Post on 06-Nov-2021
transcript
Beziehungsarbeit in der Traumapädagogik
Über Beziehungen in der Arbeit mit traumatisierten Kindern
und Jugendlichen
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts
an der
Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von
Marion HARTL, BA
am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Begutachter: Mag. phil. Dr. phil. Manfred Sonnleitner
Graz, November 2018
Zitate
„Feuer kann wärmen oder verzehren, Wasser kann Durst löschen oder ertränken, Wind
kann streicheln oder schneiden. Und so ist es auch mit menschlichen Beziehungen:
Wir können einander sowohl erschaffen als auch zerstören, sowohl fördern als auch
terrorisieren, sowohl traumatisieren als auch heilen.“
(Perry/Szalavitz 2014, S. 16f.)
„(Ver-)Bindungen verbinden, halten, geben frei, führen, werden neu geknüpft, integrie-
ren, stärken, nähren, versorgen, trösten, sind einschätzbar, sind kontinuierlich, schüt-
zen, regulieren bei Stress, machen Mut, lachen und heilen. (Ver-)Bindungen engen o-
der schnüren ein, lassen unerwartet los, lassen fallen, verführen, verwickeln, ziehen,
werden abgebrochen, werden vergessen, verunsichern, verängstigen, aktivieren
Stress, schmerzen, lassen vereinsamen, trauern oder wüten.“
(Lang 2013, S. 187)
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten
Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe.
Graz, September 2018 Marion Hartl
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die mich bei dem Prozess dieser Arbeit unter-
stützt haben. An besonderer Stelle steht meine Mutter, die mich mein Leben lang unter-
stützt hat, um mir eine Ausbildung und Studium zu ermöglichen. Weiters danke ich allen
InterviewpartnerInnen, die sich für das Gespräch die Zeit genommen haben, sowie Herr.
Mag. phil. Dr. phil. Manfred Sonnleitner, der mich während der Arbeit betreut und beraten
hat.
Zusammenfassung
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Beziehungsarbeit pädagogischer
Fachkräfte mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen.
Das besondere Augenmerk liegt dabei auf der Traumapädagogik. Das Ziel der Arbeit
besteht darin herauszufinden, wie pädagogische Fachkräfte die Beziehungen zu Kindern
und Jugendlichen, die schon früh traumatisiert wurden, gestalten. Dabei ist vor allem
relevant, welche Aspekte für die Beziehungsgestaltung eine Rolle spielen, welche Prob-
leme sich dabei ergeben und wie pädagogische Fachkräfte mit diesen Problemen um-
gehen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den pädagogischen Fachkräften als Teil der
Beziehung. Dabei spielen die Kompetenzen der Fachkräfte, die in die Beziehungsge-
staltung einfließen, eine besondere Rolle. Dazu gehören neben Wissen und Kenntnissen
der Psychotraumatologie auch Selbstreflexion und Selbstfürsorge. Neben einer ausführ-
lichen Literaturrecherche werden mittels ExpertInneninterviews die Forschungsfragen
beantwortet. Insgesamt wurden sechs Interviews mit pädagogischen Fachkräften aus
fünf verschiedenen Einrichtungen durchgeführt und wortwörtlich transkribiert. Anschlie-
ßend wurden die Daten mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewer-
tet. Die Ergebnisse zeigen in erster Linie, dass die Traumapädagogik in der Beziehungs-
gestaltung mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle einnimmt.
Sie zeichnet sich besonders durch einen transparenten und wertschätzenden Umgang
mit den Kindern und Jugendlichen aus. Dieser fließt in die Beziehungsarbeit ein und stellt
auch eine wichtige Haltung in der Traumapädagogik dar. Ferner spielen die Kompeten-
zen der pädagogischen Fachkräfte stark in die Beziehungsgestaltung ein. Sie ermögli-
chen nicht nur einen besseren Umgang mit Problemen, die sich in der Beziehung erge-
ben, sie sind auch für eine längerfristige Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugend-
lichen essenziell.
Abstract
This master's thesis is about relationship work of pedagogues with traumatized children
and adolescents in stationary facilities, while special attention lies on trauma pedagogy.
The aim of the thesis is to find out how pedagogues shape relationships with children
and adolescents, who have been traumatized at an early age. Above all, the following is
of relevance: Which aspects play a role in these relationships, which problems arise and
how do pedagogues deal with these problems? Another focus is on the pedagogues as
part of the relationship and their competences, which contribute to relationship formation.
In addition to knowledge of psychotraumatology, these competences include self-reflec-
tion and self-care. In addition to a detailed literature search, the research questions are
answered by expert interviews. A total of six interviews with pedagogues from five differ-
ent institutions were conducted and transcribed verbatim. The data was evaluated by
means of the qualitative content analysis according to Mayring. The results show, first
and foremost, that trauma pedagogy plays an important role in the relationship formation
with traumatized children and adolescents. It is characterized by a transparent and ap-
preciative approach to the children and adolescents. This flows into the relationship work
and represents also an important attitude in the trauma pedagogy. Furthermore, the com-
petences of the pedagogues play a strong role in the relationship work. They make it
easier to deal with problems that arise in the relationship and they are also essential for
longer-term work with traumatized children and adolescents.
Inhalt Einleitung ...................................................................................................................... 1
1. Trauma .................................................................................................................. 4
1.1 Definition Trauma ........................................................................................... 4
1.2 Entstehung eines Traumas ............................................................................. 5
1.3 Risiko-, Schutz- und Mittlerfaktoren ................................................................ 7
1.3.1 Risikofaktoren für Traumata ..................................................................... 7
1.3.2 Mittler- und Schutzfaktoren für Traumata ............................................... 11
1.4 Traumafolgestörungen .................................................................................. 12
1.5 Die Bedeutung von Beziehungen in der Traumaarbeit .................................. 15
2. Bindung und Bindungstheorie .............................................................................. 17
2.1 Bindungstheorie nach Bowlby ....................................................................... 17
2.2 Bindungsqualitäten ....................................................................................... 19
2.3 Auswirkung früher traumatischer Erfahrungen auf die Bindung .................... 22
2.4 Bindungsorientierte pädagogische Arbeit ...................................................... 26
3. Fremdunterbringung und Trauma ........................................................................ 28
3.1 Stationäre Einrichtungen und Trauma........................................................... 29
3.2 Traumapädagogische Standards der stationären Kinder- und Jugendhilfe ... 31
4. Traumapädagogik ................................................................................................ 33
4.1 Einführung in die Traumapädagogik ............................................................. 33
4.2 Gründe für die Entstehung der Traumapädagogik ........................................ 35
4.3 Grundhaltung der Traumapädagogik ............................................................ 37
4.4 Traumapädagogische Konzepte ................................................................... 41
5. Beziehungen und Trauma .................................................................................... 43
5.1 Beziehungsgestaltung .................................................................................. 43
5.1.1 Probleme der Beziehungsgestaltung ..................................................... 44
5.1.2 Übertragung und Gegenübertragung in Beziehungen ............................ 46
5.1.3 Bindungsabwertende und bindungsverstrickte Kommunikation ............. 49
5.2 Korrigierende Beziehungs- und Bindungserfahrungen .................................. 52
6. Pädagogische Fachkräfte als Teil der Beziehung ................................................ 58
6.1 Sachkompetenzen ........................................................................................ 59
6.2 Selbstreflexion und Selbsterfahrung ............................................................. 60
6.3 Selbstfürsorge .............................................................................................. 61
7. Empirischer Teil ................................................................................................... 64
7.1 Forschungsziel und Forschungsfragen ......................................................... 64
7.2 Erhebungsverfahren ..................................................................................... 65
7.2.1 Leitfadengestützte ExpertInneninterviews .............................................. 65
7.2.2 Stichprobe ............................................................................................. 66
7.2.3 Vorbereitung und Durchführung der Interviews ...................................... 67
7.3 Ablauf der Datenanalyse............................................................................... 67
7.3.1 Transkription .......................................................................................... 67
7.3.2 Auswertung ........................................................................................... 68
8. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse ..................................................... 71
8.1 Kategorien .................................................................................................... 71
8.2 Soziodemografische Daten ........................................................................... 71
8.3 Beziehungsgestaltung .................................................................................. 73
8.3.1 Allgemeine und individuelle Beziehungsgestaltung ................................ 74
8.3.2 Wichtige Faktoren der Beziehungsgestaltung ........................................ 78
8.3.3 Probleme der Beziehungsgestaltung ..................................................... 83
8.3.4 Umgang mit Problemen ......................................................................... 86
8.4 Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte ............................................... 88
8.4.1 Wissen und Kenntnisse ......................................................................... 89
8.4.2 Selbstreflexion und Selbsterfahrung ...................................................... 93
8.4.3 Selbstfürsorge ....................................................................................... 96
8.5 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse ................................ 102
9. Resümee ........................................................................................................... 108
Literatur .................................................................................................................... 112
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ........................................................................ 119
1
Einleitung
Ausgangslage
Es existiert kaum ein psychosozialer Bereich, in dem pädagogische Fachkräfte es nicht
mit Traumata zu tun haben. In der stationären Kinder- und Jugendhilfe befinden sich so
viele Kinder und Jugendliche, die schwer belastende bis traumatische Ereignisse durch-
leben mussten, wie in kaum einem anderen psychosozialen Bereich (vgl. Schmid 2010,
S. 36). Viele dieser Kinder und Jugendlichen haben bereits zahlreiche Beziehungsab-
brüche hinter sich, bevor sie schließlich in die stationäre Einrichtung kommen (vgl. ebd.,
S. 39). Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Raum haben gezeigt, dass 75%
dieser Kinder und Jugendlichen mit traumatischen Erfahrungen konfrontiert waren (vgl.
Tiefenthaler/Gahleitner 2016, S. 176).
Die Traumapädagogik als noch junge Fachrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht,
jene Fachkräfte, die mit traumatisch belasteten Kindern und Jugendlichen arbeiten, ei-
nerseits durch Fort- und Weiterbildungen und andererseits durch die Schaffung tragfä-
higer Strukturen in ihren Institutionen bei ihrer Aufgabe zu unterstützen (vgl. Weiß/Kess-
ler/Gahleitner 2016, S. 11). Sie entstand insbesondere aus den Erfahrungen und Be-
obachtungen von MitarbeiterInnen der Jugendhilfe heraus. Ohnmachtssituationen sowie
Selbstunwirksamkeitserfahrungen des Teams bei seiner Arbeit mit traumatisch belaste-
ten Kindern und Jugendlichen führten zu weiteren Beziehungsabbrüchen und damit ein-
hergehend zu einer Verschlimmerung der Symptomatik. Damit Unsicherheiten und ne-
gativen Gefühlen der Fachkräfte entgegengewirkt und Kinder und Jugendliche besser
unterstützt werden können, wurden pädagogische Konzepte entwickelt, die psychotrau-
matologisches Wissen im pädagogischen Alltag berücksichtigen und eine längerfristige
pädagogische Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen möglich machen (vgl.
Schmid 2010, S. 42).
Als wesentlich für die Traumapädagogik gelten der Aufbau und die Gewährleistung trag-
fester und verlässlicher Beziehungen (vgl. BAG-TP 2011, S. 4). Laut Weiß sind positive
Beziehungserfahrungen wahrscheinlich der wichtigste Beitrag zu einer gelingenden
Traumabearbeitung (vgl. Weiß 2016b, S. 27). Kinder und Jugendliche mit unterschiedli-
chen Beziehungsschwierigkeiten treffen in stationären Einrichtungen auf pädagogische
Fachkräfte. Diese Begegnungen können gelingen oder scheitern und zu weiteren Bezie-
hungsabbrüchen führen. Aus diesem Grund spielen tragfähige, zwischenmenschliche
2
Beziehungen zwischen den Kindern und Jugendlichen und den PädagogInnen eine
große Rolle (vgl. Kühn 2013, S. 30). Ein Schwerpunkt der Traumaarbeit ist das Bin-
dungserleben der Kinder und Jugendlichen, da diese häufig nicht so einfach bereit sind,
erneut Vertrauen zu entwickeln (vgl. Kühn 2017, S. 22).
Aufgrund der traumatischen Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen und der daraus
resultierenden Überlebensstrategien werden die pädagogischen Fachkräfte oft auf die
Probe gestellt (vgl. Baierl/Götz-Kühne/Hensel/Lang/Strauss 2017, S. 60). So braucht es
auf Seiten der Fachkräfte bestimmte Kompetenzen, damit die Beziehungen gelingen.
Laut Weiß müssen zumindest drei Grundkompetenzen in Ansätzen vorhanden sein, um
traumatisierten Kindern und Jugendliche auf professionelle Weise helfen zu können.
Diese sind Wissen und Kenntnisse vor allem zur Psychotraumatologie (Sachkompeten-
zen), Selbstreflexionskompetenzen und Selbstfürsorge (vgl. Weiß 2016a, S. 224).
Themenfindung
Nachdem ich mich dazu entschieden habe, meine Masterarbeit über die Traumapäda-
gogik zu verfassen, führte ich vorab ein Gespräch mit einer Expertin der Traumapäda-
gogik, die sich dazu bereit erklärte, mich bei der Themenfindung zu unterstützen. Diese
wies mich auf die Wichtigkeit von Selbstreflexion und Selbstfürsorge der pädagogischen
Fachkräfte in der Beziehungsarbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen hin.
Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, die Fachkräfte als Teil der päda-
gogischen Beziehung als einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit zu berücksichtigen.
Aus der Erwägung heraus, dass weitere Themenschwerpunkte den Rahmen meiner Ar-
beit überschreiten würden, beließ ich es bei den vorhandenen.
Forschungsfragen
Die Traumapädagogik kommt mittlerweile in vielfältigen Arbeitsfeldern zum Einsatz, je-
doch beschränkt sich diese Masterarbeit auf die Beziehungsarbeit in stationären Einrich-
tungen, da vor allem dort intensive Begegnungen zwischen den pädagogischen Fach-
kräften und den Kindern und Jugendlichen stattfinden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt
sich mit den folgenden Forschungsfragen:
1. Wie gestalten sich die Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und
traumatisierten Kindern und Jugendlichen?
o Welche Faktoren bzw. Aspekte sind für eine gelingende Beziehungsge-
staltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen von Bedeutung?
3
o Welche Probleme ergeben sich aus der Beziehungsgestaltung zwischen
traumatisierten Kindern bzw. Jugendlichen und pädagogischen Fachkräf-
ten und wie gehen Letztere damit um?
2. Welche Kompetenzen bringen die pädagogischen Fachkräfte in die Beziehungs-
gestaltung mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen ein?
Gliederung der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird der theoretische Hintergrund
aufbereitet. Zuerst werden allgemeine Informationen und Erklärungen zu Trauma und
Traumafolgen sowie Informationen zur Bindung und Bindungstheorie dargelegt, da diese
für das Verständnis der Arbeit essenziell sind. Danach stelle ich den Prozess der Frem-
dunterbringung vor. Um Verständnis für die Schicksale der Kinder und Jugendlichen zu
erlangen, erläutere ich, welche Umstände schließlich zur Fremdunterbringung außerhalb
der Familie führen. Anschließend folgt ein Einblick in die Traumapädagogik. Nachdem
deren Haltungen und Ziele der Leserschaft nähergebracht wurden, erkläre ich Beziehun-
gen im Kontext von Traumata, wobei ich ein besonderes Augenmerk auf die Beziehungs-
gestaltung und deren Probleme sowie auf korrigierende Bindungs- und Beziehungser-
fahrungen lege. Als Überleitung zum empirischen Teil setze ich den Fokus auf die päda-
gogischen Fachkräfte als Teil der Beziehung, da diese den Kern meiner Befragung dar-
stellen.
Der zweite Teil umfasst die empirische Untersuchung. Um die Forschungsfragen beant-
worten zu können, wurden leitfadengestützte ExpertInneninterviews mit sechs pädago-
gischen Fachkräften aus sozialpädagogischen Einrichtungen durchgeführt. Das Ziel da-
bei war es zu ermitteln, wie die Fachkräfte Beziehungen zu traumatisierten Kindern und
Jugendlichen gestalten und welche Kompetenzen sie in die Beziehungsgestaltung ein-
bringen. Weiters werden die so erzielten Ergebnisse vorgestellt und interpretiert. Zuletzt
folgen eine Zusammenfassung der Resultate und ein Resümee dieser Arbeit.
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1. Trauma
In diesem Kapitel wird das Thema Trauma näher erläutert. Nach Definitionen zu Trauma
und wie es entsteht, wird auf Risiko-, Schutz- und Mittlerfaktoren für Traumata einge-
gangen und ausgeführt, welche Folgen ein Trauma nach sich ziehen kann, sowie welche
Bedeutung Beziehungen in der Traumarbeit einnehmen. Das Verständnis dieses The-
mas ist von grundlegender Bedeutung für die weitere Arbeit und wird daher als erstes
behandelt.
1.1 Definition Trauma Der Begriff Trauma kommt ursprünglich aus dem Altgriechischen und bedeutet Wunde
oder Verletzung. In der Medizin bezieht sich diese Schädigung auf den Körper und in
der Psychologie auf eine Verletzung der menschlichen Psyche. Dort bezeichnet der Be-
griff somit das Psychotrauma (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 20). In dieser Arbeit wird
das psychische Trauma genauer erläutert.
Im klinischen Kontext wird der Traumabegriff nach dem ICD-10 und dem DSM-5 defi-
niert, welche die gängigsten, international anerkannten Klassifikationssysteme darstel-
len (vgl. ebd.) Nach dem ICD-10 (WHO/Internationale Klassifikation psychischer Störun-
gen) ist ein Trauma „(…) ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnli-
cher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder langhaltend), die bei
fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ (Dilling/Mombour/Schmidt 2015,
S. 207).
Während sich der ICD-10 eher auf das Trauma als belastendes Ereignis bezieht, ohne
dabei wirklich auf die Bedeutung und Folgen für die Betroffenen einzugehen, wird das
DSM-5 (Diagnostisches und Statisches Manual Psychischer Störungen) diesbezüglich
etwas konkreter (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 20). Nach dem DSM-5 kommt es
dann zu einem Trauma, wenn ein tatsächlicher oder drohender Tod, ernsthafte Verlet-
zungen oder sexuelle Gewalt vorliegen (vgl. Falkai/Wittchen 2015, S. 369).
Dabei müssen eines oder mehrere der folgenden Kriterien gegeben sein:
• Ein oder mehrere traumatische Ereignisse werden direkt erlebt.
• Ein oder mehrere traumatische Erlebnisse werden bei anderen Personen per-
sönlich erlebt.
5
• Die Erfahrung, dass einer nahestehenden Person Traumatisches zugestoßen ist
bzw. der drohende oder tatsächliche Tod einer nahestehenden Person sind auf-
grund von Gewalt oder eines Unfalls gegeben.
• Es kommt zu einer wiederholten oder extremen Konfrontation mit aversiven De-
tails eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse (vgl. ebd.).
Diese beiden Definitionen werden zwar als verbindlich aufgefasst, sie wurden allerdings
aufgrund von Forschungen und Erfahrungen der Psychotraumatologie erweitert und mo-
difiziert (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 21). Weiters zeigt sich anhand dieser Defini-
tionen, dass es schwierig ist, eine allgemeingültige Definition dessen zu finden, was ein
Trauma ausmacht, da sowohl die Belastungen als auch die Bewältigungsmöglichkeiten
sehr unterschiedlich sein können. Was für eine Person eine traumatische Erfahrung dar-
stellt, kann für eine andere eine Situation sein, mit der durch adäquate Bewältigungs-
strategien umgegangen werden kann (vgl. Beckrath-Wilking/Biberacher/Dittmar/Wolf-
Schmid 2013, S. 33).
Im Gegensatz zu schweren oder belastenden Lebensereignissen kann ein traumati-
sches Ereignis nicht mehr mit den üblichen Anpassungs- und Bewältigungsstrategien
bewältigt werden. Es stellt für die Betroffenen ein Ereignis oder eine Situation dar, die
das übliche Selbstwirksamkeits- und Verarbeitungsvermögen außer Kraft setzen. Er-
kenntnisse der Hirnforschung zeigen, dass Traumata nicht einfach „vorbei gehen“, son-
dern neuronal verankert sind und auch Spuren in der Persönlichkeitsentwicklung hinter-
lassen (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 21).
1.2 Entstehung eines Traumas Bei einem Trauma handelt es sich also nicht nur um rein innerliche Konflikte, sondern
um „tatsächliche, extrem stressreiche äußere Ereignisse“ (Huber 2012, S. 38). Damit ein
Ereignis zu einem Trauma wird, muss eine Dynamik in Gang kommen, die das Gehirn
in eine Klemme bringt. In diesem Zusammenhang spricht Huber von der „traumatischen
Zange“ (siehe Abbildung 1). Das Gehirn steckt sozusagen in einer Klemme und versucht
auf effektive und schnelle Weise, mit dem Ereignis fertigzuwerden. Das Gehirn wird in
einem Ausmaß überflutet, dass die Person das Gefühl bekommt, es ginge für sie nicht
mehr weiter. Personen erleben Situationen, auf die sie unvorbereitet sind und die ihre
Bewältigungsstrategien überfordern. Die Psychotraumatologie nennt dies „Überflutung
mit aversiven Reizen“. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen (vgl. ebd., S. 38ff.).
6
Abbildung 1: Traumatische Zange (Quelle: Huber 2012, S. 39)
Huber spricht von Situationen, in denen niemand „cool“ bleiben kann und einem instinktiv
klar wird, dass diese Situation das eigene Leben für immer verändern könnte (vgl. ebd.,
S. 41). Das Stammhirn hat den Menschen für solche extremen Situationen ausgerüstet.
Kommt es zu einer Stressüberflutung, reagieren Menschen meist unbewusst und auto-
matisch mit zwei Reflexen: „Fight or Flight“ und „Freeze and Fragment“. Das Phänomen
Fight or Flight meint, dass man entweder gegen den Stressor ankämpft oder man flieht.
Wenn es gelingt, den Stressor auf diese Weise abzuwenden, wird das Ereignis wahr-
scheinlich als sehr belastend, aber nicht als traumatisierend empfunden. In extremen
Situationen wird nicht immer vernünftig reagiert (vgl. ebd., S. 41f.). Bei der Fight-or-
Flight-Reaktion handelt es sich bloß um Reflexe, die aus der Frühgeschichte des Men-
schen stammen. Die Reaktion selbst stammt nicht aus jenen Hirnregionen, mit denen
der Mensch vernunftmäßig denken kann. Die Fight-or-Flight-Reaktion ist jedoch auch
situations- und personenabhängig. Können die Ereignisse allerdings nicht abgewehrt
werden, gerät der Mensch in die traumatische Zange (vgl. ebd., S. 42).
Der zweite Reflex, Freeze and Fragment, tritt ein, wenn Kämpfen und Flüchten keinen
Sinn mehr haben und man versucht, der äußeren Bedrohung zu entkommen, indem man
sich selbst auflöst. In diesem Moment wird klar, dass für den Menschen das Ereignis ein
7
Trauma darstellt (vgl. ebd., S. 43f.). Freeze bedeutet „einfrieren“ und ist eine Art Läh-
mungsreaktion, die bewirkt, dass der Mensch sich innerlich vom Geschehen distanziert.
„Es ist, als ob das Gehirn sich sagt: Ich bringe den Organismus nicht erfolgreich aus der
Situation heraus, und ich kann den aggressiven Reiz nicht äußerlich niederringen – also
muss ich genau dies intern tun: Ich mache den aggressiven Reiz unschädlich und er-
laube dem Organismus, sich innerlich davon zu distanzieren“ (ebd., S. 43). Durch eine
Flut von Endorphinen sind Gefühle und Körperzustände wie betäubt (vgl. Scher-
wath/Friedrich 2016, S. 23). Obwohl der Mensch in dieser Situation schreien oder um
Hilfe rufen müsste, ist er wie erstarrt und entfremdet. Oft wird erst später, wenn die Per-
son sich in Sicherheit befindet, der Alarmzustand bewusst. Dazu kommt das Mittel des
Fragmentierens. Äußere Ereignisse können nicht mehr – zumindest nicht ohne gezielte
Anstrengung – als zusammenhängend wahrgenommen und erinnert werden (vgl. Huber
2012, S. 43).
Dissoziative Zustände wie Derealisation und Depersonalisation können auf diese Weise
ausgelöst werden (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 23). Bei einer Derealisation werden
die Umgebung oder Teile davon als nicht adäquat oder fremd wahrgenommen, bei sonst
normaler Funktion der Wahrnehmungsorgane. Bei einer Depersonalisation werden das
Selbst oder Teile davon als nicht adäquat oder fremd wahrgenommen, z.B. werden Kör-
perteile nicht gefühlt, man empfindet Schmerzlosigkeit, man steht plötzlich neben sich
(vgl. Huber 2012, S. 56).
1.3 Risiko-, Schutz- und Mittlerfaktoren
Es gibt unterschiedliche Risikofaktoren für Traumata. Die Risikofaktoren sind nicht iden-
tisch mit traumatischen Erfahrungen, sie können jedoch zur Traumatisierung beitragen.
Die Entstehung eines Traumas hängt letztendlich nicht nur von den Risikofaktoren ab,
sondern auch von den Mittler- und Schutzfaktoren (vgl. Weiß 2016a, S. 28).
1.3.1 Risikofaktoren für Traumata
Die betroffenen Kinder mussten häufig verschiedene Traumata, oft sogar zeitgleich,
überstehen. Die traumatischen Erfahrungen können sich gegenseitig bedingen und er-
gänzen. Kenntnisse der verschiedenen Traumata und wie diese wirken, sind notwendig
für eine angemessene Hilfeleistung. Weiß fasst in ihrem Werk „Philipp sucht sein Ich –
Zum Pädagogischen Umgang mit Traumata in den Erziehungshilfen“ die potenziell häu-
figsten Risikofaktoren, die einem Trauma entsprechen können, zusammen. Auf diese
wird im Folgenden kurz eingegangen (vgl. ebd., S. 26ff.).
8
Die Vernachlässigung
Die Vernachlässigung stellt die häufigste Form der Kindesmisshandlung und jene mit
den schwerwiegendsten Folgen dar. Von einer Vernachlässigung ist zu sprechen, wenn
über längere Zeit hinweg Versorgungsleistungen (materielle, emotionale und kognitive)
ausbleiben. Dies kann sowohl aktiv als auch passiv geschehen, z.B. durch fehlende Ein-
sicht oder fehlendes Wissen. Im Gegensatz zu misshandelten Kindern, die sexuelle oder
körperliche Gewalt und somit zwar Aufmerksamkeit erfahren, aber eine unangemes-
sene, werden vernachlässigte Kinder kaum oder gar nicht wahrgenommen (vgl. ebd.,
S. 29).
Die seelische Misshandlung
Die seelische oder emotionale Misshandlung kann sowohl als zusätzliche Komponente
neben allen übrigen Misshandlungsformen oder allein auftreten. Darunter fallen z.B. Er-
niedrigung, Entwürdigung, Zurückweisung, emotionale Unerreichbarkeit etc. Die seeli-
sche Misshandlung ist nicht durch eine konkrete Tat definiert, sondern durch die Bezie-
hung (vgl. ebd., S. 30f.). „Seelische Misshandlungsbeziehungen sind Interaktionen und
Formen unangemessener Behandlungen von Kindern, die umfassend und charakteris-
tisch für die Eltern-Kind-Beziehung sind“ (ebd.).
Die körperliche Misshandlung
Die körperliche Misshandlung ist von allen Misshandlungen die offensichtlichste Form.
Im Gegensatz zur Vernachlässigung liegt eine Beziehung vor, allerdings eine verlet-
zende. Willens- und Bedürfnisäußerungen des Kindes sind dabei oft Anlass der Miss-
handlungen (vgl. ebd., S. 32).
Die häusliche Gewalt
Bei der häuslichen Gewalt handelt es sich um Gewalt zwischen Bezugspersonen. In den
meisten Fällen, in denen gewalttätige Übergriffe zwischen PartnerInnen stattfinden
(meistens Männer gegen Frauen), befindet sich das Kind im Nebenraum oder ist sogar
anwesend. Ein Drittel dieser Kinder ist ebenfalls Misshandlungen durch die Mutter oder
deren Partner ausgesetzt (vgl. ebd., S. 33).
9
Die traumatische Sexualisierung
Sexuelle Traumatisierungen formen die Sexualität des Kindes auf unangemessene
Weise. Typisch sind die Verleugnung oder ein Geheimhaltungspakt zwischen TäterIn
und Kind. Die TäterInnen verhalten sich gegenüber der Außenwelt und oft auch inner-
halb und während des Geschehens so, als gäbe es keinen Missbrauch; die Opfer haben
wiederum den Eindruck, als stimme ihre Wahrnehmung nicht. Oft verleugnen sie die Tat
und halten sie vor sich selbst geheim (vgl. ebd., S. 36).
Die traumatisierte Trennung
Trennungen gehören zwar zur Lebenserfahrung jedes Menschen, freilich gilt bei Kindern
der Grundsatz: je früher und je schwerer die Trennungserfahrung, desto schlimmer. Ob
eine Trennung zum Trauma wird, hängt von verschiedenen Umständen ab. Insbeson-
dere Trennungen von den engsten Bezugspersonen sind in der Regel traumatisch; das
gilt sogar für Kinder, die von ihren Bezugspersonen misshandelt wurden. Bei vielen Kin-
dern werden Schuldgefühle ausgelöst: Weil sie selber so „schlimm“ sind, wurden sie von
ihren Eltern weggegeben (vgl. ebd., S. 40).
Kinder psychisch kranker Eltern
Kinder psychisch kranker Eltern sind teilweise extremen psychosozialen Belastungen
ausgesetzt. Weiters besteht ein hohes Risiko dafür, dass sie selbst psychische Störun-
gen entwickeln. Häufig ist Vernachlässigung auch eine Begleiterscheinung bei Kindern
psychisch kranker Eltern. Diese Kinder können verschiedenen Belastungen ausgesetzt
sein, die je nach Fall stark variieren können. Verschiedene Faktoren wie emotionale und
materielle Vernachlässigung, Misshandlung, Überforderung, Schuld- und Schamge-
fühle, Isolation, Geheimhaltung etc. können sich mehr oder weniger stark auf die Le-
benssituation dieser Kinder auswirken. Sie werden noch mehr als Kinder in anderen
schwierigen Lebenssituationen in die Elternrolle gedrängt (vgl. ebd., S. 42f.).
Scherwath und Friedrich fassen die Risikofaktoren anders als Weiß auf. Demnach wer-
den Risikofaktoren als jene Umstände bezeichnet, die belastende oder traumatische Si-
tuationen zusätzlich negativ beeinflussen (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 54), wäh-
rend die Risikofaktoren nach Weiß bereits belastende Situationen darstellen, die je nach
Mittler- und Schutzfaktoren zu einem Trauma führen können.
10
Laut Scherwath und Friedrich erhöht sich durch Risikofaktoren aufgrund deren destabi-
lisierender Effekte die Wahrscheinlichkeit von Folgestörungen. Neben den Risikofakto-
ren sind die Vulnerabilitätsfaktoren zu beachten, die individuelle Merkmale und Voraus-
setzungen der Personen darstellen. Hierbei handelt es sich bloß um Indikatoren, die die
Folgen eines traumatischen Ereignisses verschärfen können (vgl. ebd., S. 54).
Psychosoziale und lebensgeschichtliche Risikofaktoren
Dazu gehören etwa ein niedriger sozioökonomischer Status, geringe soziale Einbindung,
dysfunktionale Familienstrukturen, Trennung und Verlust in der Vorgeschichte etc. (vgl.
ebd., S. 54f.).
Vulnerabilitäten
„Als Vulnerabilitäten werden biologische und psychologische Dispositionen bezeichnet,
die in Kombination mit kontextbedingten Risikofaktoren und belastenden traumatischen
Situationsfaktoren risikoerhöhend wirken“ (ebd., S. 54). Zu diesen Faktoren gehören u.a.
• die Reife des Kindes. Wie schon erwähnt, ist das traumatische Ereignis umso
schwerwiegender, je früher es stattfindet. Die Vulnerabilität gegenüber traumati-
schen Situationen ist in frühen Entwicklungsstadien erhöht. Aufgrund mangeln-
der Lebenserfahrung, eingeschränkter Handlungskompetenzen und reifungsbe-
dingter Verarbeitungseinschränkung (Sinnverstehen und Sprachentwicklung)
kann dem traumatischen Ereignis kaum etwas entgegengesetzt werden (vgl.
ebd., S. 55). „Je jünger ein Mensch ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein
Ereignis größer ist als er selbst“ (ebd., S. 54).
• Ein weiterer Faktor kann eine unsichere Bindungsstruktur des Kindes sein, auf
die im Kapitel „Bindung und Trauma“ näher eingegangen wird. Sichere Bindun-
gen stellen das Fundament für weitere Entwicklungen dar und sind auch in unsi-
cheren Zeiten widerstandsfähiger, während unsichere Bindungen in belastenden
Situationen kaum widerstandsfähig sind (vgl. ebd., S. 56).
Transgeneratives Trauma – Traumaansteckung
Mehrere Studien belegen, dass eine Weitergabe traumatischen Erlebens von einer Ge-
neration zur nächsten möglich ist. Die betroffenen Personen zeigen ähnliche Symptome
wie Menschen mit einer klassischen posttraumatischen Belastungsstörung, ohne dass
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sie einem direkten traumatischen Ereignis ausgesetzt waren. Somit können Traumati-
sierungen in der Vorgeschichte von Familien zu einem Risikofaktor für Traumafolgestö-
rungen werden. Es gibt unterschiedliche Ursachen der Generationsüberschreitung trau-
matischen Erlebens. Hierbei ist zwischen pränatalen und postnatalen Prozessen zu un-
terscheiden (vgl. ebd., S. 59ff.).
1.3.2 Mittler- und Schutzfaktoren für Traumata
Während Risikofaktoren und bestimmte Vulnerabilitäten einen negativen Einfluss auf be-
lastende Ereignisse haben, können Schutzfaktoren abwehrende, mildernde oder sogar
heilende Einflüsse entfalten (vgl. ebd., S. 62). Laut Scherwath und Friedrich werden als
Schutzfaktoren „Prozesse, Eigenschaften und Bedingungen bezeichnet, die die Wucht
von Belastungen abmildern können und Menschen nach einem Niederschlag in ihr ei-
gentliches Gleichgewicht zurückbringen“ (ebd.). Ergebnisse der Resilienzforschung zei-
gen, dass ein Drittel jener Menschen, die belastenden Situationen ausgesetzt waren,
sich ohne langfristige Folgen entwickeln konnte (vgl. ebd.).
Unterschiedliche Schutzfaktoren können dabei sein:
• Personale Faktoren wie günstige Disposition, Temperament, Intelligenz etc.
• Resilienzfaktoren, die ein Mensch „(…) in der Interaktion mit seiner Umwelt sowie
durch die erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben
im Verlauf erwirbt“ (Wustmann 2004, S. 46 zit. n. Scherwath/Friedrich 2016, S.
63). Dazu gehören z.B. ein positives Selbstbild, die Ausbildung einer optimisti-
schen Grundhaltung usw.
• Umgebungsbezogene Faktoren wie eine sichere Bindung zu einer Bezugsper-
son, positive Rollenmodelle, soziale Unterstützung etc. (vgl. ebd., S. 63).
„Kinder verarbeiten Traumata unterschiedlich“ (Weiß 2016a, S. 44). Nach Weiß hängt
die Verarbeitung eines Traumas neben den Risiko- und Schutzfaktoren auch von den
Mittlerfaktoren ab. Mittlerfaktoren sind jene Umstände, unter denen das traumatische
Ereignis stattfindet, z.B. das Alter, der Entwicklungsstand und die Ich-Funktion. Der Ver-
lauf der Ereignisse kann ebenfalls entscheidend sein, z.B. der Umstand, ob die trauma-
tische Erfahrung einmalig war oder sich wiederholt, ferner die Beziehung und Bindung
zum/zur TäterIn. Die Beziehung zu einer konstanten Bezugsperson, z.B. den Großeltern,
Geschwistern, PädagoInnen, kann eine wesentliche protektive Bedeutung haben (vgl.
ebd., S. 44ff.).
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1.4 Traumafolgestörungen Die Traumatisierung einer Person bedeutet zunächst nicht, dass eine Störung oder
Krankheit vorliegen. Erlebt eine Person körperlich oder seelisch lebensbedrohliche Situ-
ationen, besagt dies noch nicht, ob diese Person gesund oder krank ist. Allerdings blei-
ben nach dem Erleben von Gewalteinwirkungen häufig körperliche oder seelische Schä-
den zurück; dies kann sogar bereits nach einem einmaligen, subjektiv sehr stressreichen
Erlebnis der Fall sein (vgl. Huber 2012, S. 111).
Lediglich rund ein Drittel der von einem schweren Trauma betroffenen Personen muss
mit längerfristigen Folgen rechnen. Diese längerfristigen Folgen werden unter dem Be-
griff „Posttraumatische Belastungsstörungen“ zusammengefasst. Der menschliche Or-
ganismus unternimmt mehrere Versuche, das traumatische Erlebnis zu integrieren. Ge-
lingt dies nicht, kann es zu einer langfristigen, ohne Behandlung chronischen und le-
bensbeeinträchtigenden Störung kommen (vgl. ebd., S. 67f.).
Im ICD-10 und DSM-5 sind Traumafolgestörungen als eigenständige Störungsbilder er-
fasst. TraumaexpertInnen sind sich darin einig, dass die Klassifizierungen nicht die
Spannweite der durch Traumatisierungen verursachten Symptome und Phänomene er-
fassen (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 25). Nach dem ICD-10 entsteht eine posttrau-
matische Belastungsstörung als verzögerte und protrahierte Reaktion auf ein traumati-
sches Ereignis (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt 2015, S. 207). Typische Merkmale einer
posttraumatischen Belastungsstörung sind nach dem ICD-10 „das wiederholte Erleben
des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, flashbacks),
oder in Träumen, vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und
emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslo-
sigkeit der Umgebung gegenüber, Anhedonie sowie Vermeidung von Aktivitäten und Si-
tuationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten“ (ebd., S. 207).
Grundsätzlich wird zwischen einer posttraumatischen Belastungsreaktion und einer
posttraumatischen Belastungsstörung unterschieden. Diese zwei Traumafolgen unter-
scheiden sich hauptsächlich durch ihre Dauer und nicht durch die Reaktion (vgl. Scher-
wath/Friedrich 2016, S. 26).
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Typische und unmittelbare Folgen eines Traumas sind durch folgende Elemente ge-
kennzeichnet: Verstörungen, starke Schmerzen bis zur Gefühllosigkeit, emotionales
Chaos bis zur emotionalen Taubheit, eine Flut an Wahrnehmungen bis hin zur Wahr-
nehmungslosigkeit und der Fähigkeit, das Geschehene einzuordnen, bis zum „nichts-
mehr-Wissen“ (vgl. Huber 2012, S. 68).
