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Praktikumsskript
Chemische
Verfahrenstechnik
(Einführung in die CVT / Technische Chemie für Chemiker / Reaktions-
technik)
Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik
Prof. Dr.-Ing. A. Jess
Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften
Universität Bayreuth
Stand: Sommersemester 2011
- I -
Inhaltsverzeichnis
Testatbogen für ...................................................................................................................... III
Praktikumsordnung für Ingenieure ...................................................................................... V
1 Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten .......................................... 1
1.1 Theoretischer Teil ............................................................................................. 1
1.2 Versuchsdurchführung .................................................................................... 13
1.3 Versuchsauswertung und Diskussion ............................................................. 16
2 Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer) ......................................................... 19
2.1 Die technische Ammoniaksynthese ................................................................ 19
2.2 Synthesegaserzeugung aus Erdgas .................................................................. 27
2.3 Versuchsdurchführung .................................................................................... 31
2.4 Anhang ............................................................................................................ 37
3 Thermische Reaktorstabilität ...................................................................................... 38
3.1 Einleitung ........................................................................................................ 38
3.2 Theoretische Grundlagen ................................................................................ 38
3.3 Versuchsapparaturen und Versuchsdurchführung .......................................... 47
3.4 Versuchsauswertung und Diskussion ............................................................. 49
4 Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren ............................................ 51
4.1 Einleitung ........................................................................................................ 51
4.2 Reaktionsmechanismus der Pyrolyse .............................................................. 55
4.3 Einflussgrößen auf die Produktverteilung ...................................................... 57
4.4 Wirtschaftliche Aspekte .................................................................................. 60
4.5 Technische Durchführung ............................................................................... 60
4.6 Kinetische Analyse nichtisothermer Daten ..................................................... 64
4.7 Aufgabenstellung ............................................................................................ 65
4.8 Versuchsdurchführung und Beschreibung der Anlage ................................... 66
4.9 Versuchsauswertung ....................................................................................... 68
5 Flüssig-Flüssig-Extraktion ........................................................................................... 72
5.1 Einleitung ........................................................................................................ 72
5.2 Flüssig-Flüssig-Extraktion .............................................................................. 73
5.3 Theoretischer Teil ........................................................................................... 75
5.4 Das Dreiecksdiagramm ................................................................................... 78
5.5 Versuchsbeschreibung .................................................................................... 80
5.6 Literatur .......................................................................................................... 82
6 Rektifikation .................................................................................................................. 85
6.1 Fragen & Aufgaben zur Vorbereitung ............................................................ 85
6.2 Einleitung ........................................................................................................ 85
Inhaltsverzeichnis
- II -
6.3 Phasengleichgewichte idealer, mischbarer Flüssigkeiten ............................... 85
6.4 Bestimmung der Trennstufenzahl ................................................................... 89
6.5 Betriebsbegriffe einer arbeitenden Kolonne .................................................... 94
6.6 Versuchsbeschreibung und Versuchsauswertung ......................................... 101
6.7 Versuchsdurchführung .................................................................................. 101
6.8 Abkürzungsverzeichniss ................................................................................ 103
6.9 Konstanten .......................................................................................................... 103
7 Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren ............ 105
7.1 Theoretische Grundlagen .............................................................................. 105
7.2 Durchführung ................................................................................................ 117
7.3 Auswertung ................................................................................................... 119
8 Strömung durch Schüttungen (Wirbelschicht) ......................................................... 121
>> Link zum Skript ................................................................................................... 121
- III -
Testatbogen für
„Chemische Verfahrenstechnik“
Name: ...............................................
Matrikel-Nr.: ....................................
Praktikumsschein ausgestellt am: .............................................
Die Versuche müssen bis spätestens 26.08.11 vom Assistenten testiert worden sein.
Sollten bis zu diesem Zeitpunkt die Testate nicht vorliegen, so gilt das Praktikum als
nicht bestanden.
Der Testatbogen ist ebenfalls bis spätestens 26.08.11 im Sekretariat (FAN-A 1.04
0921/55-7431) abzugeben.
Versuch Vorgespräch und
Versuchsdurchführung
Protokoll
1)
2)
3)
4)
- V -
Praktikumsordnung für Ingenieure
Das Praktikum Reaktions- und Prozesstechnik wird vom Lehrstuhl für Chemische
Verfahrenstechnik der Universität Bayreuth durchgeführt. Die Anmeldung für das
Praktikum „Chemische Verfahrenstechnik“ ist bis zum 13.05.2011 unter FlexNow
durchzuführen!
Allgemeiner Aufbau des Praktikums
Das Praktikum gliedert sich in drei Versuche (mit z. T. entsprechenden Teilversuchen) und
wird in der Regel nur in Gruppen aus jeweils maximal 3 Studenten durchgeführt. Ein Versuch
dauert etwa einen halben Tag.
Zu Beginn des Praktikums wird im Rahmen der Vorlesung eine Einführungsveranstaltung
durch die Assistenten durchgeführt. Hierbei erfolgt auch die Sicherheitsbelehrung der
Studenten. Ohne die durch Unterschrift des Studenten bestätigte Teilnahme an der
Sicherheitsbelehrung ist ein Besuch des Praktikums nicht möglich.
Um das Praktikum zu bestehen, müssen alle Versuche erfolgreich durchgeführt und von den
Assistenten testiert worden sein. Ist dies nicht der Fall, gilt das Praktikum als nicht bestanden.
Zugangsvoraussetzungen
Die Zugangsvoraussetzung für das Praktikum ist das Vordiplom. Der Besuch der Vorlesung
Reaktions- und Prozesstechnik wird empfohlen.
Zeitraum der Durchführung
Das Praktikum kann während der gesamten Vorlesungszeit (vom 16.05. bis 31.07.2011)
durchgeführt werden. Falls die drei Versuche ohne triftigen Grund nicht in der Vorlesungszeit
beendet werden, muss das gesamte Praktikum wiederholt werden. Die Praktikumsgruppen
bearbeiten die Versuche in beliebiger Reihenfolge. Die Terminabsprache für die Versuche
erfolgt eigenverantwortlich durch die jeweiligen Gruppen bis zum 21.05.2011 beim
Praktikumsassistenten. Die Ansprechpartner für die Versuche sind:
Allgemeine Fragen zum Praktikum Dr. Wolfgang Korth
(wolfgang.korth@uni-bayreuth.de, FAN A 1.06)
Kinetik exothermer Reaktio-
nen/Zünd-Lösch-Verhalten
Dipl.-Ing. Stephan Aschauer
(stephan.aschauer@uni-bayreuth.de, FAN A 1.01)
Vom Erdgas zum Ammoniak Dipl.-Ing. Johannes Thiessen
(Johannes.thiessen@uni-bayreuth.de, FAN A 1.09)
Rektifikation Dipl.-Phys. Florian Heym
(florian.heym@uni-bayreuth.de, FAN A 1.01)
Verweilzeitverhalten Dipl.-Chem. Lisa Schilder
(lisa.schilder@uni-bayreuth.de, FAN A 1.09)
Rajabhau Bajirao Unde
(rajabhau-bajirao.unde@uni-bayreuth.de, FAN A 1.09)
Druckverluste durch Schüttungen Dr. Heymann
(lutz.heymann@uni-bayreuth.de, FAN C 2.47)
Praktikumsordnung für Ingenieure
- VI -
Aufbau der Praktikumsversuche
Vor jedem Versuch findet ein Vorgespräch statt. Im Anschluss an den Versuch ist durch die
Praktikumsgruppe innerhalb von einer Woche das Protokoll zu verfassen und beim
Assistenten einzureichen.
Vorgespräch
Eine erfolgreiche Vorbesprechung ist die Voraussetzung zur praktischen Durchführung des
jeweiligen Praktikumsversuchs. Vor jedem Versuch findet ein Vorgespräch über den Inhalt
des jeweiligen Versuchs statt, um zu überprüfen, ob die Studenten den Inhalt des Versuchs
verstanden haben und den Versuch durchführen können. Der Assistent beurteilt, ob die
Vorbesprechung eine ausreichende Kenntnis der Studenten über den Versuch geliefert hat.
Bei unzureichender Vorbereitung wird vom Praktikumsassistenten ein neuer Termin zur
Versuchsdurchführung festgesetzt. Eine Gruppe hat nur einmal die Möglichkeit, einen
Versuch zu wiederholen. Sollten auch hier die Kenntnisse nicht ausreichend sein, so wird
der Versuch als nicht bestanden gewertet, was zur Folge hat, dass das Praktikum nicht
bestanden wurde.
Praktische Durchführung der Experimente
Nach dem Vorgespräch geben die Versuchsbetreuer die genauen Reaktionsbedingungen aus,
weisen die Gruppe in die Versuchsapparatur ein und sind Ansprech- und Diskussionspartner
während der Versuchsdurchführung. Außerdem überprüfen und testieren sie das Protokoll
(s. u.).
Die Versuche dürfen nur nach der Einweisung durch den Assistenten durchgeführt werden!
Protokoll
Über jeden Versuch ist ein Protokoll anzufertigen und dem jeweils betreuenden Praktikums-
assistenten maschinengeschrieben zum Verbleib abzugeben. Falls mathematische
Herleitungen gefordert sind, können diese auch (sofern leserlich) handschriftlich ausgeführt
werden.
Die erste Abgabe des Protokolls hat spätestens eine Woche nach der Durchführung des
jeweiligen Versuchs zu erfolgen. Wird diese Frist überschritten, so gilt die erste Ausarbeitung
des Protokolls als nicht ausreichend. Weiterhin muss das Protokoll selbstverständlich den
grundlegenden Anforderungen an die deutsche Sprache gerecht werden und sich von den
Protokollen der anderen Gruppen deutlich unterscheiden. Ist die erste Abgabe des Protokolls
aus zeitlichen oder inhaltlichen Gründen nicht ausreichend, muss eine zweite verbesserte
Version des Protokolls abgegeben werden. Hierfür hat die Gruppe wiederum eine Woche
Zeit. Falls die zweite Version ebenfalls nicht ausreichend für ein Testat sein sollte, so kann
innerhalb einer weiteren Woche dem Assistenten eine dritte Version vorgelegt werden. Sollte
Praktikumsordnung für Ingenieure
- VII -
auch dieses dritte Protokoll nicht den Anforderungen entsprechen, gilt der Versuch als nicht
bestanden.
Es kann aufgrund eines immer noch mangelnden dritten Protokolls oder einer
mangelhaften Vorbesprechung nur ein Versuch wiederholt werden, wobei der Betreuer
einen Nachholtermin festsetzt.
Das Protokoll sollte folgenden Aufbau haben:
Auf der ersten Seite (Deckblatt) werden alle Namen der Studenten/innen der jeweili-
gen Praktikumsgruppe (in der Regel 2 Studenten/innen) mit Matr.-Nr. angegeben. Die
Versuchsbezeichnung und das Datum der Versuchsdurchführung werden ebenfalls
aufgeführt.
Die Aufgabenstellung sollte kurz umrissen werden (etwa 2 - 3 Seiten).
Die Messwerte werden in Tabellen und Graphiken wiedergegeben (Angaben mit
Einheiten!).
Berechnungen und verwendete Gleichungen sollten klar ersichtlich und nachvollzieh-
bar sein. Eine Aufstellung in der Art „Messwerte x führt nach vielfacher und im Prak-
tikumsskript gezeigter Umstellung zum Resultat y“ ist nicht ausreichend!
Am Ende des Protokolls sollen die Versuchsergebnisse diskutiert werden. Auch
sonstige Beobachtungen bei der Versuchsdurchführung oder auch positive und negati-
ve Kritikpunkte und Anregungen können hier ggfs. festgehalten werden.
Alle in der Versuchsbeschreibung gestellten Fragen sind zu beantworten.
Soweit vorhanden, sollten wichtige Messunterlagen (z.B. Analysenausdrucke) als
Anhang beigefügt werden.
Absage eines Versuchs
Kann ein Teilnehmer nicht zu einem vereinbarten Versuchstermin erscheinen, ist dieser
Umstand 2 Tage im Voraus per Email oder persönlich anzukündigen. Ansonsten wird der
Versuch als nicht bestanden gewertet.
Erscheint ein Teilnehmer nicht pünktlich zu Versuchsbeginn, hat keine Laboratoriums
gerechte Kleidung bei sich oder befindet sich nicht in geistiger oder körperlicher Verfassung,
die es erlaubt den Versuch gefahrlos durchzuführen, ist dies ein Grund für den Praktikumslei-
ter, den Versuch abzusagen und diesen als nicht bestanden zu werten.
Praktikumsordnung für Ingenieure
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Sicherheit im Laboratorium und allgemeine Ordnung im Labor
Im Praktikum gelten die vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft
herausgegebenen "Richtlinien für chemische Laboratorien". Folgende Regelungen sind
besonders zu beachten:
1. In den Praktikumsräumen sind stets eine Schutzbrille und ein Kittel zu tragen.
2. Die Praktikanten werden zu Beginn des Praktikums vom Assistenten informiert, wo
sich Alarmmelder, Not-Dusche, Verbandkasten, Augen-Spülflüssigkeit, Feuerlöscher
etc. und die Ausgänge befinden. Im Falle eines Alarms informiert der Assistent die
Praktikanten umgehend über weitere Maßnahmen.
3. Flaschen mit flüssigen Chemikalien dürfen nur in hierfür vorgesehenen Behältern
transportiert werden.
4. Geräte und Chemikalien dürfen nicht von anderen Versuchen entfernt werden. Sollten
Geräte während des Versuchs zu Bruch gehen, so ist dies unverzüglich einem Assis-
tenten zu melden, damit für Ersatz gesorgt werden kann.
5. Am Ende eines Arbeitstages ist der Arbeitsplatz aufzuräumen und zu reinigen. Am
Ende des Versuchs werden die Chemikalien und die gesäuberten, nicht fest installier-
ten Geräte in die jeweiligen Schränke gelegt. Entliehene Geräte müssen am Ende des
Versuches an den Assistenten zurückgegeben werden.
6. Gebrauchte Lösungsmittel werden nicht in die Wasserbecken, sondern in die speziel-
len Abfallkannen geschüttet!
7. Die Praktikumsversuche dürfen nie ohne Aufsicht bleiben.
8. Der Genuss von alkoholischen Getränken, das Aufbewahren und Verzehren von
Lebensmitteln sowie das Rauchen ist in den Praktikumsräumen nicht zulässig.
9. Nach der Benutzung der Waage sind Wägeplatz und Waage zu säubern.
10. Für Kühlzwecke kann Eis aus einer Eisbox im Raum A 1.31 entnommen werden.
Nach der Entnahme muss der Deckel geschlossen werden.
Die Praktikumsassistenten stehen für alle hier nicht aufgeführten Punkte ständig zur
Verfügung und sollten bei wichtigen Fragen angesprochen werden. Eine ausführliche
Sicherheitseinweisung erfolgt im Rahmen der zentralen Praktikumsvorbesprechung.
Empfohlene Literatur
Literatur zur Vertiefung des Praktikumsstoffes kann den Vorlesungen Reaktionstechnik und
Einführung in die Chemische Verfahrenstechnik entnommen werden.
- 1 -
1 Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
1.1 Theoretischer Teil
1.1.1 Einführung
Heterogene Reaktionen sind von großer technischer Bedeutung. Dies betrifft sowohl die
heterogene Katalyse (mehr als 90 % aller chemischen Produkte werden mit Hilfe von festen
Katalysatoren erzeugt) als auch Gas/Feststoff-Reaktionen wie z. B. die Verbrennung und
Vergasung von Kohle oder Biomasse.
Katalysatoren werden anhand der Selektivität und der Aktivität charakterisiert. Die Aktivität
wird über eine Geschwindigkeitskonstante (bzw. den Häufigkeitsfaktor km,0 und die
Aktivierungsenergie EA) charakterisiert. Um sie zu bestimmen, werden meist isotherme
Bedingungen eingestellt, was jedoch bei stark exothermen Reaktionen insbesondere bei hohen
Reaktivgaskonzentrationen (z. B. die von Sauerstoff bei Oxidationen) experimentell schwierig
zu realisieren ist. Bei stark exothermen Reaktionen liefert jedoch auch die relativ einfache und
schnelle Messung des Zündpunkts eine erste Information über die Aktivität eines Katalysa-
tors. Ebenso kann die Reaktivität bei Gas/Feststoff-Reaktionen mit der Zündpunktsmethode
abgeschätzt werden.
Im Rahmen des Praktikumsversuches soll die Kinetik der Koksverbrennung mit Hilfe
isothermer Versuche und der Zündpunktsmethode bestimmt und die jeweiligen Ergebnisse
verglichen werden. Bei der Verbrennung von Aktivkohle mit Sauerstoff entsteht im
wesentlichen Kohlendioxid:
C + O2 → CO2 RH0
298 = – 393,5 kJ/mol.
Als Nebenprodukt entsteht Kohlenmonoxid:
C + ½ O2 → CO RH0
298 = – 110,5 kJ/mol.
1.1.2 Bestimmung der Reaktivität eines Feststoffes und der Aktivität eines
Katalysators mit Hilfe der Zündpunktmethode
Theoretische Grundlagen der Zündung (eines Einzelkorns)
Zwischen Gas/Feststoff-Reaktionen wie z. B. der Verbrennung fester Brennstoffe und
heterogen-katalysierten Reaktionen besteht eine grundsätzliche Analogie: Die Reaktion findet
nur an der Feststoffoberfläche statt und wird daher möglicherweise von den Transportvorgän-
gen in der freien Gasphase bzw. im Porensystem beeinflusst. „Liefert“ die Diffusion nicht
schnell genug Edukt nach, kommt es zu einem Konzentrationsabfall in der äußeren
Gasgrenzschicht bzw. im Porensystem der Partikel. Sind die Reaktionsprodukte bei der Gas-
/Feststoff-Reaktion ebenfalls gasförmig, ist der einzige „Unterschied“ von Gas-/Feststoff-
Reaktion und heterogener Katalyse, dass sich durch die Abreaktion des Feststoffes bei der
Gas-/Feststoff-Reaktion der feste Reaktand mit fortschreitender Reaktion verändert und
1.1 Theoretischer Teil
- 2 -
schließlich nur noch inerte Reste übrig bleiben (wie Asche bei der Koksverbrennung). Doch
auch bei Katalysatoren können Veränderungen auftreten (Sinterung, Vergiftung und
Ablagerungen von festen Reaktionsnebenprodukten wie Koks).
Die Feststofftemperatur, die sich bei exothermen Reaktionen z. T. erheblich von der
Temperatur in der freien Gasphase unterscheidet, wird durch das Zusammenspiel von
Wärmeerzeugung und Wärmeabfuhr bestimmt. Für das Verständnis des Zündvorgangs
wird nachfolgend die Stoff- und Wärmebilanz sowie die effektive Reaktionsgeschwindigkeit
am Beispiel einer einfachen irreversiblen, heterogen katalysierten Reaktion von A nach B an
einem Einzelkorn betrachtet.
Stoffbilanz: Für die Stoffbilanz des Eduktes A gilt:
(1-1)
mit reff: effektive (massenbezogene) Reaktionsgeschwindigkeit (in mol·kg–1
·s–1
),
Molenstrom der abreagierenden Komponente A (in mol·s–1
),
mp: Masse des Katalysatorpartikels (in kg).
Der Beobachter stellt einen bestimmten Umsatz bei bestimmten vorgegebenen Bedingungen
(Eingangskonzentrationen, Temperatur, eingesetzte Katalysatormasse etc.) fest. Er kann
zunächst nicht entscheiden, wie der Umsatz zustande gekommen ist, d. h. ob etwa der
Stofftransport die Umsetzung beeinflusst oder sogar bestimmt. Daher werden Größen wie die
Reaktionsgeschwindigkeit reff und die Reaktionsgeschwindigkeitkonstante keff als effektive
Größen bezeichnet, die nachfolgend noch näher erläutert werden.
Wärmebilanz: Die durch die chemische Reaktion im Partikel erzeugte Wärmemenge ist
proportional zur Reaktionsgeschwindigkeit reff und zur molaren Reaktionsenthalpie, d. h. der
pro Mol umgesetzter Komponente A freiwerdenden Wärme, die hier vereinfacht als
temperaturunabhängig betrachtet wird. Für die durch die Reaktion freiwerdende Wärmemen-
ge
(1-2).
Reaktionsgeschwindigkeit: Für die effektive Reaktionsgeschwindigkeit reff soll dabei
vereinfacht ein Ansatz 1. Ordnung bezüglich der Konzentration ca der Komponente A gelten:
reff = keff · ca (1-3),
mit ca: Konzentration von A (in mol·m–3
),
keff massenbezogene effektive Geschwindigkeitskonstante (in m3·kg
–1·s
–1).
peffA dmrnd
An
kg
WinHcTkHTrq 0
aeff0
ReffChem
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 3 -
Die Größe reff gibt an, welche Menge von A pro Zeit und Masse Katalysator (oder Feststoff)
umgesetzt wird. Für heterogene Umsetzungen gibt es bezüglich der Reaktionsgeschwindigkeit
reff drei charakteristische Temperaturbereiche:
Bereich A:
Im Bereich tiefer Temperaturen wird die Umsetzung allein durch die Geschwindigkeit der
chemischen Reaktion bestimmt. Die gesamte Oberfläche des porösen Feststoffkorns nimmt
gleichmäßig an der Umsetzung teil. Eine Konzentrationsverarmung im Inneren des Korns
macht sich noch nicht bemerkbar, da die im Verhältnis zur chemischen Reaktion an der Fest-
stoffoberfläche sehr große Diffusionsgeschwindigkeit im Porensystem des Korns einen
schnellen Stoffaustausch im Porenraum gewährleistet. Die Konzentration von A entspricht
damit an jedem Punkt im Korn der Konzentration der freien Gasphase (Abbildung 1-1, Kurve
a).
In diesem „Tieftemperatur“gebiet entspricht somit die effektive Reaktionsgeschwindigkeits-
konstante keff(T) der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der chemischen Reaktion km(T).
Nach Arrhenius lässt sich der quasi-exponentielle Anstieg von km(T) durch die Akti-
vierungsenergie EA und den Häufigkeitsfaktor km,0 charakterisieren (allgemeine Gaskonstante
R = 8,314 J · mol-1
· K-1
):
(1-4).
Als grobe Faustregel gilt in diesem Temperaturbereich, dass sich die Reaktionsgeschwindig-
keit bei einer Temperaturerhöhung um nur 10 K verdoppelt.
Bereich B:
Während die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante der chemischen Reaktion km(T) (vgl. Gl.
(1-4)) quasi-exponentiell mit der Temperatur ansteigt, nimmt der Diffusionskoeffizient nur
mit etwa T1,5
zu. (Begründen Sie diese Temperaturabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten.
Hinweis: kinetische Gastheorie.) Bei höheren Temperaturen wird deshalb die Konzentration
ca im Korninneren absinken: Die Porendiffusion liefert nicht mehr genügend Gas an, um die
innere Oberfläche für die Reaktion voll ausnutzen zu können. Die Konzentration der
Komponente A im Innern des Porengefüges sinkt im Vergleich zur freien Gasphase ab (vgl.
Abbildung 1-1, Kurve b). Die Porendiffusion besitzt jetzt einen merklichen Einfluss auf die
effektive Reaktionsgeschwindikeit.
RT
E
0,mm
A
ekTk
1.1 Theoretischer Teil
- 4 -
Abbildung 1-1: Konzentrationsverläufe in der Gasgrenzschicht und im Katalysatorkorn für ver-
schiedene Temperaturbereiche (schematisch)
Dies wird formal durch einen sogenannten Porennutzungsgrad berücksichtigt. Für keff(T)
gilt in diesem mittleren Temperaturbereich:
; ≤ 1 (1-5).
Der Porennutzungsgrad kann anschaulich so verstanden werden, dass das Produkt aus η∙ca,0
(ca,0= Konzentration in der freien Gasphase) der mittleren Konzentration im Korn entspricht.
Die nachfolgende Bestimmungsgleichung für ergibt sich aus einer Differentialgleichung
(Bilanz Einzelpore, Näheres in Lehrbüchern der Chem. Verfahrenstechnik). Für beliebige
Partikelgeometrien gilt:
= tanh / (1-6)
Für den sogenannten Thielemodul gilt:
= L · [km · schein / Deff] 0,5
(1-7)
Mit L: charakteristische Länge (Verhältnis Volumen zu Oberfläche; für Kugeln
folglich 1/6 · Durchmesser),
km: Geschwindigkeitskonstante der chem. Reaktion (Ansatz 1. Ordnung, in
m3/(kg·s)),
schein: scheinbare Dichte des Katalysators (mP/VP; in kg/m3),
Deff: effektiver Diffusionskoeffizient im Porensystem (m2/s).
Der effektive Diffusionskoeffizient Deff setzt sich zusammen aus:
)T(k)T(k meff
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 5 -
Deff = · · DG (1-8)
mit DG: Diffusionskoeffizient in der freien Gasphase (in m2/s),
: Hohlraumanteil,
: Labyrinthfaktor.
Vereinfachend wird für das Produkt · häufig der Wert 0,1 eingesetzt.
Es sei angemerkt, dass die (scheinbare) Aktivierungsenergie bei ausgebildeter Porendiffusion
nur halb so groß wie die der chemischen Reaktion ist. (Begründen Sie, warum dies so ist.)
Bereich C:
Bei sehr hohen Temperaturen wächst der Einfluss des Diffusionswiderstands in der hydro-
dynamischen Gasgrenzschicht und wird schließlich allein für den Umsatz verantwortlich. Die
Konzentration ca fällt schließlich bei sehr hohen Temperaturen in dieser Grenzschicht prak-
tisch bis auf Null (bzw. bis auf die entsprechende Gleichgewichtskonzentration bei
reversiblen Reaktionen) an der äußeren Oberfläche des Korns ab (vgl. Abbildung 1-1, Kurve
c); die Grenzschichtdiffusion, also der Stofftransport durch die Gasgrenzschicht, ist in diesem
Hochtemperaturgebiet allein geschwindigkeitsbestimmend. Für die effektive Reaktionsge-
schwindigkeitskonstante gilt dann:
(1-9),
mit Am: massenbezogene äußere Oberfläche des Katalysators (in m2 · kg
–1),
DG: Diffusionskoeffizient in der Gasphase (in m2 · s
–1),
δ: Grenzschichtdicke (in m, vgl. Abbildung 1-1),
: Stoffübergangskoeffizient (in m · s–1
).
(Anmerkung: Die Konzentration fällt nur bei irreversiblen Reaktionen auf Null ab, bei
reversiblen Reaktionen stellt sich an der äußeren Partikeloberfläche der entsprechende
Gleichgewichtswert ein.)
In diesem Bereich ist die Temperaturabhängigkeit von keff klein, da nur noch die schwache
Temperaturabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten (T1,5
) in und damit in keff(T) eingeht;
für den Stoffübergangskoeffizienten gilt mit der Sherwood-Zahl Sh, dem Diffu-
sionskoeffizienten Da von A und dem Korndurchmesser dp:
(1-10)
Näheres zur Bestimmung der Sherwoodzahl ist z. B. im VDI-Wärmeatlas zu finden. Die
effektive Reaktionsgeschwindigkeitskonstante lässt sich für alle drei angesprochenen
Bereiche angeben durch
mmG
eff AAD
)T(k
p
a
d
DSh
1.1 Theoretischer Teil
- 6 -
(1-11).
Abbildung 1-2 zeigt schematisch den Verlauf von keff mit der Temperatur in der üblichen
Auftragung ln keff = f(1/T). Zusätzlich ist noch angedeutet, dass bei manchen katalytischen
Reaktionen und sehr hohen Temperaturen die thermische Reaktion in der freien fluiden Phase
auch noch einen Beitrag leisten kann (Bereich D). Im Regelfall ist dies technisch allerdings
nicht relevant, ebenso spielt dieser Fall bei Gas-Feststoff-Reaktionen naturgemäß keine Rolle.
Aus den Gl. (1-2).), (1-4) und (1-11) folgt:
(1-12).
Für Gl. (1-12) existieren zwei wichtige Grenzfälle:
Grenzfall I:
Im Bereich tiefer Temperaturen wird die Reaktionsgeschwindigkeit allein durch die
Geschwindigkeit der chemischen Reaktion bestimmt:
reff = rchem = km · ca (1-13).
<< m und ≈ 1.
Gl.(1-12) vereinfacht sich dann zu:
(1-14).
Die erzeugte Wärmemenge steigt in diesem Bereich exponentiell mit T.
Abbildung 1-2: ln keff = f(1/T) (schematisch)
)T(k
1
A
1
1)T(k
mm
eff
0Ra
mTR
E
0,m
mTR
E
0,mChem Hc
Aek
Aekq
A
A
TR
E
0,mm
A
ekk A
0Ra
TR
E
0,mChem Hcekq
A
Chemq
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 7 -
Grenzfall II:
Im Bereich sehr hoher Temperaturen wird die Reaktionsgeschwindigkeit praktisch nur durch
die Gasgrenzschicht diffusionsbestimmt, d. h.:
<<
Aus Gl. (1-12) wird dann:
(1-15).
Die erzeugte Wärmemenge steigt in diesem Temperaturbereich nur noch schwach mit
der Temperatur (T1,5
; siehe oben). Insgesamt ergibt sich für die Temperaturabhängigkeit von
qualitativ die in Abbildung 1-3 gezeigte charakteristische S-Kurve. Vereinfacht zeigt
die Abbildung 1-3 die Auftragung als dimensionslose Größe
In Abbildung 1-3 sind zusätzlich sogenannte Wärmeabfuhrgeraden eingezeichnet. Sie
beschreiben die vom Feststoffkorn je Massen- und Zeiteinheit abgeführte Wärmemenge
(ebenfalls in dimensionsloser Darstellung). Die Bestimmungsgleichung für lautet mit dem
Wärmeübergangskoeffizienten und der Gas- bzw. Korntemperatur TG und TK:
(1-16)
mA TR
E
0,mm
A
ekk
0RamChem HcAq
Chemq
Chemq
0Ram
Chem
max
Chem
HcA
q
q
q
abq
abq
GKab TTAq
1.1 Theoretischer Teil
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Abbildung 1-3: Wärmeerzeugungskurve und Wärmeabfuhrgeraden
Mit zunehmender Gastemperatur verschiebt sich die Wärmeabfuhrgerade nach rechts; die
Steigung in der dimensionslosen Darstellung entspricht:
Im stationären Fall muss die Wärmeabfuhr (Gl. (1-16)) genau der Wärmefreisetzung durch
die chemische Reaktion (Gl. (1-12)) entsprechen:
(1-17).
Dieser Bedingung genügen in Abbildung 1-3 die Schnittpunkte der Wärmeerzeugungskurve
mit den Wärmeabfuhrgeraden. Für einen stabilen Betriebspunkt ist es allerdings erforderlich,
dass am jeweiligen Schnittpunkt die Wärmeerzeugungskurve flacher verläuft als die
Wärmeabfuhrgerade kleinerer Steigung. Ansonsten würde bei einer kleinen Temperatursteige-
rung mehr Wärme erzeugt als abgeführt und die Temperatur des Feststoffkorns würde weiter
ansteigen. Entsprechend würde bei einem kleinen Temperaturabfall mehr Wärme abgeführt
als erzeugt und die Feststofftemperatur würde weiter fallen (Verdeutlichen Sie sich diesen
Sachverhalt anhand der Abbildung 1-3). Stabile Betriebspunkte sind also nur P1a, P2a, P2c, P3c
und P4c. Instabil ist also P2b. Wird demnach die Gastemperatur von TG,2 (entsprechend dem
unteren stabilen Punkt P2a) auf TG,3 erhöht, so steigt die Temperatur des Korns schlagartig auf
TK,3c, dem oberen stabilen Betriebspunkt P3c, an. Dieser Vorgang wird als Zündung
bezeichnet, die zugehörige Gastemperatur - hier TG,3 - heißt Gaszündtemperatur TG,Z mit der
zugehörigen Feststoffzündtemperatur TF,Z (Abbildung 1-3).
0Ra Hc
chemab qq
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 9 -
Ist die Strömungsgeschwindigkeit konstant, d. h. sind ungefähr konstant, so sind die
Wärmeabfuhrgeraden parallel und nur noch eine Funktion der Gastemperatur und die
Wärmeerzeugungskurve nur noch eine Funktion der kinetischen Größen km,0 und EA.
Im Falle zunehmender Aktivität eines Katalysators, d. h. mit zunehmendem Häufig-
keitsfaktor bzw. abnehmender Aktivierungsenergie verschieben sich die Wärmeerzeugungs-
kurven nach links (Abbildung 1-4). Dadurch fällt die Zündtemperatur. Der Katalysator mit
der niedrigeren Zündtemperatur TG,Z,2 ist also aktiver (bzw. ein reagierender Feststoff
reaktiver).
Die gemessene Zündtemperatur hängt aber auch von den Versuchsbedingungen (Gas-
konzentration von A, Strömungsgeschwindigkeit und Partikelgröße) ab. Einzelne Katalysato-
ren oder Feststoffe sollten daher bei stets gleichen Bedingungen untersucht bzw. verglichen
werden. Wird z. B. die Eduktkonzentration ca erhöht (z.B. O2 bei der Kohleverbrennung), so
erhöht sich die Wärmeerzeugung bei gleichbleibender Wärmeabfuhr und die Zündtemperatur
sinkt.
Abbildung 1-4: Wärmeerzeugungskurven für unterschiedlich aktive Katalysatoren und die
entsprechenden Zündtemperaturen TG,Z (schematisch)
Das oben erläuterte Zündverhalten tritt übrigens nicht nur an Einzelpartikeln bzw. wie im
Praktikumsversuch in Festbettreaktor auf, was naturgemäß in technischen Festbettreaktoren
sehr unerwünscht ist und unbedingt durch entsprechende Kühlung vermieden werden muss.
Auch bei der Lagerung von reaktiven Feststoffen (Aktivkohlen, gebrauchte Katalysatoren,
reduzierte Erze) kann es zur Zündung kommen. Darüberhinaus können auch Rührkesselreak-
toren, in denen eine exotherme Reaktion abläuft, „durchgehen“. Die Gesetzmäßigkeiten sind
dabei qualitativ die gleichen wie bei der hier diskutierten Einzelpartikelzündung, ein
exponentieller Anstieg der Wärmeerzeugung mit der Temperatur und eine lineare bzw. (zu)
schwache Abhängigkeit der Kühlung von der Temperatur. Der Praktikumsversuch soll daher
auch einen Beitrag zum Verständnis der allgemeinen Problematik des Zünd-Lösch-Verhaltens
chemischer Reaktoren leisten.
