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BaslerStadtbuch 2014
135. Jahr / Ausgabe 2015 Chr istoph Mer ian St i f tung (Hg.)
Chr istoph Mer ian Ver lag
Po l i t i k u n d G e s e l l s c h a f t
W i r t s c h a f t u n d R e g i o n
S t a d t e n t w i c k l u n g u n d A r c h i t e k t u r
B i l d u n g u n d U m w e l t
K u l t u r u n d G e s c h i c h t e
A l l t a g u n d F r e i z e i t
Ge s u n d h e i t ? Ge s u n d h e i t !
1 35 . Jahr / Ausgabe 2 0 1 5 Chr istoph Mer ian St i f tung ( Hg. )
Chr istoph Mer ian Ver lag
BaslerStadtbuch
2014
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Gesundheit ? Gesundheit !
Auffallend viele Beiträge des diesjährigen Stadtbuchs stehen im Zusammenhang von Wandel und Veränderung und damit auch im Zeichen der beschleunigten Zeit. Das Stadtbuch ist (wie schon immer) ein Werk, das bewahrend Veränderungen dokumentiert und auf diese Weise späteren Generationen dazu verhilft, ihre eigene Epoche aus der Entwicklung heraus zu verstehen. Darauf verweisen auch die zahlreichen Beiträge zu Jubiläen, die sich in den einzelnen Kapiteln finden lassen.Den Auftakt im Schwerpunktthema ‹ Gesundheit ? Gesundheit ! › macht der fünfhundertste Geburtstag des flämischen Arztes und Anatomen Andreas Vesalius, der im Anatomischen Museum Basel mit einer Sonderausstellung gefeiert wurde. Vesal kam 1542 in die Stadt, um den Druck seines Epochenwerks ‹ De humani corporis fabrica › zu begleiten. Er wählte die Offizin von Johannes Oporinus, weil der Basler Buchdruck der Renaissance einen hervorragenden Ruf hatte. Während seines Aufenthalts führte er auch eine öffentliche Sektion durch (an der Leiche eines Hingerichteten) und präparierte anschliessend dessen Skelett, das in der Folge den Ursprung der anatomischen Sammlung bilden sollte. Ob Vesal während seines Aufenthalts auch das älteste Basler Spital, das auf dem MerianStadtplan von 1615 noch gut auszumachen ist, besucht hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Gesichert ist jedoch, dass Geschlechtskrankheiten schon damals eine Geissel der Menschheit waren. Der Frage, warum die klassischen venerischen Krankheiten wieder massiv zunehmen, widmet sich der Beitrag ‹Tripper & Co. spüren den Frühling ›. Weitere Schwerpunktthemen behandeln die Arbeit des Lebensmittelinspektorats und der Schädlingsbekämpfung sowie das schlechte sportliche Abschneiden der Basler Stellungspflichtigen bei der Rekrutierung : ‹ Sind die jungen Basler wirklich so schlapp ? ›Politik und Gesellschaft : ‹ Nach dem 9. Februar ›: Wohl keine Abstimmung der letzten Jahre hat post festum so heftige Diskussionen hervorgerufen, insbesondere in Basel mit seinen weit über dreissigtausend Grenzgängern. Was die Umsetzung des angenommenen Verfassungsartikels für die Region bedeutet, muss sich noch zeigen. Dass die ‹ gescheiterte Verlobung ›, die Abstimmung zur Fusion von BaselStadt und BaselLandschaft, eine Betrachtung wert ist, versteht sich von selbst. Veränderungen und Wandel in jeder Form – mal abrupt, mal eher still – sind Konstanten menschlicher Gesellschaften. Eine grosse Veränderung gab es im Mai 2014 bei der Christoph Merian Stiftung : Nach zwanzig Jahren wurde der Direktor und ‹ sportliche Leiter › der Stiftung, Christian Felber, verabschiedet. Die hier abgedruckte Laudatio hielt Kommissionspräsident Lukas Faesch. Ein Wandel der eher stillen Art vollzieht sich seit einiger Zeit bei den Bestattungen und Abdankungen. Der Beitrag ‹ Blick auf die Ewigkeit : Abschiedsrituale › schildert neue Wege des Abschiednehmens.