Nach diesen Erstreaktionen versucht das Gehirn, die abgespaltenen Inhalte wieder zu
integrieren und mit den erlebten dissoziativen Zuständen (Verwirrtheitszustände und
entfremdetes Erleben) fertigzuwerden. Dies kann ein paar Wochen andauern, was eine
normale Reaktion nach einem Trauma darstellt und als posttraumatische Belastungsre-
aktion bezeichnet wird. Dabei kann es zu verschiedenen Reaktionen kommen, wie
Angstzustände, Albträume und Schlafstörungen, Wiedererleben von Teilen des Trau-
mas, Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma zu tun haben, Empfindungslosigkeit,
Konzentrationsstörungen etc. (vgl. ebd., S. 68f.).
Typische Phänomene nach einer posttraumatischen Reaktion sind:
• Die Konstriktion: Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sich Betroffene nach
dem Trauma zurückziehen. In dieser Zeit verkriechen sich die Betroffenen am
liebsten, sie wollen nicht sprechen und nicht mit dem Erlebten konfrontiert wer-
den (vgl. ebd., S. 69). Der menschliche Organismus versucht für Beruhigung und
Erholung zu sorgen. Solche Menschen versuchen Situationen, Menschen und
Gespräche zu meiden, die sie an das traumatische Erlebnis erinnern. Die Kon-
striktion umfasst ferner Änderungen des Bewusstseins in dissoziative Zustände,
wie sie bereits während des traumatischen Ereignisses aufgetreten sind. Diese
beinhalten veränderte Bewusstseinszustände, die gegen die Überregung wirken.
Solche Menschen sind häufig nicht mit ihrem vollen Alltagsbewusstsein präsent,
sondern sie erleben sich oder die Situation teils abgespalten, teils haben sie Am-
nesien betreffend die aktuelle Situation und ihr Befinden (vgl. Scherwath/Fried-
rich 2016, S. 31).
• Die Intrusion ist eine weitere Reaktion und zeichnet sich dadurch aus, dass die
Betroffenen Elemente des traumatischen Erlebnisses in Albträumen, Tagträu-
men und während schlafloser Nächte wiedererleben (vgl. Huber 2012, S. 69).
Diese Reaktion wird auch als Flashback bezeichnet. Das Gehirn verwechselt da-
bei aktuelle Situationen mit der ursprünglichen traumatischen Situation. Flash-
backs werden durch einen sogenannten Trigger ausgelöst. Trigger sind Schlüs-
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selreize, die an Aspekte des Traumas erinnern und Reaktionen, Bilder oder Zu-
stände wieder aufrufen, die während des Traumas erlebt wurden. Sie können
z.B. durch Bilder, Gerüche, Orte, Bewegungen, Berührungen, Verhaltensweisen
etc. ausgelöst werden. Symptome sind: Panikzustände, Schwitzen, Zittern,
Schwindel, Übelkeit etc. (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 28f.).
• Das dritte Element ist die Überregung, gekennzeichnet durch eine erhöhte Wach-
samkeit. Das System ist darauf eingestellt, dass jeden Moment etwas passieren
könnte, worauf mit Flucht oder Kampf reagiert werden muss. Aus diesem Grund
stellt der Organismus eine erhöhte Menge an Stresshormonen bereit, damit
(wenn notwendig) schnellstmöglich reagiert werden kann. Die Überflutung mit
Stress führt dazu, dass bedrohliche Situationen nicht mehr ausreichend von
harmlosen Belastungen des Alltags unterschieden werden können; dies führt
wiederum zu Überängstlichkeit und starker Stresssensibilität (vgl. ebd., S. 27).
Es kommt zu Symptomen wie: Zittern, scheinbar grundloses Schluchzen, schnel-
les „an die Decke Gehen“, Konzentrationsschwierigkeiten etc. (vgl. Huber 2012,
S. 69).
Wenn sich diese drei Phänomene ausbreiten, anstatt abzuklingen, und länger als vier
Wochen anhalten, kann von einer posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen
werden (vgl. ebd., S. 68f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Belastungsreaktionen
anfänglich zurückbilden können und der Mensch seinen Alltag scheinbar normal fortzu-
führen vermag, das traumatische Erlebnis jedoch noch nicht verarbeitet wurde und wie
eine Zeitbombe jederzeit durch erneute Belastungsreaktionen gezündet werden kann.
In diesem Fall wird von einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung gespro-
chen (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 27).
Von der klassischen posttraumatischen Belastungsstörung zu unterscheiden ist die
Komplexe posttraumatische Belastungsstörung, auch „Disorder of Extreme Stress Not
Otherwise Specified“ (DESNOS) genannt. Diese Störung kann sich bei chronisch trau-
matisierten Menschen entwickeln und weist ein breiteres Spektrum an Symptomen auf
als die klassische posttraumatische Belastungsstörung. Dazu gehören nach Huber (ne-
ben den klassischen Symptomen) Probleme der Regulation von Gefühlen, selbstverlet-
zendes Verhalten, chronische Empfindungen von Sinn- und Hoffnungslosigkeit bis hin
zu suizidalen Gedanken oder Suizidalität (vgl. Huber 2012, S. 23). Komplexere Trauma-
tisierungen können unter längerfristigen Bedingungen von Misshandlungen, sexueller
Gewalt und Vernachlässigung in der frühen Kindheit entstehen und werden auch als
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Entwicklungstrauma bezeichnet. Für die komplexe posttraumatische Belastungsstörung
gibt es noch kein eigenes Diagnosekriterium, obwohl dies laut TraumaexpertInnen drin-
gend erforderlich ist (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 33).
1.5 Die Bedeutung von Beziehungen in der Traumaarbeit
Da die Beziehungsarbeit in dieser Arbeit einen Schwerpunkt einnimmt, wird nun darauf
eingegangen, warum Beziehungen für eine gelingende Traumarbeit notwendig sind.
ExpertInnen der Traumapädagogik betonen in unterschiedlichen Nuancierungen die
Notwendigkeit eines Raumes stabiler Beziehungen (vgl. Gahleitner 2017, S. 104). Nach
Weiß sind positive Beziehungserfahrungen ein wesentlicher Beitrag zu einer gelingen-
den Traumabearbeitung (vgl. Weiß 2016b, S. 27). Aus diesem Grund geht dieses Kapitel
darauf ein, welche Bedeutung Beziehungen für die Traumaarbeit haben und warum sie
so wichtig sind.
Perry und Szalavitz betonen in ihrem Werk „Der Junge, der wie ein Hund gehalten wurde
– Was traumatisierte Kinder uns über Leid, Liebe und Heilung lehren können“ die Wich-
tigkeit von Beziehungen als heilende Gemeinschaft. Demnach sind Therapien zwar viel-
versprechend, jedoch lässt sich ein Trauma außerhalb des Kontexts menschlicher Be-
ziehungen nicht verstehen. Traumatische Erfahrungen wirken sich auch auf menschliche
Beziehungen aus und dies gilt besonders für Kinder (vgl. Perry/Szalavitz 2014, S. 290).
„Von Menschen verletzt zu werden, die uns lieben sollten, von ihnen im Stich gelassen
zu werden, der Beziehungen beraubt zu werden, die uns erlauben, uns sicher und ge-
schätzt zu fühlen und menschlich zu werden – das sind zutiefst zerstörerische Erfahrun-
gen. Menschen sind unvermeidlich soziale Wesen, deshalb drehen sich die schlimmsten
Katastrophen, die uns zustoßen können, um den Verlust von Beziehungen“ (ebd., S.
290).
Es versteht sich mithin von selbst, dass es bei der Bewältigung eines Traumas auch um
Beziehungen geht. Laut Perry und Szalavitz gehören dazu „das Wiederherstellen von
Vertrauen, das Wiedererlangen von Zuversicht, die Rückkehr zu einem Gefühl von Si-
cherheit und die Wiederverbindung mit der Liebe“ (ebd., S. 290). Medikamente können
dazu beitragen, die Symptome zu lindern, und ein Gespräch mit einer/einem Therapeu-
tIn kann ebenfalls nützlich sein, jedoch gehören zu einer dauerhaften Traumabewälti-
gung auch dauerhafte und liebevolle Beziehungen. Traumatisierte Kinder brauchen eine
gesunde Gemeinschaft, um den Kummer und Verlust zu mindern, die durch ein frühes
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Trauma verursacht wurden. Dabei ist alles, was die Qualität der Beziehungen verbes-
sert, unterstützend für die Bearbeitung eines Traumas (vgl. ebd., S. 191). Nach Trauma-
expertin Huber hängt beim Heilungsprozess nach einem traumatischen Ereignis sehr
viel davon ab, ob eine Person präsent ist und auf freundliche, respektvolle und schät-
zende Weise sowie in angemessener Nähe und Distanz den Prozess begleitet (vgl. Hu-
ber 2012a, S. 15).
Der Traumaexperte van der Hart erwähnt ebenfalls die Wichtigkeit einer liebevollen Be-
ziehung zur Bewältigung eines Traumas: „Ich glaube, dass der Kern jeder Traumatisie-
rung in extremer Einsamkeit besteht. Im äußersten Verlassensein. Damit ist sie häufig,
bei Gewalttrauma immer, auch eine Traumatisierung der Beziehungen und der Bezie-
hungsfähigkeit. Eine liebevolle Beziehung, die in mancher Hinsicht einfach ist, wird un-
erlässlich sein, um überhaupt von einem Trauma genesen zu können“ (Van der Hart
2007 zit. n. Kühn 2013, S. 30).
Laut Kühn beschreibt folgendes Zitat den Auftrag und die Wirklichkeit von Beziehungen
in stationären Einrichtungen: „Kinder und Jugendliche, mit einem breiten Spektrum an
unterschiedlichsten Beziehungsschwierigkeiten, treffen auf pädagogische Fachkräfte,
die ihnen helfen sollen, ihr zukünftiges Leben zu meistern“ (Kühn 2013, S. 30). Diese
Begegnungen können gelingen oder scheitern und im schlimmsten Fall zu weiteren
Trennungen führen. Deshalb spielen tragfähige, zwischenmenschliche Beziehungen
zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Erwachsenen, in diesem Fall den Pä-
dagogInnen, eine große Rolle (vgl. ebd.).
Um verstehen zu können, wie sich ein Trauma in der frühen Kindheit auf die Bindung-
und Beziehungsfähigkeit auswirken kann, geht das folgende Kapitel auf die Bindung und
Bindungstheorie ein.
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2. Bindung und Bindungstheorie
Dieses Kapitel behandelt ausführlich die Bindung und Bindungstheorie. Nach Definitio-
nen und einer Einführung in das Thema Bindung folgen die Bindungstheorie nach Bow-
lby und die unterschiedlichen Bindungsqualitäten nach Ainsworth. Danach wird auf die
Auswirkungen traumatischer Erfahrungen auf die Bindung sowie auf die bindungsorien-
tierte pädagogische Arbeit eingegangen.
Nach Mary Ainsworth ist Bindung (Attachement) „(…) die besondere Beziehung eines
Kindes zu seinen Eltern oder Personen, die es beständig betreuen. Sie ist in den Emo-
tionen verankert und verbindet das Individuum mit anderen, besonderen Personen über
Raum und Zeit hinweg“ (Ainsworth 1973 zit. n. Grossmann/Grossmann 2014a, S. 31).
Grossmann und Grossmann bezeichnen das Bindungsbedürfnis des Menschen aus
stammesgeschichtlicher Sicht „(…) als genauso grundlegend wie sein Bedürfnis nach
Nahrung, Erkundung, Sexualität und Fortpflanzung“ (Grossmann/Grossmann 2014b, S.
37).
2.1 Bindungstheorie nach Bowlby Die Bindungstheorie wurde vom Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby vor circa
50 Jahren im Kontext der Heimerziehung begründet (vgl. Schleiffer 2014, S. 15). Bowlby
machte vor allem Traumata wie Vernachlässigungen und den frühen Verlust von Be-
zugspersonen für Störungen der sicheren Bindung verantwortlich. Später wurde festge-
stellt, dass auch ganz andere Ereignisse, wie körperlicher und sexueller Missbrauch, zu
Beeinträchtigungen der Bindungsfähigkeit führen können (vgl. Huber 2012, S. 90).
Bowlby stieß bei der Behandlung traumatisierter Kinder und Jugendlicher auf frühkindli-
che Defizite und Traumata. Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelte er die Bin-
dungstheorie (vgl. Gahleitner 2017, S. 41). Bindung ist nach Bowlby ein primäres, gene-
tisch verankertes „motivationales System“ zwischen der primären Bezugsperson und
dem Säugling. Dieses System wird nach der Geburt aktiviert und ist für den Säugling
überlebenswichtig (vgl. Brisch 2015, S. 35).
Menschen sind genetisch dazu programmiert, im ersten Lebensjahr persönliche Bindun-
gen zu einer oder wenigen Personen zu entwickeln. Nimmt ein Säugling Bedrohung oder
Verunsicherung wahr, wird er sich an seine Bindungsperson, meistens die Mutter, wen-
den. Der Säugling ist davon abhängig, ob die Bindungsperson die Emotionen des Säug-
lings erkennt und für seine Bedürfnisse sorgt. Sobald zum Kind ein liebevoller bzw.
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schützender Kontakt hergestellt ist, legt sich die Verunsicherung in der Regel wieder.
Typische Bindungsverhaltensweisen des Säuglings äußern sich in Weinen, Klammern,
Rufen usw. (vgl. Grossmann/Grossmann 2014b, S. 37).
Das Bindungssystem steht dabei im direkten Wechselkontakt mit dem Explorationssys-
tem (Erkundungssystem). Letzteres ist neben dem Bindungssystem ein weiteres star-
kes, motivationales System. Obwohl das Bindungssystem und das Explorationssystem
entgegengesetzte Motivationen darstellen, sind sie wechselseitig voneinander abhängig.
Nach Bowlby kann ein Säugling dann seine Umwelt erkunden, wenn seine Mutter als
sichere emotionale Basis zur Verfügung steht. Eine sichere Bindung ist die Vorausset-
zung dafür, dass ein Säugling seine Umwelt erforschen kann (vgl. Brisch 2015, S. 38).
Werden die Bindungsbedürfnisse des Säuglings befriedigt, weil er sich sicher und ge-
borgen fühlt, wird das Explorationssystem aktiviert. Das Kind kann seiner Neugier in
Form von explorativem Verhalten nachgehen. Aktiviert sich das Bindungssystem, weil
der Säugling Angst bekommt, z.B. wegen zu großer Entfernung, schränkt sich das Ex-
plorationsverhalten ein und es wird Nähe zur Bezugsperson gesucht, die als sichere
emotionale Basis zur Verfügung steht (vgl. ebd., S. 39). Eine sichere Bindung und die
damit einhergehende Explorationsfreude sind für Kinder wichtige Resilienzfaktoren. Wei-
ters ist eine sichere Bindung eine Grundlage der Lebensbewältigung (vgl. ebd.). Dieses
angeborene Bedürfnis nach Bindungssicherheit bleibt in allen Altersstufen aktiv (vgl.
Brisch 2013, S. 150).
Ist das Bindungsbedürfnis des Kindes aktiviert, weil es etwa Angst hat, kann das Lernen
nicht ausgeprägt stattfinden. Ein Kind kann lernenden Tätigkeiten nicht nachgehen,
wenn die Bindungssicherheit nicht gegeben ist oder das Kind Angst vor seiner Bezugs-
person hat. Die Bindungsperson muss dabei nicht zwingend ein biologischer Elternteil
sein. Wichtig ist, dass diese Person die Signale des Kindes richtig wahrnimmt und fein-
fühlig darauf reagiert (vgl. ebd., S. 151). Eine Mutter ist zwar schwierig zu ersetzen, da
das Kind den Herzschlag, die Stimme und auch den Geruch der Mutter von Geburt an
kennt und von anderen Frauen unterscheiden kann. Drohen freilich Vernachlässigung
oder Misshandlung durch die Mutter, ist eine verlässliche Bindungsalternative in jeder
Hinsicht besser (vgl. Huber 2012, S. 89).
Aus den Interaktionserlebnissen, bei denen Bezugsperson und Säugling sich trennen
und anschließend wieder Nähe herstellen, bildet der Säugling im Laufe seines ersten
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Lebensjahres sogenannte „innere Arbeitsmodelle“. Diese Modelle machen das Verhal-
ten der Bezugspersonen in Bindungssituationen berechenbar. Das Kind weiß z.B., wenn
es in Gefahr gerät, und es weint, kann es keine Bezugsperson als sichere Basis aufsu-
chen. Für jede Bezugsperson wie etwa Mutter und Vater werden unterschiedliche, ei-
genständige Arbeitsmodelle entwickelt. Das Arbeitsmodell ist anfangs noch flexibel, es
wird im weiteren Verlauf der Entwicklung aber zunehmend stabiler und entwickelt sich
schließlich zu einer psychischen Repräsentanz (Bindungsrepräsentation). Die Bindungs-
repräsentation kann sich im Lauf des Lebens durch bedeutungsvolle Bindungserfahrun-
gen mit anderen Bezugspersonen verändern, dies wird jedoch mit zunehmendem Alter
immer schwieriger (vgl. Brisch 2015, S. 37f.).
2.2 Bindungsqualitäten Mary Ainsworth, eine Mitarbeiterin von Bowlby, beschäftigte sich mit der Bindungstheo-
rie und erkannte einen Zusammenhang zwischen einer sicheren Bindung und der fein-
fühligen Berücksichtigung der Bedürfnisse von Säuglingen durch die Mutter (vgl. Lang
2013, S. 189). Unter Feinfühligkeit versteht Ainsworth folgende Verhaltensweisen:
• Die Signale des Säuglings werden von der Bezugsperson mit größter Aufmerk-
samkeit richtig wahrgenommen. Verzögerungen bzw. Verzerrungen der Wahr-
nehmung könnten durch die Beschäftigung mit den eigenen Bedürfnissen ge-
schehen.
• Die Signale des Säuglings werden richtig gedeutet, z.B. das Weinen des Kindes
aufgrund von Hunger, Unwohlsein, Schmerzen etc. Auch hier besteht die Gefahr,
dass die Signale wegen der eigenen Bedürfnisse verzerrt oder falsch interpretiert
werden.
• Auf die Signale erfolgt eine angemessene Reaktion, z.B. die richtige Dosierung
der Nahrung, Spielanreize etc.
• Die Reaktion erfolgt prompt, also innerhalb der tolerierbaren Frustrationszeit des
Säuglings. Diese Zeitspanne ist in den ersten Wochen sehr kurz, sie wird aber
im Lauf des ersten Lebensjahres länger (vgl. Brisch 2015, S. 45f.).
Aus ihren Erkenntnissen leitete Ainsworth vier verschiedene Bindungstypen ab, die im
Folgenden vorgestellt werden:
Sichere Bindung
Ein sicher gebundener Säugling sucht bei Bedrohung und Gefahr eine spezifische Bin-
dungsperson als „sicheren Hafen“ auf, z.B., wenn sich die Mutter von ihm trennt und
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Angst aufkommt, denn auf diese Weise wird das Bindungsbedürfnis aktiviert und der
Säugling zeigt Bindungsverhalten. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass der Säugling
weint, nach der Mutter ruft, ihr nachläuft oder protestiert. Er wird den Körperkontakt zur
Mutter suchen und sich schließlich auf ihrem Arm wieder beruhigen (vgl. Brisch 2013, S.
155). Eine sichere Bindung entsteht, wie bereits erwähnt, wenn sich die Bindungsperson
dem Kind gegenüber feinfühlig verhält. Diese sichere Bindung steht dem Kind auch als
Basis für seine weitere Entwicklung zur Verfügung (vgl. Gahleitner 2017, S. 41). Kinder
mit einer sicheren Bindung sind gegenüber psychischen Belastungen widerstandsfähi-
ger, sie haben bessere Bewältigungsmöglichkeiten und können selbstständig Hilfe in
Anspruch nehmen. Weiters zeigen sie mehr soziales Verhalten und haben eine bessere
Empathiefähigkeit (vgl. Brisch 2013, S. 158f.). Eine sichere Bindung ist ferner die Basis
dafür, um Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und äußere Ereignisse
kontrollieren zu können, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Auch im Erwachsenen-
alter bleibt sie ein Rückzugsort für Trost und Beruhigung bei äußeren Schwierigkeiten
(vgl. Beckrath-Wilking/Biberacher/Dittmar/Wolf-Schmid 2013, S. 94).
Unsicher-vermeidende Bindung
Diese Art von Bindung entsteht, wenn die Bindungsperson mit Distanz oder Zurückwei-
sung auf die kindlichen Bindungsbedürfnisse reagiert (vgl. Gahleitner 2017, S. 41). Ein
Kind mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsverhalten meidet seine Bindungsper-
son in Notsituationen eher und äußert seine Bindungsbedürfnisse kaum. Der Wunsch
nach Nähe wird vom Kind nicht deutlich artikuliert, da es weiß, dass dieser von der Be-
zugsperson nicht ausreichend beantwortet wird. Dies führt jedoch zu einer erhöhten in-
neren Stressbelastung. Bindungsvermeidende Kinder verhalten sich scheinbar „cool“ in
Situationen der Verunsicherung, z.B. weinen, rufen und protestieren sie kaum. Sie ver-
halten sich eher so, als wäre ihnen die Trennung von der Bezugsperson weitgehend
egal. Wird jedoch ihr Cortisol als Stresshormon im Speichel und im Blut gemessen, zei-
gen diese Kinder nach Trennungssituationen maximalen Stress, obwohl sie gelernt ha-
ben, diesen nicht mehr zu äußern (vgl. Brisch 2013, S. 155).
Unsicher-ambivalente Bindung
Diese Art der Bindung entsteht, wenn die Signale der Bindungsperson für das Kind un-
vorhersehbar sind: Manchmal zeichnen sie sich durch Feinfühligkeit und Zuverlässigkeit
aus und ein anderes Mal durch Zurückweisung und Ablehnung. Säuglinge mit einer un-
sicher-ambivalenten Bindung reagieren auf eine Trennung von ihrer Bindungsperson mit
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intensiver Aktivierung des Bindungssystems. Sie beginnen stark zu weinen und sich an
die Bindungsperson zu klammern, sie sind kaum zu beruhigen und können nicht mehr
in eine ausgeglichene emotionale Verfassung zurückkehren. Während sie sich an ihre
Bindungsperson klammern, zeigen die Babys auch aggressives Verhalten. Wenn sie
etwa im Arm ihrer Bindungsperson sind, treten sie Letztere mit den Füßen, während sie
gleichzeitig mit den Armen klammern und Nähe suchen (vgl. ebd., S. 155f.).
Desorganisierte/desorientierte Bindung
Die sicheren und unsicheren Bindungsqualitäten lassen sich den „organisierten“ Bin-
dungsmustern zuordnen, d.h. die Bindungsperson (z.B. die Mutter) weiß bei ihrem Säug-
ling genau, wie er in gewissen Situationen reagiert. Mütter können vorhersagen, ob ihr
Kind z.B. bei einer Trennung weinen oder gleichgültig reagieren wird. Innerhalb des ers-
ten Lebensjahres hat sich ein vorhersagbares Bindungsverhalten entwickelt. Neben dem
„organisierten“ Bindungsmuster wurde später noch ein weiteres Bindungsmuster ent-
deckt, das „desorganisierte“ bzw. „desorientierte“ Bindungsmuster. Hierbei haben Kinder
keine aktuelle Bindungsverhaltensstrategie zur Verfügung. Sie zeigen stereotype Ver-
haltensweisen, bleiben plötzlich stehen und erstarren für ein paar Sekunden. Ihr wech-
selhaftes Verhalten ist nicht vorhersehbar. Aus Längsschnittstudien geht hervor, dass
bei Kindern mit eigenen Traumaerfahrungen und bei Kindern von Eltern mit unverarbei-
teten Traumaerfahrungen dieses Bindungsmuster häufig vorkommt (vgl. ebd., S. 156).
„Sichere und unsichere Bindungsentwicklungen sind noch keine Psychopathologie, son-
dern sie sind Schutz- und Risikofaktoren“ (ebd., S. 158). Ein unsicheres Bindungsver-
halten kann vor allem dann für spätere psychische und soziale Auffälligkeiten verant-
wortlich sein, wenn weitere belastende Lebensereignisse hinzukommen (vgl. Eggers
2014, S. 115). Kinder mit einer sicheren Bindung sind gegenüber psychischen Belastun-
gen widerstandsfähiger und haben bessere Bewältigungsstrategien. Sie fragen bei Be-
darf eher nach Hilfe, zeigen ein intensiveres soziales Verhalten und mehr Empathiefä-
higkeit als Kinder mit einer unsicheren Bindung (vgl. Brisch 2013, S. 158).
Manche Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen sind in einem sehr frühen
Stadium, vor dem Erwerb selbstreflexiver Fähigkeiten, traumatisiert worden und haben
deshalb keine ausgeprägte Empathiefähigkeit entwickelt. Diese ist nach Brisch Voraus-
setzung für befriedigende Beziehungen (vgl. ebd., S. 158f.).
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Je traumatischer die frühe Bindungssituation für das Kind ist, desto eher wird es kein
kohärentes Verhalten entwickeln und ein desorganisiertes Bindungs- und Beziehungs-
verhalten zeigen. Vor allem bei körperlichen und sexuellen Misshandlungen ist die Wahr-
scheinlichkeit eines desorganisierten Bindungsmusters sehr hoch. Aber auch Eltern, die
ein desorganisiertes Bindungsverhalten aufweisen, neigen dazu, es ihren Kindern wei-
terzugeben (vgl. Huber 2012, S. 94f.).
Generell konnte durch verschiedene Längsschnittstudien nachgewiesen werden, dass
auch sicher und unsicher gebundene Mütter dazu neigen, ihr Bindungsverhalten an ihre
Kinder weiterzugeben. Ähnliches gilt für das Bindungsverhalten der Väter und die Bin-
dungsqualität ihrer Kinder, jedoch nicht mit gleicher Intensität. Brisch geht davon aus,
dass Ähnliches auf die Bindungsrepräsentation zwischen PädagogInnen und Kindern
zutrifft (vgl. Brisch 2013, S. 157).
Gerade bei der pädagogischen Arbeit mit Kindern, die traumatische Erfahrungen ge-
macht haben, ist es eher unwahrscheinlich, dass diese ein sicheres Bindungsmuster
aufweisen. Vielmehr sind desorganisierte und unsichere Bindungsmuster zu erwarten.
Insbesondere für diese Kinder ist es laut Brisch wichtig, dass die PädagogInnen selbst
eine sichere Bindungsrepräsentation haben. Da eine sichere Bindungsentwicklung des
Kindes ein Ziel der pädagogischen Arbeit darstellt, wäre es kontraproduktiv, würde
der/die PädagogIn eine desorganisierte Bindung oder gar eine Bindungsstörung aufwei-
sen; dies könnte sich schlimmstenfalls auf das Bindungsmuster des Kindes übertragen
(vgl. ebd., S. 158).
2.3 Auswirkung früher traumatischer Erfahrungen auf die Bindung „Bindung ist insgesamt nicht eine Sache der Quantität, sondern der Qualität des Um-
gangs. Vor allem ist Bindung eine Frage der Intimität, des unmittelbaren liebevollen kör-
perlichen, seelischen und sozialen Umgangs zwischen Erwachsenem und Kind“ (Huber
2012, S. 89).
Aufgrund der genetischen Programmierung des Menschen, sich ab der Geburt an Be-
zugspersonen zu binden, sind frühe traumatische Erfahrungen am prägendsten. Von der
Hirnentwicklung, der Beziehungsgestaltung bis hin zur Identität können alle Bereiche
beeinträchtigt sein, falls Kinder schon sehr früh von ihren Bezugspersonen traumatisiert
werden (vgl. ebd., S. 87f.). Werden Kinder bereits im ersten Lebensjahr vernachlässigt,
kann sich dies extrem schädlich auswirken. Es kann eine sehr lange Zeit in Anspruch
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nehmen und schlimmstenfalls nie richtig gelingen, dem Kind eine sozial angepasste Ent-
wicklung zu ermöglichen; das Bindungsverhalten kann ebenfalls unter Umständen kein
sicheres mehr werden (vgl. ebd., S. 88).
Kinder und Jugendliche, die früh von ihren Bezugspersonen traumatisiert wurden, muss-
ten meist die Erfahrung machen, dass ihre Bindungsbedürfnisse nicht feinfühlig erwidert
wurden. Entweder erfuhren ihre Bedürfnisse regelmäßig „Absagen“ oder sie wurden de-
struktiv beantwortet. Meist waren diese Erfahrungen länger andauernd und kontinuier-
lich, ohne Aussicht auf Verbesserung. Ihre Bindungsgeschichte kann sich als „proble-
matische Bindungsverhaltensweisen“ äußern, welche sie selbst als Anpassungsstrate-
gie nutzen, um sich Sicherheit und Schutz für das emotionale Überleben zu verschaffen
(vgl. Lang 2013, S. 192).
Erleben Kinder zusätzlich zu ihrer desorganisierten Bindung traumatische Erlebnisse
bzw. kommt es aufgrund von Traumatisierungen zu einer desorganisierten Bindung, so
können diese Kinder eine Bindungsstörung entwickeln (Huber 2012, S. 101). Dazu
merke ich an, dass aus den Gesprächen mit mehreren TraumapädagogInnen hervorge-
gangen ist, dass der Begriff „Bindungsstörungen“ bei der Arbeit mit Kindern und Jugend-
lichen eher abgelehnt wird. Alternativ wird gern von „Beziehungstraumatisierung“ ge-
sprochen. Ich werde in dieser Arbeit trotzdem den Begriff „Bindungsstörung“ verwenden,
da er in der Theorie gängig ist.
In der Regel entsteht eine Bindungsstörung, wenn ein Kind in seiner frühen Entwicklung
traumatische Erfahrungen mit seinen Bindungspersonen gemacht hat, was auf Kinder
und Jugendliche in stationären Einrichtungen häufig zutrifft (vgl. Brisch 2013, S. 159).
„Ein Beziehungstrauma bedeutet, dass ein großer Stress erlebt wird, wenn Bedrohung
und Angst bis zu Panik und Todesangst erlebt wird“ (ebd.). Sind Eltern für diese Bedro-
hungen verantwortlich, gibt es keinen Ausweg aus dieser Angst, da die Kinder in der
Regel von ihren Eltern abhängig sind. Auf diese Weise entsteht eine starke körperliche
Überregung, die psychosomatische Beschwerden und Reaktionen auslösen kann (vgl.
ebd., S. 159). Stresshormone wie Cortisol werden in extrem stressreichen Situationen
ausgestoßen. Bei Dauererregungen bewirken die Stresshormone Veränderungen im
Gehirn. Diese lassen sich in bindungsrelevanten Situationen als Verhaltensstörungen
beobachten und sind als Bindungsstörung zu diagnostizieren (vgl. ebd.). Es geht also
nicht nur darum, ob sich ein Kind gut oder schlecht fühlt, es geht vielmehr um neurobio-
logische Schädigungen.
24
Das Stresshormon Cortisol kann im Gehirn neurotoxisch wirken, falls es permanent hohe
Werte aufweist. Gehirnzellen werden auf diese Weise abgebaut, die Hirninnenräume
werden größer und auch das Gehirnwachstum kann sich so verlangsamen. In der kli-
nisch-therapeutischen Arbeit werden ausgeprägte Störungsvarianten des Bindungsver-
haltens von Kindern und Jugendlichen als Psychopathologie diagnostiziert (vgl. ebd., S.
160).
Nach dem ICD-10 (internationales Klassifikationssystem psychiatrischer Erkrankungen)
lassen sich zwei extreme Formen der reaktiven Bindungsstörung klassifizieren und di-
agnostizieren (vgl. ebd., S. 160). Dies sind die reaktive Bindungsstörung des Kindesal-
ters ohne und die Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung, auf die im Fol-
genden kurz eingegangen wird (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt 2015, S. 380):
• Die reaktive Bindungsstörung des Kindesalters tritt bei Kleinkindern und jungen
Kindern auf. Sie definiert sich durch Auffälligkeiten der sozialen Beziehungen des
Kindes; dazu kommen emotionale Störungen. Die Störung reagiert auf einen
Wechsel der Milieubedingungen und wird von emotionalen Störungen begleitet.
Furchtsamkeit und Übervorsichtigkeit, geringe soziale Kontakte zu Gleichaltri-
gen, Aggressionen gegenüber anderen und sich selbst sowie Unglücklichsein
sind häufige Merkmale. In einigen Fällen tritt eine Wachstumsverzögerung auf.
Nach dem ICD-10 ist diese Störung vermutlich die Folge einer starken Vernach-
lässigung, von Missbrauch oder schwerer Misshandlung durch die primären Be-
zugspersonen (vgl. ebd., S. 380).
• Die Bindungsstörung mit Enthemmung tritt während der ersten fünf Lebensjahre
auf. Sie hat eine Tendenz zur Beständigkeit, selbst nach Änderung der Milieube-
dingungen. Die Störung ist meist gekennzeichnet durch Klammern, ein diffuses,
nichtselektives Bindungsverhalten im Alter von etwa zwei Jahren. Im Alter von
vier Jahren hört das Klammern meist auf und wird durch ein aufmerksamkeitssu-
chendes und wahllos freundliches Verhalten abgelöst. Während sich in der mitt-
leren und späteren Kindheit selektive Bindungen entwickeln können, bleibt das
aufmerksamkeitssuchende Verhalten in der Regel bestehen. Die Interaktionen
mit Gleichaltrigen sind eingeschränkt und je nach den Umständen können auch
emotionale oder Verhaltensstörungen auftreten. Vor allem bei Kindern, die schon
sehr früh in Fremdunterbringung aufgezogen wurden, wurde das Syndrom am
deutlichsten identifiziert. Es tritt jedoch auch unter anderen Bedingungen auf.
25
Es ist davon auszugehen, dass es durch einen häufigen Wechsel der Bezugs-
personen entsteht, der keine selektive Bindung entstehen lässt (vgl. ebd., S.
383).
Bindungsstörungen sollten nicht vor dem achten Lebensmonat diagnostiziert werden, da
in diesem Zeitraum eine „Fremdenangst“ vorliegen könnte, die sich als Angst vor Frem-
den äußert. Weiters sollten psychopathologische Auffälligkeiten über eine Zeitspanne
von mindestens sechs Monaten hinweg in verschiedenen Beziehungssystemen beo-
bachtet werden (vgl. Brisch 2013, S. 160).
Weitere Formen von Bindungsstörungen, die bisher nicht in den internationalen Klassi-
fikationssystemen erfasst wurden, äußern sich nach Brisch durch „kein Bindungsverhal-
ten (Typ I)“; selbst in Bedrohungs- oder Trennungssituationen wenden sich Kinder nicht
an ihre Bezugsperson (vgl. ebd., S. 160). Das „undifferenzierte Bindungsverhalten (Typ
II a)“ stellt eine weitere Form dar. Es zeigt sich als ein wahllos freundliches Verhalten
gegenüber allen Personen. In Stresssituationen suchen die Kinder zwar Trost, jedoch
ohne eine bestimmte Bindungsperson zu bevorzugen. Sie lassen sich sogar von frem-
den Personen trösten und auf den Arm nehmen. Eine weitere Form ist das „Unfallrisi-
koverhalten (Typ II b)“, dadurch kennzeichnet, dass Kinder in Gefahrensituationen keine
Bindungsperson aufsuchen, sondern zusätzliches Risikoverhalten zeigen, um ein Für-
sorgeverhalten ihrer Eltern oder von PädagogInnen zu erreichen. „Übermäßiges Klam-
mern (Typ III)“ ist eine weitere Form; sie drückt sich dadurch aus, dass Kinder nur dann
zufrieden und entspannt sein können, wenn ihre Bezugsperson in der Nähe ist. Sie be-
wahren absolute Nähe zu ihren Bezugspersonen. Da diese Kinder auf die Anwesenheit
der Bezugsperson angewiesen sind, sind sie bei verschiedenen Aktivitäten einge-
schränkt. Sie wirken meist ängstlich und können außerhalb der Familie kaum mit ande-
ren Kindern spielen. Dadurch gestalten sich die sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen
schwierig. Die „gehemmte (Typ IV)“ Form ist dadurch charakterisiert, dass Kinder weni-
ger ängstlich sind, wenn ihre Bindungsperson abwesend ist. Sie können in Anwesenheit
fremder Personen ihre Umwelt besser erkunden als in Anwesenheit ihrer Bindungsper-
son. Eine weitere Form der Bindungsstörung äußert sich durch „aggressives (Typ IV)“
Verhalten. Die Kinder haben hierbei meist eine bevorzugte Bindungsperson, jedoch so-
wohl zu dieser als auch zu anderen Menschen erfolgt die Kontaktaufnahme in aggressi-
ver Weise auf körperliche und verbale Art. Die Kontaktaufnahme führt deshalb häufig zu
Zurückweisung, trotz heimlichen Bindungswunsches. Eine Bindungsstörung kann ferner
durch eine „Rollenumkehr (Typ VI)“ gekennzeichnet sein.
26
Die Kinder müssen hierbei häufig als sichere Basis dienen, falls ihre Eltern psychisch
oder körperlich erkrankt sind. Solche Kinder können ihre primären Bezugspersonen nicht
als sichere Basis ansehen und müssen daher einen sicheren Hafen für ihre Bezugsper-
sonen darstellen. Auf diese Weise kann bei diesen Kindern eine große emotionale Ver-
unsicherung entstehen.
In Gefahrensituationen wenden sich die Kinder des Typs VI nicht an ihre Bezugsperson,
da sie sich von ihr keine Hilfe erwarten (vgl. Brisch 2013, S. 160f.).
Kinder, die Bindungsstörungen entwickeln, verhalten sich auch im Jugendalter in be-
stimmten Situationen auffällig. In Konfliktsituationen zeigen sie eher aggressives als pro-
soziales Verhalten und sie präsentieren sich mit psychosomatischen Störungen. Sie nei-
gen als Eltern dazu, ihre Bindungsstörung weiterzugeben. Neue Bindungserfahrungen,
die Kinder z.B. in einer stationären Einrichtung durch pädagogische oder psychothera-
peutische Arbeit machen, können das Verhalten jedoch verändern. Durch bindungsori-
entierte pädagogische Arbeit gelingt es pädagogischen Fachkräften trotz schwieriger
Bedingungen oft, Kindern und Jugendlichen mit unsicherem Bindungsverhalten neue
Erfahrungen zu ermöglichen (vgl. ebd., S. 162f.). Auf bindungsorientierte pädagogische
Arbeit geht das folgende Kapitel genauer ein.