1.1 Theoretischer Teil
- 10 -
1.1.3 Bestimmung kinetischer Daten aus dem Zündverhalten
Unter der Annahme der nachfolgend genannten Vereinfachungen lässt sich bis zur Zündung
eines Einzelpartikels (bzw. für ein Partikel eines Festbetts) folgende Wärmebilanz - hier
verdeutlicht am Beispiel der Koksverbrennung - aufstellen:
(1-18).
Analoge Gleichungen gelten für heterogen katalysierte Gasphasenreaktionen. Auf der rechten
Seite von Gl. (1-18) steht die Wärmeerzeugung durch die chemische Reaktion (in W/kg) und
auf der linken Seite stehen die Terme, die die Wärmeabfuhr durch die Aufheizung des
Partikels und die Wärmeübertragung durch Konvektion beschreiben. Dabei sind zwei Fälle zu
unterscheiden:
Bei tiefen Temperaturen spielt die Wärmeerzeugung durch die chemische Reaktion
noch keine Rolle. Die Temperatur des Gases ist höher als die des Partikels, und die
Aufheizung erfolgt durch den konvektiven Wärmestrom vom Gas an den Feststoff.
Mit zunehmender Temperatur steigt die Wärmeerzeugung durch die chemische
Reaktion an, bis schließlich die Partikeltemperatur größer als die Gastemperatur wird.
Die Richtung des konvektiven Wärmestroms kehrt sich nun um (TF > TG). Die durch
die Reaktion freigesetzte Wärme entspricht dann der Summe aus dem Wärmever-
brauch durch die Aufheizung des Partikels und der an die Gasphase konvektiv über-
tragenen Wärme.
Die Zündung erfolgt bei der Gastemperatur (TG,Z in Abbildung 1-3), bei der die Wärmeerzeu-
gung durch die chemische Reaktion der Wärmeabfuhr entspricht und außerdem die Steigung
der Wärmeerzeugungskurve gleich der der Wärmeabfuhrgeraden ist. Folgende Vereinfachun-
gen - wiederum verdeutlicht am Beispiel der Koksverbrennung - wurden bei der Aufstellung
von Gl. (1-18) gemacht:
Die Verbrennung von Koks ist eine Reaktion 1. Ordnung bezüglich Sauerstoff. Dies
ist eine gute Näherung, da die meisten in der Literatur angegebenen experimentell be-
stimmten Werte zwischen 0,5 und 1 liegen. Auch bei den katalytischen Reaktionen
wird häufig eine Ordnung von n = 1 angenommen.
Die Reaktionsgeschwindigkeit wird bis zum Zeitpunkt der Zündung nur durch die
chemische Reaktion bestimmt, d. h. Einflüsse der Poren- und der Grenzschichtdiffusi-
on spielen keine Rolle.
Bei Erreichen der Zündtemperatur ist der Reaktivgasumsatz maximal 5 % und daher
kann in guter Näherung in Gl. (1-18) für die Reaktivgaskonzentration der Eingangs-
wert angesetzt werden.
Wird die Zündung im Festbett untersucht, ist die einfache Wärmebilanz nach Gl. (1-18) nur
geeignet, das Verhalten des Festbettes bzw. eines Einzelpartikels innerhalb des Bettes bis zur
Zündung in guter Näherung zu beschreiben. Nach der Zündung mit den damit verbundenen
HckHrTTAdt
dTc R2OmRmGFm
Fm
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 11 -
starken axialen Temperatur- und Konzentrationsgradienten im Festbett ist eine solche
„Einzelpartikelbetrachtung“ nicht mehr zulässig.
Vernachlässigt man in Gl. (1-18) den Aufheizterm cm · dT/dt (quasistationär), so gilt am
Zündpunkt:
(1-19),
(1-20).
Bei Einführung der Konstante k1 und einer Beziehung (ideales Gasgesetz) für die Konzentra-
tion ca ergibt sich:
(1-21),
(1-22),
mit und .
Aus Gl. (1-21) und (1-22) folgt für die hier vorliegenden Reaktionen (bei denen gilt: R · TZ,F
<< EA) für den Zündpunkt:
(1-23).
Mit Gl. (1-23) kann die exakte Temperatur des Partikels aus der gemessenen Gastemperatur
bestimmt werden. Die Gleichung zur Auswertung kinetischer Daten aus dem Zündverhalten
lautet also mit Gl. (1-21) und (1-23):
(1-24).
Der Wert für den Wärmeübergangskoeffizienten α (= Nu · /dp) wird mit Hilfe von
Korrelationen für die Nu-Zahl (= f(Re, Pr)) bestimmt. Für kleine Reynoldszahlen, wie sie für
die Festbettzündversuche typisch sind (0,8 < Re < 40; Re = uL · dp/ ), werden von
verschiedenen Autoren jedoch unterschiedliche Korrelationen gefunden, so dass eine einfache
Berechnung nicht möglich ist. Für das Praktikum soll folgende Gleichung für durchströmte
Kugelschüttungen eingesetzt werden,
α = 0,015 · ( G / dp) · Re1,8
(1-25),
0qq chemab
F,ZFF,ZF TTF
chem
TTF
ab
dT
qd
dT
qd
0eT
1TTk F
A
TR
E
FGF1
1
TR
E
F,Z2
F,Z
A
F,Z
keT
1
TR
E
T
1 F,Z
A
Faa
TR
pyc
0,maR
m1
kpyH
RAk
A
2Z,F
Z,FZ,GE
TRTT
F,Z
A
0,mAaR
3
F,Z
2
m
TR
E
kEpyH
TRAln
1.1 Theoretischer Teil
- 12 -
die im Mittel die Literaturangaben am besten wiedergibt. Neben den kinetischen Größen
hängt die Zündtemperatur demnach noch (durch und Am) vom Partikeldurchmesser dp, vom
Reaktivgasgehalt ya und (durch ) von der Leerrohrgeschwindigkeit uL bzw. vom Gesamtvo-
lumenstrom ab.
Zur Bestimmung von EA und km,0 mit Hilfe von Gl. (1-24) kann grundsätzlich die Abhängig-
keit der Zündtemperatur von einer dieser Größen (dp, ya, ) herangezogen werden; für die
Genauigkeit der Methode ist allerdings entscheidend, dass sich die Zündtemperatur möglichst
deutlich ändert. Variiert man nun z. B. bei der Koksverbrennung den O2-Gehalt von 5 bis
100 %, so kann man nach Gl. (1-24) aus der Auftragung von ln(TZ,F3 / yO2) über 1/TZ,F die
Aktivierungsenergie und den Häufigkeitsfaktor bestimmen. Die wahre Feststoffzündtempera-
tur wird mit den Gl. (1-23) und (1-24) iterativ bestimmt. Im Rahmen des Praktikums wird
allerdings aus Zeitgründen der Zündpunkt nur bei einer konstanten Gaskonzentration
bestimmt. Gl. (1-23) und (1-24) werden allerdings benötigt, um den Zündpunkt auf der Basis
kinetischer Daten zu berechnen (und mit dem gemessenen Wert zu vergleichen).
1.1.4 Bestimmung der Reaktionskinetik heterogener Reaktionen unter
isothermen Bedingungen ("klassische Methode")
Die isotherme Methode zur Bestimmung der chemischen Kinetik ist das Standardverfahren in
der chemischen Reaktionstechnik. Als Versuchsapparatur dient meist ein durchströmter
Rohrreaktor, in dessen Achse ein Thermoelementführungsrohr angebracht ist, um die
Isothermie innerhalb der Schüttung in axiale Richtung durch mehrere Thermoelemente bzw.
ein verschiebbares Thermoelement zu überwachen. Ein isothermes Festbett kann bei
Reaktionen mit einer starken Wärmetönung allerdings nur bei kleinen Umsätzen erreicht
werden. Die Auswertung der Versuche basiert auf einem Ansatz für die Reaktionsgeschwin-
digkeit rm der chemischen Reaktion, wie er in Gl. (1-4) für eine Reaktion 1. Ordnung zum
Ausdruck kommt.
Die differentielle Stoffbilanz für den Molenstrom lautet beispielsweise bei der
Koksoxidation in einem Rohrreaktor, wenn die Stofftransportvorgänge vernachlässigt werden
können:
(1-26)
mit und .
Die Lösung der Differentialgleichung lautet für den Fall, dass die Koksmasse mKoks und der
Gasvolumenstrom annähernd konstant sind und eine Reaktion erster Ordnung bezüglich
Sauerstoff vorliegt (n = 1):
(1-27).
V
V
2On
2OmKoks
2O cTkdm
nd
d
cd
md
cdV
md
nd 2O
Koks
2O
Koks
2O
)T,p(V
mKoks
V
m
aus,2O
ein,2O
k2Om
c
c 2O
2O e1Ukc
cd
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 13 -
Aus Gl. (1-27) kann die Geschwindigkeitskonstante km aus dem Umsatz UO2 unmittelbar unter
Kenntnis der modifizierten Verweilzeit ′ errechnet werden.
Im Praktikumsversuch soll für vier gegebene Temperaturen der Umsatz bestimmt werden, um
anschließend auf Basis dieser Daten die kinetischen Parameter der Reaktion zu bestimmen.
1.2 Versuchsdurchführung
1.2.1 Zündpunktsmessung
1.2.1.1 Aufbau der Apparatur
Die Zündpunktsapparatur (Abbildung 1-5) besteht aus:
1. Reaktor und Ofen,
2. Temperaturregler (TIC),
3. Gasmengenregulierung und -messung (FIC, FI),
4. Temperaturmessung und -registrierung (TIR).
Als Einsatzgas wird ein Stickstoff/Sauerstoff-Gemisch verwendet, die exakte Zusammenset-
zung wird vom Praktikumsassistenten vorgegeben. Der Volumenstrom wird mit Hilfe eines
Seifenblasenströmungsmessers (FI) gemessen. Ein Manometer (PI) vor dem Reaktor dient zur
Überprüfung des Überdrucks, um eine Zerstörung des Quarzreaktors (Abbildung 1-5) durch
Verstopfungen zu verhindern.
Der verwendete Quarzreaktor besteht aus zwei konzentrischen Rohren, die unten mittels einer
Verschraubung zentriert sind. Durch den Gaseinlass strömt das Gas zunächst durch den
Ringspalt zwischen den beiden Rohren, wird erwärmt und gelangt im oberen Teil des
Reaktors in das innere Rohr, in dem sich die Feststoffschüttung befindet. Die Schüttung ruht
auf einer Glasfritte und wird von dem im Ringspalt vorgeheizten Einsatzgas von oben nach
unten durchströmt. Der Reaktor befindet sich in einem elektrisch beheizten Ofen, der durch
einen Temperaturregler (TIC) nach einem vorgewählten Temperaturprogramm mit einer
konstanten Heizrate aufgeheizt wird.
Eine Besonderheit der Anordnung Ofen/Reaktor ist, dass die Feststoffschüttung sich im
gekrümmten, abfallenden Bereich des Temperaturprofils befindet, d.h., dass die Ofenwand-
temperatur längs der Feststoffschüttung in Strömungsrichtung abnimmt. Dadurch erfolgt die
Zündung in der stets heißeren ersten Schicht des Feststoffes und ist unabhängig von der Höhe
der Schüttung. Sonst würde die Zündung innerhalb der Schüttung erfolgen und als
„wandernde Zündfront” zum Schüttungsanfang wandern; der Zündpunkt wäre in diesem Fall
nur ungenau zu bestimmen. Bei der Messung des Zündpunkts wird die Feststoffprobe durch
den Ofen mit einer konstanten Aufheizrate aufgeheizt, bis sie zündet. Durch zwei Thermoe-
lemente (TIR) wird die Temperatur des Gases unmittelbar vor dem Eintritt in die Schüttung
und zusätzlich im ersten Segment des Feststoffes gemessen und aufgezeichnet.
Zu Beginn des Versuchs liegt die Gastemperatur über der Feststofftemperatur, da der Feststoff
noch vom Gasstrom aufgeheizt wird und die freigesetzte Wärme am Feststoff noch zu gering
ist. Streng genommen müsste in diesem Fall daher in Abbildung 1-3 die S-Kurve (Wärmeer-
zeugung) nach unten verschoben werden, d. h. in der Wärmebilanz müsste die Wärmekapazi-
1.2 Versuchsdurchführung
- 14 -
tät der Schüttung berücksichtigt werden (Wärmeerzeugung minus durch die Wärmekapazität
der Schüttung verbrauchte Wärme). Erst etwa 100 K unterhalb der eigentlichen Zündtempera-
tur übersteigt die Feststofftemperatur die Gastemperatur und der Feststoff wird vom Gasstrom
gekühlt. Abbildung 1-6 zeigt schematisch ein typisches Schreiberprotokoll.
Als Zündtemperatur wird die „Gaszündtemperatur” gewählt, da der Verlauf der Gastempera-
tur einen scharfen Knick aufweist; die „Feststoffzündtemperatur” kann häufig nur relativ
ungenau durch eine Tangentenkonstruktion bestimmt werden.
Abbildung 1-5: Messanordnung zur Zündpunktsbestimmung
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 15 -
Abbildung 1-6: Der Zündvorgang im Praktikumsreaktor (schematisches Schreiberprotokoll)
1.2.1.2 Durchführung der Zündpunktsmessungen
Zunächst wird der Reaktor mit der Schüttung von etwa 10 mm eingebaut. In den Dewar wird
Eis und Wasser gefüllt. Es wird überprüft, ob die Flaschen im Flaschenschrank geöffnet sind
(O2 und N2). An der Anlage werden die benötigten Ventile geöffnet. Nach der Einstellung der
jeweiligen Massendurchflussregler (Werte der Einstellungen werden vom Assistenten
vorgegeben) im Reaktorbypass wird der Volumenstrom im Seifenblasenströmungsmesser
gemessen und berechnet (aus dem Volumen, das eine einzelne Blase in einer bestimmten
Messzeit verdrängt). Mit Hilfe der Gasanalyse wird ferner die Eduktgaszusammensetzung
ermittelt bzw. überprüft.
Nun wird der Hahn hinter dem Reaktor geöffnet und der Dreiwegehahn vor dem Reaktor von
Bypass auf Reaktor umgestellt. Jetzt wird der Reaktor mit Reaktionsgas durchströmt. Der
Zündpunktsversuch wird gestartet, indem der Temperaturregler eingeschaltet wird, und so
eine Temperaturrampe mit einer Rate von 10 K/min gestartet wird. Ist der Zündpunkt erreicht,
steigt erst die Schüttungstemperatur und danach die Gastemperatur stark an. Schon vorher ist
eine leichte Abweichung vom linearen Temperaturanstieg zu erkennen und die Ausgangsgas-
zusammensetzung verändert sich (Anstieg des CO2-Wertes).
Bei starkem Temperaturanstieg sofort O2 abdrehen!
Der Sauerstoffstrom wird kurz nach der Zündung abgedreht, da erheblich höhere Temperatu-
ren den Reaktor schädigen. Danach wird der Ofen ausgeschaltet. Der Reaktor und der Ofen
werden abgekühltund alte Feststoffreste werden entfernt.
1.3 Versuchsauswertung und Diskussion
- 16 -
1.2.2 Isotherme Methode
Für die isotherme Methode wird ein kontinuierlich durchströmter, von außen elektrisch
beheizter Festbettreaktor aus Quarzglas eingesetzt (Abbildung 1-7). Die Reaktionsbedingun-
gen für die jeweiligen Versuche werden vom Assistenten ausgegeben. Die Gase (Stickstoff
und Sauerstoff) werden als Reinstgase handelsüblichen Gasflaschen entnommen. Die
Gasdosierung erfolgt über elektronische Massendurchflussregler, der Druck wird am Ausgang
des Reaktors über ein mechanisches Druckminderventil eingestellt. Eine Kontrolle der
Volumenströme erfolgt wiederum mit einem in die Abgasleitung eingebauten Seifenblasen-
strömungsmesser. In den Reaktor wird eine Aktivkoksschüttung von etwa 10 mm Höhe
eingefüllt (vorher wiegen) und in einem Stickstoffstrom auf die gewünschte Reaktionstempe-
ratur aufgeheizt. Die Zusammensetzung und der Volumenstrom des Einsatzgemisches wird
zunächst im Reaktorbypass eingestellt und erst nach der Aufheizphase über die Probe geleitet.
Die Reaktionstemperatur und die Einstellungen der Massendurchflussregler sind dem
Merkblatt am Abzug der Versuchsanlage zu entnehmen. Das Produktgas wird durch eine
Gasanalyse geleitet, in der der Sauerstoff-, Kohlenmonoxid- und der Kohlendioxidgehalt
gemessen werden. Daraus kann der Umsatz aus einer einfachen Stoffbilanz ermittelt werden.
Abbildung 1-7: Isotherme Versuchsapparatur
1.3 Versuchsauswertung und Diskussion
1.3.1 Zündpunktsmessung
Gemäß der in Abbildung 1-6 dargestellten Tangentenmethode wird der Zündpunkt der
Aktivkohle bei einer vom Assistenten vorgegebenen Sauerstoffkonzentration be-
stimmt. Anschließend wird mit Gleichung (1-24) der theoretische Wert für den Zünd-
punkt berechnet, und mit dem gemessenen Wert verglichen. (Achten Sie darauf, kor-
1. Kinetik exothermer Reaktionen / Zünd-Lösch-Verhalten
- 17 -
rekte Einheiten einzusetzen!) Wie erklären Sie die eventuellen Abweichungen? (Hin-
weis: Gehen Sie für die Berechnung von einer Aktivierungsenergie von EA=170
kJ/mol sowie einem Häufigkeitsfaktor von km,0 = 7*109 m³/(kg*s) aus.)
Für das Verhältnis gilt in guter Näherung: = D. Begründen Sie, warum dies
so ist. Berechnen Sie mit dieser Näherung die max. Temperaturdifferenz, die theore-
tisch nach der Zündung eintritt (obere stationäre Punkte in Abbildung 1-3).
Mit den im Theoriekapitel angegebenen Gleichungen wird ferner berechnet, wie groß
bei der Zündung die Temperaturdifferenz „Aktivkoks-Umgebung“ ist. (Vernachlässi-
gen sie hierbei die Aufheizung des Partikels in Gleichung (1-18)). Dieser Wert wird
mit der maximalen Temperaturdifferenz (oberer stationärer Punkt nach der Zündung,
vgl. Abbildung 1-3) verglichen. Welchen Schluss können Sie aus dem Vergleich
ziehen (bezüglich des geschwindigkeitsbestimmenden Schrittes bei der Zündung)?
1.3.2 Isothermer Versuch
Eingesetzt wird hier nur die Aktivkohle. Bei der Auswertung sollen 5 der 7 Aufgaben
bearbeitet werden, die erst während des Versuches vom Betreuer bekannt gegeben werden:
1. Aus dem ermittelten Umsatz und den Reaktionsbedingungen wird die Reaktionsge-
schwindigkeitskonstante bei der Versuchstemperatur bestimmt. Unter der Annahme einer
Aktivierungsenergie von 170 kJ/mol wird das Arrheniusdiagramm gezeichnet.
2. In wie weit ist die Annahme einer Reaktion 1. Ordnung bezüglich Sauerstoff gerechtfer-
tigt? Handelt es sich hierbei um eine Reaktion pseudo-erster Ordnung? Stellen sie als
Dikussionsgrundlage hierzu die nötigen Differentialgleichungen auf.
3. Stellen Sie mit den von der Gasanalyse aufgezeichneten CO und CO2-Konzentrationen
eine Massenbilanz auf.
4. Mit den im Theoriekapitel angegebenen Gleichungen wird der Zündpunkt berechnet und
mit dem gemessen Wert verglichen.
5. Für das Verhältnis gilt in guter Näherung: = /D. Begründen Sie, warum dies so
ist, welche Überlegung dahinter steckt und welche Annahmen sie hierfür treffen (Tip:
Dimensionslose Kennzahlen). Berechnen Sie mit dieser Näherung die max. Temperatur-
differenz, die theoretisch nach der Zündung eintritt (obere stationäre Punkte in Abbildung
1-3).
6. Mit den im Theoriekapitel angegebenen Gleichungen wird ferner berechnet, wie groß bei
der Zündung die Temperaturdifferenz „Aktivkoks-Umgebung“ ist. Dieser Wert wird mit
der maximalen Temperaturdifferenz (oberer stationärer Punkt nach der Zündung, vgl.
Abbildung 1-3) verglichen. Welchen Schluss können Sie aus dem Vergleich ziehen
(bezüglich des geschwindigkeitsbestimmenden Schrittes bei der Zündung)?
7. Nennen sie mindestens 4 Prozess-Maßnahmen die Stofftransportlimitierung bei der
Kohleverbrennung zu verringern. Erläutern sie ob und warum diese Maßnahmen Potenzi-
al im industriellen Maßstab besitzen oder nicht besitzen.
*
*
1.3 Versuchsauswertung und Diskussion
- 18 -
1.3.3 Zusatzinformationen zur Auswertung
Luft : kinematische Viskosität von Luft (273 K, 1 bar): 0,13 · 10
-5 m
2 ·
s
–1
DGas : Diffusionskoeffizient von Sauerstoff (273 K, 1 bar): 0,17 · 10
-5 m
2 ·
s
–1
Luft : Wärmeleitfähigkeit von Luft (1 bar, 273 K): 0,024 W/(m · K)
Für λ und sind bei den Berechnungen ggf. die temperaturkorrigierten Werte gemäß
in die Rechnung einzusetzen. Hierbei gilt λ ~ T 0,75
, sowie ~ T 1,75
.
Für die massebezogene äußere Oberfläche Am gilt:
Der Reaktordurchmesser beträgt beim isothermen Versuchsteil dReaktor = 2 cm. Für den
Hohlraumanteil in der Schüttung wird ein Wert von 40 % angesetzt.
Der Partikeldurchmesser der eingesetzten Aktivkohle beträgt dp = 1,5 mm.
dR : Durchmesser des Zündpunktsreaktors (zur Berechnung von ul):
n
0
1TT
T
Txx
01
Partikelpm
1
d
6A
- 19 -
2 Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
2.1 Die technische Ammoniaksynthese
2.1.1 Grundlagen
2.1.1.1 Bedeutung
Ammoniak (ammonia) ist die technisch bedeutendste Stickstoffverbindung. Nur der Weg über
Ammoniak ermöglicht eine Nutzung des Luftstickstoffs zur Herstellung von Stickstoffverbin-
dungen. In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1993 2,1 Mio. t Ammoniak produziert,
die Weltjahresproduktion lag im gleichen Jahr bei 118 Mio. t. Rund 75 % des produzierten
Ammoniaks gehen in den Düngemittelsektor. Weitere Anwendungen werden in Abbildung
2-1 vorgestellt.
Abbildung 2-1: Verwendung des Ammoniaks
2.1.1.2 Entwicklung der Ammoniaksynthese
Der Weg zur Fixierung des Luftstickstoffs in Form von Ammoniak wurde von Fritz Haber
aufgezeigt. Er übertrug bereits bekanntes Wissen über Gleichgewichtsreaktionen auf die
Ammoniaksynthese aus Wasserstoff und Stickstoff.
2.1 Die technische Ammoniaksynthese
- 20 -
N2 + 3 H2 2 NH3
Durch die Wahl der Reaktionsbedingungen lässt sich die Lage des Gleichgewichts so
verschieben, dass der Produktanteil im Reaktionsgemisch möglichst groß wird. Gleichzeitig
ist meist die Anwesenheit eines Katalysators notwendig, um eine möglichst hohe Reaktions-
geschwindigkeit zu erzielen, d.h. eine weitgehende Annäherung an das thermodynamische
Gleichgewicht. Mit beiden Aspekten hat sich Haber beschäftigt. Darüber hinaus konzipierte er
die Synthese als Kreislaufverfahren, bei dem die nicht umgesetzten Edukte nach der
Produktabtrennung in den Reaktor zurückgeführt wurden. Dieses Konzept trug wesentlich zur
wirtschaftlich akzeptablen Durchführung der industriellen Synthese bei. Welche Bedeutung
Habers Erkenntnisse zu ihrer Zeit hatten, ersieht man aus der Tatsache, dass die schwedische
Akademie der Wissenschaften den Chemienobelpreis 1918 an Haber verlieh, obwohl er zur
gleichen Zeit von den alliierten Gegnern des Deutschen Reiches wegen seiner Förderung des
Giftgaseinsatzes im 1. Weltkrieg als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden
sollte. Bereits 1908 hatte die BASF Haber verpflichtet. 1909 gelang es ihm in Karlsruhe
erstmalig, in einer Kreislaufapparatur kontinuierlich 80 g Ammoniak/h bei 200 bar und 550°C
zu produzieren.
Alwin Mittasch, der schon in Karlsruhe der entscheidenden ersten Vorführung beigewohnt
hatte, wurde mit der Entwicklung eines auch unter Produktionsbedingungen einsetzbaren
Katalysators beauftragt. Dazu entwickelte er kleine Testreaktoren, deren Inhalt rasch zu
wechseln war. Letztendlich wurden bis zu 30 Apparaturen parallel betrieben. Schon 1911
fand Mittasch die Katalysatorrezeptur auf Basis von kaliumdotiertem Eisen mit Tonerde, der
auch in technischen Reaktoren einsetzbar war. In weiteren 20.000 Untersuchungen, die sich
über viele Jahre hinzogen, wurde nur noch eine geringe Verbesserung durch Zusatz von
Kalzium beobachtet.
Mitverantwortlich für die erfolgreiche Realisierung der Ammoniaksynthese war Carl Bosch,
der die Generalvollmacht für den Aufbau des ersten Werkes zur Ammoniaksynthese nach
dem Haberschen Verfahren erhielt. Zusammen mit Krupp gelang es ihm, neue Stahlsorten zu
entwickeln, die eine für den Einsatz in Hochdruckprozessen hinreichende Stabilität besitzen.
Dazu gründete er eine Abteilung zur Untersuchung der Korrosionsprobleme und Materialprü-
fung. Seinem Bestreben, mehr über die aktuellen Betriebszustände in Versuchs- und
Produktionsanlagen zu erfahren, ist der intensive Ausbau der Mess- und Regeltechnik zu
verdanken.
2.1.1.3 Chemie der Ammoniaksynthese
In einer modernen Ammoniakanlage wird aus Erdgas, Wasserdampf und Luft unter
Freisetzung von Energie Ammoniak produziert. Dazu müssen aus den Rohstoffen zuerst die
für die Synthese erforderlichen Komponenten H2 und N2 erzeugt werden. Diese sind soweit
zu reinigen, dass der Ammoniaksynthesekatalysator über eine lange Zeit ohne Aktivitätsver-
lust betrieben werden kann. Damit muss anstelle der eigentlichen Reaktionsgleichung
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 21 -
N2 + 3 H2 2 NH3 RH - 91 kJ/mol (2-1)
für das Gesamtverfahren eine Bruttogleichung angesetzt werden, die wie folgt lautet:
CH4 + 0,3035 O2 + 1,131 N2 + 1,393 H2O CO2 + 2,262 NH3 (2-2)
RH - 86KJ/mol
Im Primärreformer wird zunächst Wasserstoff aus Erdgas erzeugt. Dazu wird Erdgas, das
zum Großteil aus Methan besteht, zusammen mit Wasserdampf bei hohen Temperaturen über
einen Ni-Katalysator geleitet. Dabei bildet sich annähernd das Gleichgewicht der folgenden
Reaktionen aus:
CH4 + H2O CO + 3 H2 RH 206 kJ/mol (2-3)
CO + H2O CO2 + H2 RH - 41 kJ/mol (2-4)
Im Sekundärreformer wird die eingebrachte Luft mit dem wasserstoffreichen Gas des
Primärreformers zur Reaktion gebracht und das restliche Methan umgesetzt:
CH4 + ½ O2 + 2 N2 CO + 2 H2 + 2 N2 (2-5)
Real erhöht sich dabei zunächst durch die Totaloxidation von H2 (und CH4) die Temperatur,
bevor das restliche Methan mit Wasserdampf gemäß Gl. (2-3) umgesetzt wird. Gl. (2-5)
repräsentiert daher nur die Bruttogleichung der Vorgänge im Sekundärreformer. Im
Sekundärreformer wird über den Luftstrom außerdem der für die Ammoniaksynthese
erforderliche Stickstoffanteil im Rohgas eingestellt.
In der Konvertierung wird ausschließlich CO aus dem Rohgas mit Wasser zu CO2 und H2
umgesetzt:
CO + H2O CO2 + H2 RH - 41 kJ/mol (2-6)
Die Konvertierung erfolgt zweistufig in einem Hoch- und einem Tieftemperatur-Konverter,
die sich durch die eingesetzten Katalysatorsysteme unterscheiden. Nach der Konvertierung
beträgt der CO-Gehalt im Rohgas rund 0,3 %.
Es folgt eine Gaswäsche, bei der der CO2-Anteil im Rohgas weitgehend entfernt wird. In
einem geeigneten Lösungsmittel wie z. B. einer Methyldiethanolamin-Lösung wird der CO2-
Gehalt im Rohgas dadurch auf weniger als 0,1 Vol.-% reduziert. Das gelöste CO2 wird durch
Entspannen und Erwärmen aus dem Lösungsmittel ausgetrieben und kann z. B. zur Synthese
von Harnstoff verwendet werden.
2.1 Die technische Ammoniaksynthese
- 22 -
Im anschließenden Schritt der Methanisierung werden die verbliebenen Spuren von CO mit
H2 zu Methan umgewandelt, da CO den Ammoniak-Synthesekatalysator schädigt. Bei der
Umsetzung handelt es sich um die umgekehrte Reaktion, nach der bei hohen Temperaturen im
Primärreformer das Synthesegas gebildet wurde (Gl. (2-3)). Bei niedrigen Temperaturen von
etwa 250 °C wird Methan gebildet, der Gehalt an CO im NH3-Synthesegas lässt sich so auf
weniger als 1 ppm reduzieren.
CO + 3 H2 CH4 + H2O RH -206 kJ/mol (2-7)
CO2 + 4 H2 CH4 + 2 H2O RH -165 kJ/mol (2-8)
Im Synthesekreis findet die eigentliche Ammoniaksynthese statt. Aus der Synthesegleichung
(siehe Gl. (2-1)) geht hervor, dass gute Ammoniakausbeuten nur bei hohem Druck und
niedrigen Temperaturen zu erwarten sind (Molzahlverminderung und exotherme Reaktion).
Allerdings ist die Reaktionsgeschwindigkeit bei tiefer Temperatur sehr niedrig, so dass durch
den Einsatz eines möglichst effizienten Katalysators versucht werden muss, die notwendige
Reaktionsgeschwindigkeit bereits bei möglichst niedrigen Temperaturen zu erreichen. Der
unvollständige Synthesegasumsatz wird durch Rückführung der nicht umgesetzten Anteile an
Stickstoff und Wasserstoff ausgeglichen. Da sich mit der Zeit im Kreisgas Edelgase (aus der
Luft) und Methan (aus der Methanisierung zur Feinreinigung des Synthesegases) anreichern,
muss ein Teil des Kreisgases als Purgegas ausgeschleust werden, um eine Anreicherung
dieser inerten Komponenten im Kreisgas zu verhindern. Das erzeugte Ammoniak wird aus
dem Kreislauf entfernt.
Das Verfahren zur großtechnischen Ammoniaksynthese lässt sich demnach durch sechs große
Funktionsblöcke beschreiben (Abbildung 2-2).
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 23 -
Abbildung 2-2: Blockschaltbild der großtechnischen Ammoniaksynthese
2.1.1.4 Dimensionen einer großtechnischen Anlage
Die meisten modernen Ammoniakanlagen sind Einstranganlagen, bei denen die hintereinan-
der geschalteten Apparate jeweils nur einmal, ohne Reserve, vorhanden sind. Trotzdem
rechnet man mit einer Verfügbarkeit von mehr als 330 Tagen pro Jahr. Der Vorteil der
Einstranganlage besteht in der Einsparung von Investitionskosten: Zum Beispiel liegen die
Investitionskosten für 3 Anlagen zur Produktion von je 600 Tagestonnen (tato) Ammoniak bei
rund 210 Millionen €, für 2 Anlagen zu je 900 tato Ammoniak bei rund 185 Millionen €. Für
eine Anlage mit Tagesproduktion von 1.800 t Ammoniak betragen sie dagegen nur rund 150
Millionen €.
Einige Zahlenangaben zu Anlagenkomponenten:
Im Primärreformer erfolgt die Methanspaltung in mehr als 300 parallelen, über 10
Meter langen und 10 cm dicken Rohren aus hoch legiertem Stahl, die 40 bar Innen-
druck bei Wandtemperaturen von über 930°C im Feuerraum des Primärreformers aus-
2.1 Die technische Ammoniaksynthese
- 24 -
halten. Da ein Austausch dieser Rohre die Anlage bis zu 2 Monate „lahm legen“ kann,
werden trotz der extremen Bedingungen Laufzeiten von 10 Jahren erwartet.
Besondere Anforderungen an den Ingenieur stellt der Bau zuverlässiger Abhitzekessel;
Heizflächenbelastungen von 0,4 GJ/(m2
h) sind üblich.
Der Waschturm einer CO2-Wäsche in einer Anlage mit einer Tagesproduktion von
1.200 Tonnen Ammoniak kann über 70 Meter hoch sein.
Im Turboverdichter wird das Synthesegas durch eine Reihe von auf einer Welle
hintereinander angeordneten Laufrädern auf den gewünschten Enddruck verdichtet.
Dabei werden Drehzahlen von 11000 U/min und Umfangsgeschwindigkeiten von bis
zu 1100 km/h erreicht. Die Laufradbreite der letzten Verdichtungsstufe bewegt sich im
Millimeterbereich.
Auch die Abmessungen der Synthesereaktoren haben sich im Laufe der Zeit gewaltig
verändert. In der oben genannten Beispielanlage haben diese etwa einen Innendurch-
messer von 2 Meter, eine Länge von 22 Meter und ein Stahlgewicht von rund 400
Tonnen. Dazu kommen rund 100 Tonnen Katalysator.
Wesentlich für die Wirtschaftlichkeit einer Ammoniakanlage ist die Integration aller
Verfahrensschritte mit intensivem Wärmeaustausch zwischen den Prozesseinheiten. Während
im klassischen Haber-Bosch-Verfahren auf Koks-Basis noch etwa 90 GJ für 1 t Ammoniak
benötigt wurden, liegt der Energiebedarf moderner Anlagen auf Erdgasbasis nur noch bei
rund 30 GJ pro Tonne Ammoniak. Das entspricht einem Wirkungsgrad von rund 70%.
