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Depression: Ätiopathogenese, Klinik und Therapie Teil 2: Spezielle Probleme in Klinik und Forschung und
Psychotherapie der Depression
Prof. Dr. med. H. BökerKlinik für Affektive Erkrankungen und Allgemeinpsychiatrie Zürich Ost
Zentrum für Depressions- und Angstbehandlung
Postgraduierten-Weiterbildung, Frühjahrssemester 2012, PUK Zürich, 09.05.2012
1. Einleitung2. Mehrdimensionalität der Depression – Mehrdimensionale
Behandlung3. Psychotherapie der Depression4. Grundmerkmale erfolgreicher Psychotherapie bei depressiv
Erkrankten5. Ergebnisse der Psychotherapieforschung bei depressiv
Erkrankten• Kognitiv-behaviorale Therapie (KBT) und Pharmakotherapie im Vergleich• Interpersonelle Therapie (IPT)• Psychodynamische Psychotherapie (PP)
• Psychodynamische Kurzzeittherapie (STPP)• Psychoanalytische Langzeittherapie
• Bruttoeffekte vs. Nettoeffekte
Depression: Äthiopathogenese, Klinik und Therapie Teil 2: Spezielle Probleme in Klinik und Forschung
und Psychotherapie der Depression
6. Depressionsforschung: Einzelfallforschung und kombinierte neuropsychologische und fMRI-/MRS-Studien
• Selbstkonzept: Qualitative Einzelfallforschung
• Emotional-kognitive Interaktion bei Depressiven
7. Therapeutische Implikationen
8. Wissenschaftliche Implikationen
9. Schlussbemerkungen: Die Bedeutung des „multiple factor approach“
Depression: Äthiopathogenese, Klinik und Therapie Teil 2: Spezielle Probleme in Klinik und Forschung
und Psychotherapie der Depression
Die chemische Hypothese der Depression (Castren 2005)
Is mood – only – Chemistry? Intrazelluläre Prozesse bei affektiven Störungen und antidepressiver Behandlung
Die Netzwerk-Hypothese der Depression (Castren 2005)
Gesundheit: Prozessierung von Informationen in teilweise überlappenden Netzwerken
Depression: Gestörte Informations- prozessierung in einzelnen Netzwerken
AD: Erhöhte Konnektivität neuronaler Netzwerke
Aktivitäts- abhängiges Pruning von Synapsen selektiert und stabilisiert aktive Synapsen und Netzwerke
Ein kombinierter Ansatz zur Depressionsbehandlung auf der Basis der
Netzwerk-Hypothese (Castren 2005)
- Depression als gestörter Informationsprozess neuronaler Netzwerke
- Induktion aktivitätsabhängiger Plastizität durch Therapie
- Verbesserung der Konnektivität in den betroffenen Netzwerken
Modell zellulärer Mechanismen der Regulation von VEGF und
BDNF und der adulten Neurogenese
Hippokampale Neurogenese: Opponierende Effekte von Stress und
antidepressiver Behandlung (Warner-Schmidt, Duman 2006)
Regulation konvergierender Signaltransduktionskaskaden durch Monoamine und Nervenwachstumsfaktoren
(Warner-Schmidt, Duman 2006)
Selbst und Körper in der Depression: Therapeutische Zugangswege
Selbst Körper
Anklammerung Schuld- gefühle
Kognition
Psycho- somatische Zirkularität
Psycho- motorik
Partnerschaft und
Kommunikation
Arbeit
Rückzug
Psychodynamische Psychotherapie
Kognitiv-behaviorale Therapie
Verhaltenstherapie
Schlafentzugstherapie
EKT
Lichttherapie
Pharmakotherapie
Somatische Therapie
KörpertherapiePaar- und
Familientherapie
Berufliche Rehabilitation
Sozialarbeit
Ergotherapie CBASP
KASUISTIK 1
Frau A.
„Begegnung mit der Versteinerung“
Psychotherapie der Depression
Frau A.: Begegnung mit der Versteinerung
D: Rezidivierende depressive Störung (ICD10: F33.3); „Unipolare Depression“
EA: Erstmanifestation (31 J.) Tod des Vaters Schuldwahn (Fehlverhalten gegenüber Chef) Suizidversuch (Reinigungsmittel)
PT: Im Anschluss an 2. depressive Phase (33 J.) Fehlgeburt
Primärpersönlichkeit: Ordentlich-pedantisch, verlässlich, skrupulös Loyalitätskonflikte („Verbot“ jeglicher Kritik gegenüber Mutter, Chef), „Typus melancholicus“ (Tellenbach), Alexithymie
Frau A. (Fortsetzung)
Verlauf der PT:
- Konkretistische Schilderung des Alltags - Monotonie - „Versteinerung“ Gü: - Konstituierung des Selbst über
Phantasien - Impulse, Patientin tatsächlich verurteilen zu müssen!
- Metaphorisierungen - Über-Ich - Übertragung
- „Zwangsjacke der Liebe“ (rigide Über-Ich-hafte Introjekte), Abhängigkeit
- Aufhebung der zwanghaft-kontrollierenden Abwehr - Symbolische Bedeutung der Auslösesituationen - Zunehmende Autonomie
KASUISTIK 2
Frau B.
