Post on 05-Apr-2015
transcript
Das Ranschburg-Phänomen
oder:
Warum wir ser und estar nicht unterrichten können.
FMF-Fremdsprachentag, Boppard 8.9.08
Thomas Scholz
Und was verwechseln Ihre SchülerInnen so?
Gibt es Dinge, die Sie oft verwechseln?Das Problem
Nicht nur ser und estar: Bestimmte Wörter, Formen oder Sachverhalte werden häufig verwechselt.
Erklärungen und Übungen scheinen nicht zu wirken.
Im Gegenteil: Die Unsicherheit nimmt mit dem Lernaufwand eher zu.
Eselsbrücken, Merkverse, Regeln etc. helfen nicht in spontanen Sprechsituationen.
links vs.
rechtsErnst Jandl
lichtung
manche meinenlechts und rinkskann man nicht velwechsernwerch ein illtum
das vs.
dassStalagtiten vs.
Stalagmiten there
vs. theirvs.
they‘re
d b q p
ser vs.
estarestá(n)
vs. hay
llevar vs. traer muy
vs. muchopara
vs. por
poder vs.
saberimperfecto
vs. indefinido
en vs. a
Janis und
Yannik
Geht es Ihnen mit diesen Verwechslungen auch oft so?
Hypo- vs.
Hyper-
Dafür gibt es seit über 100 Jahren
eine wissenschaftliche
Erklärung!
Die lernpsychologische Erklärung
Lerngegenstände,
die sich ähneln,
behindern sich gegenseitig
Pál Ranschburg, 1905:
„Ähnlichkeitshemmung“ oder
„Ranschburg-Phänomen“
1. beim Erlernen und beim Abrufen
2. proaktiv und retroaktiv
Die lernpsychologische ErklärungNeben der Ähnlichkeitshemmung gibt es: die ekphorische Lernhemmung, die affektive Lernhemmung und die assoziative Lernhemmung.
Außerdem müssen wir mit entwicklungsbedingten Lernschwierigkeiten rechnen
Man unterscheidet 2 Arten von Ähnlichkeiten:
a. äußerliche Ähnlichkeit: está – ésta – esta (von P. Ranschburg 1905 untersucht)
b. inhaltliche Ähnlichkeit (z.B. durch Inter-ferenz; von A. Ehrhardt 1931 untersucht)
Die lernpsychologische Erklärung
ser
'sein' estar
tener
hacer
Bsp:
Die lernpsychologische Erklärung
Bei äußerer (ésta vs. está) wie bei inhaltlicher Ähnlichkeit (es vs. está) gilt:
Lerngegenstände,
die sich ähneln,
behindern sich gegenseitig
Lerngegenstände,
die sich ähneln,
behindern sich gegenseitig
mögliche Einwände Kognitivismus: Bewusstmachung, Merksätze etc.
genügen, um der Verwirrung vorzubeugen
Aber: Das gilt höchstens für die Meta-Ebene
Konstruktivismus: „Verwirrung“ ist nur „Perturbation“, Ausgangspunkt des Lernens
Aber: Die „Perturbation“ entsteht jedes Mal neu, das Lernen ist nicht dauerhaft.
Außerdem: Ähnlichkeit ist subjektiv. 4 von 5 Lernenden haben kaum oder gar keine Probleme damit.
Aber: Wir sind für die Lernschwierigkeiten der anderen 20% verantwortlich!
Lerngegenstände,
die sich ähneln,
behindern sich gegenseitig
Hertha Beuschel-Menze: „Einem Kind „rechts“ und „links“ gleichzeitig
beizubringen, ist ein Verbrechen.“
Die SchülerInnen kennen die Regeln und machen es dennoch falsch!
Die Situation in heutigen Lernmedien
1. Hinweise auf „False Friends“ erzeugen die Verwechslungen, die sie bekämpfen:
Falsos Amigos in ECOS seit einem Jahr:
08/07 Tapete tapete
09/07 Kollegium colegio
10/07 interessiert interesado
11/07 Defekt defecto
12/07 Korrespondent correspondiente
01/08 Kondukt conducto
02/08 Pate paté
03/08 realisieren realizar*
04/08 Karte carta
05/08 Amboss ambos
06/08 fidel fiel
07/08 Tresor tesoro
08/08 Lineal lineal
09/08 Privatdozent docente privado
Die Situation in heutigen Lernmedien
2. Deshalb gehören auch Fehler-Sammlungen nicht in die Hand der Lernenden.
Sie leisten Verwechslungen Vorschub.
Die Situation in heutigen Lernmedien
3. Selbst Bilder können den Interferenzen Vorschub leisten
Regal
regalo
Die Situation in heutigen Lernmedien
4. Lehrwerke präsentieren Verwechselbares oft in direkter Opposition. Zwischen Übung und Evaluation besteht dabei kaum ein Unterschied.
Die Situation in heutigen Lernmedien
Die Situation in heutigen Lernmedien
Die Situation in heutigen Lernmedien
Die Situation in heutigen Lernmedien
Die Situation in heutigen Lernmedien
Die Situation in heutigen Lernmedien
Wieso wird das Ranschburg-Phänomen nicht berücksichtigt?
1. Viele Lehrpläne nennen Oppositionen wie ser und estar als Lernpensum.
2. Der Kognitivismus glaubt, den Problemen durch Bewusstmachung abhelfen zu können.
3. Der Strukturalismus benutzt die Oppositionsbildung systematisch als Methode.
z.B. Baden-Württemberg
Und wie ist das in Ihrem Lehrwerk?
Untersuchen Sie einmal selbst, wie ser und estar eingeführt, geübt und wiederholt werden.
Und kontrollieren Sie, wo überall noch in Ihrem Lehrwerk (potenziell) Ähnlichkeitshemmungen erzeugt werden.
Oft genügt ein Blick in das Inhaltsverzeichnis.