicht
Entzündung von
Gelenkkapsel und
Synovialmembran
rheumatoide Arthritis normal
Synovialflüssigkeit
Synovialmembran
Zurückbildung der Gelenkhöhle
chronische Entzündung
Irreversible Gelenkveränderungen
Radiologisch nachweisbare Gelenkschädigungen:
Gelenkspaltverengung Knochenerosion Fehlstellung Verknöcherung
Rheumatoide Arthritis
selbstlimitiert ca. 10 – 20%
Chronisch progredient
ca. 80 – 90%
Geringe Progredienz ca. 20 – 30%
Deutliche Progredienz ca. 50 – 60%
Verlaufsformen der rheumatoiden Arthritis
Extraartikuläre Manifestationen sind selten
Rheumaknoten
Episkleritis Vaskulitis
Perikarditis Lungenfibrose
Risiko: Rauchen
jeder 5. Erkrankungsfall einer RA könnte verhindert werden, wenn der Pat. nicht geraucht hätte.
Rauchen wirkt sich auf den Verlauf der rheumatoiden Arthritis negativ aus
Raucher brauchen wesentlich mehr Medikamente!
Rauchen begünstigt Folgeerkrankungen Raucherentwöhnung
KK bieten Hilfe
Risiko Parodontitis
durch beschwerliche Mundpflege infolge von eingeschränkter manueller Geschicklichkeit, Kiefergelenkbeteiligung
• Patienten mit RA erkranken bis zu
achtmal häufiger an Parodontitis als „Gesunde“.
• Schwere der Parodontitis korreliert mit der Dauer und Aktivitität der RA
• Parodontitis erhöht das Risiko für eine Rheumatoide Arthritis aber auch für Herzinfarkt und Schlaganfall
Elektrische Zahnbürste, Munddusche… Regelmäßige Zahnarzt-Kontrollen konsequenter Behandlung der Parodontitis
Rheuma und Schlaf
• Schlaf und Immunsystem o Zusammenhang des Fatigue-Symptoms mit entzündungsfördernden Zytokinen o Das Schlaf-Wach-Verhalten reagiert auch empfindlich auf bakterielle Zerfallsprodukte (Endotoxine), die infolge von Entzündungen gebildet werden o Hinweise, dass aufgrund des mangelnden Schlafes offenbar zelluläre Signale
aktiviert werden, durch die wiederum entzündungsfördernde Botenstoffe (Zytokine) produziert werden. An diesen Prozessen sind Interleukin-6 (IL-6) sowie der Tumornekrosefaktor alpha (TNF alpha) vermutlich als Schlüsselfaktoren beteiligt.
• Schlafstörungen durch nächtliche Schmerzen
Begleiterkrankungen Folgeerkrankungen
• KHK Personen, die mehrere Jahre an rheumatoider Arthritis leiden, haben ein doppelt so hohes Risiko, an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken, als Personen ohne RA-Vorgeschichte. Ursachen: systemische Entzündung schädigt direkt die Gefäßwand Erniedrigtes HDL Weitere RF: Hypertonie, Diabetes
Medikamenten-NW: • Infektionen • Allergien,
Unverträglichkeiten • Haarausfall,
Schleimhautschäden • Leber-, Nierenschäden
• Osteoporose
Relatives Frakturrisiko in Abhängigkeit von der Steroiddosis
• van Staa et al., Bone 1998;23(5;1):S202
Zugelassen für die GIOP sind: Alendronat, Risedronat, Zolendronat und Teriparatid.
