Post on 06-Apr-2016
description
transcript
1
SYSTEM AGROGENTECHNIK – RISIKO FÜR MENSCH, TIER UND UMWELT …………………………………………………………….………........
STOPP FÜR GENTECHNISCH VERÄNDERTE PFLANZEN Der Bund Naturschutz fordert von der Politik eine grundsätzliche Abkehr von der
Agrogentechnik, um Umwelt, Verbraucher, Landwirte und Imker in Bayern vor den
Risiken der Agrogentechnik dauerhaft zu schützen. Der BN fordert u. a. den Stopp für
neue Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen, ein Verbot für den Herbizid-
wirkstoff Glyphosat, der im Paket mit gentechnisch veränderten, herbizidresistenten
Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in der deutschen Landwirtschaft, bei der
Bahn und in Privatgärten verwendet wird, eine Kennzeichnungspflicht für tierische
Lebensmittel, die mit Gentechnikfutter erzeugt wurden, sowie die Herausnahme der
Bereiche Gentechnik, Landwirtschaft und Ernährung aus den Verhandlungen zum
Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA.
2
GENTECHNIKPFLANZEN AUF DER
WARTELISTE
In der EU sind derzeit über 50 gentech-
nisch veränderte Pflanzen als Futtermittel
und Lebensmittel zum Import zugelassen.
Doch nur der insektenresistente MON810
Mais von Monsanto darf angebaut wer-
den. In Deutschland ist sein Anbau jedoch
verboten. Nun will die EU-Kommission
weitere gentechnisch veränderte Orga-
nismen (GVO) zum Anbau zulassen. Neun
gentechnisch veränderte Pflanzen wur-
den von Gentechnikkonzernen zur An-
bauzulassung auf EU Ebene beantragt.
Wegen des Widerstands von Bevölkerung
und den Regierungen mehrerer Mit-
gliedsstaaten gegen den Anbau hat die
EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag
vorgelegt, der nationale Anbauverbote
ermöglichen soll.
Der BN fordert, dass diese auf Umwelt-
recht beruhen müssen und kritisiert ve-
hement die vorgeschlagene Konsultation
mit den Gentechnikkonzernen.
Daneben verhandelt die EU-Kommission
mit der US-Regierung über ein Freihan-
delsabkommen, das auch den Bereich
Gentechnik einschließt. Die Forderungen
von US-Seite an die EU lauten ganz klar:
Die als diskriminierend empfundenen EU-
Gentechnikgesetze müssen abgeschafft,
mindestens gelockert werden, um den
EU-Markt für die gentechnisch manipu-
lierten Pflanzen aus den USA zu öffnen.
WELTWEITE BEDEUTUNG DER
AGROGENTECHNIK WIRD MEIST
ÜBERSCHÄTZT
Nach 30 Jahren Forschung und 18 Jahren
GVO-Anbau gibt es bei den kommerziell
angebauten gentechnisch veränderten
Pflanzen nach wie vor im Wesentlichen
nur zwei Eigenschaften: Herbizidresistenz
und Insektenresistenz.
Daten: ISAAA, Brief 43, Global Status of Commercialized
Biotech/GM Crops: 2011 (2012) Industriequelle !
Der Hauptanbau findet im Stammland
vieler Agrokonzerne, den USA statt (41%),
gefolgt von Brasilien mit 22% und Argen-
tinien mit 14%, Kanada und Indien mit 7%
bzw. 6% sowie China und Paraguay mit je
2%, Sonstige 6% (an den Daten von 2011
hat sich nichts Wesentliches geändert).
Dies sind Zahlen der von der Gentech-
nikindustrie unterstützten Organisation
ISAAA1.
Es handelt sich dabei vor allem um Soja
(47%), Mais (32,5%), Baumwolle (14,5%)
und Raps (5%), praktisch alle Gentech-
Sojapflanzen sind herbizidresistent, zu-
meist Glyphosat-resistent.
