Post on 12-Aug-2019
transcript
Danksagung
I
Auswirkungen erlebter und gegebener Arbeitsmerkmale
Die Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeit in Abhängigkeit der Arbeitsintensität
DISSERTATION
zur Erlangung des
Doktorgrades der Philosophie (Dr. phil.)
vorgelegt
der Philosophischen Fakultät
Philosophische Fakultät I
der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
von Herrn M. Sc. Psych. Florian Schweden (geb. Henze)
geboren am 10.06.1988 in Potsdam
Gutachterin. 1. Prof. Dr. rer. Nat. habil. Renate Rau
2. Prof. Dr. rer. nat. habil. em. Anna-Marie Metz
Datum der Einreichung: 15.03.2018
Datum der Verteidigung: 10.07.2018
Danksagung
II
Danksagung
Mein Dank gilt Frau Prof. Dr. Renate Rau für die fachliche Ausbildung in arbeitspsychologi-
schen Theorien und der Umsetzung dieser in Forschungsprojekten. Vielen Dank für das Ver-
trauen in meine Person, die Freiräume in der Umsetzung meiner Ideen und die fachliche Be-
treuung.
Mein Dank gilt Prof. Dr. rer. nat. habil. em. Anna-Marie Metz für die Begutachtung meiner
Dissertationsschrift und die damit einhergehende Unterstützung meines Promotionsvorha-
bens. Besonders die fachlichen Impulse zur Thematik der Analyse psychischer Arbeitsbelas-
tungen habe ich in dieser Arbeit nutzen können.
Meinen Kolleginnen und Kollegen gilt an dieser Stelle besonderer Dank. Vielen Dank an
Therese Kästner für unsere erfolgreiche, stets unterstützende Zusammenarbeit in unserem
Projekt „Strab auf Trab“ und in der alltäglichen Arbeit am Institut. Unvergessen die gemein-
same Zeit in der Straßenbahnfahrschule und die zahlreichen Erfahrungen durch gemeinsame
Vorträge und natürlich die eindrücklichen Erfahrungen in unseren ersten Dienstunterweisun-
gen. Vielen Dank an Johannes Hoppe für die Unterstützung und das Heranführen an die ar-
beitspsychologischen Fragestellungen sogar schon zu studentischen Zeiten. Vielen Dank an
Vincent Mustapha für das stets offene Ohr, den motivierenden Austausch unserer Ideen und
die vielen Momente des Lachens in unserem Büro. Vielen Dank an Christian Göllner für die
Bereicherung meiner Ideen durch fachlich theoretische Expertise. Vielen Dank an Melanie
Hassler und die Möglichkeit schon als Student in einem Projekt mitarbeiten zu können. So
konnte ich viel lernen und in einem eigenen Projekt umsetzen.
Vielen Dank an alle Studierenden, die im Rahmen ihrer Bachelor-, Master- oder Projektarbei-
ten eine große Unterstützung für das Projekt waren und Impulse für zukünftige Forschungs-
vorhaben geteilt haben.
Mein besonderer Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden. Vielen Dank an meine El-
tern und Großeltern für das Ermöglichen meines akademischen Weges und den steten Rück-
halt in allen Lebensbereichen. Vielen Dank an Felix, Jörn und Christoph für die Motivation.
Mein ganz besonderer Dank gilt Tabea Schweden – Für alles. Für die liebevolle Unterstüt-
zung, Motivation, Zuversicht und den Rückhalt. Zusammen haben wir den Tongariro be-
zwungen, nun einen weiteren „Berg“ geschafft. Danke.
Inhaltsverzeichnis
III
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis .................................................................................................................. VI
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... VIII
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................ IX
Zusammenfassung ...................................................................................................................... 1
Abstract ...................................................................................................................................... 3
1. Einleitung ............................................................................................................................... 5
2. Theoretischer Hintergrund ..................................................................................................... 8
2.1 Einflüsse von Arbeitsmerkmalen auf den Menschen ....................................................... 8
2.1.1 Definition von Arbeitsmerkmalen ............................................................................. 8
2.1.2 Bedeutung der Arbeitsmerkmale für die Gesundheit und Persönlichkeit .................. 8
2.1.3 Gut gestaltete Arbeitsmerkmale ............................................................................... 11
2.2 Tätigkeitsspielraum in der Arbeit ................................................................................... 13
2.2.1 Definition nach Hacker und Sachse (2014) ............................................................. 13
2.2.2 Definition nach Karasek (1979) ............................................................................... 15
2.2.3 Definitionen weiterer Theorien im Überblick .......................................................... 16
2.2.4 Definition in der vorliegenden Arbeit ...................................................................... 20
2.2.5 Beeinflussbarkeit in der Arbeit – Ein Arbeitsmerkmal ............................................ 22
2.2.6 Überblick empirischer Erkenntnisse zum Tätigkeitsspielraum ............................... 24
2.3 Einflüsse von Arbeitsmerkmalen auf die Beeinflussbarkeit ........................................... 26
2.4 Arbeitsintensität in der Arbeit ........................................................................................ 28
2.4.1 Definition der Arbeitsintensität ................................................................................ 29
2.4.2 Die Wechselwirkung zwischen Arbeitsintensität und Tätigkeitsspielraum ............. 32
2.5 Methodische Herausforderungen und deren Überwindung ............................................ 33
2.5.1 Methodische Herausforderung - Beeinflussbarkeit ................................................. 35
2.5.2 Methodische Herausforderung – Arbeitsintensität .................................................. 36
Inhaltsverzeichnis
IV
3. Fragestellung ........................................................................................................................ 39
3.1 Fragestellung 1 – Bedeutsamkeit der Komponenten des gegebenen und erlebten
Tätigkeitsspielraums ............................................................................................................. 39
3.2 Fragestellung 2 – Einfluss der Arbeitsintensität auf das Erleben der Beeinflussbarkeit in
der Arbeit .............................................................................................................................. 40
4. Studien .................................................................................................................................. 42
4.1 Vorwort ........................................................................................................................... 42
4.2 Studie 1 – Bedeutsamkeit der Komponenten des gegebenen und erlebten
Tätigkeitsspielraums ............................................................................................................. 43
4.2.1 Einleitung ........................................................................................................... 44
4.2.2 Operationalisierung von Tätigkeitsspielraum .................................................... 45
4.2.3 Methode .............................................................................................................. 49
4.2.4 Ergebnisse .......................................................................................................... 52
4.2.5 Diskussion .......................................................................................................... 56
4.3 Studie 2 – Einfluss der Arbeitsintensität auf das Erleben der Beeinflussbarkeit in der
Arbeit ................................................................................................................................... 62
4.3.1 Einleitung ........................................................................................................... 63
4.3.2 Theoretischer Hintergrund ................................................................................. 63
4.3.3 Methode .............................................................................................................. 67
4.3.4 Ergebnisse .......................................................................................................... 70
4.3.5 Diskussion .......................................................................................................... 72
5. Allgemeine Diskussion ........................................................................................................ 76
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................................. 76
5.1.1 Bedeutsamkeit der Komponenten des gegebenen und erlebten Tätigkeitsspielraums
........................................................................................................................................... 77
5.1.2 Einfluss der Arbeitsintensität auf das Erleben der Beeinflussbarkeit in der Arbeit. 78
Inhaltsverzeichnis
V
5.2 Limitationen .................................................................................................................... 79
5.2.1 Forschungsdesigns ................................................................................................... 79
5.2.2 Überstunden ............................................................................................................. 81
5.2.3 Soziale Unterstützung .............................................................................................. 82
5.2.4 Einfluss der Persönlichkeit ...................................................................................... 83
5.2.5 Generalisierbarkeit ................................................................................................... 85
5.3 Implikationen für zukünftige Forschung ........................................................................ 85
5.3.1 Operationalisierung von Arbeitsmerkmalen ............................................................ 85
5.3.2 Integration der Beeinflussbarkeit in arbeits- und organisationspsychologische
Modelle ............................................................................................................................. 86
5.3.3 Wechselbeziehung der Beeinflussbarkeit und der Arbeitsintensität ........................ 88
5.3.4 Kurvilineare Beziehungen der Beeinflussbarkeit im Verhältnis zu
Beanspruchungsfolgen ...................................................................................................... 88
5.3.5 Entscheidungsmöglichkeit oder -erfordernis ........................................................... 90
5.3.6 Vollständigkeit und Komplexität ............................................................................. 91
5.3.7 Motivierende Arbeitstätigkeiten .............................................................................. 92
5.3.8 Replikation ............................................................................................................... 94
5.4 Implikationen für die psychologische Gestaltung von Arbeit ........................................ 95
5.4.1 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept für Gefährdungsbeurteilungen psychischer
Belastungen ....................................................................................................................... 95
5.4.2 Psychologische Arbeitsgestaltung ........................................................................... 96
5.4.3 Passung zwischen Person und Arbeitstätigkeiten .................................................... 98
5.5 Schlussfolgerung ............................................................................................................ 99
Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 101
Anhang ................................................................................................................................... 133
Tabellenverzeichnis
VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Die drei Ziele der psychologischen Arbeitsgestaltung nach Hacker und Sachse
(2014) .............................................................................................................................. 12
Tabelle 2 Komponenten des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit nach Karasek et al. (1998) und
die in der Dissertationsschrift verwendeten deutschen Begriffe .................................... 16
Tabelle 3 Unterscheidung zeitlicher und inhaltlicher Freiheitsgrade nach Rudolph,
Schönfelder und Hacker (1987) ...................................................................................... 21
Tabelle 4 Die Klassifikation von Ressourcen bei der Arbeit nach Udris, Kraft, Mussmann &
Rimann (1992) ................................................................................................................ 24
Tabelle 5 Überblick ausgewählter Referenzen zu Zusammenhängen des Tätigkeitsspielraums
in der Arbeit mit positiven Beanspruchungsfolgen ......................................................... 25
Tabelle 6 Überblick ausgewählter Referenzen zu Zusammenhängen des Tätigkeitsspielraums
in der Arbeit mit negativen Beanspruchungsfolgen ........................................................ 26
Tabelle 7 Überblick der deskriptiven Statistik, der Korrelationen und internen Konsistenzen
aller Variablen, welche mittels Selbstbericht erfasst wurden (n = 61) .......................... 53
Tabelle 8 Supplementary information regarding the five included cross-sectional projects,
with participants categorised by gender ......................................................................... 67
Tabelle 9 Operationalisation of expert-rated work demands depending on the level of mental
regulation of the activities (based on Hacker, 2003) ...................................................... 69