Diagnostik relevante Laborwerte
Entzündungsfaktoren: Blutsenkung CRP, Ferritin Krankheitsaktivität
Auto-Antikörper Rheumafaktor ACPA:CCP- Antikörper Antinukleäre Antikörper Prognose
Diagnostik Bildgebung
MRT Magnetresonanztomographie
Gelenksonographie
Röntgen
B-Bild
PD
Grad 1 Grad 2 Grad 3 Normal
MCP- Gelenke
semiquantitativer Synovitis-Score (Grad 0-3)
Bildgebende Verfahren im Verlauf: Sonographie vs Röntgen
Verlauf nach 1 Jahr - Handgelenkarthritis - Gelenkzerstörung an 3 Fingergrundgelenken - Entzündungen div Beugesehnen mit inkompl. Faustschluss
HG dorsaler LS
38 jährige Patientin, seit 10 Wochen Schmerzen in HG, mehreren MCP Gelenke bds,Morgensteife ca. 20 min. FA: Mutter hat RA Druckschmerz re HG, MCP 3,5 re und MCP 2 li Gelenkschwellungen in MCP 3 re BKS 12mm, CRP 0,6mg / dl, Rheumafaktor neg, Anti-ccP negativ, ANA 1: 320; Borrelien-Serologie: IgG hoch pos, IgM negativ
Medikamentöse Therapieoptionen der rheumatoiden Arthritis
Glukokortikoide DMARDs
Basistherapeutika
Biologika
COX-2
Hemmer
Nichtsteroidale Antirheumatika
Analgetika
Bedeutung der frühen intensiven Intervention bei RA
90 % der Patienten zeigen Zeichen einer
radiologischen Schädigung
innerhalb der ersten 2 Jahre.1
Kritisches “window of opportunity”
Kra
nkhe
itsbe
ginn
1 Jahr2 3 Monate2
etabliert Endstadium früh
1Lindqvist E, et al. Arthritis Rheum 2003; 62(7): 611–616 2Nell VP, et al. Rheumatology 2004; 43: 906–914
Einfluss des Therapiebeginns auf den Krankheitsverlauf
modifiziert nach Smolen JS, et al. Best Pract Res Clin Rheumatol 2005; 19(1): 163–177
Beginn der Symptome
Zeit
Beginn der Destruktion
Pro
gres
sion
idealer Verlauf
Vorstellung beim Rheumatologen
Beginn der DMARD-Therapie
Vorstellung beim Rheumatologen
Beginn der medikamentösen Therapie bestimmt maßgeblich die Progression der RA
Neue S1 Leitlinie der DGRh zur sequenziellen medikamentösen Therapie der Rheumat. Arthritis
12. Die individuelle Therapiestrategie sollte neben der Krankheitsaktivität auch weitere Faktoren wie radiologische Progression, Begleiterkrankungen, Sicherheitsaspekte sowie Teilhabe (z.B. Erhalt der Arbeitsfähigkeit und Einbezogensein in das soziale Umfeld) berücksichtigen.
Weitere Therapieoptionen
• Gelenkinjektionen • Radiosynoviorthesen • Röntgentiefenbestrahlungen
• Operativ: • Synovektomie • Teil-Versteifung • Gelenkersatz
Ernährung und RA
• Quelle: Nach Informationen des Deutschen Ernährungsberatungs- und -informationsnetz und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
• O. Adam: Ernährungstherapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, Dtsch Med Wochenschr 2009; 134: 1759-1763
• Wenig Arachidonsäure aufnehmen- weniger Fleisch • mehr Fisch! reich an Omega-3-Fettsäuren sind Hering,
Lachs , Makrele (Kaltwasserfisch) alternativ: Fischölkapseln • 5x am Tag Obst und Gemüse • zahlreiche Vitamine ( C, E) und Spurenelemente
(Selen) haben eine antioxidative Wirkung • Calciumreiche Ernährung
• 30min täglich Aufenthalt im Freien ( Sonne) und/oder
Vitamin D Einahme • Auf das Gewicht achten
Sport und RA
Voraussetzungen: gelenkschonend?- jede Sportart ist prinzipiell möglich Vorsicht bei Sportarten mit erhöhter Verletzungsgefahr, Stoß- und
Schlagbelastung Sport soll Spaß machen!
Schwimmen (Rücken-), Aquagym., -jogging Nordic Walking Radfahren oder Ergometertraining Skilanglauf Wandern Gymnastik
fördert Muskelaufbau stärkt Immunsystem, beugt Herz-Kreislauferkrankungen vor
Bewegungstherapie bei RA
• Krankengymnastik • Manuelle Therapie • Ergotherapie (ergon= Arbeit, Werk): Gelenkschutz, insbesondere bei
Tätigkeiten, die mit Kraft durchgeführt werden
• Wärme-,Kältetherapie
Hilfsmittel: orthopädisch:Bandagen, Einlagen ( bezahlt KK) für Haushalt und Freizeit
selbst
• Funktionstraining
Tipps und Hilfen
Rucksack
erhöhte Bettkante
Keilkissen
Griffverstärkungen an Stiften,Messer, Töpfe
Nussknacker Schraubenzieher
Zange
Staatliche Hilfen bei chronischen Erkrankungen Rehabilitation ( =Reha=Kur)
• medizinische Reha: • Ziel: Wiederherstellung der körperl. Funktionen Krankenkasse Kostenträger
• berufliche Reha: • Ziel Erhalt der Arbeitsfähigkeit Zuständigkeit: Deutsche Rentenversicherung oder Agentur
für Arbeit eine Kur kann alle vier Jahre beantragt werden, bei gesundheitlicher Verschlechterung auch häufiger
Was verursacht die Kosten am Beispiel der RA?