GESUNDHEITLICHE RISIKEN DER
GENTECHNIK
Gentechnik ist nicht die Fortsetzung der
klassischen Züchtung, sondern erlaubt
den Gentransfer über alle Artgrenzen
hinweg. Der Einbau der fremden Gene
erfolgt dabei nicht gezielt, sondern nach
dem Zufallsprinzip. Es entstehen gen-
technisch veränderte Organismen (GVO)
mit neuen Eigenschaften, die weder in
der Umwelt noch als Lebensmittel er-
probt sind. Nicht selten treten bei GVO
auch unerwartete Effekte auf, die durch
so genannte Positionseffekte (Verände-
rungen an den Einbauorten der Transge-
ne) oder durch Veränderungen im pflanz-
lichen Stoffwechsel bedingt sein können.
Als Beispiele seien genannt: Stängel in-
1http://www.isaaa.org/resources/publications/b
riefs/46/executivesummary/
Gentechnik ist nicht die
Fortsetzung der klassischen
Züchtung mit modernen
Mitteln
3
sektenresistenter Maispflanzen hatten
einen bis zu 28% höheren Ligningehalt als
nicht-transgene Ausgangspflanzen. Oder:
Zwei von vier mehltauresistenten Gen-
tech-Weizenlinien zeigten im Freiland bis
zu 56 % weniger Ertrag und eine bis zu
40fach höhere Empfindlichkeit gegen den
Schadpilz Mutterkorn als Kontrollpflan-
zen.
Auch Qualität und Verträglichkeit von
Gentech-Lebensmitteln können beein-
flusst werden, z.B. können neue Allerge-
ne auftreten. Zusätzlich besitzen GVO
häufig Antibiotikaresistenzgene, die in
die Kritik geraten sind, da sie auf Bakte-
rien, darunter eventuell auch Krank-
heitserreger, übertragen werden könn-
ten.
Die Ergebnisse von Fütterungsversu-
chen mit transgenen Pflanzen sind um-
stritten. Studien der Antragsteller fin-
den regelmäßig keine negativen Effek-
te, während sich in verschiedenen an-
deren Studien Hinweise auf gesundheitli-
che Effekte bei den Versuchstieren erga-
ben, wie Veränderungen an Magen, Le-
ber oder Nieren oder erhöhte Tumorra-
ten. In der Regel werden von den Antrag-
stellern Kurzzeitversuche durchgeführt,
häufig sogar mit isolierten Proteinen und
nicht dem GVO selbst. Erst seit Neuem
sollen in der EU Tierversuche über 90
Tage durchgeführt werden, doch selbst
diese erlauben nur bedingt Aussagen
über Langzeiteffekte von GVO oder Wir-
kungen auf Nachkommen. Zudem liegen
die Detailergebnisse der Firmenstudien
nur den Behörden vor, eine Überprüfung
durch unabhängige Wissenschaftler ist
zumeist nicht möglich. Gerne wird be-
hauptet, negative Effekte auf die Ge-
sundheit seien trotz mehrjährigen Ver-
zehrs von gentechnisch hergestellten
Lebensmitteln nicht beobachtet worden.
Doch mangels Kennzeichnung solcher
Lebensmittel in den GVO-
Hauptanbauländern lassen sich keine
epidemiologischen Untersuchungen zu
eventuellen gesundheitlichen Wirkungen
von Gentech-Lebensmitteln durchführen.
RISIKEN FÜR DIE UMWELT
Die Erfahrung der vergangenen Jahre
lehrt: GVO lassen sich nicht begrenzen.