Tabelle 10 Descriptive statistics for the variables used in this study, among the whole sample
and clustered on the basis of level of mental regulation of activities (Hacker, 2003) ... 70
Tabelle 11 Results from the simple moderation model estimating self-reported decision
authority (Y) .................................................................................................................... 72
Tabelle 12 The conditional effects of the moderator (expert-rated work demands) within the
simple moderation model ................................................................................................ 72
Tabellenverzeichnis
VII
Tabelle 13 Überblick linearer Zusammenhänge der Beeinflussbarkeit, Vollständigkeit,
Vorhersehbarkeit und Rückmeldungen (im Sinne der Durchschaubarkeit) ................. 137
Tabelle 14 Überblick ausgewählter Referenzen zu Zusammenhängen der Arbeitsintensität mit
negativen Beanspruchungsfolgen ................................................................................. 140
Tabelle 15 Faktorenladungen der Komponenten Anforderungsvielfalt und Beeinflussbarkeit
(N = 801; diverse Berufe) der Items des Fragebogen zum Erleben von Intensität und
Tätigkeitsspielraum in der Arbeit (Richter et al., 2000) zu den Komponenten des
Tätigkeitsspielraums nach Karasek et al. (1998) ......................................................... 141
Tabelle 16 Zuordnung der Items des Tätigkeitsbewertungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA;
Hacker et al., 1995) und der Skala Beteiligungsgrad aus dem REBA-Verfahren
(Pohlandt et al., 1996) zu den Komponenten des Tätigkeitsspielraums nach Karasek et
al. (1998) und Gebele et al. (2011) ............................................................................... 142
Tabelle 17 Operationalisierung der objektiven Arbeitsintensität mit Hilfe ausgewählter Skalen
des Tätigkeitsbewertungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA; Hacker et al., 1995) und des
REBA-Verfahren (Pohlandt et al., 1996) in Abhängigkeit des kognitiven
Regulationsniveaus (N = 801). ..................................................................................... 142
Tabelle 18 Pearson-Korrelationen der Arbeitsmerkmale erlebte (subjektive) und objektive
Beeinflussbarkeit, sowie der Arbeitsmerkmale erlebte (subjektive) und objektive
Arbeitsintensität ............................................................................................................ 143
Tabelle 19 Deskriptive Statistik subjektiver und objektiver Arbeitsmerkmale in Hinblick auf
die Gruppeneinteilungen gemäß des kognitiven Regulationsniveaus ........................... 144
Abbildungsverzeichnis
VIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Grafische Darstellung des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts nach Rohmert
und Rutenfranz (1975) unter Einbezug des Auftrags-Auseinandersetzungs-Konzept
(Metz & Rothe, 2017) ..................................................................................................... 11
Abbildung 2. Das Verhältnis zwischen objektiven und subjektiven Tätigkeitsspielraum in der
Arbeit (TSP) nach Hacker und Sachse (2014) ................................................................ 15
Abbildung 3. Illustration of Karasek´s (1979) model of job control and its components ........ 63
Abbildung 4. Simple moderation model with X = expert-rated decision authority as the
independent variable, M = expert-rated work demands as the moderator of X´s effect on
Y = self-reported decision authority (dependent variable) ............................................. 71
Abbildung 5. Hypothetisches Studiendesign zur Untersuchung langfristiger Auswirkungen
von Arbeitsbelastungen ................................................................................................... 81
Abbildung 6. Die vier Quadranten des Job Demand-Control Modells von Karasek (1979) .. 134
Abbildung 7. Der Kennwert des Motivierungspotentials nach Hackman und Oldham (1976)
...................................................................................................................................... 135
Abbildung 8. Rahmenmodell zur Systematisierung der Einflussfaktoren auf die Höhe der
Arbeitsintensität einer Tätigkeit nach Rau und Göllner (2018) .................................... 138
Abbildung 9. Punkt-Streu-Diagramm des erlebten Tätigkeitsspielraums (Mittelwert der
Komponenten Beeinflussbarkeit, Anforderungsvielfalt & Qualifikationsausnutzung und
das Lernpotential der Arbeit) und der erlebten Arbeitsintensität (vgl. Karasek &
Theorell, 1990) .............................................................................................................. 145
Abbildung 10. Punkt-Streu-Diagramm der Mittelwerte der erlebten Komponenten des
Tätigkeitsspielraums (getrennt für Beeinflussbarkeit & Anforderungsvielfalt) und der
erlebten Arbeitsintensität (vgl. Karasek & Theorell, 1990) .......................................... 146
Abkürzungsverzeichnis
IX
Abkürzungsverzeichnis
α Cronbach´s Alpha (Reliabilitätsmaß)
β Regressionskoeffizient
bx Effektstärke
F empirischer Wert des F-Tests
FABA Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewälti-
gung
FIT Fragebogen zum Erleben von Intensität und Tätigkeitsspielraum in der
Arbeit
LMX Leader-Member-Exchange
M Mittelwert
max Maximum
min Minimum
MQ Maastricht Questionnaire
N Gesamtanzahl von Fällen
n Anzahl von Fällen
p Signifikanzniveau eines empirischen Testergebnisses
r Produkt-Moment-Korrelationskoeffizient
rVariable Partieller Korrelationskoeffizient
rtt Koeffizient der Test-Retest-Stabilität
R2
Anteil der aufgeklärten Varianz
SALSA Salutogenetische subjektive Arbeitsanalyse
SD Standardabweichung
SE Standardfehler
t t-Wert
TBS-GA Tätigkeitsbewertungssystems Geistige Arbeit (im Englischen: TDS)
UWES-9 Utrecht Work Engagement Scale-Kurzversion
Zusammenfassung
1
Zusammenfassung
Seit Jahren der psychologischen Forschung ist bekannt, dass die Möglichkeit durch das eigene
Handeln Kontrolle über eine spezifische Situation zu erlangen ein grundlegendes Bedürfnis
des Menschen ist (vgl. Bandura, 1997; Blumenfeld, 1932; Maslow, 1971; Seligman, 1975).
Das Erleben von Kontrolle und Beeinflussbarkeit gilt als eine Grundlage für das Lernen, die
Gesundheit und die persönliche Entwicklung des Individuums. Dieses Kontrollbedürfnis er-
streckt sich auch auf die Handlungen innerhalb der eigenen Arbeitstätigkeit eines Menschen
und ist eines der meist diskutierten arbeitspsychologischen Konstrukte.
Die Beeinflussbarkeit und das damit einhergehende Gefühl der Kontrolle sind inner-
halb der arbeitspsychologischen Forschung mit positiven Beanspruchungsfolgen assoziiert.
Doch stehen diesen Ergebnissen in der jüngeren Zeit widersprüchliche Befunde gegenüber. Es
wird vermutet, dass durch die Zunahme der Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten der Arbeit und
der gleichzeitig zunehmenden Ökonomisierung dieser Arbeit (Bsp.: Zeitdruck durch schnelle-
re Produktionsabläufe; Zeitbindung durch digitalisierte Arbeitsschritte) Überforderungserle-
ben anstatt Kontrollerleben eintreten kann. Um diesem Wandel der Arbeit in Zukunft begeg-
nen zu können, bedarf es Wissen über praxisorientierte Ansatzpunkte einer belastungsreduzie-
renden Arbeitsgestaltung. Dafür grundlegend sind arbeitspsychologische Ansätze, welche
eine bedingungsbezogene Analyse von den Arbeitsmerkmalen Beeinflussbarkeit und Arbeits-
intensität ermöglichen um darauf aufbauend den Wirkzusammenhang dieser Arbeitsmerkmale
analysieren zu können. Es wurde durch einen mehrdimensionalen querschnittlichen For-
schungsansatz untersucht, welche Arbeitsmerkmale gegebenen sein müssen, um Beeinfluss-
barkeit zu erleben und, ob dieses Erleben durch Arbeitsbedingungen im Sinne der Arbeitsin-
tensität beeinträchtigt werden können.
Hierfür wurde in Studie 1 anhand von 61 Straßenbahnfahrern und -fahrerinnen
(M = 44.74 Jahre, SD = 8.64 Jahre) untersucht welche Beziehungen zwischen den objektiv in
der Arbeit gegeben und subjektiv erlebten Komponenten des Tätigkeitsspielraum nach Kara-
sek (1979) bestehen, welche Personen- und Arbeitsmerkmale diese Beziehung beeinflussen
und in welchem Maße diese Komponenten mit Beanspruchungsfolgen assoziiert sind. Das
Erleben von Beeinflussbarkeit ist im geringen Maße von Merkmalen der Person, jedoch ent-
scheidend von objektiven Arbeitsmerkmalen abhängig und stellt somit ein wahrnehmbares,
bedingungsbezogenes und gestaltbares Arbeitsmerkmal dar. Die erlebte berufliche Anforde-
rungsvielfalt hingegen konnte als Anforderung an die Einstellung einer Person, sich Belastun-
gen auf der Arbeit zu stellen, identifiziert werden.
Zusammenfassung
2
Vor dem Hintergrund der Theorie das Arbeitshandelns, der Handlungsregulationstheo-
rie (Hacker & Sachse, 2014), wurde in einer zweiten Studie untersucht, ob die von Experten
eingestufte Arbeitsintensität das Verhältnis zwischen objektiv verfügbarer von Experten be-
werteter Beeinflussbarkeit und wahrgenommener selbst eingeschätzter Beeinflussbarkeit mo-
derieren kann. Dazu wurden N = 801 deutsche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus fünf ver-
schiedenen Querschnittsuntersuchungen (zwischen den Jahren 2007-2016) analysiert. Die
Ergebnisse eines einfachen Moderationsmodelles (Hayes, 2013) zeigten, dass die objektive
Arbeitsintensität das Erleben von der Beeinflussbarkeit beeinträchtigen kann, selbst wenn ein
Arbeitsplatz eine von Experten als hoch bewertete Beeinflussbarkeit innehat. Die Arbeitsin-
tensität scheint als beeinträchtigendes Ausführungshindernis in Situationen mit hohem Ar-
beitsaufkommen objektiv verfügbare Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten in der Wahrnehmung
und somit im Nutzen zu beeinträchtigen.
Zusammenfassend legen die Studienergebnisse nahe, dass sichere und gut gestaltete
Arbeitsmerkmale und -bedingungen erforderlich sind, um die Wahrscheinlichkeit von Fehlbe-
anspruchungen zu reduzieren. Eine detaillierte mehrdimensionale Operationalisierung der
Komponenten des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit von Karasek und Theorell (1990) wird
zu Recht von anderen Wissenschaftlern eingefordert und findet in dieser Dissertationsschrift
empirische Argumente. Der Vergleich von objektiv und subjektiv bedingungsbezogenen Da-
ten bietet Hinweise dafür, dass die Auswirkungen verschiedener Arbeitsmerkmale (hier
exemplarisch Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität) nicht isoliert betrachtet werden sollten.
Die gewonnenen Erkenntnisse bieten methodische Ansatzpunkte für zukünftige Forschungs-
arbeiten zu anderen bedeutenden Arbeitsmerkmalen (z. B.: soziale Unterstützung). In Bezug
auf die Aus- und Wechselwirkung gestaltbarer Arbeitsmerkmale sind solche Ergebnisse in
Zukunft essentiell für die psychologische Arbeitsgestaltung.
Abstract
3
Abstract
It is a well-known fact of psychological research that the possibility of gaining control over a
specific situation through one's own actions is a basic human need (ex: Bandura, 1997, Blu-
menfeld, 1932, Maslow, 1971, Seligman, 1975). Experiencing control and decision authority
is considered to be the basis for learning, health and personal development. The need for con-
trol also extends to the actions within one's own work activity and is one of the most dis-
cussed work-psychological constructs.
It is identified in years of empirical research that decision authority is accompanied by
perceiving control and this is associated with positive consequences. However towards these
results several recent studies have raised questions about whether there are positive or nega-
tive effects of high perceived decision authority. It is assumed that by increasing possibilities
for perceiving decision authority and simultaneously increasing economization of work (eg:
time pressure due to faster production processes, time constraints through digitized work, etc.)
overload experiences can occur rather than the experience of control. In order to be able to
meet this change in work in the future, there is a need for knowledge about practice-oriented
approaches to reducing work demands. Fundamental prerequisite for this problem are psycho-
logical approaches, which enable a condition-related analysis of the work characteristics deci-
sion authority and work demands. A multi-dimensional, cross-sectional research approach
was used to investigate which work characteristics must be given in order to experience deci-
sion authority and whether this experience can be impaired by working conditions in terms of
high work demands.
In study 1 (61 tram drivers, M = 44.74 years, SD = 8.64 years) we examine the rela-
tionship between the components of given and perceived job control (Karasek, 1979) towards
stress, personal and work characteristics. The experience of decision authority depends on
personal characteristics within a small extent, but decisively on participation and supportive
leadership. Therefore, decision authority represents perceptible, conditional and designable
work characteristics. Skill discretion, however, can be interpreted as a demand towards per-
sonal characteristics to meet the requirements at work.
Within the theoretical framework of the theory of labor action, the action regulation
theory (Hacker & Sachse, 2014), a second study examined whether expert rated work de-
mands moderates the relationship between objectively available decision authority and per-
ceived decision authority. For this purpose, N = 801 German employees from five different
Abstract
4
cross-sectional studies (between years 2007-2016) were analyzed. Results of a simple moder-
ation model indicated that work demands can hamper the perception of decision authority,
even if a workplace has high, objective expert-rated decision authority. Work demands, as an
impediment to execution in situations of high workload, might hamper the perception of ob-
jectively available decision authority and therefore these possibilities were not being used.