2.4 Bindungsorientierte pädagogische Arbeit Selbst wenn die frühe Kindheit eines Menschen nicht durch Feinfühligkeit gekennzeich-
net war, besteht später noch die Möglichkeit, durch feinfühlige Interaktionserfahrungen
erworbene Bindungsmodelle zu verändern. „Neue feinfühlige und emotional verfügbare
Interaktionserfahrungen, die über einen längeren Zeitraum vorhersehbar sind und bei
denen die Bindungsperson emotional für die Signale des Gegenübers verfügbar ist, hel-
fen dem Gehirn vermutlich, sich neu zu strukturieren und es besteht nochmals eine neue
Chance für eine sichere emotionale Entwicklung“ (ebd., S. 154).
Das Bindungssystem bleibt offen für Veränderungen und dies ist vor allem für die päda-
gogische Arbeit von Bedeutung (vgl. ebd.). Der überwiegende Teil der Kinder und Ju-
gendlichen in sozialpädagogischen Hilfs- und Betreuungseinrichtungen kommt mit
schweren Bindungsverletzungen und Beziehungstraumata dorthin (vgl. Scherwath/
Friedrich 2016, S. 87). „Bindungsorientierte pädagogische Arbeit berücksichtigt die bis-
herigen Bindungserfahrungen und lässt in der Beziehungsgestaltung Möglichkeiten ent-
stehen, neue und haltgebende Erfahrungen zu machen“ (Lang 2016, S. 272).
27
Kinder und Jugendliche, die in eine neue Einrichtung kommen und unsichere Bindungen
aufweisen, legen häufig auch ein maximal aktiviertes Bindungsbedürfnis an den Tag.
Bindungsrelevante Situationen sind ständig von Angst begleitet. Die Betroffenen befin-
den sich in dem Zwiespalt, dass sie sich einerseits erhoffen, es gebe für sie erstmals
eine neue Chance, sichere Bindungserfahrungen zu erleben; andererseits haben sie
Angst davor, dass sich alte negative Erfahrungen wiederholen (vgl. Brisch 2013, S. 163).
Damit sich hoch unsichere Verhaltensweisen verändern, muss die bindungsorientierte
pädagogische Arbeit eine neue, kontinuierliche, sichere und feinfühlige Bindungserfah-
rung ermöglichen. Auch auf neurobiologischer Ebene kann so langsam ein neues Ar-
beitsmodell von Bindung entstehen (vgl. Beckrath-Wilking/Biberacher/Dittmar/Wolf-
Schmid 2013, S. 134f.).
Laut Brisch ist der Weg von einer Bindungsstörung zur Bindungsdesorganisation und
später der Weg von einer unsicheren zu einer sicheren Bindung ein Prozess, der längere
Zeit in Anspruch nimmt, allerdings ist jede kleine Veränderung in Richtung einer sicheren
Bindung ein großer Gewinn für Lernen, Entwicklung sowie für die Beziehungsfähigkeit
des Kindes (vgl. Brisch 2013, S. 163). Das Bindungsverhalten ist bis ins späte Alter offen
für Veränderungen. Das Erreichen einer sicheren Bindung ist ein Indiz der seelischen
Gesundung nach einer traumatischen Erfahrung und die beste Basis für eine gelingende
Zukunft (vgl. Weiß 2016a, S. 116).
Im Kapitel „Beziehungen und Trauma“ wird das Thema noch einmal genauer behandelt
und konkret auf korrigierende Bindungs- und Beziehungserfahrungen eingegangen. Das
nächste Kapitel behandelt jedoch das Thema Fremdunterbringung. In stationären Ein-
richtungen befindet sich ein großer Anteil von Kindern und Jugendlichen, die mit trau-
matischen Erlebnissen konfrontiert waren.
28
3. Fremdunterbringung und Trauma
In diesem Kapitel wird auf die Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in
sozialpädagogischen Einrichtungen näher eingegangen und ausgeführt, wie dies im Zu-
sammenhang mit dem Trauma steht. Weiters werden die traumapädagogischen Stan-
dards der stationären Kinder- und Jugendhilfe kurz vorgestellt.
„Oft ist die Trennung von einem gewalttätigen und vernachlässigenden Elternhaus eine
notwendige Bedingung für viele Mädchen und Jungen, um unter günstigeren Bedingun-
gen aufzuwachsen, frühe Traumatisierungen zu verarbeiten und die Behinderung in der
Persönlichkeitsentwicklung zu korrigieren“ (Weiß 2016a, S. 99).
Unter einer Fremdunterbringung versteht man eine Maßnahme der Kinder- und Jugend-
hilfe, bei der Kinder und Jugendliche, denen es in ihrer Familie so schlecht geht, dass
das Kindeswohl gefährdet ist, aus der Familie herausgenommen und in einer ihnen frem-
den Umgebung untergebracht werden, z.B. einem Heim oder bei einer Pflegefamilie (vgl.
Schleiffer 2015, S. 7). Eine Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen erfolgt
in Österreich im Rahmen der „Vollen Erziehung“. Diese ist dann zu gewähren, wenn eine
Kindeswohlgefährdung nur durch Betreuung außerhalb der Familie oder des bisherigen
Wohnumfeldes abgewendet werden kann (vgl. B-KJHG 2013, § 26). Eine Gefährdung
des Kindeswohls umfasst „(…) Formen riskanter Lebensbedingungen, die eine Gefahr
der Desintegration nach sich ziehen bzw. eine gelungene Entwicklung gefährden und
die Entfaltung lebensbewältigender Handlungsfähigkeit nicht erwarten lassen“ (StKJHG-
DVO 2014, S. 2).
Eine „Volle Erziehung“ erfolgt in Österreich in der Regel durch die Betreuung bei nahen
Angehörigen, Pflegepersonen oder in sozialpädagogischen Einrichtungen (vgl. B-KJHG
2013, § 26). Sozialpädagogische Einrichtungen bieten stationäre und teilstationäre
Dienste an (vgl. B-KJHG 2013, § 17). Sie umfassen:
• Betreuungseinrichtungen für Notsituationen
• Betreuungseinrichtungen für eine dauerhafte Betreuung von Kindern und Ju-
gendlichen
• Betreute Wohnformen für Jugendliche
• Nicht ortsfeste Formen der Sozialpädagogik (vgl. ebd.).
29
In Österreich wurden im Jahr 2016 13.646 Kinder und Jugendliche im Rahmen einer
„Vollen Erziehung“ betreut, im Vergleich zu 2015 ist das ein Zuwachs von 4% (vgl. bmfj
2017, S. 15f.). Mehr als die Hälfte der voll betreuten Kinder und Jugendlichen lebt in
sozialpädagogischen Einrichtungen. 38,3% der Kinder und Jugendlichen sind bei Pfle-
gefamilien untergebracht (vgl. ebd., S. 18).
3.1 Stationäre Einrichtungen und Trauma Aufgrund der Präsenz von Traumatisierungen bei Kindern und Jugendlichen in stationä-
ren Einrichtungen und da alle Befragten der qualitativen Untersuchung entweder in sta-
tionären Einrichtungen tätig sind oder dort für einen längeren Zeitraum arbeiteten, gehe
ich auf die Problematik stationärer Einrichtungen ein.
Ist eine stationäre Unterbringung notwendig, gibt es in Österreich je nach Bundesland
unterschiedliche Leistungsbeschreibungen für die Angebote der Kinder- und Jugend-
hilfe. Insgesamt sind in der steiermärkischen Kinder- und Jugendhilfegesetz-Durch-
führungsverordnung (StKJHG-DVO) im Bereich der „Vollen Erziehung“ 12 stationäre
Leistungsangebote definiert.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird kurz auf zwei Formen der Fremdunterbringung
näher eingegangen:
Kinder- und Jugendwohngruppe (WG-KIJU)
Dies ist eine Einrichtung für maximal 13 Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 15 Jah-
ren, die einer Fremdunterbringung bedürfen. Den Kindern soll außerhalb der Herkunfts-
familie ein Lebensraum geboten werden, der die Befriedigung ihrer individuellen, ent-
wicklungsbedingten, emotionalen, körperlichen und sozialen Bedürfnisse sicherstellt.
Durch Routinen und Übereinkünfte soll der Erwerb von Selbstbestimmung und Alltags-
kompetenzen möglich werden. Das Leben in der Kinder- und Jugendwohngruppe ist so
gut wie möglich nach familiennahen bzw. familienähnlichen Beziehungsregeln auszu-
richten. Auch soll, wenn machbar, an einer späteren Rückführung in die Herkunftsfamilie
gearbeitet werden. Das Ziel besteht darin, dass Kinder und Jugendliche Ressourcen er-
werben, die es ihnen gestatten, soziale und emotionale Defizite aufzuarbeiten. Durch
individuelle Förderung der Ressourcen sollen Selbstständigkeit und Selbstorganisation
erworben werden (vgl. StKJHG-DVO 2014, S. 2f.).
30
Sozialpädagogische Wohngemeinschaft
Die sozialpädagogische Wohngemeinschaft betreut maximal neun Kinder und Jugendli-
che, die eine Fremdunterbringung benötigen und zwischen 10 und 18 Jahre alt sind. In
Ausnahmefällen kann der Aufenthalt bis zum 21. Lebensjahr verlängert werden. Auch
hier sollen die Beziehungsregeln familienähnlich gestaltet sein und nach Möglichkeit an
einer Rückführung in die Herkunftsfamilie gearbeitet werden. Ebenso soll hier durch
Routinen und Übereinkünfte der Erwerb von Selbstbestimmung und Alltagskompeten-
zen stattfinden. Die Ziele dieser Einrichtung sind die Emanzipation der Kinder und Ju-
gendlichen sowie der Erwerb von Ressourcen, die Selbstorganisation und Selbststän-
digkeit erlauben. Entscheidungsfähigkeiten, Handlungskompetenzen und Mitwirkungs-
möglichkeiten sollen erweitert und Benachteiligungen und Defizite reduziert werden (vgl.
StKJHG-DVO 2014).
„Der Zusammenbruch der ausreichenden kindlichen Versorgung und die elterliche Über-
forderung mit den Erziehungsaufgaben ist [sic! recte sind] quasi die Voraussetzung da-
für, dass eine stationäre Jugendhilfemaßnahme eingeleitet wird, weshalb es nicht ver-
wundert, dass sich in den Familien von Heimkindern die verschiedensten psychosozia-
len Risikofaktoren akkumulieren“ (Schmid 2010, S. 36). 80% der Traumatisierungen von
Kindern erfolgen unmittelbar im familiären Umfeld. Die steigende Zahl der Inobhutnah-
men unterstreicht die Relevanz dieses Themas (vgl. ebd.).
„In kaum einem anderen psychosozialen Bereich befinden sich so viele Kinder und Ju-
gendliche, die schwer belastende bis traumatisierende Lebensereignisse durchlebt ha-
ben, wie in der stationären Jugendhilfe“ (ebd., S. 36). Im deutschsprachigen Raum lässt
sich ein Trend in Richtung ambulanter Hilfen feststellen, um stationäre Unterbringungen
zu vermeiden. Dadurch ist in den stationären Hilfen eine sehr große Rate an Kindern
und Jugendlichen mit psychiatrischen Störungsbildern anzutreffen. Diese Situation stellt
hohe Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte (vgl. Gahleitner 2017, S. 8). Der
Trend zu ambulanten Hilfen führt zu zusätzlichen psychosozialen Belastungen der Kin-
der und Jugendlichen, da nur noch jene Kinder und Jugendlichen in stationären Einrich-
tungen untergebracht werden, bei denen ambulante Hilfen gescheitert sind oder sich als
wenig erfolgreich herausstellten (vgl. Schmid 2010, S. 36f.).
Viele Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe kommen aus stark psycho-
sozial belasteten Familien. Zum Teil wurden unangemessene Erziehungspraktiken und
traumatische Erlebnisse schon seit Generationen weitergegeben.
31
Viele dieser Kinder und Jugendlichen haben nicht nur ein einmaliges traumatisches Er-
eignis erlebt, sondern chronische oder wiederholende Traumatisierungen. Ein Großteil
der in stationären Einrichtungen lebenden Kinder und Jugendlichen weist Traumatisie-
rungen auf und leidet nicht selten an posttraumatischen Belastungsstörungen. Generell
zeigt sich im Bereich der stationären Jugendhilfe ein hoher Anteil an kinder- und jugend-
psychiatrischen Erkrankungen (vgl. ebd., S. 37).
Ein häufiges Problem stationärer Einrichtungen ist die hohe Anzahl vorheriger Bezie-
hungsabbrüche, mit denen Kinder und Jugendliche bereits in die Einrichtung kommen.
Bei vielen Kindern und Jugendlichen liegt ein häufiger Wechsel der Fremdunterbringun-
gen vor, ehe sie die stationäre Einrichtung erreichen. Die häufigen Verluste von Bezugs-
personen und die Abbrüche von Hilfen können sich zusätzlich schädlich auf die Bin-
dungsfähigkeit der Kinder auswirken. Kinder sollten möglichst früh stabilisierende Bezie-
hungserfahrungen machen, da sich jeder weitere Beziehungsabbruch negativ auf ihre
Bindungsfähigkeit auswirkt (vgl. ebd., S. 39).
3.2 Traumapädagogische Standards der stationären Kinder- und Ju-
gendhilfe Kinder und Jugendliche, die schon früh seitens ihrer Familie mit Gewalt, Vernachlässi-
gung und Verwahrlosung konfrontiert waren, sind meist dauerhaft von den Folgen be-
troffen. Aus den Erkenntnissen der Psychotraumatologie und Hirnforschung zu den Fol-
gen und Auswirkungen psychischer Traumata auf Entwicklung und Verhalten von Kin-
dern und Jugendlichen resultierte die logische Notwendigkeit, aktuelle Befunde der
Traumaforschung in pädagogischen Ansätzen zu berücksichtigen, um Kinder und Ju-
gendliche besser unterstützen zu können. Daraus entwickelte sich die Fachrichtung
„Traumapädagogik“ (vgl. BAG-TP 2011, S. 4). Zur Umsetzung traumapädagogischer
Konzepte existieren bereits traumapädagogische Standards für die Arbeit in stationären
Einrichtungen, die 2011 vom Fachverband Traumapädagogik (früher: Bundesarbeitsge-
meinschaft Traumapädagogik) vorgestellt wurden. Zusammen mit der Deutschsprachi-
gen Gesellschaft für Psychotraumatologie entwickelte der Fachverband Traumapädago-
gik auch Qualitätskriterien für eine Weiterbildung zur/zum TraumapädagogIn (vgl. Bau-
sum/Besser/Kühn/Weiß 2013, S. 9). Die Grundlage der traumapädagogischen Stan-
dards sind klare Haltungen, Förderansätze und Methoden, abgeleitet aus den Erkennt-
nissen der Psychotraumatologie. Diese Standards ermöglichen es, den Betroffenen ei-
nen sicheren Ort zu bieten, an dem sie neue Erfahrungen machen können.
32
Ein wesentlicher Bestandteil der Traumapädagogik und somit der traumapädagogischen
Standards sind der Aufbau und die Gewährleistung tragfähiger und verlässlicher Bezie-
hungen (vgl. BAG-TP 2011, S. 4). Einige stationäre Einrichtungen versuchen bereits,
traumapädagogische Konzepte in den pädagogischen Alltag zu integrieren (vgl. Bau-
sum/Besser/Kühn/ Weiß 2013, S. 9). Das folgende Kapitel geht genauer auf die Trauma-
pädagogik ein.
33
4. Traumapädagogik
Das folgende Kapitel setzt sich mit der Traumapädagogik auseinander. Nach einer Ein-
führung und Definitionen zur Traumapädagogik folgen die vier Gründe für einen päda-
gogischen Zugang zum Komplex Trauma nach Kühn und die Grundhaltung der Trauma-
pädagogik. Zuletzt wird kurz auf die Konzepte der Traumapädagogik eingegangen.
4.1 Einführung in die Traumapädagogik Schmid versteht unter Traumapädagogik „(…) die konsequente Anwendung der Psycho-
traumatologie auf die sozialpädagogische Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit
Vernachlässigungs-, Missbrauchs- und Misshandlungserfahrungen“ (Schmid 2013, S.
56). Das Ziel der Traumapädagogik ist es dabei, „(…) einerseits korrigierende Bezie-
hungserfahrungen zu vermitteln und andererseits an der gezielten Förderung anzuset-
zen und zwar genau in jenen Fertigkeitsbereichen, die komplex traumatisierte Menschen
nicht erlernen konnten“ (Schmid 2010, S. 46).
Eine weitere Definition aus dem Handbuch Traumapädagogik definiert diese „(…) als
eine junge Fachrichtung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Fachkräfte, die mit trau-
matisch belasteten Kindern und Jugendlichen im Arbeitsalltag konfrontiert sind, durch
spezifische Fort- und Weiterbildungen einerseits und durch die Schaffung tragfähiger
Strukturen in den Institutionen andererseits, bei ihrer anspruchsvollen Aufgabe zu unter-
stützen“ (Weiß/Kessler/Gahleitner 2016, S. 11).
Die Traumapädagogik, eine noch junge Fachrichtung, entstand Ende der 1990er Jahre
aus der Praxis der stationären Jugendhilfe (vgl. Weiß 2016b, S. 20). Ihre Wurzeln rei-
chen jedoch sehr viel weiter zurück. Ohne sie explizit so zu benennen, erstrecken sie
sich bis zu den reformpädagogischen Ansätzen des letzten Jahrhunderts (vgl. Bau-
sum/Besser/Kühn/Weiß 2013, S. 7).
Nach der Enttabuisierung der sexuellen Gewalt gegen Frauen beschäftigten sich Päda-
gogInnen der Kinder- und Jugendhilfe ab Ende der 1980er Jahre mit der Frage, welche
Möglichkeiten zur besseren Unterstützung traumatisierter Mädchen und Jungen beste-
hen. Später wurde der Fokus auf alle Arten von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche
erweitert. Somit stieg auch das Interesse an den Auswirkungen verschiedener traumati-
scher Erfahrungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und an den Mög-
lichkeiten einer pädagogischen Begleitung (vgl. Weiß 2016b, S. 21).
34
Das Interesse an der Psychotraumatologie nahm im deutschsprachigen Raum zu und
das einschlägige Wissen wurde für PädagogInnen vermehrt zugänglich. Psychosoziale
Fachkräfte begannen die Erkenntnisse der Psychotraumatologie und anderer Bezugs-
wissenschaften zu nutzen, um traumatisierte Kinder und Jugendliche bestmöglich zu
unterstützen (vgl. Weiß 2013, S. 33).
Traumatisierte Kinder und Jugendliche haben Überlebensstrategien entwickelt, die
ihnen ihr Leben, den Zugang zu anderen Menschen und zur sozialen Teilhabe erschwe-
ren. Die Kenntnis dieser Strategien kann PädagogInnen und psychosozialen Fachkräf-
ten dabei helfen, traumatisierte Kinder und Jugendliche bei ihrer Traumabearbeitung zu
unterstützen und zu begleiten (vgl. Weiß 2016b, S. 20).
Nach Weiß ist die Traumapädagogik ein Teil der Traumaarbeit. Während die Trauma-
bearbeitung die Bewältigung durch die Betroffenen selbst darstellt, ist die Traumaarbeit
die Begleitung durch psychosoziale Fachkräfte. Beispiele für Traumaarbeit sind neben
der Traumapädagogik die Traumatherapie, die Traumafachberatung oder die Bewälti-
gung des Traumas in Selbsthilfegruppen etc. Die Traumapädagogik stellt somit keinen
Ersatz für therapeutische Interventionen dar. Sie ist ein Teil der Traumaarbeit und not-
wendig, um traumatisierte Kinder und Jugendliche im pädagogischen Alltag zu unterstüt-
zen (vgl. ebd., S. 20). Im Idealfall helfen sich Psychotherapie und Traumapädagogik ge-
genseitig und tragen so gemeinsam zu einer heilenden Wirkung bei (vgl. Beckrath-Wil-
king/Biberacher/Dittmar/Wolf-Schmid 2013, S. 287).
Im Mittelpunkt der Traumapädagogik steht die menschliche Begegnung zwischen dem
Kind oder Jugendlichen und der pädagogischen Fachkraft (vgl. ebd., S. 285). „Ihr Ziel ist
es, den traumatisierten Kindern und Jugendlichen positive und korrigierende Bindungs-
angebote in einem sicheren Lebensrahmen zu bieten. So kann neues Vertrauen entste-
hen, Selbstwirksamkeit gefördert, Aggression abgebaut und damit ihr Selbstwertgefühl
und Entwicklungspotenzial gesteigert werden“ (ebd., S. 285). Die Traumapädagogik ist
darum bemüht, Beziehungen zu Menschen zu gestalten und zu verbessern (vgl. Scher-
wath/Friedrich 2016, S. 9). „Sie versteht sich nicht in erster Linie als ein methodisches
Konzept, sondern setzt dort an, wo das Fundament einer stabilen Persönlichkeitsent-
wicklung liegt: im Erleben von guten Beziehungs- und Bindungserfahrungen“ (ebd.).
Laut Schmid liegt die Besonderheit der Traumapädagogik darin, „(…) dass man aus der
Wirkung von traumatisierenden, emotional invalidierenden Umwelten logisch ableiten
kann, was die Kinder und Jugendlichen an einem Ort benötigen, an dem sie Sicherheit
35
und Geborgenheit erfahren sollen und können“ (Schmid 2013, S. 56). In den traumapä-
dagogischen Standards der stationären Kinder- und Jugendhilfe wird dargestellt, wie ein
traumapädagogisches Umfeld es gestattet, leidvolle Erfahrungen durch korrigierende
Beziehungserfahrungen auszugleichen (vgl. ebd., S. 57):
Traumatisches Umfeld Förderliches traumapädagogisches
Milieu
Unberechenbarkeit Transparenz/Berechenbarkeit
Einsamkeit/Isolation Beziehungsangebote
Nicht gesehen, nicht beachtet, nicht ge-
hört werden Beachtet werden/wichtig sein
Geringschätzung Wertschätzung (auch der individuellen
Besonderheit)
Bedürfnisse werden missachtet Bedürfnisorientierung
Ausgeliefert sein – andere bestimmen
absolut über mich
Mitbestimmen können – Partizipation an
Entscheidungen
Abwertung und Bestrafung Ermutigung und Lob
Keine adäquate Förderung – häufige
Über- oder Unterforderungssituationen
Individuelle, dem Entwicklungsstand ent-
sprechende Förderung
Leid Freude
Abbildung 2: Gegenüberstellung von traumatisierendem und traumapädagogischem Milieu
(Quelle: Schmid 2013, S. 57)
4.2 Gründe für die Entstehung der Traumapädagogik Nach Kühn ist die Entstehung eines pädagogischen Zugangs zum Thema Trauma auf
vier Gründe zurückzuführen. Diese werden im Folgenden kurz dargestellt:
1. Die Geschichte der Heimerziehung
Die Heimerziehung des 20. Jahrhunderts war geprägt von Trauma und Retraumatisie-
rung. Durch Veröffentlichungen und Medienberichte über die Biografien ehemaliger
Heimkinder wurde dies immer deutlicher. Wenngleich diese Vorkommnisse nicht mehr
auftreten, ist es wichtig, sich auch heute mit der Aufarbeitung gescheiterter Hilfsmaß-
nahmen vor Ort zu beschäftigen. Kommt es zu einem „Scheitern“ eines/einer Betreuten,
soll sich stets auch die Frage nach dem „Scheitern“ der Betreuungsperson stellen. Oft
wird diese Frage sehr einseitig und zu Gunsten der Betreuungsperson beantwortet. Hier
fordert Kühn eine kritische und objektive Klärung. Somit treten traumapädagogische
36
Konzepte gegen eine Tabuisierung zwischenmenschlicher und institutioneller Gewalt
auf, die laut Kühn zwar anders und subtiler als noch vor Jahrzehnten abläuft, aber nach
wie vor Realität ist (vgl. Kühn 2013, S. 25f.).
2. Die „vergessenen“ Klassiker der pädagogischen Fachliteratur
Es liegen mehrere pädagogische Klassiker vor, in denen sich bereits zahlreiche Be-
schreibungen kindlicher Verhaltensweisen finden, die heute zum Teil als Symptome
traumabezogener Stressreaktionen gelten könnten. Diese Texte stellen für die heutige
traumabezogene pädagogische Arbeit ein wichtiges Basiswissen bereit und überra-
schen teilweise nach wie vor durch ihre Aktualität. Somit ist es nicht notwendig, bei der
Entwicklung traumapädagogischer Konzepte bei Null zu beginnen. Es existieren bereits
pädagogische Werke, auf die Bezug genommen werden kann (vgl. ebd., S. 26).
3. Der interdisziplinäre Diskurs
Die Pädagogik war schon immer geprägt durch ihre Offenheit gegenüber Nachbardis-
ziplinen wie Medizin, Psychologie und Soziologie. Insbesondere Erkenntnisse der neu-
rophysiologischen Forschung haben große Bedeutung für die pädagogische Praxis.
Kühn betont jedoch, dass trotz der Bedeutung dieser Erkenntnisse verschiedener Dis-
ziplinen die Pädagogik nicht zu kurz kommen sollte, da sie zur Bewältigung traumati-
scher Erfahrungen einen großen Beitrag leisten kann. Nach Kühn sind ein interdiszipli-
närer Austausch und Diskurs zwischen Pädagogik, Psychotherapie und Psychiatrie not-
wendig (vgl. ebd., S. 26f.).
4. Die alltägliche „Wirklichkeit“ der stationären Jugend- und Behindertenhilfe
Scheitern Maßnahmen der Jugendhilfe, wird schnell die Frage gestellt, ob das Kind oder
der/die Jugendliche vielleicht falsch in dieser Einrichtung sind. Es kommt auf diese
Weise häufig zu einem Ungleichgewicht zwischen den Professionen. Die Pädagogik
scheint in diesem Fall nicht ausreichend zu sein, es werden Lösungen von Nachbardis-
ziplinen wie Psychiatrie oder Psychotherapie erwartet. Die Fallverantwortung wird somit
hin und her geschoben; „schwierige“ Kinder werden einfach „verschoben“. Durch eine
interdisziplinäre Spurensuche könnten neue Ansichten in die fachliche Diskussion ein-
bezogen werden. Es sind die pädagogischen Fachkräfte, die den Alltag mit traumatisier-
ten Kindern und Jugendlichen gestalten und sich folglich mit den Auswirkungen von
Traumata auseinandersetzen müssen.
37
Steigende Erwartungen und fehlendes Fachwissen können schnell zur Überforderung
des Personals führen und somit auch zu Grenzüberschreitungen. Traumatische Stress-
reaktionen bei Kindern und Jugendlichen können die Fachkräfte schnell überfordern und
eine Stigmatisierung des Kindes oder Jugendlichen bewirken. Somit trägt das Kind oder
der/die Jugendliche die Folgen. Eine traumapädagogische Betrachtung kann dabei hel-
fen, Kinder und Jugendliche, die scheinbar den pädagogischen Rahmen sprengen, auf
eine andere Weise in den Blick zu nehmen. Dies kommt den betroffenen Kindern und
Jugendlichen zugute und auch dem Fachpersonal, dessen Fachkompetenz sich auf
diese Weise erweitert (vgl. ebd., S. 27f.).
4.3 Grundhaltung der Traumapädagogik Nach den Traumapädagogischen Standards des Fachverbands Traumapädagogik stellt
eine wesentliche Basis der Traumapädagogik jene Grundhaltung dar, „die das Wissen
um Folgen von Traumatisierung und biografischen Belastungen berücksichtigt und ihren
Schwerpunkt auf die Ressourcen und Resilienz der Mädchen und Jungen legt“ (BAG-
TP 2011, S. 4).
Laut Weiß finden sich in allen Konzepten der Traumapädagogik ein gemeinsames Men-
schenbild und eine gemeinsame Haltung wieder. Dazu gehören die Annahme des guten
Grundes, Wertschätzung, Partizipation, Transparenz sowie Spaß und Freude. Das Men-
schenbild basiert auf der humanistischen Pädagogik und Psychologie. Es wird dabei von
der Befähigung des Menschen zu Veränderung und Selbstregulation ausgegangen (vgl.
Weiß 2016b, S. 23).
Auf das Konzept des guten Grundes, von Wertschätzung, Partizipation, Transparenz
sowie Spaß und Freude wird im Folgenden eingegangen.
Das Konzept des guten Grundes
„Das Verhalten des Kindes ist entwicklungsgeschichtlich verstehbar als eine normale
Reaktion auf eine außerordentliche Belastung“ (ebd., S. 23).
Das Konzept des guten Grundes basiert auf der Grundannahme, „dass das Verhalten
von Menschen normalerweise nicht destruktiv motiviert ist, sondern aus dem inneren
System des Menschen heraus Sinn ergibt“ (Scherwath/Friedrich 2016, S. 67). Folgende
Prinzipien können nach Scherwath und Friedrich dabei zu einem tieferen Fallverstehen
verhelfen (vgl. ebd.):
38
• Menschen verhalten sich immer aus ihren Bedürfnissen heraus: Das Verhalten
der Menschen wird mit ihren Bedürfnissen erklärt. Auffälligkeiten werden nicht
als Störung, sondern als besondere Bedürfnisse interpretiert. Vor allem trauma-
tisierte Menschen mussten häufig Defizite in Bezug auf ihre Grundbedürfnisse
erfahren, weshalb sich die Frage stellt: Welche aktuell nicht befriedigten oder
biografisch mangelhaft versorgten Grundbedürfnisse kommen gerade zum Aus-
druck? Die Handlungsziele sollten bei der Bearbeitung des Mangelerlebens an-
setzen (vgl. ebd., S. 67).
• Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht: Die Grundannahme liegt hier
in einem Perspektivenwechsel: von der Annahme, dass bestimmte Absichten ei-
nen feindseligen und berechenbaren Hintergrund haben, zu der Annahme, dass
jedes Verhalten eine positive Absicht hat. Die Aufmerksamkeit wird weg vom ne-
gativen Effekt und hin zu den inneren Zielen der Person gelenkt. Hier stellt sich
die Kernfrage, was die Person mit ihrem Verhalten erreichen will. Dies ermöglicht
einen anderen Zugang, um Menschen zu unterstützen, andere Möglichkeiten für
dieselben Absichten zu finden (vgl. ebd., S. 68).
• Traumaspezifisches Symptomverstehen: Neben der Frage nach den Bedürfnis-
sen oder den positiven Absichten, die mit einem Verhalten einhergehen, kann als
zusätzliche Unterstützung, speziell bei traumatisierten Menschen, ein Verständ-
nis der traumaspezifischen Symptomatik helfen, das Verhalten besser nachzu-
vollziehen. Dadurch können aktuelle Symptome besser in ihrem Zusammenhang
gesehen und logischer und akzeptabler damit umgegangen werden (vgl. ebd., S.
70).
Bei der Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen, deren Verhaltensweisen für
die PädagogInnen und die restliche Gruppe belastend sind, bedeutet dies, den für die
traumatisierten Kinder und Jugendlichen notwendigen Verhaltensweisen Würdigung und
Wertschätzung entgegenzubringen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um ihnen zu ermögli-
chen, ihr Verhalten als Anpassungsstrategie an frühere Bedingungen zu verstehen und
alternative Verhaltensweisen zu entwickeln (vgl. BAG-TP 2011, S. 5).
Wertschätzung
„Wenn wir Wertschätzung als eine Grundhaltung definieren, ist die Folge daraus, dass
es nicht um eine individuelle Verhaltensstrategie geht, sondern dass es mit der inneren
39
Einstellung und den inneren Werten von Menschen einhergeht“ (Lang/Schirmer/Lang/
Andreae de Hair/Wahle/Bausum/Weiß/Schmid 2013, S. 112).
Die Wertschätzung wurzelt im humanistischen Menschenbild, für das Toleranz und Ach-
tung vor den Mitmenschen im Mittelpunkt stehen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der
traumapädagogischen Haltung. Es geht darum, die eigene Wertschätzung zweckfrei für
andere Menschen zum Ausdruck zu bringen. Dies ist eine Entscheidung, die im Alltag
meist unbewusst getroffen wird. Sie zeigt sich u.a. in Respekt, Fairness, Freundlichkeit
etc. im Zuge zwischenmenschlicher Kontakte (vgl. ebd., S. 112f.).
„Im traumapädagogischen Kontext bedeutet Wertschätzung noch mal mehr die Korrek-
tur der Erfahrungen von Ohnmacht, Hilflosigkeit, Erleben von Selbstwertverlust und Un-
wirksamkeitserfahrungen“ (ebd., S. 113). Als Folge des Erlebens von Erfahrungen wie
Ohnmacht, Hilflosigkeit und Willkür können traumatisierte Kinder und Jugendliche kei-
nen Sinn und Wert in sich und ihrem Handeln erkennen. Dadurch werden Gefühle, Ge-
danken sowie Beziehungsinhalte des traumatischen Ereignisses auf aktuelle Situationen
übertragen (vgl. BAG-TP 2011, S. 5). „Sie müssen die Möglichkeit haben, sich und das,
was sie tun, mehr und mehr wieder als wertvoll zu erleben. Dort anzusetzen, wo Stärken
vorhanden sind, was gerne gemacht wird, ermöglicht es, sich selbst mit seinen Fähig-
keiten zu erleben und selbst schätzen zu lernen“ (ebd., S. 5). Die Traumapädagogik
bietet einen sicheren Rahmen, der es Kindern und Jugendlichen erlaubt, ein positives
Selbstbild zu entwickeln. Darüber hinaus ist es neben der Korrektur negativer Einstel-
lungen und Überzeugungen notwendig, das Geschehene in die eigene Lebensge-
schichte einzuordnen (vgl. ebd., S. 5f.).
Partizipation
„Die Teilhabe an der Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen zählt zu den wichtigs-
ten Einflussfaktoren, die zu seelischer Gesundheit führen“ (ebd., S. 6). Laut dem Fach-
verband Traumapädagogik ist es traumatisierten Kindern und Jugendlichen dann mög-
lich, positive Motivation zu entwickeln, wenn sie Erfahrungen auf folgenden drei Ebenen
machen:
• Erleben von Autonomie (die Erfahrung, etwas entscheiden zu können)
• Erleben von Kompetenz (die Erfahrung, etwas bewirken zu können)
• Erleben von Zugehörigkeit (die Erfahrung, dazuzugehören und wertgeschätzt zu
werden) (vgl. ebd., S. 6).
40
Da Beteiligung und Gestaltungsmöglichkeiten in der Herkunftsfamilie traumatisierter Kin-
der und Jugendlicher häufig nur mit Einschränkungen möglich waren, fällt es ihnen oft
schwer, sich auf pädagogische Angebote einzulassen, die auf Partizipation abzielen.
Deshalb ist es notwendig, dass Einrichtungen eine Struktur schaffen, mit der Kinder und
Jugendliche lernen, sich an der Gestaltung von Tagesabläufen, Gruppenentscheidun-
gen, Hilfeplanungen etc. aktiv zu beteiligen. Aufgrund der Erfahrung von Gewalt, Miss-
handlungen, Vernachlässigung usw. mussten traumatisierte Kinder und Jugendliche
häufig Fremdbestimmung, Ohnmacht und Erstarrung erleben, wodurch sie sich selbst
als unzureichend und handlungsunfähig erlebt haben. Aus diesen Grund sollten Struk-
turen und Ansätze geschaffen werden, die es den Kindern und Jugendlichen gestatten,
Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit zu erleben. Die Lebensbedingungen der trau-
matisierten Kinder und Jugendlichen sind unterschiedlich (vgl. Lang/Schirmer/Lang/An-
dreae de Hair/Wahle/Bausum/Weiß/Schmid 2013, S. 115). „Teilhabe und Gestaltungs-
möglichkeiten an den eigenen Lebensbedingungen sollen den Jungen und Mädchen da-
bei helfen, diese Unterschiedlichkeit zu erfassen, um dann selbst Einfluss darauf neh-
men zu können“ (ebd.). Es sollte je nach Entwicklungsstand die höchstmögliche Teilhabe
gewährleistet sein (vgl. BAG-TB 2011, S. 6).
Transparenz
Die Lebensgeschichten traumatisierter Kinder und Jugendlicher sind geprägt von der
Unberechenbarkeit, die ein traumatisches Ereignis mit sich bringt, und von Willkür im
Umgang mit eigentlich sicheren Strukturen (vgl. Lang/Schirmer/Lang/Andreae de
Hair/Wahle/Bausum/Weiß/Schmid 2013, S. 118). „Es ist daher von großer Bedeutung,
dass diese Kinder und Jugendlichen einen transparenten verantwortungsvollen Umgang
mit Hierarchien, Strukturen und Machtverhältnissen erleben“ (BAG-TB 2011, S. 6). Als
Kontrast zum bisherigen unberechenbaren Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen
muss ein sicherer Ort berechenbar sein. Durch Erklärungsansätze soll das Verhalten der
Kinder und Jugendlichen positiv und begründet gedeutet werden (vgl. ebd., S. 6f.).
Regeln sind zur Orientierung in einer Gruppe notwendig. Damit Regeln Orientierung bie-
ten, müssen sie in überschaubarer und nachvollziehbarer Form vermittelt werden. Sie
brauchen eine transparente Erklärung und einen Sinn. Oft erlebten traumatisierte Kinder
und Jugendliche in ihren Herkunftsfamilien eine andere Normalität, weshalb der Sinn
bestimmter Regeln für sie nicht erkennbar ist. Mit Aussagen wie „jeder hat das Recht,
seine Meinung zu äußern!“ oder „jeder hat das Recht auf Privatsphäre!“ werden zentrale
41
Werte einer Wohngruppe umschrieben. Sie bilden insofern ein Gegengewicht zu den
bisherigen Erfahrungen, denn sie sind nicht verhandelbar, brauchen jedoch gleichwohl
eine Erklärung (vgl. Lang 2013, S. 202). „Du bist mir etwas wert! Die anderen Kinder
sind mir etwas wert! Ich bin mir etwas wert! Daher setze ich mich mit meiner ganzen
Kraft für diese Werte und Regeln ein“ (ebd.). Wie bereits erwähnt, brauchen traumati-
sierte Kinder und Jugendliche Unterstützung dabei, ihr Beziehungsverhalten als notwen-
dige Anpassungsstrategie an frühere Bedingungen anzusehen. Lang bietet hier als ein-
leitende Worte an: „Du verhältst dich so weil…“ (ebd.).
Freude und Spaß
Traumatisierte Kinder und Jugendliche werden häufig von destruktiven Gefühlen wie
Angst, Scham, Schuld, Ohnmacht, Trauer etc. begleitet. Sie konnten zumeist nicht viele
Erfahrungen mit positiven Gefühlen machen und wenn doch, konnten sie diesen nicht
trauen. Sie fühlen sich wegen des Fehlens einer feinfühligen, empathischen und unter-
stützenden Bindungsperson in ihren negativen Emotionen gefangen und ihnen ausge-
liefert (vgl. ebd., S. 121).