Auskreuzung der Transgene auf Pflanzen
der gleichen oder verwandte Arten lässt
sich nicht verhindern. Wind und Insekten
Protestaktion des BN: so weit die Luftballons flie-
gen, kann auch gentechnisch veränderter Pollen
fliegen
verbreiten Pollen über große Entfernun-
gen. Auch Samen werden durch Wind
und Tiere verbreitet, sie können zudem
oft Jahre überdauern. Besonders proble-
matisch ist es, wenn gentechnisch verän-
derte Pflanzen in ihren Ursprungsregio-
nen angebaut werden sollen, da dort in
aller Regel auch zahlreiche verwandte
Arten vorkommen. Dies gilt in Europa
beispielsweise für den Raps. Rapssamen
gehen leicht verloren, wie Funde von
Gentech-Raps an Verkehrswegen zeigen
und das selbst in Ländern, in denen er nie
freigesetzt oder angebaut wurde, wie in
der Schweiz. Rapssamen können jahre-
lang keimfähig bleiben. So fanden sich in
Schweden herbizidresistente Rapspflan-
Problematisch: die weite
Verbreitung von Pollen und
das Auskreuzen der verän-
derten Gene auf verwandte
Pflanzen
4
zen noch 10 Jahre nach einem einjährigen
Anbau. Unerwünschte Effekte auf so
genannte „Nichtzielorganismen“ sind zu
erwarten, etwa wenn ein gegen das
Schadinsekt
Maiszünsler gerichtetes Toxin auch ande-
re Schmetterlinge oder Nützlinge schä-
digt. Die Artenvielfalt im Agrarraum, die
schon sehr bedroht ist, würde durch GVO
weiter gefährdet. Die nicht auszuschlie-
ßende Wirkung auf Nichtzielorganismen
war der Grund, weshalb der Anbau des
MON810 Mais in Deutschland im Früh-
jahr 2009 durch die damalige Landwirt-
schaftsministerin Ilse Aigner verboten
wurde.
Freiwillige Selbstver-
pflichtung von Landwir-
ten
Negative Wirkungen auf die Artenvielfalt
sind nicht nur durch insektenresistente
Pflanzen zu befürchten, sondern auch
durch herbizidresistente Pfanzen. Diese
gegen die Breitbandherbizide Glyphosat
und Glufosinat resistenten GVO sind da-
rauf getrimmt, die „Herbiziddusche“ aus-
zuhalten, während alle anderen Pflanzen
absterben. Fehlen aber Wildpflanzen,
fehlen Insekten und anderen Tieren Nah-
rung und Unterschlupf, die Vielfalt nimmt
dramatisch ab. Zu beobachten ist dies in
Ländern mit breitem Anbau von herbi-
zidresistenten Pflanzen. So wird inzwi-
schen in den USA ein massiver Populati-
onsrückgang des Monarchfalters beo-
bachtet, der mit dem großflächigen Ver-
schwinden der Seidenpflanze, der Futter-
pflanze der Larven, in den Mais- und So-
jaanbaugebieten in Verbindung gebracht
wird.
Durch die häufige Anwendung der immer
gleichen Herbizide bilden Ackerbeikräuter
immer schneller Resistenzen gegen diese
Herbizide aus. Zur Bekämpfung dieser
Beikräuter werden dann mehr Herbizide
in höheren Dosen eingesetzt. So stieg mit
Einführung der herbizidresistenten Gen-
tech-Pflanzen der Herbizidverbrauch zur
Beikrautbekämpfung in Ländern wie USA,
Argentinien und Brasilien rapide an. Die
Industrie entwickelt zunehmend Gen-
tech-Pflanzen, die gegen weitere Herbizi-
de resistent sind, darunter solche, die
aufgrund ihrer Toxizität eigentlich auslau-
fen sollten. Eine umwelt- und gesund-
heitsverträgliche Landwirtschaft sieht
anders aus.
IMKEREI
Besonders betroffen durch den Anbau
gentechnisch veränderter Pflanzen ist die
Imkerei. Bienen sind auf die Vielfalt an
Nahrungspflanzen angewiesen und sor-
gen durch ihre Bestäubungsleistung da-
für, dass Vielfalt erhalten bleibt. Da auch
zahlreiche Nutzpflanzen auf die Bestäu-
bung angewiesen sind, gelten Bienen als
wirtschaftlich sehr relevante Nutztiere.
