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Palliativnetzwerk Rhein-Neckar
Behandlungsstandard zur medikamentösen palliativen Schmerztherapie
Präambel:
In der Behandlung von Palliativpatienten spielt die Schmerztherapie eine besondere Rolle. Oft
funktionieren Organe wie Niere und Leber im palliativen Stadium nicht in gewohnter Art und Weise
oder versagen sogar komplett ihre Dienste. Da viele Medikamente diese für Wirkung oder
Ausscheidung benötigen, ist eine geeignete Auswahl der Wirkstoffe unabdingbar. Einige Medikamente
brauchen die volle Funktion der Organe. Ansonsten führen sie durch Anstauung oder fehlender
Wirkung zu schweren Nebenwirkungen, die sehr häufig zu Krankenhauseinweisungen führen. Unsere
Patienten haben den Wunsch in aller Zufriedenheit ohne Schmerzen zu Hause zu sterben. Jeder
Krankenhausaufenthalt schmälert die Lebensqualität des Sterbenden. Aus diesem Grund streben wir
im Sinne des Patienten eine wirkungsvolle und nebenwirkungsarme Schmerztherapie an.
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Palliativnetzwerk Rhein-Neckar
1. Indikation
Wichtigstes Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit nicht heilbaren
Erkrankungen, vorrangig aus dem onkologischen Bereich.
Die geplanten Maßnahmen bei dieser integrierten medizinischen Betreuung sollen insbesondere:
• die Lebensqualität verbessern
• eine qualitativ bessere medikamentöse Therapie ermöglichen
• eine Betreuung der Patienten auf der Versorgungsebene ermöglichen, die der
Krankheitszustand erfordert
• Krankenhausaufenthalte reduzieren
• Notfalleinweisungen vermeiden
• einen möglichst langen Aufenthalt im häuslichen Bereich und Entlastung der Angehörigen
ermöglichen
Insbesondere werden alle Aspekte des Schmerzes im Netzwerk durch die Einbindung von
spezialisierten Schmerztherapeuten behandelt.
2. Maßnahmen vor Schmerzmittelgabe
Schmerzdiagnose
Vor Beginn einer medikamentösen Schmerztherapie sind Schmerzursache, -typ und -intensität
sowie gleichzeitig bestehende Beschwerden zu erfassen, gemäß der W-Fragen:
• Warum? (Schmerzursache)
• Wo? (Lokalisation und Ausstrahlung)
• Wie? (Schmerzqualität)
• Wie stark? (Schmerzskala)
• Wann? (Schmerztagebuch)
• Wodurch (Was hilft/verschlimmert?)
• Was noch? (Begleitbeschwerden, z.B. Übelkeit, Obstipation, Unruhe)
• Wie lange?
Wir unterscheiden dabei nozizeptiven Schmerz von neuropatischen Schmerz.
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Nozizeptiver Schmerz
Schmerzursache Schmerzcharakter Lokalisation Besonderheit
Knochen
Weichteile
dumpf, drückend
pochend, bohrend
gut lokalisierbar Dauerschmerz oft mit
bewegungsabhängigem
Durchbruchschmerz
Viszera dumpf, krampfartig,
oft kolikartig
schlecht
lokalisierbar
vegetative
Begleitsymptome,
Dermatome,
Head-Zonen
Ischämie hell, pochend
Extremität;
auch viszeral
möglich
belastungsabhängig;
abhängig von
Nahrungsaufnahme
Neuropathischer Schmerz
Schmerzursache Schmerzcharakter Lokalisation Besonderheit
Schädigung oder
Irritation (Dys-
funktion)
des Nervensystems
brennend,
einschießend,
elektrisierend,
heiß,
spontan-provoziert,
dauerhaft-paroxysmal
im Versorgungsgebiet
der
betroffenen
Nervenstruktur
meist mit
neurologischen
Störungen
einhergehend:
z.B. Parese,
Hyp-/Anästhesie,
Par-/Dynästhesie,
Allodynie,
Hyperpathie
Hyperalgesie
Vor Einleiten einer medikamentösen Therapie sollte die Eliminationsfähigkeit des Körpers für Cyt P450-
abhängige und metabolisierungsrelevante Substanzen abgeklärt werden.