„Es gilt daher die Freudenseite zu beleben und ihnen besonderen Schwerpunkt zu ge-
ben, um die Belastung und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ins Gleichgewicht zu brin-
gen. Dieser, die Gesundheit als Prozess verstehende (salutogene) Ansatz bringt Kopf
und Körper in positives Erleben, das Konstruktivität, Lernen und Entwicklung nachhaltig
unterstützt“ (BAG-TP 2011, S. 7). Übrigens steht die Serotoninausschüttung, die durch
Spaß und Lachen gefördert wird, in einem Gegensatz zu einer Adrenalinausschüttung
durch einen erhöhten Stresslevel (vgl. ebd.).
4.4 Traumapädagogische Konzepte In den letzten zehn Jahren sind diverse traumapädagogische Konzepte entstanden, die
Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufweisen. Unterschiede finden sich laut Weiß in
Inhalten und Gewichtungen des traumapädagogischen Handelns. Als Fixpunkt gelten
die bereits erwähnten Traumapädagogischen Standards der stationären Kinder- und Ju-
gendhilfe (vgl. Weiß 2016b, S. 23). Als handlungsleitende Inhalte der traumapädagogi-
schen Praxis haben sich nach Weiß u.a. folgende Konzepte herausgebildet:
• Die Pädagogik des sicheren Ortes (nach Kühn)
• Die Pädagogik der Selbstbemächtigung (nach Weiß)
• Traumapädagogische Gruppenarbeit (nach Bausum)
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• Stabilisierung und (Selbst-)Fürsorge für PädagogInnen als institutioneller Auftrag
(nach Birgit Lang)
• Traumapädagogik in der Schule (nach Ding)
• Milieutherapeutische Konzepte (nach Gahleitner) (vgl. ebd., S. 23).
Alle diese Konzepte haben die Grundhaltung der Traumapädagogik gemeinsam, im
Zentrum steht dabei das erwähnte „Konzept des guten Grundes“ (vgl. ebd.). Das Men-
schenbild der Konzepte basiert laut Weiß auf der humanistischen Pädagogik und Psy-
chologie, was die Erkenntnis beinhaltet, dass der Mensch die Fähigkeit zur Veränderung
und Selbstregulation besitzt (vgl. ebd.). Weiß zufolge sind positive Beziehungserfahrun-
gen ein wesentlicher Beitrag zur gelingenden Traumabearbeitung, wenn nicht sogar der
wesentlichste. So betonen sämtliche Konzepte die Bedeutung von Bindung; dabei set-
zen sie unterschiedliche Schwerpunkte (vgl. ebd., S. 27).
Traumapädagogische Konzepte schließen mehrere institutionelle Ebenen ein, sowohl
die strukturelle (Leitung, Infrastruktur, Abläufe, Ausstattung etc.), die Ebene der Mitar-
beiterInnen und jene der Kinder. Jede Ebene ist auch für die Gestaltung eines sicheren
Ortes von Bedeutung. Die MitarbeiterInnen und die strukturellen Abläufe der Einrichtung
sind in pädagogische Konzepte aufzunehmen, weil sowohl Arbeitsbedingungen, struk-
turelle Abläufe (Dienstwechsel, Kontinuität der Betreuung), Ressourcen als auch die Hal-
tung der Leitung wichtig für das Erleben von Sicherheit sowohl für die Kinder und Ju-
gendlichen, als auch für die PädagogInnen sind (vgl. Schmid 2010, S. 49). „Nur stabile,
‚sichere‘, Mitarbeiter können in einer Krise die Kinder stabilisieren, weshalb es wichtig
ist, nicht nur an den Kindern anzusetzen, sondern sehr viel Wert auf die Stabilisierung
und Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter zu legen“ (ebd.). Aufgrund der intensiven und en-
gen Begegnung der Fachkräfte mit den Kindern und Jugendlichen scheint es logisch zu
sein, dass sich die pädagogischen Fachkräfte in einem besonderen Maße einbringen
müssen und sie dadurch starken Übertragungs- und Gegenübertragungsgefühlen aus-
gesetzt sind. Aus diesem Grund ist ein weiterer zentraler Aspekt traumapädagogischer
Ansätze die Versorgungsebene für alle pädagogischen Fachkräfte (vgl. ebd., S. 50).
Nach der Erklärung der Traumapädagogik stelle ich Beziehungen im Kontext von trau-
matisierten Kindern und Jugendlichen dar.
43
5. Beziehungen und Trauma
Dieses Kapitel geht auf das Thema Beziehungen zu traumatisierten Kindern und Ju-
gendlichen ein. Zuerst werden die Beziehungsgestaltung pädagogischer Fachkräfte zu
traumatisierten Kindern und Jugendlichen sowie die Frage, welche Probleme und
Schwierigkeiten sich in der Beziehungsgestaltung ergeben können, behandelt. Weiters
werden das Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung sowie zwei unter-
schiedliche Verhaltensweisen traumatisierter Kinder und Jugendlicher in der Bezie-
hungsgestaltung zu den pädagogischen Fachkräften näher erläutert. Zuletzt wird auf
korrigierende Bindungs- und Beziehungserfahrungen bei der Beziehungsgestaltung ein-
gegangen.
5.1 Beziehungsgestaltung Im Kapitel „Die Bedeutung von Beziehungen für die Traumaarbeit“ wurde bereits be-
schrieben, warum Beziehungen für traumatisierte Kinder und Jugendliche so wichtig sind
und welche Bedeutung dieser Umstand für die Pädagogik hat. „Das zentrale Instrument
in der Pädagogik, mit dem sehr viel bewegt wird und ohne das kaum etwas erreicht
werden kann, ist die Gestaltung einer verlässlichen, hilfreichen und professionellen Be-
ziehung“ (Lang, B. 2013, S. 132).
In Bezug auf die Beziehungsgestaltung zu traumatisch belasteten Kindern und Jugend-
lichen wird ferner betont, dass die Beziehungsgestaltung korrigierende Bindungserfah-
rungen ermöglichen soll. „Beziehungsgestaltung ist etwas anderes, als an Kinder oder
behinderte Menschen so im Vorbeigehen nett und schulterklopfend Freundlichkeit zu
verströmen oder ‚Streicheleinheiten‘ zu verteilen. Es geht vielmehr um den Aufbau tra-
gender Beziehungserfahrungen, die bisherige Erfahrungen positiv erweitern oder in der
nötigen Form verändern und korrigieren“ (Flosdorf 2009, S. 21).
Bei Kindern und Jugendlichen, die vernachlässigt oder misshandelt worden sind, besteht
immer das Risiko, dass sie im Rahmen der Fremdunterbringung mit einem Angebot kon-
frontiert werden, das dem der Herkunftsfamilie ähnelt. Damit sich Hilfsangebote als hilf-
reich erweisen, gilt es, dies so gut als möglich zu vermeiden (vgl. Schleiffer 2015,
S. 129). Pädagogische Beziehungen sollen also mehr als ein zufälliges Nebenprodukt
im Hilfeprozess darstellen. Sie sollten im Vordergrund sozialpädagogischer Handlungs-
planungen stehen. Es ist die Aufgabe pädagogischer Fachkräfte, als sicherer Hafen ver-
fügbar zu sein, um für eine schützende Umgebung zu sorgen (vgl. Scherwath/Friedrich
2016, S. 88).
44
Eine professionelle Beziehung zeichnet sich nach Lang dadurch aus, dass sie einerseits
mit der passenden Nähe, die auf das Kind abgestimmt ist, eingegangen wird und ande-
rerseits mit der notwendigen Distanz, die verhindert, dass pädagogische Fachkräfte sich
in Beziehungen verstricken, die sie nicht mehr bewusst steuern können und die dem
Kind und der Fachkraft zu schaden geeignet sind (vgl. Lang B., 2013, S. 133).
Neben der Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstreflexion der pädagogischen Fachkräfte,
um mit in die Beziehung eingebrachten negativen Erfahrungen der Kinder wie Abwer-
tung, Ohnmacht, Demütigung etc. umzugehen, sollten pädagogische Fachkräfte feinfüh-
lig, klar, selbstbewusst und offen sein (vgl. ebd.).
Aufgrund der traumatischen Erfahrungen werden pädagogische Fachkräfte immer wie-
der mit Schwierigkeiten und Problemen der Beziehungsgestaltung zu den Kindern und
Jugendlichen konfrontiert, auf die das nächste Kapitel eingeht.
5.1.1 Probleme der Beziehungsgestaltung
Viele psychiatrische Symptome wie Selbstverletzung, dissoziative Zustände, aggressi-
ves Verhalten, Suizidversuche etc. kommen bei schwer traumatisierten Menschen ge-
häuft vor. Aus diesem Grund werden sozialpädagogische Fachkräfte regelmäßig mit die-
sen Symptomen konfrontiert, die zu pädagogischen Krisen führen können (vgl. Schmid
2013, S. 58f.).
80% der traumatisierten Kinder und Jugendlichen weisen einen desorganisierten Bin-
dungsstil auf, darüber hinaus entwickeln sie häufig hoch unsichere Bindungsrepräsen-
tationen (vgl. Schmid 2010, S. 45). „Für den pädagogischen Zugang zu Kindern und
Jugendlichen mit Traumafolgestörungen, die zumeist von ihren engsten Bezugsperso-
nen Gewalt erfahren haben, ist es unabdingbar, dass deren Vertrauen in zwischen-
menschliche Beziehung nachhaltig zerstört wurde und sich erst nach und nach durch
alternative Beziehungserfahrungen wieder etwas regenerieren kann“ (Schmid 2013, S.
59).
Den PädagogInnen fällt es wegen des Misstrauens und der Nichtbindung der Kinder und
Jugendlichen häufig schwer, einen guten Kontakt zu diesen Kindern zu etablieren. Die
pädagogischen Fachkräfte profitieren ebenso von einer guten Beziehung. Es bedeutet
für sie eine positive Bestärkung, werden sie von den Kindern und Jugendlichen positiv
empfangen und jene eine gute Beziehung zu ihnen aufbauen. Durch zahlreiche Bezie-
hungsabbrüche und -traumata ist es für traumatisierte Kinder und Jugendliche schwer,
45
ein derartiges Verhalten an den Tag zu legen. Sie fürchten sich zunächst vor zwischen-
menschlichen Kontakten und erneuten Abbrüchen, obwohl sie grundsätzlich das Bedürf-
nis nach Bindung und Versorgung haben. Das kann zu einem Muster von Idealisierung
von Beziehungen und heftigen Abwertungen führen (vgl. ebd., S. 59).
Es kann ferner zu Reinszenierungen von pathologischen Beziehungsangeboten durch
die Kinder und Jugendlichen kommen, um bei den MitarbeiterInnen ähnliche Gefühle
und Reaktionen auszulösen wie bei anderen traumatisierenden Bezugspersonen in ihrer
Biografie (vgl. ebd., S. 59). Bei einer Reinszenierung wird das traumatische Erleben un-
bewusst „in Szene“ gesetzt und darauf gehofft, die neuen Bezugspersonen (in diesem
Fall die pädagogischen Fachkräfte) würden anders darauf reagieren, als es die primären
Bezugspersonen taten (vgl. Zimmermann 2017, S. 39).
Es kann vorkommen, dass sich komplex traumatisierte Kinder und Jugendliche aufgrund
ihrer Wahrnehmung von Emotionen und sozialen Situationen in neutralen Situationen
bedroht fühlen und überreagieren (vgl. ebd.). Traumatisierte Kinder und Jugendliche nei-
gen dazu, neutrales Verhalten von Menschen eher als feindselig aufzufassen und folg-
lich mit Angst und Aggression darauf zu reagieren. Darüber hinaus reagieren sie eher
stärker und impulsiver auf negative emotionale Gesichtsausdrücke (vgl. Schmid 2010,
S. 45).
Pädagogische Fachkräfte, die mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen arbeiten,
sind häufig Übertragungen ausgesetzt (vgl. Lang, B. 2013, S. 220). „Die emotionale At-
mosphäre wird von den Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen geprägt, deren Alltag
durch massive Angst, Scham, Schuld, Trauer, Wut und Ohnmacht gekennzeichnet war“
(ebd.). Durch die teils unberechenbaren Verhaltensweisen und Reaktionen der Kinder
entstehen auch bei den pädagogischen Fachkräften teils heftige Gefühle, die sie selbst
nicht immer verstehen bzw. sich eingestehen können. Je nach eigener Lebensge-
schichte und Erfahrung der pädagogischen Fachkräfte können sich die übertragenen
Emotionen unterschiedlich auf die PädagogInnen und ihr Team auswirken. Negative Ge-
fühle wie Scham oder Wut können aufkommen (vgl. ebd., S. 220f.). Auf die Phänomene
der Übertragung und Gegenübertragung wird im folgenden Kapitel genauer eingegan-
gen, da diese in der Beziehungsgestaltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen
ein wichtiges Thema darstellen.
Pädagogische Fachkräfte, die sich stark verunsichern oder ängstigen lassen und ihrer
Rolle als Bindungsperson nicht gerecht werden, können nicht als „sichere Basis“ zur
46
Verfügung stehen und somit den Bindungsbedürfnissen der Kinder und Jugendlichen
nicht nachkommen. Diese Erfahrung kann Kinder und Jugendliche schnell wieder in ihre
alte, familiäre Umgebung zurückversetzen. In diesem Fall wäre die Hilfsmaßnahme nicht
nur nicht hilfreich, sondern sogar desorganisierend (vgl. Schleiffer 2015, S. 126).
Pädagogische Fachkräfte machen unter anderem die Erfahrung, dass ihre Hilfeange-
bote nicht angenommen werden bzw. Kinder und Jugendliche nicht um Hilfe bitten. Ers-
tere werden somit in ihrer HelferInnenrolle nicht bestätigt, was ebenfalls beschämend
wirken kann. Dann kann es passieren, dass die pädagogischen Fachkräfte sich zurück-
ziehen und ihr Beziehungsangebot auf das Nötigste beschränken (vgl. ebd., S. 126).
Die besondere Beziehungsgestaltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen kann
auch eine Belastung darstellen. Die pädagogischen Fachkräfte finden sich manchmal in
der Täterrolle oder der Opferrolle wieder und auch dann müssen sie mit Gefühlen wie
Scham, Schuld, Wut, Angst und Ohnmacht umgehen. Sie werden einsehen, dass immer
intensiver werdende Beziehungen zum Kind zu viel werden können und vom Kind oder
der pädagogischen Kraft mit der Zeit nicht mehr auszuhalten sind. Zieht sich die päda-
gogische Fachkraft zurück, wird sich das Kind verlassen fühlen; neuerlich entstehen bei
der pädagogischen Fachkraft dann Gefühle wie Scham und Schuld. Nach Birgit Lang
braucht es ein hohes Maß an Mut und Selbstvertrauen, um diese „Rollenfallen“ zu er-
kennen und zu reflektieren (vgl. Lang, B. 2013, S. 221).
5.1.2 Übertragung und Gegenübertragung in Beziehungen
„In traumapädagogischen Ansätzen wird ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass die
Mädchen und Jungen ihre Übertragungsinhalte, die sich aus ihren Beziehungserfahrun-
gen in Bezug auf Beziehungsgestaltung, Emotionslagen und Rollenerfahrungen spei-
sen, durch deren daraus resultierende innere Erwartungshaltung und Beziehungsgestal-
tung auf die PädagogInnen übertragen werden“ (ebd., S. 138). Aktuelle Beziehungen
sind immer von früheren Beziehungserfahrungen geprägt. Traumatisierte Kinder und Ju-
gendliche übertragen dabei nicht nur ihre Bindungserfahrungen auf die PädagogInnen,
auch die PädagogInnen übertragen ihre Bindungserfahrungen auf die Kinder und Ju-
gendlichen (vgl. ebd., S. 193). Das Konzept der Übertragung und Gegenübertragung
sollte nach Lang ein Bestandteil bindungsorientierter Arbeit und bindungsorientierter Re-
flexion des eigenen Handelns sein. Damit Kinder und Jugendliche entsprechend ihrer
Bedürfnisse versorgt und neue Bindungserfahrungen hinzugefügt werden können,
braucht es laut Lang sichere PädagogInnen (vgl. ebd., S. 187).
47
Die traumatische Übertragung
„Alle Menschen übertragen ihre lebensgeschichtlichen Interaktionserfahrungen mit ihren
Bindungspersonen auf die Beziehung zu anderen Menschen“ (ebd., S. 193).
Übertragungen sind natürliche Erscheinungsformen des menschlichen Lebens und als
Reaktionsbereitschaft an die Vergangenheit gebunden. Weiters gelten sie immer Perso-
nen. Kindliche Beziehungserfahrungen und damit verbundene Ängste und Wünsche
werden auf gegenwärtige Bezugspersonen übertragen. Die Übertragungen finden auch
in der Beziehung zwischen pädagogischen Fachkräften und traumatisierten Kindern und
Jugendlichen statt (vgl. Weiß 2016a, S. 173).
Traumatisierte Menschen entwickeln eine spezielle Art der Übertragung, eine traumati-
sche Übertragung (vgl. ebd.). Kinder und Jugendliche, die während ihrer Lebensge-
schichte von ihren Bindungspersonen traumatisiert wurden, übertragen ihre traumati-
schen Erfahrungen auf neue InteraktionspartnerInnen. Bindungserfahrungen von Kin-
dern und Jugendlichen, die traumatisiert wurden, sind eher unsicher und desorganisiert.
Frühere Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen können von Unsicherheit, Schutzlo-
sigkeit, Hilflosigkeit, Scham, Wut usw. geprägt sein. Selbst wenn Kinder und Jugendliche
in einer Fremdunterbringung mehr Schutz und Sicherheit erfahren, bleiben die früheren
Erfahrungen bestehen. Somit ist auch die Beziehung zu den pädagogischen Fachkräften
durch die Präsenz des traumatischen Geschehens geprägt. Die Kinder und Jugendli-
chen übertragen emotionale Reaktionen von den TäterInnen auf die PädagogInnen, von
denen sie begleitet werden (vgl. Lang 2013, S. 193).
„Die Kinder und Jugendlichen befinden sich zudem in einem Dilemma. Die Fähigkeit,
sich angstfrei und selbstwirksam zu erleben sowie innerpsychische und emotionale Zu-
stände zu regulieren, ist nicht ausreichend genug entwickelt worden oder sie wurde zer-
stört“ (ebd., S. 194). Um diese Fähigkeit zu erlangen bzw. wiederzuerlangen, braucht es
Personen, die eine emotionale, versorgende und haltgebende Bindung anbieten. Als
Folge früherer negativer Erfahrungen mit nahen Bindungspersonen besteht Angst vor
erneuter Verletzung. „Dieses Dilemma der Kinder und Jugendlichen ist stets das zentrale
Thema der Beziehungsgestaltung. Die Lebensgeschichte ist geprägt durch eine dro-
hende existenzielle Vernichtung. Die Übertragungsinhalte wirken in Bedrohungssituati-
onen daher häufig existenziell“ (ebd., S. 194).
48
Die Gegenübertragung
Zur Gegenübertragung der pädagogischen Fachkräfte zählen die emotionalen Reaktio-
nen auf die Übertragungen der Kinder und Jugendlichen. Die Reaktionen der pädagogi-
schen Fachkräfte und ihre Anpassungsstrategien auf die Verhaltensweisen der Kinder
und Jugendlichen, die aus Übertragungen resultieren, sind quasi die Gegenreaktionen
(vgl. ebd., S. 194f.).
Traumatische Übertragungen der Kinder und Jugendlichen auf die pädagogischen Fach-
kräfte können bei Letzteren teils heftige Gefühle auslösen. Oft haben die darauffolgen-
den Reaktionen der pädagogischen Fachkräfte mit ihren eigenen Erfahrungen zu tun,
manchmal auch mit ihrer Tagesform. Die Gegenreaktion kann Emotionen auslösen, die
denen der Kinder und Jugendlichen ähneln, oder Emotionen, die dazu führen, dass pä-
dagogische Fachkräfte ähnlich handeln wie die TäterInnen (vgl. Weiß 2016a, S. 176).
Pädagogische Fachkräfte haben ebenfalls eigene Anpassungsstrategien, mit denen sie
auf Stress, Bedrohung, Abwertung etc. reagieren. Zusammen mit den Gegenübertra-
gungsgefühlen können sich unterschiedliche Reaktionen entwickeln wie Selbstzweifel,
Hoffnungslosigkeit, Wut, Ekel, Verwirrung, Scham, Einschüchterung, vielleicht sogar das
Bedürfnis, das Kind abzugeben bzw. zu entlassen. Negative Gefühle können durch die
hoch unsichere Bindung der Kinder und Jugendlichen verstärkt werden; dadurch kann
es vorkommen, dass PädagogInnen sehr wenig Anerkennung und Wertschätzung zu-
rückbekommen (vgl. Lang 2013, S. 195f.).
Auch pädagogische Fachkräfte übertragen alte Bindungserfahrungen auf neue Bezie-
hungen. Ihre Interaktionserfahrungen sind ebenfalls neuronal abgespeichert, ihr Bin-
dungsverhalten ist eine Anpassungsstrategie für belastende Situationen (vgl. ebd., S.
195f.). „Das Dilemma der Kinder und Jugendlichen, den neuen Bindungsangeboten und
-personen vertrauen zu wollen, die PädagogInnen zu Heilern und Rettern zu stilisieren
sowie ihrer Erfahrung von übergriffigen, vernachlässigenden Erwachsenen zu trauen,
um eine erneute Überwältigung zu verhindern, ist gleichzeitig auch das Dilemma der
PädagogInnen“ (ebd., S. 196).
Nach Weiß ist es wichtig, diese komplizierte Situation zu reflektieren – sowohl die Über-
tragungen der Kinder und Jugendlichen als auch die eigenen Reaktionen und Übertra-
gungen. Dies ist notwendig, damit das Kind bzw. der/die Jugendliche die alten Bezie-
hungserfahrungen bearbeiten und korrigierende Erfahrungen machen kann (vgl. Weiß
2016a, S. 176).
49
Weiß bietet einen Leitfaden zum Umgang mit traumatischen Übertragungen an, dazu
gehören u.a.:
• Die Wahrnehmung der traumatischen Übertragung
• Innehalten und Gegenreaktionen wahrnehmen
• Aus Gegenreaktionen herausgehen und in der Beziehung bleiben
• Übertragungsinhalte wahrnehmen
• Sicherheit für das Kind herstellen und deeskalieren
• Die Bedürfnisse des Kindes wahrnehmen
• Realitätsüberprüfung zusammen mit dem Kind, die Übertragungsinhalte eventu-
ell mit dem Kind erforschen
• Verhandeln über Handlungsschritte, was braucht das Kind?
• Übertragungsinhalte und eigene Gegenreaktionen, wenn möglich im Team, iden-
tifizieren und klären
• Übertragungsinhalte allgemein bearbeiten (vgl. Weiß 2016a, S. 177).
5.1.3 Bindungsabwertende und bindungsverstrickte Kommunikation
Gerade in stationären Einrichtungen weisen Kinder und Jugendliche eher negative Er-
fahrungen mit ihren ersten Bindungspersonen auf, weshalb davon ausgegangen werden
muss, dass den PädagogInnen anfänglich nicht unbedingt „Besseres“ zugetraut wird.
Die PädagogInnen dürften vielmehr die Erfahrung machen, dass sie von den Kindern
und Jugendlichen ähnlich wahrgenommen werden wie deren frühere Bezugspersonen
(vgl. Schleiffer 2014, S. 243). Wie schon im Kapitel „Übertragung und Gegenübertra-
gung“ erwähnt, sind aktuelle Beziehungen von früheren Beziehungserfahrungen geprägt
und Letztere werden auf neue Beziehungen übertragen. „Die Kinder und Jugendlichen
übertragen das Bild ihrer primären Bezugs- und Bindungspersonen auf sie. Die Jugend-
lichen werden erst gar nicht damit rechnen, dass sie gut und liebevoll behandelt und
versorgt werden“ (ebd.).
Viele dieser Kinder und Jugendlichen besitzen ein negatives Selbstbild und rechnen
nicht mit Menschen, die ihnen liebevoll begegnen. Mit den verinnerlichten Bindungsmo-
dellen werden mehr oder weniger unbewusst Beziehungen und das Selbstkonzept inter-
pretiert und konstruiert (vgl. ebd.). „Neue Erfahrungen verunsichern, auch liebevolle“
(ebd.).
50
Schleiffer unterscheidet in seinem Werk „Der heimliche Wunsch nach Nähe – Bindungs-
theorie und Heimerziehung“ zwei Verhaltensweisen von traumatisierten Kindern und Ju-
gendlichen bei ihrer Beziehungsgestaltung: „die bindungsabwertende Kommunikation“
und „die bindungsverstrickte Kommunikation“, die im Folgenden näher erläutert werden.
Diese Verhaltensweisen dienen traumatisierten Kindern und Jugendlichen zum eigenen
Schutz (vgl. Lang 2013, S. 199). „Sie sind Ausdruck von sowie Anpassung an angstvolle,
verunsichernde Erfahrungen“ (ebd.).
Die bindungsabwertende Kommunikation
Es besteht die Möglichkeit, dass PädagogInnen von traumatisierten Kindern und Ju-
gendlichen entsprechend der Vorurteile ihrer inneren Arbeitsmodelle wahrgenommen
werden. Das kann zu Konflikten führen, falls eine Interaktion die Gefühlsebene berührt.
Verschiedene Situationen zwischen PädagogIn und Kind können das Bindungssystem
des Kindes aktivieren. Der/die PädagogIn wird dann als Bindungsfigur wahrgenommen,
allerdings entsprechend dem unsicheren Bindungskonzept, was wiederum negative Ge-
fühle wie Frustration und Niedergeschlagenheit und in weiterer Folge ein abwertendes
Verhalten des Kindes auslösen kann (vgl. Schleiffer 2014, S. 243f.).
Verhalten von bindungsabwertenden Kindern und Jugendlichen:
• Sie zeigen sich abweisend, teilweise aggressiv und unkooperativ.
• Sie äußern ungern den Wunsch nach Nähe, Trost oder Unterstützung (das Äu-
ßern von Wünschen macht in gewisser Weise abhängig und setzt eine gewisse
vertrauensvolle Beziehung voraus).
• Sie stellen jedoch materielle Ansprüche, mit dem Hinweis, dass sie ihnen zu-
stehen.
• Sie werten Angebote der PädaogInnen ab und machen sie lächerlich.
• Sie wechseln zwischen Emotionslosigkeit und Abweisung (vgl. ebd., S. 244ff.).
Interventionsmöglichkeiten:
• Die PädagogInnen sollten das Distanzbedürfnis der Kinder und Jugendlichen
respektieren und deren Vermeidungsverhalten akzeptieren. Die Beziehung soll
zwar angeboten werden, jedoch sollen das Kind bzw. der/die Jugendliche selbst
die Möglichkeit haben, Nähe und Distanz zu regulieren.
51
• Das Beziehungsbedürfnis zu äußern ist für diese Kinder und Jugendlichen zum
Teil ein neuer und riskanter Schritt. Die PädagogInnen sollten sich deshalb acht-
sam gegenüber Bindungsbedürfnissen erweisen und diesen unaufdringlich und
diskret nachkommen.
• Vertrauen ist als ein Wachstumsprozess anzusehen und sollte nicht eingefordert
werden; Misstrauen der Kinder und Jugendlichen ist zu respektieren.
• Es sollte in Erwägung gezogen werden, dass in Belastungssituationen bei Kin-
dern und Jugendlichen wieder verstärkt frühere und neuronal vernetzte Bezie-
hungsstrukturen zum Einsatz kommen (vgl. Lang 2016, S. 275).
Die bindungsverstrickte Kommunikation
Nach Schleiffer erscheinen bindungsverstrickte Kinder und Jugendliche auf den ersten
Blick als beziehungsfähig und sie suchen sogar die Nähe zu den PädagogInnen. Sie
geben ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden. Jedoch werden die PädagogInnen auch
immer wieder für das Auslassen negativer Gefühle instrumentalisiert (vgl. Schleiffer
2014, S. 248f.).
Verhalten von bindungsverstrickten Kindern und Jugendlichen:
• Ambivalente Gefühle dominieren und das Bindungssystem ist ständig aktiviert.
• Sie können kaum allein sein, etwas für sich behalten und sich abgrenzen.
• Die Beziehung ist durch sehr wechselhafte, überraschende und heftige Gefühle
gekennzeichnet.
• Die Kinder sind sehr hilfsbedürftig und abhängig.
• Wenn der/die PädagogIn versucht, Distanz in die Beziehung zu bekommen, er-
scheint der/die Jugendliche umso hilfsbedürftiger und erzwingt dadurch eine fast
widerwillige Versorgung; es scheint, als müssten ständig Sonderwege für den
Jugendlichen/die Jugendliche beschritten werden.
• Ambivalenzen können sich auch durch eine feindselige Distanzierung der/des
Jugendlichen äußern. Wird die Beziehung als zu eng empfunden, wird der/die
PädagogIn weggestoßen (ebd., S. 249f.).
Interventionsmöglichkeiten:
• Die PädagogInnen sollen gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen das
Muster von Ambivalenz erkunden, das in der Beziehung erlebt wird. In welcher
Situation besteht mehr Bedürfnis nach Nähe oder nach Distanz? Dabei geht es
52
nicht darum, das Muster zu bewerten und jenen Zustand, der für die/den Päda-
gogIn angenehmer ist, herzustellen. Es geht vielmehr darum, dass die Beziehung
auch in belastenden Situationen mehr Stabilität bekommt (vgl. Lang 2016, S.
276).
• Die PädagogInnen sollen versuchen, gemeinsam mit den Jugendlichen Rituale
zu entwickeln. Diese können der Beziehung und dem gemeinsamen Alltag mehr
Struktur und Sicherheit geben (vgl. ebd., S. 277).
5.2 Korrigierende Beziehungs- und Bindungserfahrungen In diesem Kapitel wird auf korrigierende Beziehungs- und Bindungserfahrungen näher
eingegangen und gefragt, in welchem Zusammenhang diese mit der Beziehungsgestal-
tung zwischen pädagogischen Fachkräften und traumatisierten Kindern und Jugendli-
chen stehen.
„Gelungene pädagogische Praxis besteht – soviel kann nun sinnhaft generalisiert wer-
den – primär aus der zuverlässigen, transparenten und vor allem professionell reflektier-
ten Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen“ (Zimmermann 2016, S. 53).
Im Hinblick auf die traumatischen Erfahrungen und seelischen Verletzungen der Kinder
zielt die Pädagogik primär auf die Ermöglichung korrigierender Beziehungserfahrungen
ab (vgl. ebd.).
Strategien, die aus einem unsicheren Bindungsverhalten der Kinder und Jugendlichen
resultieren, wirken sich, wie schon beschrieben, auch auf die pädagogische Beziehung
aus. Können Kinder und Jugendliche ihre Bindungswünsche nicht ausreichend äußern,
braucht es auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte professionelle Feinfühligkeit und
Risikobereitschaft, um die kaum geäußerten Bedürfnisse zu beantworten. Es braucht,
um bestehende Bindungskonzepte korrigieren zu können, wiederholende, korrigierende
Bindungs- und Beziehungserfahrungen. Kinder und Jugendliche müssen erleben kön-
nen, wie Bezugspersonen in stationären Einrichtungen auf ihr Bindungsbedürfnis rea-
gieren (vgl. Schleiffer 2015, S. 135).
Dauerhafte Bezüge entscheiden darüber, ob sich traumatisierte Kinder und Jugendliche
erneut dem Risiko stellen, Vertrauen und Beziehungen zuzulassen, was wiederum not-
wendig ist, um erworbene Bindungsmodelle zu verändern (vgl. Weiß 2016a, S. 112). Die
pädagogischen Fachkräfte können Kinder und Jugendliche vorsichtig dabei unterstüt-
zen, alte Bindungserfahrungen mit neuen zu vergleichen. Dies kann ihnen dabei helfen,
53
schädigende Bindungsmodelle zu korrigieren und ein sicheres bzw. ein etwas sichereres
Bindungsverhalten zu entwickeln (vgl. ebd., S. 114).
Weiß schlägt dabei fünf therapeutische Aufgaben zur Veränderung der Bindungsmodelle
nach Bowlby vor, die sie auf die Pädagogik bezieht:
• Die pädagogischen Fachkräfte sind als sichere Basis verfügbar.
• Pädagogische Fachkräfte können Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, über
unbewusste Voreingenommenheiten und Übertragungen alter Bindungsmodelle
zu sprechen.
• Kinder und Jugendliche können ihre Beziehung zu den pädagogischen Fachkräf-
ten überprüfen.
• Aktuelle Wahrnehmungen und Gefühle können mit den Erfahrungen mit früheren
Bezugspersonen verglichen werden.
• Dadurch wird die Erkenntnis erleichtert, dass alte Bindungsmodelle für die Ge-
staltung des künftigen Lebens unangemessen sind bzw. sein werden (vgl. ebd.,
S. 115).
Nach Baierl braucht es einen personalen sicheren Ort, damit sich traumatisierte Kinder
und Jugendliche geliebt fühlen und andere Menschen nicht als gefährlich oder als unfä-
hig, ihnen zu helfen, einschätzen. Der personale sichere Ort ist eine Person, bei der sich
das Kind oder der/die Jugendliche sicher und geborgen fühlen. Diese sichere Person
zeichnet sich dadurch aus, dass sie zuverlässig zur Seite steht, Herausforderungen
meistert sowie vor Gefahren schützt. Diese Person fungiert ferner als sicherer Hafen, an
den sich Kinder und Jugendliche bei Bedarf wenden können. Damit pädagogische Fach-
kräfte ein personaler sicherer Ort für traumatisierte Kinder und Jugendliche sein können,
braucht es nach Baierl Wissen über Psychotraumatologie, Bindungstheorie und psychi-
sche Störungen (vgl. Baierl 2014, S. 61).
„Durch das beständige Erleben sicherer, beständiger, verlässlicher und liebevoller Be-
ziehungen kann Zugehörigkeit entwickelt und positiv erlebt werden sowie alte Bezie-
hungserfahrungen überschrieben und durch neue ersetzt werden“ (ebd.).
Dafür sind laut Baierl mehrere Aspekte der Beziehungsgestaltung erforderlich:
• Die Beziehungen sind sicher, langfristig, verlässlich, wertschätzend und wohlwol-
lend. Dies bedeutet, dass Trennungen so gut wie möglich zu vermeiden sind, das
54
gilt insbesondere für einen Personalwechsel sowie einen Wechsel des Betreu-
ungsortes.
• Die Bezugsperson ist sowohl innerlich als auch äußerlich immer präsent.
• Nähe wird zwar angeboten, aber nicht eingefordert. Die Beziehungsangebote
sind transparent und unterstützend, sie wahren aber die persönlichen Grenzen.
• Die Beziehungsangebote orientieren sich an den Bedürfnissen der Kinder und
Jugendlichen, sie berücksichtigen aber auch jene der MitarbeiterInnen.
• Die Machtposition der Erziehenden gegenüber den Kindern und Jugendlichen ist
nur dann heilsam, wenn sich die Fachkräfte der eigenen Macht und Rolle be-
wusst sind, diese transparent machen und zum Wohl aller einsetzen.
• Nähe und Beziehungen geschehen um ihrer selbst willen und haben keine unan-
gemessenen Ansprüche.
• Die Fachkräfte haben einen sicheren Umgang mit Übertragungen und Gegen-
übertragungen, persönlichen Verstrickungen und Ambivalenzen, Beziehungsfal-
len etc.
• Jegliche Form der Gewalt wird nicht geduldet. Gegen potenziell zu Gewalt füh-
rende Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen, die aufgrund von Trauma-
folgen auftreten, ist präventiv und deeskalierend vorzugehen (vgl. ebd., S. 61f.).
Im Folgenden wird noch auf einige Faktoren genauer eingegangen, die die Orientierung
bindungspädagogischer Arbeit sowie die Rolle der pädagogischen Fachkräfte genauer
aufzeigen sollen (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 90).
Entängstigung
„Ein Kind kann weder seine schulischen Aufgaben erledigen noch ein neues Spiel erler-
nen, obwohl es hierfür begabt sein mag, wenn es Angst vor seiner pädagogischen Be-
zugsperson hat“ (Brisch 2013, S. 150).
Aufgrund des permanent aktivierten Bindungsbedürfnisses des Kindes bzw. des/der Ju-
gendlichen ist die Möglichkeit zur Exploration eingeschränkt. Die PädagogInnen können
die besten Qualifikationen aufweisen, gleichwohl wird der Lernprozess des Kindes schei-
tern, sollte es die Anwesenheit der/des PädagogIn ängstigen. Daher sind nach Brisch
die ersten Aufgaben der bindungsorientierten pädagogischen Arbeit die Entängstigung
des Kindes und die Herstellung eines Gefühls emotionaler Sicherheit (vgl. ebd., S. 150f.).
55
Der Fachverband für Traumapädagogik empfiehlt zur Entängstigung im Beziehungsan-
gebot folgende Punkte:
• Sicherheitsfördernde Botschaften für die Kinder und Jugendlichen.
• Das Verhalten der PädagogInnen wird erklärt und begründet.
• Die Gruppenregeln werden transparent gemacht.
• Bindungsbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen werden analysiert und wenn
möglich befriedigt.
• Einzelkontakte mit den PädagogInnen werden den Kindern und Jugendlichen
verlässlich und regelmäßig angeboten.
• Bindungsrelevante Situationen wie Trennungen werden bewusst gestaltet.
• Kinder erhalten verlässliche Bezugspersonen (vgl. BAG-TB 2011, S. 13).
Daneben ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen auch in Beziehungskrisen mitzuteilen,
dass ihr Platz sicher ist (vgl. ebd.).
Feinfühligkeit
Das Konzept der Feinfühligkeit stellt in der Bindungstheorie einen entscheidenden Indi-
kator der Bindungsentwicklung dar (vgl. Scherwath/Friedrich 2016, S. 90). Wie schon im
Kapitel „Bindungsqualitäten“ beschrieben, zeichnet sich Feinfühligkeit durch folgende
Merkmale aus:
• Die Signale des Kindes werden wahrgenommen und richtig interpretiert.
• Demensprechend erfolgt eine angemessene und prompte Reaktion (vgl. ebd.).
Das Konzept der Feinfühligkeit wurde zwar im Rahmen der frühkindlichen Entwicklung
entworfen, allerdings ist davon auszugehen, dass es zur Überwindung traumatischer
Bindungserfahrungen hilfreich ist, am Fundament zu arbeiten. Traumatisierten Kindern
und Jugendlichen feinfühlig zu begegnen, kann herausfordernd sein, vor allem aufgrund
der Übertragungen der traumatisierten Kinder und Jugendlichen (vgl. ebd., S. 90). Wich-
tig ist, dass die pädagogischen Fachkräfte bindungsvermeidende und bindungsver-
strickte Verhaltensweisen nicht als manipulativ oder feindselig interpretieren. Um bin-
dungsorientiert vorzugehen, muss die Feinfühligkeit erhöht werden. Es ist anzustreben,
die Signale des Kindes bzw. Jugendlichen richtig wahrzunehmen, um die darin artiku-
lierten Bedürfnisse, Empfindungen, Nöte etc. erkennen und angemessen darauf reagie-
ren zu können (vgl. ebd., S. 91).