Doch in ausgeräumten Agrarlandschaften
haben sie große Probleme, ausreichend
Nektar und Pollen zu finden. So befliegen
sie zum Pollensammeln selbst den Mais,
der keinen Nektar liefert. Raps gilt als
exzellente Bienenweide, den sie auch
über große Entfernungen anfliegen. Bie-
nen überwinden leicht Entfernungen von
drei km, unter Umständen auch deutlich
weitere. Ein Volk kann damit ein Areal
von 30 km2 befliegen. Gentech-Pollen
Unabdingbar: z.B. Schutz
der Bienen und anderer
Insekten vor den schädli-
chen Einflüssen der Gen-
technik
5
landet so im Honig und anderen Imkerei-
produkten, obwohl weder Imker noch
Verbraucher Gentech-Pollen im Natur-
produkt Honig wünschen.
Foto: Holger Loritz, Netzwerk Blühende Landschaft
Der Schutz der Imkerei vor dem Eintrag
von GVO wurde in den vergangenen Jah-
ren sträflich vernachlässigt. Es existieren
keine gesetzlichen Regelungen, die die
notwendigen Abstände zwischen GVO-
Flächen und Bienenständen vorgeben
würden. Stattdessen sollen Imker selbst
dafür sorgen, dass Gentech-Pollen nicht
im Honig landet!
Der BN fordert: Um das Verursacherprin-
zip nicht völlig auszuhebeln, müssen drin-
gend Mindestabstände zwischen GVO-
Flächen und Bienenständen festgelegt
werden, die dem Flugverhalten der Bie-
nen entsprechen.
KOMMERZIELLER GVO-ANBAU IN
DER EU – KAUM INTERESSE, ABER
ERZWUNGENE EINFÜHRUNG
DURCH FREIHANDELSABKOM-
MEN?
Die überwältigende Mehrheit der europä-
ischen Verbraucher lehnt die Agrogen-
technik ab, doch die EU-Kommission hat
immer wieder Zulassungen für gentech-
nisch veränderte Organismen (GVO) aus-
gesprochen.
In der EU ist aktuell eine gentechnisch
veränderte Pflanze für den kommerziel-
len Anbau zugelassen: der seit 1998 zuge-
lassene MON810 Mais von Monsanto mit
eingebautem Insektizid. Die kurzzeitig
zugelassene Amflora-Kartoffel der BASF
mit einer veränderten Stärkezusammen-
setzung darf nicht mehr angebaut wer-
den. In mehreren europäischen Ländern
existieren Anbauverbote für den
MON810 Mais, nämlich in Österreich,
Luxemburg, Ungarn, Griechenland, Frank-
reich, Deutschland, Bulgarien und Italien.
Der MON810 Mais wurde 2013 in Spani-
en auf 137 000 Hektar angebaut, außer-
dem vereinzelt in Portugal, Tschechien,
der Slowakei und vermutlich in Rumäni-
en. Der Gesamtanbau gentechnisch ver-
änderter Pflanzen in der EU beläuft sich
auf etwas mehr als 140 000 Hektar, das
entspricht etwa 0,14% der Ackerfläche.
Doch es stehen weiterhin diverse Gen-
tech-Pflanzen auf der Warteliste für EU
Anbauzulassungen. Alle besitzen entwe-
der eine Herbizidresistenz oder eine
Insektenresistenz und mehr als die Hälfte
trägt beide Eigenschaften.
Die EU-Kommission will nun eine neue
gentechnisch veränderte Maislinie zum
Anbau zulassen: der 1507 Mais von Du-
Pont Pioneer (in den USA als Herculex I
bekannt) besitzt eine Resistenz gegen den
Maiszünsler und zusätzlich eine Resistenz
gegen das Breitbandherbizid Glufosinat
(als Liberty, Basta oder Ignite bekannt)
der Firma Bayer. Ähnliche Eigenschaften
Die überwältigende Mehr-
heit der europäischen
Verbraucher lehnt die
Agrogentechnik ab
6
hat der ebenfalls zum Anbau beantragte
Bt11 Mais von Syngenta; für beide GVO
wurden bereits Sortenversuche in EU-
Ländern durchgeführt. Glufosinat soll
aufgrund seiner Toxizität in der EU ab
2017 die Zulassung verlieren. Eine gen-
technisch veränderte Pflanze zuzulassen,
die den Einsatz eines gefährlichen Herbi-
zids ermöglicht, ist unverantwortlich.