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Dies hat unmittelbaren Einfluss auf die Auswahl und Dosierung der in Frage kommenden
Therapeutika.
Davon betroffen sind:
- Antiphlogistika
- Opioide
- Antikonvulsiva
- Antidepressiva
- Bisphosphonate
Zur Auswahl des in Frage kommenden Analgetikums spielen einige Faktoren eine entscheidende Rolle.
• Niereninsuffizienz:
Bei Niereninsuffizienz werden bestimmte Arzneistoffe oder aktive Metabolite, z.B. Morphin-6-
glucuronid (analgetisch aktiver Metabolit des Morphins) und ebenso Morphin-3-glucuronid
schlechter ausgeschieden und können kumulieren, mit der Gefahr der Überdosierung und dem
Auftreten unerwünschter Ereignisse wie Atemdepression, Sedierung. Daher sind solche
Präparate für Patienten mit Niereninsuffizienz nicht geeignet.
Die Bestimmung von Laborparametern lässt Rückschlüsse auf die Nierenfunktion
zu:
Bestimmung der Kreatinin Clearance (Abschätzung nach Cockroft):
Männer: 140 – Alter (Lj) x KG (kg) /72 x Serum Kreatinin (mg/dl)
Frauen: 0,85 x (140 - Alter (Lj) x KG (kg)/72 x Serum Kreatinin (mg/dl)
Serumkreatinin eindeutig erhöht >2 mg/dl.
Oder genauer:
Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate und Klassifizierung der Nierenfunktion
gemäß der Empfehlung der Kidney Disease Outcome Quality Initiative (KDOQI) in
folgende Stufen eingeteilt:
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Grad Clearance
(ml/min/1,73m2)
Symptome Stadium der
Nierenschädigung
I >90 + Proteinurie Keine Normaler oder erhöhte
GFR
II 60-89 Keine Geringgradiger
Funktionsverlust
III 30-59 Fatigue durch Anämie,
Muskelkrämpfe
Mittelgradiger
Funktionsverlust
IV 15-29 + Nausea, Ödeme,
Appetitverlust, Schlaf-
und
Konzentrationsprobleme,
Neuropathie
Schwerer
Funktionsverlust
V < 15 + Kopfschmerzen,
Juckreiz,
Enzephalopathie, Tod
Nierenversagen
Dosisanpassung von Medikamenten unter www.dosing.de
• Leberinsuffizienz
Bei Leberinsuffizienz werden Arzneistoffe langsamer, unvollständig oder gar nicht durch die
Leber metabolisiert. Im Falle eines Prodrugs wie z.B. bei dem Opioid Tilidin, wird das
Medikament nur unzureichend in seine analgetisch aktive Form, das Nortilidin, umgewandelt
und ist damit analgetisch inaktiv. Bei oralen Kombinationspräparaten wie Tilidin/Naloxon oder
Oxycodon/Naloxon wird das Naloxon bei schwerer Leberinsuffizienz im First Pass-Matabolis-
mus der Leber nicht ausreichend in Naloxon-3-glucuronid umgewandelt und kann damit
systemisch und damit antagonistisch wirksam werden.
Bestimmung der Leberfunktion:
Eine Erhöhung/Senkung spezieller Leberwerte lässt, neben der Anamnese und der Klinik,
Rückschlüsse auf das Bild des Leberversagens zu:
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Laborwertveränderungen
Erhöhung Senkung
GOT Quick
GPT Thrombozyten
Bilirubin Kalium
Bikarbonat Glukose
Harnstoff
Ggf. Bestimmung des Child-Pugh-Score (Klassifikation der Leberfunktion bei
Leberzirrhose)
Anhand von 5 Kriterien (3 Laborwerte und 2 klinische Befunde) wird eine
Gesamtpunktzahl ermittelt. Es werden jeweils 1-3 Punkte vergeben, so dass ein Score von
5-15 erreicht werden kann.
Anhand der Punktezahl erfolgt die Einteilung in die Child-Pugh-Stadien A bis C:
Punktezahl Stadium Leberfunktion 1-Jahresüberlebensrate
bis 7 Punkte: A gute Leberfunktion (Child A) ca. 100 %
8-10 Punkte: B mäßige Leberfunktion (Child B) ca. 85%
> 11 Punkte: C geringe Leberfunktion (Child C) ca. 35%
-> Pugh, R.N.H. et al. (1973): Brit. J. Surg. 60, (8): 646 -648.