Editorial
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Wirtschaft und Region: Warum engagieren sich zunehmend weniger Wirtschaftsvertreter in der Politik ? Liegt es an der mangelnden Zeit für nebenamtliche Tätigkeiten oder betreiben Wirtschaftsvertreter Politik auf anderen Kanälen und sind demzufolge eine ‹ seltene politische Spezies ›? In einem lesenswerten Interview blickt Gudrun HeuteBluhm, knapp zwanzig Jahre lang Oberbürgermeisterin von Lörrach, zurück auf die Beziehung zu Basel. Am Ende dieses Kapitels – Gambrinus zu Ehren – folgt ein Lob der verschiedenen lokalen Kleinbrauereien, die sich mit zunehmendem Erfolg gegen die grossen Bierkonzerne stellen.Stadtentwicklung und Architektur : Wie geht es weiter mit dem neuen Verkehrsregime Innenstadt ? Ist die Verkehrsreduzierung wirklich verkehrsfeindlich ? Diesen Fragen geht der Beitrag ‹ Der Geist aus der Flasche nach ›. Wohl für lange Zeit vom Tisch ist die Forderung nach einem Rheinuferweg unter dem Münsterhügel, oder wie es im Titel heisst: ‹ Rheines Ufer bleibt reines Ufer ›. Dagegen sind am rechten Rheinufer Veränderungen unübersehbar. Der Bau 1 der Roche wächst in den Himmel und seiner Schweizer Rekordhöhe von 178 Metern entgegen; für die einen ein neues Wahrzeichen, ein architektonischer Wurf und ein Beispiel der prosperierenden Pharmaindustrie, für die anderen eine unerträgliche Verschandelung der Kleinbasler Stadtsilhouette.Bildung und Umwelt: Veränderung und Bewegung finden sich auch hier, beispielsweise der Umzug der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW auf das Dreispitzareal. Bemerkenswert: Hier scheint die Zusammenarbeit zwischen den beiden Halbkantonen funktioniert zu haben, steht doch das ‹ Labor der Kreativität › auf Landschäftler Boden. Einen Wandel der eher problematischen Art stellen die Neobiota dar : Mit dem Warentransport oder über neue Verkehrswege eingeschleppte Pflanzen und aus Unwissen oder Bequemlichkeit ausgesetzte Tiere, welche die einheimische Flora und Fauna bedrängen, stellen Bund und Kanton vor fast unlösbare Probleme beim Versuch, diese einzudämmen. Kultur und Geschichte : Nach elf Jahren verliess Adam Szymczyk, nicht ganz unumstrittener Leiter der Kunsthalle Basel, seine Wirkungsstätte. War die Ära Szymczyk ein Erfolg ? Wie auch immer: Für seine neue Funk tion als Verantwortlicher für die nächste Documenta in Kassel ist ihm alles Gute zu wünschen. Ein längerer Beitrag befasst sich, bezogen auf die Jahre 1938 bis 1945, mit der Gedenkstätte für Flüchtlinge in Riehen, die seit 2011 in einem ehemaligen DBBahnwärterhäuschen eingerichtet wurde. Dabei stellt sich die Frage, was dieser Ort nun ist : Denkmal, Mahnmal, Ehrenmal, Museum und / oder Kunstgalerie ? Im Kontext von Wandel und Veränderung steht auch die Freiwillige Basler Denkmalpflege, die seit über hundert Jahren für den Erhalt des Basler Stadtbilds kämpft. Immer wieder muss sie sich der Diskussion stellen, wie sie ihr Verhältnis zur kantonalen Denkmalpflege definiert und wie sie die ‹ Balance von Bewahren und Erneuern › lebt. Unter Wahrung dieser Balance hat die jahrelang vor sich hin bröckelnde St. AlbanKirche ein neues Kleid erhalten. Nach zwei Jahren einer umfassenden Sa nie
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rung, die auch eine Innenreinigung umfasste, leuchtet sie wieder frisch. Obwohl die Farbwahl der Fassade kritische Stimmen dazu brachte, den Namen der Kirche auf ‹ St. Marzipan › zu ändern …Alltag und Freizeit : In diesem Kapitel nahm der FC Basel 1894 in den letzten Stadtbuchjahrgängen regelmässig verdienten Raum ein. Diesmal jedoch richtet sich der Fokus auf eine andere, ebenfalls erfolgreiche Mannschaftssportart : Zu ihrem 25jährigen Jubiläum gelang es den Basel Gladiators erstmals, Schweizer Meister im American Football zu werden. Doch ganz ohne FCB geht es auch dieses Jahr nicht – wenn auch aus einer anderen Warte und persönlichen Sicht : Mämä Sykoras ‹ Von der Schwierigkeit, Basel zu mögen › ist ein Lesegenuss und jedem eingefleischten FCBFan zu empfehlen. An einen sporthistorischen Triumph wird in ‹ Sportarena und Eisvergnügen › über die achtzig Jahre alte Basler Kunsteisbahn ( ein weiteres Jubiläum ) erinnert : 1939 sahen mehr als sechzehntausend Zuschauer auf der ‹ Kunschti › den 2 : 0Sieg der Schweizer EishockeyNationalmannschaft gegen die Tschecho slo wakei, was den EuropameisterTitel bedeutete.Zahlreiche weitere Beiträge gibt es noch zu entdecken, und wir wünschen allen Leserinnen und Lesern viele vergnügliche und spannende Lesemomente.Zu danken gilt es wie jedes Jahr allen Autorinnen und Autoren, die diesen Stadtbuchjahrgang mit ihren Beiträgen erst ermöglicht haben, sowie den Stadtbuchberaterinnen und beratern. Aus dem Beratergremium verabschiedet hat sich Elias Schäfer, der zuständig für den Bereich Wirtschaft und Gewerbe war. Seine Funktion hat nun David Weber vom Gewerbeverband BaselStadt übernommen. Neu dazu gestossen ist auch Toya Krummenacher, die somit die zwischenzeitliche Vakanz beim Themenkreis Gewerkschaften und Arbeitnehmer / innen aufhebt. Herzlich danke ich der Lektorin Rosmarie Anzenberger und der Fotografin Kathrin Schulthess : Auch dieses Jahr haben sie mich mit ihrem grossen Einsatz für das Stadtbuch und mit vielen Anregungen massgeblich unterstützt. Mein Dank geht auch an das Gestaltungsteam von ‹ Groenlandbasel ›, Dorothea Weishaupt, Alena Stählin und Sheena Czorniczek, an den Lithografen Andreas Muster, an die Druckerei Schwabe AG und an den Christoph Merian Verlag sowie an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein wertvoller Begleiter war mir in den letzten drei Jahren auch immer wieder Beat von Wartburg, der mit der Übernahme des Direktionspostens der Christoph Merian Stiftung aus dem Redaktionsteam ausgeschieden ist : Ihm ein warmer Dank und die besten Wünsche für seine neue Funktion.