„Das Bild der toten Mutter“
Verlaufsdauer: 10 Jahre
Frau B: Das Bild der „toten Mutter“
D.: Rezidivierende depressive Störung (ICD-10: F33.2) Dysthymie (ICD-10: F34.1), Double Depression
Architektin
A.: Erstmanifestation 48 J, Hospitalisation wegen akuter Suizidalität, schwere psychotische Depression (Schuldwahn), zuvor substuporöser Zustand
EA: Vater starb, als Pat. 11 Jahre alt war „Erstarrung“ der Mutter nach dem Tod des Vaters, Mutter hatte bereits zuvor an Depressionen gelitten
Psychogenese/Psychodynamik: Idealisierende Vater-Beziehung Introjektion des Bildes der „toten Mutter“ (A.Green) Mutter: „Kritische Schweigemauer“
Frau B: (Fortsetzung 1)
Auslösesituation: Loyalitätskonflikt (mütterliche Verantwortung gegenüber 10 Jahre alter Tochter – ausserehelicher Partner): „Aus meiner Sinnlichkeit wird mir ein Strick gedreht“
Verlauf der PT (2 Std. /Woche):
- Wesentlicher Fokus: Sequentieller Prozess des Hineingeratens in einen Zustand der Erschöpfung und zunehmende Erstarrung unter Berücksichtigung aktueller und früherer Beziehungs- und Konfliktmuster
- Übertragungsbeziehung: Dilemmatische Verknüpfung von Anlehnungswünschen, erotischen Wünschen, Aggression und Autonomiewünschen mit Verlustängsten und Schuldgefühlen
- Bearbeitung krankheitsrelevanter psychodynamischer Zusammenhänge und maladaptiver Bewältigungsversuche im Sinne einer Rezidivprophylaxe
Frau B: (Fortsetzung 2)
- Rezidiv: Schwere gehemmte Depression mit ausgeprägter kognitiver Symptomatik (9 Monate, stationär) nach Einleitung der Scheidung
- Phasenprophylaxe: Trileptal-induzierte Hyponatriämie! Hypomanischer Zustand (10 Tage)
- 3 schwere depressive Episoden/5 Jahre
- Zunehmende Stabilisierung, Remission (Dauer: > 3 Jahre)
Behandlungstechnische Probleme
- „Präsymbolische Affektansteckung“
- Partielle temporäre Entkopplung von psychischem Prozess und manifester Symptomatik
- Kognitive Störungen (auch nach Besserung der Symptomatik)
- Unterschiedliche Ebenen der Symbolisierung, bei denen somatopsychische Vorgänge involviert sind
- Resymbolisierung: Teilhabe an einem körperlich geschehenden sensomotorischen Affekt durch transmodale Veränderung zu einem erlebbaren Gefühl („semiotische Progression“, Böhme-Bloem 1999)
- Trennung und Trauer: „Nur was betrauert werden kann, kann symbolisiert werden“ (Segal 1956)
Modell der pathologischen Selbstwertgefühlregulation bei verschiedenen affektiven Störungen (Mentzos 1995)
Regressive Aktivierung
Erschöpfung und defensive Blockierung
SCHULD- DEPRESSION
ABHÄNGIGKEITS- DEPRESSION
MANIE
L E E R E D E P R E S S I O N
Selbstwertgefühl- Regulation
Stärkung durch Identifikation
• Selbst
• Objektbeziehungen (aktuelle, internalisierte)
• Depressives Dilemma (Mentzos 1995): Antagonismus von Selbstwerthaftigkeit und Objektwerthaftigkeit
• Unbewusste Determinanten der Depression Internalisierte Beziehungsmuster und Gedankensysteme („Innere Realität“)
• Überwindung der Depression wird dann möglich, wenn der Depressive erlebt, dass sie/er am Zustandekommen des Beziehungsmusters der Unterwürfigkeit „selbst mitgewirkt“ hat
Fokus der Psychoanalytischen Psychotherapie depressiv Erkrankter I
• Identifizierung und Formulierung der unbewussten Überzeugungen
• Schnittpunkt intrapsychischer und interpersonaler Aspekte: An die Stelle innerer Instanzen werden andere Menschen gesetzt, auf die der Depressive die verzerrten Bilder seiner Vergangenheit projiziert
• Überhöhtes Ich-Ideal wird nicht seiner selbst willen angestrebt, sondern zu dem Zweck, sich die Fürsorge anderer Menschen zu sichern
Fokus der Psychoanalytischen Psychotherapie depressiv Erkrankter II
• Unspezifische“, methodenübergreifende Wirkfaktoren (Orlinsky et al., 1994; Grawe, 2002)
• Wärme• Wertschätzung• Angstfreiheit
• Positive Erwartungen von Seiten des Therapeuten (Beutler et al. 1994)
• Probleme in der Interaktion und Kommunikation mit depressiv Erkrankten
• Depressiver Affekt• Selbstinfragestellung der Therapeuten• Ratschläge, Aufforderung zu Aktivität als Abwehr
des depressiven Sogs• Aggression in der Gegenübertragung
Zur Bedeutung der Therapeutischen Beziehung I – Psychotherapie Depressiver als Beziehungsraum
• Therapeutische Haltung im Umgang mit „fordernder Abhängigkeit“: „… den oralen Hunger… verständnisvoll zur Kenntnis zu nehmen und zu benennen, ihn jedoch nicht direkt „fütternd“ zu befriedigen“ (Mentzos 1996)
• Entwicklung innerer Regulatoren für die Selbstachtung (incl. „kognitiver Neuordnung“)
• Wirksamkeit des therapeutischen Prozesses: Neue Beziehungserfahrungen innerhalb der Übertragung- Gegenübertragungs-Beziehung
• Ziel: Auflösung der defensiven Strategien und komplizierenden Teufelskreise
Zur Bedeutung der therapeutischen Beziehung II
„Kognitive Monotonie“ mit Prädominanz negativer Gedankeninhalte (Beck 1963)
- Willkürliche Schlussfolgerungen- Selektive Abstraktionen- Übergeneralisierungen- Personalisierungen- Moralisch-absolutistisches Denken- Ungenaues Benennen
Rigide Schemata Stabile, überdauernde kognitive Muster der selektive Wahrnehmung, Kodierung und Bewertung von Reizen
Kognitive Modelle der Depression
Kognitive Modelle der Depression
„Kognitive Triade“ (Beck 1970, 1974, 1976; Beck et al. 1986)
- Negative Erwartungen gegenüber der Umgebung- Negative Sicht der eigenen Person- Negative Zukunftserwartungen
„Thematische Überkongruenz“ (Beck 1963)
- Inhalt der Gedanken ist kongruent mit den jeweiligen Emotionen und umgekehrt
