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Das Standardmodell der
Elementarteilchenphysik
Studieninformationstag 2003
RWTH Aachen
Joachim Mnich
Elementarteilchenphysik:
Erforschen, was die Welt im Innersten zusammenhält(Goethe, Faust)
I) Was sind die fundamentalen Bausteine der Materie?
II) Welches sind ihre fundamentalen Wechselwirkungen (Kräfte)?
Demokrit (ca. 400 vor Christus) führte den Begriff Atom ein als Bezeichnung der unteilbaren Bausteine der Materie
Entfernung Sonne-Erde: 150 Million km oder 8 Lichtminuten
100 000 000 000 000 000 000 000 000 mentspricht ca. 10 Milliarden Lichtjahre
0,000 000 000 000 000 001 m
56 g Eisen enthalten 6 ·1023 = 600 000 000 000 000 000 000 000Eisenatome
Elementarteilchenphysik
Kosmologie
Astronomie, Astrophysik
Festkörperphysik ,Atomphysik
Kernphysik
Mechanik, Optik,angewandte Physik,Geophysik, ...
Verbindung zwischen Elementarteilchenphysik und Kosmologie
Die Theorie des Urknalls (Big Bang) verbindet die Physik der größten und der kleinsten Abstände
Galaxien entfernen sich voneinander:
Ausdehnung des Universums:
v = Hv = H0 0 d d Große Entfernung d entspricht großer Fluchtgeschwindigkeit v
Edwin Hubble (1929):
Moderne Messungen mit Hubble-Satellit
Daraus folgt im Umkehrschluss• Das Universum hatte einen Anfang (Urknall oder Big Bang)• Es entstand vor ca. 15 Milliarden Jahren aus einer Singularität • Frühe Phase ist gekennzeichnet durch kleine Abstände und hohe Temperaturen, d.h. hohe Energien
„Ursuppe“ aus Elementarteilchen
Theorie
Experiment
= h/p= h/p Quantentheorie:
Teilchen sind Wellen und Wellen sind TeilchenJe größer der Impuls p, oder die Energie E, umso kleiner ist die Wellenlänge
M. Planck
... und Gott würfelt doch ...Elementare, quantenphysikalische Prozesse sind nicht deterministisch, nur Wahrscheinlichkeiten berechenbarExperimente müssen häufig wiederholt werden
Unschärferelationx x p p ћ ћOrt und Impuls nicht
beliebig genau messbar
W. Heisenberg
Theoretische Fundamente der Elementarteilchenphysik
E = mcE = mc22 Relativitätstheorie:
Masse ist Energie und Energie ist Masse
Erzeugung von Teilchen mit großen Massen erfordert hohe Energie
Albert Einstein
Elementarteilchenphysik = Hochenergiephysik
Untersuchung subatomarer Strukturen:
xStrukturgröße
Wellenlänge
>
Die Untersuchung kleinster Strukturen erfordert Strahlung (Teilchen) kleinster Wellenlängen, d.h. höchster Energien
• Elementarteilchen sind strukturlose Objekte ohne räumliche Ausdehnung, die Eigenschaften wie Masse, Ladung, Spin etc. besitzen
Untersuchungen bei höheren Energien:– Überprüfung von Kandidaten für Elementarteilchen– Erzeugung von neuen, schwereren (Elementar)-Teilchen– Untersuchung der fundamentalen Wechselwirkungen– Annäherung an den Urknall
Teilchenbeschleuniger:Geladene Teilchen, wie z.B. Elektronen, gewinnen Energie im elektrischen Feld („Beschleunigung“)
Geladene Teilchen werden in Magnetfeldern abgelenkt (senkrecht zur Feld- und Bewegungsrichtung
Fernsehapparat ist ein Teilchenbeschleuniger:
Energie des Elektronenstrahls:20 KeV = 20 000 eV
Wellenlänge der Elektronen: 10–11 m
Energiegewinn Spannungsdifferenz
1 eV 1 V
1 keV 1 000 V
1 MeV 1 000 000 V
1 GeV 1 000 000 000 V
+ + + +
– – – –
Beschleuniger zur Erzeugung von Teilchenstrahlung höchster Energie
• Beschleunigung geladener Teilchen durch elektromagn. Wellen in Hohlraumresonatoren
• Schiesse energiereiche Teilchen auf Probe und untersuche gestreute Teilchen
Linearbeschleuniger
Ringbeschleuniger
• Wesentlich höhere Energien erreichbar durch Teilchenkollissionen ( Collider)
HERA am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg:
Protonen
Elektronen
LEP (Large Electron Positron Collider) am CERN in Genf: Strahlenergie 100 GeV, 27 km Umfang, Betrieb 1989 – 2000
Positronen
Elektronen
Bilder aus dem LEP-Tunnel:
Beispiel:Der DELPHI-Detektor am LEP-Speicherring
Detektoren
• Große Apparate zum Nachweis der erzeugten Teilchen
(typisch 10 m 10 m 10m)• Internationale Kollaborationen mit mehreren hundert Physikern
Aufbau der Materie (1)
Ende des 19. Jahrhunderts:
Periodensystem der chemischen Elemente
Etwa 100 Bausteine der Materie
1911: Rutherford Streuexperiment -Teilchen (E 5 MeV) an Goldfolie
Atomkern 10-15 m
Protonen &Neutronen
Atomhülle 10-10 m
Elektronen
Atome sind„leer“!