Lukas Hartmann, Redaktor
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Inhalt
12 Heidrun Osterer
DIE REFORM DER ANATOMIE
UND DER BASLER BUCH
DRUCK Das Anatomische Museum Basel
feierte den fünfhundertsten Geburtstag von Andreas Vesalius
mit einer Sonderausstellung. Was hat der flämische Arzt und
Anatom mit Basel zu tun ? 16 Simon Baur
«… UND UNSERN KRANKEN NACH
BARN AUCH»: DAS ERSTE
BASLER SPITAL Was sich aus der Geschichte
des ersten Basler Spitals für die Zukunft lernen lässt
19 Elias Kopf
«FIR JEDE SCHPLYN E
KRANKEKASSESCHYN»
Vor hundert Jahren gab sich Basel mit der ÖKK die erste
öffentliche Krankenversicherung der Schweiz – staatlich
subventioniert und daher für alle bezahlbar.
Corina Lanfranchi 22
SIEBZIG JAHRE IM DIENSTE
DER GESUNDHEIT: DAS TROPEN
INSTITUT Ein Rückblick auf eine wechselvolle
Geschichte, in der auch ein Erdferkel eine bemerkenswerte
Rolle spielte
Daniela Pfeil 27
ORTHOPÄDIE – AUFSCHWUNG
EINER MEDIZINISCHEN
DISZIPLIN Ein kurzer Blick in die Geschichte
der Orthopädie erhellt ihre rasante Entwicklung, von ersten
öffentlichen Sektionen im 16. Jahrhundert bis zu den Fortschritten der Chirurgie.
Pieter Poldervaart 30
TRIPPER & CO. SPÜREN
DEN FRÜHLING Heute Zwanzigjährige nehmen HIV kaum mehr als Bedrohung
wahr. Das führt zu einem sorglosen Sexualverhalten – was wiederum
der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten wie Tripper
und Syphilis Vorschub leistet.
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34 Helen Weiss
KANTONALE KONTROLLE IN
KÜCHE UND KÜHLRAUM
Alle zwei Jahre bekommen die Basler Restaurants und
Lebens mittelläden Besuch vom Lebensmittelinspektorat.
Die Gesetzeshüter gegen Schmutz kennen kein Pardon, wenn es
um die Gesundheit der Bevölkerung geht.
39 Julia Konstantinidis
DIE RATTENFÄNGER
VON BASEL Als Haustier im Käfig sind sie
putzig, als wild lebende Bewohner des Basler Untergrunds sind
Ratten jedoch nicht gern gesehen. Wächst die Population
unkontrolliert, können die Tiere zum Gesundheitsrisiko werden.
42 Regula Wenger
SIND DIE JUNGEN BASLER
WIRKLICH SO SCHLAPP ?
Wenn die Stellungspflichtigen unseres Landes in die
Turnhosen steigen und zur Rekrutierung antreten, machen
die Basler seit Jahren eine schlechte Figur. Sie holen die
wenigsten Punkte, aber bringen
dafür das höchste Gewicht auf die Waage. Vielleicht sollten
statt Kantone besser Städte miteinander verglichen werden ?
Elias Kopf 47
SUCHT – HILFE UND HEILUNG
Die kantonale Abteilung Sucht geht auf die 1914 gegründete Basler
Trinkerfürsorge zurück. Seither wurden am Rheinknie immer wieder Methoden der
Sucht bekämpfung und behandlung eingeführt, die für die Schweiz pionierhaft waren.
Markus Bär 50
KOMPLEMENTÄRE
MEDIZIN In der Lehre und Forschung
ist die Komplementärmedizin in Basel kaum verankert.
Ärzte, Therapeutinnen, Spitäler und die Kranken setzen aber
sehr wohl auch auf alternative Heilmethoden.
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Andreas Vesalius wurde als Sohn eines kaiserlichen Leibapothekers in Brüssel geboren. Er studierte an den besten medizinischen Fakultäten seiner Zeit und lehrte bereits mit 23 Jahren als Professor für Chirur gie und Anatomie an der renommierten Universität Padua. Dort reformierte er den Anatomieunterricht: Statt aus Lehr büchern zu dozieren, während die Sektionen von anderen durchgeführt wurden, stieg er sozusagen vom Katheder herab, sezierte selbst vor den Studenten und Zuschauern und erläuterte am offenen Leichnam seine Befunde. Dabei stellte er fest, dass der Aufbau des menschlichen Körpers nicht immer mit der traditionellen Lehrmeinung überein stimm te. Diese basierte auf Galen, einem griechischen Arzt, welcher vor über tausend Jahren Tiere seziert und von ihnen auf den Menschen geschlossen hatte. Noch zu Vesalius’ Zeit war Galens Lehre so sakrosankt, dass anatomische Abweichungen einer Laune der Natur oder zwischen zeitlichen Ver
änderungen des Menschen zugeschrieben wurden.Entgegen populären Meinungen gab es kein kirchliches Obduktionsverbot, das die Entwicklung der Anatomie blockierte, sondern es ging eher um ein fragloses Akzeptieren der traditionellen Lehrmeinungen. Vesalius war einer der ersten Anatomen, der seine empirischen Befunde höher wertete als die Lehre Galens. Dieses veränderte Selbstverständnis steht am Anfang der modernen Medizin. Vesalius schrieb die Entdeckungen und Erkenntnisse, welche er durch seine Sektionen gewann, von 1538 bis 1542 in seinem Lehrbuch ‹ De humani corporis fabrica › nieder. Damit begründete er die neuzeitliche Anatomie, und dieses Buch bildet bis heute eine wichtige Grundlage der modernen Medizin. Zur Verbreitung seines Werkes nutzte Vesalius die zu diesem Zeitpunkt bereits etablierte Druckkunst. Und hier kommt Basel ins Spiel. Im 16. Jahrhundert war die Stadt
DIE REFORM DER ANATOMIE
UND DER BASLER BUCHDRUCK
Das Anatomische Museum Basel feierte den fünfhundertsten Geburtstag von
Andreas Vesalius mit einer Sonderausstellung. Was hat der flämische Arzt
und Anatom mit Basel zu tun ?