Dennoch werden heute ungefähr 1,5% der Weltenergie-Erzeugung zur industriellen
Produktion von Ammoniak verwendet.
Für Bedienung und Überwachung der weitgehend automatisierten Anlagen sind bei einer
Tagesproduktion von 1000 bis 1500 Tonnen Ammoniak etwa 8 Arbeitsplätze rund um die
Uhr zu besetzen. Im Kontrollraum laufen mehr als 1.000 Prozessdaten und über 250
pneumatische und elektrische Regelfunktionen zusammen. Für Reparaturen und Änderungs-
arbeiten werden während der Tagesschicht circa 9 Schlosser, 3 Mess- und Regeltechniker
sowie 1 Elektriker eingesetzt. Für die gleiche Produktion waren 1940 noch 1.600 Mitarbeiter
erforderlich. Nach 2 bis 3 Jahren möglichst ununterbrochenen Betriebs wird eine Ammoniak-
anlage planmäßig etwa 4 Wochen abgestellt. In dieser Zeit werden Reparaturarbeiten,
Revisionen und Katalysatorwechsel durchgeführt. Die Lebensdauer der Katalysatoren beträgt
bis zu 10 Jahren. Während eines großen Stillstandes sind bis zu 300 Handwerker in der
Anlage tätig.
2.1.2 Simulation als Forschungs- und Planungsinstrument
Unter Simulation versteht man allgemein die Nachbildung realer oder denkbarer Vorgänge
am Modell. In der Verfahrensentwicklung beginnt der Einsatz von Simulationen mit der
Ermittlung von Stoffeigenschaften und Reaktionsmechanismen und führt bis zur Prozesskon-
figuration. Die Simulation ergänzt Versuche zur Bewertung unterschiedlicher Konzepte mit
dem Ziel, wirkungsvolle, kostengünstige, schadstoffarme und sichere Prozesse zu gestalten.
Unterschiedliche Prozesskonfigurationen können am Modell vergleichend beurteilt werden.
Die dynamische Wechselwirkung zwischen den Prozessstufen kann untersucht, Empfindlich-
keitsuntersuchungen hinsichtlich Parameteränderungen und Störeinflüssen können
durchgeführt und Sicherheitsanalysen können erstellt werden, um kritische Betriebszustände
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 25 -
frühzeitig zu erkennen und geeignet zu reagieren. Die Ergebnisse der Prozesssimulation
bilden die Grundlage für den Entwurf geeigneter Mess- und Regelkonzepte. Die Simulation
ermöglicht auch die Schulung von Operatoren bereits vor Inbetriebnahme einer Anlage.
2.1.3 Verfahrenstechnische Symbole
Zur Beschreibung und Abbildung von Prozessen bedient man sich unterschiedlich
detailreicher Darstellungsformen. Alle sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass eine Reihe
von Symbolen verwendet wird, die als Platzhalter für einen komplexeren Sachverhalt dienen
und somit eine Art Formelsprache darstellen. Eine kleine Menge dieser Symbole wird in der
Bildschirmdarstellung des Programmes „Ammoniaksynthese“ verwendet. Es handelt sich
dabei nur um Grundsymbole für wichtige Apparatetypen. Diese sind in Abbildung 2-3
zusammengestellt und erläutert.
Abbildung 2-3: Beispiele für verfahrenstechnische Symbole
Die verwendeten Symbole sind entweder in nationalen (DIN, ANSI, BSI) oder internationalen
(ISO) Normen festgelegt.
Die übersichtlichste Darstellung eines Verfahrens besteht aus einem Blockschaltbild, auch
Grundfließbild genannt, wie es bereits in Abbildung 2-2 für die Ammoniaksynthese
vorgestellt wurde. Dabei symbolisieren Rechtecke große Funktionsblöcke einer Anlage, die
Darstellung zeigt nur die wichtigsten Massenströme. Die nächste informationsreichere Stufe
stellen Verfahrensfließbilder dar, in denen die wichtigsten Apparate symbolisiert sind. Sie
geben Aufschluss über alle Massen- und einen Teil der Wärmeströme eines Verfahrens und
enthalten meist auch wichtige Kennwerte der Apparate. Damit können erfahrene Verfahrens-
techniker schon grob die Komplexität und die Kosten abschätzen. Die Bildschirmdarstellun-
gen des Programms „Ammoniaksynthese“, das im vorliegenden Versuch verwendet wird,
2.1 Die technische Ammoniaksynthese
- 26 -
entsprechen dieser Stufe. In einem detaillierten Fließbild eines Verfahrens finden dann auch
Mess- und Regeltechniksymbole Eingang. Sie erlauben eine Beschreibung der technischen
Abläufe und Regelungskonzepte. Abbildung 2-4 zeigt einen Ausschnitt aus einem solchen
Fließbild, das im Allgemeinen auch eine Tabelle mit den Zusammensetzungen der
gekennzeichneten Ströme enthält.
Abbildung 2-4: Ausschnitt aus einem Verfahrensfließbild
2.1.4 Hilfsmittel zum Bedienen und Beobachten von Prozessen
Sowohl in der historischen Entwicklung der Methoden zur Prozesskontrolle als auch im mess-
und regelungstechnischen Aufwand lässt sich ein klarer Trend erkennen. Der Zwang zu einer
immer besseren Kontrolle der Prozessparameter in Verbindung mit einer Verringerung des
Personaleinsatzes vor Ort hatte beispielsweise im Falle der Ammoniaksynthese die
nachstehenden Entwicklungsstufen der Bedientechnik zur Folge.
In der Anfangsphase der Ammoniaksynthese wurden die Anlagen nahezu ausschließlich mit
direkter Bedienung der Armaturen durch das Bedienpersonal gefahren, das gleichzeitig auch
vor Ort die aktuellen Messwerte ablas.
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 27 -
Ein wichtiger Fortschritt konnte durch das Zusammenführen von Mess- und Steuergrößen in
Leitständen erzielt werden. Auf Messtafeln lassen sich logisch zueinander gehörende Größen
nebeneinander darstellen. Damit wird der Bedienungsaufwand verringert, die Betriebssicher-
heit erhöht und Optimierungspotential erschlossen.
Durch die Einführung leistungsfähiger elektronischer Baugruppen konnte die Prozesskontrol-
le auf mehrere Ebenen aufgeteilt werden, die vom eigentlichen Prozess über die prozessnahen
Komponenten bis zu den Anzeige- und Bedienkomponenten reichen. Dabei nimmt das
Abstraktionsniveau erheblich zu. Der Bediener sieht auf einem Bildschirm eine Vielzahl von
Werten, die so aufbereitet wurden, dass sie ihm einen möglichst raschen Überblick über den
aktuellen Zustand der Anlage oder eines Anlagenteils erlauben. Gleichzeitig erlauben
moderne Systeme die Anbindung von Prozessrechnern zur Optimierung des Betriebs oder zur
Diagnose.
Die Entwicklung geht heute in Richtung auf Systeme mit eingebauter Online-Unterstützung
der Bedienungsmannschaft zur Vermeidung von Störungen durch Präventivmaßnahmen. Ein
weiteres wichtiges Ziel ist der Einbau von Online-Simulationsprogrammen, die durch
Vorausberechnung auf Basis der momentan gültigen Parameter und Messwerte einen
optimalen Anlagenbetrieb gestatten.
2.2 Synthesegaserzeugung aus Erdgas
2.2.1 Theoretischer Teil
Ein wichtiger Verfahrensschritt der Ammoniak-Synthese ist die katalytische Herstellung von
Synthesegas bzw. Wasserstoff auf Erdgasbasis durch Reformierung von Erdgas (CH4) mit
Wasserdampf an Ni-Katalysatoren. Die Reformierreaktion läuft nach der Gleichung
ab. Das entstandene Spaltgas wird konvertiert und das entstehende CO2 entfernt:
Heute arbeitet man in der industriellen Praxis mit zwei Reaktoren. Im ersten wird das CH4 bei
700 bis 950°C und 30 bis 35 bar Druck durch außen beheizte Rohre geleitet, in denen der Ni-
Katalysator in einem Festbett angeordnet ist. Am Reaktorausgang liegt dann aus thermody-
namischen Gründen noch etwa 7 Vol.-% CH4 vor. Um diesen Anteil auf etwa 0,2 % zu
senken, wird in einem Sekundärreformer bei etwa 1000°C autotherm unter Zugabe von Luft /
O2 ein praktisch vollständiger Umsatz erreicht.
2.2.2 Chemisches Gleichgewicht
Für die Berechnung des Ablaufes chemischer Reaktionen sind die thermodynamischen
Gesetzmäßigkeiten von großer Bedeutung, denn alle stofflichen Umwandlungen sind durch
den thermodynamischen Gleichgewichtsumsatz begrenzt. Durch die Berechnung des
Minimums der freien Enthalpie kann auch die Zusammensetzung eines komplexen
Reaktionssystems mit vielen Komponenten und möglichen Reaktionswegen im thermodyna-
mischen Gleichgewicht ermittelt werden. Solche Systeme können mit Computerprogrammen
CH4 + H2O CO + 3 H2R + 205 kJ/mol
R -42 kJ/molCO2 + H2CO + H2O
2.2 Synthesegaserzeugung aus Erdgas
- 28 -
für einen vorgegebenen Druck und eine vorgegebene Einsatzgaszusammensetzung berechnet
werden.
Bei der Reformierung von Methan ist erst bei Temperaturen oberhalb von etwa 700°C im
thermodynamischen Gleichgewicht nur noch wenig Methan zu erwarten (Abbildung 2-5) Das
zuerst entstehende Kohlenmonoxid kann mit Wasserdampf zu H2 und CO2 weiterreagieren.
Diese Konvertierung ist eine exotherme Reaktion, d.h. das Gleichgewicht verschiebt sich mit
zunehmender Temperatur auf die Seite der Edukte (CO und Wasserdampf).
Abbildung 2-5: Gleichgewichtszusammensetzung bei der Methanreformierung (äquimolarer Einsatz
von Methan und Wasserdampf, Gesamtdruck 1 bar)
Ein reagierendes System ist dann im Gleichgewicht, wenn Hin- und Rückreaktion gleich
schnell sind und nach außen keine Veränderung mehr auftritt. Die Gibbssche freie Enthalpie
hat ihren Minimalwert erreicht. Die allgemeine Gleichgewichtsbeziehung G = 0 kann
präzisiert werden zu:
RG(T,p) = 0 = RH(T,p) – T RS(T,p) (2-9)
mit (für ideale Gase):
RH(T, p) = RH0(T,p0) (p0 = 1,013 bar),
RS(T,p) = i SProdukte(T,p) - i SEdukte(T,p)
Si(T,p) = Si0(T,p0) – R ln p/p0.
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 29 -
Daraus folgt:
(2-10)
( i ist der stöchiometrische Koeffizient (positiv für Produkte, negativ für Edukte). Der
Quotient der Partialdrücke wird als Gleichgewichtskonstante Kp bezeichnet:
RH0(T) – T RS
0(T) = - RT ln Kp (2-11)
Mit
RG0(T) = RH
0(T) - T RS
0(T) (2-12)
folgt schließlich die Grundgleichung
RG0 = - RT ln Kp (2-13).
Darin ist RG0 die (nur noch temperaturabhängige) freie Standardreaktionsenthalpie.
„Standard“ bedeutet dabei, dass die in RG0 eingehenden Größen RH
0 und S
0 für jede
Komponente auf einen Standarddruck bezogen sind, 1 atm = 1,013 bar.
Diese Beziehung ermöglicht es, die Gleichgewichtskonstante Kp und damit die Lage eines
chemischen Gleichgewichtes aus thermodynamischen Daten zu berechnen.
Der maximal erzielbare Gleichgewichtsumsatz U* einer Ausgangskomponente des
Reaktionsgemisches (hier z. B. Methan) kann bei gegebenem Druck und gegebener
Temperatur aus dem Kp-Wert und einer Stoffbilanz berechnet werden. Man drückt unter
Berücksichtigung des Gesamtdruckes die Partialdrücke der Reaktanden durch die Stoffmen-
genanteile Xi aus. Im Falle der Methanreformierung mit Wasserdampf gelangt man zu
folgenden Gleichungen:
keine Verdünnung mit Inertgas: XCH4 + XH2O + XH2 + XCO = 1 (2-14)
äquimolarer Einsatz der Edukte: XCH4 = XH2O bzw. XH2 = 3 XCO (2-15)
Gleichgewichtskonstante: 2
0OHCH
CO
3
H
Pppp
ppK
24
2 bzw.
Aus diesen Gleichungen folgt:
2
ges
0OHCH
CO
3
H
P
p
px
xxK
24
2
x
(2-16)
(2-17)
Eduktei
i
oduktePri
i0R
0R
p
plnRT)T(ST)T(H
4
4
4
CH
CHCH
X21
X21U
2.2 Synthesegaserzeugung aus Erdgas
- 30 -
4 ln (0,25 - 0,5 X*CH4 ) + 3 ln 3 - 2 ln X*CH4 = 2 ln (p0/pges) + ln Kp (2-18)
Mit diesen Gleichungen lässt sich der Gleichsgewichtsumsatz UCH4* bestimmen. Man
berechnet zunächst aus den thermodynamischen Daten Kp und dann mit Hilfe von Gl. (2-18)
iterativ den Gleichgewichtanteil von Methan X*CH4. (Hinweis: Man kann auch zunächst die
Funktion Kp = f(X*CH4) graphisch darstellen und den zu Kp gehörigen Wert von X*CH4
ablesen.)
2.2.3 Chemische Kinetik und Stofftransport: Effektive Reaktionsgeschwin-
digkeit
In guter Näherung ist der Logarithmus der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten eine lineare
Funktion der reziproken absoluten Temperatur. Diese Abhängigkeit wurde erstmals 1889
durch Arrhenius ausgedrückt:
(2-19)
In dieser Gleichung bedeutet EA die so genannte Aktivierungsenergie der Reaktion in J/mol,
die man graphisch oder numerisch bestimmen kann. Aus dem Arrhenius-Ansatz folgt, dass
sich die chemische Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k quasi-exponentiell mit der
Temperatur erhöht (Faustregel: Für chemische Reaktionen erfolgt alle 10 K eine Verdopplung
der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten). Für die Reaktionsgeschwindigkeit r (Ansatz erster
Ordnung) gilt:
(2-20).
Aufgrund des Zusammenspiels von chemischer Reaktion und Stofftransport (Porendiffusion,
Grenzschichtdiffusion) kann je nach Temperatur und Korndurchmesser die Geschwindigkeit
der chemischen Reaktion nicht voll genutzt werden, sondern nur die so genannte effektive
Reaktionsgeschwindigkeit reff. (Die entsprechenden Erläuterungen und Gleichungen können
der Anleitung zu Versuch Kinetik exothermer Reaktionen entnommen werden. Wenn Sie
diesen Versuch noch nicht gemacht haben, sind zur Vorbereitung des vorliegenden Versuches
die angegebenen Seiten zu lesen!) An dieser Stelle sollen nur die wesentlichen Gleichungen
kurz angegeben werden. Für die effektive Reaktionsgeschwindigkeit gilt:
(2-21)
Für die effektive Reaktionsgeschwindigkeitskonstante gilt:
(2-22),
RT
E
CH,0,mCH,m
A
44ek)T(k
444 CHCH,mCH,m ckr
444 CHCH,effCH,eff ckr
)T(k
1
A
1
1)T(k
mm
eff
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 31 -
mit:
(2-23),
(2-24),
(2-25).
Ist der äußere Stofftransport geschwindigkeitsbestimmend ( Am << km), gilt für die
effektive Reaktionsgeschwindigkeitskonstante:
(2-26).
Hat nur die Porendiffusion einen Einfluss ( . Am >> km), gilt:
(2-27).
2.3 Versuchsdurchführung
2.3.1 Teil 1: Simulation einer Ammoniakanlage
Ziel des Computerprogramms ,,Ammoniaksynthese“ ist es, durch Variation einer größeren
Zahl von Parametern einen günstigeren Arbeitspunkt für die gesamte Produktionsanlage zu
finden. Dieser Arbeitspunkt hängt natürlich von der Bewertung der Produkte und Nebenpro-
dukte sowie den Kosten für die Einsatzstoffe ab. Das Programm „Ammoniaksynthese“ nimmt
eine Bewertung des jeweiligen Anlagenzustandes vor. Grundlage dafür ist der erwartete Erlös
der Anlage über 7 Tage. Um eine hohe Punktzahl zu erzielen, geht es folglich nicht darum,
möglichst viel Ammoniak zu produzieren, sondern darum, eine große Menge Ammoniak mit
möglichst geringem Einsatz an Erdgas (als Rohstoff und Energiequelle) herzustellen.
2.3.1.1 Die Einflussgrößen
Das Simulationsprogramm basiert auf gewissen Vereinfachungen gegenüber den Program-
men, die im industriellen Alltag eingesetzt werden. Dies ist vor allem eine Konzession an den
PC als Rechner. Die Vereinfachungen sind allerdings so gewählt, dass die grundsätzlichen
Zusammenhänge und Verhaltensweisen korrekt wiedergegeben werden.
Im großtechnischen Ammoniakverfahren stehen dem Anlagenfahrer eine sehr große Zahl von
Stellmöglichkeiten zur Verfügung, um die Anlage zu beeinflussen. Davon ist allerdings nur
eine sehr kleine Zahl relativ frei wählbar, während die übrigen sich aus den Randbedingungen
der sie umgebenden Anlagenteile mehr oder weniger zwangsläufig ableiten. Wie sich im
Praktikumsversuch beim „Spielen“ sehr rasch herausstellen wird, ist der optimale Betriebsbe-
reich eng begrenzt. Es muss daher an dieser Stelle deutlich gemacht werden, dass die
tanh
eff
scheinm
D
kL
p
CHG,
d
DShβ 4
meff A)T(k
meff k)T(k
2.3 Versuchsdurchführung
- 32 -
Bandbreiten der Variationen und Wirkungen, die im „Spiel“ genutzt werden können, in der
Realität nicht vorkommen.
Die im Programm zu beeinflussenden Parameter wurden so ausgewählt, dass sie nahezu alle
Stufen des Produktionsverfahrens umfassen. Dadurch soll noch einmal verdeutlicht werden,
dass eine großtechnische Produktion nicht nur auf einer einzigen Reaktionsgleichung beruht,
sondern die Bereitstellung der Reaktanden und die Aufarbeitung einen erheblichen Aufwand
erfordern und die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens in starkem Maße beeinflussen.
2.3.1.2 Vermeidung unzulässiger Betriebszustände
Alle Parameter haben einen eingegrenzten Wertebereich. Die Grenzen sind dabei meist durch
Werkstoffeigenschaften gegeben oder durch Ausbleiben der gewünschten Reaktionen
festgelegt. Damit werden auch solche Anlagenzustände abgefangen, die vom sicherheitstech-
nischen Standpunkt bedenklich sein könnten. In der großtechnischen Anlage werden diese
Begrenzungen durch die Mess- und Regeltechnik festgelegt. Dabei vernachlässigt die
Simulation die Tatsache, dass zum Anfahren einer Anlage die meisten Untergrenzen außer
Kraft gesetzt werden müssen. Auf diesen Vorgang, der das Können der Bedienungsmann-
schaft in erheblichem Umfange fordert, sei an dieser Stelle nur hingewiesen, da die
Simulation ihn nicht wiedergeben kann.
Störfälle, wie das Austreten von Produkten durch schadhafte Dichtungen, lassen sich zwar
grundsätzlich simulieren (und werden auch für sicherheitstechnische Betrachtungen
vorausberechnet), ihr Auftreten ist allerdings nicht vorhersagbar und sehr selten, so dass auf
einen Einbau in dieses Programm verzichtet wurde. Allerdings treten durchaus auch
Störungen im simulierten Betriebsablauf auf, zum Beispiel Deaktivierung des Katalysators als
Folge einer Vergiftung. Diese können zum Teil direkt wieder rückgängig gemacht werden,
zum Teil müssen sie aber durch Parameterverstellung kompensiert werden.
2.3.1.3 Elektronische Einführung und Dokumentation
Zunächst sollten die Kapitel „Einführung“ und „Bibliothek“ durchgearbeitet werden. Beide
Abschnitte enthalten ergänzende Erklärungen zum vorliegenden Skript. Insbesondere im
Kapitel „Bibliothek“ erhält man Hinweise, die zum Verständnis der Simulation beitragen. Es
wird empfohlen, wesentliche Hinweise zu notieren, um während einer Simulation leichter auf
die Informationen zurückgreifen zu können.
2.3.1.4 Einführung in die Simulation
Zuerst sollen die Simulationsfunktionen kennen gelernt werden. Dazu wird das Programm mit
den eingestellten Grundparametern gestartet. Im Hauptmenü wählt man Simulation und
bestätigt durch [Return]. Es erscheint ein Menü zur Auswahl der Simulation. Hier werden die
unterschiedlichen Darstellungen zur Auswahl gestellt:
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 33 -
Tastenbelegung für die Anzeigemodi der Prozesssimulation
Funktionstaste „F2“ liefert Daten aus der Messwarte eines Funktionsblocks der Anlage.
Funktionstaste „F3“ liefert das Zeitdiagramm aus der Messwarte eines Funktionsblocks.
Für beide Anzeigemodi kann durch zusätzliche Eingabe einer Zahl zwischen 1 und 7 der
gewünschte Funktionsblock ausgewählt werden, dabei entspricht
1 = Primärreformer;
2= Sekundärreformer;
3= Konverter;
4= CO2-Wäsche;
5= Methanisierung;
6= Synthese Übersicht;
7= Synthese-Reaktoren.
Funktionstasten „F4 und F5“ liefern den Prozessleitstand des Gesamtprozesses.
Funktionstaste „F6“ zeigt die gesamte Online-Analytik der Anlage.
Funktionstaste „F7“ dient zum Speichern der aktuellen Parameter
Funktionstaste „F8“ zeigt den aktuellen Punktestand an
2.3.2 Versuchsauswertung und Diskussion: Ammoniakanlage
Man mache sich bei laufender Simulation mit den verschiedenen Darstellungsformen vertraut,
die das Simulationsprogramm „Ammoniaksynthese“ anbietet. Bevor die eigentliche
Simulation unter selbständiger Variation der Betriebsparameter fortgesetzt wird, sollte man
folgende Informationen über die Grundeinstellung der Anlage mit Hilfe der unterschiedlichen
Bildschirmdarstellungen schnell erarbeiten können:
Testfragen:
Wie groß ist in Grundeinstellung der Anlage die zugeführte Menge an Prozessluft?
Welche Temperatur des Rohgasstromes wird in der Grundeinstellung der Anlage am
Ausgang des Hochtemperatur-Konverters gemessen?
Wie groß ist in der Grundeinstellung der Anlage die abgeschiedene Menge an produ-
ziertem Ammoniak?
Wie viel CO befindet sich in der Grundeinstellung der Anlage nach der CO2-Wäsche
noch im Rohgas?
Wie ist in der Grundeinstellung der Anlage das Synthesegas vor dem Eintritt in den
Reaktor R1 zusammengesetzt?
2.3.2.1 Die Wirkung der Parameter
Starten Sie die Simulation in der Grundeinstellung der Anlage. Während des Betriebs können
9 verschiedene Parameter variiert werden. Die geschickte Variation dieser Parameter
entscheidet über den erfolgreichen und effizienten Anlagenbetrieb.
Starten Sie zunächst eine neue Simulation. Dazu Funktionstaste „F7“ drücken und mit den
Cursortasten „Grundzustand starten“ auswählen. [Return] drücken. Nach Wahl der geeigneten
Funktionstaste (siehe unten Kasten) kann die Simulation in der gewünschten Weise verfolgt
werden. Auch während der Simulation ist das Umschalten zwischen unterschiedlichen
2.3 Versuchsdurchführung
- 34 -
Anzeigemodi jederzeit möglich. Es empfiehlt sich am Anfang, die Parametervariation von der
Messwarte eines Funktionsblockes durchzuführen. Durch Funktionstaste „F2“ und die
Eingabe der Zahl „1“ gelangt man z. B. in die Messwarte des Primärreformers. Hier lassen
sich durch Cursortasten 4 Parameter anwählen und variieren. Für alle Parametereinstellungen
gilt:
Tastenbelegung für die Parametereinstellung
Cursor rechts/links: Auswahl des Parameters
Cursor auf/ab: Grobeinstellung des Parameters
Einfg/Entf: Feineinstellung
Pos1/Ende: Max./Min. Stellwert des Parameters
Die übrigen Parameter lassen sich in gleicher Weise von den Messwarten der jeweils
relevanten Funktionsblöcke aus variieren.
2.3.2.2 Variation eines Parameters
Zunächst soll nur je ein Parameter variiert werden, alle anderen werden konstant auf den
Werten der Grundeinstellung der Anlage gehalten. Es sollen jeweils 4 unterschiedliche
Einstellungen miteinander verglichen werden: 1. die vorgegebene Grundeinstellung; 2. der
maximale Parameterwert; 3. der minimale Parameterwert und 4. der optimale Parameterwert.
Als Vergleichskriterium soll der aktuell bei diesem Parametersatz erzielte Erlös der Anlage
sein (dargestellt durch den Trendbalken).
Diskutieren Sie die erhaltenen Ergebnisse auf der Grundlage ihres Wissens über die
chemischen und verfahrenstechnischen Aspekte der Ammoniaksynthese.
2.3.2.3 Variation mehrerer Parameter (Groboptimierung)
Wählen Sie nun für jeden Parameter die optimale Einstellung und kombinieren Sie diese zu
einem neuen Parametersatz für die Anlage. Betreiben Sie die Anlage mit diesem Parameter-
satz über den Zeitraum von 7 Tagen (Systemzeit etwa 15 min). Wie viel lässt sich mit einer
solchen groben Optimierung erwirtschaften? Wie beeinflussen sich die variierten Parameter
gegenseitig?
Hinweis: Beim Auftreten betriebsbedingter Störungen empfiehlt es sich, den gestörten
Parameter möglichst rasch (falls möglich) auf den Sollwert zu korrigieren.
2.3.2.4 Optimierungsversuche
Als Abschluss des Praktikumsversuches soll nun die Anlage ohne zusätzliche Einschränkun-
gen und Vorgaben optimiert werden. Als betriebswirtschaftliches Szenario gelten die Preise
der Grundeinstellung des Programms.
Es empfiehlt sich, auf die bisher erarbeiteten Grundsätze zum wirtschaftlichen Betrieb der
Anlage zurückzugreifen. Ausgehend davon soll eine Feinoptimierung der Anlage zum
optimalen Betriebspunkt versucht werden. Bewertungskriterium ist die vom Programm unter
Funktionstaste „F8“ ausgewiesene Punktzahl, die ein Maß für den innerhalb von 7 Tagen
(Systemzeit) erwirtschafteten Ertrag darstellt.
Es besteht die Möglichkeit die Anlage über die Funktionstaste „F7“ in der Grundeinstellung
neu zu starten.
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 35 -
Notieren Sie die maximal erreichte Punktzahl und den dazugehörigen optimierten Satz an
Betriebsparametern. Was wurde im Gegensatz zur Groboptimierung variiert? Wie lässt sich
das nun erzielte Betriebsergebnis erklären?
Benutzen Sie für ihre Argumentation die erhaltenen Messwerte aus den Messwarten/dem
Prozessleitsystem, der Online-Analytik sowie das Hilfsmittel der Trendanalyse.
Viel Spaß beim Produzieren von Ammoniak!
2.3.3 Teil 2: Kinetik der Methanreformierung
Im Praktikumsversuch soll die Kinetik der Methanreformierung experimentell bestimmt
werden. Auf der Basis der experimentellen Daten soll der Einfluss der Thermodynamik und
des Stofftransportes diskutiert werden.
Die Methanreformierung wird in einem Festbettreaktor (Abbildung 2-6) an einem technischen
Nickelkatalysator durchgeführt. Die für die Reaktion notwendigen Gase werden über MFC´s
(Mass Flow Controller) zudosiert. Die Einstellung des Wassergehaltes erfolgt durch einen mit
Wasser gesättigten Stickstoffstrom. Nach dem Verlassen des Reaktors wird die Zusammen-
setzung des Produktgases mit einer Gasanalyse bestimmt.
Abbildung 2-6: Versuchsanlage zur Reformierung von Methan
Im bestehenden Praktikumsversuch wird die Reaktion bei Ofentemperaturen von 500 bis
700 °C (in Schritten von 40 °C) und einem Gesamtdruck von 4 bar durchgeführt. Führen Sie
eine Messreihe zur Abhängigkeit des Umsatzes von der Temperatur durch, und bestimmen sie
den Produktvolumenstrom für diese Temperatur. Die Temperatur im Reaktor wird vom
Thermometer abgelesen.
2.3 Versuchsdurchführung
- 36 -
2.3.4 Versuchsauswertung und Diskussion: Methanreformierung
1) Bestimmen Sie aus den Analysenwerten den Umsatz an Methan.
2) Aus der Stoffbilanz eines Rohrreaktors folgt für eine Reaktion erster Ordnung:
3) Erstellen Sie aus den Messungen bei niedrigen Temperaturen ein Arrheniusdiagramm.
Ermitteln Sie die Aktivierungsenergie und den Häufigkeitsfaktor. Tragen Sie die Er-
gebnisse für hohe Temperaturen in das Arrheniusdiagramm ein. Diskutieren Sie die
Abweichung von der Arrheniusgeraden.
4) Bestimmen Sie, ob Diffusionseinflüsse vorliegen. Gehen sie dabei wie folgt vor:
Vergleichen Sie zunächst die experimentellen Werte von keff mit dem entsprechenden
Grenzwert für Stofftransportlimitierung (Gl. (2-25) und (2-26)). Der Stoffübergangs-
koeffizient ist über die Sherwood-Zahl abhängig von der Reynolds-und der Schmidt-
Zahl. Für geringe Strömungsgeschwindigkeiten soll hier gelten: Sh = 3,6, d.h. = 3,6 .
DG,CH4/dp.
5) Schätzen Sie den Porennutzungsgrad für eine Reaktionstemperatur und 2000°C mit
Gl. (2-23)und (2-24) ab.
6) Berechnen Sie dann für eine Temperatur von 800 °C die Abhängigkeit der effektiven
Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten vom Partikeldurchmesser (0,1 mm bis 10 mm)
und stellen Sie dies graphisch dar.
7) Berechnen Sie die Abhängigkeit der effektiven Geschwindigkeitskonstanten von der
Temperatur (600 - 1200 °C) für eine technisch relevante Partikelgröße von 10 mm und
stellen Sie dies graphisch dar.
Weitere Fragen (die im Protokoll beantwortet werden müssen):
1) Berechnen Sie bei Reaktionstemperaturen von 400 und 900 °C den Gleichgewichts-
umsatz bei Drücken von jeweils 1 bzw. 30 bar, wenn Methan und Wasserdampf im
äquimolaren Verhältnis eingesetzt werden.
Zahlenwerte für die Berechnung:
H0(T) CH4 = - 90 kJ/mol bei 1000 K S
0CH4 = 248 J/mol K bei 1000 K
H0(T) CO = -112 kJ/mol bei 1000 K S
0CO = 235 J/mol K bei 1000 K
H0(T) H2O = -248 kJ/mol bei 1000 K S
0H2O = 233 J/mol K bei 1000 K
S0
H2 = 166 J/mol K bei 1000 K
(Hinweis: Vernachlässigen sie bei der Berechnung des Gleichgewichtsumsatzes die
Temperaturabhängigkeit von RH0 und RS
0.)
2) Wozu werden Synthesegas und Wasserstoff noch verwendet?
3) Warum arbeitet man in der Technik bei einem Druck von 30 bar, obwohl dies im
Sinne der Thermodynamik ungünstig ist?
4) Wodurch ist in einem technischen Reaktor der Synthesegaserzeugung (Primärrefor-
mer) die maximale Reaktionstemperatur auf etwa 900 °C limitiert?
5) Warum sind die Rohre etwa 10 cm dick und nicht z. B. 1 m?
τ´
)Uln(1k 4CH
messeff,
2. Vom Erdgas zum Ammoniak (Steamreformer)
- 37 -
2.4 Anhang
Arrhenius Gleichung:
mit km,CH4(T) = chem. Reaktionsgeschwindigkeitskonstante
km,0,CH4 = Häufigkeitsfaktor
EA = Aktivierungsenergie
R = allg. Gaskonstante
T = Temperatur in K
mit keff(T) = effektive Reaktionsgeschwindigkeitskonstante
= , Stoffübergangskoeffizient
= , Porennutzungsgrad
= , Thielemodul
L =
dp = Partikeldurchmesser
Schein = scheinbare Dichte des Katalysators, 2,83 g/cm3
Deff = 1/10 DCH4,G = 2,08 ·10-6
m2/s (normiert auf 450 °C, 3,5 bar)
´ = , massenbezogene Verweilzeit
ges,Reaktor = auf Reaktorbed. normierter Gesamtvolumenstrom
Am = massenbezogene äußere Oberfläche des Kats.
=
=
U = 1-[c(CH4,Reaktor) / c(CH4,Bypass)]
RT
E
4CH,0,m4CH,m
A
ek)T(k
)T(k
1
A
1
1)T(k
mm
eff
p
a
d
DSh
tanh
eff
Scheinm
D
kL
6
dp
aktorRe.,ges
.Kat
V
m
V
Kat
Kat
M
O
Schein3
2
r3
4
r4
3.1 Einleitung
- 38 -
3 Thermische Reaktorstabilität
Zünd- und Löschvorgänge an katalytisch wirksamen Drähten bei der Oxidation von
Kohlenwasserstoffen in Luft am Platindraht
Hinweis: Der Versuch wurde an der TU Chemnitz (Lehrstuhl für Technische Chemie, Prof. E.
Klemm) entwickelt und wurde in etwas abgewandelter Form mit freundlicher Genehmigung
durch Prof. Klemm in Bayreuth aufgebaut.
3.1 Einleitung
Bemerkung: Die theoretischen Grundlagen zu diesem Versuch entsprechen größtenteils den
Ausführungen zum Versuch „Kinetik exothermer Reaktionen/Zünd-Lösch-Verhalten“
Kapitel 1. Aus diesem Grund beschränkt sich der theoretische Teil auf die zur Versuchsdurch-
führung nötigen Zusammenhänge, wobei auf die Unterschiede eingegangen wird, die sich bei
einer Reaktion an einer unporösen Katalysatoroberfläche im Vergleich zu porösen Partikeln
ergeben. Der Hauptunterschied besteht darin, dass bei der katalytischen Kohlenwasserstoff-
oxidation der innere Stofftransportwiderstand entfällt. Außerdem wird der Katalysator (hier
der Platindraht) bis zur Zündung elektrisch aufgeheizt und nicht die Temperatur des
Einsatzgases kontinuierlich erhöht. Bei Verständnisfragen sollte stets der Theorieteil in
Kapitel 1.1 hinzugezogen werden.