Dysfunktionale GrundannahmenRigide Schemata
Negative kognitive Stile
Kognitives Depressionsmodell nach Beck (1974, 1976; Beck et al. 1986)
Automatische Gedankenabsolutistisch verallgemeinernd verzerrt unlogisch unangemessen
Ereignisseexterne und interne Auslöser
Depressionemotionale somatische motorische motivationale Symptome
„Erlernte Hilflosigkeit“ als Modell der Depression nach Abramson, Seligman, Teasdale (1978)
Negative Ereignisse werden als unkontrollierbar wahrgenommen
Ursachen- erklärung
Globalität StabilitätInternalität
Symptome
PassivitätKognitive DefiziteSelbstwert TrauerAngstHostilitätAggression Appetit Neurochemie Krankheit
Erwartungshaltung
Verhalten ermöglicht keine KontrolleHilflosigkeitNegative Ausgangs- erwartungen
Kognitive Stile
Grundmerkmale erfolgreicher Psychotherapie bei Depressionen
IPT STPP KVT
Problemorientierung Problemfokussiert ProblemorientierungStrukturiertheit, Strukturiertheit, Direktivität Strukturiertheit, DirektivitätZielorientiert ZielorientiertGegenwartsorientierung Gegenwartsnähe Gegenwart, AlltagsnäheErklärungen, Information Erklärungen, Information Transparenz, ErklärungenProfessionalität, Professionalität Akzeptanz, Professionalitätaktiver Therapeut aktiver Therapeut Interessierter, aktiver Th.Kooperation Arbeitsbündnis Kooperation, ArbeitsbündnisFertigkeiten orientiert Motivationale Klärung: Fertigkeiten orientiert, Neulernen, Kompetenzen, Förderung von Intro- Neulernen, ÜbungenÜbungen spektion und Selbst- Rückmeldungen,
reflektionsfähigkeit Zusammenfassungen
Grundmerkmale erfolgreicher Psychotherapien bei Depressionen
Mögliche Wirkkomponenten von Psychotherapie bei Depressionen
• Gestuftes, nicht überforderndes Vorgehen• Information zum Krankheitsbild, Begründung liefern zu
Entstehungs- und Bedingungsfaktoren• Ziele konkret formulieren• Plan, Struktur der Behandlung transparent machen• Aktuelle Probleme lösen bzw. bewältigen• Anwendung des Erarbeiteten außerhalb der Therapie• „Aktive“ Therapeuten• Bearbeitung der Konflikthaftigkeit, des negativen Selbstbildes und
der negativen kognitiven Schemata• Neue Beziehungserfahrungen
What works for whom?
Bisher keine Differenzialindikation zwischen einzelnen PT-Verfahren möglich
Pragmatische Indikationsregeln
Berücksichtigung von State-Variablen: Schweregrad, kognitive Störungen
Berücksichtigung von Trait-Variablen: Persönlichkeit, Traumatisierung
Erhaltungspsychotherapie bei depressiv Erkrankten
• Erhebliche Restsymptomatik zu Therapieende (z. B. Schlafstörungen)
• Zurückliegende rasche Rückfälle nach Therapieende
• Mehr als drei eindeutige vorherige Episoden
• Erste Episode sehr schwer und vor dem 20. Lebensjahr
• Ausgeprägte Persönlichkeitsstörung
• Ausgeprägte (v. a. soziale) Ängstlichkeit und Scham
• Soziale Isolierung
• Belastende Lebensumstände (Armut, Alleinerziehenden-Status, Gewalt, Krankheit etc.)
• Ausdrücklicher Wunsch des Patienten!
Indikationen zu einer langfristigen niederfrequenten Psychotherapie (Schauenburg, Clarkin 2003)
Psychodynamische Psychotherapie affektiver Störungen
Leidensdruck: Hoher Leidensdruck Setting B (mittlere Sitzungsfrequenz, i.d.R. 1 Wochenstunde) Niedriger Leidensdruck Setting A (niedrige Sitzungsfrequenz)
Motivation: Grundsätzliche Voraussetzung abklären evtl. fördern
Introspektionsfähigkeit: Hohe Introspektionsfähigkeit Setting B (mit Fokus auf den aktuellen Konflikten)
Weitergehende Bearbeitung depressionsfördernder intrapsychischer und interaktioneller Mechanismen Setting C (höhere Sitzungsfrequenz)
Indikationskriterien
Schwere und Dauer der Erkrankung: Langjähriger Krankheitsverlauf, hohe Rezidivrate, Chronifizierung, erhebliche psychosoziale Einbussen Setting A (bzw. Erhaltungspsychotherapie) oder Setting D (Gruppentherapie)
Persönlicheitsstruktur: Strukturdiagnose (vgl. Mundt, 1996) Typus Melancholicus-Struktur Eher zurückhaltende Indikationsstellung (Circulus vitiosus aus
„Sollensdruck“ und Eingesperrtsein in Pflichtsituation) Narzisstische Struktur Depressive Struktur (i.S. neurotischer Depression)
Psychodynamische Psychotherapie affektiver Störungen
Indikationskriterien
Ergebnisse der Psychotherapieforschung bei
depressiv Erkrankten
• National Institute of Mental Health (NIMH, Elkin et al. 1985, 1989):
• Leichte bis mittelschwere Depression: Kognitive Therapie (KT) und Interpersonelle Therapie (IPT) und Imipramin gleich wirksam
• Schwere Depression: KT und IPT bedeutend wirksamer als Placebo, weniger wirksam als Antidepressivum
• NIMH-18-Monats-Katamnese (Shea et al. 1992): KT und IPT langfristig bessere Effekte (75% ohne Rezidive; Pharmakotherapie: 50% ohne Rezidive)
• De Rubeis et al. (2005): Bei mittelschwerer und schwerer Depression kein Unterschied zwischen KVT und AD (nach 16- wöchiger Behandlung)
Metaanalyse naturalistischer Katamnesestudien
(Gloguen et al. 1998)
• 78 kontrollierte Studien
• Grössere rezidivprophylaktische Wirksamkeit der kognitiven Therapie im Vergleich mit thymoleptischer Monotherapie über einen Zeitraum von 1-2 Jahren
• Rezidivrate der ausschliesslich medikamentös behandelten depressiv Erkrankten doppelt so hoch (60%) wie die der mit KVT allein oder in Verbindung mit Antidepressiva behandelten (29%)
• KVT hochsignifikant AD, IPT, STPP überlegen
• Keine Aussagen möglich über Nachhaltigkeit der Besserungseffekte (nach 16 Wochen)
Wirksamkeit medikamentöser und psychotherapeutischer Interventionen:
Monotherapie oder Kombinationstherapie (AD + KVT) depressiv Erkrankter ?