56
Die Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte besteht darin, alters- und entwicklungsge-
mäß auf die Bedürfnisse des Kindes bzw. Jugendlichen zu reagieren. Angemessen und
prompt meint die Berücksichtigung des Entwicklungsalters und auch des Bindungssta-
diums. Menschen, die sehr früh traumatisiert wurden, befinden sich meist in einem sehr
frühen Stadium der Bedürfnisebene (vgl. ebd., S. 91). „Das richtige Interpretieren ihrer
Signale bedeutet zu verstehen, dass Nöte schnell groß sind und die Frustrationstoleranz
sehr klein“ (ebd.).
Präsenz
Auch Scherwath und Friedrich betonen die Notwendigkeit von innerer und äußerer Prä-
senz der pädagogischen Fachkräfte. „Um die für Feinfühligkeit notwendige Aufmerksam-
keit zu geben, ist die Voraussetzung die innere und äußere Präsenz von Fachkräften
oder Bindungspersonen“ (Scherwath/Friedrich 2016, S. 92). Objektkonstanz bezeichnet
die Sicherheit, dass jemand oder etwas auch noch „da“ ist, wenn er/es aus dem Blick
entschwunden ist. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sich Kinder selbst ohne per-
manente Anwesenheit der Bezugspersonen sicher fühlen. Bei vielen früh traumatisierten
Menschen lässt sich feststellen, dass ihr Unruhepegel steigt und das Explorationsver-
halten nachlässt, wenn die Bezugsperson nicht da ist oder den Raum verlässt. Aufgrund
des erhöhten Bedarfs an Präsenz können viele dieser Kinder Tätigkeiten wie Hausauf-
gaben nicht durchführen, wenn die Bezugsperson abwesend ist, oder es finden erhöhte
Inszenierungen statt, damit das Kind die Aufmerksamkeit oder Präsenz der Bezugsper-
son erhält. Die pädagogischen Fachkräfte begegnen bei der Arbeit mit traumatisierten
Kindern und Jugendlichen also einer hohen Anforderung an ihre Präsenz. Diese ist dann
gewährleistet, wenn Anwesenheit und Erreichbarkeit sowie ein hohes Maß an Aufmerk-
samkeit, Achtsamkeit und Zuwendung zur Verfügung stehen (vgl. ebd., S. 92f.).
Verlässlichkeit durch die Bezugsbetreuung
Da viele Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen in ihrem bisherigen Leben
nicht die Möglichkeit hatten, in einem Umfeld zu leben, in dem die Beziehungen zu Er-
wachsenen verlässlich sind und Halt geben, ist es für sie häufig eine komplett neue und
verwirrende Erfahrung, positive Zuwendung zu erhalten. Wie erwähnt, haben diese Kin-
der und Jugendlichen einerseits ein starkes Bedürfnis nach einer haltgebenden Bezie-
hung und andererseits fällt es ihnen schwer, sich darauf einzulassen. Die Bezugsbetreu-
ung erleichtert ihnen die Möglichkeit einer kontinuierlichen Beziehung, indem jedem Kind
57
eine feste Betreuung zugeteilt wird (vgl. Schroll 2007, S. 11). Durch die Bezugsbetreu-
ung erfahren Kinder und Jugendliche Verlässlichkeit. Die Bezugsbetreuung ist eine pä-
dagogische Fachkraft, die für das Kind zuständig ist und sich zuständig fühlt; das Kind
ist sich ebenfalls darüber im Klaren. Dadurch bekommt das Kind mehr Sicherheit und
Klarheit. Neben dem Aufbau einer tragfähigen Beziehung ist die Bezugsbetreuung für
das Erstellen von Berichten oder für die Vertretung und Begleitung des Kindes nach
außen hin verantwortlich. Durch regelmäßige Einzelkontakte wird das Gefühl der Indivi-
dualität des Kindes gestärkt. Auch die anderen pädagogischen Fachkräfte sind im päda-
gogischen Alltag verlässliche Bezugspersonen. Die Verlässlichkeit zeigt sich durch ritu-
alisierte Einzelkontakte, z.B. beim Schlafengehen, um Erfahrungen des Tages auszu-
tauschen oder um einen Streit zwischen dem Kind und der pädagogischen Fachkraft zu
schlichten usw. (vgl. Lang 2013, S. 201).
Kontinuität
Zur Bewältigung traumatischer Erfahrungen brauchen Kinder und Jugendliche zumin-
dest eine belastungsfähige Bindungsbeziehung (vgl. Weiß 2016a, S. 119). Kontinuierli-
che Bezüge entscheiden u.a. darüber, ob Bindungsmodelle korrigiert werden (vgl. ebd.,
S. 112). Zur Sicherung kontinuierlicher Bezüge stellt Weiß verschiedene Anforderungen
an die Pädagogik, die Jugendhilfe und die pädagogischen Fachkräfte:
• Wie bereits erwähnt, ist ein plötzlicher Abbruch von Beziehungen so weit als
möglich zu vermeiden. Damit bisherige Lebenserfahrungen korrigiert werden
können, braucht es eine stabile Zusammensetzung des Betreuungsteams.
• „Der Suche nach Strukturen, die für Mädchen und Jungen und für die Pädago-
gInnen Wahlmöglichkeiten schaffen, muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet
werden“ (Weiß 2016a, S. 118).
• Weiß kritisiert den Trend zu Kurzunterbringungen als kontraproduktiv. Dies führt
zu einer Unsicherheit betreffend die Dauer des Verbleibs der Kinder und Jugend-
lichen in den Einrichtungen der Jugendhilfe (vgl. ebd.).
Das folgende Kapitel geht auf die pädagogischen Fachkräfte als Teil der Beziehung ein.
Damit Beziehungen gelingen, braucht es sichere PädagogInnen (vgl. ebd., S. 223f.).
58
6. Pädagogische Fachkräfte als Teil der Beziehung In diesem Kapitel geht es um die pädagogischen Fachkräfte als Teil der Beziehung. Da-
bei wird auf drei Grundkompetenzen eingegangen, die im Umgang mit traumatisierten
Kindern und Jugendlichen als wichtig gelten (vgl. ebd.).
Gerade in der Kinder- und Jugendhilfe haben es pädagogische Fachkräfte häufig mit
traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu tun. Sie begegnen Kindern mit Gewalter-
fahrungen, Verwahrlosung oder wiederholten Verlusten der Bezugspersonen etc. In der
Regel haben diese Kinder, wie erwähnt, viele Beziehungsabbrüche hinter sich, somit
sind Bindungsunsicherheit und Bindungsstörungen keine Seltenheit (vgl. Tüllmann
2016, S. 264).
Aufgrund der traumatischen Erfahrungen dieser Kinder und Jugendlichen und deren
Überlebensstrategien, die sich durch Verhaltensweisen wie Impulsivität, Aggressionen,
Selbstverletzung usw. äußern können, werden die pädagogischen Fachkräfte häufig auf
die Probe gestellt. Damit diesen Kindern und Jugendlichen angemessen begegnet wer-
den kann, braucht es pädagogische Fachkräfte, die bereit sind, sich auf die häufig bizarr
wirkenden Verhaltensweisen und die psychische Realität dieser Kinder und Jugendli-
chen einzulassen (vgl. Baierl/Götz-Kühne/Hensel/Lang/Strauss 2017, S. 60).
Diese erlernten Strategien erfordern einen geduldigen, kreativen Umgang seitens der
pädagogischen Fachkräfte, damit Kinder und Jugendliche korrigierende Erfahrungen
machen können, neue Muster lernen und alte Strategien ablegen (vgl. Tüllmann 2016,
S. 264).
Nach Weiß sind die PädagogInnen dann größeren Belastungen ausgesetzt, wenn sie
nicht über ausreichende Kenntnisse der Dynamik traumatischer Erfahrungen und mög-
licher Unterstützungen verfügen (vgl. Weiß 2016a, S. 224). Demnach müssen zumindest
diese drei Grundkompetenzen in Ansätzen vorhanden sein, um traumatisierten Kindern
und Jugendlichen auf professionelle Weise helfen zu können:
• Sachkompetenzen werden durch die Aneignung spezifischen Fachwissens er-
worben.
• „Die Selbstreflexion wird allgemein als eine der wichtigsten Kompetenzen in der
sozialen Arbeit bezeichnet“ (ebd., S. 224). Vor allem bei der Arbeit mit traumati-
sierten Kindern und Jugendlichen erhält die Selbstreflexion eine besondere Be-
deutung.
59
• Die Selbstfürsorge ist Weiß zufolge ein notwendiger Bestandteil der beruflichen
Identität (vgl. ebd.).
6.1 Sachkompetenzen „Mit gutem Willen und gesundem Menschenverstand allein wird man im Kontakt mit die-
sen Kindern scheitern“ (Hensel 2012 zit. n. Baierl/Götz-Kühne/Hensel/Lang/Strauss
2017, S. 61).
Wissen ist wichtig, um schwierige Situationen zu meistern. Sachkompetenzen reduzie-
ren nach Weiß Belastungen und Gefahren. Gerade bei der traditionellen Heimerziehung
ist die anzutreffende Zielgruppe häufig mit chronischen traumatischen Erfahrungen be-
lastet und stellt somit die Professionalität auf die Probe (vgl. Weiß 2016a, S. 224).
Eine notwendige Voraussetzung der Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendli-
chen sind, wie fast alle traumapädagogischen Werke betonen, Wissen und Kenntnisse
zur Psychotraumatologie. Das Risiko der pädagogischen Fachkräfte in Betreuungsein-
richtungen zu scheitern ist umso größer, je geringer das traumabezogene Fachwissen
ist (vgl. Kühn 2017, S. 21). Aufgrund der zum Teil von Gewalt geprägten Beziehungs-
und Verhaltensmuster der Kinder und Jugendlichen sind ein spezifisches psychotrau-
matologisches Wissen und die Fähigkeit, dieses Wissen in Stresssituationen anzuwen-
denen, unverzichtbar (vgl. Baierl/Götz-Kühne/Hensel/Lang/Strauss 2017, S. 61).
Nach Weiß sind Aus- und Fortbildungsinstitute gefordert, zumindest Basiswissen über
Kindesmisshandlung und Traumatisierung als Standard zu vermitteln (vgl. Weiß 2016a,
S. 224). Dazu gehören u.a.:
• Basiswissen der Psychotraumatologie
• Grundwissen über Entwicklungspsychologie
• Basiswissen über sexuelle Gewalt
• Grundkenntnisse über traumatische Übertragungen und Gegenreaktionen
• Methodentraining
• Grundwissen über Beziehung und Bindung; dazu gehören Reflexionsmöglichkei-
ten zur Gestaltung des eigenen Beziehungsangebotes
• Grundwissen über die Pflege der eigenen Psychohygiene (vgl. ebd., S. 224f.).
Weiß zufolge werden diese Themen in den Ausbildungsgängen von Pädagogik, Sozial-
pädagogik und Sozialarbeit zu wenig, gar nicht oder bloß sporadisch behandelt. Viele
60
pädagogischen Fachkräfte setzen sich bei Fort- und Weiterbildung mit Themen wie se-
xuelle Gewalt auseinander (vgl. ebd., S. 225). Weiß kritisiert die mangelnde Zusammen-
arbeit der unterschiedlichen Disziplinen, die notwendig ist, um der Pädagogik Wissen
aus Disziplinen wie der Psychoanalyse und Psychotraumatologie zugänglich zu machen
(vgl. ebd., S. 226).
6.2 Selbstreflexion und Selbsterfahrung „Um mit Menschen pädagogisch oder psychotherapeutisch zu arbeiten, ist es unum-
gänglich, sich selbst ‚kennen gelernt‘ zu haben, um darüber Bescheid zu wissen, wie
groß die eigene Belastungsfähigkeit ist, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen,
Bindungserfahrungen und Konfliktfähigkeit einzuschätzen, den eigenen Umgang mit
Stress zu kennen, aber auch zu wissen, wodurch Stärkung möglich ist und wodurch
Schutz hergestellt werden kann“ (vgl. Baierl/Götz-Kühne/Hensel/Lang/Strauss 2017, S.
60).
Bei der Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen hat die Selbstreflexion nach
Weiß eine persönliche Bedeutung. Sie ist eine weitere Hilfestellung: Selbst dann, wenn
sie zu Beginn aufwendig und belastend sein kann, ist sie doch eine Voraussetzung zur
Reduktion von Belastungen (vgl. Weiß 2016a, S. 227). „Die reflexive Kompetenz in der
Arbeit bezieht sich auf die Einwirkungen der biografischen, institutionellen und gesell-
schaftlichen Gegebenheiten auf das pädagogische Handeln“ (ebd.). Damit subjektive
Wahrnehmungen und Verzerrungen vermieden werden können, ist ein Bewusstsein der
eigenen Lebens- und Lerngeschichte unverzichtbar (vgl. ebd.).
Auf institutioneller Ebene können durch Fall-, Team- oder Einzelberatungen Selbstrefle-
xionsprozesse unterstützt, begleitet oder angeregt werden. Institutionelle Versorgungs-
angebote wie Supervisionen sind für die Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugend-
lichen eine Notwendigkeit. Versorgungsangebote unterstützen u.a. die emotionale Sta-
bilisierung oder die Wahrnehmung von Übertragungs- und Gegenübertragungsdynami-
ken (vgl. Lang 2013, S. 213).
Auf persönlicher Ebene geht es neben der Reflexion der Übertragungs- und Gegenüber-
tragungsgefühle darum, dass die eigene Kindheitsgeschichte und eigene Bindungsmus-
ter reflektiert werden, um subjektive Wahrnehmungen und emotionale Verzerrungen zu
vermeiden (vgl. Weiß 2016a, S. 227). „In der Kindheit bilden wir Grundeinstellungen und
Werte. Um ein Überstülpen dieser Werte und ein ungeprüftes Verharren von Grundein-
61
stellungen zu minimieren, ist eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Kind-
heitsgeschichte unumgänglich. Dies gilt auch für das Beziehungsangebot“ (ebd.). Erwar-
tungen sind von den eigenen Bindungserfahrungen geprägt – sowohl die Erwartungen
an sich selbst (wie man selbst in Beziehungen sein möchte) als auch die Erwartungen
an die Kinder und Jugendlichen (wie sich diese gegenüber einem selbst und anderen
verhalten sollen). Auch Erwartungen an die KollegInnen (wie sie einen unterstützen und
wie nah und fern sie in Belastungssituationen stehen sollen) sind von Erwartungen ge-
prägt (vgl. Lang 2013, S. 213).
Selbsterfahrung und Selbstreflexion sind nach Weiß nicht ohne Risiko und Anstrengung,
allerdings erhöhen sie in der Regel sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch das persön-
liche Wachstum (vgl. Weiß 2016a, S. 229). Sie sind die Grundlage einer besseren Le-
bensbewältigung und dienen einer sensibleren Beziehungsarbeit. Dabei geht es nicht
darum, Beziehungen zu vertiefen, sondern darum, durch die Auseinandersetzung mit
sich selbst „seine eigenen lebensgeschichtlichen Vorstellungen von Beziehungen zu er-
fahren und eine Sensibilität in der Beziehungsgestaltung zu entwickeln“ (Lang 2013, S.
214).
Themen der Selbstreflexion sind nach Weiß u.a.:
• Kindheitsgeschichte
• Bindungsmuster
• Geschlechterrolle und Sexualität
• Motive des eigenen Handelns
• Reflexion der Gegenübertragungsgefühle bzw. Gegenreaktionen
• Auswirkungen struktureller Bedingungen auf das eigene Handeln etc. (vgl. Weiß
2016a, S. 229).
6.3 Selbstfürsorge Luise Reddemann definiert Selbstfürsorge als „(…) einen liebevollen, wertschätzenden,
achtsamen und mitfühlenden Umgang mit mir selbst und Ernstnehmen der eigenen Be-
dürfnisse. Psychohygiene und damit Selbstfürsorge bedürfen entweder einer frühen Er-
fahrung mit ausreichender Fürsorge oder, wenn sie nicht erfahren werden konnten, ei-
nes Trauerprozesses mit anschließender Veränderung im Umgang mit sich selbst“ (Red-
demann 2003, S. 82 zit. n. Weiß 2016a, S. 230).
62
MitarbeiterInnen sozialer Angebote sind besonders stark von psychischen Erkrankungen
betroffen (vgl. Poulsen 2012, S. 18). „Durch tiefe Einblicke in persönliche Lebensverhält-
nisse, in Lebensschicksale und Lebenshintergründe von Menschen sind Soziale Fach-
kräfte in besonderem Maße gefordert, ein professionelles Nähe-Distanz-Verhältnis zu
wahren und sich von den Schicksalen der Menschen abgrenzen zu können“ (ebd., S.
19). Nach Poulsen ist das soziale Feld deshalb so spannend, weil die Fachkräfte ihre
eigene Persönlichkeit als „Werkzeug“ in Beziehungen zu anderen Menschen einbringen
(vgl. ebd.). Diese „professionelle Beziehung“ ist die tragende Säule jeden Kontakts mit
den KlientInnen und sie bewegt sich im Spannungsfeld von sich interessiert und enga-
giert einlassen auf die Lebenswelt der KlientInnen und sich abgrenzen und distanzieren
können (vgl. ebd.). Dies erfordert insbesondere, dass Fachkräfte, um gesund zu bleiben,
ihre eigenen Grenzen in Reflexionsprozessen erkennen und diese auch setzen und ver-
treten. Dabei es ist wichtig, dass soziale Kräfte „Nein“ sagen können, wenn sie dies mei-
nen und fühlen, was nach Poulsen gerade Personen in helfenden Berufen schwerfällt.
Ferner sollte der Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid in schwierigen Lebenssitu-
ationen von KlientInnen, die einen berühren, erkannt werden, um weiterhin eine profes-
sionelle Beziehung aufrechterhalten zu können (vgl. ebd., S. 19f.). „Sich einlassen und
abgrenzen können – ein täglicher Spagat, den Fachkräfte durchzuführen haben. Fach-
kräfte im sozialen Bereich unterliegen hohen Anforderungen und einer enormen Verant-
wortung im beruflichen Alltag“ (ebd., S. 20).
„Der Erhalt der psychischen Unversehrtheit oder die Verhinderung von Burnout ist eine,
vielleicht die wichtigste Kompetenz der PädagogInnen“ (Weiß 2016a, S. 230). Nach
Weiß muss jedoch im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen über die
bisherige Burnout-Forschung hinausgedacht werden, was die Möglichkeiten der Selbst-
fürsorge angeht. Es liege z.B. nicht im Interesse sämtlicher pädagogischer Fachkräfte,
Berufliches und Privates zu trennen. So lesen einige pädagogische Fachkräfte in ihrer
Freizeit Literatur über traumatisierte Kinder und verbinden somit Beruf und Privates sinn-
stiftend. Auch gibt es pädagogische Fachkräfte, denen es nicht gelingt, Beruf und Pri-
vatleben zu trennen und die ihre Probleme mit nach Hause nehmen (vgl. Weiß 2016a,
S. 230f.).
Um psychische Probleme zu vermeiden, ist eine erhöhte Selbstaufmerksamkeit für kör-
perliche Signale notwendig. Auch sollte Weiß zufolge versucht werden, Worte für eigene
Erfahrungen und Gefühle zu finden, das eigene Niveau an Behaglichkeit zu regeln und
63
zu lernen, mit überwältigenden Gefühlen umzugehen, ohne sie abzuwehren (vgl. ebd.,
S. 231).
Als Möglichkeiten zur Selbstfürsorge nennt Weiß u.a.:
• Erhöhte Selbstaufmerksamkeit
• Akzeptanz von Leiden
• Körperliche Aktivitäten
• Wahrnehmen und Ausagieren beeinträchtigender Gefühle
• Schöne Umgebung
• Gute Beziehungen
• Entspannung, Naturkontakt etc. (vgl. Weiß 2016a, S. 232).
„Die Möglichkeit, Familie, Freunde, Hobbies, Bewegung, Liebe und Freude zu erleben,
ist für Menschen, die mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen arbeiten, unabding-
bar, als Ausgleich zum Erleben täglicher Not und deren Auswirkungen auf die Mädchen
und Jungen, mit denen sie arbeiten“ (Lang, B. 2013, S. 134).
Die Aneignung von Sachkompetenzen, Selbstreflexion und Selbstfürsorge sind nach
Weiß kein einfaches Unterfangen und sollten nicht vorwiegend durch die einzelnen Pä-
dagogInnen gewährleistet werden. Abgesehen von der Selbstfürsorge, liegt es vor allem
an den Institutionen der Jugendhilfe und Ausbildungsinstituten, Aneignung von Grund-
wissen, Sachkompetenz und Selbstreflexion zu vermitteln (vgl. Weiß 2016a, S. 232).
64
7. Empirischer Teil
Im empirischen Teil dieser Arbeit wird unter anderem auf das Forschungsverfahren ge-
nau eingegangen. Dabei werden die Forschungsfragen und das Ziel der Erhebung er-
läutert, ferner wird dargelegt, welches Erhebungsverfahren gewählt wurde und aus wel-
chen Gründen. Weiters wird der Ablauf der Datenanalyse vorgestellt.
7.1 Forschungsziel und Forschungsfragen Im Fokus dieser Erhebung steht die Beziehungsgestaltung zwischen pädagogischen
Fachkräften und traumatisierten Kindern und Jugendlichen in sozialpädagogischen Ein-
richtungen. Relevant ist dabei, wie die pädagogischen Fachkräfte ihre Beziehung zu
traumatisierten Kindern und Jugendlichen gestalten, welche Probleme bzw. Schwierig-
keiten sich dabei ergeben und welche Faktoren sie für die Beziehungsgestaltung als
besonders wichtig erachten. Weiters ist von Bedeutung, welche Kompetenzen die päda-
gogischen Fachkräfte mitbringen bzw. für wichtig halten, da diese in die Beziehungsge-
staltung einfließen.
Folgende Forschungsfragen wurden in diesem Zusammenhang formuliert:
1. Wie gestalten sich die Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und
traumatisierten Kindern und Jugendlichen?
o Welche Faktoren bzw. Aspekte sind für eine gelingende Beziehungsge-
staltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen von Bedeutung?
o Welche Probleme ergeben sich aus der Beziehungsgestaltung zwischen
traumatisierten Kindern bzw. Jugendlichen und pädagogischen Fachkräf-
ten und wie gehen Letztere damit um?
2. Welche Kompetenzen bringen die pädagogischen Fachkräfte in die Beziehungs-
gestaltung mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen ein?
Das Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, wie die pädagogischen Fachkräfte Bezie-
hungen zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen gestalten, damit diese gelingen.
Dabei ist auch von Bedeutung, welche Kompetenzen die Fachkräfte mitbringen, um ihrer
eventuellen Überforderung entgegenwirken und traumatisierte Kinder und Jugendliche
besser unterstützen zu können. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der traumapäda-
gogischen Literatur, da Traumapädagogik psychotraumatologisches Wissen über päda-
gogische Prozesse berücksichtigt und gerade in stationären Einrichtungen Traumatisie-
rungen häufig zum pädagogischen Alltag gehören.
65
7.2 Erhebungsverfahren Dieses Kapitel geht auf das Erhebungsverfahren näher ein. Dabei werden das Erhe-
bungsinstrument, die Stichprobe sowie die Vorbereitung und Durchführung der Inter-
views genauer erläutert.
7.2.1 Leitfadengestützte ExpertInneninterviews
Um die Fragestellungen adäquat beantworten zu können, wurden für diese Erhebung
leitfadengestützte ExpertInneninterviews durchgeführt. Im Folgenden wird genauer auf
das leitfadengestützte ExpertInneninterview eingegangen. Dabei ist relevant, was solche
Interviews sind und warum sie als Erhebungsmethode ausgewählt wurden.
Beim ExpertInneninterview handelt es sich um „eine spezielle Methode, die zu einem
ganz bestimmten Zweck eingesetzt wird“ (Gläser/Laudel 2010, S. 12). Es geht dabei um
Untersuchungen, „in denen mittels Interviews das Wissen von Experten über einen be-
stimmten sozialen Sachverhalt erschlossen werden soll“ (ebd.). Als ExpertInnen gelten
Personen, die über besonderes Wissen verfügen. Das Interview setzt somit auf Perso-
nen, die im Hinblick auf das jeweilige Forschungsinteresse ein spezifisches Wissen mit-
bringen (vgl. Liebold/Trinczek 2009, S. 33).
ExpertInneninterviews sind vor allem in den Sozial- und Politikwissenschaften weit ver-
breitet und haben zwei wichtige Merkmale:
• ExpertInnen sind nicht das „Objekt“ der Untersuchung, sondern ein Medium,
durch das Wissen über einen interessierenden Sachverhalt erlangt werden kann.
Sie sind sozusagen „ZeugInnen“ der interessierenden Prozesse (vgl. Gläser/Lau-
del 2010, S. 12). „Die Gedankenwelt, die Einstellungen und Gefühle der Experten
interessieren uns nur insofern, als sie die Darstellungen beeinflussen, die die
Experten von dem uns interessierenden Gegenstand geben“ (ebd.).
• Die befragten ExpertInnen haben eine exklusive Stellung in dem zu untersuchen-
den Kontext (vgl. ebd., S. 13).
Bei ExpertInneninterviews handelt es sich also um „(…) Untersuchungen, in denen so-
ziale Situationen oder Prozesse rekonstruiert werden sollen, um eine sozialwissen-
schaftliche Erklärung zu finden“ (ebd.). Die ExpertInnen haben somit die Aufgabe,
der/dem Forschenden „(…) das besondere Wissen der in die Situationen und Prozesse
involvierten Menschen zugänglich zu machen“ (Gläser/Laudel 2010, S. 13).
66
Es geht nicht darum, Personen aufgrund ihres besonderen sozialen Status als ExpertIn-
nen zu deklarieren. Ein besonderes ExpertInnenwissen können viele sehr unterschiedli-
che Menschen in verschiedenen Bereichen aufweisen. Entscheidend für die Auswahl
sind das Ziel der Untersuchung, der daraus resultierende Zweck des Interviews und die
sich daraus ergebende Rolle des/der InterviewpartnerIn (vgl. Gläser/Laudel 2010, S. 13).
„ExpertInneninterviews werden in rekonstruierenden Untersuchungen eingesetzt“
(ebd.). Damit bestimmte soziale Sachverhalte rekonstruiert werden können, werden Ex-
pertInnen befragt, die aufgrund ihrer Beteiligung an diesen sozialen Situationen Wissen
zu diesen bestimmten Sachverhalten erworben haben (vgl. ebd.).
Es gibt verschiedene Verfahren, um ExpertInnen zu interviewen, selbst wenn es so
scheint, als gäbe es einen stillschweigenden Konsens, das ExpertInneninterview als
Leitfadeninterview zu führen. Auch in dieser Arbeit wird in weiterer Folge das leitfaden-
gestützte ExpertInneninterview angewandt. Es ist eines der in der empirischen Sozial-
forschung am häufigsten genutzten Verfahren (vgl. Liebold/Trinczek 2009, S. 32).
Ein Leitfaden bildet im Gegensatz zu standardisierten Fragebögen nur eine Art Gerüst,
was heißt, dass er der interviewenden Person die Entscheidungsfreiheit darüber über-
lässt, welche Frage wann und in welcher Form gestellt wird. Auch können neue Fragen,
die sich im Lauf des Interviews ergeben, einbezogen werden (vgl. Gläser/Laudel 2010,
S. 142f.).
Ein Leitfaden empfiehlt sich immer dann,
• „wenn in einem Interview mehrere unterschiedliche Themen behandelt werden
müssen, die durch das Ziel der Untersuchung und nicht durch die Antworten des
Interviewpartners bestimmt werden, und
• wenn im Interview auch einzelne, genau bestimmbare Informationen erhoben
werden müssen“ (ebd., S. 111).
Beide Punkte treffen auf ExpertInneninterviews zu, weshalb diese in der Regel als leit-
fadengestützte Interviews geführt werden (vgl. ebd.).
7.2.2 Stichprobe
Die Stichprobe der Erhebung besteht aus pädagogischen Fachkräften, die mit traumati-
sierten Kindern und Jugendlichen arbeiten. Hierbei wurden pädagogische Fachkräfte mit
und ohne zusätzliche traumapädagogische Ausbildung befragt, um eventuelle Unter-
schiede der Beziehungsgestaltung zu den Kindern und Jugendlichen festzustellen.
67
Aufgrund der Präsenz von Traumatisierungen bei Kindern und Jugendlichen in stationä-
ren Einrichtungen habe ich mich dafür entschieden, vor allem pädagogische Fachkräfte
aus stationären Einrichtungen zu befragen. Dabei wurden vier Personen befragt, die ak-
tuell in einer stationären Einrichtung tätig sind, eine Person, die bis vor kurzem in einer
solchen Einrichtung tätig war, und eine Person, die zuerst in einer stationären Einrich-
tung arbeitete und mittlerweile seit fast drei Jahren in der mobilen Betreuung tätig ist.
Insgesamt wurden sechs Personen aus fünf unterschiedlichen Einrichtungen befragt.
Von diesen sechs Personen sind fünf weiblich und eine männlich.
7.2.3 Vorbereitung und Durchführung der Interviews
Um ExpertInnen für die Interviews zu finden, wurden E-Mails an verschiedene Einrich-
tungen gesendet. Bei einer positiven Rückmeldung wurden sofort Termine vereinbart.
Die Interviews fanden von Anfang Juni bis Mitte Juli 2018 statt. Je nach Wunsch der
ExpertInnen wurden die Interviews in deren Einrichtung oder in einem ruhigen, öffentli-
chen Setting durchgeführt. Vor Beginn der Interviews wurden die Rahmenbedingungen,
wie Dauer des Gesprächs, Aufzeichnung mittels Diktiergerät und die Anonymisierung
der Daten, geklärt. Alle Befragten waren mit der Aufnahme des Gesprächs einverstan-
den.
Die Interviews dauerten durchschnittlich eine halbe Stunde, wobei das kürzeste Ge-
spräch 26 Minuten und das längste 34 Minuten dauerte. Bei ausdrücklichem Wunsch
wurde der Leitfaden bereits vor dem Interview an den/die ExpertIn übermittelt.
7.3 Ablauf der Datenanalyse In diesem Kapitel wird der Ablauf der Datenanalyse behandelt. Nach der Erläuterung der
Transkription sowie der hierfür verwendeten Regeln kommt das Auswertungsverfahren
zur Sprache.
7.3.1 Transkription
„Unter Transkription versteht man in der empirischen Sozialforschung das Verschriftli-
chen verbaler und ggf. auch von nonverbaler Kommunikation“ (Kuckartz 2010, S. 38).
Ein Interview sollte möglichst vollständig transkribiert werden. Alternativen wie Gedächt-
nisprotokolle oder Aufzeichnungen, mit denen wesentliche Aussagen nur zusammenge-
fasst werden, sind eher abzulehnen, da sie eine methodisch nicht kontrollierbare Reduk-
tion der Informationen darstellen (vgl. Gläser/Laudel 2010, S. 193).
Damit Transkriptionen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, benötigen sie ein Re-
gelsystem (vgl. Kuckartz/Dresing/Rädiker/Stefer 2008, S. 27). „Transkriptionssysteme
68
sind Regelwerke, die genau festlegen, wie gesprochene Sprache in eine fixierte Form
übertragen wird“ (Kuckartz 2010, S. 41). Dieses Regelwerk richtet sich nach den Absich-
ten und den dafür erforderlichen Daten. Vor allem bei computergestützten Auswertungen
sind Transkriptionsregeln erforderlich, damit Suchfunktionen und Sprechunterscheidun-
gen leichter möglich sind (vgl. Kuckartz/Dresing/Rädiker/Stefer 2008, S. 27). Für diese
Arbeit wurde ein einfaches und schnell erlernbares Transkriptionssystem verwendet, das
sich an Kuckartz/Dresing/Rädiker/Stefer (2008) orientiert:
• Es wurde wortwörtlich transkribiert, nicht zusammenfassend oder lautsprachlich;
vorkommende Dialekte wurden nicht transkribiert.
• Sprache und Interpunktion wurden dem Schriftdeutsch angenähert.
• Angaben, die Rückschlüsse auf die befragten Personen ermöglichen, wurden
anonymisiert.
• Pausen wurden je nach ihrer Länge durch Auslassungspunkte (…) markiert.
• Bestätigende und zustimmende Lautäußerungen der Interviewerin wie Mhm, Aha
etc. wurden, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unterbrechen,
nicht transkribiert.
• Lautäußerungen der befragten Person, wie Lachen oder Seufzen, wurden in
Klammern notiert, z.B. (lachend).
• Die Interviewerin wurde durch ein „I“, die interviewte Person durch ein „B“, gefolgt
von der Interviewnummer, gekennzeichnet, z.B. B1, B2 etc.
• Sprechwechsel sind durch Absätze kenntlich gemacht (vgl. ebd., S. 27f.).
7.3.2 Auswertung
Nach der vollständigen Transkription der Interviews folgt die Auswertung. Qualitative Er-
hebungsmethoden erzeugen Texte, die noch auszuwertende Rohdaten darstellen. An-
ders als bei quantifizierenden Erhebungsmethoden sind diese Texte meist noch un-
scharf und es ist noch nicht klar, welche Informationen für die Untersuchung darin ent-
halten sind. Das unscharfe Datenmaterial muss deshalb zuerst ausgewertet werden (vgl.
Gläser/Laudel 2010, S. 43). Für die Auswertung in dieser Erhebung wurde die qualitative
Inhaltsanalyse nach Mayring gewählt. Sie „(…) wertet Texte aus, indem sie ihnen in ei-
nem systematischen Verfahren Informationen entnimmt“ (ebd., S. 46).
69
Der Vorteil der qualitativen Inhaltsanalyse gegenüber anderen Verfahren besteht nach
Mayring darin, „(…) dass die Analyse in einzelne Interpretationsschritte zerlegt wird, die
vorher festgelegt werden. Dadurch wird sie für andere nachvollziehbar und intersubjektiv
überprüfbar, dadurch wird sie übertragbar auf andere Gegenstände, für andere benutz-
bar, wird sie zur wissenschaftlichen Methode“ (Mayring 2015, S. 61).
Nach Gläser und Laudel behandelt die qualitative Inhaltsanalyse „(…) die auszuwerten-
den Texte als Material, in dem die Daten enthalten sind“ (Gläser/Laudel 2010, S. 199).
Im Zuge der Durchführung der Analyse werden den Texten Daten entnommen, das
heißt, es werden Rohdaten extrahiert, Daten aufbereitet und schließlich ausgewertet.
„Extraktion heißt, den Text zu lesen und zu entscheiden, welche der in ihm enthaltenen
Informationen für die Untersuchung relevant sind. Diese Informationen werden den Ka-
tegorien des Suchrasters zugeordnet, das heißt unter der entsprechenden Kategorie
eingetragen“ (ebd., S. 200). Durch das Kodieren wird der Text indiziert, um ihn auswer-
ten zu können. Der Text und Index werden somit zum gemeinsamen Gegenstand der
Auswertung (vgl. ebd., S. 199). Das Kategoriensystem für die Extraktion sollte ausge-
hend von theoretischen Vorüberlegungen konstruiert werden (vgl. ebd., S. 200f.).
Mittels der qualitativen Inhaltsanalyse verschafft man sich eine Informationsbasis, die
nur noch jene Informationen enthalten soll, die für die Forschungsfragen relevant sind.
Damit ist sie nach Gläser und Laudel das einzige Verfahren der qualitativen Textanalyse,
das sich schon früh vom Ursprungstext trennt, Informationen systematisch reduziert und
entsprechend dem Untersuchungsziel strukturiert (vgl. ebd., S. 200).
Im Zentrum der qualitativen Inhaltsanalyse steht nach Mayring die Entwicklung des Ka-
tegoriensystems (vgl. Mayring 2015, S. 61). „Diese Kategorien werden in einem Wech-
selverhältnis zwischen der Theorie (der Fragestellung) und dem konkreten Material ent-
wickelt, durch Konstruktions- und Zuordnungsregeln definiert und während der Analyse
überarbeitet und rücküberprüft“ (ebd.). Anschließend werden die Ergebnisse interpre-
tiert, mit einem Schwerpunkt auf den Fragestellungen, und die Aussagekraft der Analyse
wird eingeschätzt (vgl. ebd.).
70
Nach Mayring ergibt sich daraus folgendes Ablaufmodell der qualitativen Inhaltsanalyse:
Abbildung 3: Allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell (Quelle: Mayring 2015, S. 62).
71
8. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der ExpertInneninterviews dargestellt und
interpretiert. Zuerst wird das für diese Arbeit verwendete Kategoriensystem vorgestellt.
Anschließend werden die Ergebnisse der ausgewerteten Interviews präsentiert. Zur
Anonymisierung der Namen der TeilnehmerInnen wurden die Interviewnummern B1 –
B6 vergeben. Damit die Ergebnisse transparent und nachvollziehbar gestaltet werden,
wurden Textpassagen aus den Interviews verwendet und interpretiert. Um diese kennt-
lich zu machen, sind sie kursiv dargestellt und mit der jeweiligen Absatznummer zitiert.
8.1 Kategorien Die von mir ausgewählten Kategorien gliedern sich in Haupt- und Subkategorien.
Folgende Kategorien wurden für die Untersuchung entwickelt:
• Soziodemografische Daten
o Grund- und Zusatzausbildung
o Beruf
o Seit wann in der Einrichtung
• Beziehungsgestaltung
o Allgemeine und individuelle Beziehungsgestaltung
o Wichtige Faktoren der Beziehungsgestaltung
o Probleme der Beziehungsgestaltung
o Umgang mit Problemen
• Kompetenzen
o Kenntnisse und Wissen
o Selbstreflexion und Selbsterfahrung
o Selbstfürsorge
8.2 Soziodemografische Daten Die soziodemografischen Daten der InterviewteilnehmerInnen wurden als Kategorie
festgelegt, da Informationen wie der Beruf und die Zusatzausbildung relevant für die Un-
tersuchung sind. Die sechs InterviewpartnerInnen setzen sich aus fünf Frauen und ei-
nem Mann zusammen. Vier Teilnehmerinnen arbeiten aktuell in einer stationären Ein-
richtung, eine Teilnehmerin war bis vor kurzem in einer solchen tätig und arbeitet mitt-
lerweile in einem anderen sozialen Berufsfeld. Der männliche Teilnehmer ist seit drei
Jahren in der mobilen Jugendbetreuung und war zuvor für zwei Jahre in einer stationären
Einrichtung tätig. Im Interview teilte er seine Erfahrungen aus beiden Bereichen mit. Alle
72
TeilnehmerInnen sind mindestens seit drei Jahren in ihrer Einrichtung tätig. Die längste
Tätigkeit in einer stationären Einrichtung beträgt 7,5 Jahre. Die Expertinnen 1 und 2 ar-
beiten in Einrichtungen, in denen traumapädagogische Konzepte bereits fester Bestand-
teil der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind.
Zur besseren Übersicht sind die Daten in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Exper-
tIn
Ge-
schlecht Alter Ausbildung Beruf
Jahre
im Be-
ruf
B1 w 36
Grundstudium: Bachelor
Pädagogik
Zusatzausbildung:
Traumapädagogik und
traumazentrierte Fachbe-
ratung
Weitere Ausbildung: In
Ausbildung zur Verhaltens-
therapeutin
Stationäre
Einrichtung 6 Jahre
B2 w 30
Grundstudium: Bachelor
Soziale Arbeit
Zusatzausbildung:
Traumapädagogik und
traumazentrierte Fachbe-
ratung
Stationäre
Einrichtung 5 Jahre
B3 w 23
Grundstudium: Lehramt für
Sonderpädagogik
Zusatzausbildung: In Aus-
bildung zur Traumapäda-
gogin und traumazentrier-
ten Fachberatung
Stationäre
Einrichtung 5 Jahre
B4 w 50 Grundstudium: Bachelor
Sonderheilpädagogik
Stationäre
Einrichtung 6 Jahre
73
B5 w 35
Grundstudium: Bachelor
Pädagogik und Master So-
zialpädagogik
Bis vor kur-
zem statio-
näre Ein-
richtung
7,5
Jahre
B6 m 29
Grundstudium: Kolleg für
Sozialpädagogik
Zusatzausbildung:
Traumapädagogik und
traumazentrierte Fachbe-
ratung
Weitere Ausbildungen: In
Ausbildung zum Sozialar-
beiter und in psychothera-
peutischer Ausbildung
(psychotherapeutisches
Propädeutikum)
Mobile Be-
treuung
3 Jah-
ren (da-
vor in
einer
statio-
nären
Einrich-
tung)
Tabelle 1: Soziodemografische Daten
Zusatzausbildung
Wie bereits erwähnt, wird in der Untersuchung berücksichtigt, ob es bei den Antworten
Unterschiede zwischen pädagogischen Fachkräften mit und ohne traumapädagogische
Ausbildung gibt. Diese Unterschiede stellen keinen Schwerpunkt der Arbeit dar, sie wer-
den aber, sofern sie für die Forschungsfragen relevant sind, berücksichtigt. Eine trauma-
pädagogische Zusatzausbildung verschafft den pädagogischen Fachkräften eventuell
eine andere Sichtweise auf bestimmte Themen.
Drei Befragte weisen eine bereits abgeschlossene Ausbildung zur Traumapädagogik
und traumazentrierten Fachberatung auf, eine Befragte befindet sich gerade in dieser
Ausbildung und zwei Befragte verfügen nicht über eine solche Ausbildung. Alle Befrag-
ten haben im Rahmen ihrer Tätigkeit in ihrer Einrichtung mehrere Fortbildungen zu The-
men wie Gewaltpädagogik, sexuellem Missbrauch etc. absolviert.
8.3 Beziehungsgestaltung Im folgenden Kapitel wird darauf eingegangen, wie sich die Beziehung zwischen den
pädagogischen Fachkräften und den traumatisierten Kindern und Jugendlichen gestal-
74
tet. Dabei ist relevant, wie die pädagogischen Fachkräfte allgemein die Beziehungsge-
staltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen beschreiben und wie sie persön-
lich diese Beziehungen gestalten. Weiters wurde gefragt, welche Faktoren die pädago-
gischen Fachkräfte für die Beziehungsgestaltung als wichtig erachten, welche Probleme
sich in den Beziehungen ergeben, wie damit umgegangen wird bzw. welche Möglichkei-
ten es für diesen Umgang gibt.
8.3.1 Allgemeine und individuelle Beziehungsgestaltung
Bei dieser Kategorie geht es darum, wie pädagogische Fachkräfte ihre Beziehung zu
traumatisch belasteten Kindern und Jugendlichen gestalten.
Als Einstieg in die Beziehungsgestaltung wurde die Frage gestellt, wie die pädagogi-
schen Fachkräfte ihre Beziehungsgestaltung zu traumatisierten Kindern und Jugendli-
chen allgemein beschreiben. Die Frage wurde sehr unterschiedlich aufgefasst.
Fast alle Befragten betonten die Wichtigkeit von Beziehungen für die Arbeit mit trauma-
tisierten Kindern und Jugendlichen, da diese u.a. zur Heilung beitragen kann.
„Also grundsätzlich einmal ist es ein ganz ein wichtiger Punkt, weil gerade über die Be-
ziehung schwer traumatisierte Menschen oder eben in unserem Fall junge Frauen mehr
Chancen haben auf Heilung, als wenn das jetzt wirklich nur eine rein fachliche oder eine
(..) ja eine kühle Beziehung wäre, das kriegt man da in der Arbeit halt sehr stark mit. Das
allererste, was wir hier drinnen machen, ist Beziehungsaufbau“ (B1, Abs. 14).
„Ich denke einfach, dass über die Beziehung sehr viel passiert. Die meisten Kinder ha-
ben in ihrer Herkunftsfamilie sehr viel negative Erfahrungen gemacht und die wissen oft
am Anfang gar nicht, dass es auch anders sein kann“ (B5, Abs. 21).
Expertin 3 bezeichnet die Beziehung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen als
teilweise durchwachsen und sie erwähnt in diesem Zusammenhang Hintergrundwissen
über das Trauma und die Bindungsmuster der KlientInnen, um besser auf sie eingehen
zu können.
Die Beziehungen gestalten sich „(…) durchwachsen würde ich einmal sagen. Also prin-
zipiell kommt es immer auf das Trauma an und wenn ich jetzt eine Beziehungsgestaltung
habe, hat das etwas mit Bindung zu tun und mit Vorerfahrung zum Thema Bindung bei
den Kindern und je mehr ich aber weiß, wo das Traumata liegt oder wo es Schwierigkei-
ten gibt, desto eher kann ich darauf eingehen und desto besser gestalten sich Beziehun-
gen“ (B3, Abs. 11).
75
Expertin 4 betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit von Erfahrungen, um den
richtigen Zugang zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu finden.
„Also, wenn man überhaupt keine Erfahrung hat oder da ganz neu hineinkommt, ist es
glaub ich extrem schwer damit umzugehen, einfach wegen ihrem Verhalten (...). Bist du
lieb, passt es nicht, bist du streng, passt es nicht, man braucht eine lange Zeit, bis man
herausfindet, was tut dem Kind jetzt gut, was braucht es, also das ist ganz schwierig, vor
allem, wenn man noch nie gearbeitet hat in dem Bereich (…)“ (B4, Abs. 19).
Anschließend wurden die Fachkräfte gefragt, wie sie persönlich ihre Beziehungen zu
traumatisierten Kindern und Jugendlichen gestalten.
In den Interviews stellte sich heraus, dass das Bezugsbetreuungssystem bei einigen re-
levant für die Beziehungsgestaltung ist. So haben fast alle Befragten in ihrer Einrichtung
ein Bezugsbetreuungssystem, wobei einige diesem mehr und andere weniger Gewicht
zuschreiben. In der Regel haben die meisten Befragten etwa zwei BezugsklientInnen.
Bei einigen ist es üblich, dass sie als Bezugsbetreuung eine stärke Beziehung zu den
BezugsklientInnen aufbauen und Letztere wiederum eine stärkere Beziehung zur Be-
zugsbetreuung. Andere wiederum sehen in diesem System zwar einen organisatori-
schen Vorteil, aber keinen maßgeblichen Vorzug, was die Beziehung zu den Bezugskli-
entInnen angeht. Prinzipiell ist es aber allen Befragten wichtig, zu sämtlichen KlientInnen
eine gute Beziehung zu pflegen, unabhängig davon, ob es sich dabei um Bezugsklien-
tInnen handelt oder nicht.
„(…) wir haben ein Bezugsbetreuungssystem, das heißt, auf eine Betreuerin kommen
maximal zwei Klientinnen und da ist dann die Einzelfallarbeit und da passiert halt auch
ganz viel Beziehung und klar die Klientinnen, die dann länger da sind und im Haus auch
ankommen, da ist dann auch zu dem restlichen Team eine Beziehung da, weil sie müs-
sen sich ja wohl fühlen, sie müssen sich sicher fühlen (…) und das passiert halt auch
über die Beziehung. Also das ist ganz wichtig, ohne Beziehung ist eine Arbeit in der
Traumapädagogik nicht möglich“ (B1, Abs. 20).
Expertin 3 betont zwar den organisatorischen Vorteil des Bezugsbetreuungssystems,
allerdings suchen sich die Kinder selbst aus, zu wem sie einen engeren emotionalen
Kontakt aufbauen, unabhängig von der zugeteilten Bezugsbetreuung.
„(…) Die Bezugsbetreuung wurde bei uns eingeführt, einfach um organisatorische Dinge
zu erleichtern, das heißt, dass quasi die Verantwortlichkeit von organisatorischen Dingen
76
für ein Kind bei einer Person zusammenläuft (…), aber im Prinzip ist es bei uns so, dass
die Bezugsbetreuung das Kind nicht aussucht, es wird nach Ressourcen geschaut (…).
Zu wem die Kinder dann einen guten emotionalen Kontakt aufbauen, hängt ja von den
Kindern ab, egal ob du jetzt Bezugsbetreuung bist oder nicht, sie suchen sich schon den,
den sie für sich selbst gut brauchen können“ (B3, Abs. 21).
Expertin 2 ist in einer Einrichtung tätig, in der die Traumapädagogik einen Schwerpunkt
der Arbeit mit den KlientInnen darstellt. In dieser Einrichtung nimmt das Bezugsbetreu-
ungssystem einen Schwerpunkt ein.
„(…) die Bezugsbetreuerin ist wirklich für die ganze traumapädagogische Arbeit zustän-
dig, im Einzelsetting, also nicht in den Gruppen und halt wirklich, was das Beziehungs-
angebot und den Beziehungsaufbau angeht, und ich glaub einfach, dass das der große
Vorteil der Traumapädagogik ist, dass man sehr viel nachreifen kann, wenn das eine
sehr solide Beziehung ist, zwischen Bezugsbetreuerin und Bezugsklientin“ (B2, Abs. 22).
Expertin 5 betont, dass für die Kinder und Jugendlichen die Bezugsbetreuung bedeu-
tungsvoller ist als andere BetreuerInnen. Allerdings macht es für die Bezugsbetreuung
selbst keinen relevanten Unterschied.
„(…) also die Kinder lassen sich schon mehr ein auf die Bezugsbetreuung, also ich zum
Beispiel bin trotzdem noch professionell, das sind zwar die Bezugskinder, (…) das klingt
so bedeutungsvoll, ist es aber im Endeffekt nicht, eigentlich kümmerst du dich um das
Organisatorische, du organisierst die Termine, gehst in die Schule, die Elterngespräche,
bist bei Helferkonferenzen dabei, sprichst dich mit den Sozialarbeitern ab (…)“ (B5,
Abs. 69).
Betreffend die Beziehungsgestaltung zu den KlientInnen betonen drei Befragte die Wich-
tigkeit des Beziehungsaufbaus. Neben dem Kennenlernen wird versucht, mit den Klien-
tInnen ganz alltägliche Dinge zu erleben, auch einmal außerhalb vom Therapiealltag.
Das Ziel dabei ist es, einen Bezug zu den KlientInnen herzustellen.
„Das allererste, was wir hier in der Einrichtung machen, ist Beziehungsaufbau. Also ken-
nenlernen klarerweise, Angebote über Bezugsbetreuungstage, wo wir gemeinsam mit
den Klientinnen Dinge unternehmen, also mal raus vom Haus, vom Alltag, vom Thera-
piealltag, Essen gehen oder ins Kino und sie einfach mal kennenlernen und wirklich pri-
mär schauen, dass sich die Klientin auf die Bezugsbetreuerin einlassen kann. (…) Ein-
fach mal einen positiven Bezug zu finden und das dauert manchmal länger, manchmal
77
kürzer, aber grundsätzlich schaut man einfach, dass das das erste Grundgerüst ist“ (B1,
Abs. 14).
Zwei Befragte legen besonderen Wert darauf, zuerst Beziehungsangebote auszusen-
den. Das gelingt ihnen u.a. durch gemeinsame Rituale oder individuelle Vereinbarungen.
„Also, wenn ich eine Bezugsklientin kriege, wo ich einen Beziehungsaufbau beginne,
dann sende ich einfach immer am Anfang ein Beziehungsangebot aus. (…) Ich versuche
dann zum einen wirklich Beziehungsangebote zu senden, am Anfang immer durch die
Schaffung von gemeinsamen Ritualen im Haus, dann individuelle Vereinbarungen, die
wir immer mit unseren Bewohnerinnen im Haus gemeinsam treffen, wo wir einfach ganz
klar und transparent alles, was im Haus an Vereinbarungen gilt, einfach festhalten“ (B2,
Abs. 18).
Für Experten 6, der aktuell in der mobilen Betreuung tätig ist, gestaltet sich das Aussen-
den von Beziehungsangeboten einfacher, da sich hier die KlientInnen frei entscheiden
können, ob sie die Beziehungsangebote annehmen möchten, indem sie z.B. entschei-
den, ob sie sich an individuelle Vereinbarungen halten. Es gibt kaum bis keine Bedin-
gungen, während sich in den stationären Einrichtungen die Bezugsbetreuung oder ge-
wisse Rahmenbedingungen nicht aussuchen lassen.
„Also wir machen das so in der Arbeit, dass wir einfach Beziehungsangebote setzen und
den Kindern selber die Beziehungsangebote nehmen lassen. Zum Beispiel, ich habe
jetzt einen neuen Klienten seit vorletzter Woche und ich habe ihm gesagt, ich bin jeden
Mittwoch in dem Kaffee (…) um 12:00-13:00 und er kann kommen, wenn er will, muss
aber nicht. (…) Das ist mir so wichtig, dass ich keine Bedingungen an die Bindung und
an die Beziehung knüpfe, dass ich einfach sage, ich bin da zur Verfügung und er muss
dafür nichts tun (…)“ (B6, Abs. 15).
Zwei Befragte betonten, dass sie versuchen, so gut wie möglich viel Alltag bzw. Norma-
lität in die Beziehungsgestaltung einzubringen, da sich die Beziehung im Alltag der trau-
matisierten Kinder und Jugendlichen abspielt und diese häufig zu wenig Normalität in
ihrer Herkunftsfamilie erleben konnten. Expertin 5 gelingt dies, indem sie feste Routinen
in den Alltag einbringt und den Kindern dadurch ein Gefühl von Sicherheit und Kontinuität
vermittelt (vgl. B5, Abs. 23). Expertin 2 betont die Notwendigkeit, im Alltag viel Präsenz
zu zeigen; dabei spielen sowohl die äußere als auch die innere Präsenz eine Rolle (vgl.
B2, Abs. 20).
78
Zwei ExpertInnen betonen, dass ihnen Strukturen wichtig sind. Expertin 2 legt generell
Wert auf klare Strukturen, diese schaffen Orientierung (vgl. B2, Abs. 18). Expertin 5 ver-
sucht durch Strukturen, die sie in den Alltag integriert, Vertrauen aufzubauen, indem sie
den KlientInnen so Regelmäßigkeit ermöglicht.
„Ich versuche einfach eine Struktur in den Alltag zu bringen, eine Regelmäßigkeit und
dabei langsam ein Vertrauen aufzubauen“ (B5, Abs. 23).
8.3.2 Wichtige Faktoren der Beziehungsgestaltung
Mit dieser Kategorie wurde gefragt, welche Aspekte bzw. Faktoren die Befragten für die
Beziehungsgestaltung als wichtig erachten. Hierbei ergaben sich etwas deutlichere Un-
terschiede zwischen den Befragten mit und ohne traumapädagogische Ausbildung.
Interesse
Experte 6 betont, das Wichtigste an der Arbeit mit traumatisierten KlientInnen sei ein
grundsätzliches Interesse auf Seiten der Fachkräfte. Ferner erwähnt er die Grundhaltung
der Traumapädagogik, die in die Beziehung einfließen soll.
„Also ich glaube das Erste muss einmal Interesse sein, dass ich das wirklich will und
nicht nur meinen Job mache und ich meine die anderen Sachen (…), sind eh die Grund-
prinzipien in der Traumapädagogik, dass man sagt, man ist zuverlässig und pünktlich
und nicht willkürlich usw., das finde ich total wichtig“ (B6, Abs. 17).
Grundhaltung der Traumapädagogik
Im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen spielt die Haltung der päda-
gogischen Fachkräfte eine große Rolle. Auffällig ist hier, dass vor allem die Fachkräfte
mit traumapädagogischer Zusatzausbildung sehr stark Grundhaltungen der Traumapä-
dagogik als wichtige Faktoren der Beziehungsgestaltung hervorheben.
Zur Grundhaltung der Traumapädagogik gehören folgende Faktoren: Die Annahme des
guten Grundes („Alles, was ein Mensch zeigt, macht in seiner Biografie einen Sinn“),
Wertschätzung („Es ist gut so, wie du bist“), Partizipation („Ich traue dir etwas zu, ohne
dich zu überfordern“), Transparenz („Jeder hat ein Recht auf Klarheit“), Spaß und Freude
(„Viel Freude trägt viel Belastung“) (vgl. BAG- TP 2011, S. 5ff.). Die Annahme des guten
Grundes wurde von drei ExpertInnen mit traumapädagogischer Ausbildung im Gespräch
als wichtig eingestuft.
79
„Die Annahme des guten Grundes, also dass jede Geschichte, jede Biografie, die die
Klientin mitbringt, einen Grund hat, also warum sie sich so verhält oder warum solche
Symptome wie z.B. bei einer posttraumatischen Belastungsstörung da sind und nicht,
dass man das irgendwie nichtig macht und sagt: ‚Da ist eh nichts dahinter, sie führt sich
nur so auf‘, sondern wirklich, dass man diesen Grund, warum die Traumatisierung da ist,
also wirklich auch in der Beziehungsgestaltung und auch in der Einzelfallarbeit berück-
sichtigt“ (B1, Abs. 22).
„(…) also was eh so ein Punkt der Traumapädagogik ist, also dass ich Verhaltensweisen
und Bindungs- und Beziehungsmuster von Klientinnen immer (..) mit der Annahme des
guten Grundes sehe (…)“ (B2, Abs. 18).
Spaß und Freude ermöglichen es Kindern und Jugendlichen, einen Ausgleich zu den
emotionalen Belastungen zu erfahren (vgl. BAG-TP 2011, S. 7). Expertin 1 betont „Spaß
und Freude“ als einen wichtigen Faktor, der in die Beziehungsgestaltung mit traumati-
sierten Kindern und Jugendlichen einfließen sollte, vor allem deshalb, weil die KlientIn-
nen davon häufig in ihrer Herkunftsfamilie zu wenig erfahren konnten.
„(…) wichtiger Punkt Spaß und Freude. Es ist in deren ihrem Leben so viel schiefgelau-
fen, dass man ihnen auch hier drinnen anbietet, so gut es geht Spaß und Freude in den
Therapiealltag einzubringen. Also wir fahren jedes Jahr mit ihnen eine Woche in den
Sommerurlaub mit dem ganzen Team (…) nach Kroatien zum Beispiel ans Meer oder
im Winter eine Woche Schiurlaub, (…) und da passiert ganz viel Normalität“ (B1, Abs.
22).
Auch Partizipation ist notwendig, da die Mitgestaltung der eigenen Lebensbedingungen
als einer der wichtigsten Einflussfaktoren für die seelische Gesundheit gilt (vgl. BAG-TP
2011, S. 6). Expertin 1 erwähnt in diesem Zusammenhang, dass KlientInnen ihr Leben
selbst gestalten können und bei Bedarf Unterstützung bekommen.
„(…) natürlich auch die Partizipation, also dass wir nicht quasi nur über sie bestimmen,
sondern dass sie halt ein Mitspracherecht haben, dass sie ihr Leben selbst gestalten
können, dass sie zwar Hilfestellungen haben, aber die meisten sind bis jetzt fremdbe-
stimmt gewesen, also immer fremduntergebracht, von Krankenhaus zu Krankenhaus
und jetzt einmal hier haben sie die Möglichkeit über ihr Leben selbst zu bestimmen und
zu sagen: ‚Okay, die Richtung möchte ich gehen‘, und von uns bekommen sie die Un-
terstützung“ (B1, Abs. 22).
80
Die meisten Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen mussten in ihrer Herkunfts-
familie einen teilweise willkürlichen Umgang mit sichernden Strukturen erfahren. Trans-
parenz ermöglicht es den Kindern und Jugendlichen, einen durchschaubaren Umgang
mit Hierarchien, Strukturen und Machtverhältnissen zu erleben (vgl. BAG-TP 2011, S.
89). In den Gesprächen stellte sich heraus, dass Transparenz für die meisten Befragten
einen wichtigen Stellenwert einnimmt.
Transparenz beinhaltet für die Befragten u.a., dass
• nichts in der Einrichtung unter Geheimhaltung geschieht, besonders wenn es Kli-
entInnen betrifft (vgl. B1, Abs. 49).
• „schlechte Tage“ oder „schlechte Launen“ der PädagogInnen mit den KlientInnen
kommuniziert werden (vgl. B3, Abs. 13; B4, Abs. 31).
• Regeln und Strukturen klar kommuniziert werden und teilweise auch schriftlich
vorliegen (vgl. B2, Abs. 18).
• Abschiede transparent gemacht und klar kommuniziert werden (vgl. B4, Abs. 23).
B1 betont, dass auch Dinge, die im Team besprochen werden, regelmäßig mit den Kli-
entInnen kommuniziert werden und dass diese bei wichtigen Themen einbezogen wer-
den.
„Es wird hier in der Einrichtung auch Transparenz gelebt, es passiert nichts in Geheim-
haltung, also auch das, was wir jetzt im Team besprechen, oder wenn wir sagen: ‚Okay,
das wäre von der Fallführung besser‘, das sagen wir auch unseren Klientinnen, also
wenn etwas nicht passt, dann suchen wir mit ihnen gemeinsam etwas, das vielleicht eher
passen würde“ (B1, Abs. 49).
Zwei Expertinnen ist es wichtig, zu kommunizieren, wenn es einem selbst einmal nicht
gutgeht, damit die KlientInnen das Verhalten der PädagogInnen nicht auf sich beziehen.
„Wichtig ist, dass man da transparent ist, (…) die Kinder sind wahnsinnig empathisch,
spüren sofort, wenn irgendetwas nicht passt, und umso wichtiger ist es, dass man dann
halt auch ehrlich ist und sagt: ‚Ich habe heute einen schlechten Tag‘, zum Beispiel, dann
lernen sie einem zu vertrauen, weil sie dann auch merken: ‚Okay, die hat auch ihre
schlechten Tage‘ (B3, Abs. 13).
„(…) wenn man mal schlecht drauf ist, man hat nicht immer gleich gute Tage, und ist für
alles so aufnahmebereit (…). Darum finde ich, dass man das in der Beziehung auch
81
immer wieder ansprechen sollte (..) und irgendwie Wege finden sollte, dass man da zu-
sammenkommt (…)“ (B4, Abs. 31).
Umgang mit Abbrüchen
Wie schon erwähnt, spielen kontinuierliche Beziehungen für traumatisierte Kinder und
Jugendliche eine sehr große Rolle, zumal die meisten schon viele Trennungen hinter
sich haben. Da sich Trennungen in stationären Einrichtungen in der Regel nicht immer
vermeiden lassen, wird zumindest dafür gesorgt, bevorstehende Trennungen, z.B. auf-
grund von Karenz oder Kündigung einer Betreuungsperson, schon sehr früh anzuspre-
chen und die KlientInnen über einen längeren Zeitraum hinweg darauf vorzubereiten.
„(…) wenn jemand gegangen ist oder länger nicht da war, sind die Kinder fast zusam-
mengebrochen und vor allem, wenn sie nicht darauf vorbereitet worden sind, also wenn
irgendwas abrupt passiert ist, also dass einer gekündigt hat oder was auch immer, das
haben sie überhaupt nicht ausgehalten. Also der Abschied, der hat einen Vorlauf gehabt
von einem halben Jahr mindestens, auch die Kinder selber, wenn es jetzt geheißen hat,
sie müssen jetzt woanders hin“ (B4, Abs. 23).
Abgesehen von der Vermeidung abrupter Abbrüche erwähnten einige Befragte, dass
ihre Einrichtung generell versucht, Abbrüche nur dann zu initiieren, wenn es grobe Re-
gelverstöße gibt oder wenn KlientInnen das Konzept nicht annehmen können bzw. wol-
len.
„Also dieses vor die Türe setzen wird nicht passieren. Abbrüche passieren nur dann,
wenn eben grobe Regelverstöße da sind, aber das wissen die Klientinnen vorher, sie
kriegen ein Klientinnenhandbuch ausgehändigt, wo eben die Hausordnung auch drinnen
ist und bei Regelverstößen, Drogen, Alkohol im Haus oder Gewalt, sexuelle Übergriffe,
gegen was auch immer das geht, (…) das ist dann einfach klar ein Abbruch, aber wenn
es grundsätzlich nicht passt, dann schauen wir halt schon, was könnte besser sein“ (B1,
Abs. 49).
„Manche, die das Konzept nicht annehmen können, die brechen natürlich vorher ab,
aber das ist so, es passt halt nicht für alle und das muss man akzeptieren, es ist auf
freiwilliger Basis da drinnen (…)“ (B1, Abs. 24).
Experte 6 vertritt in seiner Einrichtung die Grundhaltung, dass niemand hinausgeworfen
werden könne und auch keine Bedingungen gestellt werden; so entsteht bei den Klien-
tInnen mit der Zeit ein Gefühl von Sicherheit.
82
„Also was wir, wir haben in der Firma, was ich ganz cool finde, das Grundprinzip, wir
schmeißen niemanden hinaus. Wir haben keine Bedingungen an Klienten und das ha-
ben wir bis jetzt gehalten, also wir haben noch keinen einzigen Jugendlichen entlassen
(…)“ (B6, Abs. 15).
Autonomie versus Bindung
Expertin 2 betont, dass es wichtig ist, die Bedürfnisse der KlientInnen zwischen den Po-
len Bindung und Autonomie zu berücksichtigen. So haben einige KlientInnen eher das
Bedürfnis nach mehr Bindung, während andere mehr Autonomie bevorzugen und eher
nur ein „Coaching“ benötigen.
„Also immer dieses Bestreben zwischen Autonomie und Bindung (…) berücksichtigen
und dann auch zu schauen, ist jetzt meine Bezugsklientin eine Klientin, wo ich wirklich
die funktionale Nachbeelterung an den Tag lege oder wo es eher in den Coachingbereich
geht, weil dann gestalte ich die Beziehungsgestaltung auch anders und das hat es bei
uns in der Einrichtung auch schon gegeben, dass die Bewohnerin mehr Coaching
braucht und weniger funktionale Nachbeelterung“ (B2, Abs. 24).
Vertrauen
Zwei ExpertInnen führen Vertrauen als einen wichtigen Faktor der Beziehung an. Viele
Kinder und Jugendliche sind nicht gleich bereit, erneut Vertrauen zu fassen. Der Aufbau
von Vertrauen der Kinder zu den PädagogInnen ist oft ein sehr langer Prozess und ge-
lingt schlimmstenfalls gar nicht (vgl. B5, Abs. 23). Das Vertrauen sollte nach Expertin 4
auf Gegenseitigkeit beruhen, indem z.B. Abmachungen eingehalten werden.
„(…) ich muss mich auf sie verlassen können, also das ist mir ganz wichtig, dass man
einfach Sachen einhält, also wenn man unterwegs ist und etwas ausmacht: ‚Wir treffen
uns dann dort um die Zeit‘, dass man dann auch wirklich da ist und umgekehrt aber auch,
denn ich halte meine Versprechen auch immer ein. Also, dass da dann wirklich ein ge-
genseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann“ (B4, Abs. 23).
Fachwissen
Ein weiterer Faktor, den einige Befragte erwähnten, ist das Fachwissen betreffend Psy-
chotraumatologie. Dieses Wissen ist laut den ExpertInnen notwendig, um Probleme und
bestimmte Verhaltensweisen erkennen und richtig darauf reagieren zu können. Es wird
vor allem im Zusammenhang mit Reinszenierungen, Übertragungen und Gegenübertra-
gungen als notwendig gewertet.
83
„(…) Also, ich habe gestern erst mit einer Kollegin geredet, die gemeint hat, eigentlich
reicht es doch, wenn man eine gute Haltung hat und die Intention passt, aber ich finde,
es braucht ganz einfach das Fachwissen, weil ich kann mich nicht immer auf mein
Bauchgefühl verlassen, wenn ich in Dynamiken, in Reinszenierungen, in Übertragungen
drinnen bin, dann handle ich in der Gegenübertragung in einer Gegenreaktion und dann
ist es dann einfach nicht das, was passend ist oder was die Klienten brauchen, also
Fachwissen finde ich ganz wichtig“ (B6, Abs. 17).
„(…) dann natürlich Kenntnisse über die Psychotraumatologie, das ist schon wichtig, weil
im Alltag oft Reinszenierungen passieren, das heißt, dass Klientinnen nicht einschätzen
können, ist das jetzt im Hier und Jetzt, in der Gegenwart, oder ist das eine Situation, die
aus der Vergangenheit belastend ist. Und dass wir als Team quasi auch auf das geschult
sind hinzuschauen und darauf aufmerksam machen: ‚Das ist jetzt nicht die Vergangen-
heit, das ist jetzt nicht die traumatisierende Umgebung, sondern du bist in Sicherheit, du
bist im Hier und Jetzt‘, (…) und da muss man halt Wissen über die Psychotraumatologie
haben, weil wenn man das nicht weiß, dann tut man sich halt schon schwer“ (B1, Abs.
22).
„(…) also von Seiten der Betreuerin ist es einfach wichtig, dass sie ganz gut Bescheid
weiß über Übertragung und Gegenübertragungsphänomene, also da ist auch die Ab-
grenzung ganz wichtig, einfach zu wissen, was gehört mir? Was gehört der Klientin?
Was kriege ich von ihr? Was sende ich ihr aus? Also einfach auch, was überträgt man
gegenseitig? Dann auch immer ein Bewusstsein für die Bindungstraumatisierung zu ha-
ben“ (B2, Abs. 24).
8.3.3 Probleme der Beziehungsgestaltung
Symptome und Verhaltensweisen wie Selbstverletzung, aggressives Verhalten, Suizid-
versuche, unsichere Bindungsmuster etc. kommen bei traumatisierten Kindern und Ju-
gendlichen gehäuft vor. Pädagogische Fachkräfte, die mit traumatisierten Kindern und
Jugendlichen arbeiten, werden deshalb vermehrt mit diesen Symptomen und Verhal-
tensweisen konfrontiert; daraus können sich Probleme und Schwierigkeiten der Bezie-
hungsgestaltung ergeben (vgl. Schmid 2013, S. 58f.).
Mit dieser Kategorie wird auf die Probleme und Schwierigkeiten eingegangen, die sich
in der Beziehung zwischen pädagogischen Fachkräften und traumatisierten Kindern und
Jugendlichen in den Einrichtungen häufiger einstellen.
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Wie bereits im theoretischen Teil erwähnt, werden bei Übertragungen lebensgeschicht-
liche Interaktionserfahrungen mit den Bindungspersonen auf aktuelle Beziehungen über-
tragen. Kinder und Jugendliche, die traumatische Erfahrungen mit ihren Bindungsperso-
nen machen mussten, übertragen diese auf die pädagogischen Fachkräfte (vgl. Lang
2013, S. 193). Dies kann wiederum zu Gegenübertragungen der pädagogischen Fach-
kräfte führen, die mit einer emotionalen Gegenreaktion auf die Übertragung der Kinder
und Jugendlichen reagieren.
Auf die Frage, mit welchen Problemen und Schwierigkeiten sich pädagogische Fach-
kräfte in der Beziehung zu traumatisierten KlientInnen konfrontiert sehen, gaben alle Be-
fragten an, regelmäßig mit Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomenen zu tun
zu haben. Auch die pädagogischen Fachkräfte ohne traumapädagogische Zusatzausbil-
dung sprachen von Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomenen, ohne diese
explizit so zu nennen.
„Übertragungen, Gegenübertragungen, ganz ein wichtiger Punkt, wenn man das erkennt
und weiß, dann tut man sich in der Arbeit oder in der Beziehungsgestaltung schon viel
einfacher“ (B1, Abs. 22).
„Übertragung und Gegenübertragung sind ein wichtiges Thema, weil es (…) eines der
häufigsten Phänomene ist, die da vorkommen und durch die Übertragungen und Gegen-
übertragungen finden Reinszenierungen statt“ (B6, Abs. 35).
„Wenn man eigene Teile entdeckt, die man vielleicht selber hat und noch nicht bewältigt
hat (...) in sich, z.B. irgendwelche Geschichten aus der Kindheit, Mutter-Tochter-Bezie-
hungen, das weiß man dann oft nicht, aber man merkt es einfach im eigenen Verhalten
(…) und dann fragt man sich: ‚Wieso ärgert mich das jetzt so?‘“ (B4, Abs. 29).
Wie schon im obigen Zitat von Experte 6 erwähnt, kommt es bei der Beziehungsgestal-
tung öfter zu Reinszenierungen. So fällt es einigen KlientInnen aufgrund von Reinsze-
nierungen traumatischer Erfahrungen ihrer Herkunftsfamilie generell schwer, Bezie-
hungsangebote anzunehmen. Sie stellen die Glaubwürdigkeit der PädagogInnen in
Frage und sehen in den pädagogischen Fachkräften häufig einen Feind.
„(…) sie sehen nur so quasi den Feind in einer Person und das Beziehungsangebot, was
man anbietet oder ausstrahlt, können nicht alle annehmen und das ist eben diese Rein-
szenierung, die man dann immer wieder versucht anzusprechen (…) manche können
das nicht annehmen, die sehen in der Betreuerin einfach immer nur die böse Mama oder
85
die böse Oma und das ist schon eine Schwierigkeit, wo man manchmal schon länger
braucht, bis man dann irgendwann den Knackpunkt erreicht und es gibt auch Klientin-
nen, da funktioniert das gar nicht (…)“ (B1, Abs. 43).
Experte 6 erwähnt die häufige Konfrontation mit Bindungstests seitens der KlientInnen.
Aufgrund von Reinszenierungen prüfen die KlientInnen die Glaubwürdigkeit der Päda-
gogInnen, indem sie Letztere „austesten“. Durch auffälliges Verhalten und Regelver-
stöße versuchen sie herauszufinden, wie viel sie sich tatsächlich erlauben können, bis
die pädagogischen Fachkräfte erkennen, dass sie nicht „tragbar“ sind. Experte 6 erwähnt
in diesem Zusammenhang den Grundsatz seiner Einrichtung, dass niemand entlassen
wird; so provozieren die KlientInnen teilweise einen Rausschmiss. Erst wenn ihnen klar
ist, dass sie tatsächlich nicht aus der Einrichtung fliegen, können sie sich entspannen
und Vertrauen entwickeln (vgl. B6, Abs. 33).
„(…) aber es gibt diese Klienten, die überall hinausfliegen, die in Einrichtungen kommen,
die nicht traumasensibel geschult sind und wo die Kids dann alles machen, damit sie
hinausfliegen, eigentlich um bewiesen zu kriegen, dass sie doch nicht tragbar sind“ (B6,
Abs. 31).
Experte 6 erwähnt in diesem Kontext ferner das Problem von Einrichtungen, die nicht
traumasensibel geschult sind und durch einen „Rausschmiss“ Reinszenierungen hervor-
rufen. Die Einrichtung von Experte 6 hat es sich u.a. zur Aufgabe gemacht, Kinder und
Jugendliche, die für die meisten Einrichtungen nicht „tragbar“ sind, aufzunehmen.
„(…) und das sind dann genau die Einrichtungen, die in der Dynamik drinnen bleiben
und die dann eine Reinszenierung machen mit rausschmeißen (…) und das sind einfach
Kids, die dann vier, fünf Einrichtungen durchlaufen und ja, auch bei Psychiatrien hinaus-
fliegen und es gibt glaub ich in der Steiermark um die 260 solcher unter Anführungszei-
chen unbetreubarer Kinder (...)“ (B6, Abs. 31).
Zwei Befragte gaben an, dass destruktive Verhaltensweisen ein häufiges Thema in sta-
tionären Einrichtungen sind; diese äußern sich am ehesten durch selbstverletzendes
Verhalten und Aggressionen.
„(…) man sieht sich mit destruktiven Verhaltensweisen konfrontiert, die bei Frauen oft
ausfallen in Form von selbstverletzendem Verhalten, in Essstörungen, Körpersche-
mastörungen, in Aggressionsdurchbrüchen“ (B1, Abs. 35).
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„Aggressionen sind sehr stark verbreitet oder Depressionen, auch selbstverletzendes
Verhalten und teilweise sogar Suizidversuche“ (B5, Abs. 53).
8.3.4 Umgang mit Problemen
Diese Kategorie geht darauf ein, wie die pädagogischen Fachkräfte mit den Problemen,
die bei der Beziehungsgestaltung auftreten, umgehen bzw. welche Möglichkeiten es
gibt, besser damit zurechtzukommen.
Auch bei dieser Kategorie wurde von einigen Befragten die Wichtigkeit von Fachwissen
im Umgang mit Beziehungsproblemen unterstrichen. Vor allem im Zusammenhang mit
Übertragungen und Gegenübertragungen sowie Reinszenierungen und Bindungstrau-
matisierungen spielt Fachwissen eine wichtige Rolle. Erst durch Fachwissen können die
Verhaltensweisen und Symptome der KlientInnen verstanden, reflektiert und so ange-
messen mit ihnen umgegangen werden.
„Ich würde da wieder auf die Frage trotzdem auch noch, mit Fachwissen eingehen, weil
wenn ich Beziehungsgestaltungsprobleme habe und ich weiß, das kommt von einer
Traumatisierung aus der Frühkindheit, also von einer Bindungstraumatisierung, dann
kann ich mich gar nicht persönlich gekränkt fühlen, (…) oder sagen okay, da ist ein Wi-
derstand und ich muss jetzt gegen den Widerstand ankämpfen, sondern ich denke mir:
‚Okay, der zeigt jetzt Verhalten, weil er das damals gebraucht hat um zu überleben‘, und
wenn ich das so verstehe und mein Gegenüber, dann ist es für mich wirklich leichter,
damit umzugehen, weil er sich jetzt deshalb so verhält, weil er Angst hat, dass sich ir-
gendetwas wiederholt, so kann ich dann auf seine Bedürfnisse eingehen“ (B6, Abs. 37).