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Knochen und Gelenkbänder: Modelle der menschlichen Hand
« Und grün des Lebens goldner Baum »: Blick in die Dauerausstellung des Anatomischen Museums Basel
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ein über ihre Grenzen hinaus bekannter und angesehener Verlagsort, begründet durch Drucker wie Johannes Amerbach oder Johannes Froben, die wichtige Werke der Kir chen literatur, aber auch solche der griechischen und römischen Klassik herausbrachten. Die Sorgfalt und geringe Fehlerquote ihrer Drucke trugen den Ruf der Bas ler Offizinen hinaus in die gelehrte Welt. Aber nicht nur die technische Qualität der Bücher machte die Stadt zu einem Zentrum der frühen Druckkunst: Über Johannes Amer bach war Johannes Heynlin von Stein
nach Basel gekommen, ein Frühhumanist, welcher prägenden Einfluss auf die damals noch junge Universität hatte, durch Johannes Froben fand Erasmus von Rotterdam in die Stadt und in seinem Gefolge weitere humanistische Gelehrte. Ihre Anwesenheit führte zur Publikation bedeutender Erst ausgaben humanistischer Werke; so erschien beispielsweise 1494 das ‹ Narrenschiff › von Sebastian Brant oder 1516 Erasmus’ griechischlateinische Urtextausgabe des Neuen Testaments. Frühe Drucke im Bereich
der Medizin hatten meist den Aderlass zum Thema. Vereinzelt kamen auch illustrierte Pflanzenbücher, sogenannte Herbarien, zum Druck, wie das Kräuterbuch ‹ De historia stirpium › von Leonhard Fuchs, erschienen bei Michael Isengrin.Vesalius, der bezüglich der Publikation der ‹ Fabrica › genauso perfektionistisch war wie bei seinen anatomischen Studien, wandte sich um 1542 an den Basler Drucker Johannes Oporinus, der wie kein zweiter geeignet war, sein grosses Werk herauszugeben. Selbst hochgelehrt ( er beherrschte Latein
und Griechisch ), hatte Oporinus auch Medizin studiert und war während des Aufenthalts von Paracelsus in Basel im Jahr 1527 als dessen Assistent tätig, bevor er sich 1535 mit einer Offizin in einer Druckergemeinschaft selbstständig machte. Ab 1542 führte Oporinus seine eigene Offizin; die umfangreiche Arbeit am Werk des Vesalius hatte ihm die Möglichkeit dazu gegeben.Vesalius reiste 1542 persönlich nach Basel, um den Druck seiner Publikation zu überwachen und – einmal anwesend – führte er
Papiermodell aus dem frühen 20. Jahrhundert
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hier auch eine öffentliche Sektion durch. Anschliessend präparierte er die Knochen und fügte sie zu einem Skelett zusammen. Es ist dies das weltweit älteste erhaltene präparierte Skelett eines Menschen überhaupt. Der Anatom schenkte das Skelett der Universität, und knapp dreihundert Jahre später – inzwischen ergänzt durch die Skelette einer Frau, eines Kindes und eines Affen – fand es Eingang in die 1824 von Carl Gustav Jung zur Schulung der Studenten gegründete und für damalige Verhältnisse ungewöhnlich umfangreiche anatomische
Sammlung. Sie wuchs dank kontinuierlicher Erweiterung mit aktuellen Präparaten und bildet heute die Dauerausstellung des Museums. Es werden hauptsächlich Original präparate von menschlichen Körperbereichen, Organen und Geweben gezeigt.Vesalius’ Anatomieatlas gilt als eine der schönsten und bedeutendsten Publikationen der frühen Neuzeit. Die ‹ Fabrica › zeichnet sich nicht nur durch die anatomischen Beschreibungen aus, sondern vor allem auch durch ihre Illustrationen. Die 270 Holz
schnitte zeigen den Bau des menschlichen Körpers direkt und für damalige Verhältnisse sehr genau in bis zu ganzseitigen Abbildungen. Ihre Vorlagen wurden in Italien, wahrscheinlich von einem Mitarbeiter des berühmten Tizian, Johann Stephan van Calcar, hergestellt. Revolutionär war in dieser Publikation auch die Darstellung des Körpers: nicht mehr liegend als Leichnam, sondern stehend, als ‹ lebendiger Leib ›. Im Jahr 2013 erschien im Basler KargerVerlag eine englische Neuübersetzung der ‹ Fabrica ›, die über zwanzig Jahre an der amerikanischen North Western University er ar beitet worden war. Für die grossformatige, kommentierte Spezialausgabe entwarf der Basler Schriftgestalter Christian Mengelt eigens eine Schrift, die sich an die Schrift der Originalausgabe anlehnt.Eine weitere Würdigung von Vesalius’ Leistung bot eine Ausstellung in der Basler Universitätsbibliothek von Februar bis Mai 2014. Unter dem Titel ‹ Die Sünde der Wissenschaft. Anatomische Bilder vom 15. bis 18. Jahrhundert › gab sie einen Einblick in ihre reichen Bibliotheksbestände an anatomischen Atlanten, zu denen auch die ‹ Fabrica › gehört.