In summary, these findings suggest that safe and well-designed task characteristics are
required in order to reduce the probability of job strain. A detailed multidimensional opera-
tionalization of the components of job control (Karasek & Theorell, 1990) is rightly demand-
ed by other scientists and is supported by empirical arguments and evidence in this disserta-
tion. The comparison of given and perceived task characteristics offers indications that the
effects of different work characteristics (in this example decision authority and work de-
mands) should not be considered in isolation. The findings provide methodological approach-
es for future research towards other important task characteristics such as social support.
These results with regard to the impact and interaction of task characteristics would be essen-
tial for future psychological work design.
1. Einleitung
5
1. Einleitung
Die heutige Gesellschaft ist zunehmend geprägt durch die Digitalisierung und der damit ver-
bunden Auswirkungen auf die private Lebensführung als auch auf den Wandel der Arbeitstä-
tigkeiten. In vielen technischen Lösungen werden häufig Flexibilisierungsmöglichkeiten, effi-
zienzsteigernde Arbeitswege und -mittel als auch Rationalisierungsmöglichkeiten angepriesen
(Mc Kinsey Global Institute, 2017). Gleichzeitig sind jedoch diese Errungenschaften mit
Auswirkungen für den einzelnen arbeitenden Menschen verbunden. Die Arbeitstätigkeiten
scheinen sich in derart zu entwickeln, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Menschen
durch zunehmende geistige Tätigkeiten steigen, jedoch bedingt durch den technischen Fort-
schritt und der damit verbundenen Ökonomisierung die Arbeitsintensität gleichzeitig ansteigt
(vgl. Dunkel & Kratzer, 2016; Hacker, 2016; Hassler & Rau, 2016; Institut DGB-Index Gute
Arbeit, 2012, 2015, 2016; Kompier, 2006; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017). Einige Wis-
senschaftler sprechen in Bezug auf diese Entwicklungen sogar von Neotayloristischen Ansät-
zen in der Arbeit durch die zunehmende Trennung von Kopf- und Handarbeit bzw. Trennung
von Konzeption und Ausführung (Marrs, 2010; Springer, 1999). Trotz der beobachtbaren Zu-
nahme erweiterter Autonomie bzw. Beeinflussbarkeit in der Arbeit für die einzelnen Perso-
nen, ist eine Zunahme an berufsbedingten psychischen Beeinträchtigungen festzustellen
(Bradtke, Melzer, Röllmann & Rösler, 2016; Hacker, 2000; Kratzer, 2012; Lenhardt, Ertel &
Morschhäuser, 2010; Pfaff, 2013).
Wie passt das zusammen, wo doch die Möglichkeiten Kontrolle zu erleben seit vielen
Jahren der arbeitspsychologischen Forschung als gesundheitsförderlich gelten? Es scheint sich
ein Paradox in der Arbeitswelt zu etablieren: Die arbeitenden Menschen haben zwar mehr
Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten, jedoch müssen sie diese unter Zeitdruck und fehlenden
Kompensationsmöglichkeiten zu nutzen wissen (vgl. Väänen & Toivanen, 2017). In der be-
trieblichen Praxis werden daher häufig die Motivation und persönliche Einstellungen zum
Beruf als für die Leistung, Effizienz und die individualisierte gesundheitsförderliche Gestal-
tung der Arbeit verantwortlich gemacht (Rudolph, Katz, Lavigne & Zacher, 2017; Tims &
Bakker, 2010). In einer Gesellschaft, in der die Arbeit dem Menschen zur Selbstverwirkli-
chung dienen soll (im Sinne der Subjektivierung von Arbeit; Frey, 2009; Kleemann, Matu-
schek & Voß, 1999; Kleemann & Voß, 2010; Rump & Eilers, 2017), wird daher mehrheitlich
eine personen- und verhaltensbezogene Optimierung der arbeitenden Personen gefordert
(Brunnett, 2013). Die Gesundheit der Personen wird dabei durch Arbeitgeber oft als (ver-)
nutzbare Ressource betrachtet (Gerlinger & Stegmüller, 2009). Gesundheitsgerechtes Verhal-
1. Einleitung
6
ten wird in die Eigenverantwortlichkeit gelegt, jedoch werden Personen im Arbeitsprozess
gleichzeitig als passiv, den äußerlichen Bedingungen ausgesetzt, angesehen. Dies wiederum
wird oftmals auf ein mangelndes Verhaltensrepertoire zurückgeführt (Schmidt-Semisch &
Paul, 2010). Demzufolge festigt sich die Vorstellung, dass im Sinne der Arbeitsgestaltung
ausschließlich Verhaltensinterventionen die Gesundheit fördern bzw. Krankheiten verhüten
können (Brunnett, 2013). Diese Auffassung gesunder Arbeit bzw. Arbeitseinstellung mündet
nur allzu oft in einer steten Selbstoptimierung und -ausbeutung (Brunnett, 2013; Hacker &
Sachse, 2014; Kratzer, 2012).
In dieser vorherrschenden Individualisierung von Arbeit ist es in der heutigen Ar-
beitswelt nicht mehr zeitgemäß arbeitende Menschen als passiv in ihrer Arbeitstätigkeit anzu-
sehen (vgl. Hacker, 2000). Vor dem theoretischen Hintergrund der Handlungsregulationstheo-
rie (Hacker & Sachse, 2014) und dem Rahmenmodell des Belastungs-Beanspruchungs-
Konzept (Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz, 1975), setzen sich Menschen aktiv mit ih-
ren Arbeitstätigkeiten auseinander. Dabei spielen Arbeitsinhalte (z. B.: Beeinflussbarkeits-
möglichkeiten) und Arbeitsbedingungen (z. B.: Störungen im Sinne eines beeinträchtigten
Ausführungshindernis) eine entscheidende Rolle. Demzufolge ist es notwendig bei einer Ar-
beitsanalyse nicht ausschließlich die Person und dessen Verhaltensrepertoire in den Fokus zu
stellen, sondern parallel dazu die gegebenen Arbeitsinhalte und -bedingungen in Relation zu
setzen. Es bedarf arbeitspsychologischer Ansätze, welche Gründe und Ursachen der be-
obachtbaren Zunahme berufsbedingter psychischer Beeinträchtigung bedingungsbezogen ana-
lysieren. Die arbeitspsychologische Forschung dient als Wissensgrundlage für die psychologi-
sche Arbeitsgestaltung im Sinne der Gestaltung gesundheits- und persönlichkeitsförderlicher
Arbeitsmerkmale. Dies beinhaltet die Forderung nach einer differenzierenden und validen
Operationalisierung von Arbeitsmerkmalen. Arbeitsanalysen sollten stets erfassen, was wirk-
lich verhältnisbezogen gestaltbar ist. Demnach stellt sich die Frage, was in der Arbeitstätig-
keit objektiv gegeben ist und wie diese Merkmale und Bedingungen wahrgenommen und ge-
nutzt werden können.
Am Beispiel der bedeutenden Arbeitsmerkmale der Beeinflussbarkeit und der Arbeits-
intensität wurde in der vorliegenden Dissertationsschrift diesen Fragen nachgegangen. Bereits
bekannt ist, dass Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit und somit Kontrolle am Arbeitsplatz für
das Lernen, die Gesundheit und die persönliche Entwicklung entscheidend sind (Frese &
Zapf, 1994; Hacker, 2003; Hackman & Oldham, 1976; Warr, 2011). Fraglich ist jedoch, ob
die Arbeitsintensität diese Möglichkeiten beeinträchtigen kann, oder ob andere Arbeits-
1. Einleitung
7
und/oder Personenmerkmale das Erleben und Nutzen der Beeinflussbarkeit ermöglichen. Ziel
der vorliegenden Dissertationsschrift ist es, positive als auch negative Auswirkungen von den
Arbeitsmerkmalen Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität unabhängig von der Person einzu-
schätzen. Vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeit und der steigenden individuellen Ver-
antwortungsübertragung, sollen diese Ergebnisse im Rahmen einer verhältnisorientieren be-
lastungsreduzierenden Arbeitsgestaltung von Ausführungsbedingungen und Arbeitsinhalten
diskutiert werden (vgl. Engel et al., 2002; Lohman-Haislah, 2012).
Die vorliegende Dissertationsschrift gliedert sich hierbei in fünf große Abschnitte.
Abschnitt 1 dient einer allgemeinen Einleitung gefolgt von der Darstellung des theoretischen
Hintergrundes in Abschnitt 2. Die aus der Theorie abgeleiteten Fragestellungen sind in Ab-
schnitt 3 dargestellt. Gemäß wissenschaftlicher Empfehlungen (American Psychological
Association, 2010; Deutsche Gesellschaft für Psychologie, 2016) sind in Abschnitt 4 die zwei
quantitativen Studien samt der Theorie, den Hypothesen, der Methode, der Ergebnisse und der
Diskussion aufgeführt. In Abschnitt 5 werden die Studienergebnisse in einer zusammenfas-
senden Diskussion kritisch reflektiert und es werden Implikationen für die Forschung als auch
für die psychologische Arbeitsgestaltung gegeben.
2. Theoretischer Hintergrund
8
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Einflüsse von Arbeitsmerkmalen auf den Menschen
Das Verhalten von arbeitenden Menschen ist, vermittelt durch die psychische Tätigkeit, durch
die Außenwelt bestimmt (Rubinstein, 1962). Der Kern einer jeden Arbeitstätigkeit ist der Ar-
beitsauftrag (Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2003; Hacker & Sachse, 2014). Dabei ist die Arbeit
nicht nur wichtig zur Finanzierung des Lebensunterhaltes, sondern auch um die eigene Per-
sönlichkeit und Gesundheit fördern zu können. Ziel des handlungstheoretischen arbeitspsy-
chologischen Ansatzes dieser Dissertationsschrift ist, Wissen über die psychische Regulation
zielgerichteter Arbeitstätigkeiten und dessen Arbeitsmerkmalen für den Transfer hin zu einer
persönlichkeits- und lernförderlichen Arbeitsgestaltung zu schaffen (vgl. Hacker & Sachse,
2014).
2.1.1 Definition von Arbeitsmerkmalen
Arbeitstätigkeiten sind der Kernbestandteil eines Arbeitsprozesses durch die Festlegung des
Arbeitsgegenstandes und der im Arbeitsauftrag geforderten Arbeitsergebnisse (Hacker, 2005;
Hacker & Sachse, 2014). Der Arbeitsauftrag – von Vorgesetzten und/oder Klienten übertra-
gen oder selbstgesetzt – bestimmt die Arbeitsinhalte (job content) und die Arbeitsbedingun-
gen (job context) bzw. die Ausführungsbedingungen. Unter Berücksichtigung des eigenen
Könnens und Wollens wird ein Arbeitsauftrag durch die Person „übersetzt“ (Redefinitionspa-
radigma; Hackman, 1969) und so zu einer subjektiv übernommen Arbeitsaufgabe.
Die Arbeitsinhalte und die Arbeitsbedingungen stellen die Anforderungen der Arbeits-
tätigkeit an die Person dar. Im Zusammenspiel sind sie als auf den Menschen wirkende Ar-
beitsmerkmale zu verstehen (Baba & Jamal, 1991; Bandura, 1997; Elder, 1997). In der vorlie-
genden Dissertationsschrift werden Arbeitsmerkmale als durch den Auftrag festgelegte, ob-
jektive und wertneutrale Anforderungen an die Person verstanden.