Keine kurzfristigen Unterschiede - Mc Lean et al. (1991) zwischen Monotherapie (mit AD - Hollon et al. (1992) oder KVT) und Kombinationstherapie: - Hautzinger & de Jong-Meyer
(1996) - Gloguen et al. (1998) - Lewinsohn & Clarke (1999)
Kombinationstherapie (VT + AD) - Thase et al. (1997) wirksamer: - Keller et al. (2000)
Vergleich der Wirksamkeit von Nefazodon, CBASP und Kombinationstherapie bei
chronischer Depression (HAMD-Mittelwerte im 12- Wochen-Verlauf, Keller et al. 2000)
Kombinationstherapie (AD + KVT) bei Residualsymptomatik
(Paykel et al. 1999, Teasdale et al. 2001)
158 Patienten (MDD doch nur teilremittiert seit Monaten trotz angemessener Pharmakotherapie) * 80 Pat. erhielten zusätzlich KVT (16+2 Sitzungen) * 78 Pat. wurden unverändert psychiatrisch weiterbehandelt (KG)
Über 1 J. Nachuntersuchung zeigte sich:
KVT 23 (29%) Rückfälle, unveränderte Symptomatik KG 35 (45%) Rückfälle, unveränderte Symptomatik
KVT 71% Remission und kein Rezidiv KG 55% Remission und kein Rezidiv
Sign. Differenz!
• Kombinationstherapie im 1-J.-Verlauf wirksamer
KVT zur Rückfallverhinderung bei Recurrent Depression
(Fava et al. 2004)
0102030405060708090
100
0 12 24 36 48 60 72
KVT+TAU (N=20) CM+TAU (N=20)
Monate
• Kombinationstherapie (KVT +TAU) ist im 6-J.-Verlauf deutlich überlegen im Vergleich mit Kontrollgruppe (CM + TAU)
Interpersonelle Psychotherapie (IPT) depressiv Erkrankter I
- IPT ist unspezifischen psychotherapeutischen Interventionen überlegen
Weissmann et al. 1979
- Major Depression: IPT der Placeboabgabe überlegen und Pharmakotherapie fast gleichwertig; gleich wirksam wie KVT in der Akutbehandlung
NIMH-Studie, Elkin et al. 1994
- Kombination von IPT und medikamentöser Therapie erzielte eine bessere rezidivprophylaktische Wirkung als Imipramin allein
Frank et al. 1991
- 18-Monats-Katamnese: Keine der Behandlungsmethoden genügte, um eine Remission länger als 18 Monate aufrechtzuerhalten
NIMH-Studie, Shea et al. 1992
- Dysthymien: Modifizierte IPT (Fokus auf chronische affekt- abhängige Symptome) führt zu signifikanter Verbesserung
Markowitz 1994
Interpersonelle Psychotherapie (IPT) depressiv Erkrankter II
- Kein Unterschied zwischen IPT und AD. IPT-Monotherapie und Kombination (mit Amitryptilin): Höheres soziales Funktionsniveau
Reynolds et al. 1996
- Gleich wirksam wie KVT in der AkutbehandlungBasler-Jorgensen et al. (1998)
- Stationäre Depressionsbehandlung: Hinweise auf längerfristige Behandlungserfolge durch Kombination IPT + Serotonin vs. Clinical Management + Serotonin
Schramm et al. 2002
- Gleich wirksam wie AD (Akut- und Erhaltungstherapie, Rezidivprophylaxe)
Feijo de Mello et al. 2004
- IPT ist gleich wirksam wie AD, wirksamer als KBT, Kombinationstherapie (+ AD) nicht überlegen
Feijo de Mello et al. 2006
Psychodynamische Kurzzeitpsychotherapie (STPP) im Vergleich mit Pharmakatherapie I
Kombinationstherapie ist Pharmako-Mono-Therapie über- legen: Symptombesserung, Remissionsrate, psychosoziale Anpassung, krankheitsbedingte Fehltage
Burnand et al. (2002)
Kombinationsbehandlung ist Pharmako-Monotherapie überlegen (6-Mon.-Remission: 59,2% / 40,7%)
Geringere Drop-out-Rate: 22% / 40%
De Jonghe et al. (2004)
Short Psychodynamic Supportive Psychotherapy (SPSP) gleich wirksam wie AD; Kombinationstherapie (SPSP + AD) wirksamer als AD
de Maat et al. (2007)
Kombinationstherapie (STPP + AD) wirksamer als Supportive Therapie + AD
Maina et al. (2004)
Gleiche Wirksamkeit von Kombinationstherapie (STPP + AD) und medikamentöser Monotherapie nach 6 Monaten
nach 2 Jahren: tiefere Rückfallrate bei Kombinationsbehandlung
Maina et al. (2008)
Psychodynamische Kurzzeitpsychotherapie (STPP) im Vergleich mit Pharmakatherapie II
Hinsichtlich Symptomreduktion sowie Verbesserung Funktions- niveau beide Therapien gleich wirksam bei milder und mittelschwerer Depression
Remissionsrate im 4-Mt.-Follow-up: 57% (STPP); 68% (AD)
Salminen et al. (2008)
Interpersonelle Beziehungen unter Kombinationstherapie deutlicher verbessert als unter Pharmakamonotherapie
Molenaar et al. (2007)
nach 4 Wochen: AD wirksamer nach 8 Wochen: gleiche Wirksamkeit (AD-Mono + STPP-Mono)
Decker et al.(2008)
Kombinationsbehandlung (STPP + AD) bei Patienten mit komorbider Persönlichkeitstörung wirksamer als AD- Monotherapie
Kool et al. (2007)
Zusammenfassung der Ergebnisse zum Vergleich AD – Psychotherapie
• Leichte bis mittelgradige Störungen: Untersuchte PT- Verfahren im Vergleich mit medikamentöser Therapie gleichwertig
• Höherer Schweregrad: Tendenz, dass Kombinations- behandlungen statistisch überlegen sind
• Nettoeffekte: Berücksichtigung von Spontanremission/Plazeboeffekt und Abbruchraten)
• Langzeitverlauf: Kombinationsbehandlung ist medikamentöser Monotherapie überlegen
• Komorbide Persönlichkeitsstörungen: Kombinationstherapie im Vergleich mit AD-Monotherapie wirksamer
Psychotherapievergleichsstudien: Kurzzeittherapie
Leichsenring, F. (2001). Comparative effects of short-term psychodynamic psycho- therapy and cognitive-behavioral therapy in depression: a meta-analytic approach. Clin Psychol Rev, 21, 401-419.