Exotherme heterogen katalysierte Gasphasenreaktionen spielen in der Praxis eine wichtige
Rolle, so z.B. bei der katalytischen Verbrennung, der Ammoniakoxidation oder der partiellen
Oxidation (Synthesegas aus Erdgas, Ethylenoxid).
Als Beispiel wird beim vorliegenden Praktikumsversuch die katalytische Totaloxidation eines
Kohlenwasserstoffs betrachtet, wobei bei der Umsetzung mit Sauerstoff Kohlenstoffdioxid
und Wasser als alleinige Reaktionsprodukte entstehen. Die Reaktion läuft an einem elektrisch
beheizbaren Platindraht ab, der die Oxidation katalysiert. Die Reaktion läuft bei entsprechend
niedrigen Temperaturen nur an der äußeren Oberfläche des Katalysators ab, erst bei höheren
Temperaturen kommt es zur Oxidation in der freien Gasphase.
In dem hier durchgeführten Versuch soll das Zündverhalten der Oxidationsreaktion untersucht
werden. Als Zündtemperatur wird die Temperatur an der Katalysatoroberfläche bezeichnet,
bei der die durch die Reaktion entstehende Wärmemenge nicht mehr hinreichend durch den
Gasstrom konvektiv abgeführt wird. Für die detaillierte Darstellung sei auf Kapitel 1.1
verwiesen.
3.2 Theoretische Grundlagen
3.2.1 Reaktionsgeschwindigkeitsansatz bei der katalytischen Oxidation
Bei der hier betrachteten katalytischen Totaloxidation handelt es sich um die Umsetzung eines
Kohlenwasserstoffs mit Sauerstoff zu CO2 und H2O:
C2H4 + 3 O2 2 CO2 + 2 H2O (3-1)
3. Thermische Reaktorstabilität
- 39 -
Die intrinsische Reaktionskinetik erfolgt hierbei nach dem Langmuir-Hinshelwood-
Mechanismus, d.h. die gasförmigen Edukte werden zunächst aus der Gasphase an der
Katalysatoroberfläche adsorbiert. Anschließend reagieren die adsorbierten Edukte zu den
Produkten und desorbieren.
2
OOads,KWKWads,
KWOKWads,Oads,
)cKcK(1
ccKKkr
22
22 (3-2)
mit: r: Oberflächenbezogene Reaktionsgeschwindigkeit [mol/(s m2)]
k: Reaktionsgeschwindigkeitskonstante [m/s]
Kads,O 2: Gleichgewichtskonstante der Adsorption von Sauerstoff [m
3/mol]
Kads,KW: Gleichgewichtskonstante der Adsorption von Ethen [m3/mol]
cO 2: Konzentration Sauerstoff [mol/m
3]
cKW: Konzentration Kohlenwasserstoff [mol/m3]
Da Ethen an der Platinoberfläche wesentlich stärker adsorbiert wird ( 1cK KWKWads,
22 OOads, cK ) und Sauerstoff im Überschuss vorhanden ist ( konstant2Oc ), vereinfacht sich
Gleichung (3-2) zu:
py
TRkeff
KW
effc
1kr (3-3)
mit: keff: Effektive Reaktionsgeschwindigkeitskonstante [mol2 s
-1 m
-5]
y: volumetrischer Anteil Kohlenwasserstoff [-]
p: Umgebungsdruck [Pa]
Für die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante gilt der Arrheniusansatz, d.h. der Anstieg der
Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur verläuft quasi-exponentiell:
D
A
RT
E-
eff,0Deff ek=)(Tk , (3-4)
mit: keff,0: Häufigkeitsfaktor [mol2 s
-1 m
-5]
EA: Aktivierungsenergie [J mol-1
]
R: Idealgaskonstante [J mol-1
K-1
]
TD: Drahttemperatur [K]
Übertrifft die effektive Reaktionsgeschwindigkeitskonstante bei höheren Temperaturen den
Wert des Stofftransportkoeffizienten der Diffusion, d.h. der Nachlieferung von
Eduktgasmolekülen an die Katalysatoroberfläche, so verläuft die Reaktion im stofftransport-
limitierten Bereich und die beobachtete Reaktionsgeschwindigkeit entspricht der des äußeren
Stofftransports
. (3-5)
mit: : Stofftransportkoeffizient [m/s]
Eine mathematisch geschlossene Lösung im Übergangsgebiet zwischen chemischem und
diffusionslimitiertem Bereich existiert in diesem speziellen Fall nicht.
KWeff cr
3.2 Theoretische Grundlagen
- 40 -
3.2.2 Das Wärmebilanz bei der katalytischen Oxidation
Bei der Aufstellung der Wärmebilanz muss im (quasi-)stationären Zustand die vom
Platindraht abgeführte Wärmemenge gleich der Summe der elektrisch zugeführten und der
von der Reaktion freigesetzten Wärmemenge sein (Gl. (3-6)).
(3-6)
Für die durch die chemische Reaktion erzeugte Wärmemenge gilt:
D
KW
effRchem Ac
1k)HΔ-(=Q (3-7)
mit: R: Reaktionsenthalpie [J mol-1
]
AD: Katalysatoroberfläche [m2]
Für die konvektiv an den Gasstrom abgeführte Wärmemenge gilt Gl. (3-8):
)T(TAαQ GDDab (3-8)
mit: : Wärmeübergangskoeffizient [W m-2
K-1
]
TG: Temperatur des Gases am Eintritt [K]
Bei der elektrisch erzeugten Wärme handelt es sich um die im Platinwiderstand dissipierte
elektrische Energie. Die dabei freigesetzte Wärmemenge entspricht der Leistung, die der
Draht verbraucht:
(3-9)
mit: Pel: elektrische Leistung [W]
UPt: Spannung am Platindraht [V]
IPt: Stromfluss durch den Platindraht [A]
Unter der Voraussetzung, dass der Stofftransportkoeffizient wesentlich größer ist als der
Parameter der chemischen Reaktionsgeschwindigkeit ( ka) lässt sich die Wärmebilanz mit
Gleichung (3-4) wie folgt darstellen:
)T(TAα GDD PtPt IU + D
A
RT
E-
eff,0 ekKW
DRc
1A)ΔH( (3-10)
Abbildung 3-1 und Abbildung 3-2 verdeutlichen die Wirkung der zugeführten elektrischen
Leistung auf das Zündverhalten der Reaktion. Die Lage der Wärmeabfuhrgeraden bleibt
aufgrund der konstanten Gaseintrittstemperatur TG unverändert. Wird keine elektrische
Leistung zugeführt, ist die durch die Reaktion entstehende Wärmemenge stets geringer als die
abgeführte Wärmemenge (Abbildung 3-1) und es stellt sich ein Betriebspunkt ein, bei dem
praktisch keine Reaktion abläuft.
chemelab QQQ
PtPtelel IUPQ
3. Thermische Reaktorstabilität
- 41 -
Abbildung 3-1: Wärmeerzeugungskurve und Wärmeabfuhrgerade ohne Zuführung elektrischer
Leistung
Wird nun elektrische Leistung zugeführt, so erhöht sich die vom Platindraht abgegebene
Wärmemenge um den Betrag dieser Leistung, was in Abbildung 3-2 A durch eine Parallelver-
schiebung der Gesamt-Wärmeerzeugungskurve zu erkennen ist. Die Temperatur des
Platindrahtes (Schnittpunkt der Wärmeerzeugungskurve mit der Wärmeabfuhrgeraden) erhöht
sich zunächst und damit nach Arrhenius auch die Reaktionsgeschwindigkeit der Oxidations-
reaktion. Dies führt wiederum zu einer Erhöhung der Wärmefreisetzung durch die chemische
Reaktion chemQ . Erreicht die zugeführte elektrische Leistung den kritischen Wert, besitzen die
Wärmeerzeugungskurve und die Wärmeabfuhrgerade die gleichen Steigungen Abbildung 3-2
B. Die dabei am Draht herrschende Temperatur entspricht dann der Zündtemperatur. Erwärmt
sich das am Zündpunkt befindliche System minimal, so kommt es zur Zündung, und es stellt
sich schlagartig der obere stabile Betriebspunkt ein, an dem die Reaktionsgeschwindigkeit
vom Stofftransport bestimmt wird Abbildung 3-2C.
0
4
8
12
16
300 450 600 750 900 1050 1200
iQ
in W
Max. chem. Wärmeproduktion bei
Filmdiffusion
RKWDchem HcAQ max,
Effektive
Wärmeproduktion
Wärmeabfuhr
)T(TAα GDDabQ
Chem. Wärmeproduktion (durch
Kinetik limitiert)
RD
KW
eff
chem HAc
kQ .
3.2 Theoretische Grundlagen
- 42 -
Abbildung 3-2: Verschiebung Zündung während der Oxidation von Ethen am Platindraht. A:
schrittweise Erhöhung des Betriebspunktes durch Erhöhung der elektrischen Leistung;
B: Zündung (Reaktionsrate bestimmt durch chemische Reaktion, Pel = 7 W); C: stabiler
oberer Betriebspunkt nach der Zündung (Reaktionsrate komplett bestimmt durch
Filmdiffusion)
0
5
10
15
20
25
300 450 600 750 900 1050 1200
HRQ
0
4
8
12
16
300 450 600 750 900 1050 1200
0
5
10
15
20
25
300 450 600 750 900 1050 1200
Temperatur in K
abQ
elchem QQ max,
TD,Zünd
elchem QQ
7 W
5 W
iQ
in W
iQ
in W
Max. chem. Wärmeproduktion
RKWDchem HcAQ max,
max,chemQ
B
C
chemQ (ohne Filmdiffusion)
chemQ (ohne Filmdiffusion)
iQ
in W
A
elchem QQ (ohne Filmdiffusion)
chemQ (Filmdiffusion) +
)6( WQel
3 W
1 W
TD,O
abQ
3. Thermische Reaktorstabilität
- 43 -
3.2.3 Ermittlung der Drahttemperatur aus dem elektrischen Widerstand
Mit Hilfe des Ohm’schen Gesetzes, lässt sich aus der angelegten Spannung UPt und dem
daraus resultierenden Strom IPt der Drahtwiderstand berechnen.
Pt
Pt
I
UR (3-11)
Aus der Temperaturkennlinie des Platindrahtes ergibt sich so die sich einstellende Drahttem-
peratur:
273
0
10775,51022,411.0)(
DD TTR
TR (3-12)
mit: R0: Widerstand des Platindrahtes bei 273 K
und D
D
Pt lA
R0 D
D
lA
m][ 7-1·10
3.2.4 Ermittlung kinetischer Daten aus dem Zündverhalten
Ausgangspunkt für die Ermittlung kinetischer Daten aus dem Zündverhalten ist die
Bedingung, dass am Zündpunkt die Steigung der Wärmeabfuhrgeraden gleich der Steigung
der Wärmeerzeugungskurve ist:
ZDDZDD TTD
elchem
TTD
ab
T
T
Q
,,
d
)(d
d
d (3-13)
Für die einzelnen Terme ergeben sich dabei die folgenden Ausdrücke:
Für die Wärmeabfuhr folgt bei Annahme einer konstanten Gaseingangstemperatur TG
mit der Ableitung der Gleichung (3-8):
D
ZD
ab AdT
Qd
,
(3-14)
Die Ableitung der chemischen Wärmeerzeugung (Gl. (3-7)) ergibt unter der Annahme,
dass der Stofftransport gegenüber der chemischen Reaktion noch sehr schnell ist ( >>
keff (T)):
ZD
chem
dT
Qd
,
=
KW
DRc
AH1
ekRT
E)( ZD,
A
RT
E-
eff,02ZD,
A (3-15)
Für die Veränderung der elektrischen Wärmeerzeugung bei Veränderung der Draht-
temperatur gilt:
0,ZD
el
dT
dQ (3-16)
Durch Einsetzen dieser Einzelterme in Gl. (3-11) ergibt sich somit:
ZD
A
A
KWZD
RT
E
E
cTR
,eff,0R
2
,
kH-ln (3-17)
3.2 Theoretische Grundlagen
- 44 -
Durch eine sinnvolle Anwendung der Logarithmusgesetze und anschließende Auftragung
über der reziproken Zündtemperatur TZ ergibt sich nach Gl. (3-17) eine Gerade mit der
SteigungR
EA . Der Stoßfaktor keff,0 kann anschließend berechnet werden:
TR
E
RA
KWZeff
A
eHE
cTRk
2
0, (3-18)
3.2.5 Nötige Parameter
Zur Auswertung des Versuches sind einige Anlagenparameter notwendig. Der Spezifische
Widerstand des Platindrahtes bei 0°C beträgt 1·10-7
·m. Der Draht hat eine Länge von
0,21 m und einen Durchmesser von 2,5·10-4
m. Der Glasreaktor hat einen Innendurchmesser
von 2 cm. Die Reaktionsenthalpie HR ist Temperaturabhängig, kann aber im untersuchten
Bereich als konstant (-1400 kJ/mol) angenommen werden.
Für die Auswertung wird ebenso der Wärmeübergangskoeffizient benötigt. Dieser kann aus
Korrelationen nach dem VDI-Wärmeatlas abgeschätzt werden („Wärmeübertragung bei
Queranströmung um einzelne Rohre, Drähte und Profilzylinder“, VDI-Wärmeatlas 9. Auflage
2002, Gf1).
D
N
d
λNuα 2 (3-19)
31m PrReCNu (3-20)
330.0989.0 mundC (für 0,4 < Re < 4)
385.0911.0 mundC (für 4 < Re < 40)
466.0683.0 mundC (für 40 < Re < 4.000)
618.0193.0 mundC (für 4.000 < Re < 40.000)
805.0027.0 mundC (für 40.000 < Re < 400.000)
(3-21)
22
22
2
2 ,Pr;Re
NN
NpN
N
ND
M
cdu (3-22)
Die Lehrrohrgeschwindigkeit u berechnet sich aus dem Volumenstrom und der Reaktorgeo-
metrie. Unbekannte Werte sind noch die Dichte [kg/m3], Wärmeleitfähigkeit [W/m/K],
spezifische Wärmekapazität [J/mol/K] und dynamische Viskosität [Pa.s]. Diese können aus
der NIST-Datenbank erhalten werden, wobei die Werte für Stickstoff verwendet werden
(http://webbook.nist.gov/cgi/cbook.cgi?ID=C7727379&Units=SI). Die Daten sind unter
„Fluid Properties“ zu finden. Da sich das Gasgemisch kaum aufwärmt, werden in obige
Formel alle Daten für Raumtemperatur (25°C) bei örtlich mittleren Luftdrucks von 0,98 bar
eingesetzt:
N2 (25°C, 0,98 bar) = 1,9064 kg/m3
3. Thermische Reaktorstabilität
- 45 -
N2 (25°C, 0,98 bar) = 1,7811·10-5
Pa.s
N2 (25°C, 0,98 bar) = 0,025733 W/m/K
cp,N2 (25°C, 0,98 bar) = 29,17 J/mol/K
M = 0,028 kg/mol
3.2.6 Vergleich der Versuchsdaten mit dem Reaktormodell
Mit Hilfe einer kommerziellen Software (Femlab) wurde ein FE-Modell des Zündpunktreak-
tors erstellt, in dem die Zündung des Ethen-Luft-Gemisches simuliert werden kann. Das
Modell wurde in geometrischer Hinsicht vereinfacht, indem der spiralförmige Platindraht
durch einen geraden Draht ersetzt wurde, wie in Abbildung 3-3 dargestellt. Auf diese Weise
ergibt sich eine rotationssymmetrische Geometrie, die den nötigen Rechenaufwand stark
verringert.
Abbildung 3-3: Geometrie des Reaktormodells für die Simulation
Die physikalischen Phänomene wie konvektiver und diffusiver Stofftransport, die Reaktions-
kinetik, die Wärmeleitung und die elektrischen Effekte, die während des Versuchs auftreten,
wurden jedoch mathematisch vollständig implementiert.
Mit Hilfe des Modells können somit beispielsweise die Temperaturverteilung und die
Strömungsverhältnisse im Zündpunktreaktor berechnet werden. Darüber hinaus liefert die
Rechnung auch das Konzentrationsprofil, das sich im Reaktor einstellt.
In Abbildung 3-4 sind beispielhaft die Temperaturprofile des Reaktorquerschnitts dargestellt,
die sich beim Anlegen einer Spannung von 3 V im stationären Fall am Platindraht und im
Reaktor einstellen (oberer stabiler Betriebspunkt). Dabei ist an der Farbverteilung der
Darstellung deutlich zu erkennen, dass sich der Platindraht unter Inertbedingungen (ohne
Reaktion, linke Teilabbildung) weniger stark erhitzt als bei ablaufender Reaktion (rechte
Teilabbildung).
3.2 Theoretische Grundlagen
- 46 -
Abbildung 3-4: Simulation des Temperaturprofils im Zündpunktreaktor ohne Reaktion (links) und mit
ablaufender Reaktion (rechts)
Während die Drahttemperatur im inerten Fall 600 K beträgt, erhöht sie sich durch die
exotherme Reaktion um ca. 180 K. Die Konturlinien in der rechten Teilabbildung stellen die
Isolinien der Ethenkonzentration dar. Am geringen Abstand dieser Isolinien in Drahtnähe ist
erkennbar, dass die Konzentration dort stark abfällt, während sie in der freien Gasphase am
Rand des Reaktors fast gleich bleibt. Eine genauere Betrachtung des Simulationsergebnisses
für das radiale Konzentrationsprofil (Abbildung 3-5) bestätigt die Erwartung, dass die
Reaktion im oberen stabilen Betriebspunkt durch den Stofftransport limitiert ist, da die
Konzentration an der Platinoberfläche auf Null absinkt.
3. Thermische Reaktorstabilität
- 47 -
Abbildung 3-5: Simulation des radialen Konzentrationsprofils im Zündpunktreaktor
Die Reaktionsgeschwindigkeit wird hier also nur durch den Stofftransportkoeffizienten
bestimmt.
3.3 Versuchsapparaturen und Versuchsdurchführung
3.3.1 Aufbau der Apparatur
Der Zündpunkt bei der Oxidation von Ethen in Luft an einem Platin-Katalysator soll
gemessen werden. Bei dem Katalysator handelt es sich um einen Platindraht, d.h. um einen
Vollkatalysator, bei dem nur die äußere Oberfläche katalytisch aktiv ist.
Die Zündpunktapparatur (Abbildung 3-6) besteht aus:
1. Quarzglasreaktor mit Platindraht,
2. Elektrischer Widerstandsheizung,
3. Gasmengenregulierung und –messung (FIC, FI).
Abbildung 3-6: Messanordnung zur Zündpunktbestimmung
Als Einsatzgas wird ein Gemisch von Luft und Ethen außerhalb der Explosionsgrenzen
verwendet. Der Volumenstrom wird von den Massendurchflussmessern (FIC) eingestellt und
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0 0.01 0.02 0.03
Reaktorkoordinate (m)
Ko
nzen
trati
on
in
(m
ol/
m3)
Platinoberfläche
QI FI
FIC
FIC
Ethen
Luft
AbgasMess-
schaltung
3.3 Versuchsapparaturen und Versuchsdurchführung
- 48 -
mit Hilfe eines Seifenblasenströmungsmessers (FI) gemessen. Das Reaktionsgas strömt in den
Reaktor, in dem am Platinkatalysator die Reaktion stattfindet. Das Abgas, das vor allem Luft
und geringe Mengen an CO2 und H2O enthält, wird in den Abzug geleitet.
Der Platindraht ist in den Glasreaktor eingeschmolzen. Bei Anlegen einer Spannung an den
Platindraht wirkt dieser wie eine elektrische Widerstandsheizung und wird erhitzt (Abbildung
3-7). Hierfür wird über eine regulierbare Spannungsquelle ein Stromfluss erzeugt, der
wiederum mit Hilfe eines Festwiderstands gemessen werden kann. Dies geschieht durch
Messung des Spannungsabfalls am Festwiderstand nach dem Ohmschen Gesetz.
Abbildung 3-7: Messschaltung zur Temperaturbestimmung des Platindrahtes
3.3.2 Durchführung der Zündpunktmessungen
3.3.2.1 Vorbereitung
Zunächst wird überprüft, ob die Ethenflasche im Flaschenschrank geöffnet ist. An der Anlage
werden die benötigten Ventile geöffnet.
Zunächst wird der vom Assistenten vorgegebene Luftstrom mit Hilfe des Massendurchfluss-
reglers eingestellt und mit dem Seifenblasenströmungsmesser gemessen.
Vor dem Versuch wird der Platindraht zur Gewährleistung der Reproduzierbarkeit der
Zündtemperaturen für 10 Minuten geglüht und anschließend 5 Minuten abgekühlt.
3.3.2.2 Ermittlung der Temperatur-Leistungs-Kennlinie des Platindrahtes
Zur Ermittlung der Drahttemperatur in Abhängigkeit von der angelegten Spannung wird die
Spannung am Draht beginnend mit niedrigen Spannungswerten in ca. 20 Schritten auf den
Maximalwert erhöht und der Spannungsabfall am Festwiderstand bestimmt. Der Luftstrom ist
auf den vorgegebenen Wert einzustellen.
Dadurch kann der Widerstand des Drahtes und somit auch dessen Temperatur berechnet
werden.
3.3.2.3 Ermittlung der Zündtemperatur
Achtung: Der Kohlenwasserstoff darf nur bei laufendem Luftstrom zudosiert werden,
so dass die Explosionsgrenze nicht überschritten wird.
Zunächst wird am Massendurchflussregler der höchste vom Assistenten vorgegebene
Kohlenwasserstoffstrom eingestellt.
R Pt R
S
S
M1 M2
3. Thermische Reaktorstabilität
- 49 -
Der Zündpunktversuch wird gestartet, indem die Spannung und damit die Temperatur am
Platindraht beginnend bei niedrigen Spannungswerten in ca. 20 Schritten auf den Maximal-
wert erhöht wird.
Die Zündung der Reaktion ist an der sprunghaften Widerstandsänderung des Platindrahtes
und an der daraus resultierenden plötzlichen Verringerung des Gesamtstromes zu erkennen.
Das Messinstrument M2 ist mit einem Maximalwertspeicher ausgestattet, der den Zündstrom
IZ speichert. Aus der Zündspannung UZ am Platindraht und dem Zündstrom IZ können der
Widerstand des Platindrahts und damit die Drahttemperatur zum Zündzeitpunkt bestimmt
werden.
Nach ca. 3 Minuten sollte sich ein stationärer Zustand ausgebildet und die Reaktion sich am
oberen stabilen Betriebspunkt eingependelt haben. Es wird erneut der Strom an M2 gemessen
und die korrespondierende Drahttemperatur berechnet.
Anschließend wird der Kohlenwasserstoffstrom auf den nächsten Wert verändert und die
Bestimmung der Zündtemperatur nach 10 Minuten in gleicher Weise wiederholt. Die
Konzentration des Kohlenwasserstoffs soll dabei, beginnend bei 2,1 Vol.-% in Schritten von
jeweils 0,2 Vol.-% bis 0,7 Vol.-% vermindert werden.
3.3.2.4 Vergleich der experimentell ermittelten Daten mit dem FE-Modell
Im Anschluss an den experimentellen Teil des Praktikums wird das FE-Modell vom
Assistenten vorgestellt und erklärt.
Die im Versuch ermittelten Daten für die Zündspannung werden mit den vom Modell
errechneten Werten verglichen und sollen in der Auswertung diskutiert werden. Als
Ausgangspunkt für die Berechnung im Modell werden hierbei nur die jeweilige
Ethenkonzentration und der Gasvolumenstrom benötigt, bei dem der Zündpunkt gemessen
wurde.
3.4 Versuchsauswertung und Diskussion
1. Berechnen sie den Widerstand R0 (T = 273 K) des Platindrahtes bei geringer zugeführ-
ter Leistung über den Spezifischen Widerstand, der Länge des Drahtes und der
Querschnittsfläche. Stellen Sie die Drahttemperatur in Abhängigkeit von der zugeführ-
ten elektrischen Leistung im Stickstoffstrom (ohne chem. Reaktion) grafisch dar.
2. Bestimmen Sie die Abhängigkeit der Temperatur des Platindrahtes von der zugeführten
elektrischen Leistung bei ablaufender chemischer Reaktion bei allen Kohlenwasser-
stoffkonzentrationen. Stellen Sie das Ergebnis grafisch dar und ermitteln Sie den Anteil
der durch die Reaktion verursachten Drahterwärmung.
3. Stellen Sie in einem Diagramm die Zündtemperatur und die Temperatur des Pt-Drahtes
am oberen stabilen Betriebspunkt als Funktion der KW-Konzentration bei konstantem
Volumenstrom dar.
3.4 Versuchsauswertung und Diskussion
- 50 -
Ermitteln Sie durch geeignete Auswertung (es gehen die Zündpunkte bei unterschiedli-
cher Ethenkonzentration ein) die Aktivierungsenergie und den Häufigkeitsfaktor
der Oxidationsreaktion.
4. Stellen Sie in einem Diagramm auf Basis Ihrer Messwerte und der berechneten Werte
von und folgende Zusammenhänge dar:
a) Abgeführte Wärmemenge in Abhängigkeit der Drahttemperatur
b) Durch die chemische Reaktion erzeugte Wärmemenge in Abhängigkeit von
der Drahttemperatur für einen Wert von yconst.
5. Ermitteln Sie davon ausgehend die theoretisch benötigte elektrische Leistung, die
zugeführt werden muss, um das System zum Zünden zu bringen. Vergleichen Sie diese
Leistung mit der tatsächlich in diesem Versuch gemessenen.
AE
0,ak
AE0,ak
abQ
chemQ
- 51 -
4 Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
4.1 Einleitung
Erdöl stellt heutzutage den mit Abstand wichtigsten Rohstoff für Kraftstoffe (Benzin,
Dieselöl, Heizöle) und für alle weiteren (organischen) Produkte der chemischen Industrie dar,
angefangen von den Kunststoffen bis zu den Pharmazeutika.
Erdöl, wie es aus den Lagerstätten gefördert wird, ist eine komplexe Mischung der
verschiedensten Kohlenwasserstoffe (Abbildung 4-1). Es muss also aufbereitet werden, um
für die vielfältigen Verwendungszwecke dienen zu können.
Abbildung 4-1: Ausschnitt aus der Zusammensetzung von Erdöl
4.1 Einleitung
- 52 -
Die erste Aufgabe besteht darin, das Erdöl in geeignete Fraktionen zu trennen. Dies gelingt
durch fraktionierte Destillation in der Raffinerie. Die so erhaltenen Siedeschnitte (Tabelle
4-1) werden dann einer weiteren Aufarbeitung unterzogen, um z. B. Kraftstoffe zu erzeugen.
Tabelle 4-1: Einteilung der Spaltverfahren
Fraktion Siedebereich Zusammensetzung
1 Gase < 0 °C
Raffineriegas (v. a. Methan)
Flüssiggas (v. a. Propan und
Butan)
2 leichtes Naphtha 70-140 °C C5-C9 Kohlenwasserstoffe
3 schweres Naphtha 140-200 °C C7-C9 Kohlenwasserstoffe
4
atmosphärisches Gasöl
Kerosin
Dieselöl
175-275 °C
200-370 °C
C9-C16 Kohlenwasserstoffe
C15-C22 Kohlenwasserstoffe
5
schwere Fraktionen
Schmieröle
Rückstands- oder Schwerben-
zinöle
Asphalt oder „Rückstand“
> 370 °C im Hochvakuum nicht destillierba-
re Kohlenwasserstoffe
Der überwiegende Teil der Erdölfraktionen dient der Erzeugung von Benzin, Flugturbinen-
kraftstoff, Dieselöl und von Heizölen; nur etwa 10 % wird in der chemischen Industrie
verbraucht (v. a. leichtes Naphtha). Die wichtigsten Grundchemikalien der industriellen
organischen Chemie, die aus Naphtha zunächst erzeugt werden müssen, sind Olefine (Ethen,
Propen, Butene etc.) und Aromaten. Insbesondere Ethen und Propen sind aufgrund der
Vielfalt möglicher Endprodukte bei weiteren Reaktionen die wichtigsten organischen
Grundstoffe. So ist Ethen die Ausgangsbasis für rund 30 % aller Petrochemikalien. Die hohe
Bedeutung des Ethens verdeutlicht Abbildung 4-2.
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 53 -
Abbildung 4-2: Die wichtigsten Ethenderivate
Propen ist die zweitwichtigste organische Primärchemikalie in der chemischen Industrie.
Auch hier zeigt ein Blick auf die Propenderivate seine Bedeutung als Grundstoff für die
chemische Industrie (Abbildung 4-3).
Abbildung 4-3: Die wichtigsten Derivate des Propens
Die niederen Alkene finden sich allerdings nur in geringen Anteilen im Erdöl. Um sie der
chemischen Industrie in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen, müssen sie folglich
von der petrochemischen Industrie hergestellt werden.
Diese lassen sich folgendermaßen einteilen:
1. nach der Temperatur
2. nach der Art der Durchführung: - thermisch (radikalischer Mechanismus)
- katalytisch (ionischer Mechanismus)
3. nach der Art der Wärmezufuhr: - autotherm (partielle Verbrennung)
- allotherm
4.1 Einleitung
- 54 -
Zur Spaltung von Kohlenwasserstoffen sind je nach Einsatzmaterial verschiedene Verfahren
entwickelt worden (Tabelle 4-2).
Tabelle 4-2: Einteilung der Spaltverfahren
T in °C bevorzugtes
Einsatzmaterial wichtigste Produkte
Cracken
- (therm.) Visbreaking
- (therm.) Coking
- katalytisches Cracken
450 - 500
500 - 600
270 - 540
hochsiedende
Rückstände der
atmosph. Destillation
Rückstände d.
Vakuumdestillation
leichtes Gasöl
Heizöl, n-Olefine,
n-Paraffine
Heizöl, Benzin,
Petrolkoks
i-Paraffine, i-Olefine
Pyrolyse 750 - 950 Naphtha, nasses Erdgas Ethen, Propen,
Diene, Aromaten
Hochtemperaturpyrolyse > 1200 Methan Ethin
Zur Herstellung der Olefine Ethen und Propen hat sich die Pyrolyse von Kohlenwasserstoffen
nach dem Steamcracker-Verfahren durchgesetzt (Abbildung 4-4). Die Herstellung erfolgt
technisch durch die Spaltung flüssiger Kohlenwasserstoffe bei Temperaturen um 850 °C in
kurzkettige Kohlenwasserstoffe.
Abbildung 4-4: stark vereinfachtes Fließschema des Steamcrackers
Als Rohstoffquelle dient dabei hauptsächlich Naphtha, d. h. Rohbenzin (Siedebereich 30 °C
bis 180 °C). Meist wird Leichtbenzin (30 °C bis etwa 100 °C) eingesetzt. Das Einsatzöl wird
unter Verdünnung mit Wasserdampf thermisch in die gewünschten Produkte gespalten. Das
Spaltprodukt besteht überwiegend aus Ethen und Propen und enthält außerdem C4- und C5+-
Kohlenwasserstoffe (z. B. das aromatenreiche Pyrolysebenzin) sowie etwas Methan und
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 55 -
Wasserstoff. Die Abkühlung des Produktes liefert beträchtliche Mengen Hochdruckdampf,
der zum Betrieb des Steamcrackers verwendet wird und zur Entlastung der Energieversorgung
beiträgt. Der Steamcracker der BASF spaltet z. B. jährlich 1,3 Mio. t Naphtha/a und erzeugt
etwa 400.000 t Ethen/a. Die Produktionskapazitäten für Ethylen liegen weltweit bei ca. 88
Mio. t/a (1997), von denen der überwiegende Teil durch thermisches Cracken dargestellt
wird.
Neben der thermischen Spaltung werden technisch auch katalytische Spaltverfahren
eingesetzt. Das thermische und katalytische Cracken von Kohlenwasserstoffen unterscheidet
sich entscheidend in der Zusammensetzung der erhaltenen Produkte. Diese Unterschiede
liegen begründet im Mechanismus der ablaufenden Reaktionen. Die Art des gewählten
Verfahrens sowie die Bedingungen hängen also dabei stark vom eingesetzten Rohstoff und
vor allem von den gewünschten Produkten ab. Der thermische Crackprozess wird genutzt, um
kurzkettige Olefine zu gewinnen. Das katalytische Spaltverfahren dient in der Raffinerie der
Herstellung verzweigter Kohlenwasserstoffe (hochoctaniges Benzin).
4.2 Reaktionsmechanismus der Pyrolyse
Im Steamcracker werden mit Hilfe zugeführter Energie C-C- und C-H-Bindungen gespalten.
Dabei werden zuerst die C-C-Bindungen in einem Kohlenwasserstoff homolytisch gecrackt.
Hierdurch entstehen Radikale - zwei unbeständige Bruchstücke -, die sich stabilisieren
wollen. Dies führt zu Folgereaktionen, wobei sich erst nach einer größeren Anzahl von
Reaktionsschritten stabile Endprodukte bilden. Die Reaktionen im Cracker laufen mithin nach
Mustern ab, die für die Chemie der Radikale typisch sind. Das thermische Cracken verläuft
also über Radikalkettenreaktionen. Bei größeren Molekülen sind mehrere Zerfalls- und
Zwischenreaktionen möglich, so dass bei der Spaltung von Naphtha insgesamt weit über 100
verschiedene Komponenten im Produktgemisch vorliegen. Neben der Spaltung unter Bildung
der kurzkettigen Olefine, Ethen und Propen, laufen Isomerisierungen, Cyclisierungen und
Aromatisierungen ab. Sekundärreaktionen wie Alkylierungen und Kondensation der
Aromaten zu mehrkernigen Produkten finden ebenso statt.
