Post on 19-Aug-2019
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Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie
- Hauptvorlesung Viszeralchirurgie -
Chirurgie des unteren Gastrointestinaltraktes II
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Wahrscheinlichkeit einer Operation:
•etwa 40% nach 5 Jahren,
•70% nach 10 Jahren,
•90% nach 20 Jahren Krankheitsverlauf.
Notfalleingriffe:
Als Notfall müssen zwischen 2 und 10% der Patienten operiert werden:
•Ileus
•Perforation
•Blutung
•toxisches Megakolon
•retroperitonealer Abszess bei blind endender Fistel
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Fisteln:
Fisteln können bei Patienten mit Morbus Crohn an vielen Lokalisationen auftreten.
Anorektale/ perianale Fisteln
• Inzidenz perianaler Komplikationen zwischen 21 % und 23 %
• kumulative Häufigkeit 1 Jahr nach Krankheitsdiagnose bei 12 %
• nach 5 Jahren bei 15 %
• nach 10 Jahren bei 21 %
• nach 20 Jahren bei 26 %
Nicht-perianale Fisteln
• zwischen dem Darm und anderen nicht intestinalen Organen
(z.B. Blase entero-vesikal, Harnleiter entero-ureteral, Vagina entero-vaginal)
• zwischen zwei unterschiedlichen Darmsegmenten (interenterische Fisteln)
• zwischen dem Darm und der Bauchwand (enterokutane Fisteln)
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Fisteln:
Fisteldiagnostik
• Untersuchung in Narkose (Treffersicherheit von ca. 91 %)
• Endosonographie
• MRT
• Fistulographie nicht empfohlen!!!
Behandlung von Fisteln
• Prinzipiell sollten nur symptomatische Analfisteln therapiert werden
• Fisteltherapie ist eine interdisziplinäre Aufgabe
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Fisteln:
Perianale Fisteln
• Spaltung von transsphinktären Fisteln in der Regel kontraindiziert
• proximale Fisteln individuelles Vorgehen mit
Langzeitfadendrainage
plastischem Verschluss
Spaltung mit primärer bzw. sekundärer Rekonstruktion
• Ileostomaanlage bzw. bei nicht-befallenem Kolon eine Sigmoidostomie bei
komplexem Fistelsystem
bei Inkontinenz
fistel-assoziierter Rektumstenose
nach Rekonstruktionen zur Ausschaltung der Stuhlpassage
• Proktektomie nur ultima ratio bei
schwerem, fuchsbauartigem perianalem Fistelbefall mit Destruktion des
muskulären Analsphinkters (19,5%)
irreparabler Verletzung des Analsphinkters durch zu aggressive
Fistelchirurgie (2,8%)
Crohn-assoziertem Fistelkarzinom (0,7%)
therapierefraktärer Proktitis (77%)
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Ano-vaginale Fisteln
• symptomatische ano-vaginale Fistel Therapieprinzipien analog zu perinealer Fistel
• ano-vaginale Fisteln per se keine Operationsindikation (oligo-symptomatisch),
Operationsindikation bei stark symptomatischen Fisteln
• Voraussetzung für einen plastischen Fistelverschluß ist ein entzündungsfreies
Rektum (Therapie der Wahl rektaler Mukosaverschiebelappen)
• alternative Operationsverfahren
(i.d.R. mit temporärer Schutzenterostomie)
Martius-Plastik
Grazilisplastik
neue alloplastische Verfahren
Enterische Fisteln
• nur symptomatische enterische Fisteln müssen therapiert
• absolute OP-Indikation bei enterischen Fisteln nur bei funktionellem
Kurzdarmsyndom (Bypass)
• kurzstreckige interenterische Fisteln (z.B. zwischen terminalem Ileum und Kolon
ascendens) keine absolute OP-Indikation (nur fisteltragendes entzündetes Segment
wird reseziert)
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Enterovesikale Fisteln
• OP-Indikation bei Nachweis einer enterovesikalen Fistel
Enterokutane Fisteln
• abgestufte Immunsuppression Azathioprin/6MP und anti-TNF-α-Antikörpern
• bei kurzstreckigem Befall mit isolierter enterokutaner Fisteln und hoher Fördermenge
und/ oder lokalen Versorgungsproblemen primäre operative Fistelsanierung
Fisteln im Retroperitoneum
• Blind endende, im Retroperitoneum abszedierende Fisteln operativ
• Blind endende Fisteln stellen immer eine absolute OP-Indikation
• Blind endende retroperitoneale Fisteln mit schweren Sepsisverläufen
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Dünndarm oder ileokolische Erkrankung
• bei isoliertem, symptomatischem Ileozökalbefall ist die Operation als Alternative zur
konservativen Therapie zu erwägen
• 50-80 % aller Patienten mit einem isolierten Befall der Ileozökalregion müssen im
Laufe von 10 Jahren operiert werden
• nach einer Resektion Chance von 50 % für dauerhafte Remission
Begleitabszess
• bei abdominellem Begleitabszess Behandlung mit Antibiotika und in der Regel mit
perkutaner oder chirurgischer Drainage
• in der Regel spätere Resektion notwendig
• primäre Erfolgsrate der interventionellen Drainage sehr hoch
• jedoch >50 % der Patienten müssen sekundär im Intervall reseziert werden (Fisteln,
Stenosen oder Abzessrezidive)
• operative Drainage, wenn der Abszess interventionell nicht zugänglich oder
oberflächlich
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Strikturoplastik
• Indikation zur Intervention bei symptomatischer Striktur bzw. Stenose, die auf
Medikamente nicht anspricht
• kurzstreckige endoskopisch erreichbare Stenose kann dilatiert werden
• alle anderen Stenosen bedürfen der chirurgischen Therapie
• Strikturoplastik nach Heinecke-Mikulicz bis zu einer Stenoselänge von 5 cm sinnvoll
Alternativen bei längeren Strikturen (Darm-erhaltende Chirurgie):
Michelassi
Finney
• Darmwandphlegmone, Karzinom oder aktive mukosale Blutungen sind
Kontraindikationen für eine Strikturoplastik
• bei mehreren Stenosen in einem kurzen Darmsegment bei ausreichender
Restdarmlänge ohne Gefahr eines Kurzdarmsyndroms ist eine Resektion u.U.