Illustration aus der ‹ Fabrica ›G
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Altbundeskanzler Helmut Schmidt, nach seinem Lieblingslied gefragt, antwortete: Matthias Claudius’ ‹ Der Mond ist aufgegangen ›. Dort heisst es in den letzten Zeilen: « Verschon uns Gott mit Strafen und lass uns ruhig schlafen, und unsern kranken Nachbarn auch ». Wenn es um Spitäler geht, ist der Aspekt der Nächstenliebe zentral. Und gerade im Hinblick auf ein neu zu bauendes Spital ist es angebracht, weniger architektur historische als vielmehr menschliche und soziale Argumente ins Feld zu führen. Denn diese haben auch zentral die Gründung des ersten städtischen Spitals in Basel vor dem Jahr 1265 bestimmt. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, die Geschichte und Wirtschaftsführung des ersten Basler Spitals hier detailliert auszubreiten. Den reichhaltigen Quellenbestand hat Michaela von TscharnerAue bereits 1983 in einer rund vierhundertseitigen Dissertation zur ‹ Wirtschaftsführung des Basler Spitals bis zum Jahre 1500 › unter
sucht.1 Ihre Arbeit beschreibt profund, wie das erste Spital von Basel funktionierte, und stellt auch den Zusammenhang zwischen dem Spital und dem Barfüsserkloster her: « 1856 übergab das Spital einen grossen Teil seiner Urkunden dem Staatsarchiv. Dieser umfasste nicht nur spitaleigene Urkunden, sondern auch solche der Barfüsser ( … ) als Folge der Observanz von 1447. »
Nähe zum Barfüsserkloster
Architekturhistorisch aufschlussreich sind die Ausführungen Anne Nagels im siebten Basler Band der KunstdenkmälerBände.2 Zum – aus heutiger Perspektive – alten Spital schreibt sie: « Auf dem Areal zwischen Barfüsserkloster und Freier Strasse war kurz vor 1265 das bürgerliche Armen und Krankenhaus gegründet worden, das 1356 durch das Erdbeben, 1417 durch eine Feuersbrunst zerstört und an derselben Stelle jeweils wieder aufgebaut wurde. Mit dem Erwerb angrenzender Pri
«… UND UNSERN KRANKEN NACHBARN
AUCH»: DAS ERSTE BASLER SPITAL
Was sich aus der Geschichte des ersten Basler Spitals für die Zukunft lernen lässt
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vat häuser an der Freien Strasse und an der Spital, der späteren Barfüssergasse, vollzog sich im Laufe des 15. Jahrhunderts eine stetige Erweiterung des Komplexes. Mit der Erstellung des neuen Hauptgebäudes an der Spitalgasse ( 1501 / 1508 ), eines mit Scheune und Stall verbundenen Backhauses ( 1566 ) und eines neuen Pfrundhauses ( 1573 ) erreichte das ‹ Spital an den Schwellen › seine bis ins 18. Jahrhundert bestehende Ausdehnung. Die bauliche Entwicklung nahm 1746 / 47 ein Ende, als die mittelalterliche Spitalkirche ( ungefähr an der heutigen Ecke Freie Strasse / Kaufhausgasse; SB ) abgebrochen und dem spätmittelalterlichen Hauptgebäude zwei Flügelbauten angefügt wurden, wodurch sich die drei Höfe innerhalb des Areals zu einem einzigen Platz zusammenschlossen und das Spital eine neue Fassade zur Freien Strasse erhielt. » Über das Aussehen des ersten Spitals am Barfüsserplatz erfahren wir am meisten bei Michaela von TscharnerAue: « Die Haupt
gebäude beherbergten den Krankensaal, die Wirtschaftsräume, eine Meisterstube, eine rechte und eine linke Pfründnerstube, Aufenthaltsräume für die Dienstboten, ein Narren und ein Gehörlosenhäuschen sowie ein Schenkhaus. Alle diese Räume befanden sich in den verschiedenen Häusern, die zusammen mit der Spitalkirche etwa ein Viereck bildeten und einen Hof umschlossen. In diesem Hof stand ein Brunnen, in dem bisweilen Fische zum alsbaldigen Verbrauch aufbewahrt wurden. »
Nicht für Reiche
Bis ins 19. Jahrhundert hinein unterschieden sich die Aufgaben eines Spitals grundlegend von den heutigen. So war das Kriterium für eine Aufnahme nicht die Krankheit eines Patienten ( ausser bei Lepra, wo eine Isolierung des Kranken erzwungen wurde ), sondern seine Bedürftigkeit. Bei Eintritt mussten die Kranken ihren gesamten materiellen Besitz dem Spital überlassen, tra
Ausschnitt aus dem MerianPlan: das erste Basler Spital an der Ecke Freie Strasse und Barfüssergasse
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ten sie wieder aus, erhielten sie diesen ohne Abzüge zurück. Verstarb der Patient im Spital, ging sein materieller Besitz in das Eigentum des Spitals über. Das Spital war also während Jahrhunderten eine Stätte, wo Arme, Alte, Obdachlose und Bettler Pflege und Heilung fanden. Vermögende Patienten liessen sich in der Regel zu Hause gesundpflegen. Der Eintritt als Pfründner in das Spital war eigentlich ein Einkauf: Der Patient überschrieb dem Spital seine weltlichen Güter und ‹ erkaufte › sich so seine Pflege.3 Dank diesen Übertragungen und zahlreichen Stiftungen besassen die Spitäler Grundbesitz, Häuser oder Renten an Häusern, ausserdem Korn und Wein als Zinsen aus landwirtschaftlichem Eigentum.
Durch Schenkungen überlebensfähig
Dass das Spital sozusagen eine eigene Wirtschaft betrieb, zeigt ein Blick in die erhaltenen Rechnungsbücher, in denen Erträge aus Getreide und Weinverkauf, teils auch aus Holzschlag verzeichnet sind. Hinzu kamen Zuwendungen aus städtischen Einnahmen, sei es in Form der auf dem Markt konfiszierten Waren oder durch den Erhalt von Strafgeldern. Auch die Spenden diverser Opferstöcke in Kirchen oder Almosengelder, die in der Stadt zusammengebettelt wurden, flos sen dem Spital zu – ausserdem grosszügige Stiftungen, Spenden und Geschenke vieler Bürger zugunsten der Bedürftigen und Kranken. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es im alten Spital an der Freien Strasse zu eng; steigende Patientenzahlen zwangen die Stadt Basel, sich nach einem neuen Standort für ihr Bürgerspital umzusehen. Die Wahl fiel auf den 1808 erworbenen Markgräflerhof an der heutigen Hebelstrasse, die ehemalige Basler Residenz der Markgrafen von Baden. Die anfänglich 217 Räume mit 340 Betten des neuen Spitals reichten schon wenige Jahre später nicht mehr aus. Für die Erweiterung dieses Palais auf dem Gelände, an das
heute die Kliniken I und II des Universitätsspitals Basel grenzen, wurde im Jahr 1836 eine ‹ Suscription › ausgeschrieben, ein allgemeiner Spendenaufruf, deren Ergebnis über wältigend war. In 1480 Beiträgen ka men 274 450 Franken zusammen.4 Der damals 37jährige Christoph MerianBurckhardt stand an der Spitze der Zeichnenden, er blieb auch in der Folge ein grosser Wohltäter des Bürgerspitals. Die Unterstützung der Basler Bürger war kein Novum – ohne das Engagement zahlreicher Wohltäter hätte das Basler Spital seit seinen Anfängen nicht existieren können. Die 1846, 1860 und 1868 neu erstellten Gebäude des Spitals an seinem heutigen Standort waren mit der barocken Pracht des Markgräflerhofs nur schwer zu vereinbaren. Sie wurden aber als Ausdruck des ‹ sozialen Basel › akzeptiert.
1 TscharnerAue, Michaela von: Die Wirtschaftsführung des Basler Spitals bis zum Jahre 1500. Ein Beitrag zur Geschichte der Löhne und Preise. Basel 1983, Zitate S. 17, 25.
2 Nagel, Anne: Kaufhausgasse. In: dies./Möhle, Martin/Meles, Brigitte: Die Altstadt von Grossbasel I: Innere Altstadt rechts des Birsigs. Profanbauten. Die Kunst denk mäler der Schweiz 109 = Die Kunstdenk mäler des Kantons BaselStadt 7, Bern 2006, Zitat S. 511 f.
3 Artikel ‹ Spital ›. In: Historisches Lexikon der Schweiz, www.hlsdhsdss.ch/ textes/ d/D16579.php
4 https://unigeschichte.unibas.ch/behausungenundorte/neuezentrenamrand/universitaetsspital/entwicklungdesbuerger spitalsim19.jahrhundert.html
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Noch Jeremias Gotthelf mokierte sich über « Kropfsalben, Laxieren und Purgieren » und weitere Methoden der traditionellen Heil kunde. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Wende hin zur wissenschaftlichen Medizin: 1847 wies Ignaz Semmelweis die Wirkung der Desinfektion empirisch nach; zeitgleich wurde die Äthernarkose eingeführt. Wenig später begründeten Robert Koch und Louis Pasteur die moderne Bakteriologie und Mikrobiologie. Jetzt werden in rascher Folge wirksame Arzneimittel entwickelt; 1910 kommt mit Salvarsan das erste Antibiotikum auf den Markt, das gegen die damals grassierende Syphilis hilft.
Ringen um die öffentliche Kasse
Die moderne Medizin hat allerdings ihren Preis, und der übersteigt rasch einmal die Finanzkraft einzelner Personen und Familien. Um Abhilfe zu schaffen, gründen Basler Ärzte und Gewerbeleute im Jahr 1863 die freiwillige Allgemeine Krankenpflege ( AKP ).
Daneben sind zahlreiche sogenannte gegenseitige Hülfsgesellschaften aktiv. Angesichts der geringen Effizienz dieses Systems gibt der Regierungsrat wenig später ein Gutachten betreffend obligatorischer Krankenversicherung in Auftrag, das im Jahr 1870 vorliegt. Damit beginnt ein jahrzehntelanges Ringen: Mal ist der Grosse Rat gegen ein Obligatorium, mal ist er ( wie im Jahr 1887 ) dafür, doch nun bockt das Volk. Drei Jahre später will deshalb eine neue Vorlage die Versicherungspflicht nur noch für die unteren Einkommensschichten einführen; Ziel ist eine öffentliche Krankenkasse mit staatlicher Defizitgarantie. Dagegen opponieren vor allem die Ärzte und Apotheker, da sie staatlich verordnete und damit tiefe Tarife fürchten. Den Arbeitgebern ist die Beitragspflicht ein Dorn im Auge, die Arbeitnehmer rümpfen die Nase über den drohenden Lohnabzug und die privaten Krankenkassen poltern gegen das Gespenst staatlich verordneter Konkurrenz. Ob die
«FIR JEDE SCHPLYN E KRANKE
KASSESCHYN»Vor hundert Jahren gab sich Basel
mit der ÖKK die erste öffentliche Krankenversicherung der Schweiz – staatlich
subventioniert und daher für alle bezahlbar.
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ser unheiligen Allianz der Partikularinteressen scheitert auch dieses Vorhaben im Jahr 1890 am Veto des Souveräns.Bewegung in die verfahrene Lage bringt erst das Bundesgesetz über die Kranken und Unfallversicherung von 1912. Dieses sieht unter anderem Bundessubventionen nur für Systeme mit freier Arztwahl vor. Damit schlägt die Stunde von Fritz Aemmer, Basler Gesundheitsreformer und Kantonsarzt. Sein Krankenkassenkonzept kombiniert freie Arztwahl mit einem Obligatorium für Personen mit niedrigem Einkommen. « Die
rund 20 000 poliklinikberechtigten Einwohner sind zulasten des Kantons versichert. Abgestuft nach Einkommen gibt es zwei Klassen mit kantonalen Beiträgen von 2/3 und 1/3 der Prämien, dazu kommen die vom Arbeitgeber versicherten Personen sowie die freiwillig Versicherten. Alle Einwohner unter 60 Jahren können der Kasse beitreten », beschreiben HansDieter Amstutz und Katrin Küchler die neue Versicherung in ihrem Buch ‹ 75 Jahre ÖKK ›.
Die staatliche Kasse übernimmt die Kosten für Arzt, Spital, Medikamente, Hilfsmittel, Geburtshilfe und Stillgelder. Diesmal regt sich kein politischer Widerstand, und am 1. Oktober 1914 öffnet die ÖKK, die Öffentliche Krankenkasse BaselStadt, als schweizerische Pioniertat an der Klybeckstrasse 1b ihren Schalter.
Kaiser Rotbart übernimmt das Zepter
Nach zwei Jahrzehnten sind bereits 116 000 Personen oder über zwei Drittel der Basler Bevölkerung bei der ÖKK versichert, doch
die Kasse rutscht in die roten Zahlen – ein Umstand, der von den Schnitzelbängglern der BreoClique an der Fastnacht 1935 munter aufs Korn genommen wird:
Nimm numme unseri Ö.K.K.,die isch am allerschlimmschte dra.Trotz Subvention und Schtaatskreditversufft si fascht im Defizit.
Es hängt halt au die grossi Massewie Klätte an der Krankekasse.
ÖKK / SympanyGeschäftsstelle im Spiegelhof – 1938 / 39 erbaut inmitten einer breiten Diskussion um das Stadtbild
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Isch d’Kranket no so fadeschynig,me segglet schnäll in d’Polyklinik.
Het Aini Würm, der Ander Made,der Dritt im Hirneli e Schade,so holt me sich fir jede Schplyngratis e Krankekasseschyn.
In diesem kritischen Moment nimmt sich der Sozialdemokrat Friedrich Schneider im kurz zuvor rot gewordenen Basel der kränkelnden Krankenkasse an. Als Erstes initiiert der von den Bürgerlichen ‹ Kaiser Rotbart › geschimpfte neue ÖKKVerwalter, Regierungsrat und Nationalrat am Fischmarkt einen 1,5 Millionen Franken teuren Neubau für die ÖKKVerwaltung. Die Gegner ziehen mit dem Slogan ‹ Ö.K.K.Palais – Nein › in den Abstimmungskampf, erleiden aber 1938 an der Urne Schiffbruch. Sodann erhöht Schneider den Selbstbehalt und legt sich 1942 durch die Einführung einer kostensenkenden Notverordnung mit der Ärzteschaft an. Im Krankenkassenbulletin moniert er: « Merkantil veranlagte Ärzte und begehrensneurotische Patienten nutzen in idealem Zusammenwirken alle Möglichkeiten, die Kosten zu vermehren. Unter solchen Verhältnissen muss es zu einer Krise der Krankenversicherung kommen. » Zwei Jahre später segelt die umstrittene Notverordnung als ‹ Lex Schneider › unbeschadet durchs Basler Parlament; die ÖKK findet in die schwarzen Zahlen zurück.
Unterwegs zur ZweiklassenMedizin ?
Nach dem Zweiten Weltkrieg treibt der medizinische Fortschritt die Gesundheitskosten erneut in die Höhe, es kommt zu hitzigen Tarifgefechten zwischen ÖKK und Ärzteschaft. Ab den Siebzigerjahren reduziert der Kanton BaselStadt zudem seine Subventionszahlungen, was den Prämienanstieg wei ter beschleunigt. In der Folge wechseln viele Versicherte zu privaten Krankenkassen. Trotz einer erfolgreichen Sanierung in den Achtzigerjahren unter dem neuen ÖKK
Chef und späteren sozialdemokratischen Regierungsrat Ralph Lewin mündet diese Entwicklung im Jahr 2008 in den Neustart der ÖKK als privatrechtliche Unternehmung mit dem Namen ‹ Sympany ›. Seither warnen Kritiker vor einer ZweiklassenMedizin, in der sich nur noch begüterte Personen attraktive Zusatzversicherungen leisten können. Eine alternative Lösung in Form einer gesamtschweizerischen Einheitskasse findet denn auch in BaselStadt im Herbst 2014 – rechtzeitig aufs hundert jährige ÖKK / SympanyJubiläum – mit 45 Prozent die höchste Zustimmung aller Deutschschweizer Kantone.