Altertum: Vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft
Protonen und Neutronen sind nicht elementar, sondernenthalten jeweils 3 „Quarks“
Aufbau der Materie (2)
Man braucht 2 verschiedene Quarks um Proton und Neutron aufzubauen:
up-Quark mit Ladung +2/3 down-Quark mit Ladung –1/3
Proton = (u u d) Neutron = (u d d)
1960: Hofstadter Elektron-Proton-Streuung Energie GeV
q
q
q
1930: W. Pauli postuliert das Neutrino e
Entsteht in vielen Kern- und Teilchenreaktionen, z.B. Energieproduktion der Sonne durch Kernfusion, Zerfall des Neutrons
Eigenschaften:• Ungeladen, (fast) masselos• Fast keine Wechselwirkung mit Materie
Das Neutrino wurde erst 1956 experimentell nachgewiesen
Aufbau der Materie (3)
Die Sonne im Neutrino-Licht:
Neutrinos sind sehr wichtige Teilchen im Universum
Beispiel:Energieproduktion der Sonne
Energie2HeH e42
11 υ4
6,4 · 1010 Sonnenneutrinos
pro cm2 und Sekundeauf der Erde
Ladung Spin
Leptonene Neutrino
e– Elektron
0
– 1
½
½
Quarksu up-Quark
d down-Quark
+ 2/3
– 1/3
½
½
Die fundamentalen Fermionen (1)
Alle bekannte Materie des Universums besteht aus 4 Teilchen:
Eigenschaften dieser Teilchen:
• Punktförmig (R < 10–18 m) strukturlos, elementar• Eigendrehimpuls (Spin) s = ½ ћ daher der Name Fermionen
Materie ist aus Fermionen aufgebaut!
Ach so, alles besteht aus Quarks und Leptonen! Wer hätte gedacht, dass es so einfach ist?Aber ...
Materie und Antimaterie
+ Neutrino
Aufbau der Materie aus den fundamentalen Bausteinen:
Antimaterie: Zu jedem der 4 Fermionen existiert ein AntiteilchenAntimaterie: Zu jedem der 4 Fermionen existiert ein AntiteilchenGleiche Eigenschaften, nur umgekehrte LadungBeispiel: Antielektron (Positron) e+, Anti-u-Quark (Ladung -2/3) , ...
Warum beobachten wir nur Materie im Weltall und keine Antimaterie?
Aufbau von Antimaterie aus den Antifermionen:Anti-quarks
Antineutron
Antiproton
Antikern
Positron
AntiatomAntimaterie
+ Antineutrino
SpinLadung
½
½
+2/3
–1/3
u up-Quark
d down-QuarkQuarks
½
½
0
–1
e Neutrino
e– ElektronLeptonen Myon-Neutrino
– Myon
0
–1
½
½
c charm-Quark
s strange-Quark
+2/3
–1/3
½
½
Tau-Neutrino
– Tau
0
–1
½
½
t top-Quark
b bottom-Quark
+2/3
–1/3
½
½
III.II.
I.
Die fundamentalen Fermionen (2)Von jedem (Anti)-Fermionen existieren 3 identische Kopien:
3 Familien oder Generationen Fermionen veschiedener Generationen haben identische Eigenschaften
Einziges Unterscheidungsmerkmal: die Masse
Beispiel: Myon – ist ca. 200 mal schwerer als Elektron bei sonst gleichen
Eigenschaften „Who ordered that?“
Schwere Fermionen zerfallen in leichte, z.B. – e– e
Warum existieren diese drei Kopien der fundamentalen Fermionen?