Vergleich Wirksamkeit von STPP und CBT / BT
Einschluss von 6 RCT (N = 416) nach den Kriterien: - ≥ 13 Sitzungen STPP - N ≥ 20 pro Behandlungsgruppe- Follow-up von 6 Mo. bis 2 J. - MDD - Komorbidität : GAD, Panikstörung, PS- Definiertes Therapiekonzept von STPP und CBT/BT
Psychotherapievergleichsstudien: KurzzeittherapieLeichsenring (2001). Comparative effects of short-term psychodynamic... (Forts.)
Ergebnisse STPP und Vergleich STPP mit (CBT/BT)
Signifikante Besserung (Depressivität , sonstige psychiatrische Symptome) Soziales Funktionsniveau signifikant gebessert (GAF, SAS)
• Effektstärken lagen im Bereich von:d 0.90 – 2.8 depressive Symptomed 1.09 – 2.65 allgemeine psychiatrische Symptomed 0.65 – 1.88 soziales Funktionsniveau
• Besserungsraten / klinische Relevanz (Anteil remittierter / gebesserter Pat.): Post-treatment im Bereich von 45-70% (STPP) und 51-87% (CBT/BT)Follow-up im Bereich von 26-83% (STPP) und 30-86% (CBT/BT)
Keine signifikanten Unterschiede von STPP und CBT/BT, also gleichermassen wirksam
Psychotherapievergleichsstudien: Kurzzeittherapie
Cuijpers et al. (2008). Psychotherapy for Depression in Adults: A Meta-Analysis of Comparative Outcome Studies. J Consult Clin Psychol, 76, 909–922.
Methode
Wirksamkeitsvergleich von 53 RCT‘s mit insgesamt 7 PT-Methoden bei depressiven Patienten (N = 2757)
10 Studien zur STPP (mit 6-23 Sitzungen)
Weitere PT-Methoden: CBT, Nondirective supportive therapy (SUP), Behavioral activation therapy (BA), Problem-solving therapy (PST), Interpersonal psycho- therapy (IPT), Social skills training (SST).
Vergleich über Veränderung der depressiven Symptomatik
Psychotherapievergleichsstudien: Kurzzeittherapie
Cuijpers et al. (2008). Psychotherapy for Depression in Adults: A Meta-Analysis of Comparative Outcome Studies. J Consult Clin Psychol, 76, 909–922.
Ergebnisse
• Separate Meta-Analyse bzgl. Verbesserung depressiver Symptome vor und nach der Behandlung (Vergleich jeder PT-Methode mit den 6 anderen):
- STPP, CBT, BA, PST, SST unterschieden sich in ihrer Wirksamkeit nicht
- IPT signifikant effektiver (p < 0.05)
- SUP signifikant weniger effektiv (p < 0.05)
Psychotherapievergleichsstudien: Kurzzeittherapie
Cuijpers et al. (2008). Psychotherapy for Depression in Adults: A Meta-Analysis of Comparative Outcome Studies. J Consult Clin Psychol, 76, 909–922.
Ergebnisse
• Direkter Vergleich von 2 Methoden (CBT vs. STPP, CBT vs. BA, CBT vs. SUP, CBT vs. IPT): Keine signifikanten Unterschiede bzgl. Wirksamkeit.
• Im Follow-up: Keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Therapiemethoden
• Fazit: Zwischen den meisten psychotherapeutischen Hauptmethoden keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit der Behandlung von milden bis moderaten depressiven Störungen. IPT scheint etwas effektiver zu sein
Psychotherapievergleichsstudien: Kurzzeittherapie
Helsinki Psychotherapy Study Group
Marttunen et al. (2008). Pretreatment clinical and psychosocial predictors of remis- sion from depression after short-term psychodynamic psychotherapy and solution- focused therapy: A 1-year follow-up study. Psychotherapy Research, 18, 191–199.
MethodeAmbulante Patienten (N=163) mit psychischer Störung seit >1 Jahr (85% affektive Störungen [MDD, DD NOS], 44% Angststörungen, 18% PS)
RCT mit STPP (max. 20 Sitzungen, 5-6 Mo.) und SFT (solution-focused therapy) (max. 12 Sitzungen, 8 Mon.)
Outcome-Variablen: BDI, Angst und GSI im SCL-90, GAF, psychosoziale Faktoren (Social Adjustment [SAS], Beziehungsprobleme [IIP], Sense of Coherence [SOCS])
Follow-up (1 Jahr)
Psychotherapievergleichsstudien: Kurzzeittherapie
Helsinki Psychotherapy Study Group - Marttunen et al. (2008)... (Forts.)
Ergebnisse: 56% der Patienten im 1-Jahres-Follow-up remittiert (BDI < 10) Remissionsraten STPP (59%) und SFT (54%) nicht signifikant verschieden, also nicht abhängig von Therapiemethode.