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An dieses Tier hatten die Basler Ratsherren wohl kaum gedacht, als sie sich Ende 1943 für die Errichtung des Schweizerischen Tro peninstituts aussprachen und für eine dreijährige Anlauffrist eine jährliche Unterstützung von 50 000 Franken gewährten. Anstoss zur Gründung des ersten Tro peninstituts auf Schweizer Boden war die sta gnierende Wirtschaftslage während der Kriegs jahre und die Befürchtung steigender Arbeitslosigkeit in der Nachkriegszeit. Mit der Förderung der Naturwissenschaften in Form von Forschungsprojekten, so der Gedanke des Bundes, sollte ein neuer Wirtschaftszweig etabliert werden mit nutzbrin genden Effekten für Industrie und Land wirt schaft, aber auch für Export und Frem den verkehr. Alfred Gigon, damals Professor für Innere Medizin an der Universität Basel, hörte den Ruf aus Bern und reichte das Projekt ‹ Tropeninstitut › ein. Auch Bundesbern befürwortete in der Folge Gigons Idee; bereits am 4. Mai 1944 öffnete
das Schweizerische Tropeninstitut in Basel seine Türen. Erster Vorsteher wurde der Basler Rudolf Geigy ( 1902 – 1995 ). Abweichend von der Familientradition hatte er in Basel und Genf Zoologie studiert und lehrte an der Universität Basel experimentelle Embryologie und Genetik. Für das neu gegründete Tropeninstitut erwies sich Geigy während seiner langen Direktionszeit ( sie reichte bis 1972 ) als Wegbereiter zentraler Forschungsziele und engagierte Galionsfigur. Bereits ein Jahr nach Amtsantritt brach er mit einem kleinen Team nach West und Zentral afrika auf. Das wissenschaftliche Credo lautete: Verbindung von Feldforschung und Laborarbeit, um den Erregern und Überträgern tropi scher Krank heiten auf die Spur zu kom men. Geigy und seine Kollegen forschten am lebenden Objekt: Stechmücken, Termiten und Sandflöhe, und erarbeiteten vor Ort erste Ergebnisse. Ziel war es, mit konkreten Mass nahmen der grassierenden Tropen krank heiten Herr
SIEBZIG JAHRE IM DIENSTE
DER GESUNDHEIT: DAS TROPEN
INSTITUT Ein Rückblick auf eine wechselvolle
Geschichte, in der auch ein Erdferkel eine bemerkenswerte Rolle spielte
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zu werden und die Lebens situation der dortigen Bevölkerung zu verbessern. Im Jahr 1949 trat dann das Erdferkel in Erscheinung. Auf einer alten Schwarz WeissFotografie sieht man Geigy in einem Erdloch buddeln im Versuch, erstmals ein Exemplar dieser bisher unbekannten Gattung zu fangen und nach Europa zu bringen. In einer grossen PRAktion wurde das Tier in den Basler Zolli gebracht, wo es während zwei Jahren für Aufsehen sorgte. Ein wichtiges Aushängeschild des Instituts waren die Tropenkurse, die Missionsschwes
tern und ( vorwiegend männliche ) Afrikareisende auf das Leben auf dem schwarzen Kontinent vorbereiten halfen. Zum Kursangebot zählten Sprachkurse, Einführungen in das Kartenlesen und Geografie, aber auch kulturelles Wissen, ein Überblick über die Kolonialgeschichte und natürlich Informationen über die wichtigsten Tropenkrankheiten. Für Studierende der Medizin wurde ein eigener tropenmedizinischer Kurs angeboten.
Nach fast dreissig Jahren übergab Rudolf Geigy im Jahr 1972 die Leitung seinem ehemaligen Assistenten Thierry Freivogel, der bereits in den Fünfzigerjahren in Ifakara ( heute Tansania, damals Tanganyika ) das Feldlabor des Schweizerischen Tropeninstituts eingerichtet hatte. Ihm folgte 1987 Antoine Degrémont, von 1997 bis heute ist Marcel Tanner Vorsteher des Instituts. Im Herbst 2014 wurde mit Jürg Utzinger bereits Tanners Nachfolger bestimmt, der im Juli 2015 das Amt des Direktors übernehmen wird.
Rudolf Geigy hatte bereits zu Lebzeiten verschiedene Stiftungen eingesetzt, welche die vielfältigen Arbeiten des Tropeninstituts unterstützten, vor allem die Förderung des wissenschaftlichen Austausches mit den Ländern der Tropen und die dortigen Feldforschungen junger Wissenschaftler. Seit dem Jahr 2010 sind all diese Stiftungen in der R. GeigyStiftung zusammengefasst, die auch die Liegenschaften an der Socinstrasse hält.
Erinnerung an die frühen Feldforschungen und die heute noch virulente Malaria: die Skulptur der Anophelesmücke im Innenhof
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Beim Open House im Juni 2014 konnte das Publikum auch einen Blick in die Labors werfen
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