2.1.2 Bedeutung der Arbeitsmerkmale für die Gesundheit und Persönlichkeit
In der arbeits- und organisationspsychologischen Forschung haben sich unterschiedliche Mo-
delle etabliert, welche durch verschiedene Eigenschaften von Arbeitsmerkmalen Vorhersagen
für die Gesundheits- und Persönlichkeitsförderlichkeit bis hin zu Folgen für die Leistungsfä-
higkeit und -bereitschaft treffen. Ein prominentes Modell ist das Belastungs-Beanspruchungs-
Konzept (Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz, 1975), da es Einzug in (inter-)nationale
2. Theoretischer Hintergrund
9
Normen fand. Die DIN EN ISO 10075-1 (2000) und DIN SPEC 33418 (2014) definieren psy-
chische Belastung und psychische Beanspruchungen in der Arbeit wie folgt:
Psychische Belastungen sind „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von au-
ßen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (DIN EN ISO
10075-1, 2000; S.3)
Psychische Beanspruchung sind die langfristigen (DIN SPEC 33418, 2014) und „die
unmittelbare[n] Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum, in Abhängig-
keit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, ein-
schließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.“ (DIN EN ISO 10075-1, 2000;
S.3)
Psychische Belastungen in der Arbeitstätigkeit sind wertneutral zu verstehen. Sie sind
in der Arbeit durch die im Arbeitsauftrag festgelegten objektiven Anforderungen an die Per-
son charakterisiert (Hacker & Sachse, 2014; Metz & Rothe, 2017; Nachreiner, 2012; Richter
& Hacker, 2012). Demnach können Folgen der psychischen Belastung aus der Gestaltung von
Arbeitsmerkmalen erwachsen – die Arbeitsinhalte und die Arbeitsbedingungen determinieren
die psychische Belastung (Metz & Rothe, 2017; Semmer & Udris, 2007). Entstehende psychi-
sche Beanspruchungen durch die Belastung in der Arbeitstätigkeit sind hingegen nicht wert-
neutral. Folgen von Belastungen in der Arbeit können positiv sein (Bsp.: Lernen durch die
Arbeit: Rau, 2006; van Ruysseveldt & van Dijke, 2011; van Ruysseveldt, Verboon & Smul-
ders, 2011; Motivation: Karasek & Theorell, 1990), aber auch negativ (weiterhin als Fehlbe-
anspruchung benannt; Bsp.: Ermüdungs- bzw. Erschöpfungssymptome: Donders, Roskes &
van der Gulden, 2007; Nixon, Mazzola, Bauer, Krueger & Spector, 2011; Querstret &
Cropley, 2012). Dabei können Beanspruchungen nach Kaufmann, Pornschlegel und Udris
(1982) klassifiziert werden in kurzfristige aktuelle Reaktionen (Bsp.: positiv: Motivation; ne-
gativ: Ermüdung, Monotonie, Sättigung) und mittel- bis langfristige chronische Reaktionen
(Bsp.: positiv: Arbeitszufriedenheit; negativ: allgemeine psychosomatische Beschwerden,
Depression).
Entscheidend für das Verständnis der Auswirkungen verschieden gestalteter Arbeits-
merkmale ist daher die Wechselbeziehung zwischen der psychischen Belastung in der Arbeit
und der daraus resultierenden Beanspruchung (Nachreiner, 2012; Richter & Hacker, 2012).
Für die Wirkzusammenhänge von Belastung und Beanspruchung gibt es mehrere wissen-
schaftliche Modelle deren Unterschiede sich zusammengefasst darin äußern, ob die arbeiten-
2. Theoretischer Hintergrund
10
den Personen als passiv (arbeitende Menschen reagieren auf Belastung) oder aktiv (arbeitende
Menschen agieren in Arbeitstätigkeiten) anzusehen sind (Metz & Rothe, 2017; Richter & Ha-
cker, 2012). In der vorliegenden Dissertationsschrift wird der Handlungsregulationstheorie
(Überblickswerk: Hacker & Sachse, 2014) folgend und basierend auf dem Belastungs-
Beanspruchungs-Konzept (Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz, 1975) von einer aktiv
handelnden arbeitenden Person ausgegangen. Das Auftrags-Auseinandersetzung-Konzept1
beschreibt die arbeitende Person als aktiv handelndes und sich mit seinen Arbeitsaufgaben
und deren Ausführungsbedingungen auseinandersetzendes Subjekt (Hacker, 1991; Metz &
Rothe, 2017; Richter & Hacker, 2012; Abbildung 1). Die Person ist nicht passiv und unreflek-
tiert, sondern setzt sich mit den Anforderungen (Belastungen) in der Arbeit aktiv und voraus-
schauend (antizipatorisch) auseinander (Hacker, 2017). Entscheidend für die vermittelnden
Zusammenhänge zwischen Belastung und Beanspruchung ist hierbei der Mensch und dessen
psychische Regulation der Arbeitstätigkeit (Hacker, 2017; Hacker & Sachse, 2014). Verein-
facht dargestellt (detailliert in Hacker & Sachse, 2014) wirkt die psychische Regulation der
Arbeitstätigkeit als motivationale Antriebsregulation (Bsp.: Das ob gehandelt wird und wenn
ja, mit welcher Anstrengung; Ziele und Motive des Menschen) und als operationale Ausfüh-
rungsregulation (Bsp.: Auf welche Weise wird gehandelt und welche (Arbeits-)Bedingungen
liegen vor um das Ziel einer Tätigkeit zu erreichen; Arbeitsmerkmale).
1 In Metz & Rothe (2017) wird dieses Konzept als Auftrags-Auseinandersetzung-Konzept benannt. Im Original
von Richter & Hacker (2012) wird dieses Konzept jedoch als Aufgaben-Anforderungs-Ansatz benannt. In der
vorliegenden Dissertationsschrift verwende ich jedoch den von Metz & Rothe (2017) eingeführten Begriff, da
dieser aus persönlicher Sicht „Anforderungen der Aufträge und ihrer Ausführungsbedingungen im Sinne einer
externen Variable“ (Richter & Hacker, 2012; S.34) treffender beschreibt.
2. Theoretischer Hintergrund
11
Belastung * Beanspruchung
Individuelle
Leistungsvoraussetzung
Anforderungen an die
Person
Arbeitsinhalt:
Bsp.: Tätigkeitsspiel-
raum
Arbeitsbedingungen:
Bsp.: Zeitbindung
Ressource in der Person
Leistungsvoraussetzun-
gen
Personale Ressource
Habituelle Copingstra-
tegien
Veränderung in der
Person
Positiv:
Kurzfristig: Motivati-
on
Langfristig: allg. Ar-
beitszufriedenheit
Negativ:
Kurzfristig: Monoto-
nie, Ermüdung, Sätti-
gung
Langfristig: psycho-
somat. Beschwerden
Auftrags-Auseinandersetzungs-Konzept
Aktives (tlw. antizipatorisches) Auseinandersetzen mit Belastung im
Sinne der psychischen Regulation von Arbeitstätigkeiten
Abbildung 1. Grafische Darstellung des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts nach Rohmert
und Rutenfranz (1975) unter Einbezug des Auftrags-Auseinandersetzungs-Konzept (Metz &
Rothe, 2017)
*Dieser Pfad soll symbolisieren, dass psychische Belastungen auch ohne die menschliche Wahrnehmung (und
dessen Beschreibung im Selbstbericht) zu Beanspruchung führt (Rau, 2004a; Schuller, Rösler & Rau, 2012;
Theorell & Hasselhorn, 2005; Waldenström & Härenstam, 2008; Waldenström, Lundberg, Waldenström & Hä-
renstam, 2003).
2.1.3 Gut gestaltete Arbeitsmerkmale
Im Deutschen Arbeitsschutzgesetz (§4) ist verankert, dass Arbeitstätigkeiten so zu gestalten
sind, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit
vermieden werden soll, sodass Fehlbeanspruchungsfolgen verhütet bzw. zumindest reduziert
werden können (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2014; Hacker, 2009;
Hacker & Sachse, 2014). Die zu gestaltenden, von außen auf den Menschen einwirkenden,
Belastungen (Abschnitt 2.1.2) sind durch Arbeitsmerkmale (bedingt durch Arbeitsinhalte
2. Theoretischer Hintergrund
12
und/oder Arbeitsorganisation; Metz & Rothe, 2017; Abschnitt 2.1.1) determiniert. In der psy-
chologischen Arbeitsgestaltung richten sich Gestaltungsmaßnahmen auf die erforderlichen
Handlungen, Denkprozesse und -anforderungen (psychische Regulation, Abschnitt 2.1.2;
Bsp.: selbständiges Entscheiden) von Mitarbeitenden für konkrete Arbeitsprozesse (Hacker &
Sachse, 2014). In erster Linie dient die Arbeitsgestaltung der Effizienzverbesserung und trägt
gleichzeitig zu Möglichkeiten des beständigen Lernens, dem Erhalt der Gesundheit und Leis-
tungsfähigkeit bei der Arbeit bei (Bamberg, Ducki & Metz, 1998, 2011; Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2014; Hacker & Sachse, 2014). Zusammengefasst sind die
zentralen Ziele der psychologischen Arbeitsgestaltung nach Hacker und Sachse (2014) in Ta-
belle 1.
Eines der prominentesten Arbeitsmerkmale in Bezug auf eine humane Arbeitsgestal-
tung ist der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit (Hacker, 2009; Abschnitt 2.2). Dieses Arbeits-
merkmal ist Ausgangspunkt der Forschung der vorliegenden Dissertationsschrift. Im Folgen-
dem wird auf die arbeitswissenschaftlichen Definitionen des Tätigkeitsspielraum in der Arbeit
eingegangen und dargestellt, welche empirischen Befunde für die Wirkung des Tätigkeits-
spielraums in der Arbeit vorliegen und welche offenen Fragen in Bezug auf dieses Arbeits-
merkmal existieren.
Tabelle 1
Die drei Ziele der psychologischen Arbeitsgestaltung nach Hacker und Sachse (2014)
Ziel Beschreibung
Effizienz Die Effizienz bezieht sich auf die Leistung und beschreibt ein Aufwands-
Ertrags-Verhältnis, welches nicht nur auf den wirtschaftlichen Aufwand, son-
dern auch auf den individuellen (in Form der Beanspruchung) Aufwand zu
beziehen ist. Der Aufwand soll dabei möglichst gering gehalten werden.
Schutz Die Arbeitsgestaltung verfolgt das Ziel der körperlichen und psychischen Be-
einträchtigungsfreiheit und der Schädigungslosigkeit im Sinn der Welt-
Gesundheits-Organisation (WHO, 2014)*.
Entwicklungsmög-
lichkeiten
Sicherung von Entwicklungsmöglichkeiten für wesentliche Fähigkeiten und
Einstellungen im Arbeitsprozess im Sinne einer lernförderlichen und gesund-
heitsstabilisierenden Arbeitsgestaltung.
Anmerkungen. *Unter Gesundheit wird nach der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (Stand
08.05.2014) der Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das
Fehlen von Krankheiten und Gebrechen verstanden.
2. Theoretischer Hintergrund
13
2.2 Tätigkeitsspielraum in der Arbeit
Das Gefühl der Kontrolle wird in der psychologischen Forschung seit vielen Jahren als grund-
legendes Bedürfnis des Menschen angesehen (Bandura, 1997; Blumenfeld, 1932; Maslow,
1971; Seligman, 1975). Auch in der arbeitspsychologischen Forschung ist die Kontrolle als
„Gefühl“ (Bsp.: job control; Karasek, 1979) und Arbeitsmerkmal (Bsp.: Möglichkeiten zu
verschiedenartigem auftragsbezogenem Handeln in der Arbeit; Hacker & Sachse, 2014) eines
der meist diskutierten Konstrukte (van der Doef & Maes, 1999). Es gilt allgemeinhin, dass die
Möglichkeit Kontrolle am Arbeitsplatz zu erleben für das Lernen, die Gesundheit und die
persönliche Entwicklung entscheidend ist (Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2003; Hackman &
Oldham, 1976; Warr, 2011). Die Bedeutung des Tätigkeitsspielraum in der Arbeit ist durch
die Verankerung in nationale und internationale Richtlinien der Beschaffenheit von Arbeits-
aufträgen/-tätigkeiten verdeutlicht (Handlungsspielraum als Synonym verwendet; DIN EN
ISO 6385, 2004, 2016; Anhang A).
Der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit ist Bestandteil zahlreicher arbeits- und organisa-
tionspsychologischer Modelle und Theorien. Aufgrund dessen existiert eine Vielzahl an un-
terschiedlichen Begriffen und Konstrukten, welche den Tätigkeitsspielraum in der Arbeit be-
schreiben. Allen gemein ist die Auffassung, dass Arbeitende die Möglichkeit haben sollten,
ihre Arbeitsweise selbst zu beeinflussen bis hin Arbeitsweisen selbstständig zu wählen, Ent-
scheidungen zu treffen und intrinsische Motivation, Qualifizierungsbereitschaft und letztlich
Autonomie zu erleben (Bamberg & Metz, 1998; Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2005; Hacker &
Sachse, 2014; Hackman & Oldham, 1976; Semmer, 1990; Ulich, 2011). Im Folgenden wer-
den die für diese Arbeit zentralen Definitionen des Tätigkeitsspielraums gemäß der Auffas-
sungen von Hacker und Sachse (2014) und Karasek (1979) dargestellt. Darüber hinaus sind
zum Zwecke des Verständnisses der in dieser Arbeit verwendeten Definition weitere Be-
griffsdefinitionen aufgeführt.