Kriterium 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte Einheit
Serum-Bilirubin (gesamt) <2,0 2,0 - 3,0 >3,0 mg/dl
Serum-Albumin >3,5 2,8 - 3,5 <2,8 g/dl
INR <1,7 1,7 - 2,2 >2,2 ohne Einheit
Aszites im Ultraschall keiner leicht mittelgradig ohne Einheit
hepatische Enzephalopathie keine Stadium I-II Stadium III-IV ohne Einheit
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• Abklären Multimorbidität/andere Erkrankungen/weitere Medikation
Ziel ist es Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden.
Viele Arzneimittel werden über Cytochrom P450 verstoffwechselt. Viele Medikamente wirken
inhibitorisch oder induzierend auf Cytochrom P450 und hemmen oder beschleunigen somit
den Abbau von Präparaten, die über Cytochrom P450 metabolisiert werden. Es kommt zu
Über- oder Unterdosierungen der Präparate.
Andere Präparate haben eine hohe Plasmaeiweißbindung und konkurrieren gegenseitig um
Bindungsplätze am Plasmaeiweiß, z.B. Fentanyl mit Phenprocoumon oder Glibenclamid. Auch
hier sind Arzneimitteldosierungen nicht mehr kalkulierbar.
• Alter
Hohes Alter geht häufig mit eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion einher.
• Obstipation
Eine häufige Nebenwirkung von Opioiden ist Obstipation. Bei bereits vorhandener Obstipation
wird dieses Symptom verstärkt auftreten.
• Nebenwirkungen unter bestehender Medikation
Gastrointestinale und / oder zentrale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit,
Schwindel, Obstipation.
Festlegen von Behandlungszielen
• Schmerzfreiheit/tolerierbare Schmerzen über 24 Stunden
• Schmerzfreier Schlaf, Schmerzfreiheit in Ruhe
• Schmerzfreiheit bei Alltagsaktivitäten
• …
• Der therapeutische Grundsatz aller Maßnahmen besteht darin, dass in der palliativen Therapie
immer der Mensch und nicht die Erkrankung im Mittelpunkt steht. Jede Maßnahme muss sich
an der Besserung der Lebensqualität, die sie bewirkt, messen lassen.
Dokumentation
• Im Behandlungsverlauf sind Wirkung und Nebenwirkung der Behandlung zu überprüfen und
zu dokumentieren.
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Symptomerfassung PA=Patientnangaben, FB=Frembbeobachtung,PT=Palliativteam PA FB PT1. Schmerzen __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark2. Luftnot __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark3. Angst __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark4. Übelkeit __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark5. Erbrechen __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark6. Schluckstörung __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark7. Verstopfung __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark8. Müdigkeit __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark9. Anspannung __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark10. Depressivität __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark11. Desorientiertheit __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark12. Verwirrtheit __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark13. Schwäche __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark14. Appetitmangel __nb __ kein __ leicht __ mittel __ stark __ sehr stark
• Geeignete Instrumente zur Erfassung der Schmerzintensität sind: Verbale, Numerische
oder Visuelle Ratingskalen. Für demente Patienten gibt es entsprechende Bewertungskalen
(s. Anlage)
•
Wer erfasst und dokumentiert?
(1) Pflegende
(2) Ärzte
(3) Physiotherapeuten
(4) alle an der Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer
Wann wird gefragt und dokumentiert?
• Bei Diagnosestellung (Ärzte),
• in der täglichen Routine,
• beim Arztbesuch (Ärzte),
• 30-40 Minuten nach der Intervention (nach Gabe von Schmerzmitteln, wenn die Ba-
sismedikation nicht ausreichend war oder nach Therapieumstellung),
• vor und nach der Krankengymnastik (Physiotherapeuten), Umlagerung, Aufstehen,
• Patienten, die keine Schmerzen mehr haben, werden einmal am Tag befragt.
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Was wird abgefragt und dokumentiert?
• Schmerzintensität
• Ruheschmerz
• Belastungsschmerz
• Bei Patienten im Rahmen einer „multimodalen, interdisziplinären Schmerztherapie” werden
Schmerzen mit einer Analogskala von 0 bis 10 erfasst (Numerische Rating-Skala [NRS])
• Zusätzlich nach Notwendigkeit (z. B. Zustandsveränderungen):
• Schmerzqualität
• Schmerzlokalisation
Wo wird dokumentiert?
• Die routinemäßige Erfassung der Schmerzintensität wird in der Patientenakte dokumentiert.
Wann werden schmerz- oder medikationsassoziierte Symptome erfragt (Übelkeit,
Erbrechen, Müdigkeit, Schlafstörungen und Angst)?
• Immer, wenn der Patient ein Schmerzmittel bekommt,
• immer, wenn eine Symptomkontrolle durchgeführt wird (Antiemetika o.ä.).
3. Allgemeine Grundprinzipien der Schmerztherapie
• Eine kausale Behandlung wird, falls möglich und sinnvoll, gleichzeitig mit der
symptomatischen begonnen (z.B. tumorreduktive, antibiotische und sonstige symptomatische
Behandlungsverfahren).
• Da die Schmerzwahrnehmung des Patienten durch soziale, psychische und spirituelle Faktoren
moduliert wird, müssen diese bei der Therapieplanung berücksichtigt werden
(interdisziplinäres, integratives und ggf. multimodales Konzept).
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Grundprinzipien der medikamentösen Schmerztherapie:
• Orale Applikation bevorzugen.
• Bei Dauerschmerzen grundsätzlich lang wirkende Retardpräparate benutzen.
• Parenterale oder transdermale Gabe bei Unmöglichkeit der oralen Aufnahme (z. B. bei
Dysphagie, Stomatitis, Bewusstseinstrübung, Erbrechen, stärksten Schmerzattacken,
Schluckstörung).
• Jede invasive Therapieform (parenteral, rückenmarksnah) bedarf der besonderen Indikation.
• Die Schmerzmedikamente werden nach Zeitplan entsprechend ihrer Wirkdauer eingenommen.
Häufigere Gaben der retardierten Opioide sind nicht sinnvoll, dennoch muss bei
beschleunigter Elimination und Wiederkehr des Schmerzes ggf. das Dosierungsintervall
angepasst werden. Z.B. Fentanyl TTS vom Wechsel alle 3 Tage auf Wechsel alle 2 Tage, oder
retardiertes Hydromorphon 2xtägl auf 3xtägl.
• Eine eventuelle Tagesrhythmik des Schmerzes muss durch asymetrische Dosierung
berücksichtigt werden.
• Als Bedarfsmedikation bei Durchbruchschmerzen eignen sich nicht-retardierte Zubereitungen
(normal freisetzend). Als "Rescue" ist ein nicht-retardiertes Opioid gleicher Wirkstufe und
Rezeptoraffinität wie das Retardpräparat geeignet. Im Idealfall handelt es sich um den
gleichen Wirkstoff. In der Regel werden 1/10 bis 1/6 der Tagesdosis des retardierten Opioids
als Rescue-Dosis empfohlen. Die Dosierungsempfehlung erfolgt nach professioneller
Einschätzung der Schmerzproblematik in Kenntnis der spezifischen pharmakologischen
Eigenschaften der einzusetzenden Substanz.
• Bei starken Schmerzen oder zu erwartender rascher Schmerzprogression kann die Stufe II des
WHO-Stufenschemas übersprungen werden.
• Die Therapie wird individuell bis zum Erreichen einer adäquaten Schmerzlinderung aufgebaut.
Gegen den Schmerz titrieren, bis eine ausreichende Schmerzreduktion erreicht ist. Bei
unzureichendem analgetischen Effekt, Steigerung der Tagesdosis um jeweils 25-50% (keine
Angst vor hohen Dosen!). Transdermale Systeme frühestens nach 48 Stunden erhöhen!
• Die Sinnhaftigkeit einer weiteren Dosiseskalation ist vom schmerzreduzierenden Effekt und
Ausbleiben schwerer Nebenwirkungen abhängig.
• Entsprechend dem Schmerztyp ist in allen Stufen der Einsatz eines Koanalgetikums zu
überprüfen.
• Die gleichzeitige Verordnung von Nichtopioiden und Opioiden ist unter Umständen sinnvoll.