29
Kosten bei der RA
Merkesdal S, et al. Ann Rheum Dis 2007; 66 (Suppl II): 268
indirekte Kostenkompo- nente (47 %)
direkte Kosten- komponente (53%)
Schwerbehinderung (SGB IX)
Einschränkungen in der körperlichen Funktion oder der
geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit, die mit hoher Wahrscheinlichkeit > 6 Monate anhalten
• Grundlage, um vom Staat angebotene Rechte und Leistungen
in Anspruch nehmen zu können • Antrag beim Versorgungsamt stellen www.versorgungsaemter.de
• Feststellung der Schwerbehinderung ( GdB) • Ab GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor • ( Schwerbehindertenausweis)
Vorteile bei Schwerbehinderung
Steuerfreibeträge: ab GdB 25, Höhe abhängig vom GdB 310-1420€
Zuschüsse bei Arbeitshilfen Rechte am Arbeitsplatz: ab GdB 50 erweiterter
Kündigungsschutz -> Informationen Integrationsamt 1 Woche zusätzlich Urlaub Schwerbehinderung muss grundsätzlich nicht beim Arbeitgeber
angegeben werden- auch nicht auf Nachfrage
Erwerbsminderungsrente
Def: eine teilweise Erwerbsminderung liegt vor, wenn der Antragsteller auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - unabhängig vom erlernten Beruf - nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich tätig sein kann
Informationen: jeweilige Rentenversicherung zu beachten: Mindestversicherungszeit mind. 5 Jahre rentenversichert Rentenhöhe richtet sich nach Anzahl der Versicherungsjahre
und der Höhe eingezahlten Beiträge
Staatliche Hilfen bei chronischen Erkrankungen
Rheumatoide Arthritis und Stress
Stress= Druck,Anspannung Auslöser rheumatischer Erkrankungen beeinflusst Krankheitsaktivität ( Anzahl und Dauer von Schüben) schwächt das Immunsystem-> gehäuft Infekte, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Bluthochdruck, Muskelanspannungen, Schmerzempfinden, Agressivität, depressive Verstimmungen
Persönliche Stressbewältigung o Stressoren und Stresssituationen erkennen o Persönliche Einstellung ändern: positives Denken o Verhaltensänderung: Zeitmanagement, Sport, soziale Kontakte,
Entspannung
psychologischen Therapieverfahren: kognitive Copingstrategien (zum Beispiel Relaxationstechnik, Biofeedbacktherapie, Verhaltenstherapie oder Stressmanagement-Training)
Familienleben Familienplanung
Freizeit Reisen
Kinderwunsch Schwangerschaft
Partnerschaft
Einfluss von Antirheumatika auf die Sexualität
Von keinem Rheumamedikament ist ein negativer Einfluss bekannt auf: • Libido • Potenz • Lustempfinden
Kinderwunsch/ Schwangerschaft bei Rheumatoider Arthritis
Fruchtbarkeit unter DMARD nicht beeinträchtigt NSAR können Eisprung verhindern Sulfasalazin (+FS), Antimalariamittel, Ciclosporin Azathioprin,TNFα Blocker Kortison, NSAR bis 32.SSW MTX, Leflunomid
Enge Kooperation zwischen Rheumatolgen und Gynäkologen
In der Schwangerschaft einsetzbare Immunsuppressiva
Medikament publizierte Schwanger- schaften
Besonderheiten
Antimalariamittel > 500 HCQ: mehr Erfahrungen
Sulfasalazin > 2000 Folsäuresubstitution!!
Ciclosporin > 1000 Blutdruckkontrollen!!
Azathioprin > 2000 Dosis = 2mg/kg KG Zytopenie Neugeborener
Fetale Prognose
22,27
Kinder von Frauen mit aktiver RA in der SS: häufiger niedriges Geburtsgewicht als Kinder von Müttern mit inaktiver RA Bowden AP et al. J Rheumatol. 2001;28(2):355-9. PARA Studie: Kinder von Frauen mit DAS >3,9: im Mittel um 310 g niedrigeres Geburtsgewicht als Kinder von Frauen mit niedrigerer Aktivität (p=0.02). de Man YA et al. Arthritis Rheum. 2009;60(11):3196-206. (mittl. Geburtsgewicht aber >3200 g = Bedeutung daher unklar)
Diagnose Rheumatoide Arthritis
Das muss ich wissen: Unglaublich viele Erkenntnisse über Zusammenhänge und medizinischen Fortschritt, die Mut machen.
Durch viele Verhaltensregeln kann ich meine Erkrankung positiv beeinflussen