2.2.1 Definition nach Hacker und Sachse (2014)
In der Ausführung der eigenen Arbeitstätigkeit kann das Arbeitsergebnis auf verschiedene Art
und Weise erreicht werden (Hacker, 2009; Hacker & Sachse, 2014). Hacker und Sachse
(2014) sprechen bei diesen Möglichkeiten von Freiheitsgraden bzw. Tätigkeitsspielraum für
unterschiedliches auftragsbezogenes Handeln, welche Möglichkeiten zu selbstständigen Ent-
scheidungen einschließen. Sie unterscheiden zwischen Entscheidungen und Auswahlen. Ent-
2. Theoretischer Hintergrund
14
scheidungen stellen eine bewusste Wahl auf der Grundlage von Vergleichen und Beurteilen
mehrerer Ausführungsmöglichkeiten (Bsp.: Arbeitswegvarianten einschließlich Festlegung
von zu verwendenden Arbeitsmitteln, Abfolgevarianten von Verrichtungen, Tempovarianten,
Ergebniseigenschaften) dar und sind Bestandteil von Entwurfsoperationen der Handlungsvor-
bereitung und Abschätzung der Handlungskonsequenzen (Rudolph, Schönfelder & Hacker,
1987). Diese sind von Auswahlen vorgeschriebener Ausführungsvarianten abzugrenzen (im
Sinne von WENN-DANN-Festlegungen; Hacker & Sachse, 2014). Durch die Beschaffenheit
von Ausführungsbedingungen der Arbeitstätigkeiten werden somit Möglichkeiten zu ver-
schiedenartiger Tätigkeitsregulation geboten (Hacker, 2009; Hacker & Sachse, 2014). Diese
sind in aufsteigender Reihenfolge:
1. fehlende Freiheitsgrade für selbstständige Zielstellungen oder Vornahmen,
2. Freiheitsgrade für Mengenvornahmen je Zeiteinheit (Tempo),
3. Freiheitsgrade zusätzlich für Festlegungen zur Abfolge von Teiltätigkeiten,
4. Freiheitsgrade zusätzlich für Festlegungen über Vorgehensweisen und/ oder einzuset-
zende Mittel der Tätigkeiten,
5. Freiheitsgrade zusätzlich für Aufgaben- /Ergebniseigenschaften.
Demnach ist der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit die Summe der objektiv im Ar-
beitsauftrag gegebenen Freiheitsgrade bezüglich der Möglichkeiten zu auftragsgerechten
Handeln (Hacker, 2005; Hacker & Sachse, 2014). Des Weiteren unterscheiden Hacker und
Sachse (2014) zwischen einem objektiv existierenden und einem subjektiv erkannten Tätig-
keitsspielraum in der Arbeit. Das Nutzen von objektiven Tätigkeitsspielraum ist abhängig von
dessen Wahrnehmung (Abbildung 2; Hacker & Sachse, 2014). Unter Berücksichtigung des
Konzeptes der Kontrolle nach Seligman (1975) und Blumenfeld (1932) stellt das Erkennen
und Nutzen eines objektiv vorliegenden Tätigkeitsspielraums in der Arbeit die Beeinflussbar-
keit der eigenen Tätigkeit dar und schließt die Durchschaubarkeit der Arbeitssituation und die
Vorhersehbarkeit von Arbeitsanforderungen als Voraussetzungen ein (Hacker & Sachse,
2014; Abschnitt 2.3).
2. Theoretischer Hintergrund
15
TSP
objektiv vorhanden
TSP
≥ subjektiv erkannt
TSP
≥ subjektiv beherrscht
TSP
≥ subjektiv genutzt
Abbildung 2. Das Verhältnis zwischen objektiven und subjektiven Tätigkeitsspielraum in der
Arbeit (TSP) nach Hacker und Sachse (2014)
2.2.2 Definition nach Karasek (1979)
Die Definition des Tätigkeitsspielraums bei der Arbeit von Karasek ist eingebettet in dessen
Job Demand-Control Modell (JDC-Modell; Karasek, 1979; Karasek & Theorell, 1990). Das
JDC-Modell ist vielfach untersucht und die Bedeutung des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit
für das Entstehen von Beanspruchungsfolgen belegt worden (Review über Metanalysen im
Zeitraum 1964 bis 2014; Rau & Buyken, 2015). Mit Hilfe des JDC-Modells werden arbeits-
dingte (Fehl-)Beanspruchungen durch die Kombination der zwei Arbeitsmerkmale Tätigkeits-
spielraum in der Arbeit und Arbeitsintensität vorhergesagt. In diesem Abschnitt wird die De-
finition des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit nach JDC-Modell dargestellt und in Abschnitt
2.4 wird auf das Arbeitsmerkmal Arbeitsintensität gesondert eingegangen. Eine detaillierte
Beschreibung des Modells würde an dieser Stelle nicht der Beschreibung der Definitionen
dienen, ist jedoch in Anhang B gegeben.
Im JDC-Modell umfasst der erlebte Tätigkeitsspielraum in der Arbeit (decision latitu-
de) die decision authority und die skill discretion. Unter dem Sammelbegriff job control wer-
den diese beiden Komponenten zusätzlich mit der skill utilisation zusammengefasst (Karasek
et al., 1998; Tabelle 2). Es handelt sich um ein additives Konstrukt mehrerer Komponenten
(Karasek et al., 1998), welches sich auf den von Personen erlebten Tätigkeitsspielraum in der
Arbeit bezieht. Die Komponente der decision authority meint die Einflussmöglichkeit auf
derzeitige und künftige Arbeitssituationen nach eigenen Zielen und Handeln. Darunter kann
die Beeinflussbarkeit zum selbstständigen Handeln im Sinne von Blumenfeld (1932) verstan-
den werden (Tabelle 2). Die Komponente der decision authority umfasst Entscheidungsmög-
lichkeiten und zeitliche als auch inhaltliche Freiheitsgrade bei der Arbeit im Sinne von Hacker
und Sachse (2014). Die von Karasek und Theorell (1990) beschriebene Komponente deckt
sich demnach mit der von Hacker und Sachse (2014) beschriebenen des subjektiv genutzten
Tätigkeitsspielraums. Die berufliche Anforderungsvielfalt (skill discretion) beschreibt die
Möglichkeit eigene berufliche Fertigkeiten und Fähigkeiten zum Einsatz zu bringen und dabei
die Chance zu haben, Neues zu lernen. Laut Karasek und Kollegen (1998) ist die skill utilisa-
2. Theoretischer Hintergrund
16
tion (Qualifikationsausnutzung und dem Lernpotential der Arbeit) nicht Bestandteil des Tä-
tigkeitsspielraums in der Arbeit, sondern stellt eine Verknüpfung zur Anforderungsvielfalt dar
(Karasek & Theorell, 1990). Diese wird daher als zusätzlicher Summand in das additive Kon-
strukt der Beruflichen Kontrolle (job control) aufgenommen (Tabelle 2).
Karasek und Kollegen (1998) empfehlen eine für die Komponenten separate Operatio-
nalisierung und Analyse, da unterschiedliche Auswirkungen für Beanspruchungsfolgen ver-
mutet werden könnten – empirisch gestützt durch: Kain & Jex, 2010; Kubicek, Korunka &
Tement, 2014; Magnusson Hanson, Theorell, Oxenstierna, Hyde & Westerlund, 2008;
Schmidt & Diestel, 2011; Schreurs & Taria, 1998; Smith, Tisak, Hahn & Schmieder, 1997;
Wall, Jackson, Mullarkey & Parker, 1996).
Tabelle 2
Komponenten des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit nach Karasek et al. (1998) und die in
der Dissertationsschrift verwendeten deutschen Begriffe
Begriffe Karasek et al. (1998) Begriffe in der Dissertationsschrift
decision latitude Tätigkeitsspielraum in der Arbeit
decision authority Beeinflussbarkeit
skill discretion Anforderungsvielfalt
skill utilisation Qualifikationsausnutzung und dem Lernpotential der Arbeit
job control
= decision latitude (decision au-
thority + skill discretion) + skill
utilisation
Kontrollerleben im Beruf
= Summe aus dem Tätigkeitsspielraum in der Arbeit und der
Qualifikationsausnutzung und dem Lernpotential der Arbeit
2.2.3 Definitionen weiterer Theorien im Überblick
Dem Verständnis dieser Arbeit liegt das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept zugrunde (Ab-
schnitt 2.1.2; Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz, 1975). Weitere Theorien und dessen
Definition des Tätigkeitsspielraum in der Arbeit, welche sich nicht bzw. nur zu Teilen auf das
Belastungs-Beanspruchungs-Konzept beziehen bzw. ein anderes Wirkmodell der Arbeit auf
die Gesundheit des Menschen zugrunde legen, sind im Folgenden kurz dargestellt und erläu-
tert.
2. Theoretischer Hintergrund
17
Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum (Ulich, 2011). Nach Ulich
(1988, 2011) ist der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit ein mehrdimensionales Konstrukt be-
stehend aus den Komponenten Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum. Dabei
bedient er sich unterschiedlicher bereits bestehender Konzepte und Konstrukte des Tätigkeits-
spielraums in der Arbeit. Der Handlungsspielraum ist nach Ulich (2011) die „Summe der
Freiheitsgrade“ (S.187) und lehnt sich so an die Definition von Hacker und Sachse (2014) an.
Er versteht unter Handlungsspielraum Möglichkeiten zu unterschiedlichem aufgabenbezoge-
nem Handeln (Bsp.: Auswahl der Arbeitsverfahren, Arbeitsmittel und der zeitlichen Organisa-
tion) und somit das Ausmaß an Flexibilität bei der Ausführung. Dabei unterscheidet er zwi-
schen vorhandenen (objektiven) und als Wahlmöglichkeiten erkannten (subjektiven) Hand-
lungsspielräumen. In Anlehnung an Volperts Strukturierbarkeit (1990) stellen Gestaltungs-
spielräume die Möglichkeit der selbstständigen Gestaltung von Vorgehensweisen unter eige-
nen Zielstellungen dar und bestimmen somit die Variabilität von eignen Handlungen. Schließ-
lich bezieht Ulich (2011) in den Tätigkeitsspielraum bei der Arbeit den Entscheidungsspiel-
raum mit ein, welcher das Ausmaß an Entscheidungskompetenzen eines Mitarbeiters (oder
auch einer ganzen Gruppe) zur Festlegung von Tätigkeiten beinhaltet (in diesem Sinne das
Ausmaß der Autonomie).
Kontrolle (Frese, 1989). Frese (1989) verwendet im Sinne des englischsprachigen
Wortes control den Begriff der Kontrolle (vgl. Abschnitt 2.2.1.2 Definition nach Karasek; job
control; Karasek, 1979). Dabei führte er diesen Begriff als Äquivalent zu Ulichs (1988) Kom-
ponente des Handlungsspielraums ein. Kontrolle stellt die wahrgenommene und gegebene
Möglichkeit (objektive und subjektive Kontrolle; Frese, 1989, 1995) einer Person oder einer
Gruppe dar, für sich „relevante Bedingungen und Tätigkeiten entsprechend eigener Ziele,
Bedürfnisse und Interessen zu beeinflussen“ (Frese, 1987; S. 161). Dabei wird unter Kontrolle
jedoch nur die Möglichkeit verstanden Maßnahmen zu beeinflussen, welche relevant für eine
Zielerreichung sind. Zapf und Semmer (2004) verweisen daher auf eine Differenzierung der
Kontrolle. Oft wird in Handlungs-/Methodenspielraum (method control; Jackson, Wall, Mar-
tin & Davids, 1993; Frese, 1989) und Zeitspielraum (timing control; Jackson et al., 1993; Fre-
se, 1989) unterschieden. Dennoch wird nicht wie vergleichsweise im JDC-Modell (Karasek,
1979) die Komplexität (im Sinne der Anforderungsvielfalt und der Qualifikationsausnutzung
und dem Lernpotential der Arbeit) in die Kontrolle einbezogen. Kontrolle stellt eine Regulati-
onsmöglichkeit und Komplexität eine Regulationsanforderung dar (Bsp.: ein „Muss“ des
Treffens von Entscheidungen; Zapf, 1993; Zapf & Semmer, 2004). Entgegen der Darstellung
2. Theoretischer Hintergrund
18
von Frese (1989, 1995), ist der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit nach Hacker und Sachse
(2014) jedoch nicht auf horizontale in der Effizienz gleiche Auswahlen von Handlungsstrate-
gien beschränkt, sondern bezieht vertikale Entscheidungen mit ein. Unter vertikalen Entschei-
dungen sind hierbei Möglichkeiten der Beeinflussung des Arbeitsauftrags gemeint, welche bei
maximaler Ausprägung (im Sinne des Grades der Beeinflussbarkeit) selbstständiges Zielset-
zen als Anforderung an die Person darstellen. Demnach ist das Konzept von Hacker und
Sachse (2014) nicht in das Konstrukt der Kontrolle integriert. In der Darstellung von Zapf und
Semmer (2004) ist die Kontrolle nach dem Verständnis von Frese (1989) insbesondere auf
betriebliche Belange und Partizipation zu beziehen.
Autonomie (Hackman & Oldham, 1976). Im Job Characteristics Modell (Hackman &
Oldham, 1976) wird versucht das intrinsische Motivierungspotential einer Arbeitstätigkeit
durch eine Gleichung abzuschätzen (dargestellt in Anhang C). Dabei bezieht sich das Modell
auf motivationsfördernde Arbeitsbedingungen und dessen Auswirkungen auf das Erleben und
Verhalten von Personen (Ulich, 2011) auf Grundlage von fünf Tätigkeitsmerkmalen (detail-
liert beschrieben in Anhang C). Die erlebte Autonomie (“The degree to which the job provi-
des substantial freedom, independence, and discretion to the individual in scheduling the work
and in determining the procedures to be used in carrying it out”, Hackman & Oldham, 1976,
S. 285) ist für das intrinsische Motivationspotential essentiell, da nur bei vorhandener Auto-
nomie auch Motivation entstehen und daraus resultierend eine Person Verantwortung für ihre
eigene Arbeitstätigkeit erleben kann (Hackman & Oldham, 1975, 1976). Unter der Autonomie
verstehen die Autoren das Ausmaß von Entscheidungsmöglichkeiten über die Art und Weise
der Tätigkeitsausführung als auch über Tätigkeitsinhalte. Diese Definition ist der der inhaltli-
chen Freiheitsgrade nach Hacker und Sachse (2014) sehr ähnlich. Der Unterschied zu Hacker
und Sachse (2014) besteht darin, dass auf die möglichen zeitlichen Freiheitsgrade nicht ge-
sondert eingegangen wird.
Opportunity for Control (Warr, 1987). In dem motivationalem Vitmaninmodell (Warr,
1987, 1990, 2011) wird davon ausgegangen, dass die Beziehungen zwischen verschiedenen
Arbeitsmerkmalen und psychosozialer Gesundheit (mental health; Warr, 1987) nicht linear,
sondern umgekehrt u-förmig ist. Wobei zu erwarten ist, dass Arbeitsmerkmale stärker in Be-
ziehung stehen zur Arbeitszufriedenheit, als zum allgemeinen Wohlbefinden, ist die zentrale
abhängige Variable in dem Modell die (un-)happiness (allgemeine Arbeits(un-)zufriedenheit;
Warr, 1987, 2011). Für Warr (1987, 2011) ein Oberbegriff für das allgemeine durch arbeiten-
2. Theoretischer Hintergrund
19
de Personen berichtete (affektive) Wohlbefinden auf der Arbeit – Warr´s Modell bezieht sich
explizit auf die Wahrnehmung des Menschen. Als eines von neun wichtigen Arbeitsmerkma-
len in der Arbeitsumgebung (Details S. 81-110; Warr, 2011) beschreibt Warr die opportunity
for personal control (Möglichkeit der persönlichen Kontrolle; Warr, 2011). Darunter ist das
Erleben von Kontrolle über die Beeinflussung eigener Handlungen zu verstehen, wobei er
sich auf das Kontrollverständnis von Bandura (2001) stützt. Des Weiteren bezieht er in An-
lehnung an Karasek (1979) die opportunity for skill use (Möglichkeit der Fähigkeitsausnut-
zung; Warr, 2011) als ein wichtiges Arbeitsmerkmal ein. Es wird postuliert, dass die Mög-
lichkeit der Fähigkeitsausnutzung mit dem Erleben von Kontrolle einhergeht (Bsp.: durch
Anwendung von Fähigkeiten erlangt Person Expertise – diese begünstigt Kontrollerleben in
neuer ähnlicher Situation). Jedoch ist ein Erleben von Kontrolle auch in Arbeitssituation ge-
ringer Fähigkeitsausnutzung möglich, da diese als leicht und somit beherrschbar erlebt wer-
den. Wodurch wird der u-förmige Verlauf begründet? Warr´s (1987, 2011) Annahme ist, dass
die positive Wirkung der Möglichkeit zur persönlichen Kontrolle der Arbeitsumwelt dann
begrenzt ist, wenn eine Kontrollmöglichkeit durch die Organisation zu einer Kontrollanforde-
rung wird (extrinsic job feature; Warr, 2011). Wenn eine Entscheidung durch die Person ge-
troffen werden muss, kann dieses Erfordernis im Erleben eine unvermeidliche Anforderung
darstellen und so als negativ im Sinne einer Überforderung empfunden werden (overload
problems; Warr, 2011; S. 97).
Gefühlte Kontrolle (control; Ganster, 1989). Kontrolle ist an dieser Stelle als Mög-
lichkeit bei der Arbeit auf zukünftige Arbeits- und Umgebungsbedingungen Einfluss zuneh-
men definiert. Dieser Einfluss bezieht sich jedoch auf den emotionalen (affektiven) Aspekt
der Kontrolle im Sinne von Seligman (1975) in derart, dass Personen durch diese Möglichkeit
die eigene Arbeit als für sich selbst lohnenswert und nicht bzw. weniger bedrohlich erleben
(Ganster, 1989). Dabei nimmt Ganster (1989) den Standpunkt ein, dass dem erlebten Tätig-
keitsspielraum in der Arbeit ein stärkerer kausaler Faktor für die Erklärung von (Fehl-)Bean-
spruchungen zu Teil wird und im Fokus der Forschung stehen sollte (vgl. Claessens, van Eer-
de, Rutte & Roe, 2004; Ganster & Perrewé, 2011; Jex, 1998; Kain & Jex, 2010; Rosen,
Chang, Djurdjevic & Eatough, 2010). Diese Definition des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit
ist somit weniger im Sinne der arbeitspsychologischen Forschung, welche sich auf die Wir-
kung gestaltbarer Arbeitsmerkmale fokussiert.
2. Theoretischer Hintergrund
20
2.2.4 Definition in der vorliegenden Arbeit
In den vorangegangenen Abschnitten wurde eine Auswahl der unterschiedlichen Auffassun-
gen des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit überblicksartig dargestellt. Ein zu dieser Thematik
treffender Standpunkt von Semmer (1990) fast die Wissenschaftslage gut zusammen. Die
bestehenden verschiedenartigen Konstrukte, welche im Verständnis alle den Tätigkeitsspiel-
raum in der Arbeit als ein entscheidendes Arbeitsmerkmal auffassen, sind dahingehend gleich,
als dass der Tätigkeitsspielraum bedeutend für eine gesundheits- und persönlichkeitsförderli-
che Arbeitsgestaltung ist.
Grundlegend für die Definition des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit für die vorlie-
gende Dissertationsschrift sind die handlungstheoretische Ausrichtung (Hacker & Sachse,
2014), das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz,
1975) und die Unterscheidung von inhaltlichen und zeitlichen Freiheitsgraden (Tabelle 3).
Angelehnt an das Verständnis von Kontrolle als Bedürfnis eines jeden Menschen von Blu-
menfeld (1932) und Seligman (1975), wird in dieser Dissertationsschrift Tätigkeitsspielraum
in der Arbeit als gegebene (objektive) und erlebte (subjektive) Beeinflussbarkeit der eigenen
Arbeitstätigkeit verstanden. Ab diesem Zeitpunkt ist unter dem Begriff Beeinflussbarkeit die
in diesem Abschnitt dargestellte Definition gemeint. Diese Definition schließt die objektive
und subjektive Beeinflussbarkeit ein (Operationalisierung Abschnitt 4.). Die Beeinflussbarkeit
ist als ein gestaltbares Arbeitsmerkmal aufzufassen, welches in der DIN EN ISO 6385 (2004,
2016) als Handlungsspielraum verankert ist. Unter der Beeinflussbarkeit werden im Arbeits-
auftrag gegebene Möglichkeiten gesehen, welche erlebt werden können:
Möglichkeit das eigene Vorgehen im Sinne der auftragsgerechten Erfüllung zu beein-
flussen (Bsp.: selbstständiges Entscheiden über Arbeitswege und/oder -mittel)
Möglichkeit durch Beteiligung an der Auftragsgestaltung die eigene Arbeitstätigkei-
ten selbstständig zu planen (Bsp.: selbstständiges einteilen der Arbeit)
Möglichkeit der Einflussnahme auf Entscheidungen des/r Vorgesetzten in Bezug auf
die Auftragsgestaltung bis hin zur selbstständigen Zielsetzung.
Im Sinne der Handlungsregulationstheorie (Hacker & Sachse, 2014) ist mit Beein-
flussbarkeit sowohl die objektive durch den Arbeitsauftrag festgelegte, als auch die subjektiv
erlebte Beeinflussbarkeit gemeint. In diesem Sinne ist die Beeinflussbarkeit ein gestaltbares
Arbeitsmerkmal (bestimmt den Arbeitsinhalt; siehe Abschnitt 2.1.1) im Sinne einer Belas-
tung (siehe Abschnitt 2.1.2). Die vorliegende Definition kann mit der der decision authority
2. Theoretischer Hintergrund
21
(Karasek, 1979) als Einflussmöglichkeit auf derzeitige und künftige Arbeitssituationen nach
eigenen Zielen und Handeln verglichen werden, schließt jedoch zusätzlich die objektiv ge-
gebenen Arbeitsmerkmale ein. Der Vergleich objektiv gegebener und subjektiv erlebter Ar-
beitsmerkmale ist entscheidend für eine humane Arbeitsgestaltung (Hacker, 2009; Hacker &
Sachse, 2014; Rudolph et al., 1987). Denn gut gestaltete gegebene Arbeitsmerkmale, welche
letztendlich erlebt und genutzt werden können, sind persönlichkeits- und lernförderlich. Der
Umfang der erlebten Beeinflussbarkeit ist aus theoretischer Sicht abhängig von den durch
den Auftrag gegebenen zeitlichen Freiheitsgraden (vgl. Rudolph et al., 1987), da eine inhalt-
liche Auseinandersetzung mit einem Arbeitsauftrag (Bsp.: Planen des Vorgehens) ein ver-
fügbareres Zeitkontingent zur inhaltlichen Auseinandersetzung benötigt (Bsp.: Ich habe die
Zeit mir einen Plan zu machen; Abschnitt 2.4).
