Axiome der Zurechnung Friedrich Toepel. Überblick A. Feuerbachs Modell B. Willenstheorie C....

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Axiome der Zurechnung

Friedrich Toepel

Überblick

• A. Feuerbachs Modell• B. Willenstheorie• C. Normativer Schuldbegriff• D. Welzel• E. Jakobs• F. Meine Lösung zum dolus eventualis

A. Feuerbachs Modell

I. Tatbestand: objektiv

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld: dolus directus

A. Feuerbachs Modell

• Schuld: • negative Generalprävention• Theorie des psychologischen Zwangs• Bekämpfung des „bösen Willens“• Wille als unfrei gedacht, damit die

Abschreckung auf ihn wirken kann• betrifft nur die rechtliche Schuld im

Unterschied zur moralischen Schuld (Kantische Unterscheidung)

A. Feuerbachs Modell

• Dieses Schuldmodell ist– psychologisch– aber bereits genuin rechtlich.

• Die Vorsatzform der Absicht passt am besten zu Feuerbachs Schuldmodell.

A. Feuerbachs Modell

• Nachteile:• 1. Kompensation von Strafbarkeitslücken

durch „Vorsatzpräsumtionen“• 2. unbewusste Fahrlässigkeit kann nicht

plausibel begründet werden (Fehlen jeden Willens)

B. Willenstheorie

I. Tatbestand: objektiv

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld: 3 Vorsatzformen

B. Willenstheorie

• Schuld: • überwiegend Vergeltungstheorie• Wille daher als frei gedacht, damit die

Willensschuld vergolten werden kann• Auch dies Schuldmodell ist

– psychologisch und– setzt daher einen aktuellen Willen

voraus.

B. Willenstheorie

• Vorsatz: • Alle 3 heutigen Vorsatzformen sind

bereits bekannt.• Absicht bleibt aber die zentrale

Schuldform.• Auch dolus eventualis wird als

abgeschwächte Form der Absicht aufgefasst.

B. Willenstheorie

• Daher verlangt die Willenstheorie• ein inneres Billigen des rechtlich

missbilligten Erfolgs (alte Einwilligungstheorie des RG)

C. Normativer Schuldbegriff

• Frank 1907: „Über den Aufbau des Schuldbegriffs“

• Wende vom psychologischen Schuldbegriff:

• Entwicklung neuer Schuldelemente wie dem des entschuldigenden Notstands

• nicht mit fehlendem tatsächlichem bösen Willen zu erklären

C. Normativer Schuldbegriff

• vielmehr Definition der Erwartungen an den rechtstreuen Willen

• Es geht um Vorwerfbarkeit.• Das ist hier mit normativem Konzept

gemeint.• Nicht der tatsächliche Wille muss

festgestellt werden, sondern ob die Situation eine solche war, in der das Recht Befolgung erwartet.

D. Welzels Modell

I. Tatbestand: 1. objektiv 2. subjektiv: Vorsatz

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

D. Welzel

• Vorsatz wird in den subjektiven Tatbestand aufgenommen als subjektives Unrechtselement.

• Nominell verlangt Welzel für Vorsatz zwar noch ein Wissen und Wollen.

• Der dolus eventualis wird jedoch im Sinne eines Wissens definiert.

D. Welzel

• „Voluntatives“ Element des dolus eventualis:

• Der Täter muss mit dem Eintritt der Gefahr rechnen.

• Das ist im Grunde bereits Umschreibung eines praktischen Wissens.

• Nicht erforderlich: positive innere Einstellung zum Erfolg.

D. Welzel

• Praktischer Syllogismus:

D. Welzel

• Praktischer Syllogismus:

Oberprämisse: Ich will den Tatbestand x nicht verwirklichen.

D. Welzel

• Praktischer Syllogismus:

Oberprämisse: Ich will den Tatbestand x nicht verwirklichen.Unterprämisse: Wenn ich y tue, werde ich (möglicherweise) den Tatbestand x verwirklichen.

D. Welzel

• Praktischer Syllogismus:

Oberprämisse: Ich will den Tatbestand x nicht verwirklichen.Unterprämisse: Wenn ich y tue, werde ich (möglicherweise) den Tatbestand x verwirklichen. Schlussfolgerung: Also soll ich nicht y tun.

D. Welzel

• Praktischer Syllogismus:

Oberprämisse: Ich will den Tatbestand x nicht verwirklichen.Unterprämisse: Wenn ich y tue, werde ich (möglicherweise) den Tatbestand x verwirklichen. Schlussfolgerung: Also soll ich nicht y tun.

D. WelzelOberprämisse: Ich will den Tatbestand x nicht verwirklichen.

Unterprämisse: Wenn ich y tue, werde ich (möglicherweise) den Tatbestand x verwirklichen.

Schlussfolgerung: Wenn ich y tue, werde ich (möglicherweise) den Tatbestand x verwirklichen, den ich nicht verwirklichen will.

E. Jakobs

• Wenn Vorsatz Wissen ist• stellt sich die Frage der Abgrenzung zur

bewussten Fahrlässigkeit neu:– entweder eine kontinuierliche Skala

von Fahrlässigkeit zu Vorsatz (Jakobs, Puppe)

– oder Zäsur durch das Wissen verändernde Entscheidung.

E. Jakobs

• Für eine kontinuierliche Skala scheint zu sprechen:

• Tatsachenblindheit• Der Terrorist rechnet nicht mit dem Tod

anderer Menschen z. B. bei einer waghalsigen Verfolgungsfahrt durch eine Fußgängerzone, da er zu abgestumpft ist, ihn zu bedenken.

E. Jakobs

• Ein skrupulöserer Täter, der in derselben Situation der Polizei zu entkommen sucht, denkt hingegen an die Gefährdung der Menschen in der Fußgängerzone.

• Es sei angenommen, dass beide, sowohl der Terrorist als auch der skrupulösere Täter den Tod eines Passanten verursachen.

E. Jakobs

• Nach der heute h. M. (Welzel, Lederriemenfall des BGH):

• Fahrlässigkeit des Terroristen, bedingter Vorsatz des skrupulöseren Täters

• Jakobs: Vorsatz beider• (zunächst nur de lege ferenda, seit ZStW

114 (2002), 485 auch de lege lata

E. Jakobs

• Begründung:• Schuld ist mangelnde Rechtstreue.• Vermeidbare Unkenntnis kann nicht

entlasten, wenn Kenntnis keine für den Täter entscheidungserheblichen Daten mit sich bringt.

• § 16 StGB betrifft Irrtümer, nicht Unkenntnis aus Gleichgültigkeit.

E. Jakobs

• Bedeutung:• Normativierung nicht nur des

Schuldbegriffs, sondern auch des Vorsatzbegriffs.

• Nicht mehr aktuelles Wissen ist entscheidend für Vorsatz, sondern ein besonders hoher Grad des Wissenmüssens.

E. Jakobs

• Problem:• Auch Fahrlässigkeit ist Wissenmüssen.• Weiteres Charakteristikum von Jakobs:• Argument mit mangelnder Rechtstreue• = Schuldkategorie• Tatbestand und Schuld werden eng

zusammen gesehen (Hegelianismus)

F. Meine Lösung:

• § 16 StGB verbietet Normativierung des Vorsatzes de lege lata.

• Jakobs‘ Lösung ist nicht notwendig.• Fahrlässigkeit bei Tatsachenblindheit kann

gerechtfertigt werden.• Je größere Kenntnis, um so größere

Fähigkeit, die Rechtsgutsverletzung zu vermeiden

F. Meine Lösung:

• Um Rechtstreue geht es direkt nur in der Schuld.

• Tatbestandliches Wissen erfüllt nur eine Voraussetzung, Rechtstreue zu ermöglichen: technisches Können

• Schuld betrifft hingegen ein Können, von dem technischen Können Gebrauch zu machen.

F. Meine Lösung:

• Es könnte auch gesagt werden:• Tatbestandliches Wissen betrifft ein

Können erster Ordnung.• Schuld betrifft ein Können höherer

Ordnung.• Das Können erster Ordnung ist

Voraussetzung für das Können höherer Ordnung.

F. Meine Lösung:

• Der Vorwurf mangelnder Rechtstreue auf der Schuldebene ist nicht angebracht, wenn das Können auf der ersten Ordnung fehlt.

• Das StGB bestraft nicht bloßes Gesinnungsunrecht.

• Zweiteilung der Fähigkeiten stimmt überein mit Harry Frankfurts Modell:

Harry Frankfurts Fähigkeiten

1. Handlungsfähigkeit= Fähigkeit, eine andere

Handlungsalternative zu ergreifen

Harry Frankfurts Fähigkeiten

1. Handlungsfähigkeit= Fähigkeit, eine andere

Handlungsalternative zu ergreifen

2. Willensfreiheit = Fähigkeit, frei zwischen mehreren Handlungen auszuwählen