Als weiterer Ansatz bei Schwierigkeiten in Beziehungen zu KlientInnen erwähnt Expertin
3, dass sie KlientInnen gerne einmal ihren Freiraum gibt und versucht, sich nicht aufzu-
drängen.
„Meistens bin ich aber jemand, der dem Kind einfach einen gewissen Freiraum lässt,
weil ich mir denke, oft gerade in einer Anfangszeit testen sie das irgendwie aus quasi
und irgendwann machen sie dann auf, ich habe jetzt nicht irgendwie eine Strategie oder
eine Methode, die ich immer wieder mache, sondern eigentlich versuche ich immer in
der Nähe zu bleiben, also quasi die Beziehung anzubieten, aber nichts aufzudrängen“
(B3, Abs. 29).
Experte 6 erwähnt das verzögerte Reagieren auf schwierige Situationen mit den Klien-
tInnen, vor allem, wenn die Möglichkeit einer schnellen Rücksprache mit dem Team nicht
gegeben ist.
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„Dadurch, dass ich in einer Einzelbetreuung arbeite, bin ich halt immer nur alleine mit
meinem Klienten im Kontakt, das heißt mit Team so auf die Schnelle rücksprechen, geht
bei mir schwierig, aber ich mag einfach verzögert reagieren ganz gerne, also ich (…)
muss nicht jetzt reagieren, wenn mein Klient eine Grenze überschreitet oder irgendwas
macht, ich muss nicht jetzt gleich irgendwie agieren, sondern kann mir selber die Zeit
nehmen, darüber nachzudenken und das offen und transparent zu kommunizieren, in-
dem ich (…) zum Beispiel sage: ‚Du ich brauche jetzt einfach mal Zeit für mich, zum
Durchatmen‘ und (..) ja, dann mal ein paar Minuten schweigen und darüber nachzuden-
ken, ohne das irgendwie zu verbalisieren“ (B6, Abs. 43).
Selbstreflexion wurde vor allem im Zusammenhang mit Übertragungen und Gegenreak-
tionen als notwendig bezeichnet. So ist abgesehen von Fachwissen und Erfahrung auch
Selbstreflexion notwendig, um bei Übertragungen der KlientInnen nicht mit einer Gegen-
reaktion zu antworten, sondern angemessen zu reagieren.
„(…) wenn ich in Übertragungen drinnen bin, dann handle ich in der Gegenübertragung
in einer Gegenreaktion und das ist dann einfach nicht das, was passend ist oder was die
Klienten brauchen, also neben Fachwissen finde ich ganz wichtig die Selbstreflexion
(…)“ (B6, Abs. 17).
Expertin 3 betont, dass sie in Konfliktsituationen immer zuerst reflektiert und hinterfragt,
welche Anteile des Konflikts von ihr ausgehen und welche nicht. Dabei ist es auch wich-
tig, sich manchmal zu fragen, wie es einem selbst bei einem Konflikt ergeht.
„Also, wenn ich jetzt einen Konflikt habe, ist die erste Frage, die ich mir stelle: ‚Was
waren meine Anteile? Gab es Anteile? Ist das etwas, das von mir aus geht? Ist das
etwas, was im Außen ist? Ist es eine Gegenreaktion?‘, und ganz wichtig ist sich wirklich
ehrlich zu fragen ‚Wie geht es mir dabei?‘, weil das tun wir eigentlich alle nicht, aber auch
sich selbst dann nichts vorzulügen, sondern sagen: ‚Heut bin ich nicht so gut drauf‘ (…)“
(B3, Abs. 47).
Für den Umgang mit Problemen mit den KlientInnen stellte sich das Team der Befragten
als einer der wichtigsten Faktoren heraus. Generell dient der Zusammenhalt im Team
der eigenen Psychohygiene und er bietet auch Möglichkeiten an, um Probleme mit Kli-
entInnen besser bewältigen zu können. Neben der Besprechung von Problemen mit Kli-
entInnen im Team ermöglicht es ein guter Austausch, andere Sichtweisen auf Probleme
zu entwickeln.
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„Wir haben eine Mittagsbesprechung und wir haben am Abend die Dienstübergabe für
den Nachtdienst vom Tagdienst und da werden halt auch schon auch problematische
Situationen besprochen. Das hilft schon einmal allein der Psychohygiene, mal darüber
zu reden und mal zu schauen: ,Okay hat eine Kollegin einen anderen Blickwinkel? Habe
ich was übersehen (…)?‘“ (B1, Abs. 53).
„Wichtig ist ein guter Austausch im Team. Man ist ja nicht allein, man hat ja ein Team
und (..) man hat quasi ein Unterstützungssystem nicht nur für sich, sondern auch für das
Kind, weil man ist ja auch nicht jeden Tag hier, umso wichtiger ist es auch mit dem Team
und dem Kind einen guten Austausch zu pflegen“ (B3, Abs. 27).
„Da ist ein stabiles Team sehr wichtig (…). Wenn es schwierige Situationen gibt, musst
du einfach präsent sein und da sein und du musst dir auch bewusst sein, dass du auch
Hilfe holen kannst von deinen anderen Kollegen“ (B5, Abs. 63).
Die Einrichtungen bieten Möglichkeiten des Austauschs, z.B. Teambesprechungen und
Supervisionen. Auch dort gibt es die Möglichkeit, sich über Probleme auszutauschen.
Expertin 3 erwähnt die Möglichkeit der Einzelsupervision bei gröberen Problemen (vgl.
B3, Abs. 27).
„(…) wenn eigene Themen belastend sind, man weiß ja nie, was die Klientinnen mitbrin-
gen und wenn sich etwas spalt, sagen wir mal so, dann wäre das halt in der Arbeit und
Beziehungsgestaltung recht schwierig, deswegen auch immer wieder Supervisionen,
Teambesprechungen, Fallintervisionen, also alles, was das irgendwie hilfreich gestaltet“
(B1, Abs. 39).
Expertin 5 erwähnt neben dem Team und Supervision noch die Möglichkeit eines Ge-
sprächs mit TherapeutInnen, die sich in der Einrichtung befinden (vgl. B5, Abs. 61).
8.4 Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte Diese Kategorie geht auf jene Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte ein, die für
die Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen bedeutend sind. Dabei beziehe
ich mich auf die drei Grundkompetenzen nach Wilma Weiß:
• Wissen und Kenntnisse (Sachkompetenzen)
• Selbstreflexion
• Selbstfürsorge (vgl. Weiß 2016a, S. 224).
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Als Einstieg in diese Kategorie wurden die Fachkräfte gefragt, welche Kompetenzen sie
persönlich als wichtig erachten, damit Beziehungen zu traumatisierten KlientInnen gelin-
gen. Die Antworten ähnelten stark den Grundkompetenzen nach Weiß. Zusammenfas-
send wurden folgende Kompetenzen genannt:
• Wissen über Psychotraumatologie und Bindungstheorie (vgl. B1, Abs. 30; B2,
Abs. 32; B6 Abs. 23)
• Selbstreflexion (vgl. B1, Abs. 34; B6, Abs. 17; B3, Abs. 19)
• Selbstfürsorge (Psychohygiene) (vgl. B5, Abs. 43)
• Eine besondere Haltung (Annahme des guten Grundes) (vgl. B1, Abs. 41; B2,
Abs. 32)
8.4.1 Wissen und Kenntnisse
In der Traumapädagogik wird immer wieder die Wichtigkeit betont, Wissen und Kennt-
nisse zur Psychotraumatologie aufzuweisen. Aus diesem Grund wurden die ExpertInnen
gefragt, welches Wissen sie persönlich als wichtig erachten, um mit traumatisierten Kin-
dern und Jugendlichen längerfristig arbeiten und dabei auch Beziehungen aufbauen und
erhalten zu können. In den Interviews stellte sich heraus, dass psychotraumatologisches
Wissen und solches zur Bindungstheorie von den meisten als am wichtigsten erachtet
werden.
„(…) psychotraumatologisches Wissen finde ich extrem wichtig, Bindungswissen, ich
finde, das sind so die zwei wichtigsten, die mir auf die Schnelle einfallen, die eh schon
extrem riesengroße Bereiche abdecken“ (B6, Abs. 75).
Im Interview wurde die Wichtigkeit von Wissen zu diesen Themen u.a. damit begründet,
dass die Fluktuation in stationären Einrichtungen sehr hoch sei und zwar besonders
dann, wenn die pädagogischen Fachkräfte nicht ausreichend Wissen und Kenntnisse
aufweisen (vgl. B5, Abs. 111). Weiters ist, wie erwähnt, psychotraumatologisches Wis-
sen notwendig, um Verhaltensweisen und Symptome wie Übertragungen und Gegen-
übertragungen, Reinszenierungen etc. erkennen zu können und den richtigen Umgang
mit ihnen zu finden.
Prinzipiell betonten alle ExpertInnen die Wichtigkeit von Fachwissen und dessen adä-
quater Anwendung. Neben den Hauptthemen wurden unter anderem spezifisches Wis-
sen und Kenntnisse zu folgenden Themen genannt:
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• Wissen über Symptome für Diagnosen, z.B. bei einer posttraumatischen Belas-
tungsstörung (vgl. B1, Abs. 89).
• Wissen um Traumafolgen und Folgeerkrankungen und den richtigen Umgang
damit, z.B. bei Flashbacks und Intrusionen (vgl. B1, Abs. 89).
• Wissen über destruktive Verhaltensweisen und den Umgang damit, z.B. selbst-
verletzendes Verhalten (vgl. B1, Abs. 89).
• Wissen über Bindungsmuster und Bindungstraumatisierungen und deren Aus-
wirkungen auf Beziehungen (vgl. B2, Abs. 75; B3, Abs. 75).
• Wissen und Kenntnisse über Übertragungs- und Gegenübertragungsphäno-
mene (vgl. B1, Abs. 89; B2, Abs. 75).
• Wissen über Reinszenierungen (vgl. B3, Abs. 33).
Unterschiedlicher Auffassung waren die Befragten in der Frage, ob Wissen eine Voraus-
setzung ist, um längerfristig in der Einrichtung tätig sein zu können. Die meisten beton-
ten, dass ein gewisses Interesse sowie bestimmte Grundlagen wichtig sind, dass aber
Wissen etwas ist, das man sich in seiner beruflichen Laufbahn automatisch aneignet.
Expertin 1 geht davon aus, dass ein bestimmtes Grundwissen zur Psychotraumatologie
und Bindungstheorie auf jeden Fall vorhanden sein sollte, um mit traumatisierten Kindern
und Jugendlichen überhaupt arbeiten zu können (vgl. B1, Abs. 93). Ob Grundwissen
vorhanden ist, wird bei den Einstellungsgesprächen erfragt.
„Aber das wissen wir auch, das fragen wir auch vorher ab, bei den Erstgesprächen, weil
wenn man das nicht weiß, dann arbeitet man quasi auch ins Blinde“ (B1, Abs. 89).
Expertin 3 betont, Wissen zu Übertragungen und Gegenreaktionen sowie körperlichen
Zusammenhängen, z.B. wie sich Stress auf das Gehirn auswirkt, sei als Grundlage wich-
tig. Ferner betont sie, dass Wissen sich auf die persönliche Haltung auswirkt. Allerdings
ist sie der Ansicht, dass Information nicht alles ist, da man sich in der Einrichtung immer
informieren oder etwas nachlesen kann.
„Natürlich das Wissen von Dingen, das sich einfach zwischenmenschlich abspielt, wie
Übertragungen und Gegenreaktionen, dann ich finde eine der wichtigsten Sachen zu
wissen ist, (…) dass traumatisierte Kinder meistens in einem Hochstress drinnen sind,
also auch körperliche Zusammenhänge (…) wie sich das alles auf das Gehirn auswirkt,
das ist für mich als Grundlage wichtig, weil dadurch kann ich mir ganz viel Dinge erklä-
ren, aber prinzipiell, also Wissen macht ja was mit meiner Haltung, das heißt, ich bin
91
eben verständnisvoller, wertschätzender in meinem Umgang etc., aber ja (...) Informa-
tion ist wichtig, aber es ist nicht das Wichtigste, weil Information, da kann ich nachlesen,
da kann ich nachfragen“ (B3, Abs. 69).
Einige Befragte heben hervor, dass bei der Arbeit, in Supervisionen und Teambespre-
chungen sehr viel Fachwissen ausgetauscht und angeeignet wird. Die meisten Einrich-
tungen stellen Fachbücher zu Verfügung, in denen nachgelesen werden kann. So ist das
Aneignen von Wissen quasi ein automatischer Prozess.
„(…) wir machen hauptsächlich Fallsupervision und da fließt total viel Fachwissen ein
und eben Wissen über Trauma und über Bindung und insofern ist das auch einfach ein
automatisierter Prozess, dass das passiert“ (B6, Abs. 79).
„Aber das Aneignen von Wissen passiert sowieso und ich glaube das eben, wenn man
schon in so einem Beruf tätig ist oder, wenn man sowas machen möchte, dass man ein
gewisses Interesse auch hat zu den Dingen und deshalb auch viel, gleich mal viel mehr
in der Recherche drinnen ist, auch das wahrnimmt, was alle anderen sagen, man lernt
ja auch von den anderen ganz stark und kriegt dann auch Dinge mit (…). Ich habe mich
dann auch eingelesen. Wir haben mal eine Borderlinerin im Haus gehabt, natürlich liest
man dann Fachliteratur dazu, das gehört natürlich auch zu einer gewissen Expertise
dazu, meiner Meinung nach, wenn ich mit dem Kind arbeite, dass ich mich dann auch
einlese, ein bisschen zumindest“ (B3, Abs. 73).
Expertin 4 ist der Meinung, dass Wissen keine Voraussetzung dafür ist, um in einer sta-
tionären Einrichtung Beziehungen gestalten zu können. Jedoch betont sie ebenfalls das
Grundinteresse, das auf jeden Fall vorhanden sein sollte, und auch, dass man sich in-
formiert und nachfragt.
„Wir haben immer wieder Zivildiener gehabt oder Leute im freiwilligen sozialen Jahr und
die kommen von irgendwo her (…) und die haben überhaupt keine Ahnung gehabt und
die haben das aber auch geschafft und die haben das gut gemacht. Weiß jetzt nicht, ob
das jetzt ein Argument ist, aber anscheinend geht es auch ohne, die haben halt immer
nachgefragt, waren bei jeder Supervision dabei und haben halt auch sich interessiert“
(B4, Abs. 91).
Experte 6 geht davon aus, dass eine gute Haltung und Intention nicht ausreichend sind,
um längerfristig eine Beziehung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen gestalten
92
zu können. Er ist der Meinung, es sei nicht unbedingt relevant, Wissen zu diesen The-
men aufzuweisen, um Beziehungen aufbauen zu können, jedoch um diese erhalten zu
können und Bindungskorrekturen zu ermöglichen, ist ein gewisses Grundwissen unver-
zichtbar.
„Ich würde da differenzieren zwischen Beziehung schnell aufbauen, ich kann eine Be-
ziehung innerhalb der ersten fünf Minuten aufbauen, ähm, oder langfristig an einer Bin-
dung zu arbeiten und wenn ich auf Bindungsebene arbeite, da ist es eigentlich unab-
dingbar, da auch Fachwissen und Kompetenzen zu haben“ (B6, Abs. 21).
Aus- und Weiterbildung der Befragten
Alle Befragten haben eine psychosoziale oder pädagogische Grundausbildung absol-
viert, in der vereinzelt bereits einige dieser Themenbereiche behandelt wurden. Die
meisten betonten jedoch, dass sie sich erst im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen
und Praxiserfahrungen spezifischeres Wissen zu den Themen aneignen konnten.
Neben den Erfahrungen und dem Wissen, die während der Tätigkeit in der Einrichtung
angeeignet werden konnten, werden in sämtlichen Einrichtungen der Befragten regel-
mäßig Fortbildungen zu verschiedenen Themenbereichen wie sexuelle Gewalt, Gewalt-
pädagogik etc. angeboten, die besucht werden können und zum Teil sogar verpflichtend
sind.
„Ja was halt generell laufend an Fortbildungen angeboten wird und da sollten wir alle
besuchen, nicht alle die gleichen Fortbildungen, sondern halt wenn möglich durchmi-
schen (..) ja und es gibt dann auch Fortbildungsverpflichtungen“ (B1, Abs. 103).
Wie erwähnt, bieten die meisten Einrichtungen Bücher an, in denen nachgelesen werden
kann. Einige Befragte gaben an, dieses Angebot zu nützen, selbst wenn es nur darum
geht, sich rasch Informationen zu einem bestimmten Thema zu beschaffen.
„(…) also wir haben auch in der Firma quasi eine Bibliothek für Fachliteratur, da kann
man sich immer wieder was ausborgen, z.B. habe ich zu Beginn meiner Arbeit auch, da
habe ich mal ein Buch gehabt, wo ich gesagt hab, da möchte ich noch ein bisschen ein
Fokus darauf bekommen, oft sind es Methodenbücher und da liest man dann ja nicht
alles, sondern man liest sich halt die einzelnen Methoden durch, so was gibt es so für
Möglichkeiten“ (B3, Abs. 85).
93
8.4.2 Selbstreflexion und Selbsterfahrung
Bei dieser Kategorie geht es um die Selbstreflexion und Selbsterfahrung der Teilnehme-
rInnen; dabei ist relevant, welchen Stellenwert die Selbsterfahrung für die Befragten hat,
welche Aspekte der Selbstreflexion für sie eine besondere Rolle spielen, ob Möglichkei-
ten der Selbsterfahrung von den Einrichtungen zur Verfügung gestellt und ob diese ge-
nützt werden.
Selbstreflexion ist laut Weiß anfangs aufwendig und belastend, jedoch notwendig, um
Belastungen zu reduzieren. Damit subjektive Wahrnehmungen und emotionale Verzer-
rungen, z.B. auf Grund eigener Übertragungen, vermieden werden können, ist ein Be-
wusstsein der eigenen Lebens- und Lerngeschichte notwendig (vgl. Weiß 2016a, S.
227). Die meisten Befragten sind sich darin einig, dass gerade in psychosozialen Be-
rufsfeldern und vor allem bei der Arbeit mit traumatisierten Menschen Selbstreflexion
und Selbsterfahrungen einen großen Stellenwert einnehmen. Selbsterfahrung und
Selbstreflexion beinhalten für die Befragten vor allem, die Angebote der Einrichtung wie
Supervision, Teamsitzungen, Intervision etc. regelmäßig zu nutzen.
„Also Selbsterfahrung hat definitiv glaube ich einen der höchsten Stellenwerte. Wir ha-
ben monatlich, also einmal im Monat, Supervision, für zwei Stunden, bei Bedarf kann
man Einzelsupervision haben, aber den habe ich noch nie in Anspruch genommen, In-
tervision haben wir, wenn wir es brauchen und ich finde es total wertvoll und total wichtig“
(B6, Abs. 45).
Gerade in psychosozialen Berufen ist es sehr wichtig, sich mit sich selbst auseinander-
zusetzen, schon deshalb, damit mit emotionalen Belastungen besser umgegangen wer-
den kann, aber auch, um eigene Anteile und eigene Übertragungen zu erkennen.
„Ich finde, das ist eines der wichtigsten Dinge, vor allem in dem Beruf, weil so wie ein
Koch sein Messer schleifen muss, muss ich mich mit mir selbst auseinandersetzen, denn
ich bin mein Werkzeug und wenn ich das nicht tue, kann es zum einen passieren, dass
ich dadurch verkümmere, einfach weil wir unter einer hohen emotionalen Belastung Tag
für Tag stehen und umso wichtiger ist es, dass ich mich um mich selber kümmere und
mir anschaue, was sind meine Anteile und was machen die Dinge mit mir (..) und auch
für die Kinder natürlich, weil gerade oft in Konflikten Dinge von den Personen mitschwin-
gen, die jetzt mit der Person, die im Konflikt ist, oft gar nichts zu tun hat und das kann
einem Erwachsenen genauso passieren wie einem Kind, klarerweise, wenn man in einer
Emotion drinnen ist, kann auch ich etwas übertragen und deshalb ist die Selbsterfahrung
94
oder Selbstreflexion oder Selbstwahrnehmung, wie auch immer man das nennen mag,
umso wichtiger, um dann auch die Möglichkeit zu haben, das zu erkennen“ (B3, Abs. 31).
Auch Experte 6 erklärt sehr detailliert, wieso die Selbstreflexion gerade bei Übertra-
gungs- und Gegenreaktionsphänomenen und Reinszenierungen von solcher Bedeutung
ist. Er ist der Ansicht, dass die Selbstreflexion einen wichtigen Stellenwert in den Bezie-
hungen zu den Kindern und Jugendlichen einnimmt. Auch er betont, dass man selbst
das Werkzeug ist, das man in der Interaktion mit den KlientInnen hat, und dass Zeitin-
vestitionen in das Selbst nie verfehlt sind (vgl. B6, Abs. 49).
„Also ich glaube die Selbstreflexion hat eine sehr hohe Bedeutung, wie die einfließt in
die Beziehung, (...) ich denke mir, dass Kinder und Jugendliche versuchen, Beziehungs-
erfahrungen wieder zu erleben, die sie erleben, weil das Sicherheit gibt, also wenn ein
Kind eine Missbrauchserfahrung gemacht hat oder das ganze Leben hindurch Miss-
brauchserfahrungen gemacht hat, dann kann das Kind damit umgehen, dann hat es
nichts anderes gelernt und wenn das Kind mich jetzt kennenlernt und ich bin ganz an-
ders, dann ist das mal bedrohlich, deswegen versucht das Kind, dass ich vielleicht ähn-
lich agiere wie das bisherige Umfeld und versucht, mich mit Übertragungen und Rein-
szenierungen da reinzukriegen und ich finde das komplett normal, dass man in der Ge-
genübertragung in gewisse Positionen rutscht und in Übertragungen hineinrutscht, ich
meine wir sind Menschen, das muss fast passieren, und dann finde ich die Selbstrefle-
xion extrem wichtig, dass man sich einfach darüber bewusst wird, was man tut und dann
die Möglichkeit hat, anders zu agieren als bisherige Bindungspersonen von den Klienten,
weil dadurch das Kind lernt: ‚Okay es gibt auch Menschen, die sind nicht missbräuchlich,
die wahren meine Grenzen‘“ (B6, Abs. 51).
Auch Expertin 1 geht ausführlich auf die Wichtigkeit von Selbstreflexion ein und erwähnt
in diesem Zusammenhang Beziehungsfallen, in die pädagogische Fachkräfte leicht tap-
pen, wenn sie sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen.
„Also bei diesen Beziehungsfallen muss man halt schon aufpassen, das passiert halt bei
psychisch belasteten Jugendlichen schon, aber das ist jetzt nicht negativ zu werten, es
wird halt oft als manipulativ betrachtet, aber es ist halt einfach die Projektionsfläche, die
Bezugsbetreuung ist die komplette Projektionsfläche des eigenen Ichs der Klientin und
das muss man wissen, man muss sein Bindungsverhalten kennen, man muss seine ei-
gene Biografie kennen, aber eh wie ich es gesagt habe, aufpassen, wo tappt man hin-
ein? Wo könnte es problematisch werden? Kann man mit Aggressionen umgehen? Wie
95
ist es, wenn zum Beispiel Klientinnen streiten? Was springt bei mir da selber an?“ (B1,
Abs. 63).
Selbsterfahrung und Selbstreflexion finden bei den meisten Interviewten hauptsächlich
durch die Einrichtung und das Team mit Angeboten der Einrichtung statt. Wie schon zur
Kategorie „Wissen und Kenntnisse“ erwähnt, sind dies Angebote wie Supervision und
Teamsitzungen, die nicht nur das eigene Fachwissen erweitern, sondern darüber hinaus
bei der Selbstreflexion helfen. Expertin 1 und 2 haben Selbstreflexion stark in ihre Teams
integriert.
„(…) ich glaube, dass Selbstreflexion in der Traumapädagogik einen sehr hohen Stel-
lenwert hat, weil es ohne dem nicht funktioniert, weil die Reflexion an sich selbst einfach
eine der wichtigsten Faktoren ist, ja. Wir machen das sehr intensiv im Team, wo es dann
auch oft ein bisschen reibungsvoll zugeht, dann gehe ich in Einzelsupervision und wir
haben auch einfach ganz viel Intervision im Team“ (B2, Abs. 41).
Da Expertin 1 zur Teamleitung ihrer Einrichtung gehört, macht sie MitarbeiterInnen, die
länger keine Möglichkeit der Selbsterfahrung in Anspruch genommen haben, darauf auf-
merksam.
„Selbstreflexion hat generell, und auch im Team, einen sehr großen Stellenwert, weil es
einfach wichtig ist, man muss wissen: ‚Was sind die eigenen Grenzen? Was sind die
eigenen Knackpunkte?‘ Wenn man das nicht weiß, tut man sich in der Arbeit mit trau-
matisierten Menschen sicher sehr schwer und nachdem wir das eben auch in den Mit-
arbeitergesprächen immer wieder thematisieren, auch in den Teamsitzungen, immer
wieder, und wenn man merkt, die Mitarbeiterinnen haben schon länger keine Supervi-
sion oder Selbsterfahrung gemacht, dann weist man darauf hin: ‚Schau hin, mach das,
also das Budget ist da und es ist ganz wichtig!‘“ (B1, Abs. 55).
Möglichkeiten der Selbsterfahrung
Bei allen Befragten ist die Möglichkeit der Selbsterfahrung durch die Einrichtung gege-
ben: durch Teamsitzungen, Teamsupervision und Intervisionen. Bei Bedarf gibt es bei
allen die Möglichkeit der Einzelsupervision, wobei eine Expertin betont, dass es nicht so
einfach ist, die Möglichkeit der Einzelsupervision eingeräumt zu bekommen, denn der
Bedarf muss gut begründet sein (vgl. B3, Abs. 41). Supervisionen und Teamsitzungen
finden bei allen regelmäßig statt und sind zum Teil verpflichtend.
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„(…) wir haben ein Stundenkontingent an Teamsupervision von (…) ca. 20 Stunden im
Jahr und wir teilen uns das dann selber ein, weil eine Stunde ist eine Einheit, die ist
meistens zu wenig, das heißt, wir machen dann so einen Vormittag mit eineinhalb oder
zwei Stunden, so alle zwei bis drei Monate einmal“ (B3, Abs. 37).
Experte 6 betont, dass es in seiner Einrichtung in der mobilen Betreuung generell so
gehandhabt wird, dass man das bekommt, was man fordert. Vor allem ist hier die
schnelle Absprache mit dem Team nicht gegeben, lediglich eine telefonische.
„(…) also es ist bei uns in der Firma ein bisschen so, man kriegt das, was man einfordert,
wenn ich sage, ich brauche nichts, dann kriege ich nichts. Ich meine die monatliche Su-
pervision findet immer statt (…) aber wenn ich jetzt sage (…), das ist jetzt eine heftige
Zeit, ich brauche jetzt einfach mehr und ich brauche Intervision oder Teambesprechung,
dann kann ich es einfach selber organisieren und ja, (…) also ich nehme es eigentlich
total gerne in Anspruch, ich bin auch wirklich jedes Monat, wenn es möglich ist, bei der
Supervision dabei, wir haben extrem viel Austausch, hauptsächlich übers Telefonieren
(…)“ (B6, Abs. 47).
Alle Befragten geben an, Supervisionen und Teamsitzungen regelmäßig zu besuchen
und diese für sehr wichtig zu halten. Die Einzelfallsupervision wird von den meisten kaum
in Anspruch genommen. Zwei Befragte betonen, Einzelfallsupervisionen bei Bedarf re-
gelmäßig zu nutzen, z.B. dann, wenn es im Team zu reibungsvoll zugeht (vgl. B2,
Abs. 41; B3, Abs. 41).
„Also ich finde Supervision unheimlich wichtig und auch Teamsitzungen, alleine für den
Austausch. Bei Bedarf gibt’s auch die Möglichkeit zur Einzelsupervision“ (B5, Abs. 81).
Zwei ExpertInnen haben auch privat viel Selbstreflexion und Selbsterfahrung im Alltag
verankert, wobei sich beide in einer psychotherapeutischen Ausbildung befinden und
hierfür viel Selbsterfahrung notwendig ist (vgl. B1, Abs. 34; B6, Abs. 47).
8.4.3 Selbstfürsorge
Auch die Selbstfürsorge ist nach Weiß eine der wichtigsten Kompetenzen pädagogi-
scher Fachkräfte. Sie umfasst den Erhalt der psychischen Unversehrtheit bzw. die Ver-
hinderung von Burnout (vgl. Weiß 2016a, S. 230).
Mit dieser Kategorie wurde gefragt, welchen Stellenwert die Selbstfürsorge für die Inter-
viewten hat und wie sie ihnen gelingt. Dabei ist ferner relevant, wie die Befragten Beruf
97
und Freizeit vereinbaren. Versuchen sie diese Bereiche zu trennen oder sogar sinnstif-
tend zu verbinden? Gelingt es ihnen, sich privat von beruflichen Belastungen abzugren-
zen?
Auch hier waren sich alle Beteiligten darin einig, dass die Selbstfürsorge einen sehr ho-
hen Stellenwert einnimmt, wobei sie einigen mehr und anderen weniger gut gelingt. Ex-
pertin 2 geht davon aus, dass Selbstfürsorge etwas ist, in das man mit der Zeit durch die
berufliche Erfahrung hineinwächst.
„Selbstfürsorge ist sehr wichtig, weil ich sehr intensiv arbeite und wenn ich da bin, dann
bin ich zu 100% da und das gelingt mir mittlerweile sehr gut, aber ich denke, das ist
etwas, in das man hineinwachsen muss, was Betreuerinnen, die frisch bei uns im Haus
sind, fast nie an den Tag legen können, weil man es einfach nicht kann, aber wenn ich
rausgehe, versuche ich mir keine Gedanken zu machen“ (B2, Abs. 51).
Expertin 3 betont, dass die Selbstfürsorge bei ihr zu kurz kommt, aber eigentlich einen
hohen Stellenwert für sie hat.
„Eigentlich sollte die Selbstfürsorge einen sehr hohen Stellenwert haben, aber ich nehme
mir dann vielleicht zu selten die Zeit dafür, wegen Stress oder weil immer andere Dinge
wichtiger sind. Aber prinzipiell, ich bin Teamleiterin und wenn es meinen Kolleginnen
schlecht geht, dann bin ich die Erste, die sagt: ‚Jetzt schau einmal, was du für dich selber
tun kannst!‘ Selber bin ich da nicht so genau mit mir und ich müsste mir da hin und wieder
selber ein bisschen in den Arsch treten, aber es ist eines der wichtigsten Dinge“ (B3,
Abs. 53).
Für Expertin 1 hat die Selbstfürsorge ebenfalls einen hohen Stellenwert. In diesem Zu-
sammenhang erwähnt sie ein stabiles Team, das sich nicht nur positiv auf die Mitarbei-
terInnen, sondern zudem auf die KlientInnen auswirkt.
„Auch einen recht großen, (…) das Team ist perfekt, das ist stabil und das merken auch
die Klientinnen, wäre ein Teamwechsel, das war früher zu den Anfangszeiten des Hau-
ses sehr stark, dass die Mitarbeiterinnen mit der Arbeit einfach nicht klargekommen sind,
die haben natürlich gekündigt und da war ein totales Wechselspiel im Team und das hat
man nicht nur im Team, sondern auch bei den Klientinnen gemerkt, also die halten das
überhaupt nicht aus und jetzt ist das Team seit sechs Jahren mehr oder weniger stabil,
außer auf Karenzzeiten, aber das kann man sich eh nicht aussuchen, und so ist halt
auch die Selbstfürsorge ein wesentlicher Punkt“ (B1, Abs. 67).
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Expertin 2 betont, dass es für die Selbstfürsorge sehr wichtig sei, die Angebote der Ein-
richtung zu nutzen und sich fachlich weiterzuentwickeln. Ebenso wichtig ist es ihr, Ru-
hephasen einzuhalten, Überstunden zu vermeiden sowie den Urlaub wirklich zu genie-
ßen.
„(…) mir ist das sehr wichtig, dass Ruhephasen richtig eingehalten werden, dass keine
Überstunden gemacht werden, dass Urlaub richtig genutzt wird, dass regelmäßig Urlaub
genutzt wird, dass man sich da auslassen kann, dass man menschlich sein kann und
nicht immer fachlich sprechen muss und ja (…), dass man Supervisionen nutzt, dass
man Intervisionen nutzt, weil damit ein fachlicher Aspekt nicht verlorengeht, das oft so
schwierig, wenn man sehr viel abgekriegt hat, dass man dann wieder einen Schritt nach
außen geht und fachlich dann einfach nach vorne schaut (...) und dass man Fortbildun-
gen macht, dass man an der Weiterentwicklung arbeitet“ (B2, Abs. 69).
Maßnahmen zur Selbstfürsorge
Selbstfürsorge gelingt den meisten Befragten durch soziale Kontakte wie Freunde, Fa-
milie und das Team. Zwei ExpertInnen betonten, dass in psychosozialen Feldern ein
stabiler Freundeskreis sehr wichtig ist, bei dem man sich einmal über die Arbeit auslas-
sen kann und der einfach zuhört, ohne zu werten.
„Also Freunde sind einfach ein Thema (...) ein stabiler Freundeskreis, der (..) versteht,
also das ist glaub ich eines der wichtigsten Dinge, der versteht, um was es bei der Arbeit
geht, weil ich kann nichts weniger leiden, als jemand, der dann sagt (..) man erzählt
irgendwie: ‚Das war voll zach, das war voll anstrengend und jetzt macht es mir noch
etwas aus‘, und dann kommt so etwas wie: ‚Wieso hast du nicht das oder das gemacht?‘“
(B3, Abs. 59).
„Ja ist schon wichtig, dass man jemanden hat zu Hause oder irgendwo im Freundeskreis.
Ich mein, man nimmt schon (…) trotzdem Sachen mit heim, du gehst jetzt nicht da raus
und sagst: ‚Mir ist alles wurscht‘, weil dir die Kinder irgendwie ans Herz wachsen und du
bist ja verantwortlich und du willst einen guten Job machen und da ist dann schon super,
wenn du jemanden zu Hause hast, der zumindest zuhört, er muss es nicht verstehen“
(B4, Abs. 59).
Ein stabiles Team spielt für einige Befragte ebenfalls eine bedeutende Rolle. Zwei Ex-
pertInnen gaben an, dass intern in der Einrichtung dafür gesorgt wird, dass Selbstfür-
99
sorge möglichst in der Arbeit verankert ist, indem sich das Team gut untereinander ver-
steht und austauscht und nicht nur während der Dienstzeiten, sondern auch privat viel
miteinander unternimmt. Ein fester Zusammenhalt des Teams gibt dabei nicht nur beruf-
lich, sondern auch privat eine Menge Kraft.
„(…) ich glaube, dass das Team ein total wichtiger Faktor ist und wir sind ein sehr stabi-
les Team, wir verstehen uns sehr gut, mir ist das sehr wichtig“ (B2, Abs. 67).
Expertin 1 erwähnt in diesem Zusammenhang, dass es darauf ankommt, im Urlaub in
der Privatzeit nicht immer erreichbar zu sein und die „Auszeit“ wirklich bewusst zu nut-
zen; dabei ist vor allem ein stabiles Vertrauen zum Team ein wesentlicher Aspekt.
„(…) wir fahren regelmäßig auf Urlaub auch in der Privatzeit, also wir verstehen uns recht
gut. Also Urlaub wird sehr groß geschrieben und dann ist man im Urlaub auch nicht
erreichbar als Mitarbeiterin. Ich und noch drei Kolleginnen sind die Geschäftsführung
hier drinnen, wir sind schon erreichbar, aber grundsätzlich können wir sagen, Urlaub ist
Urlaub und wir haben Vertretungen und die regeln das. Also man ist nicht ständig immer
irgendwie vor Ort und ständig emotional irgendwie da drinnen und das ist schon gut, weil
es gibt oft Teams, oder oft (..) wie soll ich sagen, Arbeitgeber, da muss man immer per-
manent erreichbar sein, ja und da kann man nicht abschalten, da kann man nicht sagen,
das ist jetzt ein Job, dann geh ich heim, da muss man einspringen für jemanden und das
ist hier nicht so, das ist hier gut strukturiert und personaltechnisch wirklich super geregelt
und das ist schon viel wert. Also diese Auszeiten zu nehmen und auch bewusst zu leben
(…)“ (B1, Abs. 67).
Expertin 1 hebt erneut das Team und die Teamsitzungen hervor, die stabilisierend wir-
ken. Weiters hilft es ihr, durch den langen Arbeitsweg besser abzuschalten und daheim
anzukommen, ohne Emotionen mit nach Hause zu nehmen.
„(…) ja ich finde halt Psychohygiene ist da ganz ein wesentlicher Punkt, weil die Arbeit
ist anstrengend, das kann man nicht leugnen, sie ist auch sehr lustig, aber es gibt halt
Dienste, die sind wirklich anstrengend und dann hat man das Team, was eigentlich auch
stabilisiert. Teamsitzungen, wo man Gespräche führt, ja das hilft dann schon viel. Was
auch sehr hilft ist: Die meisten von uns sind aus Graz, also eine halbe Stunde Anreise,
also man setzt sich nach dem Dienst ins Auto und irgendwie ist die Autofahrt schon
ausreichend, dass man dann in Graz ankommt, und es ist dann so quasi erledigt, die
Emotion oder diese Zeitspanne hilft mir persönlich schon, also das ist mir schon oft auf-
gefallen (…)“ (B1, Abs. 63).
100
Neben den sozialen Kontakten wurde Lesen als wichtiger Ausgleich zum Beruflichen
genannt. Hierbei verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit, da einige Be-
fragte angaben, neben Büchern, die dem Vergnügen dienen, gerne Fachbücher in ihrer
Freizeit zu lesen, z.B. zu Trauma und Traumapädagogik, psychischen Störungen usw.
Neben den Teamsitzungen und Supervisionen durch die Einrichtung gibt es für die meis-
ten die Möglichkeit, mit PsychologInnen oder TherapeutInnen zu sprechen.
„Die Möglichkeit mit Psychologen zu sprechen war immer da, auch die Leiterin war Psy-
chologin, die Türen waren immer offen“ (B4, Abs. 73).
Weitere Tätigkeiten bzw. Aktivitäten zur Selbstfürsorge sind Lesen, Sport, Wandern,
Schwimmen, Humor, Fortgehen, Zeit für sich allein haben, Theater und feste Rituale.