Die fundamentalen Wechselwirkungen
1) Gravitation (Schwerkraft)
Gravitation ist kein Bestandteil des Standardmodells
2r
mMGF
Elementarteilchen: zu schwach, spielt keine Rolle
4) Starke Wechselwirkung
Bindet Quarks in Protonen und Neutronen, Kernkraft
2) Elektromagnetische WechselwirkungElektrostatik Magnetismus
Bindet Elektronen und Kern zu Atomenund Atome zu Molekülen und Kristallen
204
1
r
πεF
3) Schwache Wechselwirkungäußert sich in bestimmten Kern-und Teilchenreaktionen, z.B. Neutronzerfall: n p e– e oder Sonne: 4 H He + 2 e
Ladungen Wechselwirkungen
Quarks tragen „Farbe“, Leptonen nicht
Name stammt aus Analogie mit
Farblehrerot + grün + blau = weiß (farblos)
Die Fermionen tragen Ladungen, die ihre Wechselwirkungen bestimmen:
Ladung Wechselwirkung
Masse Gravitation
elektrische elektromagnetische
schwache schwache
Farbe starke
Theorie der fundamentalen Wechselwirkungen
Theoretische Beschreibung der fundamentalen WW basiert auf Symmetrien (genauer: lokalen Eichsymmetrien)
Elementarteilchenphysik: unmessbare Phasen der Wellenfunktionen, die Elementarteilchen beschreiben
Symmetrie (oder Eichfreiheit) in der Physik:
Einfaches Beispiel ist Rotationssymmetrie einer KugelAusgang eines Experimentes hängt nicht von Orientierung der Kugel abAbsolute Orientierung ist nicht messbar!
Wechselwirkung Gruppe
Gravitation ?
elektromagnetische U(1)
schwache SU(2)
starke SU(3)
Warum sind genau diese Symmetrien realisiert?
Mathematische Beschreibungdurch GruppentheorieJeder Wechselwirkung ist eineSymmetriegruppe zugeordnet
Wechselwirkung Teilchen Spin [ћ ]
Ladungen
elektr. schwach Farbe Masse [c2]
Gravitation ? 1
Elektromagnetische Photon 1 –1 0 — 0
Schwache Z-Boson
W± -Bosonen
1
1
0
±1
1
1
—
—
91,2 GeV
80,4 GeV
Starke Gluon g 1 0 0 8 Komb. 0
Austauschteilchen (Bosonen)
Elektromagnetisches Feld Photon
Tabelle der Austauschteilchen:
Materie besteht aus Fermionen Spin s = 1/2 ћ Wechselwirkungen werden durch Bosonen s = ћ vermittelt
Alle Austauschteilchen sind im Experiment nachgewiesen!
Jeder Symmetrie (= Wechselwirkung) entspricht ein „Feld“ und jedem Feld ein Teilchen, z.B:
Wechselwirkungen werden durch Austauschteilchen vermittelt
Vereinheitlichung der Wechselwirkungen
Energie in GeV
Stä
rke
Stärke der Wechsel- wirkungen ändert sich mit Energie
Charakterisiert durch Kopplungskonstanten
Kopplungsstärken werdengleich bei E 1016 GeV
Extrapolation der Energieabhängigkeit derKopplungskonstanten
Warum gibt es diese vier fundamentalen Wechselwirkungen?
Vermutungen: Bei 1016 GeV gibt es nur eine fundamentale Wechselwirkung Bei 1019 GeV wird die Gravitation zwischen Elementarteilchen wichtig
10–43 Sekunden nach dem UrknallLeider nicht durch Teilchenbeschleuniger erreichbar...
Das schöne Konzept der lokalen Eichsymmetrien funktioniert nicht mit massiven Austauschteilchen
Das Higgs-BosonZ-Boson
W±-Bosonen
91,2 MeV /c2
80,4 MeV/c2
Grund ist die Unschärferelation:massives Austauschteilchen =
endliche Reichweite der Wechselwirkung
Mathematischer „Trick“:
Das Vakuum ist nicht „leer“ sondern erfüllt vom Higgs-Feld
Wir kennen alle Eigenschaften des Higgs-Bosons, außer der Masse!
Es muss noch ein Teilchen geben
Das Higgs Boson H0
ungeladen, Spin s = 0, koppelt an die Masse
Zukunft: LHC (Large Hadron Collider) ab 2007 im LEP-TunnelProton-Proton-Beschleuniger Schwerpunktsenergie 14 000 GeV
Beispiel: CMS-Detektor
Senkrechter Schnitt durch den CMS Detektor:
Computersimulation der Signale verschiedener Teilchen, die am Kollsionspunkt erzeugt werdenExtreme Zeitlupe, da sich alle Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit bewegen!
Geplanter TESLA Elektron-Positron-Beschleuniger
Elementarteilchenphysikim Jahr 2003:
• Materie besteht aus Quarks und Leptonen Spin 1/2 R < 10-18 m
• Fundamentale Wechselwirkungen und Austauschteilchen (Spin 1) Gravitation ??? elektromagn. Photon schwach W±, Z starke WW Gluonen
• Masse der Teilchen Existiert das Higgs-Boson?
• Europäisches Kernforschungszentrum CERN (Genf): http://www.cern.ch
Internet-Adressen
Elementarteilchenphysik für die Allgemeinheit
• Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY (Hamburg): http://www.desy.de http://www.desy.de/html/arbeiten/angebote_schueler.html
• Deutsche „Outreach“-Gruppe für Elementarteilchenphysik: http://outreach.web.cern.ch/outreach/public/de/Page1.html
Computersimulation der Geschichte des Universum: