Post on 23-Aug-2020
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Zürcher Fachhochschule
Departement Gesundheit
APPS, WEARABLES UND CO. – VERNETZTE
GESUNDHEIT (AUCH) FÜR ÄLTERE MENSCHEN
9. Schärme-Symposium «Zukunft.Jetzt!?»
am 26.10.2017
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Quelle: folowgrade.de
Ursula Meidert, lic. phil
Forschungsstelle Ergotherapie
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Übersicht
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1. Selbstvermessung mit Apps und Wearables
2. Verbreitung in der Schweiz
3. Empirische Resultate aus der TA-SWISS Studie
4. Vernetzte Gesundheit
5. Chancen und Risiken
6. Ausblick
Bildquelle: trendblog.deichmann.com
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Selbstvermessung mit Wearables und Apps
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Am Körper getragen:
• Armbänder
• Clips
• Smartwatch
• Ringe
• Brust- oder Stirngurt
• und Apps auf dem Smartphone
(oder Tablet)
Bildquelle: gigaom.com
Bildquelle: core77.com
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Zuordnung der Produkte
• Die Geräte und Applikationen können in Konsum- und
Medizinprodukte unterteilt werden
• Die meisten Produkte sind Konsumprodukte und werden
für Lifestyle, Wellness, Fitness oder Gesundheit verwendet
• Mit Medizinprodukten wird ein medizinischer Zweck
verfolgt, sie unterliegen deshalb dem Heilmittelrecht und
bedürfen einer Marktzulassungsprüfung
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Selbstvermessung: Messungen von Daten über
sich selbst mittels Apps und Wearables
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• Selbstvermessung = Self-Tracking
• Synonyme dafür sind: Lifelogging, self monitoring, self
quantification, Quantified Self
• Personen, die sich selbst vermessen nennt man:
‘Self-trackers’, ‘Selfquantifiers’, ‘Life-hackers’, ‘Lifeloggers’
oder ‘Lifebloggers’.
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«Quantified Self» eine Definition
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«Quantified Self ist dadurch gekennzeichnet, dass eine
Person sich aktiv mit Geräten und Applikationen misst, um
aufgrund der Analyseresultate Wissen zu generieren, um
ihren Lebensstil und Verhalten in den Bereichen Fitness,
Wellness oder Gesundheit zu optimieren.» (Becker et al., 2017)
Mit «Quantified Self» ist einerseits eine Bewegung oder
Gemeinschaft von Personen gemeint, die sich selbst
vermessen und andererseits das Praktizieren der
Selbstmessung selbst.
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Ursprünge von «Quantified Self»
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• Begriff «Quantified Self» stammt von Gary Wolf und Kevin
Kelly, Autoren des «Wired»-Magazins.
• Das Leitmotto ist «Self Knowledge Through Numbers»
• Es umfasst regelmäßiges aktives und freiwilliges erheben,
sammeln und auswerten von Daten jeglicher Art mit dem
Ziel des Wissenszuwachs und der Selbstoptimierung.
• Weltweite Bewegung mit 206 «Meet-up»-Gruppen in
130 Städten in 35 Ländern
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Die Selbstvermessung
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• Das Messen und Aufzeichnen von Körperdaten zur Selbst-
verbesserung oder Selbstreflexion ist nicht neu sondern
reicht Jahrhunderte zurück (Lupton, 2016, 2013a, Villa 2012, 2015).
• Neu ist, dass das Tracken noch nie so einfach war:
Sensoren sind kleiner und günstiger geworden und sind in
Smartphones bereits eingebaut.
• Für einige ist QS keine blosse Trendfortsetzung, sondern ein
Phänomen von ganz neuer Qualität. Es ergäben sich
daraus neue Sozialtechniken, die zu einer Neukonfiguration
von Körper und Selbst führen werde (Gertenbach & Mönkeberg,
2016).
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Was wird gemessen?
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Bildquelle: spektrum.de
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Kategorien der Selbstvermessung
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Konsum
Kalorien Alkohol Nikotin Kaffee Wasser Medikamenten
Körperfunktionen
Menstruation Fruchtbarkeit Schwangerschaft Stuhlgang
Physische Aktivität
Sport Schlaf Reisen Sex Zähneputzen
Krankheitssymptome
Kopfschmerzen Schmerzen Asthma-Anfälle Allergien
Mobilität
Lokalisierung Höhenlage Zeit
Physiologische Parameter
Herzfrequenz Blutzucker/Glukose Temperatur Blutdruck Gewicht Atmung
Psychische Parameter
Stimmung Stresslevel Wachheit
Quelle: Barcena, Wueest & Lau, 2014
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Aspekte der Selbstvermessung
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Quelle: quantifiedself.com
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Verbreitung des Trends
• Im Jahr 2016 wurde die Anzahl von verfügbaren mHealth-
Apps auf 249‘000 geschätzt (Research2Guidance, 2016).
• ¼ der Apps sind auf Krankheitsmanagement und -
behandlung fokussiert (Research2Guidance, 2016).
• ¾ der Apps gehören dem Wellness- und Fitnessbereich an
(Fitnessbereich 39%, Lifestyle- und Stressmanagement 17%,
Ernährung 12%).
• Rund 10% der Apps können sich mit einem Gerät verbinden,
das Gesundheitsdaten erhebt (IMS, 2015).
• Viele Hersteller fokussieren sich auf chronisch Kranke und an
Gesundheit und Fitness interessierte Personen (R2G, 2014).
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Verbreitung des Trends
Repräsentative Befragung von GfS Befragungsdienst
im Jahr 2016 hat ergeben:
• In der Schweiz sind Gesundheitsapps in der generellen
Bevölkerung noch eher wenig verbreitet: 13% nutzen solche
Apps.
• 39% der Befragten sind Apps für Fitness und Bewegung
bekannt.
• Im medizinischen Bereich sind 18% mit Apps zur Messung
von Blutdruck und -zucker vertraut, 3% nutzen diese bereits.
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Verbreitung des Trends
Repräsentative Befragung der Uni Zürich von Personen
im Alter von 50+ hat gezeigt, dass:
• 11% ein Fitnessarmband und
• 7% eine Smartwatch besitzen
• 15% der Befragten sich mit Hilfe einer App selbst
vermessen. (Seifert, 2017)
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Fazit Verbreitung
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• Interesse nicht nur bei Technik- und Sportfreaks sondern
zunehmende Verbreitung in der breiten Bevölkerung
• QS scheint zu gelingen, was viele Gesundheitsförderungs-
und Präventionskampagnen in der Vergangenheit versucht
haben: den Sprung vom „eigentlich weiss ich das” zur
konkreten Verhaltensänderung (Roediger, 2015)
• Im Moment geringe Verbreitung im Gesundheitswesen
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Resultate aus der TA-SWISS Studie:
Verwendete Technologien
16
0%
6%
17%
25%
26%
62%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Hearables
Andere Tracker/Wearables
Smartwatch
Activity Tracker
Konventionelle Messgeräte
Smartphone mit App
n=1012, Mehrfachnennungen möglich
Nicht repräsentativ!
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Resultate aus der TA-SWISS Studie:
Gründe für die Selbstvermessung
17
5%
9%
10%
13%
25%
28%
35%
37%
40%
0% 10% 20% 30% 40% 50%
einer Krankheit wegen
Dokumentation und Kommunikation
Andere Gründe
Vorbeugung von Krankheiten
mehr Kontrolle
Optimierung meines Körpers
Erreichung bestimmter Ziele
Um mehr über den eig. Körper zu erfahren
Aus Spass, Neues auszuprobieren
n=1012, Mehrfachnennungen möglich
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Resultate aus der TA-SWISS Studie: Generelle
Einstellung zur Selbstvermessung
18
3%
19%
21%
24%
27%
30%
31%
42%
0% 10% 20% 30% 40% 50%
Andere
Geräte messen ungenau
Negativ für Körperwahrnehmung
Ist eine Spielerei
Hilft meinen Körper zu beobachten
Potential für besseres Leben
Datenschutzbedenken
Unterstützt die Körperwahrnehmng
n=1012, Mehrfachnennungen möglich
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Resultate aus der TA-SWISS Studie:
Gemessene Parameter nach Geschlecht
19
64%
37%
28% 28% 24% 22%
13% 11% 8%
3%
70%
30% 29%
39%
23% 20%
15% 10%
2% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Frauen (n=522) Männer (n=267)
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Vernetzte Gesundheit
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• Vermehrte Vernetzung einzelner Apps untereinander
• Möglichkeit Daten im Patientendossier abzuspeichern
• Zugriff auf eigene Gesundheitsdaten vom Smartphone aus
• Vermehrte Dienstleistungen gekoppelt mit Messgeräten
oder Apps (Telemedizin-Dienstleistungen, Alarmierungen
etc.)