Deutschland hat sich bei der Abstimmung
über die Zulassung im EU-Ministerrat
leider enthalten und damit einer Geneh-
migung durch die EU-Kommission den
Weg bereitet.
Die EU-Kommission hat in den vergange-
nen Jahren eine Reihe von Importzulas-
sungen für GVO erteilt, die als Futtermit-
tel eingesetzt werden. So darf seit No-
vember 2013 sogar der besonders um-
strittene SmartStax-Mais als Futter- und
Lebensmittel in die EU importiert wer-
den. Dieser Mais besitzt sechs Insekten-
resistenzgene und zwei Herbizidresis-
tenzgene und wurde nicht ausreichend
auf seine Sicherheit geprüft. Mit unbe-
kannten Wechselwirkungen der verschie-
denen Resistenzgene und Toxine sowie
erhöhten Rückständen der Herbizide
Glyphosat und Glufosinat ist zu rechnen.
Marktexperten belegen, dass es nach wie
vor genügend gentechnikfrei erzeugtes
Soja am Weltmarkt gibt, um den europäi-
schen Bedarf zu decken, so dass weitere
Importzulassungen von GVO überflüssig
sind. Der Bund Naturschutz unterstützt
darüber hinaus alle Bemühungen, die
regionale Eiweißfutterversorgung zu för-
dern.
Wichtige Forderung des BN ist eine flä-
chengebundene Tierhaltung, damit das
Futter für die Tiere am landwirtschaftli-
chen Betrieb zum Großteil selbst erzeugt
wird und die Ausscheidungen der Tiere
sinnvoll als Dünger angewendet werden
können, ohne die Umwelt zu belasten.
Erfolgen Zulassungen etwa in vorausei-
lendem Gehorsam der EU gegen die USA
und Gentech-Firmen, die im Rahmen des
geplanten Freihandelsabkommens massi-
ve Änderungen des EU-Gentechnikrechts
fordern? Denn die Berücksichtigung des
Vorsorgeprinzips im Zulassungsverfahren
und die Kennzeichnung von Gentech-
Lebensmitteln ist den an der Ausweitung
der Agrogentechnik Interessierten schon
lange ein Dorn im Auge. Die EU/US-
Verhandlungen werden offenbar als He-
bel gesehen, die bestehenden EU-
Gentechnikregelungen abzuschaffen,
mindestens aber aufzuweichen. Die USA
wollen einem Abkommen nur zustimmen,
wenn die von ihr als "Handelshemmnis-
se" bezeichneten EU-Regeln aufgegeben
werden und US-Importe von GVO der
Kennzeichnungspflicht nicht unterworfen
werden.
Der BN fordert: Deutschland muss sein
Gewicht als größter Mitgliedstaat einset-
zen, um ein Absenken von EU-Standards
im Bereich Gentechnik, Landwirtschaft
und Ernährung zu verhindern. Die viel-
Gentechnikfreie Fütterung
durch Anbau von Eiweiß-
futterpflanzen, hier Bayri-
scher Sojaanbau
7
fach wiederholten Äussagen der Politik,
die europäischen Verbraucherschutz- und
Umweltstandards seien nicht betroffen,
sind nur bedingt glaubwürdig, denn das
Freihandelsabkommen TTIP (Transatlan-
tic Trade and Investment Partnership) ist
als sogenanntes „living agreement“ ange-
legt. Dies bedeutet, dass nach Abschluss
laufend weiterverhandelt werden soll
und in sogenannten „regulatorischen
Räten“ weitere Abmachungen zwischen
Lobbyisten und Regierungsvertretern
unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt-
finden können.
BEDROHUNG DER GENTECHNIK-
FREIEN LANDWIRTSCHAFT – AUCH
IN BAYERN: EINFÜHRUNG VON
VERSCHMUTZUNGSGRENZWER-
TEN MIT GVO FÜR LEBENSMITTEL
UND SAATGUT
Die Agrogentechnikindustrie versucht
auch andernorts, vollendete Tatsachen zu
schaffen. So fordern GVO-Importeure
und Ölmühlen seit längerem die Aufhe-
bung der Nulltoleranz für in der EU nicht
zugelassene gentechnisch veränderte
Organismen in Lebensmitteln, um sich die
Warenstromtrennung von Futtermitteln
und Lebensmitteln zu ersparen. Die EU-
Kommission schlug denn auch vor, diese
Nulltoleranz nicht nur für Futtermittel,
wie 2011 geschehen, sondern auch für
Lebensmittel aufzuheben. Aufgrund von
Einsprüchen aus Deutschland, Frankreich
und Österreich wurde dieses Ansinnen
2012 verhindert, doch immer noch steht
es auf der Tagesordnung der Kommission.
Würde die Nulltoleranz bei Lebensmitteln
aufgehoben, könnten Verunreinigungen
durch GVO auftreten, die außerhalb der
EU angebaut werden und das europäi-
sche Zulassungsverfahren nicht durchlau-
fen haben. Die Produktion gentechnik-
freier Lebensmittel würde deutlich er-
schwert und durch zusätzliche Kontroll-
und Analysekosten stark verteuert. Hinzu
kämen die nach wie vor nicht kalkulierba-
ren Risiken durch gentechnisch veränder-
te Organismen und Konstrukte in der
Nahrung.
Auch die Saatgutindustrie übt Druck aus,
sie versucht seit Jahren, die geltende
Nulltoleranz für gentechnische Verunrei-
nigung von Saatgut auszuhebeln. Doch
Saatgut gehört zu den absolut sensiblen
Bereichen. Eine Einführung von Schwel-
lenwerten für zulässige GVO-Anteile im
Saatgut würde das Ende der gentechnik-
freien Produktion in allen Ländern bedeu-
ten, in denen diese zulässig wären. Die
Beispiele USA und Kanada zeigen, nach
welch kurzer Zeit konventionelles Saatgut
mit signifikanten Anteilen von GVO
kontaminiert ist, sodass eine echte Gen-
technikfreiheit praktisch nicht zu gewähr-
leisten ist.
Der BN fordert, die Nulltoleranz für Le-
bensmittel und Saatgut aufrecht zu erhal-
ten.
GENTECHNIKFREIE FÜTTERUNG
IST MÖGLICH - KENNZEICH-
NUNGSPFLICHT AUCH FÜR TIERI-
SCHE LEBENSMITTEL
Der Einsatz von gentechnisch veränder-
ten Futtermitteln, insbesondere Gly-
phosat-resistentem Importsoja steht zu
Recht in der Kritik: Die vielfach in der
Fütterung von Schweinen und Geflügel,
aber auch bei Milchkühen eingesetzten
Sojaprodukte stammen von Flächen, die
regelmäßig mit Herbiziden behandelt
werden. Diese Giftdusche führt zu erhöh-
.. die Nulltoleranz vor Verunreinigung mit GVO für Lebensmittel und Saat-gut ist nicht verhandel-bar….
8
ten Rückständen. So wurden in argentini-
schen Sojabohnen Glyphosatrückstände
gefunden, die die zulässigen Werte teil-
weise deutlich überschreiten.
Allein in Bayern werden nach Angaben
der Bayerischen Landesanstalt für Land-
wirtschaft pro Jahr 775.000 Tonnen Im-
portsoja verfüttert, deutschlandweit sind
es 4,8 Millionen Tonnen. Doch die Ver-
braucher werden im Unklaren gelassen,
wie die Tiere gefüttert werden, von de-
nen ihre Milch, Eier und Fleischprodukte
stammen. Gefordert wird deshalb eine
Kennzeichnungspflicht auch für Lebens-
mittel von Tieren, die mit gentechnisch
veränderten Futtermitteln gefüttert wur-
den. Nur so erhalten Verbraucher eine
echte Wahlfreiheit beim Lebensmittel-
kauf.