• Häufige Nebenwirkungen werden prophylaktisch behandelt.
• Art und Wirkung einer Vormedikation beachten (Umrechnungstabelle). Bei Therapie-
umstellung Orientierung an Äquipotenztabelle (Cave: Individuelle Dosistitration erforderlich!).
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• Besondere Vorsicht bei Umstellung auf L-Methadon oder bei Änderung des Applikationsweges
(z. B. Buprenorphin-Pflaster auf orales Opioid).
Bei Opiatrotationen oder Wechsel des Applikationsweges ist Rücksprache mit dem
Casemanager bzw. dem Schmerztherapeuten erforderlich.
• Prophylaxe von Nebenwirkungen.
• Immer schriftliche Einnahmeanleitung für Patient, Angehörige und Pflegedienste mitgeben.
• An den Einsatz von anderen Therapieverfahren denken!
Einsatz von Schmerzpräparaten bei Palliativpatienten
Nicht-Opioide:
• Bei leichten bis mittelschweren chronischen Schmerzen
• Schrittweise Steigerung der Dosierung bis zur Schmerzlinderung
• Maximaldosierungen der einzelnen Substanzen beachten
• Metamizol und Paracetamol bei viszeralen Nozizeptorschmerzen
• NSAR bei ossären und somatischen Nozizeptorschmerzen
• Kontraindikationen und Nebenwirkungen beachten!
• Coxibe bei Kontraindikationen für NSAR
Nicht-Opioid Applikation Wirkdauer
(Stunden)
Einzeldosis
(mg)
Max. Tagesdosis
(mg)
Paracetamol Tabl, Supp. Lsg 4-6 1000 4000
Ibuprofen Tabl,
Granulat
Supp.
6-8 ab 200
ab 200
ab 200
2400
Ibuprofen retard Tabl. 8-12 800 2400
Naproxen Tabl.
Supp.
12 ab 250
ab 500
1000
Diclofenac Tabl.
Supp.
6-8 ab 25
ab 50
150
Diclofenac retard Tabl. 8-12 ab 100 150
Cox-II-Hemmer Tabl. Kapseln 12-24 Je nach
Substanz
Je nach Substanz
Metamizol Tabl., Lsg 4-6 500-1000 4000
Methocarbamol Tabl. 6 750 7500
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Schwache Opioide
Bei chronischen Schmerzen in Kombination mit Nicht-Opioiden.
Falls Opioide in Tagesdosis von 400 – 600 mg/Tag Schmerzen nicht ausreichend lindern, die
Schmerzintensität zu Beginn der Therapie sehr hoch ist oder von vornherein mit rascher
Tumorprogredienz und Schmerzzunahme zu rechnen ist: Sofort mit starken Opioiden therapieren.
Schwache
Opioide
Applikation Wirkdauer
(Stunden)
Einzeldosis
(mg)
Max. Tagesdosis
(mg)
Dihydrocodein
retard
Tabl 12 60-300 240
Tramadol Tabl, Tropfen,
Supp.
4-6 50-100 400
Tramadol retard Tabl., Kapseln 8-12 100-300 400
Tilidin/Naloxon Kapseln, Tropfen 4-6 50-100
50-100
600-800
Tilidin/Naloxon
retard
Tabl. 8-12 100-300 600-800
Starke Opioide
Bei starken Schmerzen, auch in Kombination mit einem Nicht-Opioid.