• Stärkste Prädiktoren für den Outcome: Symptomschwere, SOC und Bildungsniveau
• Driessen et al. (2010): 23 RCT, kein Unterschied zwischen Psychodynamischer PT und KBT
Fazit zu Kurzzeit-Psychotherapiestudien
• Psychodynamische Kurzzeittherapien sind gleich effektiv wie andere Psychotherapiemethoden
• Eine grosse Anzahl Patienten remittiert während Kurzzeittherapien nicht
• Problematik:– Rückfallhäufigkeit und Chronfizierung depressiver Störungen– häufige Komorbidität– Fehlende Identifikation möglicher Prädiktoren für den
Therapieverlauf
Kombinationstherapie (STPP + AD)
• Burnand et al. (2002): Kombinationstherapie ist Pharmako- Mono-Therapie überlegen (Symptombesserung, Remissionsrate, psychosoziale Anpassung, krankheitsbedingte Fehltage)
• De Jonghe et al. (2001, 2004): RCS. Kombinationsbehandlung (AD + Short Psychodynamic Supportive Psychotherapy/SPSP ist Pharmako-Monotherapie überlegen (6-Mon.-Remission: 59,2%/40,7%). Geringere Drop-out-Rate: 22%/40%
• Maina et al. (2007): Kombinationstherapie (STPP + AD) ist wirksamer als Supportive Therapie + AD
• de Maat et al. (2007): Short Psychodynamic Supportive Psychotherapy (SPSP) gleich wirksam wie AD; Kombinationstherapie (SPSP + AD) wirksamer als AD
Psychodynamische bzw. psychoanalytische Psychotherapie bei
depressiv Erkrankten - Wirksamkeitsstudien: Langzeittherapie I -
• Zunächst keine RCS
• Blomberg et al. (2001): Effektstärken für hochfrequente analytische PT: 0,4 – 1,5 (mittlere Dauer: 51 Monate)
• Leuzinger-Bohleber (2001): 75-80% der depressiv Erkrankten waren durchschnittlich 6,7 Jahre nach Beendigung der psychoanalytischen Langzeittherapie mit dem Behandlungserfolg zufrieden
• Sandell et al. (1999, 2000; STOPP): Dauerhafte und zunehmende Symptomreduktion
Psychodynamische bzw. psychoanalytische Psychotherapie bei depressiv Erkrankten
- Wirksamkeitsstudien: Langzeittherapie II -
• Brockmann et al. (2001, 2003, 2006): Vergleich psychoanalytisch orientierte Psychotherapie und KVT - Deutliche Besserung - Keine Unterschiede hinsichtlich Symptomatik (SCL-90-R),
interpersoneller Probleme und Therapieziele (GAS; Ausnahme: „Die eigene Geschichte aufarbeiten“) nach 3½ Jahren
• Rudolf et al. (2002, 2003): Heidelberger Praxisstudie, chron. Depression. Nachhaltige Besserung
• Leichsenring (2005): Langzeit-PT wirksamer als Kurzzeittherapie
• Jakobsen et al. (2007): Nachhaltige Wirksamkeit, u.a. bei Doppeldiagnosen
• Huber et al. (2012): Munich Psychotherapy Study. Keine Unterschiede zwischen analytischer Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und KBT hinsichtlich Besserung der Symptomatik. Analytische Psychotherapie effektiver als KBT hinsichtlich interpersoneller Probleme und struktureller Veränderungen
Psychotherapievergleichsstudien: Kurz- und Langzeittherapie
Helsinki Psychotherapy Study Group
Knekt et al. (2008), Psychol Med, 38, 689-703 und JAD, 107, 95-106.
Methoden / Ergebnisse
Erweitere Stichprobe zu Marttunen et al. 2008 (N=326)Vergleich STPP, SFT und psychodynamische LZ-Therapie (LTPP) mit 2-3 Sitzungen/Woche über 3 Jahre.Messungen: Nach 3, 7, 9, 18, 24 und 36 MonatenSTPP, SFT und LPP signifikante Besserungen mit grossen ES (≥ 0.80 - 1.52): bzgl. Symptomatik (BDI, HAMD, HAMA, Ängstlichkeit im SCL-90)1. Jahr Follow-up: STPP und SFT signifikant schneller und besser als LTPP2. Jahr Follow-up: Keine signifikanten Unterschiede mehr zw. STPP, SFT und
LTPP keine also gleich effektiv3. Jahr Follow-up: LTPP signifikant effektiver als STPP und SFT (Symptomatik,
Reduktion der Krankheitstage
Langzeittherapien und Kosten
• de Maat et al. (2008): Studie zu den kurzfristig höheren direkten Kosten von Langzeittherapien
=> Kostenausgleich nach 3 Jahren (u.a. infolge einer deutlich geringeren Anzahl von Krankheits- und Absenztagen, Klinikaufenthalten, medizinischen Abklärungen und geringerer Medikamenteneinnahme)
• Knekt et al. (2008): RCT-Studie zum Einfluss psychodynamischer Langzeittherapie auf die Arbeitsfähigkeit (subjektiv) und Arbeitskapazität (objektiv) im Vergleich mit zwei Arten von Kurzzeittherapien (PD / LO)
=> Kurzzeittherapien: Gleiche Wirksamkeit
=> Kurzzeittherapien: Raschere Besserung (nach 7 Monaten)
=> Überlegenheit der Langzeittherapie nach 3 Jahren hinsichtlich der Anzahl Absenztage
Psychotherapievergleichsstudien: Langzeittherapie
• De Maat (2008): Studie zu den kurzfristig höheren direkten Kosten von Langzeittherapien
• => Kostenausgleich nach 3 Jahren (u.a. infolge einer niedrigeren Anzahl Klinikaufenthalte und Absenztage, geringerer Medikamenten- einnahme)