Die Vielzahl der Radikalreaktionen sowie die Art und der Umfang der Nebenreaktionen
erschweren eine quantitative Berechnung der Spaltgaszusammensetzung. Die Thermodyna-
mik liefert allerdings Hinweise für die Vorhersage der dominierenden Produkte:
o Kurzkettige Moleküle sind stabiler als langkettige.
o Bei Temperaturen oberhalb 500°C sind ungesättigte Kohlenwasserstoffe stabiler als
gesättigte.
o Cycloalkane verhalten sich ähnlich wie Alkane (nicht wie Aromaten).
o Aromaten sind am stabilsten.
o C-C-Einfachbindungen sind am leichtesten spaltbar, danach folgt die C-H-Bindung an
Alkanen und mit geringem Unterschied an Cycloalkanen.
Aus thermodynamischer Sicht sind alle gesättigten und ungesättigten Kohlenwasserstoffe
gegenüber ihren Elementen bei den technisch gewählten Spalttemperaturen instabil. Bei
einem Crackvorgang, der bis zur Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichtes
ablaufen würde, bedeutet dies den vollständigen Zerfall der Kohlenwasserstoffe in die
Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff (ggfs. entsteht in gewissem Umfang noch das relativ
stabile Methan).
4.2 Reaktionsmechanismus der Pyrolyse
- 56 -
Die Grundreaktion des Crackvorganges ist die homolytische Spaltung einer C-C-Bindung
oder einer C-H-Bindung unter Bildung zweier Radikale. Die Spaltung einer C-C-Bindung ist
thermodynamisch gegenüber der C-H-Spaltung bevorzugt (siehe Tabelle 4-3).
Tabelle 4-3: C-C- und C-H-Dissoziationsenthalpien von Kohlenwasserstoffen
Wie aus der Tabelle ersichtlich, sind die chemischen Bindungen sehr stabil und die
Bindungsenthalpien betragen durchschnittlich 400 kJ/mol.
Bei Pyrolysereaktionen, wie sie im Spaltrohr verlaufen, beobachtet man vorwiegend die
Bildung homologer linearer -Olefine. Dies lässt sich folgendermaßen erklären (Abbildung
4-5): Im ersten Schritt wird, wie erwähnt, ein Kohlenwasserstoffmolekül thermisch unter C-
C-Bindungsspaltung homolytisch gecrackt, wodurch zunächst zwei primäre Radikale
entstehen. Im darauf folgenden Reaktionsschritt entsteht durch eine -Spaltung Ethen und ein
neues primäres Radikal. Dieses Radikal unterliegt weiteren Folgereaktionen.
Die zuerst gebildeten primären Radikale können sich alternativ auch über 5- oder 6-gliedrige
Übergangszustände in stabilere sekundäre Radikale umlagern. Hieraus kann sich wiederum
über eine -Spaltung aus dem sekundären Radikal ein Propenmolekül abspalten unter
gleichzeitiger Bildung eines primären Radikals, das weiteren radikaltypischen Reaktionen
unterliegt.
Neben den beiden Hauptprodukten Ethen und Propen werden noch zahlreiche Nebenprodukte
im Spaltgas erhalten, die sich gut verwerten lassen. Die CH4-Fraktion dient zur Wärmeerzeu-
gung für die endotherme Crackreaktion, die H2-, C3- und C4-Fraktionen beinhalten wertvolle
Zwischenprodukte für die chemische Industrie. Hier ist vor allem das Butadien zu nennen.
Das Pyrolysebenzin enthält Aromaten.
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 57 -
Abbildung 4-5: Mechanismus der Pyrolyse
4.3 Einflussgrößen auf die Produktverteilung
4.3.1 Einfluss des Rohstoffes
Die höchste Ethenausbeute wird beim Einsatz von n-Alkanen erhalten. Bei i-Alkanen nimmt
die Ethenausbeute um so mehr ab, je verzweigter das Molekül ist; es entstehen umso mehr
Methan und Wasserstoff. Die Spaltung von 6-Ring-Cycloalkanen liefert mehr Ethen und
Butadien als die Pyrolyse der 5-Ring-Cycloalkane. Bei der Spaltung von Aromaten werden
lediglich die Seitenketten abgespalten, während die Kerne kaum angegriffen werden.
Die Ausbeute an Ethen nimmt mit steigendem Molekulargewicht und damit verbundenem
Siedepunkt des zu spaltenden Moleküls ab; zusätzlich wächst der Anteil an höhermolekularen
Verbindungen, die sich durch Oligomerisation und Kondensation in Konkurrenz zur
Abbaureaktion bilden. Die Ethenausbeute nimmt also in folgender Reihenfolge ab:
n-Alkane > Cycloalkane ≈ i-Alkane > Aromaten
4.3 Einflussgrößen auf die Produktverteilung
- 58 -
4.3.2 Einfluss des Druckes und Zusatz von Verdünnungsmitteln
Der thermische Zerfall liefert aus 1 mol eingesetztem Kohlenwasserstoff etwas 2 bis 3 mol
Spaltprodukte. Nach dem Prinzip von Le Chatelier (Prinzip des kleinsten Zwanges)
begünstigt daher ein niedriger Partialdruck die Olefinausbeute. In der technischen Anlage
wird bei Drücken von ungefähr 2 bis 3 bar gearbeitet (Druckverluste). Um den Partialdruck
der Kohlenwasserstoffe zu erniedrigen, mischt man ein Fremdgas, in der Regel Wasserdampf,
dem zu spaltenden Einsatzöl zu. Wasserdampf ist anderen Gasen wie z. B. Stickstoff
vorzuziehen, weil er deutlich günstiger bereitzustellen ist, auf einfache Weise auskondensiert
werden kann und folglich die Kompressions- und Spaltgastrennanlage nicht belastet.
Allerdings ist bisher ungeklärt, ob und wie der Wasserdampf in das Reaktionsgeschehen
eingreift. Es wird angenommen, dass der Wasserdampf den Dampfdruck hochsiedender,
molekularer Aromaten und Teerbestandteile erniedrigt, so dass eine Abscheidung und
Koksbildung an den Rohren sowie Foulingprozesse am Kühler vermindert werden. Weiterhin
scheint der Dampf den katalytischen Effekt des Rohrmaterials, welches die Koksbildung
promotiert, zu unterdrücken. Wasserdampf reduziert zusätzlich die Foulingprozesse der
Röhren, die durch Reaktion des Metalls mit dem Koks herrühren, in dem er die Bildung von
Metallcarbonylen verhindert. Bei der Wasserdampfmenge ist ebenfalls ein wirtschaftliches
Optimum einzuhalten, da mit wachsendem Verhältnis Wasserdampf/Kohlenwasserstoff zwar
die Wertprodukte relativ zunehmen und die Verkokungsgeschwindigkeit sinkt, andererseits
der Wasserdampf aber Reaktorvolumen „blockiert“ und zusätzliche Heiz- und Kühlenergie
erfordert.
4.3.3 Einfluss der Temperatur
Bei Temperaturen ab etwa 400 °C werden Kohlenwasserstoffketten zunächst bevorzugt in der
Mitte gespalten. Mit steigender Temperatur verschiebt sich die Spaltung zum Kettenende, so
dass vermehrt niedere Alkene gebildet werden. In der Technik werden Pyrolysetemperaturen
zwischen 700 °C und 900 °C angewandt, da die Ausbeute für die meisten Alkene in diesem
Temperaturbereich (bei ansonsten konstanten Bedingungen) ein Maximum durchläuft
(Abbildung 4-6).
Abbildung 4-6: Einfluss der Cracktemperatur auf die Spaltgaszusammensetzung (Naphtha-Spaltung)
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 59 -
Die höchsten Ausbeuten an Ethen und Propen werden bei Spalttemperaturen zwischen 800 °C
und 850 °C erreicht. Bei höherer Temperatur erhöht sich die Konzentration der Radikale, so
dass sich auch die Crackgeschwindigkeit erhöht.
4.3.3.1 Einfluss der Verweilzeit
Neben der Temperatur hängen die Lage und die Maxima der Alkenausbeuten wesentlich von
der Verweilzeit im Röhrenofenreaktor ab (Abbildung 4-7).
Abbildung 4-7: Einfluss der Verweilzeit u. der Temperatur auf die Ethenausbeute (Naphtha-Spaltung)
Bei kurzer Verweilzeit überwiegen die Primärreaktionen, die zu den gewünschten Produkten
führen; bei längerer Verweilzeit kommen Sekundärreaktionen wie z. B. Oligomerisierung und
Koksabscheidung zum Zuge, die die Bildung weniger wertvoller Spaltprodukte begünstigen.
4.3.4 Kinetic Severity Function (KSF)
Temperatur und Verweilzeit stellen die wichtigsten Einflussgrößen des Pyrolyseprozesses dar.
Die Temperaturerhöhung bewirkt einen Anstieg der Reaktionsgeschwindigkeit und damit
einen höheren Umsatz, wodurch die Bildung des kinetisch und thermodynamisch bevorzugten
Zielproduktes Ethen begünstigt wird. Andererseits erhöht eine Steigerung der Temperatur
Aufbau- und Verkokungsreaktionen. Folglich muss die Verweilzeit des Reaktionsgases
verkürzt werden. In der Technik unterscheidet man zwei Verfahren der Naphtha-Pyrolyse:
- low severity: T = 800 °C = 1 s
- high severity: T = 900 °C = 0,5 s
Der Einfluss der Verweilzeit und der Temperatur auf die Produktbildung der Pyrolyse wird
durch die Crackschärfe beschrieben und über die „Kinetic Severity Function (KSF)“ definiert:
Die Ausbeute an Ethen steigt mit der KSF bis zu einem Sättigungswert von circa 30 % an.
Eine Erhöhung der Crackschärfe bewirkt keine Steigerung der Ausbeute (siehe Abbildung
4-8).
t
0t
d)T(kKSF
4.4 Wirtschaftliche Aspekte
- 60 -
Abbildung 4-8: Kinetic Severity Function
4.4 Wirtschaftliche Aspekte
Eine Betrachtung der Produktzusammensetzung der Naphtha-Spaltung zeigt, dass weniger als
die Hälfte des eingesetzten Rohbenzins beim Cracken in Ethen oder Stoffe, die als
Energielieferant für den Steamcracker selbst dienen können, umgewandelt wird. Der
überwiegende Teil erscheint in Form von Nebenprodukten. Damit wird ersichtlich, dass die
Wirtschaftlichkeit des Prozesses nicht nur von der Spaltschärfe und vom Erlös der
Ethenderivate abhängt, sondern maßgeblich von den Gutschriften der Nebenprodukte
bestimmt wird.
4.5 Technische Durchführung
Die Arbeitsweise der Naphtha-Pyrolyse lässt sich in vier Einzelschritte unterteilen:
1. Naphtha-Spaltung im Röhrenöfen
2. Quenchen, d. h. „Abschrecken“ des Spaltgases
3. Rohgasverdichtung und Reinigung (Gaswäsche)
4. Trocknung, Kühlung und Destillation
Diese Einzelschritte werden in einer Steamcrackeranlage (Abbildung 4-9) durchgeführt.
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 61 -
Abbildung 4-9: Steamcracker der BASF
4.5.1 Spaltung des Naphthas in Röhrenöfen
Moderne Spaltrohröfen zeichnen sich durch sehr kurze Verweilzeiten von 0,1 bis 0,5 s und
Gastemperaturen von bis zu 880 °C am Ende der Crackschlange aus. Das verdampfte Naphtha
wird mit überhitztem Wasserdampf vermischt, auf 600 °C erwärmt und in der 20 m bis 70 m
langen und 40 mm bis 100 mm weiten Rohrschlange auf etwa 840 °C gebracht. Die Rohre
werden durch seitlich und/oder am Boden des Spaltofens angebrachte Gasbrenner beheizt;
durch die direkte Verbrennung von Gas werden die Rohre an der heißesten Stelle auf circa
1200 °C erhitzt. Im Strahlungsraum eines Ofens sind je 6 bis 8 Schlangen senkrecht
angeordnet. Der Ofenteil eines Steamcrackers besteht aus parallel geschalteten Einheiten mit
Kapazitäten von 40000 t/a bis 120000 t/a Ethen. Die Massenanteile der Einzelkomponenten
des so gewonnenen Spaltgases sind in Gewichtsprozent in Tabelle 4-4 dargestellt.
4.5 Technische Durchführung
- 62 -
Tabelle 4-4: Produktausbeuten bei der Naphthaspaltung
4.5.2 Quenchen (Abkühlen)
Die heißen Spaltgase werden unmittelbar nach dem Verlassen der Crackstrecke innerhalb
kürzester Zeit so weit gequencht, dass eine Rekombination der kleineren Spaltprodukte zu
größeren Molekülen weitgehend verhindert wird. Die Temperatur wird zunächst indirekt
durch Quenchkühler auf 400 °C abgesenkt und dann direkt durch Einspritzen von Öl auf
200 °C gebracht. Die Kühler liefern im indirekten Wärmeaustausch zwischen dem Spaltgas
und Speisewasser Hochdruckdampf, der zum Antrieb der Gaskompressoren genutzt wird. Das
Spaltgas der Öfen wird in einer Sammelleitung vereinigt und dann weiter aufgearbeitet.
4.5.3 Verdichtung und Reinigung
Mittels stufenweiser Kühlung in Öl- und Wasserwäschen werden Rückstandsöl, Teile des
Pyrolysebenzins und das Prozesswasser auskondensiert. In einer Strippkolonne wird das
Wasser von organischen Bestandteilen befreit, in Dampf umgewandelt und wieder als
Verdünnungsmittel den Spaltöfen zugeführt.
Aus wirtschaftlichen Gründen wird das Rohgas vor der bei tiefen Temperaturen erfolgenden
destillativen Trennung in einem fünfstufigen Turboverdichter von 1,3 bar auf 32 bar
komprimiert (Abbildung 4-10). Die Verdichtung erfolgt in 5 Stufen mit Zwischenkühlung,
um eine Temperatur von 95 °C nicht zu überschreiten (Vermeidung der Bildung von
Polymerisaten).
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 63 -
Abbildung 4-10: Einfaches Schema eines Steamcrackers (Spaltung, Kühlung, Verdichtung)
Bei jeder einzelnen Stufe fällt Pyrolysebenzin als Kondensat aus. Zwischen der vierten und
fünften Stufe der Rohgaskompression werden Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid durch
eine Wäsche mit 1 % bis 5 %iger Natronlauge aus dem Gemisch entfernt (Sauergaswäsche).
Diese Verunreinigungen dürfen in den Endprodukten nicht enthalten sein (Warum nicht?).
4.5.4 Trocknung, Kühlung und Destillation
Über ein Molsieb wird bis zu einem Taupunkt von mindestens -60 °C getrocknet, um das
Wasser aus dem Rohgas zu entfernen; so wird verhindert, dass die nachfolgende Tieftempera-
turdestillation durch Eisbildung gestört wird. Durch zwei Kältekreisläufe wird das getrocknete
Rohgas stufenweise auf -160 °C abgekühlt und in mehreren Kolonnen in einzelne Fraktionen
zerlegt. Dabei erfolgt im so genannten C2/C3-Splitter die Trennung in ein C2- und
C3+-Gemisch. Abbildung 4-11 zeigt ein Fließschema der Trennschritte.
Abbildung 4-11: Aufarbeitung der Rohgase aus dem Steamcracker
4.6 Kinetische Analyse nichtisothermer Daten
- 64 -
Die Reinheitsanforderungen an die Endprodukte bestimmen die Trennschärfe und damit
verbunden die Investitions- und Betriebskosten der Destillationskolonnen. Reinheiten für
Ethen von 99,95 % und für Propen von 99,9 % sind für eine anschließende Polymerisation
unbedingt notwendig.
4.6 Kinetische Analyse nichtisothermer Daten
Kinetische Untersuchungen lassen sich relativ einfach für Reaktionen in Reaktoren mit einem
isothermen Temperaturprofil durchführen. In einigen Fällen lässt sich ein isothermes
Temperaturprofil nicht realisieren. Die thermische Spaltung von Kohlenwasserstoffen, wie sie
in diesem Versuch durchgeführt wird, stellt ein typisches Beispiel für diesen Sachverhalt dar.
Die Auswertung und Berechnung kinetischer Daten solcher Reaktionen mit einem
nichtisothermen Temperaturprofil erweist sich als kompliziert und nur numerisch durchführ-
bar. Das nichtisotherme Temperaturprofil entsteht aus verschiedenen Gründen: Das
Reaktionsgemisch hat am Reaktoranfang noch nicht die Reaktionstemperatur bzw. kann nicht
„unendlich“ schnell auf die gewünschte Temperatur gebracht werden, die Heizung selbst
arbeitet nicht homogen und die Wärmetönung der Reaktion beeinflusst die Temperaturvertei-
lung. Im Gegensatz zu einer katalytischen Reaktion gibt es bei thermischen Reaktionen
grundsätzlich keine eindeutige Trennung zwischen der Aufheizzone und dem eigentlichen
Reaktionsraum.
Um mit solchen experimentellen Vorgaben dennoch eine kinetische Auswertung der
Versuchsdaten durchführen zu können, lassen sich verschiedene Wege beschreiten. Ein
Verfahren ist das Konzept des Äquivalentreaktorvolumens von Hougen und Watson, das hier
benutzt werden soll. Dieses Konzept erlaubt es, Daten aus nichtisothermen Reaktionen durch
bestimmte Vereinfachungen kinetisch auszuwerten. Zum einen werden die Ergebnisse
wiederum auf isothermes Verhalten zurückgeführt und zum anderen wird nur noch die
Temperaturabhängigkeit der Parameter berücksichtigt. Man kann dieses Verfahren als eine
pseudoisotherme Analyse betrachten.
Das Äquivalentreaktorvolumen ist als das Volumen definiert, in dem bei der konstanten
Bezugstemperatur TR der gleiche Umsatz Uj der Verbindung j erreicht wird wie im
verwendeten nicht isothermen Reaktor.
(4-1)
Für den Umsatz eines Kohlenwasserstoffs j im realen Rohrreaktor gilt mit der Temperatur Tx
an der Stelle x des Reaktors und der Reaktionsgeschwindigkeit r(T):
(4-2)
Analog wird der Umsatz für den isothermen Reaktor (T = konstant) berechnet:
(4-3)
Für die Reaktionsgeschwindigkeit r(T) gilt mit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k(T)
und unter Einbeziehung des Arrhenius´schen Ansatzes:
isotherm,jreal,j UU
XV
0
xx
ein,j
real,j dV)T(rn
1U
RV
0
RR
ein,j
isotherm,j dV)T(rn
1U
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 65 -
(4-4)
Die Funktion f(ci,cj) hängt von der Reaktionsordnung der Komponenten i und j ab. Die
geringe Temperaturabhängigkeit der Konzentrationen wird vernachlässigt. Aus den
Gleichungen (4-1), (4-2) und (4-3) folgt:
(4-5)
Umformung ergibt:
(4-6)
Gl. (4-6) gibt das Volumen des isothermen Reaktors an, der den gleichen Umsatz liefert wie
der reale Reaktor. V ist das Produkt aus Fläche und Länge des Reaktors. Die Grundfläche F
beider Reaktoren ist gleich. Daher kann man über die Länge integrieren und man erhält:
(4-7)
Integration liefert die endgültige Gleichung:
(4-8)
Der Wert für das Äquivalentreaktorvolumen VR bzw. für die Äquivalentreaktorlänge LR gilt
jedoch nur für eine bestimmte Reaktion. Im Praktikumsversuch wird vereinfacht angenom-
men, dass EA und somit der ermittelte Wert VR für alle ablaufenden Reaktion gleich ist.
Bei kinetischen Untersuchungen ist es häufig der Fall, dass Aktivierungsenergien nicht
bekannt sind. Mit dem Konzept des Äquivalentreaktorvolumens kann in einem „Trial-and-
Error-Verfahren” ein Wert für EA abgeschätzt werden: Zunächst wird ein Startwert für EA
angenommen und mit diesem Wert sowie dem gemessenen Temperaturprofil dann VR mittels
grafischer oder numerischer Integration berechnet. Daraus wird die Geschwindigkeitskonstan-
te berechnet. Aus Versuchen auf unterschiedlichem Temperaturniveau erhält man mehrere
Werte und mit der Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante nach Arrhenius
erhält man dann einen Wert für EA. Stimmt dieser Wert nicht mit dem Startwert für EA
überein, der für die Berechnung von VR eingesetzt wurde, dann muss das Verfahren
wiederholt werden, bis eine gute Übereinstimmung erzielt wird.
4.7 Aufgabenstellung
Es sind Crackversuche bei unterschiedlichen Temperaturen und Verweilzeiten durchzuführen,
die vom Assistenten angeben werden. Als Verdünnungsgas wird anstatt von Wasserdampf
Stickstoff verwendet. Die Ausbeuten und Umsätze bezogen auf die Massenströme des
Ausgangsstoffes sollen berechnet und diskutiert werden. Des Weiteren wird eine Berechnung
des Äquivalentreaktorvolumens durchgeführt und der erhaltene Wert mit der Länge des realen
Reaktors verglichen und diskutiert.
RT
E
oijij
a
ek)c,c(f)T(k)c,c(f)T(r
X
V
0
RT
EV
0
R
RT
E
dVedVeX
X
AR
R
A
X
Rx
AV
0
X
T
1
T
1
R
E
R dVeV
X
RX
aL
0
T
1
T
1
R
E
RR dLeFLFV
X
T
1
T
1
R
E
R LeL XR
a
4.8 Versuchsdurchführung und Beschreibung der Anlage
- 66 -
4.8 Versuchsdurchführung und Beschreibung der Anlage
Die Versuchsapparatur (Abbildung 4-12) lässt sich in die drei Hauptteile einteilen.
Abbildung 4-12: RI - Fließbild der Versuchsapparatur
Gasdosierung und Sättiger: Der Stickstoff wird über die Hausleitung aus einer handelsübli-
chen Druckgasflasche entnommen und mit Massendurchflussreglern in die Anlage
eingespeist. Der bei Raumtemperatur flüssige Kohlenwasserstoff n-Heptan wird als
Modellkomponente in der Naphtha-Pyrolyse über den beheizten Sättiger zudosiert, der mit
Stickstoff als Trägergas durchströmt wird. Nach den Sättigern sind alle Rohrleitungen bis zu
den Kühlfallen beheizt (ca. 200 °C). Alle Gasströme werden zusammengeführt und entweder
in den Reaktor oder zur Analyse des Einsatzgases über eine Bypassleitung um den Reaktor
geleitet.
Reaktor: Der Reaktor der Versuchsanlage besteht aus Edelstahl und wird von oben nach
unten durchströmt. Im Reaktor befindet sich zur Messung des Temperaturprofils ein
Thermoelementführungsrohr. Der Reaktor wird von außen in einem Bereich von etwa 30 cm
durch einen elektrischen Rohrofen beheizt.
Analytik: Die quantitative und qualitative Bestimmung der Kohlenwasserstoffe erfolgt durch
Gaschromatographie und Gasanalyse. Der austretende, heiße Gasstrom wird zum Teil durch
eine mit Eis und eine mit Trockeneis gekühlte Kühlfalle geleitet. Hierdurch werden die
flüssigen von den gasförmigen Bestandteilen abgetrennt. Die analytische Bestimmung der
gasförmigen Verbindungen (CO, CO2, CH4, H2) erfolgt dann in der Gasanalyse.
Der andere Teil des Gasstroms wird über eine beheizte Rohrleitung zum Onli-
ne-Gaschromatographen geführt. Aus den Chromatogrammen erhält man dann die relativen
Anteile der gebildeten Kohlenwasserstoffe zueinander. Hieraus können bei Kenntnis des
Volumenstromes der Kohlenwasserstoffe die Volumenanteile der einzelnen Komponenten im
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 67 -
Produktgasstrom ermittelt werden. Aus diesen Daten wiederum lassen sich die Massenströme
der einzelnen Verbindungen erhalten.
Abbildung 4-13: Aufbau der Praktikumsanlage
Versuchsdurchführung: Mit Hilfe des Assistenten werden die gewählten Parameter
eingestellt und die Anlage angefahren. Bis die Betriebsparameter erreicht werden, wird
über den Bypass der gewählte Stickstoffstrom durch den Reaktor geleitet. Nachdem durch die
Rohr- und Sättigerheizungen die entsprechenden Betriebstemperaturen erreicht wurden und
der Volumenstrom des Stickstoffes sowie der Systemdruck eingestellt sind, wird vom Bypass
auf den Sättiger umgestellt und das Eduktgas durch den Reaktor geleitet. Nach Erreichen des
stationären Zustandes (typischerweise nach 20 Minuten) wird der Volumenstrom am Ausgang
des Reaktors mit einem Seifenblasenströmungsmesser gemessen. Nach weiteren circa
zwanzig Minuten (abhängig von den gewählten Parametern) werden eine Gasprobe sowie
eine Flüssigprobe entnommen und gaschromatographisch analysiert. Danach werden die
neuen Parameter eingestellt und wie beschrieben verfahren.
Die Messung des Temperaturprofils erfolgt mit einem Thermoelement, welche in Abständen
von einem Zentimeter in dem Thermoelementführungsrohr des Reaktors gemessen werden.
4.9 Versuchsauswertung
- 68 -
4.9 Versuchsauswertung
4.9.1 Berechnung der Verweilzeit I:
Die Verweilzeit des Gasstromes im Reaktor berechnet sich nach:
(4-9)
mit VReaktor= Volumen des Rohrreaktors
und = Volumenstrom des Gasstromes bei den Betriebsbedingungen
(4-10)
4.9.2 Berechnungen der Massenströme:
4.9.2.1 Berechnung des n-Heptan-Volumenstromes
Zur Berechnung des n-Heptan-Volumenstromes ist die Kenntnis des Sattdampfdrucks des
n-Heptans bei der jeweiligen Sättigertemperatur notwendig. Dieser lässt sich mit Hilfe der
Antoine-Gleichung
(4-11)
berechnen.
Hierbei gelten für die Antoine-Konstanten im Falle des n-Heptans folgende Werte:
Unter der Voraussetzung, dass sich die Gase ideal verhalten, gilt für den Volumenstrom an
n-Heptan, der den Sättiger verlässt und in den Reaktor eintritt, folgende Gleichung:
(4-12)
mit:
pges : Gesamtdampfdruck der Anlage in bar
pn-Heptan(Tsätt): Sattdampfdruck von n-Heptan bei der Sättigertemperatur in bar
: n-Heptan-Volumenstrom am Sättigerausgang in l/h
: Stickstoff-Volumenstrom, der den Sättiger durchströmt
: Gesamtvolumenstrom in l/h
.
Re
B
aktor
V
V
B
.
V
n
B
B
ngesnB
T
T
p
pVV ,
..
])/[(]/[log10
KTC
BAbarp
sätt
tanHepn
199,56C
636,1268B
02832,4A
tanHepn
tanHepn
tanHepn
2
...
1)(
1)(N
sätttanHepn
ges
ges
ges
sätttanHepntanHepn V
Tp
pV
p
TpV
tanHepn
.
V
2N
.
V
ges
.
V
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 69 -
4.9.2.2 Berechnung der Massenströme
Für die Massenströme im Reaktor gilt, wobei der Wasserstoff vernachlässigt wird:
(4-13)
mit : Massenstrom n-Heptan (g/h)
: eingestellter Massenstrom N2 (g/h)
: Massenstrom flüssige Kohlenwasserstoffe (g/h)
: Massenstrom der Kohlenwasserstoffe in der Gasphase (g/h)
: Massenstrom N2 am Reaktorausgang (g/h)
: Im Reaktor gebildete Koksmenge (kg)
: Versuchszeit (h)
Weiterhin gilt:
(4-14)
Hieraus lässt sich der Volumenstrom der gebildeten gasförmigen Kohlenwasserstoffe
berechnen und mit Hilfe der Gaschromatogramme lassen sich mit der Annahme idealen
Verhaltens der Gase die Massenströme der Produktgase berechnen.
4.9.2.3 Quantitative Analyse mittels Gaschromatogramm
Um eine quantitative Aussage über die Produktverteilung machen zu können, ist die
Auswertung des Gaschromatogramms eine geeignete Möglichkeit.
Abbildung 4-14: Chromatogramm des Produktspektrums der Steamcracker Praktikumsanlage
KoksVnaus,fl,KW,iaus,gas,KW,iVNeintan,Hepn mt)mmm(t)mm(22
ein,Hnm
ein,N2m
aus,flRe,m
aus,Gas,KWm
aus,N2m
Koksm
Vt
gas,aus,KW,i
.
Naus,ges
.
VVV2
4.9 Versuchsauswertung
- 70 -
Dazu liefert die Messung den in Tabelle 4-5 gezeigten Datensatz:
Tabelle 4-5: Messwerte Gaschromatographie
Retentionszeit Area (mV.s) Heigh (mV) Area (%) Heigh (%)
4,322 218,158 167,872 13 14,2
4,358 1080,349 767,751 64,2 64,9
4,513 206,977 151,215 12,3 12,8
4,632 7,745 4,289 0,5 0,4
4,915 11,296 9,375 0,7 0,8
4,948 86,51 56,737 5,1 4,8
6,928 16,863 7,651 1 0,6
10,993 35,35 12,09 2,1 1
Total 1681,875 1183,301 100 100
Ohne weitere Information ist dieser allerdings wenig aufschlussreich. Durch das Vermessen
von Standards, in denen ein genau definiertes Gasgemisch vorliegt, ist es möglich ohne
weitergehende Bestimmung der Stoffzusammensetzung des Produktes (z.B. über Massen-
spektroskopie, Elementaranalyse oder Thermogravimetrie) eine qualitative und quantitative
Aussage zur Produktverteilung zu machen.
Unter Kenntnis des jeweils eingespritzten Volumens, des idealen Gasgesetztes und der
Tatsache, dass bei einer Messung durch einen Flammenionisationsdetektor (FID) pro
oxidiertes Kohlenstoffatom eine „Signaleinheit“ registriert wird, ist es möglich die
Massenanteile der verschiedenen Komponenten zu berechnen. Die entsprechenden Daten zur
Berechnung erhalten Sie am Versuchstag vom Betreuer.
4.9.3 Bestimmung des Äquivalentreaktorvolumens:
Die Bestimmung der Äquivalentreaktorlänge bzw. des Äquivalentreaktorvolumens erfolgt
graphisch. Hierfür ist es notwendig, das reale Temperaturprofil des Reaktors zu messen. Die
gemessene Temperatur TX am Ort LX wird folglich gegen die Reaktorlänge L in einem
Diagramm aufgetragen. Aus diesem Diagramm ermittelt man die Bezugstemperatur TR. Zur
Berechnung des Äquivalentreaktorvolumens bzw. der Äquivalentreaktorlänge trägt man in
einem weiteren Diagramm gegen die Reaktorlänge LX auf.
Die Fläche unter der erhaltenen Funktion wird ermittelt. Hieraus wird über der Bezugstempe-
ratur TR eine Rechteckfläche gleichen Flächeninhalts gespannt. Diese Fläche ist gleich der
Fläche, die einem idealen Temperaturprofil bei der konstanten Bezugstemperatur TR
RX
AX
TTR
ETy
11exp)(
4. Naphtha-Pyrolyse nach dem Steamcracker-Verfahren
- 71 -
entspricht. Aus dieser Rechteckfläche lassen sich direkt die Äquivalentreaktorlänge und das
Äquivalentreaktorvolumen bestimmen.
Berechnen sie unter der Voraussetzung des Äquivalentreaktorvolumens noch einmal die
Verweilzeit. Diskutieren Sie die Ergebnisse!
Temperaturprofil
670
680
690
700
710
720
730
740
0 10 20 30 40 50 60
Reaktorlänge in cm
Tem
pera
tur
in °
C
Äquivalentreaktorvolumen
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
0 10 20 30 40 50 60
Reaktorlänge in cm
exp
(-E
A/R
* (1
/TX-1
/TR)) real
isotherm
5.1 Einleitung
- 72 -
5 Flüssig-Flüssig-Extraktion
5.1 Einleitung
Neben der Rektifikation gehört die Extraktion zu den wichtigsten Prozessen der thermischen
Stofftrennung. Unter Extraktion wird das selektive Herauslösen einer oder mehrerer
Substanzen aus festen oder flüssigen Stoffgemischen mit Hilfe flüssiger Lösungsmittel
verstanden. Die technisch wichtigste Anwendung ist die Flüssig-Flüssig-Extraktion [Sattler
2001].
Die Flüssig-Flüssig-Extraktion beruht auf der unterschiedlichen Löslichkeit des Extraktstoffes
in zwei flüssigen Phasen. Hierbei kann es sich sowohl um einen Feststoff wie um einen
flüssigen Stoff handeln. Voraussetzung muss nur sein, dass sich dieser Stoff in dem
Lösungsmittel besser löst als in der Flüssigkeit, in der der Stoff gelöst ist.
Ein einfaches Beispiel hierfür ist aus der präparativen Chemie bekannt: eine organische
Substanz wird aus einer wässrigen Phase – in der sie synthetisiert wurde – durch mehrfaches
Ausschütteln, z.B. mit Ether, extrahiert.
Die Phase, aus der der Wert- oder Schadstoff (Extraktstoff) extrahiert werden soll, wird als
Abgeber- oder Raffinatphase bezeichnet (vor der Extraktion als Feed). Die Abgeber- oder
Raffinatphase gibt den Extraktstoff an die Aufnehmer- oder Extraktphase ab (vor der
Extraktion als Lösemittel- oder Extraktionsmittel bezeichnet). Nach erfolgter Extraktion wird
der verarmte Feed als Raffinat, das beladene Extraktionsmittel als Extrakt bezeichnet
(Abbildung 5-1).
Abbildung 5-1:Extraktion (schematisch)
Um einen Stoffaustausch zwischen den zwei flüssigen Phasen herbeizuführen, muss eine
möglichst große Phasengrenzfläche geschaffen werden. Zu diesem Zweck muss in der
Extraktionsapparatur eine der zwei Phasen in Tropfen zerteilt werden. Man bezeichnet diese
Phase als disperse Phase, die andere als kontinuierliche Phase.
5. Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 73 -
5.2 Flüssig-Flüssig-Extraktion
5.2.1 Grundlagen
Die Flüssig-Flüssig-Extraktion steht bei Stofftrennprozessen in Konkurrenz zu anderen
thermischen Verfahren, insbesondere der Rektifikation. Da die Extraktion oft bei Umge-
bungsbedingungen mit geringem Energieeinsatz durchgeführt werden kann, kann die Flüssig-
Flüssig-Extraktion eine gute Alternative zur Rektifikation sein. Jedoch muss bei der
Verfahrensauswahl berücksichtigt werden, dass eine zusätzliche Aufbereitung des Extrakti-
onsmittels nötig ist. Tabelle 5-1 zeigt eine Übersicht typischer Anwendungsbereiche der
Flüssig-Flüssig-Extraktion.