sinnvoller
• Strikturoplastiken prinzipiell nur im Dünndarm empfohlen, bei Kolonbefall sparsame
Resektion indiziert
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Morbus Crohn des Kolons (lokalisierte Kolonerkrankung)
Operationsindikation gegeben bei
• unter konservativer Therapie refraktärem Verlauf
• bei einem auf konservative Therapie (inklusive endoskopische Dilatation) refraktären
Subileus
• Kolonstenosen, deren Dignität nicht abzuklären ist
Auch beim Kolon sparsame Resektionen anstreben!!!
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie
• absolute OP-Indikation bei bestätigter high-grade intraepithelialer Neoplasie (EIN)
• Risiko für Kolonkarzinom bei Colitis ulcerosa im Vergleich zur Normalbevölkerung
signifikant erhöht, Daten zum Karzinomrisiko bei Morbus Crohn widersprüchlich
Ileopouch-anale Anastomose (IPAA)
bei Crohn Colitis keine IPAA
häufiger Anastomosenstrikturen, Pouchitis, Pouchfisteln, Pouchversagen, und
Inkontinenzprobleme
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Morbus Crohn
Laparoskopische Resektion
• unter Einhaltung der in der Crohn-Chirurgie geltenden Kriterien Ileozökalresektion in
laparoskopischer Technik gleichwertig zur konventionellen Technik
• in Zentren mit spezialisierten chirurgischen Teams Hinweise für bessere Ergebnisse
mit der laparoskopischen Technik
• im Vergleich zur konventionellen Operationstechnik weniger Komplikationen, kürzere
Krankenhausaufenthalte, weniger postoperative Darmatonie
• geklammerte Seit-zu-Seit-Anastomosen in Bezug auf die Komplikationsrate und auch
das Auftreten eines postoperativen Anastomosenrezidivs günstiger
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
•akut-fulminante Verlaufsform betrifft 1–6% aller Patienten mit Colitis ulcerosa
primäre akut-fulminate Attacke (25–40%)
als akute Exazerbation einer bis dahin chronischen Verlaufsform
•Manifestationen
große Zahl an blutig-schleimigen Durchfällen
hohes Fieber mit
septischem Krankheitsbild
Anämie
Dehydratation
Hypalbuminämie
Hypokaliämie
Distension und Druckschmerzhaftigkeit des
Abdomens
Sonderform als toxisches Megakolon
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Intestinale Komplikationen
Massive Blutung
selten (3%) und tritt v. a. bei Linksseitenkolitis auf
Stenosen/ Strikturen
im Gegensatz zum Morbus Crohn bei Colitis ulcerosa nur selten (6–12%)
Häufigkeit steigt mit zunehmender Ausdehnung (Rektum: 3,6%, Rektum und linkes
Kolon: 7,5%, Rektum und Kolon: 17%)
Perforation
freie Perforation praktisch nur beim toxischem Megakolon zu beobachten
häufiger gedeckte Perforationen als Ausgangspunkte periproktitischer Abszesse und
Analfisteln
Prästomale Ileitis
Pouchitis
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Operationsindikation
Colitis ulcerosa im Gegensatz zum Morbus Crohn chirurgisch unter Kontinenzerhalt
prinzipiell heilbar!!!
Indikationen zur Operation bei Colitis ulcerosa
Notfallindikationen
• Perforation
• therapierefraktäres toxisches Megakolon
• schwere transfusionspflichtige Blutung (> 4 – 6 Blutkonserven pro 24 h)
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Operationsindikation
elektive absolute Operationsindikationen
• schwerer therapierefraktärer Verlauf (häufigste Indikation)
• Kolitis-assoziiertes-Karzinom
nach 10 Jahren Erkrankungsdauer Anteil bis zu 1%
nach 30 Jahren Erkrankungsdauer Anteil bis zu 17%
bei Vorliegen einer Pankolitis Entartungsrisiko auf das 14,8fache
erhöht
• hochgradige intraepitheliale Neoplasie
• Dysplasia associated Lesion or Mass (DALM)
• Wachstumsstörungen bei Kindern und jugendlichen CU-Patienten
relative Operationsindikation
• niedrig gradige intraepitheliale Neoplasie
• eingeschränkte Lebensqualität aufgrund
der medikamentösen Therapie
• Patientenwunsch
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Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Proktokolektomie
Proktokolektomie mit endständiger, definitiver Ileostomaanlage wurde schon 1948
beschrieben und war seinerzeit das Verfahren der Wahl
Standardverfahren mittlerweile die restaurative Proktokolektomie mit ileopouchanaler
Anastomose
J-Pouch mit einer Länge von 10 – 15 cm hat sich dabei gegen die anderen
Pouchkonstruktionen durchgesetzt
nur etwa 20% aller an Colitis ulcerosa erkrankten Patienten
bedürfen während ihrer Krankheitsgeschichte einer Operation
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Proktokolektomie
Operative Strategie
In der Regel IAP zweizeitig durchgeführt
1. Koloproktomukosektomie, ileoanaler Pouch, Loop-Ileostoma
2. Ileostomarückverlagerung
Bei bestimmten Sonderkonstellationen drei-zeitiges Verfahren indiziert
1. Kolektomie mit Rektumblindverschluss nach Hartmann, Loop-Ileostomaanlage
2. Restproktomukosektomie, ileoanale Pouchan-Lage
3. Ileostomarückverlagerung
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Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Proktokolektomie
Operative Strategie
Kontraindikationen
• Morbus Crohn
• tiefsitzendes Rektumkarzinom
• septischer Prozess im kleinen Becken
• nichttherapierbare Analsphinkterinkontinenz
Protektives Ileostoma
Datenlage spricht gegen ein generelles einzeitiges Vorgehen bei der IAP
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Proktokolektomie
Operative Strategie
Zusätzliche Verfahren
Ileorektale Anastomose:
heute nur noch eine Ausnahmeindikation bei jungen Patienten, da nach ileoanaler
Pouchoperation Potenz- (1,8%) und Ejakulationsstörungen (5,8%) auftreten können
Kock-Pouch (kontinentes Ileostoma):
aus Dünndarm konstruierter Ventilmechanismus mit Anlage eines prästomalen
Reservoirs (technisch komplex und mit sehr hohen Komplikationsraten behaftet)
Proktokolektomie mit terminalem Ileostoma:
nur noch bei erheblichen Kontraindikationen zur IAP
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Ergebnisse der Pouchanlage
Komplikationen nach IAP
• Nachblutungen
• Ileus
• lokalseptische Komplikationen
• Anastomosenstenose
• Pouchitis
• Analsphinkterinsuffizienz
In 3% so schweren Komplikationen (meist ischämische und peripouchale septische Pro-
bleme), dass der ileoanale Pouch exstirpiert werden muss.
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Ergebnisse der Pouchanlage
• Pouchitis endokopisch in 50% aller Fälle
• Inzidenz akuten Pouchitis:
18% innerhalb des ersten Jahres nach Operation
bis zu 30% innerhalb der ersten 2 Jahre
im Langzeitverlauf bis zu 50% nach 10 Jahren
in ca. 5–10% akute Pouchitits mit Übergang in chronische Form
• histologisch bei den meisten Pouch-Patienten
• klinisch relevant und damit therapiebedürftig nur bei Auftreten von Symptomen:
Defäkationsschmerzen
peranalen Blutungen
Stuhlfrequenzerhöhungen
neu aufgetretenen Inkontinenzbeschwerden
Hauptvorlesung VCH – unterer GI Teil 2
Operative Prinzipien Colitis ulcerosa
Ergebnisse der Pouchanlage
Beeinflussung der Lebensqualität durch
• postoperative Kontinenz
• Stuhlfrequenz
• Resozialisierungsgrad
• Auftreten von postoperativen Komplikationen
• tägliche Stuhlfrequenz nach ileoanaler Pouchanlage 5,4 Stuhlgänge/ Tag
• 90% der Patienten sind tagsüber voll kontinent
• 25% müssen nachts gelegentlich Vorlagen tragen
• ca. 9% aller Pouchpatienten mit Analsphinkterschwäche
Analmanometrie noch vor Ileostomarückverlagerung
Bio-feedbacktraining
• 91% nach Operation volle Arbeitsfähigkeit
• Beeinträchtigung des Sexuallebens
ca. 10–18% der Frauen nach ileoanaler Pouchanlage
bei Männern 12% Ejakulationsstörungen und 5% Impotenz
Pouchentartungsrisiko