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Vernetzte Gesundheit: Beispiel aus der Medizin
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• Vitalparameter eines Patienten werden entweder über ein
Implantat oder vom Patienten aktiv mit einem Monitorgerät
gemessen und an den Arzt übermittelt.
• Kommt es zu einer Verschlechterung der Werte, so wird das
dem behandelnden Arzt rechtzeitig mitgeteilt, sodass er
sofort darauf reagieren kann.
• Auf diese Weise können Notfallsituationen in vielen Fällen
vermieden werden.
REMOTE PATIENT MONITORING (RPM)
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Apps für ältere Menschen
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Gamäss CURAVIVA interessieren sich ältere Menschen vor
allem für folgende Apps:
• Kommunikation mit Verwandten z.B. Facetime, Skype etc.
• Gesundheit und Gesundheitsversorgung
• Unterstützung im täglichen Leben z.B. Vorlesen von Texten
• Spiel und Zerstreuung z.B. Patience, Jassen, Sudoku,
Kreuzworträtsel (CURAVIVA, 2016)
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Chancen der Selbstvermessung
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Diagnostik und Therapie:
• Konstante, vom Nutzer unabhängige Messungen und
automatische Alarmierungen
• Verbessertes Gesundheits- und Krankheitsmanagement
Forschung:
• Parameter können automatisch, billig und in grossem
Umfang erhoben werden
• Wirksamkeit von Medikamenten oder Therapien prüfen
Gesundheitswesen:
• Arzt-Patientenverhältnis könnte demokratischer werden
• Als Patient selbst bei der Diagnose aktiv mitzuwirken
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Chancen der Selbstvermessung
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Gesundheitsförderung:
• Gesundheitsrelevantes Verhalten ändern und stabilisieren
• Wissen über Gesundheit, gesunden Lebensstil und sich
selbst, für Gesundheitsthemen sensibilisieren
• Aktivität fördern und Zivilisationskrankheiten eindämmen:
Bluthochdruck, Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Diabetes oder Übergewicht
Prävention:
• Früherkennung von problematischen Werten/Verhalten
• Unterstützung bei Verhaltensänderung
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Risiken der Selbstvermessung
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Qualität der Apps, Tracker und Dienstleistungen:
• Meist nicht geprüft oder zertifiziert, Auswahl schwierig
• Zum Teil ungenaue Messungen und falsche Angaben
Datenschutz:
• Intransparent, z.T. kein Schweizer Standard, lückenhaft
• Nutzung der Daten von Versicherern und Arbeitgebern kann
zu Diskriminierung führen
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Risiken rund ums Self-Tracking
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Nutzen/Nutzung:
• Umstritten, wenig Evidenz bezüglich Langzeiteffekte
• Es kann zu De-Skilling kommen
• Es kann zu Daten-getriebenen Patienten-Gesundheitsfach-
personen Verhältnis kommen
• Jene, die am meisten von solchen Technologien profitieren
könnten, haben oft keinen Zugang dazu
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Ausblick: Trendentwicklung
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• Zunahme und Weiterverbreitung von tragbaren Sensoren,
Apps und an Smartpones anschliessbare Heimlabors
• Vermehrte Entstehung auf Selbstver-
messung basierender Dienstleistungen
• Weiterentwicklung der Analysetechnik
(machine learning)
• Vermehrte Forschung mit den Daten
• Vermehrte Zertifizierungen für Anwendungen
• Besserer Schutz der Daten
• Gesellschaftliche Diskussion über Solidaritätsprinzip und
Diskriminierung (Versicherungen und Arbeitgeber
Quelle: pc-magazin.de
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Informationen stammen aus der TA-Studie:
Quantified Self – Schnittstelle zwischen
Lifestyle und Medizin
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Studie initiiert und gefördert durch TA-SWISS
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Projektgruppe
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ZHAW Departement Gesundheit
Prof. Dr. Heidrun Becker
Ursula Meidert
Mandy Scheermesser
ZHAW School of Engineering
Prof. Dr. Kurt Stockinger
Gabriel Eyyi
ZHAW School of Management and Law
Stefan Hegyi
Yvonne Prieur
IZT-Institut für Zukunftsstudien und
Technologiebewertung
Michaela Evers-Wölk
Britta Oertel
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt:
ursula.meidert@zhaw.ch
Projektwebseite:
www.zhaw.ch/gesundheit/quantified-self
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Referenzen
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Becker, H.; Meidert, U.; Scheermesser M.; Prieur, Y.; Hegyi, St.; Stockinger, K.; Eyyi, G.; Evers-
Wölk, M.; Jacobs, M.; Oertel, B. (2017). Quantified Self – Schnittstelle zwischen Lifestyle und
Medizin. Unveröffentlichter Schlussbericht. ZHAW: Winterthur.