Die Übergangslösung ist der Markt für
„ohne Gentechnik“-Lebensmittel. Da die
Kennzeichnung tierischer Lebensmittel
bislang in der EU nicht durchsetzbar war,
wurde in Deutschland 2008 eine Kenn-
zeichnung für Lebensmittel geschaffen,
die „ohne Gentechnik“ produziert wer-
den. Wesentliche Voraussetzung dafür ist
die gentechnikfreie Fütterung. Der Markt
für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel
wächst stetig: Ca. 200 Unternehmen set-
zen deutschlandweit bereits auf die
Kennzeichnung “ohne Gentechnik“. Sie
verpflichten die Milch, Eier oder Fleisch
erzeugenden Landwirte zur gentechnik-
freien Fütterung.
Branchenexperten des VLOG (Verband
Lebensmittel ohne Gentechnik) schätzen,
dass – ausgehend von derzeit etwa 10% -
mittelfristig mindestens 50% der Milch-
menge in Deutschland gentechnikfrei
erzeugt werden. Auch am bayerischen
Milchmarkt gibt es neben den Biomolke-
reien, die ausnahmslos ohne Gentechnik
produzieren eine Reihe von Molkereien,
die Milch und Käse mit der „ohne Gen-
technik“- Kennzeichnung auf den Markt
gebracht haben.
Im Eiermarkt gehen die Schätzungen be-
reits jetzt von einem Anteil von 50% gen-
technikfreier Fütterung aus, mit steigen-
der Tendenz. Doch zumeist fehlt die
Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ auf
den Packungen, weil die großen Anbieter
sich bislang der Kennzeichnung verwei-
gern.
Im Fleisch- und Wurstbereich geht die
Entwicklung verhalten voran. Der Le-
bensmitteleinzelhandel hat Interesse an
gentechnikfreiem Fleisch signalisiert. Bei
Rewe heißt es beispielsweise: Falls die
großen Geflügelhalter nicht mitziehen,
werden wir auf kleine, regionale zurück-
greifen, die einfach auf gentechnikfreie
Produktion umschalten können, oder
ausländische Lieferanten als Alternative
betrachten2.
2
http://www.ohnegentechnik.org/aktuelles/nach
richten/2014/oktober/einzelhandel-droht-
gefluegelindustrie.html
Mehr Verbrauchersicher-
heit durch das Label „ohne
Gentechnik“
9
BN FORDERT VERBOT VON
GLYPHOSAT
Rückstände von Glyphosat und seinem
Abbauprodukt AMPA sowie die gentech-
nische Veränderung als solche bergen ein
hohes, zum Teil noch ungeklärtes Risiko-
potenzial für die Gesundheit von Mensch
und Tier. Wissenschaftliche Studien der
letzten Jahre erbrachten mehr und mehr
Belege für toxische Effekte von Gly-
phosat-haltigen Herbiziden. Schon länger
gibt es z.B. Berichte aus Lateinamerika
über stark erhöhte Krebsraten bei Men-
schen, die Glyphosat-haltigen Herbiziden
ausgesetzt sind sowie über eine Zunahme
an Fehlgeburten und fehlgebildeten Neu-
geborenen. In diesen Ländern werden
Glyphosat-resistente, so genannte
RoundupReady-Sojabohnen auf vielen
Millionen Hektar angebaut.
Der Anbau der Sojapflanzen in Monokul-
turen in Südamerika führt außerdem zu
umfangreichen Brandrodungen von Wäl-
dern und gefährdet die einheimische
Bevölkerung, die der Vertreibung durch
Großgrundbesitzer, meist unter Duldung
der Regierungen, ausgesetzt ist.
Der BN setzt sich daher für einen Umstieg
auf importunabhängige, regionale Fütte-
rungssysteme ein. Die Fleischproduktion
in Europa muss reduziert werden, um bei
weltweit knapper Fläche nicht auch noch
Futtermittelfläche in anderen Kontinen-
ten für einen gesundheitlich und klimapo-
litisch schädlich hohen Fleischkonsum in
Anspruch zu nehmen.
Glyphosat wird aber nicht nur im Zusam-
menhang mit herbizidresistenten Pflan-
zen verwendet, sondern auch unabhängig
davon, in Deutschland etwa zur Unkraut-
bekämpfung vor der Aussaat, in Sonder-
kulturen und sogar im Haus- und Klein-
garten. Der Einsatz in Speise- und Futter-
getreide zur Abtrocknung des Strohs vor
der Ernte (Sikkation) wurde in Deutsch-
land inzwischen etwas eingeschränkt.