Die Flüssig-Flüssig-Extraktion kommt v.a. dann zum Einsatz, wenn temperaturempfindliche
Stoffe abgetrennt werden sollen, die sich bei Temperaturerhöhung verändern oder zersetzen.
Weiterhin wird sie auch zur Abtrennung von hochsiedenden Gemischkomponenten aufgrund
der entsprechend hohen Betriebskosten für eine Rektifikation eingesetzt. Wenn die
Siedepunkte der zu trennenden Stoffe sehr eng beieinander liegen, ist eine effiziente Trennung
durch Rektifikation nur mit großem Aufwand möglich. Aufgrund der hohen Verdampfungs-
enthalpie von Wasser wird die Flüssig-Flüssig-Extraktion häufig zur Abtrennung unterschied-
lichster Stoffe aus wässrigen Lösungen eingesetzt, z.B. für die Abtrennung von Hochsiedern
aus Wasser (Phenol) sowie die Abtrennung von organischen Säuren und Basen oder
Metallsalzen aus wässrigen Lösungen. Eine große Bedeutung hat die Flüssig-Flüssig-
Extraktion auch für die Abtrennung geringkonzentrierter Stoffe aus Gemischen, da hier eine
destillative Trennung zu aufwändig wäre. Die Flüssig-Flüssig-Extraktion findet daher
verstärkt Anwendung im Bereich des Umweltschutzes, z.B. bei der Abwasserreinigung.
Tabelle 5-1: Typische Anwendungsfälle der Flüssig-Flüssig-Extraktion
Temperaturempfindliche Stoffe
Abtrennung hochsiedender Komponenten
Azeotrope Gemische
Geringe Siedepunktsdifferenz
Abtrennung gering konzentrierter Stoffe
Entwässerung organischer Flüssigkeiten
Abtrennung unterschiedlicher Stoffe aus wässrigen Lösungen
5.2.2 Auswahl des Extraktionsmittels
Die Wahl des Extraktionsmittels bei der Konzeption und Auslegung von Extraktionsprozes-
sen entscheidet letztlich über die Konkurrenzfähigkeit des Verfahrens. Die Extraktionsmittel-
auswahl wird durch verschiedene Faktoren und Anforderungen beeinflusst, die in Tabelle 5-2
zusammengefasst sind.
Tabelle 5-2: Anforderungen an Extraktionsmittel
5.2 Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 74 -
Thermodynamische Faktoren
Physikalisch-chemische
Faktoren
Administrativ-logistische
Kriterien
Verteilungskoeffizient
Selektivität
Mischbarkeit
Thermische Stabilität
Chemische Stabilität
Siedepunkt
Verdampfungsenthalpie
Azeotropbildung
Grenzflächenspannung
Dichte
Viskosität
Korrosivität
Spezifische Wärmekapazi-
tät
Preis
Verfügbarkeit
Toxizität
Sicherheitsmaßnahmen
Umweltbelastungen
Integration in den
Gesamtprozess
Beispielhaft sei hier das AREX-Verfahren zur Gewinnung der BTX-Aromaten (Benzen,
Toluen, Xylen) aus Erdöl-Reformatschnitten und hydroraffinierten Pyrolysebenzin-Fraktionen
genannt. Als Extraktionsmittel mit hoher Selektivität und Lösefähigkeit wird eine Kombinati-
on von N-Methyl-ε-caprolactam (NMC) und Ethylenglykol verwendet. Das Verfahren
zeichnet sich neben dem geringen Energieeinsatz durch seine geringen spezifischen
Lösemittelverluste sowie die gute thermisch-chemische Stabilität und nichtkorrosive Wirkung
des Extraktionsmittelgemisches im Dauerbetrieb aus.
5.2.3 Bauformen von Extraktionsapparaten
Um den Stoffaustausch zwischen zwei Phasen zu ermöglichen, muss eine der beiden Phasen
dispergiert werden. Nach erfolgtem Stoffaustausch muss die disperse Phase wieder
koaleszieren, um die beiden Phasen wieder voneinander zu trennen. Extraktionsapparate
sollten daher die in Tabelle 5-3 aufgeführten Anforderungen erfüllen.
Tabelle 5-3: Anforderungen an Extraktionsapparate
schnelle Tropfenbildung
enge Tropfengrößenverteilung
große Phasengrenzfläche
homogene Tropfenverteilung in der kontinuierlichen Phase
Vermeidung vorzeitiger Koaleszenz
Die bekanntesten industriellen Extraktionsapparate sind:
- Mixer-Settler-Kaskaden
- Zentrifugalextraktoren
- Füllkörper-, Rühr-, und Drehscheibenkolonnen
Bei den meisten Extraktionsproblemen ist die Beladung der Trägerflüssigkeit vorgegeben,
und ein gutes Ausbringen an dem zu gewinnenden Extraktstoff oder eine Mindestreinheit des
Raffinats wird gefordert. Das Ziel soll mit möglichst geringem Lösungsmittelverbrauch in
einer relativ einfachen Apparatur erreicht werden. Da sich zwischen Extrakt und Raffinat ein
Verteilungsgleichgewicht einstellt, wird nur in seltenen Fällen die gewünschte Trennung in
5. Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 75 -
Apparaten mit nur einer einzigen Extraktionsstufe erreicht, meist sind mehrere Stufen
erforderlich. Heute wird in der Technik oft in kontinuierlich betriebenen Gegenstromappara-
ten extrahiert. Es sind dies entweder Kolonnen mit oder ohne Einbauten (Siebböden,
Füllkörper, Glockenböden usw.) oder hintereinander geschaltete Mischer und Absetzer (engl.
mixer-settler). Jedem Mischer ist ein Absetzer zugeordnet. Im Mischer erfolgt der Stoffaus-
tausch. Im Absetzer trennen sich die schwere und die leichte Phase aufgrund ihrer Dichteun-
terschiede. Die Hintereinanderschaltung mehrerer Mischer-Absetzer-Apparate wird als
Mixer-Settler-Batterie (Mischer-Scheider-Batterie, Abbildung 5-2) bezeichnet. Mischer und
Scheider werden so dimensioniert, dass sich im Ersteren praktisch ein Gleichgewicht einstellt
und sich im Letzteren die Phasen möglichst vollständig trennen, um eine Rückvermischung
zu vermeiden.
Eine wesentliche Vereinfachung im Aufbau von Mischer-Scheider-Batterien wird durch die
Zusammenfassung mehrerer Mischer-Scheider zu einer apparativen Einheit erreicht. Eine
besonders raumsparende Anordnung für große Durchsätze ist der Lurgi-Turmextraktor (LTE),
in dem mehrere Mixer-Settler-Stufen senkrecht übereinander angeordnet sind. Anlagen dieser
Bauart sind nicht nur auf wenige Stufen beschränkt, die bisher größte Anlage enthält in einer
Einheit 30 Stufen. Ein besonders großer Vorteil des Mixer-Settler-Prinzips besteht darin, dass
die Maßstabvergrößerung im Vergleich zu anderen Extraktionsapparaten weniger problema-
tisch ist (numbering-up). Von Nachteil kann unter Umständen die große Zahl von Pumpen
(für jede Stufe eine) sein, zumal ein Turmextraktor schon beim Ausfall einer einzigen Pumpe
nicht mehr arbeitet.
Abbildung 5-2: Die Mixer-Settler-Batterie (Aufsicht)
5.3 Theoretischer Teil
5.3.1 Der Nernstsche Verteilungssatz
Bei konstanter Temperatur und konstantem Druck gilt für die Verteilung eines gelösten
Stoffes zwischen zwei nicht mischbaren Phasen die Gleichgewichtsbeziehung
rμsμ ii (5-1)
5.3 Theoretischer Teil
- 76 -
Dabei bezeichnet µi(s) das chemische Potential des Stoffes i in der Solvensphase, µi(r)das
Potential des Stoffes i in der Raffinatphase. Mit
(5-2)
erhält man
(5-3)
und
Kera
saRT
sr
i
iii00
(5-4)
Die Aktivität a des Stoffes i kann in hinreichend verdünnten Lösungen durch den Molenbruch
ersetzt werden und man erhält
(5-5)
Diese Gleichung bezeichnet man auch als Nernstsches Verteilungsgesetz, welches besagt,
dass das Verhältnis der Konzentration eines Stoffes in zwei flüssigen Phasen konstant ist. Im
Idealfall ist K unabhängig von der Stoffkonzentration und auch bei mehrstufigen Extraktionen
konstant.
Die zugehörige Kurve, die Verteilungsfunktion, ist eine Gerade. Die Konstante lässt sich
durch eine einzige Messung ermitteln. Meist wird aber bei höheren
Extraktstoffkonzentrationen die Konstante K konzentrationsabhängig.
Bei technischen Extraktionsproblemen arbeitet man nicht mit der Konzentration, sondern mit
der Beladung des Extraktionsmittels
(5-6)
und der Beladung der Trägerflüssigkeit
(5-7)
Es = Masse an Extraktstoff im Extraktionsmittel
Er = Masse an Extraktstoff in der Trägerflüssigkeit
S = Masse des Extraktionsmittels
R = Masse der Trägerflüssigkeit.
5.3.2 Das McCabe-Thiele-Diagramm
Die Herabsetzung der Beladung der Trägerflüssigkeit, die mit einer n-stufigen (im Beispiel
n = 4) Extraktionsbatterie oder Extraktionskolonne erzielt werden kann, lässt sich nach dem
Verfahren von McCabe-Thiele auf graphischem Wege ermitteln, unter der Voraussetzung,
ralnRTrsalnRTs i
0
ii
0
i
.constRT
sr
ra
saln
0
i
0
i
i
i
Krx
sx
i
i
S
EY s
R
EX r
5. Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 77 -
dass in jeder Stufe die Gleichgewichtseinstellung erreicht wird. Weiterhin kann die Zahl der
theoretischen Trennstufen eines Extraktionsapparates ermittelt werden, wodurch ein
Vergleich verschiedener Apparate möglich ist.
Handelt es sich um nicht ideale Systeme, bei denen die gegenseitige Löslichkeit von
Aufnehmer und Abgeber nicht zu vernachlässigen ist, muss die Ermittlung der Trennstufen-
zahl mittels eines Dreiecksdiagramms erfolgen.
Die Gleichgewichtsbedingungen liegen wie bereits erwähnt auf der Verteilungsfunktion. In
Abbildung 5-3 ist das die Funktion l. In diesem Diagramm wird die Beladung des Extrakti-
onsmittels (Y) gegen die Beladung der Trägerflüssigkeit (X) aufgetragen.
Abbildung 5-3: Arbeitsweise einer ideal arbeitenden Extraktionsbatterie (dient auch zur Veranschauli-
chung der Arbeitsweise einer Extraktionskolonne)
Wir stellen zunächst die Stoffbilanz für den Extraktstoff auf:
Der Abgeberstrom sei R´ und der Aufnehmerstrom S´. Die Stoffbilanz des Extraktstoffes ist
dann, da in jeder Austauschstufe Massenkonstanz besteht, für die
1. Stufe: R´Xa + S´Y2 = R´X1 + S´Ye
2. Stufe: R´X1 + S´Y3 = R´X2 + S´Y2
3. Stufe: R´X2 + S´Y4 = R´X3 + S´Y3
4. Stufe: R´X3 + S´Ya = R´Xe + S´Y4
Daraus ergibt sich nach Umformen:
(5-8)
S
R
YX
YY
YX
YY
YX
YY
XX
YY
e3
a4
32
43
21
32
1a
2e
5.4 Das Dreiecksdiagramm
- 78 -
Aus dieser Gleichung folgt, dass alle Punkte (Xn;Yn+1) auf einer Geraden liegen müssen,
deren Anstieg tan = R / S ist. Man nennt diese Gerade Bilanz- der Arbeitsgerade. Sie hat
folgende Form:
Y = (R´/S´) X + (Ya – (R´/S´) Xe) (5-9)
Diese Arbeitsgerade wird durch die Stoffbilanz bzw. durch die Konzentration der den
Bilanzraum verlassenden Ströme festgelegt. Als Bilanzraum wird der Ort des Stoffaustau-
sches bezeichnet.
Zeichnet man nun einen Treppenzug von Xa ausgehend zwischen Gleichgewichts- und
Arbeitsgerade, bedeutet jede Stufe eine theoretische Bodenzahl. Die letzte Stufe soll über dem
Wert Ye enden. Die Höhe dieser letzten Stufe sowie die Strecke s zwischen der
Extraktkonzentration und dem Anfang der letzten Stufe werden gemessen.
Die theoretische Bodenzahl des Extraktionsapparates ergibt sich aus der Anzahl g der ganzen
Stufen plus dem Quotienten s/h (Abbildung 5-4).
Abbildung 5-4: Ermittlung der theoretischen Bodenzahl nach McCabe-Thiele
5.4 Das Dreiecksdiagramm
Sind die beiden flüssigen Phasen teilweise ineinander löslich, dann verwendet man zur
Darstellung der Gleichgewichtsverhältnisse Dreiecksdiagramme. Jede Ecke des gleichseitigen
Dreiecks entspricht einem reinen Stoff, die Dreiecksseiten kennzeichnen die Mischungen aus
zwei Komponenten (binäre Systeme). Jeder Punkt innerhalb des Dreiecks repräsentiert eine
Mischung aus drei Stoffen (ternäre Systeme).
Zur Durchführung einer Extraktion ist mindestens eine Mischungslücke über einen größeren
Bereich zwischen den beiden Phasen erforderlich. Diese Mischungslücke wird im Dreiecksdi-
agramm durch die Binodalkurve begrenzt. Unterhalb der Binodalkurve zerfallen alle
Mischungen in zwei koexistierende Phasen, die miteinander im Gleichgewicht stehen und
5. Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 79 -
jeweils auf der Binodalkurve liegen. Die Verbindungslinien zwischen diesen Gleichgewichts-
phasen werden als Gleichgewichtslinien oder Konnoden bezeichnet. Oberhalb der
Binodalkurve liegt unbegrenzte Mischbarkeit vor; man befindet sich im einphasigen Gebiet
(s. Abbildung 5-5).
Liegt das Dreiecksdiagramm für ein ternäres Stoffgemisch vor, so kann auch hier graphisch
die erforderliche Stufenzahl für ein gegebenes Trennproblem ermittelt werden. Im Falle einer
Kreuzstromextraktion kann direkt im Dreiecksdiagramm gearbeitet werden, bei einer
Gegenstromextraktion wird eine sog. Polkonstruktion (Polstrahlverfahren, siehe angegebene
Literatur) zu Hilfe genommen.
Abbildung 5-5: Dreiecksdiagramm
Zweiphasengebiet
Einphasengebiet
Konnoden
Binodalkurve
krit. Punkt
P
x(B)
x(
A)
x(C)
A B
C
A – primäres Lösungsmittel (Extraktionsmittel)
B – sekundäres Lösungsmittel (Trägerflüssigkeit)
C – Übergangskomponente
Zweiphasengebiet
Einphasengebiet
Konnoden
Binodalkurve
krit. Punkt
P
x(B)
x(
A)
x(C)
Zweiphasengebiet
Einphasengebiet
Konnoden
Binodalkurve
krit. Punkt
P
x(B)
x(
A)
x(C)
A B
C
A – primäres Lösungsmittel (Extraktionsmittel)
B – sekundäres Lösungsmittel (Trägerflüssigkeit)
C – Übergangskomponente
5.5 Versuchsbeschreibung
- 80 -
5.5 Versuchsbeschreibung
5.5.1 Aufgabenstellung
Es soll die Extraktionsleistung (Wirkungsgrad) einer Labor-Mixer-Settler-Batterie mit 4
praktischen Trennstufen ermittelt werden. Als zu untersuchendes Modellsystem soll ein
schwefelhaltiges Öl (n-Dodekan mit Diphenylsulfoxid) mit Hilfe von Wasser als Extrakti-
onsmittel entschwefelt werden.
5.5.2 Versuchsaufbau
Zur Durchführung des Praktikums wird die kontinuierlich arbeitende Labor-Mixer-Settler-
Anlage MSU-0,5 der Firma MEAB Metallextraktion AB eingesetzt. Die Anlage ist modular
aufgebaut und kann zwei- bis zehnstufig im Gegenstrom betrieben werden. Extraktionsmittel
und Trägerflüssigkeit werden mit Hilfe von Membrankolbenpumpen in die Anlage
eingebracht. In der Anlage wird die schwere, wässrige Phase durch Saugrührer gefördert, die
Ölphase läuft über Überlaufwehre frei durch die Anlage. In Abbildung 5-6 ist eine
Schnittzeichnung durch eine Mixer-Settler-Einheit dargestellt. Jede Einheit besitzt ein
Mischervolumen von 0,12 l und ein Settlervolumen von 0,48 l. Bei den Extraktionsversuchen
werden Proben aus jeder Settler-Einheit sowie am Eingang und am Ablauf entnommen und
mittels Elementaranalyse (Antek NS 9200) untersucht.
Abbildung 5-6: MEAB Mixer-Settler-Anlage: Schnittzeichnung
5.5.3 Versuchsdurchführung
Bestimmung des Verteilungskoeffizienten
Zunächst muss der Verteilungskoeffizient des entsprechenden Systems ermittelt werden.
Dazu wird in einem Extraktionsgefäß ein einfacher Rührversuch durchgeführt. Die
Trägerflüssigkeit (n-Dodecan mit Diphenylsulfoxid) wird vom Assistenten zur Verfügung
5. Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 81 -
gestellt und zusammen mit dem Extraktionsmittel Wasser eingewogen (Verhältnis
Trägerflüssigkeit : Extraktionsmittel = 1:3). Nach 15 min Rühren bei 700 U/min mit dem
Magnetrührer wird die Phasentrennung abgewartet und die Ölphase beprobt. Aus der
Abnahme der Schwefelkonzentration in der Ölphase unter Berücksichtigung der eingewoge-
nen Massen lässt sich der Verteilungskoeffizient ermitteln.
Extraktion in der Mixer-Settler-Batterie
Die Mixer-Settler-Batterie wird wie in Abbildung 5-7 gezeigt an die Pumpen sowie die
Auffangbehälter für Extrakt und Raffinat angeschlossen. Das Verhältnis von Extraktionsmit-
tel zu Trägerflüssigkeit beträgt 1:3. Mit der entsprechenden Pumpenleistung für Trägerflüs-
sigkeit und Extraktionsmittel ist die Mixer-Settler-Batterie zu füllen. Die Rührerleistung der
einzelnen Stufen ist jeweils auf Stufe 7 einzustellen. Beim Anfahren der Extraktionsanlage ist
auf eine gleichmäßige Befüllung mit dem eingestellten Verhältnis von Trägerflüssigkeit und
Extraktionsmittel zu achten. Evtl. muss der Überlauf der schweren Phase per Hand
nachgeregelt werden (die Höhe des Überlaufpunktes kann mit einem Drehgriff reguliert
werden).
Abbildung 5-7: Anlagenschema Mixer-Settler-Batterie
Nach der vollständigen Befüllung der Mixer-Settler-Kaskade und der Einstellung eines
stabilen Zustandes werden Proben der Trägerflüssigkeit am Kaskadeneingang sowie jedem
Überlauf der einzelnen Stufen entnommen.
Für einen zweiten Messpunkt wird die Pumpenleistung um 50 % erhöht und die entsprechen-
den Proben nach Einstellung eines neuen Gleichgewichtszustands entnommen. Alle Proben
werden auf ihren Schwefelgehalt mit Hilfe einer Elementaranalyse hin untersucht.
Am Ende des Versuchs ist die Mixer-Settler-Batterie zu leeren und zu reinigen.
5.5.4 Auswertung
Berechnen Sie den Verteilungskoeffizient nach Nernst sowohl aus der einstufigen Extraktion
als auch aus jeder der Extraktionsstufen im Mixer-Settler.
Extrakt
1 2 43
Pumpe 2
(Wasser)Raffinat
Pumpe 1
(Dodecan mit
Diphenylsulfoxid)
Mixer-Settler-Batterie
5.6 Literatur
- 82 -
Die theoretische Stufenzahl der Anlage soll auf graphischem Weg nach McCabe-Thiele
ermittelt werden. Weiterhin soll der Wirkungsgrad der Anlage für beide Messpunkte
bestimmt werden.
Weitere Fragen:
1. Welche Vor- und Nachteile besitzt eine Mixer-Settler-Batterie im Vergleich mit einer
Siebbodenkolonne.
2. Wie können Sie den Wirkungsgrad der von Ihnen betriebenen Mixer-Settler-Anlage
steigern?
3. Schätzen Sie ab, wie sich die Effektivität der Mixer-Settler-Batterie bei einem Scale-
up verhält.
4. Beschreiben Sie und ermitteln Sie graphisch die erforderliche Stufenzahl für eine
Kreuzstrom- und Gegenstromextraktion für den Fall, dass Trägerflüssigkeit und Ex-
traktionsmittel zu einem gewissen Maße mischbar sind. Tragen Sie die Auswertung in
die beigefügten Dreiecksdiagramme ein. Geben Sie die Zusammensetzungen von Ex-
trakt und Raffinat für jede Extraktionsstufe an.
Erforderliche Daten:
Anfangskonzentration des Wertstoffes in der Trägerflüssigkeit: 50 %
Geforderte Endkonzentration im Raffinat: < 15 %
Verhältnis Extraktionsmittel:Trägerflüssigkeit (inkl. Wertstoff) = 1:1
5.6 Literatur
Extraktion
Jess, A.: Allgemeine Verfahrenstechnik II bzw. Technische Chemie, Vorlesungsskript
Emons, H.-H. et al: Lehrbuch der Technischen Chemie. Grundoperationen chemischer
Verfahrenstechnik. 5. Aufl., VEB Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1974.
Gmehling, J.; Brehm, A.: Grundoperationen. Lehrbuch der Technischen Chemie – Bd. 2.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1996.
Sattler, K.: Thermische Trennverfahren. 3. Auflage, Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2001.
Entschwefelung von Kohlenwasserstoffen durch Extraktion
Bösmann, A.; Datsevich, L.; Jess, A.; Lauter, A.; Schmitz, C.; Wasserscheid, P.: Deep
Desulphurization of diesel fuel by extraction with ionic liquids. Chem. Commun.
2001, 2494-2495.
Eßer, J.; Wasserscheid, P.; Jess, A.: Deep Desulphurization of Oil Refinery Streams by
Extraction with Ionic Liquids. Green Chem. 2004, 6, 316-322.
5. Flüssig-Flüssig-Extraktion
- 83 -
0
1
10
1
0
xExtraktionsmittel
xWertstoff
xTrägerflüssigkeit
0,50,5
0,50
1
10
1
0
xExtraktionsmittel
xWertstoff
xTrägerflüssigkeit
0,50,5
0,5
- 84 -
0
1
10
1 0
xE
xtra
ktio
nsm
ittel
xW
ertstoff
xT
räg
erflüssig
keit
0,5
0,5
0,5
0
1
10
1 0
xE
xtra
ktio
nsm
ittel
xW
ertstoff
xT
räg
erflüssig
keit
0,5
0,5
0,5
- 85 -
6 Rektifikation
6.1 Fragen & Aufgaben zur Vorbereitung
(Die folgenden Fragen & Aufgaben sind im Voraus schriftlich von jedem einzelnen
Teilnehmer zu beantworten. Liegen die Antworten nicht vor, kann sich der Betreuer
vorbehalten den Versuch abzusagen. Er gilt damit als nicht bestanden.)
1. Berechnen Sie die Trennfaktoren für die binären Gemische EtOH – i-PrOH und
EtOH– n-PrOH.
2. In welchen Bereichen gelten das Raoultsche und das Henrysche Gesetz?
3. Wie wird in der Verfahrenstechnik der Zwischenbereich beschrieben (Skizze und
Beschreibung)?
4. Leiten sie die Funktion für Gewichtsprozent wt1(M1, M2, x1) her.
5. Wie ist der Brechungsindex definiert (Skizze und Beschreibung)?
6. Wie funktioniert ein Refraktometer (Skizze und Beschreibung)?
7. Zeichnen Sie das Gleichgewichtsdiagramm für das binäre Gemisch EtOH– n-PrOH.
8. Skizzieren Sie das Gleichgewichtsdiagramm für das binäre Gemisch EtOH– H2O
(Daten müssen selbst besorgt werden) und diskutieren Sie kurz die Unterschiede zum
binären Gemisch EtOH– n-PrOH.
9. Nennen Sie ein gängiges Verfahren zu Wassergehaltsbestimmung.
Sollten Unklarheiten zu den Fragen- & Aufgabenstellungen bestehen, sind diese mit dem
Betreuer rechtzeitig vorher zu klären.
6.2 Einleitung
Wenn ein Gemisch aus zwei Flüssigkeiten zum Sieden erhitzt wird und die Dampfphase eine
andere Zusammensetzung als die Flüssigphase besitzt, dann besteht die Möglichkeit,
Flüssigkeitsgemische destillativ aufzutrennen. Eine mehrstufige Destillation, bei der sich das
Gleichgewicht zwischen Dampfphase und Flüssigphase mehrfach hintereinander einstellen
kann und deshalb auch eine bessere Trennung möglich ist, wird als Rektifikation bezeichnet.
Eine Rektifikationsanlage besteht aus einem Verdampfer mit Rektifikationskolonne und
einem oder mehreren Kondensatoren. In eine Kolonne können verschiedene Einbauten
eingesetzt werden, die den Stoff- und Wärmeaustausch zwischen Kondensat und Dampf
verbessern. In der Technik werden meist kontinuierliche Rektifikationsanlagen verwendet. In
Fällen nur periodisch anfallender Produkte oder empfindlicher Fraktionierung findet man aber
auch einen diskontinuierlichen Betrieb.
6.3 Phasengleichgewichte idealer, mischbarer Flüssigkeiten
Die Gleichgewichtseinstellung zwischen flüssiger und gasförmiger Phase in Mehrkompo-
nentensystemen wird durch die Eigenschaften der Reinkomponenten (und bei „realen“
6.3 Phasengleichgewichte idealer, mischbarer Flüssigkeiten
- 86 -
Mischungen auch durch die der Mischung) bestimmt. Besondere Bedeutung kommt dabei den
Zweistoffgemischen zu, die rechnerisch leicht zu erfassen sind.
6.3.1 Dampfdruck und Phasenzusammensetzung
Der Dampfdruck über der Flüssigkeitsmischung hängt von der Zusammensetzung der
Mischung ab. Idealgemische liegen vor, wenn die intermolekularen Kräfte der reinen
Komponenten (A-A und B-B) denen in der Mischung (A-B) gleichen. In diesem Falle lassen
sich beide Flüssigkeiten im beliebigen Verhältnis ohne Auftreten von Wärmeeffekten und
Volumenänderungen mischen. Die Dampfdrücke von A und B werden bei einer idealen
Mischung folglich nur durch die Molanteile xa und xb der Komponenten bestimmt. Betragen
bei gegebener Temperatur die Dampfdrücke der reinen Komponenten Pao und Pb
o, so gilt für
die Partialdrücke pa und pb der Komponenten in der Dampfphase über dem flüssigen
Idealgemisch das Raoultsche Gesetz:
pa = xa Pao (6-1)
pb = xb Pbo (6-2)
Da für Zweistoffgemische xa + xb = 1, folgt:
pb = (1-xa)Pbo (6-3)
und für das Teildruckverhältnis der Zweistoffgemische:
(6-4)
Der Gesamtdruck P über einer idealen Flüssigkeitsmischung ist nach Dalton gleich der
Summe der Partialdrücke
P = pa + pb = xa Pao + xb
Pb
o = xaPa° + (1-xa) Pb
o = xa (Pa° - Pb°) + Pb° (6-5)
Nach dem Daltonschen Gesetz gelingt es, Molanteile der Komponenten idealer Gas- oder
Dampfphasen durch ihre Teildrücke und den Gesamtdruck des Gemisches auszudrücken.
(6-6)
Aus (6-1), (6-5) und (6-6) folgt:
(6-7)
Für Zweistoffgemische gilt yb = 1 – ya und damit als Teildruckverhältnis
ab
aa
b
a
x1P
xP
p
p
ba
a
ba
aa
pp
p
nn
ny
bbaa
aaa
PPPx
Pxy
6. Rektifikation
- 87 -
(6-8)
Das Verhältnis der temperaturgleichen Dampfdrücke Pao und Pb
o der reinen Komponenten
binärer Gemische wird als relative Flüchtigkeit oder Trennfaktor bezeichnet.
(6-9)
Aus (6-7) und (6-9) folgt die Gleichung der Gleichgewichtskurve für eine ideale binäre
Mischung bei konstanter Temperatur und unter der Annahme, dass sich der Dampf ideal
verhält:
(6-10)
Eine Rektifikation wird allerdings normalerweise nicht bei konstanter Temperatur, sondern
bei konstantem Druck durchgeführt. Da noch von der Temperatur abhängt, nimmt man
näherungsweise für das arithmetische Mittel der Trennfaktoren, die für die Siedetemperatu-
ren Tsa und Tsb der reinen Komponenten berechnet werden:
(6-11)
Nicht ideale Gemische weichen in ihren Eigenschaften mehr oder weniger von denen der
Idealgemische ab. Die Abweichungen sind physikalischer und chemischer Natur, wie z.B.
Dipolmomente, Polarisation, inter- und intramolekulare Kräfte, Assoziationen und
Solvatationen. Diese Einflüsse bewirken Abweichungen vom Raoultschen Gesetz und werden
durch die Aktivitätskoeffizienten berücksichtigt.
6.3.2 Siede- und Gleichgewichtsdiagramme
Das Dampfdruckdiagramm beschreibt das Verhalten eines Zweistoffgemisches bei konstanter
Temperatur. In der Praxis werden Destillationen dagegen normalerweise (von Druckverlusten
über der Destillationskolonne abgesehen) isobar durchgeführt. Das Siedediagramm (T,x-
Diagramm) und das Gleichgewichtsdiagramm (y,x-Diagramm) stellen die Siedetemperaturen
und die Gleichgewichtszusammensetzungen der Phasen bei konstantem Druck dar. Abbildung
6-1b zeigt beispielhaft das Gleichgewichtsdiagramm der Idealmischung Benzol-Toluol bei
Normaldruck. Die Gleichgewichtskurve stellt den Zusammenhang her zwischen der
Flüssigkeitszusammensetzung xBenzol (Abszisse) und der Dampfzusammensetzung yBenzol
(Ordinate) im Gleichgewichtszustand. Der vertikale Abstand der Diagonale von der
Gleichgewichtskurve gibt den Unterschied zwischen Flüssigkeits- und Dampfzusammenset-
a
a
b
a
b
a
y1
y
y
y
p
p
b
a
P
P
a
aa
x11
xy
2
TP
TP
TP
TP
2
TT sbb
sba
sab
saa
sasb
6.3 Phasengleichgewichte idealer, mischbarer Flüssigkeiten
- 88 -
zung an. Gleichgewichtsdiagramme bilden die Grundlage des grafischen Verfahrens nach
McCabe-Thiele zur Bestimmung der theoretischen Trennstufenzahl für die Gegenstromdestil-
lation.
Abbildung 6-1: (a) Siedediagramm und (b) Gleichgewichtsdiagramm des idealen Zweistoffgemisches
Benzol-Toluol bei 101.3 kPa
Zwei Siedediagramme nicht idealer Mischungen zeigt Abbildung 6-2.
Abbildung 6-2: (a) hochsiedendes Azeotrop (Aceton/Chloroform), (b) tiefsiedendes Azeotrop
(Aceton/Hexan)
Negative Abweichungen vom Raoultschen Gesetz mit Dampfdruckminimum nach Abbildung
6-2 a ergeben ein Siedediagramm mit Siedepunktsmaximum und eine positive Abweichung
mit Dampfdruckmaximum nach Abbildung 6-2 b ergibt ein Siedediagramm mit
Siedepunktsminimum. An den Siedepunktmaxima oder -minima berühren Siedekurve und
Kondensationskurve einander. Derartige als Azeotrope bezeichnete Gemische haben somit
6. Rektifikation
- 89 -
konstante Siedetemperaturen und die Dampfzusammensetzung gleicht der Zusammensetzung
des flüssigen Gemisches.
6.4 Bestimmung der Trennstufenzahl
Bei Gleichheit der molaren Verdampfungsenthalpie aller Komponenten des Einsatzgemisches
verdampfen und kondensieren stets gleiche Molmengen. Auf der Annahme annähernd
gleicher molarer Verdampfungsenthalpien der Mischungskomponenten sowie vernachlässig-
barer Mischungswärmen baut die theoretische Betrachtung der Rektifikation nach W.L.
McCabe und E.W. Thiele (McCabe-Thiele-Diagramm) auf.
6.4.1 McCabe-Thiele-Diagramm bei totalem Rücklauf
Das McCabe-Thiele-Diagramm besteht im vereinfachten Fall des unendlichen Rücklaufs aus
der Gleichgewichtskurve der leichter siedenden Komponente und der Diagonalen x = y. In
einer Glockenbodenkolonne sprudelt der aufsteigende Dampf durch die auf dem Boden
gestaute Flüssigkeit, und das Siedegleichgewicht stellt sich auf jedem der Böden ein. Auf
einem idealen Boden stehen demnach der zum nächst höheren Boden aufsteigender Dampf
und die als Rücklauf zum nächst tieferen Boden abfließende Flüssigkeit im Gleichgewicht.
Abbildung 6-3 zeigt eine ideale, ohne Wärmeverluste arbeitende Glockenbodenkolonnen mit
drei Böden neben dem Gleichgewichtsdiagramm eines Zweistoffgemisches. Die Kolonne
wird ohne Destillatabnahme betrieben. Das in der Destillierblase vorliegende Zweistoffge-
misch enthält die tiefer siedende Komponente mit einem Molanteil xa1 und der aufsteigende
Gleichgewichtsdampf dieser Komponente mit einem Molanteil ya1. Dieser Dampf ergibt
kondensiert die Bodenflüssigkeit des unteren Bodens xa2 gleich ya1. Der von der Destillierbla-
se aufsteigende Dampf tauscht mit der Bodenflüssigkeit Wärme aus und verdampft die
Bodenflüssigkeit xa2 zu einem Gleichgewichtsdampf ya2, der aufsteigt, kondensiert und so die
Bodenflüssigkeit xa3 gleich ya2 des zweiten Bodens liefert. Dieser Vorgang setzt sich nach
oben von Boden zu Boden fort. Der vom dritten Boden aufsteigende Gleichgewichtsdampf
mit einem Molanteil ya4 an tiefer siedender Komponente kondensiert an der Kühlschlange zu
xa5 gleich ya4 und tropft als totaler Rücklauf zum dritten Boden zurück, der wiederum seinen
Flüssigkeitsüberschuß durch das Rücklaufrohr an den tieferen Boden abgibt, usw.. Würde
eine geringe Destillatmenge am Kühler abgezogen, so entspräche deren Zusammensetzung
einem Molanteil xa5 an tiefer siedender Komponente.