Substanz Beispiele für
Handelsnamen
Zubereitungsform Einzeldosis Wirkdauer
in Stunden
Fentanyl Durogesic® SMAT Fentanyl
Transdermales System
ab 12,5 µg/h (48-)72
Buprenorphin Norspan®/ Transtec® Transdermales System
ab 5 µg/h 48–168
Hydromorphon Palladon® retard/ Hydromorphon AL®
Kapseln, Retardtabletten
ab 4 mg 12
Hydromorphon Palladon® 1,3 mg/2,6 mg Kapseln ab 1,3 mg 4
Hydromorphon Palladon® injekt Injektionslösung ab 0,5 mg 4
Hydromorphon Jurnista® Tabletten ab 4 mg 24
Oxycodon/Naloxon Targin® Tabletten ab 5/2,5 mg 12
Oxycodon Oxygesic® Oxycodon-HCL AbZ®
Tabletten ab 5 mg 12
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Oxycodon Oxygesic® Akut Kapseln ab 5 mg 4
Oxycodon Oxygesic® injekt Injektionslösung ab 1 mg 4
Oxycodon Oxygesic® Dispersa Schmelztabletten ab 5 mg 4-6
Kombinationen von retardierten Opioiden mit kurz wirksamen Opioden:
Lang wirksam Wirkdauer Kurz wirksam Wirkdauer
Oxycodon/Naloxon Tabletten 12 Stunden Oxycodon
Kapseln
Oxycodon Schmelztabletten 4-6 Stunden
Oxycodon Tabletten 12 Stunden Oxycodon Kapseln Oxycodon Schmelztabletten
4-6 Stunden
Fentanyl-Pflaster 48 Stunden Morphin Filmtabl. 4 Stunden
Morphin retardiert 12 Stunden Morphin Filmtabl. 4 Stunden
Hydromorphon retard Kps. 12 Stunden Hydromorphon Hartkps.
1,3 + 2,6 mg
4-6 Stunden
Hydromorphon 1xtägl 24 Stunden Hydromorphon Hartkps.
1,3 + 2,6 mg
4-6 Stunden
Tilidin/Naloxon retard Tbl. (WHO II) 8 Stunden Tilidin/Naloxon
Tropfen 4 Stunden
Differenzialindikation von Opioiden
Unter Morphin treten häufiger Nebenwirkungen auf als unter anderen Opioiden:
• im Vergleich zu Oxycodon häufiger mäßig bis schwere Nebenwirkungen unter Morphin
• seltener Halluzinationen unter Oxycodon
• weniger Juckreiz unter Oxycodon
• weniger Übelkeit und Erbrechen unter Oxycodon
• weniger Sedierung und Müdigkeit unter Oxycodon
• stärkere Blutdruck-Senkung und Tachykardien unter Morphin
• ausgeprägte immunsupprimierende Wirkung unter Morphin im Gegensatz zu Oxycodon und
Hydromorphon
• Opioidinduzierte-Obstipation unter Morphin häufig
Zur Veminderung bzw. Vermeidung einzelner Nebenwirkungen ist eine sinnvolle Auswahl des
Analgetikums notwendig:
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Obstipation:
Oxycodon/Naloxon
• Obstipationsprophylaxe und Therapie der opioidinduzierten Obstipation, kausaler
Therapieansatz
Übelkeit, Erbrechen:
Hydromorphon, Methadon, zur Sicherung der Medikamentenaufnahme unter Erbrechen auch
Transdermale Systeme Fentanyl TTS/Buprenorphin TTS
Dysphagie:
Transdermale Systeme, sondengängige Opioid-Granulate (Morphin, Hydromorphon)
Juckreiz:
„Trial and error“ nach analgetischer Wirksamkeit, Opiatrotation, weg vom Morphin
Verwirrtheit, Schwindel, Neuropathie, Viszeralschmerz:
Oxycodon/Naloxon, Buprenorphin, Hydromorphon, Fentanyl
Bei morphininduzierter Hyperalgesie:
Dosisreduktion, Kombination mit S-Ketamin, Opiatrotation
Bei Polymedikation und im Hochdosisbereich:
Hydromorphon
• Cytochrom P450–neutrale Verstoffwechselung
• Niedrige Plasmaeiweißbindung
Niereninsuffizienz:
Buprenorphin, Hydromorphon, Oxycodon/Naloxon
• Bei Niereninsuffizienz kein Morphin, da Morphin-3-glucuronid (MG3) und Morphin-6-glucuronid
(MG6) bei eingeschränkter Nierenfunktion kumulieren können. MG6 ist analgetisch aktiver als
Morphin, bei erheblich längerer Halbwertszeit als Morphin (6-8 Stdn. vs 4 Stdn.). Bei
chronischer Niereninsuffizienz kann Halbwertszeit von MG6 auf bis zu 27 Stdn. verlängert sein.
Die Kumulation kann zu Intoxikationserscheinungen mit lang anhaltender Atemdepression,
chronischer Übelkeit und Erbrechen, kognitiven Funktionsstörungen, Halluzinationen und
Koma führen.