Tabelle 3
Unterscheidung zeitlicher und inhaltlicher Freiheitsgrade nach Rudolph, Schönfelder und
Hacker (1987)
zeitliche und inhaltliche Freiheitsgrade
Zeitliche Freiheitsgrade:
Sind der Umfang organisatorisch bedingter zeitlicher Festlegungen für das Disponieren eige-
ner Tätigkeiten (≈ zeitlicher Spielraum; zeitliche Einflussnahme) bei der Auseinandersetzung
mit:
a) planbaren/vorhersehbaren Tätigkeitsanforderungen (≈ zeitlicher Dispositionsspiel-
raum) und
b) nicht vorhersehbaren Tätigkeitsanforderungen (Bsp.: Zeitbindung durch sofortige
Auseinandersetzung mit einem unvorhersehbaren Ereignis wie bspw. Entgegennahme
eines Telefonats)
Inhaltliche Freiheitsgrade:
Sind der Umfang und die Art der im Arbeitsauftrag festgelegten inhaltlichen Vorgaben und
inhaltlichen Planungsmöglichkeiten. Inhaltliche Freiheitsgrade stellen somit Möglichkeiten
zur Selbstentwicklung bzw. Modifikation von Vorgehensweisen für die forderungsgerechten
Aufgabenerfüllung, zu eigenständigen Zielsetzungen, zum selbständigem Planen und zum
Treffen von Entscheidungen die sich aus den gestellten Aufträgen ergeben dar.
Der Umfang der inhaltlichen Freiheitsgrade stiegt in der Regel mit einer abnehmenden Zeit-
bindung an (Beschriebenes Phänomen der zeitlichen Freiheitsgrade b)
2. Theoretischer Hintergrund
22
Was ist Beeinflussbarkeit nicht? In der vorliegenden Dissertationsschrift wird die Be-
einflussbarkeit als bedingungsbezogenes und gestaltbares Arbeitsmerkmal verstanden, da es
objektiv gegebene Möglichkeiten (inhaltliche Freiheitsgrade nach Hacker & Sachse, 2014)
und subjektiv erlebte Möglichkeiten (erlebte Einflussmöglichkeiten im Vergleich zu Karasek,
1979) zusammenfasst. Mit der Beeinflussbarkeit ist somit nicht alleinig das Gefühl von Kon-
trolle in der Arbeit gemeint (vgl. Ganster, 1989; Hackman & Oldham, 1976; Warr, 1987),
sondern ein konkret messbares Arbeitsmerkmal in Sinne der DIN EN ISO 6385 (2004, 2016).
Zudem ist die Thematik der Entscheidungserfordernisse (Hacker & Sachse, 2014; Bsp.: Ein
Arzt, der über „Leben und Tod entscheiden muss“) nicht explizit berücksichtigt, da sich die
Beeinflussbarkeit auf die Einflussmöglichkeiten der eigenen Arbeitsweise bezieht und nicht
auf eine Entscheidung als Erfordernis an sich. Entscheidungserfordernisse scheinen durch ein
Kalkül der Folgen geprägt zu sein (Hacker & Sachse, 2014), welches in sich selbst die subjek-
tive Bewertung von Arbeitsaufgaben hinsichtlich von Merkmalen wie der Aufgabenschwie-
rigkeit, Komplexität und Kompliziertheit betrifft. Ein Entscheiden unter Unsicherheit ist von
der Definition der Beeinflussbarkeit abzugrenzen, da Entscheidungen unter Unsicherheit (als
Entscheidungserfordernis) in der Regel durch ein Mangel an Information geprägt sind (Ha-
cker & Sachse, 2014; Kahneman & Tversky, 2013). Die Definition der Beeinflussbarkeit be-
zieht sich jedoch auf konkrete Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Ausführungsweise
der eigenen Arbeitstätigkeit und nicht auf Folgen des eigenen Handelns – das Kalkül der Fol-
gen setzt voraus, dass eine Beeinflussbarkeit in der Arbeitstätigkeit gegeben ist.
2.2.5 Beeinflussbarkeit in der Arbeit – Ein Arbeitsmerkmal
Für das Verständnis des Ansatzes und der Interpretation der Ergebnisse in der vorliegenden
Dissertationsschrift ist es notwendig, das Konstrukt der Beeinflussbarkeit in den bestehenden
wissenschaftlichen Diskurs einzuordnen. Eine derzeitig bestehende Diversität hinsichtlich der
Begriffsbestimmung der Ressourcen am Arbeitsplatz hat eine Uneinigkeit der Einordnung des
Tätigkeitsspielraums in der Arbeit mit sich gebracht.
So ist aus der Kritik an den Modellen von Karasek (Job Demand-Control Modell,
1979) und Siegrist (Modell beruflicher Gratifikationskrisen; 1996) das Job Demand-
Ressources-Modell (Bakker & Demerouti, 2007) entstanden. Das Ziel aller drei Theorien ist
die Vorhersage der Wirkung von Arbeit (Scharper, 2011a), wobei Bakker und Demerouti
(2007) kritisierten, dass Karasek´s job control (1979) und Siegrist´s Belohnung für Anstren-
gungen (1996) nur zwei von einer großen Anzahl an wirkenden Ressourcen in der Arbeit sei-
2. Theoretischer Hintergrund
23
en. In ihrer Theorie, welche unter Verwendung von Selbstberichten entstand, fassen sie unter
Tätigkeitsressourcen physikalische, physische, psychologische, soziale und organisationale
Eigenschaften der Arbeitstätigkeit und der Ausführungsbedingungen zusammen (Bakker &
Demerouti, 2007; Scharper, 2011a). Sie postulieren demnach, dass je nach Beruf eine Kons-
tellation verschiedener Ressourcen (a) die arbeitende Person motivieren und (b) deren Fehlbe-
anspruchung im Sinne der Erschöpfung abpuffern können (Bakker & Demerouti, 2007;
Schaufeli, Bakker & Salanova, 2006). Dabei zählen sie die Autonomie (im Sinne der Beein-
flussbarkeit) zu einer dieser Ressourcen. In der aktuell vorherrschenden Literatur werden
Konstrukte wie die Beeinflussbarkeit der Arbeitstätigkeit als Ressource aufgefasst (For-
schungsprojekt zum Forschungsstand durch die Analyse von Metanalysen und Reviews:
Bradtke et al., 2016). Dabei wird jedoch oftmals nicht unterschieden, ob es sich um eine Res-
source im Sinne eines objektiv gegebenen Arbeitsmerkmals oder eines subjektiv wahrge-
nommenen Aspekt der Arbeitsumgebung bzw. der persönlichen Kompetenzen handelt.
Unter Berücksichtigung der in Abschnitt 2.1 erläuterten Theorien (die Handlungsregu-
lationstheorie als Theorie des Arbeitshandelns; Scharper, 2011b) wird die objektiv gegebene
Beeinflussbarkeit als durch den Arbeitsauftrag gegebenes gestaltbares Arbeitsmerkmals auf-
gefasst. In diesem Sinne ist die gegebene Beeinflussbarkeit als Belastung nach DIN EN ISO
10075-1 (2000) definiert. Sind die Arbeitsbedingungen und -merkmale in derart gestaltet, als
dass die Beeinflussbarkeit wahrgenommen und genutzt werden kann, so kann die wahrge-
nommene Beeinflussbarkeit als organisationale Ressource wirken (Metz & Rothe, 2017;
Richter & Hacker, 2012; Tabelle 4). Um von organisationalen Ressourcen profitieren zu kön-
nen, müssen diese zum einen erlebt werden und zum anderen müssen zeitliche und inhaltliche
Freiheitsgrade für die Tätigkeitsausführung gegeben sein (Richter & Hacker, 2012).
Zusammenfassend gilt. Die gegebene Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit ist
ein gestaltbares Arbeitsmerkmal, welches vermittelt durch das Erleben und Nutzen (erlebte
Beeinflussbarkeit) auf den Menschen wirkt und eine wertneutrale Anforderungen an die Per-
son darstellt (vgl. Baba & Jamal, 1991; Bandura, 1997; Elder, 1997; Hacker, 2005; Hacker &
Sachse, 2014; Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz, 1975).
2. Theoretischer Hintergrund
24
Tabelle 4
Die Klassifikation von Ressourcen bei der Arbeit nach Udris, Kraft, Mussmann & Rimann
(1992)
Organisationale Ressourcen Soziale Ressourcen Personale Ressourcen
Aufgabenvielfalt
Tätigkeitsspielraum (i.S. d.
Beeinflussbarkeit)
Qualifikationsnutzung
Lernmöglichkeiten
Partizipationsmöglichkeiten
Soziale Unterstützung durch:
Vorgesetze
Arbeitskollegen
Lebenspartner
Optimismus
Kohärenzerleben
Selbstwirksamkeit, Selbst-
wert
Internale Kontrollüberzeu-
gung
Selbstregulationsfähigkeit
2.2.6 Überblick empirischer Erkenntnisse zum Tätigkeitsspielraum
Innerhalb der arbeitspsychologischen Forschung gilt der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit
(verwendet unter unterschiedlichen Synonymen; vgl. Abschnitt 2.2.1-2.2.3) seit vielen Jahren
als ein wichtiger Bestandteil gut gestalteter Arbeit und steht mit positiven Beanspruchungs-
folgen (Überblick ausgewählter empirischer Ergebnisse in Tabelle 5) als auch mit Fehlbean-
spruchungen (Überblick ausgewählter empirischer Ergebnisse in Tabelle 6) in Zusammen-
hang. Zusammengefasst spiegeln sich diese Ergebnisse in systematischen Reviews über Me-
taanalysen wider (Häusser, Mojzisch, Niesel & Schulz-Hardt, 2010; Rau & Buyken, 2015;
Rosen, 2016; Schütte, Chastang, Malard, Thirion, Vermeylen & Niederhammer, 2014; van
der Doef & Maes, 1999) – Ein hoher Tätigkeitsspielraum ist mit positiven, ein geringer Tätig-
keitsspielraum mit negativen Folgen für die arbeitende Person assoziiert. Dabei ist zu beach-
ten, dass der Großteil der Studien auf Daten aus dem Selbstbericht beruhen (Rau & Buyken,
2015; Rosen, 2016; van der Doef & Maes, 1999) und eine Verzerrung der Ergebnisse möglich
ist (self-report bias; Spector, 1992; common method bias; Podsakoff, MacKenzie, Lee & Po-
dsakoff, 2003). Rosen (Scoping Review im Zeitraum 1960-2016; 2016) berichtet, dass 65%
der Studien zum Tätigkeitsspielraum in der Arbeit auf Daten aus dem Selbstbericht basieren.
Zusätzlich werden in der jüngeren Forschung zu Auswirkungen des Tätigkeitsspielraums in
der Arbeit zum Teil auch widersprüchliche Ergebnisse in Bezug auf die positive Auswirkung
des Tätigkeitsspielraum in der Arbeit berichtet (z. B. Kubicek et al., 2014; Warr, 1990; Wie-
land, Klemens, Scherrer, Timm & Krajewski, 2004). Die Autoren gehen zum Teil davon aus,
dass ein zu hoher Tätigkeitsspielraum mit negativen Beanspruchungsfolgen assoziiert sein
könnte (Bsp.: zu hohe Tätigkeitsspielräume in der Arbeit führen zu Überforderung und dies
wiederum zu Arbeitsunzufriedenheit). An dieser Stelle ist jedoch ebenfalls das methodische
2. Theoretischer Hintergrund
25
Problem der Operationalisierung von Arbeitsmerkmalen und dessen Auswirkungen zu nen-
nen, welches gesondert in Abschnitt 2.5 thematisiert wird (Bsp.: Unterschiede in objektiv ein-
geschätzten und subjektiv berichteten Arbeitsmerkmalen; Häusser, Schulz-Hardt & Mojzisch,
2014).
Tabelle 5
Überblick ausgewählter Referenzen zu Zusammenhängen des Tätigkeitsspielraums in der Ar-
beit mit positiven Beanspruchungsfolgen
Beanspruchungsfolge Referenzen
Arbeitszufriedenheit Büssing, Bissles, Herbig & Krüsken (2000)
Grebner et al. (2003)
Janssen, Peeters, de Jonge, Houkes & Tummers (2004)
Lewig & Dollard (2003)
Wall et al. (1996)
Warr (1990)
Wilson, de Joy, Vandenberg, Richardson & McGrath (2004)
Allgemeines Wohlbefinden
(mental health)
Bergmann, Pietrzyk & Richter (2007)
Bond & Bunce (2003)
de Witte (1999)
Rafferty, Friend & Landsbergis (2001)†
Rau (2006)‡
Schat & Kelloway (2000)
Waldenström et al. (2003)‡
Präventive Wirkung hins. Angst Holman (2002)
Verminderte Arbeitsunsicherheit Probst (2005)
„Puffert“ job demands van Vegchel, de Jonge & Landsbergis (2005)
Motivation Hacker (2003)
Hackman & Oldham (1976)
Kouven et al. (2007)
Lernen bei/durch die Arbeit Frese (1989)
Rau (2004a; 2006)
van Ruysseveldt & van Dijke (2011)
van Ruysseveldt et al. (2011)
Arbeitsengagement Schaufeli, Bakker & Rhenen (2009)
Anmerkungen. †Nur für die Komponente skill discretion im Selbstbericht präventive Wirkung hinsichtlich De-
pression, für decision authority nicht. ‡Empirische Ergebnisse für objektiv und subjektiv gemessenen Tätigkeits-
spielraum in der Arbeit.