6.4 Bestimmung der Trennstufenzahl
- 90 -
Abbildung 6-3: Gleichgewichtsdiagramm eines Zweistoffgemisches und dessen Rektifikation in einer
idealen Glockenbodenkolonne bei totalem Rücklauf (xa1 = x1; xa2 = x2; usw.)
Da der Anteil der tiefersiedenden Komponente in der Kolonne von unten nach oben zunimmt,
sinken die Siedetemperaturen der Bodenflüssigkeiten in gleicher Richtung. Die Vertikalab-
stände zwischen Diagonale und Gleichgewichtskurve kennzeichnen die Konzentrationsände-
rungen Flüssigkeit/Gleichgewichtsdampf in der Destillierblase und auf jedem Boden.
6.4.2 Theoretische Trennstufen
Die theoretische Trennstufe ist ein fiktiver Ort (Boden) innerhalb der Kolonne, wo sich das
Gleichgewicht zwischen den Phasen einstellen kann. Folgende Annahmen werden getroffen:
die Flüssigkeit ist ideal durchmischt
der Wärme- und Stofftransport zwischen Dampf und Flüssigkeit ist ideal
es herrscht Gleichgewicht zwischen den Phasen
der Dampf reißt keine Flüssigkeitstropfen mit
Da diese Bedingungen im Allgemeinen nicht auf einem praktischen Boden erfüllt werden, ist
die Einführung des Begriffes der theoretischen Trennstufe bzw. Trennstufenzahl notwendig.
Der Wirkungsgrad einer Kolonne ist das Verhältnis von theor. Trennstufenzahl zur Zahl der
wirklich benötigten Böden:
(6-12)
Eges nimmt für Glockenbodenkolonnen meist Werte zwischen 0.6 und 0.8 an. Da der örtliche
Wirkungsgrad (Bodenwirkungsgrad) innerhalb der Kolonne sich ändern kann, entspricht Eges
dem mittleren Bodenwirkungsgrad.
n
nE th
ges
6. Rektifikation
- 91 -
Die theoretische Trennstufenzahl kann auch mathematisch erfaßt werden. Bei totalem
Rücklauf gilt Gleichung (6-10) für das thermodynamische Gleichgewicht zwischen der
flüssigen Phase mit der Zusammensetzung xa und ihrem Dampf ya, wobei x bzw. y der
Molenbruch der tiefer siedenden Komponente des Zweistoffgemisches ist. Durch Umformen
ergibt sich:
(6-13)
Infolge vollständiger Kondensation des Dampfes ya auf dem unteren Kolonnenboden entsteht
eine Bodenflüssigkeit
xb = ya (6-14)
und es folgt mit Gleichung (6-13):
(6-15)
Erneutes Verdampfen der Flüssigkeit xb läßt vom Boden einen Gleichgewichtsdampf yb
(6-16)
aufsteigen, der auf dem folgenden Boden zu
xc = yb (6-17)
kondensiert. Nach nth-maligem Wiederholen des Verdampfungs-Kondensations-Vorganges
wird anschließend ein Dampf ye erhalten,
(6-18)
d.h., es ist eine Potenzierung der Trennwirkung erreicht worden. Der Exponent nth gleicht der
notwendigen theoretischen Trennstufenzahl für das Anreichern der tiefer siedenden
Komponente von xa im Einsatzgemisch auf ye im Kolonnenkopf. Umformen der Gleichung
(2-9) ergibt die theoretische Trennstufenzahl bei unendlichem Rücklauf zu:
(6-19)
a
a
a
a
x1
x
y1
y
a
a
b
b
a
a
x1
x
x1
x
y1
y
a
a2
b
b
b
b
x1
x
x1
x
y1
y
a
an
e
e
x1
x
y1
yth
ln
y1x
x1yln
nea
ae
th
6.4 Bestimmung der Trennstufenzahl
- 92 -
Diese theoretische Trennstufenzahl hat die Bedeutung einer Mindest-Trennstufenzahl nmin..
Die theoretische Trennstufenzahl der Rektifikation in Abb. 3 beträgt vier, analog den vier im
Gleichgewichtsdiagramm gezeichneten Stufen. Davon entfallen drei theoretische Trennstufen
auf die drei idealen Böden der Kolonne und eine Trennstufe auf die Destillierblase.
6.4.3 McCabe-Thiele-Diagramm bei endlichem Rücklauf
Bei realen Destillationsprozessen wird natürlich kein unendlicher Rücklauf eingestellt, da
dann auch keine Produktion erfolgen würde.
Die Destillatabnahme und damit verbunden das endliche Rücklaufverhältnis verändern das
Trennstufen-Gleichgewichtsdiagramm. Die Kolonne gelangt zu einem neuen Gleichgewichts-
zustand, da ein Teil der tiefer siedenden Komponente mit dem Destillat ne die Kolonne
verläßt. Die Vertikalabstände, die die Konzentrationsänderungen je Trennstufe angeben,
gehen dann nicht mehr von der Diagonalen aus, sondern von einer für die Trennaufgabe zu
bestimmenden Verstärkungsgeraden oder Arbeitslinie, deren Lage aus der Massenbilanz der
tiefer siedenden Komponente folgt.
Unter praktischen Verhältnissen fließt ein Teil des am Kolonnenkopf kondensierten
Dampfmassenstroms md als Rücklaufmassenstrom mr in die Kolonne zurück, während der
Endproduktmassenstrom me die Anlage als Destillat verläßt. Es gilt für die Kolonne die
Massenbilanz:
md = mr + me (6-20)
Eine gleiche Materialbilanz läßt sich aufstellen mit den Summen der Komponentenmolzahlen
des Dampfes nd, des Rücklaufes nr und des Destillates ne. Es gilt folgende Material-
Mengenbilanz:
nd = nr + ne (6-21)
Treten nd Mole Dampf mit einem Molanteil yb aus der Destillierblase kommend unten in die
Kolonne ein, tropfen nr Mole Rücklauf mit einem Molanteil xb aus der Kolonne in die Blase
zurück und verlassen ne Mole Destillat mit einem Molanteil xe den Kolonnenkopf, so gilt
für die Molbilanz der tiefer siedenden Komponente:
y nd = xb nr + xe ne (6-22)
Einsetzen der Materialgleichung (6-21) für nd und Umformen führt zu:
(6-23)
Man definiert nun das Rücklaufverhältnis oder Rücklaufzahl als:
eer
eb
er
rx
nn
nx
nn
ny
6. Rektifikation
- 93 -
(6-24)
Diese Materialbilanz gilt allgemein nicht nur für die Destillierblase, sondern für jeden
theoretischen Boden. Aus 3.12 und 3.13 folgt dann allgemein:
(6-25)
Dies ist die Gleichung der Austauschgeraden (Arbeitsgeraden). Bei endlichem Rücklauf wird
stetig Produkt abgezogen; dieser Effekt lässt sich auf jedem einzelnen Boden verfolgen, wo
sich das Gleichgewicht ständig neu einstellen muss, indem leichter Siedendes an den Dampf
abgegeben wird. Die abfließende Flüssigkeit hat einen geringeren Anteil an leichter siedender
Komponente als der zu ihr aufsteigende Dampf.
Abbildung 6-4: Bestimmung der theoretischen Trennstufenzahl nach McCabe-Thiele
Der Zustand zwischen den Böden wird also nicht mehr durch Punkte auf der Diagonalen
ausgedrückt, sondern durch Punkte auf der Arbeitsgeraden. Die Steigung der Austauschgera-
den lässt sich nach Gleichung (6-25) angeben mit:
(6-26)
Je größer also das Rücklaufverhältnis, umso steiler verläuft die Austauschgerade, bis sie
schließlich bei unendlichem Rückfluß (tg = 1) mit der Diagonalen zusammenfällt.
e
r
n
n
1
xx
1y e
Gleichgewichtskurve
Arbeitsgerade ( = min)
Arbeitsgeraden bei
endlichem Rücklauf
Arbeitsgerade ( = )
1tg
6.5 Betriebsbegriffe einer arbeitenden Kolonne
- 94 -
6.4.4 Bestimmung der theoretischen Trennstufenzahl
Das Einzeichnen der theoretischen Trennstufen erfolgt am Schnittpunkt b (siehe Abb. 4) der
Flüssigkeitszusammensetzung xb in der Destillierblase mit der Gleichgewichtskurve und wird
treppenartig fortgesetzt, bis die letzte Horizontale die Vertikale xe schneidet. Ebenso kann
umgekehrt auch bei Punkt a mit dem Einzeichnen der Stufen begonnen werden. Die
horizontalen Abschnitte der Stufen gehen nur bis zum Schnittpunkt mit der Verstärkungsge-
raden im Gegensatz zu dem Beispiel für totalen Rücklauf nach Abbildung 6-3. Die Anzahl der
theoretischen Böden ist abhängig von der Art des Gemisches, dem Rücklaufverhältnis, der
Belastung der Kolonne und weiteren Parametern.
6.4.5 Bestimmung des Mindestrücklaufverhältnisses
Um von einer bestimmten Blasenkonzentration xb zu der gewünschten Reinheit des Produktes
xe zu gelangen, gibt es ein Mindestrücklaufverhältnis, bei dem unendlich viele Trennstufen
benötigt würden. Vergrößert man das Rücklaufverhältnis, kann der gewünschte xe-Wert mit
endlich vielen Trennstufen erreicht werden. Der min.-Wert läßt sich nach Gleichung
(6-27)
berechnen, wobei ymin. der Achsenabschnitt der Geraden durch die Punkte a und b ist.
6.5 Betriebsbegriffe einer arbeitenden Kolonne
6.5.1 Belastung
Die Belastung ist eng verknüpft mit der Dampfgeschwindigkeit wd und der je Zeiteinheit
(bezogen auf den Kolonnenquerschnitt) durchgesetzten Substanzmenge G, die am Kolonnen-
kopf kondensiert und flüssig als Rücklauf R oder Erzeugnis E vorliegt:
(6-28)
Hierbei ist L das pro Zeiteinheit am Kolonnenkopf kondensierte Flüssigkeitsvolumen, l die
mittlere Dichte von L:
l = xa la + (1-xa) lb (6-29)
A ist die Kolonnenquerschnittsfläche:
A = r2 (6-30)
d ist die Dichte des Dampfes in G, wobei der Dampf als ideales Gas angesehen wird:
(6-31)
1
xy
min
emin,1
)ms(A
L
A
Gw 1
d
1
dd
md
TR
MP
6. Rektifikation
- 95 -
P ist der mittlere Druck innerhalb der Kolonne:
(6-32)
P ist der Druckverlust und M die mittlere molare Masse von L:
M = xaMa + (1-xa)Mb (6-33)
Tm ist die mittlere Kolonnentemperatur:
(6-34)
l, P, xa, r, Tm werden gemessen, Ma, Mb, la, lb werden aus Handbüchern entnommen, und
damit ist wd bestimmt. Die Belastung F ist nun definiert als:
(6-35)
Für die Belastung ergeben sich folgende Grenzen:
die untere Belastungsgrenze bezeichnet man als den Punkt, an dem die Rektifikations-
anlage beginnt, voll zu arbeiten.
an der Mitreißgrenze wird die Trenngüte dadurch verringert, dass
Flüssigkeitströpfchen vom Dampf auf den nächst höheren Boden mitgerissen werden.
am Flutungspunkt ist die Strömungsgeschwindigkeit so hoch, dass die Flüssigkeit
nicht mehr von den Böden abfließen kann.
6.5.2 Druckverlust
Der Druckverlust ist eine unangenehme Begleiterscheinung der Einbauten und der
Flüssigkeit, die dem aufsteigenden Dampf einen Widerstand entgegensetzen. Er ist abhängig
von den Kolonnendimensionen, den Einbauten und von der Belastung bzw. der Dampfge-
schwindigkeit (Abbildung 6-5).
2
Pbar1P
2
TTT
SumpfKopfm
ddwF
6.5 Betriebsbegriffe einer arbeitenden Kolonne
- 96 -
Abbildung 6-5: Druckverlust P in Abhängigkeit von der Dampfgeschwindigkeit wd für verschiedene
Einbauten
6.5.3 Rektifikationen in der Technik
6.5.3.1 Kolonnenbeschreibung
6.5.3.2 Geometrische Größen
Die Höhe der Kolonne hängt davon ab, bis zu welcher Reinheit ein Gemisch getrennt werden
muss und wie viele Trennstufen dafür benötigt werden. Der Durchmesser wird im Wesentli-
chen nach der Durchsatzmenge bemessen.
6.5.3.2.1 Einbauten
In einer Rektifikationskolonne wird der Stoff- und Wärmeaustausch zwischen beiden Phasen
durch innige Durchmischung an Einbauten wesentlich erhöht. Man unterscheidet grob
zwischen zwei Arbeitsweisen dieser Einbauten:
a) Die herabfließende Flüssigkeit wird auf gasdurchlässigen Böden angestaut. Der
Dampf steigt durch diese Flüssigkeitsschicht auf. In der dabei entstehenden Sprudel-
schicht findet der Stoffaustausch statt.
b) Die Kolonne ist mit Füllkörpern gefüllt, deren große Oberfläche von der herabfließen-
den Flüssigkeit benetzt wird. Hier kann im Kontakt mit dem Dampf der Austausch
sehr gut erfolgen.
6.5.3.3 Bodenkolonnen
6.5.3.3.1 Glockenbodenkolonnen
6. Rektifikation
- 97 -
In Abständen von 60 – 1500 mm sind Böden in diesen Kolonnentyp eingebaut, die durch
Dampfzuleitungsrohre und Flüssigkeitsablaufrohre miteinander verbunden sind. Auf den
Böden wird die Flüssigkeit durch die Ablaufrohrhälse gestaut. Die Dampfzuleitungsrohre sind
durch eine in die Flüssigkeitsschicht tauchende Glocke bedeckt. Der vom unteren Boden
kommende Dampf muss daher um den Rand der Glocke herum in Blasen durch die
Flüssigkeitsschicht treten. Je nachdem, wie groß der Kolonnenquerschnitt ist, hat man bis zu
20 Glocken pro Boden. Der Glockendurchmesser beträgt im Allgemeinen 50 – 150 mm. Im
Laufe der Entwicklung haben sich verschiedene Glockenformen bewährt, sie funktionieren
aber alle nach demselben Prinzip.
Abbildung 6-6: a) konventionelle Glocke; b) Flachglocke; c) Sigwart-Glocke; c) Regenschirmglocke;
e) Varioflex-Glocke
Ausschlaggebend für das Einstellen des Gleichgewichtes zwischen beiden Phasen ist die
Höhe der Flüssigkeitsschicht, die davon abhängt, wie hoch das Ablaufrohr angesetzt ist.
Außerdem entstehen durch eine feine Zahnung der Glocken kleinere Blasen, wodurch ein
Austausch verbessert wird. Die Rücklaufrohre werden meist versetzt angeordnet, so dass die
Flüssigkeit auf ihrem Weg zum nächsten Ablaufrohr den ganzen Boden überqueren muss
(gegensinniger Fluss). Der aufsteigende Dampf erzeugt je nach den Eigenschaften der
Komponenten eine Schaum- oder Sprudelschicht direkt über der Flüssigkeit, in der noch
kleinste Flüssigkeitsteilchen vom Dampf mitgerissen werden (Mitreißgrenze).
6.5.3.3.2 Siebbodenkolonne
In Siebbodenkolonnen werden einfache durchlöcherte Metallplatten in die Kolonne eingebaut.
Der Dampf steigt durch die Löcher auf, die ablaufende Flüssigkeit wird durch den
Dampfdruck auf den Böden gestaut und fließt über Ablaufrohre hinunter. Sobald der
Dampfdruck aber einen Mindestwert unterschreitet, läuft die Kolonne leer. Dies ist ein großer
Nachteil der Siebbodenkolonne, da nach geringsten Störungen das Gleichgewicht wieder
vollkommen neu aufgebaut werden muss. Die Löcher der Siebböden haben im Allgemeinen
einen Durchmesser von 4 – 13 mm. Dadurch ergibt sich die Gefahr, dass die Löcher auf
Dauer verkrusten und eine sehr aufwendige Reinigung notwendig wird.
6.5 Betriebsbegriffe einer arbeitenden Kolonne
- 98 -
Abbildung 6-7: Siebboden
6.5.3.3.3 Ventilbodenkolonnen
Ventilböden sind Siebböden mit Ventilklappen über den Löchern, die für eine gleichmäßige
Dampfgeschwindigkeit sorgen und ein Leerlaufen verhindern.
6.5.3.3.4 Tunnelbodenkolonnen
Abbildung 6-8: a) Aufsicht auf einen Tunnelboden; b) Schnitt A-A; c) seitliche Ansicht eines Tunnels
Tunnelböden sind den Glockenböden ähnlich, allerdings geschieht hier die Flüssigkeitsfüh-
rung gleichsinnig.
6.5.3.4 Füllkörperkolonnen
Füllkörper können aus Metall, Porzellan, Glas, Kunststoff oder Keramik bestehen. Auch in
ihren Formen gibt es zahlreiche Varianten: Raschig-Ringe, die gleich große Durchmesser wie
Höhen haben, Kugeln, die sich durch einfache Reinigung auszeichnen und kompliziert
geformte Metallspiralen und Sattelkörper.
6. Rektifikation
- 99 -
Abbildung 6-9: a) Raschig-Ring; b) Pallring; c) Berlsattel; d) Intaloxsattel
Um sich eine Vorstellung von der resultierenden Oberfläche zu machen, hier ein Beispiel:
1 m3 Raschig-Ringe (15 mm Höhe und Durchmesser) entsprechen einer Oberfläche von
345 m2.
Um eine gleichmäßige Benetzung der Füllkörper zu erreichen, hat sich eine lose, unregelmä-
ßige Schüttung von exakt gleich großen Füllkörpern bewährt. Die Gefahr der Randgängigkeit
- dass sich nämlich Kanäle am Kolonnenmantel bilden - kann durch Ablenkbleche oder
eingezogene Zwischenböden bis zu einem gewissen Maß gemildert werden. Die
Randgängigkeit wird aber mit zunehmendem Kolonnendurchmesser immer größer.
Da für Füllkörperkolonnen der Begriff der theoretischen Trennstufe wenig anschaulich ist,
führt man den HETP-Wert ein, der die Packungshöhe in einer Füllkörperkolonne angibt, die
der Dampf durchlaufen muss, um die Wirksamkeit eines theoretischen Bodens zu erreichen.
Man erhält diesen Wert, indem man die gesamte Packungshöhe durch den aus dem McCabe-
Thiele-Diagramm entnommenen nth-Wert dividiert. Außerdem besteht bei Füllkörperkolonnen
die Möglichkeit, die Anzahl der kontinuierlichen Stoffübergangseinheiten (NTU-Wert) und
den HTU-Wert (Höhe dividiert durch NTU) zu berechnen.
An sonstigen, etwas abgewandelten Füllkörperkolonnen seien hier nur die Rieselkolonnen
und die Dünnschichtkolonnen, die für Trennungen besonders empfindlicher Gemische im
Vakuum eingesetzt werden, genannt.
6.5.3.5 Vergleich der Kolonnen anhand der Begriffe: Trennstufenzahl, Druckverlust,
Belastbarkeit
6.5.3.5.1 Trennstufenzahl
Füllkörperkolonnen haben pro m Kolonnenhöhe eine wesentlich bessere Trennwirkung als
Bodenkolonnen. Dies umso mehr, je größer die Oberfläche der Füllkörper ist.
6.5.3.5.2 Druckverlust
Der Druckverlust in Füllkörperkolonnen ist wesentlich geringer als in Bodenkolonnen.
Während in Ersteren nur der Strömungswiderstand der zurückfließenden Flüssigkeit zum
Druckabfall führt, setzt in Bodenkolonnen jede Flüssigkeitsschicht eine Summe von
hydrostatischen Widerständen dem aufsteigenden Dampf entgegen. Der Druckverlust muss
durch eine höhere Sumpftemperatur ausgeglichen werden. Die Bodenkolonnen sind somit
6.5 Betriebsbegriffe einer arbeitenden Kolonne
- 100 -
energieaufwendiger und eignen sich nicht zur Trennung temperaturempfindlicher Gemische
im Vakuum.
6.5.3.5.3 Belastbarkeit
Füllkörperkolonnen sind erst kurz vor der oberen Belastungsgrenze am wirkungsvollsten.
Glockenbodenkolonnen dagegen sind in einem weiten Belastungsbereich einsetzbar.
6.5.3.6 Beurteilung von Kolonnentypen
Füllkörperkolonnen ermöglichen je nach Füllkörper eine schonendere und bessere Trennung.
Trotzdem werden in der Industrie häufig Boden-, vornehmlich Glockenbodenkolonnen,
eingesetzt, da sie sich für hohe Durchsatzmengen, d.h. großen Durchmesser (Randgängigkeit)
wesentlich besser eignen und aufgrund des hohen Betriebsinhaltes die Wirkung eines
Regelungsschrittes oder eines Störfalles gepuffert wird. Die Glockenbodenkolonnen laufen
selbst im Ruhezustand nicht leer. Füllkörperkolonnen eignen sich für empfindliche und
schwer zu trennende Gemische, oder wenn aus Platzmangel die Höhe der Kolonne beschränkt
ist.
6.5.3.7 Optimierung des Rücklaufverhältnisses
Neben der Frage nach der Art der Einbauten muss auch das Rücklaufverhältnis festgelegt
werden. Hier muss je nach gewünschter Reinheit des Produkts ein Kompromiss zwischen
Anschaffungspreis, also der Höhe der Kolonne, und laufenden Energiekosten eines hohen
Rücklaufverhältnisses gefunden werden. Abbildung 6-10 liefert hierzu zwei Optimierungs-
kurven:
Abbildung 6-10: a) Investitions-, Energie- und Gesamtkosten einer Kolonne in Abhängigkeit von der
Bodenzahl (nmin. = Trennstufenzahl bei unendlichem Rücklauf);
b) Zusammenhang zwischen Trennstufenzahl n und Rücklaufverhältnis
6. Rektifikation
- 101 -
6.6 Versuchsbeschreibung und Versuchsauswertung
Anhand der Systeme Ethanol/n-Propanol oder Ethanol/Isopropanol sollen die Kenngrößen der
Praktikums-Kolonne ermittelt werden.
6.6.1 Berechnung der Gleichgewichtskurve
Gegeben sind die Dampfdrücke der reinen Komponenten bei den beiden Siedetemperaturen:
P°EtOH (97,8 °C) = 1571,0 Torr
PoEtOH (82,4
oC) = 891,1 Torr
PoEtOH (78,5
oC) = 765,2 Torr
Poi-PrOH (82,4
oC) = 765,2 Torr
Poi-PrOH (78,2
oC) = 653,1 Torr
P0n-PrOH (97,8°C) = 765,2 Torr
P0n-PrOH (78,5°C) = 400,0 Torr
Nach Gleichung (6-11) soll die relative Flüchtigkeit bestimmt werden, und mit Gleichung
(6-10) kann dann die Gleichgewichtskurve für eine ideale Mischung berechnet und graphisch
dargestellt werden.
6.6.2 Messungen bei unendlichem und endlichem Rücklauf
Man beachte, dass die Kolonne zwei Stunden zur Gleichgewichtseinstellung benötigt. Die
Zusammensetzung des Kopf- und des Sumpfproduktes soll als Funktion des Rücklaufverhält-
nisses bestimmt werden. Die Solltemperatur (proportional der Belastung) bleibt konstant bei
110 °C. Es wird nacheinander für zwei verschiedene Rücklaufverhältnisse gemessen, die über
das Programm „Dr. Kolonnel“ eingestellt werden. Diese werden vom Assistenten vorgegeben.
1) = 2) =
6.6.3 Versuchsauswertung
Nach Gleichung (6-11) soll die relative Flüchtigkeit bestimmt werden und nach Gleichung
(6-10) soll dann die Gleichgewichtskurve für die ideale Mischung Ethanol/n-Propanol bzw.
Ethanol/Isopropanol berechnet bzw. graphisch dargestellt werden.
Für die vom Assistenten angegebenen Rücklaufverhältnisse werden dann die Arbeitsgeraden
in das erstellte Diagramm eingetragen und daraus nach McCabe-Thiele die Bodenzahl der
Kolonne bestimmt.
6.7 Versuchsdurchführung
Die Siebbodenkolonne, die in Abbildung 6-11 dargestellt ist, hat eine Höhe von 1,3 m. Das zu
trennende Gemisch wird in den Sumpfkolben eingefüllt und von einem Heizpilz aufgeheizt.
Die Temperaturen im Sumpf, in der Kolonne und am Kolonnenkopf werden von Thermoele-
menten gemessen und von einem Rechner angezeigt. Die Kolonne hat 12 Siebböden. Der
Rückflussteiler am Kopf der Kolonne ist ein Elektromagnet, der über das Programm „Dr.
Kolonnel“ gesteuert wird. Das Rücklaufverhältnis wird mit Hilfe des Programms eingestellt.
6.7 Versuchsdurchführung
- 102 -
Die Probennahme geschieht am Kopf und am Sumpf. Der Ablauf wird in einem Kolben
aufgefangen. Die Proben werden dann am Refraktometer analysiert. Für die Analyse der
Proben am Refraktometer werden jeweils die Brechungsindizes der Reinsubstanzen sowie
Mischungen der Substanzen in den Verhältnissen 90:10, 80:20, 70:30, 60:40, 50:50, 40:60,
30:70, 20:80 und 10:90 gemessen. Anhand der dadurch erhaltenen Kalibriergerade
(Zusammensetzung gegen Brechungsindex) kann die Zusammensetzung der Proben ermittelt
werden.
Abbildung 6-11: Skizze der Versuchsapparatur
Kühler
Durchflussmesser/
Rückflußteiler
optionale Temperaturmess-
stellen/
Probennahme
Feed-Strom-Zulauf
Sumpf
Überlauf/
Sumpfproduktabtrennung
Überlauf/
Sumpfproduktabtrennung
6. Rektifikation
- 103 -
6.8 Abkürzungsverzeichniss
= relative Flüchtigkeit
A = Kolonnenquerschnittsfläche
Eges = Wirkungsgrad der Kolonne (mittlerer Bodenwirkungsgrad)
fi = Aktivitätskoeffizient der Komponente i
F = Belastung
H = Betriebsinhalt
Indices d,r,e,a,z
= Dampf, Rücklauf, Destillat (Erzeugnis), Ablauf, Zulauf
L = kondensiertes Flüssigkeitsvolumen
mi = Masse der Komponente i
Mi = molare Masse der Komponente i
ni = Molzahl der Komponente i
nth = theoretische Trennstufenzahl
= Rücklaufverhältnis
pi = Partialdruck der Komponente i
Pio = Dampfdruck der reinen Komponente i
P = Gesamtdruck
P = Druckverlust
i = Dichte der Komponente i
Tm = mittlere Kolonnentemperatur
Tsi = Siedetemperatur der Komponente i
Tu = Umgebungstemperatur
wd = Dampfgeschwindigkeit
wti = Massenbruch der Komponente i in der Flüssigphase
xi = Molenbruch der Komponente i in der Flüssigphase
yi = Molenbruch der Komponente i in der Dampfphase
6.9 Konstanten
A = 5.03 . 10
-3 m
2
Ma = 46.07 g mol-1
Mb = 60.11 g mol-1
1a = 0.7893 g cm-3
1b = 0.7855 g cm-3
R = 8.314 J K-1
mol-1
- 105 -
7 Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener
Reaktoren
7.1 Theoretische Grundlagen
7.1.1 Bedeutung des Verweilzeitspektrums
Das oberste Ziel bei der Verfahrensentwicklung besteht stets in der Herstellung einer
möglichst großen Menge an marktfähigem Produkt bei möglichst geringem Einsatz an Zeit,
Energie und Material. Nachdem im Labor eine technisch interessante chemische Reaktion
gefunden und hinsichtlich Thermodynamik und Kinetik charakterisiert worden ist, besteht der
nächste Schritt auf dem Weg zu einem optimalen Prozess darin, den Reaktor für den
Industriemaßstab auszulegen.
Dabei muss nicht nur über Betriebsparameter wie Druck und Temperatur, sondern auch über
Form, Größe und Betriebsweise des Reaktors entschieden werden. Ein Reaktor kann
beispielsweise im Satzbetrieb (engl.: Batch) betrieben werden, d.h. befüllt, geschlossen und
nach Ablauf der Reaktionsdauer wieder entleert werden. Wird der Reaktor dagegen
andauernd mit einem Zustrom an Edukten versorgt und gleichzeitig am Reaktorausgang die
Produkte und nicht abreagierten Edukte abgezogen, spricht man von einem kontinuierlichen
Betrieb. Die Zeit, die den Reaktionspartnern bleibt, um im Inneren des Systems miteinander
zu reagieren, entscheidet dabei maßgeblich über die erzielbare Ausbeute. Ist die Reaktions-
dauer zu gering, bleibt ein Teil der Ausgangsstoffe ungenutzt. Verzögert sich andererseits der
Aufenthalt der Stoffe im Reaktor können unerwünschte Neben- und Folgeprodukte entstehen.
Obwohl in realen Systemen das Verhalten idealer Reaktoren niemals vollständig erreicht
werden kann, ergeben sich in der Praxis häufig Fälle, in denen der reale Reaktor von dem
eines idealen nur wenig abweicht, sodass die Gleichungen idealer Reaktoren zur Abschätzung
der Auslegungsparameter oder sogar zu einer zufrieden stellenden Reaktorberechnung
angewendet werden können. In anderen Fällen ist eine solche Betrachtung jedoch unzulässig,
da diese zu einer Fehlbeurteilung der Reaktorleistung und/oder der Produktqualität führt. Dies
gilt vor allem, wenn hohe Umsätze und, bei komplexen Reaktionssystemen, hohe Selektivitä-
ten gefordert werden.
Die Ursachen für das abweichende Verhalten sind vielfältig. In Rohrreaktoren können sich
radiale Konzentrations- und Temperaturunterschiede ergeben. Bei turbulenter Strömung
kommt es wegen der Geschwindigkeitsfluktuation zu einer axialen Dispersion, in gepackten
Rohren kann es zu ungleichmäßiger Strömung (Kanalbildung) kommen, während andere
Teile des Reaktors nur schlecht durchströmt werden (Totzonen). Unvollständig durchmischte
Zonen und damit Inhomogenitäten können auch in kontinuierlichen Rührkesseln (CSTR)
auftreten, vor allem bei viskosen Medien. Eine ungeschickte Anordnung von Zu- und Ablauf
kann dazu führen, dass ein Teil des Zulaufstroms den Reaktor verlässt, bevor er mit der
Reaktionsmasse vermischt werden kann (Kurzschlussströmung).
Ziel des Praktikumsversuches ist, den Einfluss der genannten Abweichungen vom
Idealverhalten auf die Leistung des Reaktors und die Zusammensetzung des Produktstroms zu
bestimmen. Prinzipiell wäre es möglich das Reaktorverhalten vorherzusagen, die hierzu
benötigten Informationen sind jedoch nicht zu beschaffen. Leichter zugänglich sind dagegen
Daten über die Eingangs- und Ausgangsströme des Reaktors. So lässt sich am Reaktoraus-
7.1 Theoretische Grundlagen
- 106 -
gang bestimmen, wie sich das System auf eine am Eingang aufgezwungene Störung
verändert. Solche Antwortfunktionen können wertvolle Hinweise auf das Reaktorverhalten
geben und sind Grundlage für die Aufstellung von Reaktormodellen, die gemeinsam mit
kinetischen Modellen die Abschätzung der Leistung realer Reaktoren ermöglichen und als
Grundlage für die Auslegung dienen. Bei der Entwicklung komplizierter Reaktoren kann man
häufig nicht auf Literaturdaten zurückgreifen. In solchen Fällen werden die Untersuchungen
an Modellen durchgeführt, die dem geplanten Reaktor geometrisch ähnlich sind und in denen
keine chemischen Reaktionen ablaufen (Kaltmodelle).
7.1.2 Verweilzeitverteilung in chemischen Reaktoren
Die Zeit, welche ein Teilchen braucht, um den Reaktionsraum von Anfang bis Ende zu
durchwandern, ist bei kontinuierlichen Systemen nicht immer konstant und hängt von den
Strömungsverhältnissen im Reaktor ab. Ein wichtiges Charakteristikum eines Reaktors stellt
daher sein typisches Spektrum der Verweilzeiten dar, auch bezeichnet als Verweilzeitvertei-
lung E(t). Diese Verteilungsfunktion gibt an, welcher Anteil einer Menge von Fluidteilchen
(n0), die zum Zeitpunkt t = 0 in den Reaktor eingetreten ist, diesen nach einer bestimmten Zeit
t wieder verlässt. Die Dimension von E(t) ist: Bruchteil der Gesamtmenge pro Zeiteinheit.
(7-1)
Die Verweilzeitverteilung ist eine normierte Größe. Nach unendlich langer Beobachtungsdau-
er haben alle Volumenelemente den Reaktor wieder verlassen.
(7-2)
Für praktische Zwecke ist es notwendig, Verteilungsfunktionen durch wenige „Kenngrößen“
für die Lage und die Streuung zu kennzeichnen. Dies ist besonders nützlich, wenn
verschiedene Messungen miteinander verglichen werden sollten. Die Lage der Verteilung ist
durch ihren Mittelwert gekennzeichnet, wobei für das vorliegende Problem der Verweilzeit-
verteilung lediglich der arithmetische Mittelwert ( ) betrachtet wird, der dem ersten Moment
der Verteilungsdichte entspricht.
(7-3)
Als Maß für die Streuung der Verweilzeiten um den Mittelwert wird die mittlere quadrierte
Abweichung benutzt, die dem Moment 2. Ordnung bezüglich des Mittelwerts entspricht.
(7-4)
Durch die dimensionslose, auf die mittlere Verweilzeit τ normierte Zeit θ, lassen sich
Reaktoren unterschiedlicher Größe miteinander vergleichen.
(7-5)
Abbildung 7-1 zeigt beispielhaft den Verlauf einer solchen Verweilzeitverteilung.