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M3G wirkt möglicherweise opioidantagonistisch und wird mit neuroexzitatorischen
Effekten (Myoklonien) in Verbindung gebracht.
Im Gegensatz dazu:
• hat Oxycodon keine klinisch relevanten Stoffwechselprodukte
• hat Hydromorphon keine pharmakologisch aktiven Metabolite
• hat Buprenorphin einen Metabolit mit geringer klinischer Relevanz
Leberfunktionsstörung:
Fentanyl TTS, Hydromorphon
Kloke M, Hense J (2010)
Leitlinien zur medikamentösen Schmerztherapie. Netzwerk Palliativmedizin Essen.
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Wechsel des Opioids oder des Applikationsweges
Bei unzureichender Analgesie - auch nach Dosiserhöhung oder bei Nebenwirkungen - wird ein
Opioidwechsel (siehe Umrechnungsfaktoren Tabelle) empfohlen.
Alternativ werden auch weitere Applikationsformen angewendet:
• zu öffnende Kapseln, Granulate, Suspensionen, transmukosale Applikation, (kurzfristig)
Suppositorien, transdermale Systeme (bei stabilem Schmerz, jedoch keine Erstanwendung in
der Terminalphase).
Weiterhin werden auch andere Applikationswege angewendet:
• Subkutan
• Intravenös
• Bei Vorhandensein eines stabilen venösen Zuganges (z. B. Port) kann dieser auch
ambulant benutzt werden.
• peridural
• Spinal
Der Wechsel des Applikationsweges erfolgt unter Beachtung der jeweiligen Bioverfügbarkeit:
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Kloke M, Hense J (2010)
Leitlinien zur medikamentösen Schmerztherapie. Netzwerk Palliativmedizin Essen.
Bei neuropathischen oder anderen Schmerzen (siehe Tabellen) werden ergänzende Medikamente
zusätzlich oder alleinig eingesetzt:
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Kloke M, Hense J (2010)
Leitlinien zur medikamentösen Schmerztherapie. Netzwerk Palliativmedizin Essen.
Zur Schmerztherapie mit Oxycodon in der Indikation des neuropathischen Schmerzes liegen viele
aussagekräftige Publikationen vor. Von besonderer Bedeutung in dieser Indikation ist, dass Oxycodon
in klinischen Studien das am besten dokumentierte Opioid mit nachgewiesener Wirksamkeit bei
neuropathischen Schmerzen ist.
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Kloke M, Hense J (2010)
Leitlinien zur medikamentösen Schmerztherapie. Netzwerk Palliativmedizin Essen.
4. Interventionsgrenzen
Sämtliche Behandlungen und Interventionen müssen sich am Palliativpatienten stets an der
Verbesserung der Lebensqualität durch die durchgeführte oder geplante Maßnahme bewerten
lassen.
5. Kontrolle/Verhalten
Bei fehlender oder unzureichender Wirkung
• kann ein WHO-Stufen- bzw. Opioidwechsel indiziert sein.
• ist die Dosissteigerung eventuell noch nicht ausreichend erfolgt.
• Führt die Dosissteigerung zu keiner adäquaten Wirkung, wird ein Opioidwechsel
durchgeführt.
• Führt die Dosissteigerung zur Schmerzzunahme (opioidinduzierte Hyperalgesie) wird ein
Opioidwechsel oder ein alternatives Verfahren angewendet.
• kann die Therapie nicht schmerztypadäquat sein (siehe vorherige Seite) und damit
möglicherweise ein Koanalgetikum indiziert sein.
• kann eine substanzbezogene Opioidtoleranz bestehen.
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Palliativnetzwerk Rhein-Neckar
Bei häufig/stark wechselnden Schmerzen
• Bei Durchbruchschmerzen bei ansonsten suffizienter Analgesie empfiehlt sich die zusätzliche
Gabe einer Bedarfsmedikation. Hierzu wird die normal freisetzende Zubereitung des
Analgetikums verwendet. Die Dosis richtet sich nach der Höhe der Tagesmedikation (z.B. 1/6
der Tagesdosis des Basis-Opioids als Einzeldosis der zusätzlichen oralen Bedarfsmedikation).