Beruf und Freizeit
Nach Weiß muss im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen, über die
bisherigen Möglichkeiten der Selbstfürsorge hinaus, auf Basis der bisherigen Burnout-
Forschung weitergedacht werden. So wird zumeist empfohlen, Freizeit und Beruf zu
trennen, um ein Burn-Out zu verhindern. Dies scheint Weiß zufolge jedoch nicht das
Anliegen aller PädagogInnen zu sein (vgl. Weiß 2016a, S. 230). Aufgrund des Ansatzes,
Freizeit und Beruf sinnstiftend zu verbinden, lautete die erste Frage an die ExpertInnen,
welchen Ansatz sie bevorzugen. Aus den Gesprächen ergab sich, dass es den meisten
eher ein Anliegen ist, diese Bereiche zu verbinden.
Expertin 1 betont, dass es ihr eigentlich am Herzen liegt, Beruf und Privates strikt zu
trennen, vor allem, weil sie als Leiterin eine größere Verantwortung trägt. Allerdings be-
tont sie, Elemente aus ihrem privaten Bereich öfters in den Beruf einfließen zu lassen.
„Also für mich in der Fallführung ist es extrem wichtig, Berufliches und Privates zu tren-
nen, was aber nicht heißt, dass ich nicht gewisse Informationen über mich oder mein
Leben und meine Biografie auslasse, das auf jeden Fall, weil es ja wichtig ist, die meisten
sind da in einer Pubertätskrise hier drinnen und da kann man schon einmal erzählen,
wie es früher bei mir oder bei uns war, aber mir persönlich ist es extrem wichtig, dass
sie nicht wirklich zu viel über mein jetziges Privatleben Bescheid wissen, dass sie keine
privaten Telefonnummern haben, sie wissen nicht, wo ich wohne, also das ist für mich
ganz strikt geregelt“ (B1, Abs. 71).
Auch Expertin 3 führt an, Privates und Berufliches sinnstiftend zu verbinden, indem sie
den KlientInnen auch Sachverhalte ihres privaten Lebens mitteilt.
101
„Das gefällt mir sinnstiftend zu verbinden. Also wir leben mit den Kindern eigentlich, oder
die Kinder leben mit uns. Wir sind in ihrem privaten Wohnraum tätig, überschreiten wahr-
scheinlich täglich Grenzen, für sie sind wir Begleiter und Erziehungsberechtigte und eine
der effektivsten Methoden, die ich bis jetzt kennengelernt habe, war aus den eigenen
Erfahrungen zu erzählen, weil die Kinder hin und wieder das Gefühl haben, dass wir
perfekt sind, wir haben einen Job und es passt irgendwie alles und gerade dann passt
es, wenn man einmal teilt (…) also einfach so ein bisschen was erzählen und auch bei
schlimmeren Dingen, bei Todesfällen oder so, die Kinder merken, dass es einem nicht
so gut geht und da ehrlich zu sein, wenn man in die Einrichtung kommt (…) ist eines der
wichtigsten Dinge, weil die Kinder ja spüren, wenn es einem nicht gut geht (…)“ (B3,
Abs. 55).
Experten 6 ist es ein großes Anliegen, Berufliches und Privates sinnstiftend zu verbin-
den. Er meint, dass es im psychosozialen Bereich gar nicht möglich sei, Privates und
Beruf strikt zu trennen.
„(…) wenn man was wirklich gerne macht, dann beschäftigt man sich auch privat damit,
ich glaube, es gibt keinen Sportler, der sagen würde, er macht privat keinen Sport. Und
klar bilde ich mich fort und beschäftige mich mit mir selber und setze mich mit meiner
eigenen Biografie auseinander und so das Thema das Private vom Beruf zu trennen,
finde ich ganz spannend, ich habe das eine Zeit lang total wichtig gefunden, da eine
klare Grenze zu ziehen. Ich gehe jetzt ein bisschen in die andere Richtung und denke
mir, eigentlich ist es komplett widernatürlich zu sagen: ‚Ich spalte den Teil von mir ab
und das ist mein Arbeitsteil‘, weil dann mache ich eigentlich genau das, was eigentlich
Thema von einem Trauma ist, nämlich die Dissoziation, zu sagen: ‚Ich habe einen Teil,
da bin ich nur in der Arbeit‘, ich übertreibe es jetzt gerade vielleicht ein bisschen. Und
einen anderen Teil, da bin ich zu Hause und da bringe ich eine Trennung rein, deshalb
darf ich Privat und Beruf nicht vermischen, das finde ich ein bisschen gefährlich, weil
man einfach selber als Mensch so ein Ganzes ist und ich kann nicht sagen, ich klammer
mich aus, wenn ich in die Arbeit gehe, weil ich immer ich bin“ (B6, Abs. 61).
Zuletzt wurden die Fachkräfte gefragt, ob es ihnen gelingt, sich privat von schwierigen
Beziehungen zu KlientInnen abzugrenzen oder ob sie Probleme öfters mit nach Hause
nehmen. Expertin 1 betont, dass es als Pädagogin in diesem Bereich notwendig sei, sich
abgrenzen zu können.
102
„Ich bin seit zehn Jahren in Graz im Rettungsdienst und wenn ich da jede Geschichte
mit heimnehmen würde, dann wäre ich fehl am Platz und bei dem Job ist das halt wichtig,
dass man sich ein bisschen abgrenzen kann von dem Ganzen“ (B1, Abs. 81).
Expertin 3 beschreibt, dass es ab und zu schwierig ist, Probleme nicht mit nach Hause
zu nehmen, allerdings zweifelt sie nicht an sich selbst, sondern sieht die Probleme in
den äußeren Umständen verankert.
„(...) Prinzipiell versuche ich Schwierigkeiten und Probleme eigentlich nicht mit heim zu
nehmen, aber es gibt halt Tage, wo man genug hat, also für mich ist es dann so z.B.,
wenn ich tagtäglich, also ich bin oft sehr geballt und sehr viel in der Firma, dann mag ich
dann auch einfach niemanden sehen, weil ich genug habe von Menschen (lacht) (…).
Ich glaube, dass ich dann einfach mal ein bisschen Zeit für mich brauche (…) aber prin-
zipiell glaube ich nicht, also habe ich mich selber noch in Frage gestellt oder an mir
gezweifelt, wenn eine Beziehung nicht funktioniert, weil es nicht an dem eigenen Nichts-
Können liegt, sondern weil die Beziehung halt einfach noch nicht so weit ist und deshalb
denke ich dann oft gar nicht so stark darüber nach, also da belasten mich irgendwie laute
Konflikte oder solche Sachen mehr, weil ich dann noch einmal meine Schritte durch-
denke, als wenn dann etwas nicht gleich von Anfang an gelingt, weil es braucht halt
manchmal einfach mehr Versuche und das hat dann nichts mit der Qualität von der Ar-
beit zu tun“ (B3, Abs. 57).
Expertin 4 und 5 betonen ebenso, dass es manchmal schwierig ist, sich abzugrenzen,
aber dass es mit der Zeit eher gelingt und dass dies die Freizeit nicht beeinflussen sollte.
„Manchmal ist es schon schwierig, sich da abzugrenzen, natürlich denkt man dann mehr
darüber nach, aber irgendwann merkst du, es gibt auch ein anderes Leben (…) und es
ist wichtig, dass man dann auch mal abschalten kann“ (B4, Abs. 65).
„Also es ist jetzt nicht so, wenn du vom Dienst heimgehst, dass du dann wie beim Com-
puter abschaltest und das war es, natürlich hast du schon so Gedanken wie: ‚Das
nächste Mal könnte ich es besser machen‘, aber das soll jetzt nicht dein (...) Leben be-
einflussen bzw. deine Freizeit“ (B5, Abs. 97).
8.5 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse Die Ergebnisse werden in diesem Abschnitt noch einmal zusammengefasst und mit der
theoretischen Ausarbeitung in Verbindung gebracht. Die Resultate werden nach den
zwei großen Themenbereichen „Beziehungsgestaltung“ und „Kompetenzen der Fach-
kräfte“ gegliedert und diskutiert.
103
Wie sich in den Gesprächen herausstellte, gingen die pädagogischen Fachkräfte mit
traumapädagogischer Zusatzausbildung intensiver auf meine Fragestellungen ein und
konnten diese mit breiterem Fachwissen beantworten. Davon abgesehen, wiesen die
Antworten deutliche Parallelen zur Literatur auf. Generell zeigten die pädagogischen
Fachkräfte mit einer traumapädagogischen Zusatzausbildung mehr Interesse daran, an
dieser Erhebung teilzunehmen, was vermutlich am Titel dieser Arbeit liegt. So kann da-
von ausgegangen werden, dass sich Fachkräfte ohne traumapädagogische Zusatzaus-
bildung aufgrund des traumapädagogischen Schwerpunkts dieser Arbeit vom Anschrei-
ben per Mail nicht so stark angesprochen fühlten.
Beziehungsgestaltung
Positive Beziehungserfahrungen sind ein wesentlicher Beitrag zur Bearbeitung eines
Traumas (vgl. Weiß 2016b, S. 27). Damit korrigierende Bindungserfahrungen möglich
werden können, berücksichtigt die Traumapädagogik die bisherigen Bindungserfahrun-
gen der Kinder und Jugendlichen in der Beziehungsgestaltung. Die aktuellen Beziehun-
gen sind stets geprägt von früheren Bindungserfahrungen (vgl. Lang 2013, S. 187). Aber
selbst dann, wenn die früheren Bindungserfahrungen fast ausschließlich negativ waren,
können transparente und verlässliche Beziehungsangebote dazu beitragen, dass Kinder
und Jugendliche Vertrauen fassen und ein sichereres Bindungsverhalten erlernen. Kon-
tinuierliche Bezüge entscheiden u.a. darüber, ob Bindungsmodelle korrigiert werden
können (vgl. Weiß 2016a, S. 112f.).
Die Untersuchung konnte einen Einblick darin geben, wie pädagogische Fachkräfte die
Beziehungen zu traumatisch belasteten Kindern und Jugendlichen gestalten und auf
welche Aspekte sie besonderen Wert legen, damit diese Beziehungen gelingen. Wie die
Fachkräfte die Beziehungen gestalten, fällt zum Teil sehr unterschiedlich aus, wobei es
mehrere Parallelen bei den Fachkräften mit traumapädagogischer Ausbildung gibt. Ob
die Beziehungen der PädagogInnen zu den Kindern und Jugendlichen auch korrigie-
rende Bindungserfahrungen gestatten, war nicht Bestandteil der Erhebung, da sich dies
meines Erachtens in ExpertInneninterviews schwer eruieren lässt. Alle Befragten beton-
ten aber, dass Beziehungen für die Traumabearbeitung sehr wichtig sind. Wie sich in
den Interviews herausstellte, weisen alle Befragten in ihrer Einrichtung ein Bezugsbe-
treuungssystem vor, wobei die meisten zwar einen organisatorischen Vorteil in diesem
System sehen, aber keinen Maßgeblichen, was die Beziehung zu den KlientInnen an-
geht. Ferner stellte sich heraus, dass für die Befragten ähnliche Aspekte in der Bezie-
hungsgestaltung eine Rolle spielen, die auch die traumapädagogische Literatur betont,
104
wie Vertrauen, Kontinuität, Fachwissen etc. Vor allem die Grundhaltung der Traumapä-
dagogik spielt bei vielen in die Beziehungsgestaltung hinein. Das Konzept des guten
Grundes und die Transparenz sind für die meisten Befragten für die Beziehungsgestal-
tung maßgeblich. Das Konzept des guten Grundes ermöglicht es den Fachkräften, eine
Haltung einzunehmen, die das Verhalten der Kinder und Jugendlichen nicht als negativ
und destruktiv wertet. Durch diese Haltung sind die Fachkräfte verständnisvoller und
wertschätzender gegenüber ihren KlientInnen. Durch Transparenz in der Beziehungsge-
staltung erleben Kinder und Jugendliche einen Gegensatz zur Willkür, die sie häufig in
ihren Herkunftsfamilien erdulden mussten. Transparenz beinhaltet auch den richtigen
Umgang mit Beziehungsabbrüchen, die für die Betroffenen sehr belastend sein können.
Viele der Kinder und Jugendlichen in sozialpädagogischen Einrichtungen haben bereits
zahlreiche Abbrüche hinter sich. Da sich Abbrüche nicht immer vermeiden lassen, z.B.
aufgrund von Karenz oder Kündigung einer Fachkraft, sollten diese zumindest klar und
schon sehr früh kommuniziert werden. Einige Befragte legen ferner großen Wert darauf,
insbesondere zu Beginn ihrer Beziehung zu den KlientInnen Beziehungsangebote zu
offerieren, ohne sich aufzudrängen oder die Beziehung zu erzwingen. Selbst wenn es
den Kindern und Jugendlichen schwerfällt, Vertrauen zu fassen, brauchen sie trotzdem
dieses Angebot (vgl. Weiß 2016a, S. 113). Die KlientInnen entscheiden selbst, wie
schnell und ob sie dieses Angebot annehmen möchten.
Ein breit abgehandeltes Thema in den Gesprächen waren Übertragung, Gegenübertra-
gung und Reinszenierungen. Alle Fachkräfte gaben an, mit diesen Phänomenen regel-
mäßig konfrontiert zu sein. Damit darauf adäquat reagiert werden kann, sind Selbstref-
lexion und Fachwissen zum Trauma unverzichtbar. Um eigene Übertragungen auf Kli-
entInnen zu minimieren, braucht es Selbstreflexionskompetenzen seitens der Fach-
kräfte. Das Team spielt in allen Bereichen eine maßgebliche Rolle; vor allem bei schwer-
wiegenden Problemen mit den KlientInnen gibt das Team Halt und bietet Lösungen oder
alternative Sichtweisen des Umgangs mit Problemen an.
Kompetenzen der Fachkräfte
Nach Weiß sind pädagogische Fachkräfte dann höheren Belastungen ausgesetzt, wenn
sie nicht über ausreichende Kenntnisse der Dynamik traumatischer Erfahrungen und der
Möglichkeit der Unterstützung durch Traumabearbeitung verfügen. Deshalb müssen
Grundlagen und Standards für den professionellen Umgang mit traumatisierten Kindern
und Jugendlichen geschaffen werden, um zu verhindern, dass die pädagogischen Fach-
105
kräfte aufgrund von Belastungen aufgeben und die Kinder und Jugendlichen weitere Be-
ziehungsabbrüche durchleben. Ferner braucht es, damit pädagogische Fachkräfte trau-
matisierte Kinder und Jugendliche optimal unterstützen können, zumindest drei Grund-
kompetenzen, die im Ansatz vorhanden sein sollten. Diese drei Grundkompetenzen sind
Wissen und Kenntnisse zu Trauma, Selbstreflexion und Selbstfürsorge (vgl. Weiß
2016a, S. 223f.).
Durch die teils chronisch traumatisierten Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen, die
im traditionellen Bereich der Heimerziehung häufig anzutreffen sind, wird die Professio-
nalität der Fachkräfte häufig auf eine harte Probe gestellt. Weiß schlägt daher vor, dass
Aus- und Fortbildungsinstitute Basiswissen über Kindesmisshandlung und über Trauma-
tisierungen vermitteln (vgl. ebd., S. 224). Generell wird psychotraumatologisches Wissen
und Wissen über die Bindungstheorie für die Traumapädagogik als besonders wichtig
erachtet. Dieses Wissen wurde auch in den Interviews stark hervorgehoben. Es erlaubt,
Zusammenhänge, Verhaltensweisen, Symptome der Kinder und Jugendlichen in den
Einrichtungen besser zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Ferner fließt
es auch in die eigene Haltung ein. Durch Fachwissen ist es möglich, wertschätzender
und verständnisvoller auf die KlientInnen einzugehen. Hier stellte sich heraus, dass die
meisten Fachkräfte im Rahmen ihrer Hochschulausbildung kaum Wissen zu diesen The-
men vermittelt bekamen. Allerdings betonen fast alle, dass sie sich im Zuge ihrer Tätig-
keit in ihrer Einrichtung reiches Fachwissen aneignen konnten und sich bei Bedarf ein-
schlägig informieren, z.B. durch Fachbücher oder Gespräche mit KollegInnen. Gerade
im Team wird sehr viel Wissen ausgetauscht und angeeignet, besonders durch interne
Angebote der Einrichtung wie Supervision und Teamsitzungen. Alle Fachkräfte besu-
chen regelmäßig Fortbildungen; diese sind zum Teil sogar verpflichtend. So betonen die
meisten Fachkräfte, dass das Aneignen von Wissen in sozialpädagogischen Einrichtun-
gen ein automatischer Prozess sei. Freilich braucht es zumindest ein grundlegendes
Interesse für dieses Tätigkeitsfeld.
Selbstreflexion wird in der Traumapädagogik groß geschrieben und gilt als eine wichtige
Kompetenz zur Reduktion von Belastungen (vgl. Weiß 2016a, S. 227). Die hohen Anfor-
derungen, die teilweise aufgrund der traumatischen Belastungen der Kinder und Jugend-
lichen an die PädagogInnen gestellt werden, setzen Selbstreflexion voraus. Durch Krän-
kungen seitens der Kinder und Jugendlichen kann die Reflexionsfähigkeit der pädago-
gischen Fachkräfte beeinträchtigt werden (vgl. ebd., S. 116). Um subjektive und emoti-
106
onale Wahrnehmungen und Verzerrungen zu minimieren, ist es notwendig, über die ei-
gene Lebens- und Lerngeschichte Bescheid zu wissen. Alle Menschen sind von Über-
tragungen betroffen; diese werden durch frühere Erfahrungen mitbestimmt. Damit ein
ungeprüftes Verharren auf Grundeinstellungen und Werte reduziert werden kann, ist die
bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheitsgeschichte notwendig; dies gilt
auch für das Beziehungsangebot. Eigene Bindungsmuster sollen wahrgenommen wer-
den, um die Bindungsmuster gegenüber den Kindern und Jugendlichen zu überprüfen
(vgl. ebd., S. 227). Auf institutioneller Ebene können durch Fall-, Team- oder Einzelbe-
ratungen Selbstreflexionsprozesse unterstützt, begleitet oder angeregt werden. Instituti-
onelle Versorgungsangebote wie Supervisionen sind bei der Arbeit mit traumatisierten
Kindern und Jugendlichen notwendig (vgl. Lang 2013, S. 213).
In den Interviews wurde die Wichtigkeit von Selbstreflexion und Selbsterfahrung eben-
falls betont. Wie erwähnt, spielt Selbstreflexion für die Befragten, vor allem im Zusam-
menhang mit Übertragungen und Gegenreaktionen, eine große Rolle. Bei den meisten
wird Selbstreflexion durch Supervisionen und Teamsitzungen intensiv im Team inte-
griert. Generell scheint es allen Befragten ein Anliegen zu sein, sich mit sich selbst aus-
einanderzusetzen und auch die eigene Biografie und eigene Bindungsmuster zu reflek-
tieren – auf der einen Seite deshalb, um nicht in Übertragungen und Gegenreaktionen
zu rutschen oder weitere Reinszenierungen bei den Kindern und Jugendlichen auszulö-
sen, auf der anderen Seite zur Selbstfürsorge. Durch eine selbstreflektierende Haltung
gelingt es z.B. besser, Verhaltensweisen oder kränkende Aussagen der KlientInnen
nicht persönlich zu nehmen, sondern angemessen damit umzugehen.
Selbstfürsorge scheint in psychosozialen Bereichen eine der wichtigsten Kompetenzen
zu sein. Durch die berufliche Belastung der Fachkräfte ist Selbstfürsorge ein notwendi-
ger Schutz vor Burnout bzw. vor der hohen Fluktuation in stationären Einrichtungen, die
sich auf die KlientInnen negativ auswirken kann. Im Umgang mit traumatisch belasteten
Kindern und Jugendlichen muss nach Weiß bezüglich der Selbstfürsorge über die bis-
herige Burnout-Forschung hinausgedacht werden. Damit ein Burnout vermieden werden
kann, wird meist eine Trennung von Arbeit und Freizeit empfohlen. Unter den Pädago-
gInnen besteht allerdings vielfach der Wunsch, Beruf und Freizeit sinnstiftend zu verbin-
den, weshalb eine strikte Trennung oft nicht stattfindet (vgl. Weiß 2016a, S. 230).
Für die Selbstfürsorge spielt das Team ebenfalls eine wichtige Rolle. Die internen Ange-
bote der Einrichtungen wie Teambesprechungen und Supervisionen sind in den Augen
der meisten Befragten sehr hilfreich. Generell wird die Wichtigkeit sozialer Kontakte (ein
107
stabiler Freundeskreis, die Familie und das Team) stark betont. Hier hilft es vielen, bei
anspruchsvolleren Arbeitstagen einfach nur über die Arbeit zu reden oder sich ein wenig
auszutauschen. Als weitere Maßnahmen der Selbstfürsorge wurden Freizeitaktivitäten
genannt, wie Sport, Theater, Wandern, Lesen etc. Weiters ist es manchen Befragten
wichtig, Freizeit und Urlaube intensiv zu nutzen. Ein striktes Trennen von Beruf und Frei-
zeit ist, wie die Interviews ergaben, den meisten pädagogischen Fachkräften kein Anlie-
gen. Sie verbinden Berufliches und Privates sinnstiftend, indem sie in ihren Beruf private
Elemente einbringen oder sich in ihrer Freizeit mit ihrem Beruf auseinandersetzen, in-
dem sie etwa Fachliteratur lesen. Ein Experte betont sogar, dass es in diesem Bereich
gar nicht möglich sei, Beruf und Privates strikt zu trennen. Einige wenige nehmen ab und
zu schwierige Themen mit nach Hause, wobei betont wird, dass dies kein Problem ver-
ursacht, solange es das Privatleben nicht maßgeblich beeinflusst.
108
9. Resümee
Die vorliegende Arbeit weist auf die Wichtigkeit der Beziehungsarbeit im Umgang mit
traumatisierten Kindern und Jugendlichen hin. Wie erwähnt, lauten die Forschungsfra-
gen dieser Untersuchung wie folgt:
1. Wie gestalten sich die Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und
traumatisierten Kindern und Jugendlichen?
o Welche Faktoren bzw. Aspekte sind für eine gelingende Beziehungsge-
staltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen von Bedeutung?
o Welche Probleme ergeben sich aus der Beziehungsgestaltung zwischen
traumatisierten Kindern bzw. Jugendlichen und pädagogischen Fachkräf-
ten und wie gehen Letztere damit um?
2. Welche Kompetenzen bringen die pädagogischen Fachkräfte in die Beziehungs-
gestaltung mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen ein?
Traumatisch belastete Kinder brauchen stabile Beziehungen. Durch stabile, kontinuierli-
che Beziehungen haben sie eine größere Chance auf Heilung bzw. Besserung. Viele der
Kinder und Jugendlichen in sozialpädagogischen Einrichtungen haben fast ausschließ-
lich negative Beziehungserfahrungen in ihrer Herkunftsfamilie erlebt, weshalb es für sie
oft eine komplett neue Erfahrung ist, dass Beziehungen auch positiv sein können. Die
Beziehungen zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen gestalten sich deshalb nicht
immer einfach, sie sind von Bindungstraumatisierungen und unsicheren Bindungsmus-
tern geprägt und häufig werden die pädagogischen Fachkräfte mit Reinszenierungen,
Übertragungen und Gegenübertragungen sowie mit destruktiven Verhaltensweisen kon-
frontiert. Die Traumapädagogik nimmt hierfür einen besonderen Stellenwert ein. Durch
ihre besondere Haltung und die Berücksichtigung psychotraumatologischen Wissens in
pädagogischen Prozessen stellt sie Möglichkeiten bereit, damit traumatisierte Kinder
und Jugendliche bessere Unterstützung erfahren und auch pädagogische Fachkräfte
besser mit beruflichen Belastungen umgehen können.
In den Interviews stellte sich heraus, dass die Traumapädagogik bei den meisten Be-
fragten in die Beziehungsgestaltung einfließt, wobei wie schon erwähnt, drei der sechs
Befragten eine abgeschlossene traumapädagogische Ausbildung vorweisen und eine
der Befragten sich gerade in dieser Ausbildung befindet. Zusammenfassend kann mithin
die erste Forschungsfrage, wie pädagogische Fachkräfte ihre Beziehungen zu traumati-
sierten Kindern und Jugendlichen gestalten, so beantwortet werden: Generell wurde von
109
allen Befragten die Wichtigkeit von Beziehungen in der Arbeit mit traumatisierten Kindern
und Jugendlichen betont. Wenngleich es Unterschiede in der Beziehungsgestaltung gibt,
so ist die Grundhaltung der Traumapädagogik für alle befragten Fachkräfte mit trauma-
pädagogischer Ausbildung ein fester Bestandteil ihrer Beziehungsgestaltung. Diese
zeichnet sich u.a. durch eine besondere Haltung aus, die in die Beziehungsgestaltung
einfließt und das Verhalten der traumatisierten Kinder und Jugendlichen nicht als de-
struktiv motiviert ansieht, sondern im Hintergrund vergangener Beziehungs- und Bin-
dungserfahrungen betrachtet. Auch Transparenz stellt eine Grundhaltung in der Trauma-
pädagogik dar und spielt für die meisten Fachkräfte in die Beziehungsgestaltung ein.
Generell ist Transparenz einer der wichtigsten Faktoren in der Beziehungsgestaltung.
Dazu gehört u.a., dass in der Einrichtung nichts in Geheimhaltung passiert, vor allem
wenn es die KlientInnen betrifft und dass auch eigene Fehlverhalten oder Launen der
PädagogInnen kommuniziert werden. Dadurch fällt es den Kindern und Jugendlichen
leichter Vertrauen zu schöpfen und sich auf die Beziehung zu den pädagogischen Fach-
kräften einzulassen. Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene sowie Reinsze-
nierungen scheinen die größten Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung darzustel-
len, da sie im pädagogischen Alltag sehr präsent sind und sich nicht vermeiden lassen.
Hier ist es wichtig, Selbstreflexionskompetenzen und Fachwissen in die Beziehung ein-
zubringen und, wenn notwendig, sich im Team gut auszutauschen. Fachwissen verbes-
sert auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion. So können Fachkräfte durch das Wissen über
Trauma und die Folgen, auch besser mit Kränkungen und Beleidigungen umgehen und
sich besser davon abgrenzen. Meines Erachtens lässt sich die Subfrage, wie pädagogi-
sche Fachkräfte mit Problemen der Beziehungsgestaltung umgehen, generell sehr tref-
fend mit den Grundkompetenzen der pädagogischen Fachkräfte beantworten, die ein
Teil der zweiten Forschungsfrage sind.
Weitere Beziehungsabbrüche für die Kinder und Jugendlichen sind kontraproduktiv, je-
doch ist die Fluktuation in stationären Einrichtungen aufgrund der dortigen schwierigen
Bedingungen groß. Es braucht also seitens der pädagogischen Fachkräfte Kompeten-
zen, damit Beziehungen gelingen. Drei Grundkompetenzen (Selbstfürsorge, Selbstrefle-
xion, Sachkompetenzen) sollten laut traumapädagogischer Literatur zumindest ansatz-
weise vorhanden sein, damit der Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen
erfolgreich verläuft und PädagogInnen aufgrund der verschiedenen Belastungen nicht
aufgeben. Auch in der Befragung stellte sich heraus, dass diese Grundkompetenzen im
Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen essenziell sind. Zusammenfas-
send kann somit die zweite Forschungsfrage, welche Kompetenzen die pädagogischen
110
Fachkräfte in die Beziehungsgestaltung einbringen, wie folgt beantwortet werden: Sämt-
liche Fachkräfte legen sehr großen Wert auf diese drei Grundkompetenzen. Meines Er-
achtens war der Bezug auf die Grundkompetenzen nach Weiß (Selbstreflexion, Selbst-
erfahrung, Sachkenntnisse) sehr aussagekräftig, da sich diese auch in der Befragung
als die wichtigsten Kompetenzen für die Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugend-
lichen herausstellten. Meinem Eindruck nach bringen die Fachkräfte diese Kompetenzen
stark in die Beziehungsgestaltung ein, da zu fast allen Punkten vor allem die Wichtigkeit
von Fachwissen und Selbstreflexion explizit betont wurde. So ist Fachwissen notwendig,
um schwierige Situationen zu meistern. Es können berufliche Belastungen vermindert
werden und eine längerfristige Arbeit mit traumatisch belasteten Kindern und Jugendli-
chen wird ermöglicht. Durch psychotraumatologisches Wissen können Verhaltenswei-
sen und Symptome eher erkannt und somit der richtige Umgang mit diesen gefunden
werden. Wissen fließt auch in die eigene Haltung ein und ermöglicht einen wertschät-
zenden und verständnisvolleren Umgang mit den Kindern und Jugendlichen. Zwar wur-
den im Rahmen der Hochschulausbildung der Befragten kaum bis kein psychotrauma-
tologisches Wissen vermittelt, jedoch haben sich alle im Rahmen ihrer Tätigkeit in den
Einrichtungen weitergebildet. Auch im Team wird sehr viel Wissen ausgetauscht. Ferner
sind Selbstreflexion und Selbstfürsorge notwendig um berufliche Belastungen zu ver-
mindern. Selbstreflexion ist vor allem wichtig, um subjektive Wahrnehmungen und emo-
tionale Verzerrungen zu vermeiden, denn diese können die Beziehungen negativ belas-
ten. Selbstfürsorge ist im sozialen Bereich generell eine der wichtigsten Kompetenzen
zum Erhalt der eigenen psychischen Unversehrtheit. Sowohl für die Selbstfürsorge als
auch für die Selbstreflexion ist die Nutzung interner Angebote der Einrichtungen wie Su-
pervisionen, Teambesprechungen etc. sehr von Vorteil.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass für mich persönlich das Thema beson-
ders interessant ist, da ich schon seit einigen Jahren in der Schulassistenz tätig bin und
ich im Rahmen dieser Arbeit – obwohl deren Fokus auf Kindern mit Beeinträchtigungen
liegen sollte – oft mit verhaltensauffälligen Kindern mit schwierigem Familienhintergrund
zu tun hatte. Wenngleich bei diesen Kindern häufig keine Diagnose vorliegt, lassen sich
doch viele Parallelen zur Literatur erkennen. Mir scheint, dass traumapädagogisches
Wissen in vielen sozialen Berufsfeldern von Vorteil ist. Selbst wenn sich Kinder mit trau-
matischen Erfahrungen in stationären Einrichtungen konzentrieren, wird man in den
meisten psychosozialen Berufen mit Problemen konfrontiert werden.
111
Auch wenn die pädagogischen Fachkräfte auf teilweise sehr unterschiedliche Faktoren
der Beziehungsgestaltung Wert legen und generell die Beziehungen unterschiedlich ge-
staltet sind, gibt es zumindest einige Aspekte, welche die PädagogInnen teilen. Vor al-
lem das Vorweisen der drei Grundkompetenzen scheint notwendig zu sein, um Bezie-
hungen längerfristig aufrechtzuerhalten. Meines Erachtens sollte in Einrichtungen die
Wichtigkeit von Selbstreflexion und Selbstfürsorge gezielt vermittelt und gefördert wer-
den. Zum Teil geschieht dies schon durch interne Angebote wie z.B. Supervision, Ein-
zelsupervision, Teamsitzungen und der Möglichkeit Gespräche mit TherapeutInnen zu
führen. Weiters sollte auch die Grundhaltung der Traumapädagogik transparent in den
Einrichtungen gelebt und vermittelt werden, da diese einen wertschätzenden und ver-
ständnisvolleren Umgang mit den KlientInnen fördert. Allerdings ist zu erwähnen, dass
aufgrund der geringen Zahl der TeilnehmerInnen keine allgemeingültigen Aussagen ge-
troffen werden können. Die Relevanz der Arbeit zeigt sich anhand der eindeutigen Pa-
rallelen zur Literatur. Die Pädagoginnen mit traumapädagogischer Ausbildung bestätig-
ten zum Teil inhaltlich und sachlich, was ich bei der Literaturrecherche herausfinden
konnte.
Im Zuge der Arbeit wurde mir die Wichtigkeit der Traumapädagogik im Umgang mit trau-
matisierten Kindern und Jugendlichen bewusst. Meines Erachtens sollte die Traumapä-
dagogik in der Kinder- und Jugendhilfe vermehrt zur Anwendung kommen. Dies gilt nicht
zwangsläufig bloß für den stationären Bereich, da es kaum einen psychosozialen Sektor
gibt, in dem die pädagogischen Fachkräfte es nicht mit Traumata zu tun haben. In den
meisten stationären Einrichtungen stellt die Traumapädagogik keinen Schwerpunkt dar,
wobei ich durch die Befragungen den Eindruck gewann, dass das Interesse der Päda-
gogInnen an der Traumapädagogik zunimmt. Wenngleich diese Arbeit eine geringe Teil-
nehmerInnenzahl aufweist und deshalb keine allgemeingültigen Aussagen getroffen
werden können, lassen sich aus den Interviews Tendenzen dahingehend erkennen,
dass PädagogInnen mit einer traumapädagogischen Zusatzausbildung einen professio-
nelleren und durch traumapädagogische Fachliteratur gestützten Ansatz der Bezie-
hungsarbeit aufweisen. Im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen ist
Wissen zu den Themen Trauma und Traumafolgen erforderlich. Meines Erachtens kom-
men psychotraumatologische bzw. traumapädagogische Inhalte in der (sozial-)pädago-
gischen und sozialarbeiterischen Ausbildung generell zu kurz; zumindest ein Basiswis-
sen zu diesen Themen sollte vermittelt werden.
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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle:
Tabelle 1: Soziodemografische Daten………………………………………………...S. 73
Abbildungen:
Abbildung 1: Traumatische Zange……………………………………………………S. 8
Abbildung 2: Gegenüberstellung von traumatisierendem und traumapädagogischem
Milieu…………………………………………………………………..…S. 36
Abbildung 3: Allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell………………………S. 71
120
Anhang
Interviewleitfaden
Einleitende Worte Danke, dass Sie an dieser Erhebung teilnehmen und sich die Zeit nehmen ein paar Fra-
gen zu meiner Masterarbeit zu beantworten. Im Rahmen meiner Masterarbeit zu dem
Thema „Beziehungsarbeit in der Traumapädagogik – Über Beziehungen mit traumati-
sierten Kindern und Jugendlichen“ beschäftige ich mich mit der Beziehungsgestaltung
pädagogischer Fachkräfte mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen in sozialpäda-
gogischen Einrichtungen. Ich würde das Gespräch gerne zur weiteren Verwendung auf-
nehmen, selbstverständlich wird die Aufzeichnung anonymisiert und die Daten aus-
schließlich für diese Erhebung verwendet.
Soziodemografische Daten 1. Wie alt sind Sie?
2. Welche Ausbildung haben Sie absolviert?
3. Wie lange sind Sie bereits in dieser Einrichtung tätig?
Fragen zur Beziehungsgestaltung
4. Wie würden Sie die Beziehungsgestaltung zu traumatisierten Kindern und Ju-
gendlichen generell beschreiben?
5. Wie gestalten Sie Beziehungen zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen in
Ihrer Einrichtung?
6. Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach für eine gelingende Beziehungsgestal-
tung zwischen pädagogischen Fachkräften und traumatisierten Kindern und Ju-
gendlichen von Bedeutung? (Beispiele: Feinfühligkeit, Verlässlichkeit, Wert-
schätzung etc.)
7. Welche Kompetenzen sind Ihrer Meinung nach notwendig, damit Beziehungen
zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen gelingen? (Beispiele: Wissen zu
Trauma, Selbstfürsorge etc.)
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Probleme und Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung
8. Mit welchen Problemen bzw. Schwierigkeiten sehen Sie sich in der Beziehungs-
gestaltung zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen konfrontiert? (Beispiele:
Reinszenierungen, Nicht-Bindung, Überreaktionen etc.)
9. Wie gehen sie professionell mit Problemen in der Beziehungsgestaltung um?
10. Wie gehen Sie damit um, wenn sich Beziehungen zu Kindern und Jugendlichen
besonders schwierig gestalten? Welche Strategien wenden Sie an?
Fragen zu Kompetenzen
Fragen zur Selbstreflexion/ Selbsterfahrung
11. Welchen Stellenwert hat für Sie persönlich die Selbsterfahrung? (Beispiele: Su-
pervision, Intervision etc.)
12. Wird die Möglichkeit der Selbsterfahrung von Ihrer Einrichtung bereitgestellt?
Und wenn ja wie viel und nehmen Sie diese in Anspruch?
13. Welche Bedeutung hat für Sie die Selbstreflexion in der Beziehungsgestaltung
mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen?
14. Welche Aspekte der Selbstreflexion spielen für Sie eine besondere Rolle bzw.
können Sie Schlagwörter nennen, die sie mit Selbstreflexion verbinden? (Bei-
spiele: Eigenes berufliches Handeln, eigene Bindungsmuster, Gegenübertra-
gungsgefühle etc.)
15. Wie wirkt sich Ihre Selbstreflexions- und Selbsterfahrungskompetenz in der Be-
ziehungsgestaltung mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen konkret aus?
Fragen zur Selbstfürsorge
16. Welchen Stellenwert hat für Sie die Selbstfürsorge?
17. Ist es Ihnen ein Anliegen, Berufliches vom Privaten zu trennen oder eher Beruf-
liches und Privates sinnstiftend zu verbinden? Wie gelingt Ihnen das?
18. Wie fühlen Sie sich, wenn sich die Beziehung zu einem Kind/ Jugendlichen be-
sonders schwierig gestaltet?
o Wie gehen Sie privat damit um?
o Empfinden Sie es persönlich als schwierig sich von schwierigen Situatio-
nen mit KlientInnen privat abzugrenzen?
19. Mit welchen Maßnahmen gelingt Ihnen die Selbstfürsorge? (Beispiele: gute Be-
ziehungen, Urlaub, erhöhte Selbstaufmerksamkeit, körperliche Aktivitäten etc.)
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20. Bietet die Einrichtungen Möglichkeiten, um mit beruflichen Belastungen besser
umgehen zu können?
o Wenn ja, nehmen Sie diese in Anspruch?
Wissen und Kenntnisse
21. Welche Kenntnisse und Wissen erachten Sie persönlich als wichtig für die Arbeit
mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen?
o Wie haben Sie sich diese erarbeitet?
22. Ist es für Sie persönlich von Bedeutung Wissen und Kenntnisse zur Psychotrau-
matologie und Bindungstheorie zu haben, um Beziehungen zu traumatisierten
Kindern und Jugendlichen gestalten zu können?
23. Sind Wissen und Kenntnisse zu diesen Themen Voraussetzung um langfristig in
dieser Einrichtung tätig zu sein?
24. Haben Sie im Rahmen Ihrer Hochschulausbildung Basiswissen zur Psychotrau-
matologie und Bindungstheorie vermittelt bekommen?
25. Haben Sie sich neben ihrer beruflichen Tätigkeit, zusätzlich Kenntnisse und Wis-
sen zu diesen Themen angeeignet?
26. Haben Sie sonst noch Weiter- und Fortbildungen zu ähnlichen Themen absol-
viert? Wenn ja, welche?
27. Haben Sie noch Anmerkungen/ Fragen zu dem Thema?
Danke für Ihre Unterstützung!