Glyphosat wird von Mensch und Nutztie-
ren aufgenommen und wurde auch im
menschlichen Urin nachgewiesen.
Obwohl zahlreiche Untersuchungen vor-
liegen, die die Gefahren für die Gesund-
heit und die Umwelt durch Glyphosat
aufzeigen, verteidigt das Bundesinstitut
für Risikoforschung (BfR) bisher Gly-
phosat als „sicher“ und „umfassend“ ge-
prüft. Für Glyphosat läuft derzeit die
Neubewertung für die Wiederzulassung,
Deutschland kommt dabei eine herausra-
gende Rolle zu.
Der BN fordert ein Verbot von Glyphosat.
GENTECHNIKFREIE REGIONEN
UND BÜNDNISSE WACHSEN
Es gibt in Deutschland inzwischen 212
Gentechnikfreie Regionen und Initiativen,
davon über 50 in Bayern und 343 Gen-
technikfreie Kommunen, davon über 150
in Bayern (www.gentechnikfreie-
regionen.de). In der Hälfte aller bayeri-
schen Landkreise existieren aktive Bünd-
nisse, die über die Risiken der Agrogen-
technik aufklären und politisch aktiv sind
und es auch bleiben werden.
(www.buendnis-bayern-
gentechnikfrei.de).
BUND Naturschutz fordert
ein Verbot von Glyphosat
10
PATENTE
Gentech-Pflanzen unterliegen dem Pa-
tentschutz und dürfen nicht nachgebaut
werden. Über diese Patente und Anbau-
verträge erzeugt die Agrobiotech-
Industrie wirtschaftliche Abhängigkeiten.
Bei Zuwiderhandlung werden die Land-
wirte gerichtlich verfolgt, wie zahlreiche
Landwirte in den USA und Kanada in den
vergangenen Jahren erleben mussten.
Konzentrationsprozesse im Saatgutbe-
reich lassen erwarten, dass künftig nur
wenige internationale Firmen den welt-
weiten Saatgutmarkt kontrollieren. Die
Entscheidungsfreiheit der Landwirte wie
auch der Verbraucher wäre stark be-
droht. Inzwischen wird der Patentschutz
sogar auf konventionell gezüchtete Pflan-
zen ausgeweitet.
Der BN fordert, keine Patente auf Pflan-
zen und Tiere zu erteilen: Denn die Natur
und das Arbeitsergebnis von Bäuerinnen
und Bauern und spezialisierten Züchtern
aus vielen Jahrhunderten dürfen nicht in
den Besitz von Großkonzernen gelangen,
die sich damit unrechtmäßig eine Mono-
polstellung ungeahnten Ausmaßes ver-
schaffen würden.
NÜTZLICHE LINKS
http://www.bund-
naturschutz.de/themen/gentechnik.html
http://www.bund.net/themen_und_proj
ekte/gentechnik/
http://www.keine-gentechnik.de/
http://www.no-patents-on-seeds.org/de
http://www.testbiotech.org/
Hier könnte eine Bildunter-
schrift stehen.
Bauernfeindstr. 23
90471 Nürnberg
Tel. 0911 / 81 87 8-0
Fax 0911 / 86 95 68
lfg@bund-naturschutz.de
www.bund-naturschutz.de
Landesverband Bayern des
Bundes für Umwelt- und Naturschutz
Ansprechpartner zum Thema:
Marion Ruppaner
Tel.: 0911/81 87 8-20
Marion.ruppaner@bund-naturschutz.de
Stand Oktober 2014
Impressum:
Herausgeber: Bund Natur-
schutz in Bayern e.V.
Redaktion und Text:
Marion Ruppaner und Dr.
Martha Mertens
Bilder: wenn nicht anders
genannt: BN Archiv
Hier könnte eine Rand-
information stehen. Hier
könnte eine Randinfor-
mation stehen.