• Bei neuropathisch einschießenden Schmerzen zusätzliche Gabe eines Antikonvulsivums.
• Tagesrhythmik von Schmerzen erfordert eine auf den Patienten abgestimmte individualisierte
Dosierung der Analgetika in Abhängigkeit der individuellen Schmerzstärke im Tagesverlauf.
Bei Nebenwirkungen bei adäquater Therapie
● ist (bei Schmerzfreiheit) eine Dosisreduktion möglich.
● besteht möglicherweise eine individuelle substanzbezogene Unverträglichkeit.
• Es ist ein Wechsel der Substanz innerhalb der Stufe oder Ab-/Ersetzen der Substanz
indiziert.
● sollte eine adäquate Prophylaxe häufiger Nebenwirkungen erfolgen,
• bei NSAR: z. B. Magenschutz
• bei Opioiden: Antiemese und laxative Behandlung
● können Beschwerden noch andere Ursachen haben und diese sollten ausgeschlossen werden,
• z. B. Hirndruck, Organversagen,Tumorprogression, Fieber, Peritonealkarzinose,
Elektrolytentgleisung
6. Literatur:
1. Husebo S, Klaschik E (Hrsg.) (2009)
Palliativmedizin. Schmerztherapie, Gesprächsführung, Ethik. Aktualisierte 5. Auflage. Springer-Verlag
Berlin, Heidelberg, New York.
2.Junker U, Lux A, Neugebauer EAG, Basler HD (2009)
Schmerztherapie bei multimorbiden und betagten Patienten. MMP 32 (5): 175-181.
3.Klaschik E (2009)
Medikamentöse Schmerztherapie bei Tumorpatienten. 10. überarbeitete Auflage. Pallia Med Verlag
Bonn.
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Palliativnetzwerk Rhein-Neckar
4.Kloke M (2009)
Therapie chronischer Tumorschmerzen. Onkologie heute 6: 47-51.
5.Kloke M, Hense J (2010)
Leitlinien zur medikamentösen Schmerztherapie. Netzwerk Palliativmedizin Essen.
6.Lasek R, Müller-Oerlinghausen B, Berthold, HK, Ludwig W.D. (2007)
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Empfehlungen zur
Therapie von Tumorschmerzen. Arzneiverordnung Praxis 34 (1): 3-29.
7.Mikus G (2009)
Schmerztherapie. Ist Morphin anderen Opioiden noch ebenbürtig? Hess. Ärzteblatt 3: 180-183.
8.Schenk M, Rieger A (Hrsg.) (2008)
Multimodale Tumorschmerztherapie. Uni-Med-Verlag Bremen, London, Boston.
9.Willenbrink HJ (2009)
Schmerz- und Symptombehandlung bei Tumorpatienten. 19. Auflage.
10.Wirz S, Schenk M, Diemer M, Dreyhaupt G, Itting G, Hanekop G, Hege-Scheuing G, Jage J, Schlisio
B, Wartenberg HC, Zimmermann M (2007)
Kurzanleitung Tumorschmerz. Arbeitskreis Tumorschmerz. Deutsche Gesellschaft zum Studium des
Schmerzes (DGSS).
11. Wörz R, Frank M, Achenbach U (2003):
Retardiertes Oxycodon – eine Therapieoption bei starken neuropathischen Schmerzen.
MMW Fortschr Med, Nr. III: 71-76
12. Watson CPN, Babul N, (1998):
Efficacy of oxycodone in neuropathic pain. A randomized trial in postherpetic neuralgia.
Neurology 50: 1837-1841
13. Watson CPN, Moulin D, Watt-Watson J, Gordon A, Eisenhoffer J (2003):
Controlled release oxycodone relieves neuropathic pain: a randomised controlled trial in painful
diabetic neuropathy.
Pain 105: 71-78
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Palliativnetzwerk Rhein-Neckar
7. Sonstiges
Hinweis:
Bei dem vorliegenden Behandlungsstandard handelt es sich nur um Empfehlungen. Für jeden
Patienten ist eine individuelle Therapie unter Einbezug bzw. Abwägung aller Umstände notwendig.
Die Standard wurde mit freundlicher Unterstützung der Mundipharma Vertriebsgesellschaft mbH &
Co.KG, Limburg/Lahn erstellt.