00 n
tcV
n
tn)t(E
1)(0
dttEt
0
)(t
dttEt
0
22
0
22 )()()(tt
dttEtdttEt
t
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
- 107 -
Abbildung 7-1: Verweilzeitverteilungsfunktion E(θ)
Die Teilflächen, die sich durch Integration eines beliebigen Zeitintervalls ergeben,
entsprechen dann dem Anteil der Teilchen, die im betreffenden Zeitintervall aus dem Reaktor
austreten. Beispielhaft beträgt in
Abbildung 7-1 der Wert der grau markierten Fläche 0,06. Der Anteil der Teilchen an der
Gesamtmenge, die das Zwei- bis Dreifache der mittleren Verweilzeit τ brauchen, um den
Reaktor zu durchwandern, liegt demnach bei 6 %.
7.1.3 Experimentelle Bestimmung der Verweilzeitverteilung
Die Verweilzeitverteilung für ein zu untersuchendes Reaktorsystem lässt sich in der Praxis
durch Markierungsexperimente erfassen. Dazu wird dem Fluidstrom am Reaktoreingang eine
inerte Substanz zugegeben (Markierungssubstanz oder Marker), deren Austreten aus dem
Reaktor anhand ihrer optischen, konduktiven oder radioaktiven Eigenschaften quantitativ
detektierbar ist. Der über die Zeit aufgezeichnete Konzentrationsverlauf des Markers im
Ausgangsstrom stellt die Systemantwort oder Übergangsfunktion auf eine vorgegebene
Anregung dar. Diese Methodik ist vergleichbar mit der Analyse elektronischer Komponenten
in der Regelungstechnik.
Der Strömungszustand sollte dabei unverändert bleiben, um zu gewährleisten, dass das
Verhalten der Markermoleküle repräsentativ für sämtliche Teilchen ist, die den Reaktor
durchwandern. Weiterhin darf der Marker die physikalischen Eigenschaften (z.B. Viskosität
und Dichte) des Reaktorinhaltes nicht beeinflussen, nicht von Reaktorteilen adsorbiert werden
und seine Zugabe sollte isokinetisch erfolgen.
Die Markerzugabe erfolgt in der Regel nach einer bekannten Funktion. Üblich sind
Pulsfunktion, Sprungfunktion, sinusförmige Änderungen oder auch Zufallssignale mit
bekannten Eigenschaften. Da die beiden erstgenannten Funktionen am häufigsten angewandt
werden, sollten diese hier eingehender erörtert werden.
7.1.3.1 Pulsfunktion
Bei dieser Art der Eingabe wird die gesamte Markierungssubstanz durch impulsartige Zugabe
innerhalb sehr kurzer Zeit zugegeben, so dass sich ein Konzentrationsverlauf in Form einer
Nadelfunktion am Eingang ergibt. Idealisiert betrachtet wird das für die Zugabe der
E(θ)
0,2
0,15
0,1
0,05
1 2 3 θ4
Ver
weil
zei
tver
teil
un
gE
(θ
)
5 6
0,25
Dimensionslose Zeit θ
E(θ)
0,2
0,15
0,1
0,05
1 2 3 θ4
Ver
weil
zei
tver
teil
un
gE
(θ
)
5 6
0,25
Dimensionslose Zeit θ
7.1 Theoretische Grundlagen
- 108 -
Markierungssubstanz benötigte Zeitintervall unendlich kurz und der Konzentrationsverlauf
hat die Form eines Dirac-Impulses δ(t).
Abbildung 7-2: Pulsfunktion (links) und Sprungfunktion (rechts)
(7-6)
In der Praxis sollte die Eingabezeit klein sein im Vergleich zur mittleren Verweilzeit (
01,0t ).
Die Verweilzeitverteilung E(t) ergibt sich bei Stoßmarkierungsexperimenten unmittelbar aus
der am Ausgang aufgenommenen Messkurve. E(t) entspricht dem zum Zeitpunkt t
austretenden Stoffmengenstrom des Markers, bezogen auf die gesamte zugegebene
Stoffmenge n. Der Stoffmengenstrom entspricht dem Produkt aus Volumenstrom und
der Konzentration c, die am Ausgang gemessen wird. Die Stoffmenge n ergibt sich durch
Integration von über die gesamte Zeit.
(7-7)
Wie aus Gleichung (7-7) ersichtlich ist, genügt es bei konstantem Volumenstrom, den
gemessenen Konzentrationsverlauf auf das Integral der Konzentration zu beziehen.
(7-8)
Analog kann mit jeder gemessenen Größe verfahren werden, die zur Konzentration c direkt
proportional ist. Da in der Praxis eine endliche Anzahl i an diskreten Messwerten aufgezeich-
net wird, ersetzt man in der Formel für die Verweilzeitverteilung das Integral durch eine
Summe über alle Messwerte ci und das Differential dt durch den zeitlichen Abstand zwischen
den Einzelmessungen Δti. Somit ergeben sich für die Verweilzeitverteilung E(t) und die
mittlere Verweilzeit τ folgende Zusammenhänge.
(7-9)
(7-10)
Zum Vergleich von Reaktoren unterschiedlicher Größe lässt sich die dimensionslose
Verweilzeitverteilung nach Gleichung (7-11) berechnen.
cein
tt = 0
0tfür
0tfür0t
t
n
n V
n
dttcV
tcV
n
tntE
0
)(
00
)(
dttc
tc
dttcV
tcVtE
i
i
i
ii
tc
c)t(E
i
i
ii
0
t)t(Etdt)t(Et
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
- 109 -
(7-11)
Ohne direkte Messungen im Innenraum, die sich zumeist schlecht realisieren lassen, gewinnt
man mithilfe der experimentellen Verweilzeitanalyse wertvolle Informationen über die
tatsächlichen Stofftransportverhältnisse in einem technischen Reaktor. Zur näheren
Berechnung und Modellierung des Reaktors vergleicht man dessen Verweilzeitspektrum mit
idealisierten Modellen.
7.1.3.2 Sprungfunktion
Bei einer Sprungfunktion wird die Konzentration eines Markers sprunghaft zur Zeit t = 0
geändert. Die aktuelle Markerkonzentration c(t) wird auf die konstante Eingangskonzentration
c0 bezogen. Die sich so ergebende dimensionslose Antwortkurve, auch als F-Kurve
bezeichnet, nimmt Werte zwischen 0 und 1 an und entspricht der Summenkurve der
Verweilzeitverteilung. Sie bezeichnet den Volumenbruchteil, der von Beginn der Zugabe bis
zum Zeitpunkt t der Messung den Reaktor durchströmt hat.
(7-12)
Den Zusammenhang zwischen der äußeren Verweilzeitverteilungsfunktion und der F-Kurve
gibt Gleichung (7-13) an. Die mittlere Verweilzeit erhält man aus der F-Kurve gemäß Gl.
(7-14) Da in der Regel die Messpunkte in regelmäßigen Zeitabständen Δt aufgenommen
werden, ist es aus praktischen Gründen vorteilhafter eine Integration über die Zeit vorzuneh-
men und Gl. (7-14)in Gl. (7-15) zu überführen.
''
0
dttEtF
t
; dt
dFtE (7-13)
1
0
1
00
FtdFtdttE
(7-14)
i
ii tFdtFFdtdFt 111
0
1
0
1
0
(7-15)
Für die Streuung um den Mittelwert erhält man analog
0
2
1
0
2
1
0
2
0
212 dtFtdFtdFtdttEt
(7-16)
7.1.4 Verweilzeitverteilung in idealen Reaktoren
Das Verhalten idealer Reaktoren wird beschrieben, bevor auf das Verweilzeitverhalten realer
Systeme eingegangen wird.
7.1.4.1 Ideales Strömungsrohr
Eines der theoretischen Reaktormodelle ist der ideale Rohrreaktor mit pfropfenförmigem
Strömungsprofil (engl.: plug flow tubular reactor, PFTR). Abbildung 7-3 zeigt eine
Schemazeichnung.
)()( tEE
0
)()(
c
tctF
7.1 Theoretische Grundlagen
- 110 -
Abbildung 7-3: Idealer Rohrreaktor (PFTR)
Im idealen Rohrreaktor findet definitionsgemäß keine Rückvermischung statt. Alle Teilchen
fließen genau gleich schnell und haben demnach auch alle dieselbe Verweilzeit. Das ideale
Strömungsrohr wirkt lediglich als Verzögerungsglied, ohne die Form des Eingangssignals zu
verändern. Die Antwort auf eine Markierung in Form des Dirac-Impulses ist beim PFTR ein
auf der Zeitachse um die mittlere Verweilzeit nach rechts verschobener Dirac-Impuls. Das
gleiche gilt für die Sprungfunktion und deren Antwort.
(7-17)
Abbildung 7-4: Verweilzeitverteilungsfunktion des PFTR
7.1.4.2 Idealer kontinuierlich betriebener Rührkessel
Das Gegenstück zum idealen Rohrreaktor stellt der ideale, kontinuierlich betriebene
Rührkesselreaktor (engl.: continuous-flow stirred tank reactor, CSTR; Abbildung 7-5) dar.
Zustrom und Ausstrom sind gleich groß und es herrscht stets vollständige Rückvermischung.
Abbildung 7-5: idealer, kontinuierlich betriebener Rührkessel (CSTR)
Wird pulsförmig die Menge nges an Marker zugegeben, so stellt sich augenblicklich im
Reaktor die maximale mittlere Konzentration ein (Gl. (7-18)).
(7-18)
Der Konzentrations-Zeit-Verlauf kann dann aus der Stoffbilanz durch Integration ermittelt
werden. Der austretende Stoffmengenstrom entspricht dem Produkt aus Volumenstrom und
der Konzentration c(t), die am Ausgang und im gesamten Reaktor identisch ist.
(7-19)
1tE
0 1 2
E(θ)
θ
∞
Rges Vnc /0
V
tcVtn
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
- 111 -
Der austretende Stoffmengenstrom muss gleich groß sein wie die zeitliche Änderung der
Stoffmenge im Reaktor. Diese lässt sich ausdrücken als das Produkt aus Reaktorvolumen VR
und der zeitlichen Änderung der Konzentration:
(7-20)
Durch Trennung der Variablen lässt sich diese Differenzialgleichung lösen.
(7-21)
Wird von der unteren Grenze t0 = 0 mit der Anfangskonzentration c0 integriert bis t mit der
Konzentration c(t), so ergibt sich:
tV
V
c
tc
R
0
ln (7-22)
tV
V
c
c
R
exp
0
(7-23)
Die insgesamt zugegebene Stoffmenge n entspricht dem Produkt aus Anfangskonzentration c0
und Reaktorvolumen VR.
Rges Vcn 0 (7-24)
E(t) lässt sich mit den Zusammenhängen (7-19) und (7-24) folgendermaßen ausdrücken:
Rges Vc
Vc
n
tntE
0
(7-25)
Die mittlere Verweilzeit τ darf gleichgesetzt werden mit der hydrodynamischen Verweilzeit,
wenn die Dichte des Fluids als konstant angesehen werden kann. Die hydrodynamische
Verweilzeit ist definiert als Verhältnis des Reaktorvolumens zum Volumenstrom.
(7-26)
Einsetzen dieses Zusammenhangs in (7-23) und (7-25) ergibt schließlich für die Verweilzeit-
verteilungsfunktion E(t) des idealen, kontinuierlich betriebenen Rührkessels:
(7-27)
Eine Normierung auf τ führt zu Gleichung (7-28).
(7-28)
Abbildung 7-6: Verweilzeitverteilungsfunktion des CSTR
tcVdt
tdcVR
dtV
Vdc
tc R
1
V
VR
t
c
ctE exp
1
0
eE
0 1 2 3 4 5
E (θ
)
E(θ)
θ
7.1 Theoretische Grundlagen
- 112 -
7.1.4.3 Laminare Rohrströmung
Ein Rohrreaktor mit laminarem Strömungsprofil nach Hagen-Poiseuille, skizziert in
Abbildung 7-7, gehört nicht zu den definierten Idealreaktoren. Er besitzt jedoch ein genau
bekanntes hydrodynamisches Verhalten, so dass sein Verweilzeitverhalten formelmäßig
beschrieben werden kann. Werden diffusive Effekte ausgeschlossen, liegt die unterschiedliche
Zeit, die ein Volumenelement im Reaktor verweilt, in dem ausgebildeten Geschwindigkeits-
profil begründet. Jedes Element durchströmt den Reaktor unbeeinflusst von anderen entlang
eines Stromfadens in konstanter radialer Position.
Abbildung 7-7: Laminare Rohrströmung nach Hagen-Poiseuille
Für die Geschwindigkeit auf den parallelen Stromlinien im Abstand r von der Rohrachse gilt,
mit der mittleren Geschwindigkeit die Gleichung (7-29). Im mittleren Bereich nahe
bewegen sich die schnellsten Teilchen, nach außen hin nimmt die Geschwindigkeit mit dem
Quadrat des Radius ab, und an der Rohrwand mit Radius R wird die Haftbedingung
erfüllt.
mit (7-29)
Es treffen daher am Reaktorausgang zunächst viele Teilchen sehr kurz hintereinander ein, die
nachkommenden Teilchen brauchen zunehmend länger. Den Funktionsterm der Verweilzeit-
verteilung des laminar durchströmten Rohrreaktors gibt Gleichung (7-30) an.
(7-30)
Die Mindestverweilzeit tmin eines Teilchens in einem Rohr der Länge L ergibt sich mit
aus Gleichung (7-29).
mit (7-31)
Der Anteil der Gesamtflüssigkeit, der sich in der Position y befindet und damit die
Verweilzeit t hat, ergibt sich aus der Fläche des Kreisringes mit dem Radius R nach
Gleichung (7-32).
(7-32)
Mit folgt:
(7-33)
für (7-34)
Durch Integration folgt die Verweilzeitsummenkurve.
2
2'
4
11
21
min
tdttEF
t
t
(7-35)
Die Verläufe der Verweilzeit- und Verweilzeitsummenfunktion ist in Abbildung 7-8
dargestellt.
u 0r
0u
2
2
max2
2
112)(R
ru
R
ruru
qA
Vu
32
1)(E
Rry /
)1()1( 2
min
2
max y
t
yu
L
u
Lt
22max
minu
L
u
Lt
dttERu
dRRu
uR
dRRu
V
Vd)(
222
0
2
0
)1(/ 2
min ytt
dtt
dtt
tdttE
3
2
3
2
min
2
2)(
35,0)()( tEE 5,0
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
- 113 -
Abbildung 7-8: Verweilzeit- & Verweilzeitsummenfunktion eines laminaren Rohrreaktors
7.1.5 Verweilzeitverhalten realer Reaktoren
Reale Reaktoren weichen von den beiden Grenzfällen mehr oder weniger stark ab. Die
entscheidende Frage im Einzelfall ist daher, ob die Abweichungen so gering sind, dass eine
idealisierte Beschreibung zufrieden stellende Ergebnisse bringt oder eine komplexere
formelmäßige Beschreibung notwendig ist. Dabei wird der Reaktor nach dem Grad der in ihm
auftretenden Vermischung eingeordnet, der zwischen dem des idealen Strömungsrohres und
des kontinuierlich betriebenen Rührkessels liegt. Das aufgestellte Modell dient dann in
Verbindung mit dem kinetischen Modell zur Vorausberechnung der Reaktorleistung und der
realisierbaren Selektivitäten und Ausbeuten. Hierbei sollte man sich bewusst machen, dass
gerade technische Reaktoren aufgrund ihrer Größe nahezu immer vom Idealverhalten
abweichen.
Durch die Auswertung von Verweilzeitverteilungen können außerdem unerwünschte
Kurzschlussströmungen oder für die Reaktion nicht verfügbare Totzonen erkannt und
eventuell durch konstruktive Maßnahmen beseitigt werden.
7.1.5.1 Dispersionsmodell
Das Dispersionsmodell modelliert die Strömung durch den Reaktor als Überlagerung einer
Pfropfenströmung mit idealer Vermischung im Rohrquerschnitt und einer axialen Rückvermi-
schung, deren Stärke durch den axialen Dispersionskoeffizienten Dax angegeben wird. Die
Dispersion umfasst in dieser Betrachtung drei Phänomene, dargestellt in Abbildung 7-9. Die
Abweichung vom Pfropfenprofil ist bedingt durch die unterschiedlich schnellen Geschwin-
digkeiten der Teilchen, die sich auf verschiedenen Stromlinien durch den Reaktor bewegen,
durch die konvektive Vermischung aufgrund von Turbulenzen, und zu einem geringen Teil
durch molekulare Diffusion im Fluid. Da alle diese auf unterschiedliche Weise hervorgerufe-
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5
Θ
E(Θ
)
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
F(Θ
)
7.1 Theoretische Grundlagen
- 114 -
nen Ausgleichsvorgänge linear vom Konzentrationsgradienten abhängen, können diese
zusammengefasst und analog dem Fick’schen Gesetz behandelt werden.
Abbildung 7-9: Dispersionsmodell
In die allgemeine Stoffbilanz des Rohrreaktors wird zusätzlich zum Konvektionsterm ein
Diffusionsterm eingeführt.
(7-36)
Durch Zusammenfassen der Parameter und Einführen relativer Größen Θ=t/τ=t∙u/L und
Z=z/L folgt die dimensionslose Stoffbilanz.
(7-37)
Als dimensionslose Kennzahl wird die Bodensteinzahl Bo eingeführt, in die neben Dax noch
die mittlere Fließgeschwindigkeit u, sowie die Gesamtlänge L des Reaktors eingehen. Diese
kann als das Verhältnis von Konvektionsstrom zu axialem Diffusionsstrom aufgefasst
werden.
(7-38)
Für verschiedene Bodensteinzahlen kann der Verlauf der Verweilzeitverteilung E(Θ) nach
Gleichung (5-39) theoretisch berechnet und graphisch dargestellt werden (vgl. Abbildung
7-10).
(7-39)
Um die Bodensteinzahl eines realen Reaktors zu bestimmen, zeichnet man das experimentell
bestimmte Verweilzeitspektrum in ein solches Diagramm ein und überprüft, ob eine der
Lösungskurven aus dem Dispersionsmodell mit dem Versuchsergebnis in guter Näherung
übereinstimmt. Aus der so erhaltenen Bodenstein-Kennzahl kann der Dispersionskoeffizient
Dax berechnet und in der Bilanzierung des Reaktors verwendet werden. Die Dispersion ist
umso geringer, je größer Bo ist. Ein Reaktor mit unendlich großer Bodensteinzahl und daher
mit verschwindender Rückvermischung entspricht dem PFTR.
2
2
z
cD
z
cu
t
cax
2
2
2
2 1
Z
c
BoZ
c
Z
c
Lu
D
Z
cc ax
axD
LuBo
4
)1(exp
2
1)(
2 BoBoE
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
- 115 -
Abbildung 7-10: Verweilzeitverteilungen nach dem Dispersionsmodell
Die Verweilzeitsummenfunktion kann durch Integration des Verweilzeitverlaufes gewonnen
werden. Analytische Ausdrücke sind für keine Kurve verfügbar.
7.1.5.2 Kaskadenmodell
Nicht immer findet sich mit dem Dispersionsmodell eine gute Übereinstimmung zur
Messkurve. Je weniger das untersuchte System einem typischen Rohrreaktor ähnelt, d.h. je
mehr Rückvermischung stattfindet, desto schlechter lässt es sich auf diese Art und Weise
beschreiben. Eine Alternative bietet, insbesondere bei Reaktortypen, die dem CSTR nahe
kommen, das Kaskadenmodell. Hier wird das reale, durch lokale Rückvermischung
gekennzeichnete Verhalten angenähert, indem der gesamte Reaktionsraum als eine
Hintereinanderschaltung von mehreren Kompartimenten betrachtet wird, für die das
Verhalten von idealen Rührkesseln unterstellt wird. In der gedanklich entstehenden
Rührkesselkaskade entspricht jeweils das Ausgangssignal des vorangehenden Kessels dem
Eingangssignal des nachgeschalteten Kessels. Mit dieser Annahme lässt sich die folgende
theoretische Verweilzeitverteilung berechnen:
(7-40)
Hierbei ist N die Anzahl der Einzelkessel. Die Graphen für verschiedene Kesselzahlen N, die
mit der im Experiment ermittelten Kurve verglichen werden können, finden sich in Abbildung
7-11.
0
0,5
1
1,5
2
2,5
0 0,5 1 1,5 2 2,5
Θ
E(Θ
)
10
5
20
50
Bo=100
4
1
)exp()!1(
)()(
1
NN
NNE
N
7.1 Theoretische Grundlagen
- 116 -
Abbildung 7-11: E- und F-Kurve nach dem Kaskadenmodell
Je größer die theoretische Kesselzahl N ist, desto enger wird das Verweilzeitspektrum und
desto mehr zeigt sich rohrreaktorartiges Verhalten. Die Modellfunktionen aus dem
Dispersions- und dem Kaskadenmodell werden sich im Bereich für Bo > 50 sehr ähnlich und
es lässt sich folgender Zusammenhang zwischen beiden Kennzahlen herstellen:
(7-41)
Durch direkte Anpassung des Modellparameters N kann die berechnete Verteilungskurve an
die gemessene angepasst werden.
7.1.5.3 Weitere Verweilzeitmodelle
Die Beschreibung des Verweilzeitverhaltens von realen Systemen mit den vorgestellten
einparametrigen Modellen ist beschränkt auf relativ einfache Fälle. Treten z.B. großräumige
Rückströmungen, Kurzschlussströmungen oder Totzonen auf, so ist eine modellmäßige
Erfassung dieser Phänomene nur mit mehrparametrigen Modellen möglich. Grundelemente
dieser Modelle sind ideale Reaktoren, die auf verschiedene Weise miteinander kombiniert
werden. Mit wachsender Anzahl der Einzelelemente und damit wachsender Parameterzahl im
Modell wird es jedoch immer schwieriger, allein aus Messungen der Verweilzeitverteilung
physikalisch sinnvolle Parameterwerte zu ermitteln. Demzufolge muss die Vollständigkeit
eines Modells auf die zur Verfügung stehende experimentelle Information abgestimmt
werden.
7.1.6 Vermischung in realen Reaktoren (Segregation)
In den bisher dargelegten Überlegungen wurde davon ausgegangen, dass die Reaktionsmi-
schung bis in den molekularen Bereich hinein vermischt ist, wobei man von einem Mikrofluid
und maximaler Vermischung spricht. Niederviskose Flüssigkeiten und Gase fallen fast immer
in diese Kategorie. Bilden sich jedoch Volumenelemente aus etwa 1010
-1012
Molekülen aus,
so kommt es im molekularen Bereich zu Inhomogenitäten und somit zu örtlichen Konzentra-
tionsdifferenzen. Im Extremfall behalten diese Volumenelemente ihre Identität während der
gesamten Aufenthaltszeit bei und jedes Volumenelement verhält sich wie ein kleiner
0
0,5
1
1,5
2
2,5
0 0,5 1 1,5 2 2,5
Θ
E(Θ
)
N=50
20
10
5
4
2
1
50BofürN2Bo
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
- 117 -
diskontinuierlicher Reaktor. Dieser Zustand wird als vollständige Segregation und die
Reaktionsmischung als Makrofluid bezeichnet. Vollständige Segregation liegt z.B. bei
Suspensionen oder Emulsionen vor, in denen die Reaktion in einem Partikel oder Tröpfchen
abläuft. Ein Konzentrationsausgleich zwischen den Elementen ist hier nicht möglich. In
einphasigen Systemen wird es dagegen, abhängig von der Diffusion im Fluid, zu einem
partiellen Austausch zwischen den einzelnen Volumenelementen kommen, sodass lediglich
eine partielle Segregation vorliegt. Das Ausmaß der Segregation in einphasigen Systemen
hängt von drei charakteristischen Zeitkonstanten ab. Der charakteristischen Reaktionszeit
(Relaxationszeit) tr der chemischen Reaktion, der Mikromischzeit tD, die die Ausgleichsvor-
gänge zwischen den Volumenelementen charakterisiert und der mittleren Verweilzeit τ, die
die Strömungsverhältnisse charakterisiert. Ist z.B. , so können sich die durch
Reaktion hervorgerufenen Konzentrationsunterschiede nicht genügend schnell ausgleichen
und es entstehen Volumenelemente unterschiedlicher Zusammensetzung. Gilt bei getrennter
Zuführung der Edukte , so kann keine ideale Vermischung der Reaktionsmasse
erwartet werden. Bei der Auslegung realer Reaktoren muss der Prozess auf Segregation
überprüft werden und entsprechend in den Berechnungen Beachtung finden. Für eine
genauere Betrachtung und formelmäßige Erfassung sei hier auf weiterführende Literatur
verwiesen.
7.2 Durchführung
Im Praktikumsversuch werden Sie an einem Rohrreaktor und einer Rührkesselkaskade im
Labormaßstab Verweilzeitanalysen durchführen. Durch Einspritzen einer eingefärbten 0,5 M
Kochsalzlösung werden Stoßmarkierungen gesetzt. Die Leitfähigkeit der Flüssigkeit, die der
Salzkonzentration proportional ist, wird durch Elektroden an mehreren Stellen im Reaktor
gemessen. Zusätzlich kann die Verteilung der Markierungssubstanz im Reaktor optisch
mitverfolgt werden.
Achten Sie während der gesamten Versuchdauer darauf, dass der Vorratsbehälter mit
VE-Wasser niemals leer läuft oder überläuft!
7.2.1 Rohrreaktor
Überprüfen Sie, ob die Kabel von den fünf Messstellen des Rohrreaktors am Mikrocontroller
angeschlossen sind. Am PC wird das Programm „Verweilzeit“ im Ordner „Praktikum
Verweilzeit“ auf dem Desktop gestartet. Stellen Sie nun die Benutzeroberfläche des
Messprogramms auf den Rohrreaktor um, indem Sie den Button Umschalten auf Rohrreaktor
anwählen. Es werden Messungen bei laminarer und bei turbulenter Durchströmung des
Rohres aufgenommen. Um den Nettowert der Leitfähigkeitserhöhung durch die Salzlösung
aufzuzeichnen, muss die stets vorhandene Grundleitfähigkeit des VE-Wasserstromes durch
einen Mausklick auf die Schaltfläche Kalibrieren zu 0 µS/cm gesetzt werden. Der Reaktor
muss hierzu mit VE-Wasser durchströmt werden. Stellen Sie einen Volumenstrom von etwa
4 L/min ein, indem Sie die Pumpenspannung auf 8 V einstellen.
Dr tt
Dt
7.2 Durchführung
- 118 -
7.2.1.1 Laminare Strömung
Stellen Sie den Volumenstrom auf ca. 1 L/min ein, indem Sie die Pumpenspannung auf 2,6 V
stellen. Die Reynoldszahl liegt bei dieser Geschwindigkeit bei etwa 1200 und somit deutlich
unterhalb von 2300 und damit im laminaren Bereich.
(7-42)
d: Rohrdurchmesser
: Volumenstrom
u : mittlere Fließgeschwindigkeit
A: Querschnittsfläche
ν: kinematische Viskosität von Wasser
Befindet sich der Rohrreaktor im stationären Betrieb, klicken Sie auf Kalibrieren. Starten Sie
die Aufzeichnung der Messwerte durch Betätigen des Buttons Messwerte aufzeichnen. Geben
Sie ihrer Messdatei einen prägnanten Namen und wählen Sie als Speicherort einen separaten
Ordner auf dem Desktop. Bestätigen Sie das Fenster mit OK exakt in dem Moment, in dem
Sie die Stoßmarkierung setzen. Dazu spritzen Sie 2 ml der mit Tinte eingefärbten Marker-
Lösung zügig in die Mitte des VE-Wasser-Stroms.
Beobachten Sie, wie der Marker den Rohrreaktor durchwandert und stoppen Sie die Messung
durch Anwählen der Schaltfläche Aufzeichnung beenden, wenn das Wasser wieder überall
klar ist und wenn die Anzeigen aller Sensoren wieder bei dem Wert 0 µS/cm angekommen
sind. Wiederholen Sie gegebenenfalls die Stoßmarkierung und vergleichen Sie ihre optischen
Beobachtungen mit den gemessenen Leitfähigkeitskurven.
Die Beschreibung der optischen Beobachtungen und der Vergleich mit den Messwerten
ist Teil der Auswertung!
Machen Sie sich Stichpunkte zu folgenden Punkten:
Beschreibung der Stromfäden
Wirbelbildung
Vergleich maximale Färbung – maximale Leitfähigkeit
7.2.1.2 Turbulente Strömung
Überprüfen Sie den Füllstand des VE-Wasser-Behälters!
Stellen Sie die Drehzahl der Pumpe auf 8 V, so dass der Rohrreaktor von etwa 4 L/min VE-
Wasser durchflossen wird. Die Strömung ist nun turbulent.
(7-43)
Starten Sie erneut die Aufzeichnung in dem Moment, wenn Sie die Stoßmarkierung setzen
und beenden Sie die Aufzeichnung, nachdem die Marker-Lösung den Reaktor vollständig
durchlaufen hat durch Aufzeichnung beenden. Schalten Sie die Pumpe gleich nach Abschluss
der Messung aus.
23001200
4
d
V
A
dVduRe
V
23004600
4
d
V
A
dVduRe
7. Verweilzeitverhalten realer homogener und quasihomogener Reaktoren
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Auch hier machen Sie sich Stichpunkte zu den oben genannten Punkten.
7.2.2 Rührkesselkaskade
7.2.2.1 Schnelle Rührgeschwindigkeit
Stellen Sie nun die Benutzeroberfläche des Messprogramms auf die Rührkesselkaskade um,
indem Sie den Button Umschalten auf Rührkesselkaskade anwählen. Verbinden Sie die Kabel
zur Datenaufnahme der Kaskade mit dem Mikrocontroller. Drehen Sie den Dreiwegehahn in
die Position, dass die Kaskade durchströmt wird, schalten Sie das Netzgerät der Pumpe ein
und stellen sie die Spannung auf 3,5 V ein. Der Volumenstrom beträgt dann etwa 1,5 L/min.
Achten Sie stets darauf, dass das Wasser sich in keinem der Kessel zu stark anstaut – es darf
nicht in das Glasröhrchen in der Mitte überlaufen, da sonst die Kugellager der Rührerwelle
nass werden und die gesamte Kaskade zerlegt werden muss. Die Rührkesselkaskade muss
sich im stationären Betriebszustand befinden, wenn die Markierungslösung eingespritzt wird.
Schalten Sie auch den Rührermotor ein und stellen Sie die Geschwindigkeit auf Stufe 4.
Droht einer der Kessel zu voll zu laufen, drehen Sie umgehend die Pumpenspannung
niedriger, bis sich der Pegel wieder normalisiert hat!
Um den Nettowert der Leitfähigkeitserhöhung durch die Salzlösung aufzuzeichnen, muss
wiederum die vorhandene Grundleitfähigkeit des VE-Wasserstromes durch Mausklick auf die
Schaltfläche Kalibrieren zu 0 µS/cm gesetzt werden.
Die Sprungmarkierung erfolgt durch Einspritzen von 2 ml Marker-Lösung durch die Öffnung
im obersten Deckel. Betätigen Sie die Schaltfläche Messwerte aufzeichnen, wählen Sie die
Zieldatei und starten Sie die Messwertaufzeichnung durch Klicken auf OK in dem Moment,
in dem Sie die Stoßmarkierung setzen. Beobachten Sie, wie sich der Marker in den Kesseln
mit dem Wasser vermischt und nach und nach ausgewaschen wird. Warten Sie ab, bis die
Färbung überall verschwunden ist und am Bildschirm für alle Sensoren wieder der Wert
0 µS/cm angezeigt wird, bevor Sie auf Aufzeichnung beenden klicken.
7.2.2.2 Langsame Rührgeschwindigkeit
Es soll überprüft werden, wie sich die unvollständige Durchmischung bei geringerer
Rührerdrehzahl auf das Verweilzeitspektrum auswirkt. Verringern Sie dazu die Rührge-
schwindigkeit auf die niedrigste Einstellung und führen Sie eine weitere Messung durch.
7.3 Auswertung
Um E(t) zu erhalten, muss zunächst die Fläche unter den aufgenommenen Messkurven
durch numerische Integration bestimmt werden. Da die elektrische Leitfähigkeit ρ der
Lösung im vorliegenden Fall direkt proportional zur Markerkonzentration ist, können
ohne weitere Umrechnung die gemessenen Werte ρi verwendet werden, um die Ver-
weilzeitverteilung E(t) in der Einheit s-1
zu erhalten. Berechnen Sie für jede Messstelle
des Rohrreaktors und der Rührkesselkaskade die Verweilzeitverteilung E(t) und die
mittlere Verweilzeit τ nach Gleichungen (7-9) und (7-10). Geben Sie diese im Proto-
koll an und diskutieren Sie die Werte.
Normieren Sie die Zeit t nach Gleichung (7-5), um die dimensionslose Verweilzeitver-
teilung nach Gleichung (7-11) angeben zu können. Stellen Sie die dimensions-)(E
7.3 Auswertung
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losen Verweilzeitverteilungen für jede Messstelle dar. Benutzen Sie hierzu für jeden
Versuch ein Diagramm, d.h. stellen Sie die fünf Messstellen pro Versuch in einem
Diagramm dar.
Berechnen Sie für jede Verweilzeitverteilung die dazugehörige mittlere quadrierte
Abweichung nach Gleichung (7-4) für jeden Versuch und erläutern Sie die Ergebnisse.
Betrachten Sie insbesondere die normierte Verweilzeitverteilung des Rohrreak-
tors und der Rührkesselkaskade im Ganzen, also die vom letzten Sensor aufgenomme-
ne Kurve. Skalieren Sie die Graphen so, dass Sie diese in das Diagramm für das Dis-
persionsmodell und für das Kaskadenmodell einfügen können. Lesen Sie so Bo und N
für die Reaktoren ab.
Vergleichen und diskutieren Sie des Rohrreaktors mit den Kurven der Kessel-
kaskade.
Welcher Unterschied (beobachtet, nicht berechnet!) ergibt sich für den hohen und
den niedrigeren Volumenstrom des Rohrreaktors. Erläutern Sie Ihre Beobachtungen
und gehen Sie auf die in Absatz 7.2.1.1 genannten Punkte ein.
Vergleichen Sie die Messkurve des ersten Rührkessels der Kaskade mit dem theoreti-
schen Verweilzeitspektrum des idealen kontinuierlichen Rührkessels (Abb. 5-6). Wel-
chen Unterschied sehen Sie zwischen den Ergebnissen bei hoher und bei niedriger
Rührgeschwindigkeit?
)(E
)(E
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8 Strömung durch Schüttungen (Wirbelschicht)
>> Link zum Skript