Barcena, M. B., Wueest, C., & Lau, H. (2014). How safe is your quantified self. Symantech:
Mountain View, CA, USA. Zugriff unter: http://www.symantec.com/content-
/en/us/enterprise/media/security_response/whitepapers/how-safe-is-your-quantified-self.pdf.
CURAVIVA (2016). Apps für die Tabletten und fürs Jassen. 9,16.
Gertenbach, L., & Mönkeberg, S. (2016). Lifelogging und vitaler Normalismus. kultursoziologische
Betrachtungen zur Neukonfiguration von Körper und Selbst (S. 25-43). In: Selke, S. (2016).
Lifelogging. Springer Fachmedien Wiesbaden.
gfs-zürich. (2016). Repräsentative bevölkerungsbefragung zum thema smartwatches: Jeder
fünfte besitzt eine smartwatch oder ein smartband. Zugriff unter: http://gfs-zh.ch/wp-
content/uploads/2016/04/Medienmitteilung_Smartwatch.pdf
IMS Institute for Healthcare Informatics (2015). Patient Adaptation of mHealth. Use, Evidence
and Remaining Barriers to Mainstream Acceptance. Zugriff unter:
http://www.imshealth.com/files/web/IMSH%20Institute/Reports/Patient%20Adoption%20of%2
0mHealth/IIHI_Patient_Adoption_of_mHealth.pdf
Lupton, D. (2013a). Understanding the human machine [Commentary]. IEEE Technology and
Society Magazine, 32(4), 25-30.
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Referenzen
32
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mHealth App Publishing. Zugriff unter: http://www.research2guidance.com/r2g/research2
guidance-mHealth-App-Developer-Economics-2014.pdf
Research2guidance (2016) mHealth App Developer Economics. Zugriff unter:
https://research2guidance.com/r2g/r2g-mHealth-App-Developer-Economics-2016.pdf
Roediger, A. (2015). mHealth – unterwegs zu Gesundheitskompetenz 2.0. In
Gesundheitskompetenz in der Schweiz – Stand und Perspektiven. Hrsg: Schweizerische
Akademie der Medizinischen Wissenschaften und Allianz Gesundheitskompetenz. 72–74.
.Selke, S. (Ed.). (2016). Lifelogging: digitale Selbstvermessung und Lebensprotokollierung
zwischen disruptiver Technologie und kulturellem Wandel. Springer-Verlag.
Seifert, A. (2017). mHealth 50+: Daily mobile health tracking by older adults in Switzerland.
Proceedings from 5th Biennial Conference of the Society for Ambulatory
Assessment, Luxembourg.
Villa, P. I. (2012). Die Vermessung des Selbst. Einsicht in die Logik zeitgenössischer
Körperarbeit. aviso, 3, 14–19.
Villa, P. I. (Ed.). (2015). Schön normal: Manipulationen am Körper als Technolo-gien des Selbst.
Bielefeld: transcript Verlag
Wolf, G. (2010). The quantified self. (Video file) Zugriff unter:
https://www.ted.com/talks/gary_wolf_the_quantified_self.