• Knekt et al. (2008): RCT-Studie zum Einfluss psychodynamischer Langzeittherapie auf die Arbeitsfähigkeit (subjektiv) und Arbeitskapazität (objektiv) im Vergleich mit zwei Arten von Kurzzeittherapien (PD / LO)
=> Kurzzeittherapien: Gleiche Wirksamkeit => Kurzzeittherapien: Raschere Besserung (nach 7 Monaten)=> Überlegenheit der Langzeittherapie nach 3 Jahren hinsichtlich der
Anzahl Absenztage=> Patienten mit Persönlichkeitsstörungen: AP signifikant wirksamer als TP
Psychotherapievergleichsstudien: Langzeittherapie
Leichsenring et al. (2008). Effectiveness of Long-term Psychodynamic Psychotherapy: A Meta-analysis, JAMA, 300, 1551–1565
• Analyse von 23 hochwertigen prospektiven psychodynamischen Langzeittherapiestudien (12 randomisiert-kontrolliert, 11 naturalistisch)
• 1053 Patienten mit komplexen psychischen Störungen; Langzeittherapien von mind. 1 Jahr oder mind. 50 Stunden Dauer
=> Psychodynamische Langzeittherapie ist den kürzeren Therapieformen signifikant überlegen
=> Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen (chronifiziert und multipel) geht es im Schnitt nach einer psychodynamischen Langzeit- behandlung besser als 96% der Vergleichsgruppe
=> Untergruppe von 274 Patienten mit komplexen depressiven und Angst- störungen: Effektstärken von ≥ 0.99 bis 1.3 bzgl. generelle Wirksamkeit, psychiatrische Symptomatik und psychosoziales Funktionsniveau
Psychotherapievergleichsstudien: Langzeittherapie
• Patienten Leichsenring & Rabung (2008) – Meta-Analyse zum Vergleich von Psychodynamischer Langzeittherapie mit verschiedenen Arten von Kurzzeittherapien
• Analyse von 23 hochwertigen prospektiven psychodynamischen Langzeittherapiestudien (12 randomisiert-kontrolliert, 11 naturalistisch)
• 1053 Patienten mit komplexen psychischen Störungen; Langzeittherapien von mind. 1 Jahr oder 50 Stunden Dauer=> Psychodynamische Langzeittherapie ist den kürzeren
Therapieformen signifikant überlegen => Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen (chronifiziert und
multipel) geht es im Schnitt nach einer psychodynamischen Langzeitbehandlung besser als 96% der Vergleichsgruppe
77 Studien (1980 – 2001) Pharmakomonotherapie: 5352 PatientInnen Nur Psychotherapie: 1297 PatientInnen Vergleich Pharmakotherapie – Psychotherapie: 2668 PatientInnen Durchschnittliche Dauer: 10 Wochen
PT: 13 Sitzungen (Mittelwert) Prä-Post-Effektstärken:
- Pharmakomonotherapie: 2.11 (Mittelwert) - Psychotherapie: CBT: 1.5
PDT: 1.75 IPT: 1.5
Metaanalyse über die Erfolgsmessung in Vergleichsstudien von
Depressionsbehandlungen (Gallati 2004, cit. nach Grawe 2004)
Spontanremission/Plazeboeffekt in Kontrollgruppen pharmakotherapeutisch Behandelter: ES = 1.59!
Nettoeffekte Pharmakotherapie: 2.11 – 1.59 = 0.52 (ES) Ferner ist zu berücksichtigen:
- Abbruchrate Pharmakotherapie: 25% - Abbruchrate Psychotherapie: 13%
Spontanremission/Plazeboeffekte in Kontrollgruppen psychotherapeutisch Behandelter: ES = 0.97
Nettoeffekte Psychotherapie: - Kognitive Therapie: 0.36 - KBT: 0.57 - IPT: 0.50 - Psychodynamische Kurztherapie: 0.79 - Paartherapie: 0.96
Metaanalyse über die Erfolgsmessung in Vergleichsstudien von
Depressionsbehandlungen (Gallati 2004, cit. nach Grawe 2004)
Depressionsbehandlung - Empirische Wirksamkeitsstudien -
- Zusammenfassung der bisherigen Datenlage I -
• Psychotherapeutische Behandlungsverfahren, die speziell auf die Therapie der Depression abgestimmt sind (KVT, IPT, STPP), sind gleich wirksam wie AD (De Rubeis et al. 1999, Hollon et al. 2002, Leichsenring et al. 2004)
• Remission bei 50% (und mehr) am Ende der Behandlung (Churchill et al. 2002)
• Bedeutung Methoden-unspezifischer Faktoren (therapeutische Beziehung ) und des natürlichen Depressionsverlaufs
• Keine Wirksamkeitsunterschiede zwischen störungsspezifischen Therapieverfahren (Wampold et al. 2002)
Depressionsbehandlung - Empirische Wirksamkeitsstudien -
- Zusammenfassung der bisherigen Datenlage II -
• Leichte bis mittelgradige Störungen: Untersuchte PT-Verfahren im Vergleich mit medikamentöser Therapie gleichwertig
• Höherer Schweregrad: Tendenz, dass Kombinations-behandlungen statistisch überlegen sind
• Langzeitverlauf: PT und/oder Kombinationsbehandlung ist medikamentöser Monotherapie überlegen
Fazit: Langzeittherapie
• Wirksamkeit!• Nachhaltigkeit!• Reduktion der Rezidivrate• Günstiges Kosten-Nutzenverhältnis
• Die Behandlung schwerer komorbider depressiver Erkrankung benötigt Zeit!
Emotion, Kognition und Handlung bei Depressiven
Warum rasten negative Gedanken in der Depression ein?
Neurophysiologische Korrelate der Hemmung/Blockade: „Der rechte Fuss steht auf dem Gaspedal, der linke auf der Bremse“
Subjektives Erleben von Emotionen
Journal of Consciousness Studies, 1014-48, 2003
Korrelation von Erlebensdaten mit fMRI Daten bei Emotionen
Emotionale Stimulation im fMRT mit Bildern
Visuelle Analog-Skalen für emotionales Erleben
Hirnaktivierung während “Erleben” und “Beurteilung” (bei Gesunden)
Grimm et al. 2006, 2007
Je mehr Aktivität im VMPFC, desto negativer das emotionale Erleben
VMPFC: Ventromedialer präfrontaler Kortex
Je mehr Aktivität im DLPFC, desto positiver die emotionale Beurteilung
DLPFC: Dorsolateraler präfrontaler Kortex
VMPFC: Depressive > Gesunde
Hyperaktivität im VMPFC = Abnormes Negatives Erleben
DLPFC: Gesunde > Depressive
Hypoaktivität im DLPFC = Abnorme Negative Beurteilung
Hirnaktivierung während “Erleben” und “Beurteilung”
Depressive und Gesunde im Vergleich
Linker DLPFC Hypofunktion: Negative Kognitionen
VMPFC Hyperaktivität: Negative emotionale Wahrnehmung Rechter DLPFC
Hyperfunktion: Aufmerksamkeit/Erwartung negativer Emotionen
Schwere der Depression (BDI, HAMD) korreliert mit Aktivierung in der rechten Amygdala und im VMPFC
Northoff et al. 2004 Böker u. Northoff 2005Northoff und Böker 2007
Psychiatry Research, 141(1):1-13, 2006
Depression: Abnorme reziproke Modulation zwischen VMPFC/ACC und linkem und rechten DLPFC
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VMPFC li DLPFCre DLPFC
Bei symptomfreien Patienten unveränderte Hirnaktivität im medialen Stirnhirn und rechten Stirnhirn, aber Normalisierung des Aktivierungsmusters im linken Stirnhirn.
Normalisierung der Aktivität im linken Stirnhirn bei erfolgreicher Depressionsbehandlung.
Bleibende Veränderungen der Hirnaktivität im rechten und im medialen Stirnhirn trotz Besserung der Depression?
Zusammenhang von ventromedialer Hyperaktivierung und dorsolateraler Hypoaktivierung mit neuropsychologischen Defiziten?
Kognitive und psychopathologische Symptome dissoziieren im Verlauf der Erkrankung!
Kontrollen
akute Patientenremittierte Patienten
Hemmungsphänomen und Störung des emotionalen Selbstbezugs depressiv Erkrankter:
Hirnaktivität nach Besserung der Depression
Neuropsychologische Befunde bei depressiv Erkrankten
- Defizite mnestischer Funktionen- Gestörter Aufmerksamkeitswechsel bei vorhandener Fokussierung der
Aufmerksamkeit - Störung der exekutiven Funktionen
- Einschränkungen bei Entscheidungen („decision making“)- Abnorme Reaktionen auf Feedback in Handlungs- und Planungsaufgaben - Emotionaler Bias
- Subtypen der Depression, Schweregrad und kognitive Dysfunktion- Melancholischer Subtyp- Schweregrad
- Kognitive Leistungsfähigkeit ist bei einer grossen Untergruppe depressiv Erkrankter auch nach klinischer Besserung weiterhin beeinträchtigt
Depression bei Menschen: Hyperaktivität im Ruhe-Zustand in den kortikal- subkortikalen Mittellinie-Regionen
Neurophysiologie der Depression: Hyperaktivität in den kortikal-subkortikalen Mittellinie-Regionen,
Hypoaktivität in den lateralen Regionen
Depression bei Menschen: Hinweise auf Hypoaktivität im Ruhe-Zustand in lateralen Regionen
Desymbolisierung in der schweren Depression und das Problem der Hemmung
(Böker, Northoff 2005)
Depression = Nicht mehr zu unterdrückender Schmerz über den Selbstverlust (A. Miller)
Reduzierte Stimulus-Ruhe-Interaktion, verringerter Umwelt-Fokus und erhöhter Selbst-Fokus
Erhöhte Ruhe-Zustands-Aktivität in anterioren kortikalen Mittellinien-Regionen
Reduzierte Verbindung zwischen exterozeptiven und interozeptiven/neuronalen Stimuli: Sensorische Areale
Reduzierte Zielorientierung und kognitive Elaboration: Medialer und lateraler präfrontaler Kortex
Verlust der Objektbeziehungen und verringerter Umwelt-Fokus: Reduzierte Selbstobjekte exterozeptiven Ursprungs
Reduzierte Stimulus-Ruhe-Interaktion des aktuellen Objektes
Reduzierte Zuordnung des Wert- und Belohnungssystems an exterozeptive Stimuli: Belohnungs-Regionen
Erhöhter Körper-Fokus mit vermehrten Selbstobjekten interozeptiven Ursprungs: Somatisch-vegetative Symptome
Erhöhter kognitiver Fokus mit vermehrten Selbstobjekten kognitiven Ursprungs: Erhöhter Selbst-Fokus
Böker und Northoff 2010
Therapeutische Implikationen
• Abgestufter Einsatz unterschiedlicher therapeutischer Interventionen unter Berücksichtigung von Trait- und State-Variablen im jeweiligen Einzelfall!
• Bedeutung der therapeutischen Beziehung• „Störungsspezifität“ der psychodynamischen Psychotherapie: Konflikthafte
Formen der Beziehungserwartung, Selbstwertprobleme (Rudolf 2003)
• Zeitfaktor, Netzwerkdynamik und Gen-Expression: Ausreichend lange Dauer der Behandlung!
• Weiterentwicklung der Differentialindikation auf der Grundlage funktionaler Subtypen (inkl. psychodynamischer Dimensionen)
• Behandlungstechnische Probleme:
• „Präsymbolische Affektansteckung“
• Temporäre Entkopplung von psychischem Prozess und Psychopathologie
• De-Symbolisierung / Re-Symbolisierung
Wissenschaftliche Implikationen
• Depressionen als Psychosomatosen der Emotionsregulation• Prospektive Langzeittherapiestudien mit Hochrisiko-Gruppen• Prospektive kontrollierte Therapiestudien und naturalistische
Studien• Anstelle von „Horse-race“-Studien: Verknüpfung von Therapie-
und Grundlagenforschung• Entwicklung funktionaler Subtypen• Non-Response: Inwieweit behandlungsspezifisch?
Neuronale Charakteristik?• Berücksichtigung selbstreferentieller Bezüge• „Multiple factor approach“ (vgl. E. Jacobson 1971)• Entwicklung mehrdimensionaler therapeutischer Konzepte
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!