2. Theoretischer Hintergrund
26
Tabelle 6
Überblick ausgewählter Referenzen zu Zusammenhängen des Tätigkeitsspielraums in der Ar-
beit mit negativen Beanspruchungsfolgen
Beanspruchungsfolge Referenzen
Depression Bromet, Parkinson & Schulberg (1988)
Kopp, Stauder, Purebl, Janszky & Skrabski (2008)
Rau, Morling & Rösler (2010)
Warr (1990)
Kardiovaskuläre
Erkrankungen
Bishop et al. (2003)
Bromet et al. (1988)
Karasek, Baker, Marxer, Ahlbom & Theorell (1981)
Kivimäki, LeinoArjas, Luukkonen, Riihimäki, Vahtera &
Kirjonen (2003)
Arbeitsunzufriedenheit de Jonge, Reuvers, Houtman, Bongers & Kompier (2000)
Emotionale Erschöpfung de Jonge et al. (2000)
Lewig & Dollard (2003)
Erschöpfungssyndrome Donders et al. (2007)
Nixon et al. (2011)
Querstret & Cropley (2012)
Schuller et al. (2012)
van Ruysseveldt et al. (2011)
Psychosomatische
Beschwerden
de Jonge et al. (2000)
2.3 Einflüsse von Arbeitsmerkmalen auf die Beeinflussbarkeit
Die Wahrnehmung und Einschätzung von Arbeitsmerkmalen scheint durch Stimmungen,
Merkmalen der Persönlichkeit und Einstellungen des Individuums beeinflusst (Kivimäki &
Lindström, 1995; Roe, 1999; Spector, 1992; ausführlichere Erläuterungen Abschnitt 2.5), je-
doch besteht kein Konsens hinsichtlich der Wirkrichtung – Beeinflusst die Arbeit die Persön-
lichkeit oder beeinflusst die Persönlichkeit die Arbeitsausführung? Beides erscheint plausibel
(reciprocal causality; von Eye, Lerner & Lerner, 1998). Basierend auf dem der Dissertations-
schrift zugrundeliegenden theoretischen Hintergrund wird davon ausgegangen, dass sich die
2. Theoretischer Hintergrund
27
Person aktiv mit von außen auf sie zukommenden Anforderungen auseinandersetzt (Abschnitt
2.1.2; Auftrags-Auseinandersetzung-Konzept). Diese Anforderungen sind bedingt durch die
Arbeitsinhalte und -bedingungen und somit der Gesamtheit der auf den Menschen wirkenden
Arbeitsmerkmale. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Beeinflussbarkeit der eig-
nen Arbeitstätigkeit nicht isoliert betrachtet wird. Arbeitsmerkmale wirken bedingt durch un-
terschiedliche Sachverhalte und Voraussetzungen und können sich wiederum gegenseitig be-
einflussen (Baba & Jamal, 1991; Elder, 1997; Hacker & Sachse, 2014; Schroda, Ishig, Riemer
& Hacker, 2002; Warr, 1990). Die Wechselwirkung von Arbeitsmerkmalen schließt in der
vorliegenden Dissertationsschrift den Einfluss der Persönlichkeit nicht mit ein. Im Folgenden
werden ausgewählte Arbeitsmerkmale vorgestellt, welche aus handlungstheoretischer Per-
spektive Einfluss auf die Beeinflussbarkeit haben können. Diese theoretisch annehmbaren
Zusammenhänge sind in eigenen unveröffentlichten Ergebnissen in Anhang D aufgeführt.
Eines der wichtigsten Arbeitsmerkmale, welches einen Einfluss auf die Beeinflussbarkeit zu
haben scheint ist die Arbeitsintensität. Diese ist gesondert in Abschnitt 2.4 dargestellt, weil
diese Wechselwirkung zentraler Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Dissertations-
schrift ist.
Vollständigkeit. Nach Hacker und Sachse (2014) sind vollständige Tätigkeiten, Tätig-
keiten mit Tätigkeitsspielraum. Dabei unterscheiden die Autoren zwischen sequentieller und
hierarchischer Vollständigkeit. Sequentielle (auch zyklische) Vollständigkeit meint die Ar-
beitsschritte des Vorbereitens, Organisierens, Ausführens und Kontrollierens einer Tätigkeit.
Diese Arbeitsschritte sollten wenn möglich alle durch die arbeitende Person selbst veranlasst
oder ausgeführt werden. Durch partialisierte (auf- bzw. verteilte) Arbeit, kann eine Arbeitstä-
tigkeit beispielsweise auch nur das Ausführen beinhalten (Bsp.: Einfache Routinetätigkeit am
Fließband; Hacker, Fritzsche, Richter & Iwanowa, 1995), was entgegen einer gut gestalteten
Arbeit sprechen würde (Abschnitt 2.1.3; Anhang A). Die hierarchische Vollständigkeit hinge-
gen beinhaltet die kognitiven Regulationsanforderungen einer Tätigkeit (Hacker et al., 1995;
Hacker & Sachse, 2014; Rudolph et al., 1987). Damit werden kognitive Anforderungen durch
die Arbeitstätigkeit beschrieben, welche von nicht bewusstseinspflichtigen Vorgängen (Bsp.:
Automatisierte Bewegungsmuster bei Fließbandarbeit) bis hin zu schöpferischen Denken
(Bsp.: Lösen von Problemen bei offener Fragestellung) zu bewerten sind (Rudolph et al.,
1987). Nach Hacker und Sachse (2014) erfordern höhere geistige Anforderungen Möglichkei-
ten der Beeinflussbarkeit der Arbeitstätigkeit.
2. Theoretischer Hintergrund
28
Vorhersehbarkeit. Der Tätigkeitsspielraum in der Arbeit steht in der Tradition von
Blumenfeld (1932) ebenfalls mit der Vorhersehbarkeit von Anforderungen in Beziehung (Ha-
cker & Sachse, 2014). Damit ist gemeint, dass die Arbeitstätigkeit so gestaltet ist, dass Ereig-
nisse in der Arbeitstätigkeit durch die bearbeitende Person veranlasst werden können bzw.
abgeschätzt werden können (Rudolph et al., 1987). Die arbeitende Person kann demnach vor-
rausschauend abschätzen, welche Art der Tätigkeit sie als kommenden Arbeitsschritt ausfüh-
ren muss. So ist die Beeinflussbarkeit der Arbeitstätigkeit beispielsweise dadurch beeinträch-
tigt, dass auf unangekündigte Telefonate sofort und reaktiv geantwortet werden muss – die
Arbeitsausführung bietet somit beispielsweise keine Möglichkeit der Wahl von zeitlichen
Abfolgen.
Durchschaubarkeit. Die Beeinflussung der Arbeitstätigkeit steht ebenfalls mit der
Durchschaubarkeit/Transparenz der eigenen Arbeitssituation im Zusammenhang (Hacker &
Sachse, 2014). Notwendige Informationen über Arbeitsmittel, -wege und -ergebnisse sind
essentiell für das Vorhandensein und Erleben von Beeinflussbarkeit, als auch die Rückmel-
dung über die Art und Weise der eigenen Arbeitsausführung.
2.4 Arbeitsintensität in der Arbeit
Die Arbeitsintensität gilt als einer der wichtigsten Belastungsfaktoren in der heutigen Ar-
beitswelt (Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017). Dieser Belastungsfaktor wurde bereits durch
Karasek´s Job Demand-Control Modell (1979) als ein Arbeitsmerkmal mit einem Wechsel-
wirkungsgefüge hinsichtlich des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit mitgedacht. Es besteht
ferner die Hypothese, dass das Erleben und Nutzen des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit von
der Arbeitsintensität abhängig ist (Rau et al., 2010). Diese mögliche Abhängigkeit – insofern
sie empirisch belegbar wäre – wäre für das Wissen über die Wirkung von Arbeitsmerkmalen
und deren Gestaltung für die zukünftige Arbeitswelt wichtig.
In vielen neueren Studien und repräsentativen Beschäftigtenbefragungen wurde eine
Zunahme der Arbeitsintensität verzeichnet. Dazu zählen neben der durch den Wandel der Ar-
beit begründeten systematischen Zunahme der Arbeitsintensität (Brödner, 2002; Institut
DGB-Index Gute Arbeit, 2016; Korunka & Kubicek, 2013; Kubicek, Paškvan & Korunka,
2015; Landsbergis, 2003; Rau, 2012), Probleme wie beispielsweise: Höhere Anstrengungen
und Belastungen durch gesteigerte Flexibilisierung und Verdichtung von Menge und Zeit
(Franke, 2015; Green, 2004; Green & McIntosh, 2001; Institut DGB-Index Gute Arbeit,
2. Theoretischer Hintergrund
29
2012); Arbeitsintensität als Folge des Arbeitens unter großem Tempo (Dunkel & Kratzer,
2016; Eurofond, 2012); Gefühl einer steigenden Arbeitsintensität durch ständige Erreichbar-
keit (DGB Index 2012; Hassler & Rau, 2016; Institut DGB-Index Gute Arbeit, 2012; von der
Oelsnitz, 2014); Gefühl einer steigender Arbeitsintensität aufgrund von Personalenge, kurzen
Pausen und Arbeitshetze (Institut DGB-Index Gute Arbeit, 2015).
2.4.1 Definition der Arbeitsintensität
Ähnlich wie bei der Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit gibt es viele Begrifflichkei-
ten, die versuchen das Phänomen der Arbeitsintensität zu beschreiben (Rau, 2012; Stab &
Schulz-Dadaczynski, 2017; Bsp.: Herausforderung bei der Arbeit; workload; job demands;
work overload). In der vorliegenden Dissertationsschrift wird die Arbeitsintensität als ein Ar-
beitsmerkmal verstanden (Abschnitt 2.4.1) – demnach als eine von außen auf die arbeitende
Person zukommende Belastung (DIN EN ISO 10075-1, 2000) und nochmals definiert, da kei-
ne allgemeingültige Begriffsbestimmung gegeben ist (Rau, 2012).
Karasek (1979) und Karasek und Theorell (1990) meinen unter der dem Begriff job
demands wahrgenommene Arbeitsanforderungen, welche sich in Arbeitsintensität äußern
können. Die Autoren nennen mögliche Indikatoren, welche die arbeitenden Personen als Be-
lastungsfaktoren von außen wahrnehmen: (a) Zeitdruck im Sinne einer unzureichenden Zeit
zur Erbringung der geforderten Leistung, (b) widersprüchliche Anforderungen hinsichtlich
der Qualität des Arbeitsergebnisses und der dafür zur Verfügung stehenden Zeit und (c) For-
derung nach schneller harter Arbeit. Dabei besteht das Problem, dass sich ihre Überlegungen
auf das Erleben von Personen beziehen und auch aus Studien mit Daten aus dem Selbstbericht
hervorgegangen sind (Metz & Rothe, 2017; Oesterreich, 2001). In der Tradition der Hand-
lungsregulationstheorie kann die Arbeitsintensität jedoch als Regulationsproblem verstanden
werden (vgl. Zapf & Semmer, 2004), welches die psychische Regulation der Arbeitstätigkeit
beeinträchtigen kann (Hacker & Sachse, 2014; Hacker, 2017). Einigkeit herrscht darüber, dass
für das Verständnis der Arbeitsintensität die durch den Auftrag festgelegte und verfügbare
Zeit als Arbeitsbedingung wesentlich ist (Leitner et al., 1987; Metz & Rothe, 2017; Oester-
reich, 2001; Oesterreich, Leitner & Resch, 2000; Oesterreich & Volpert, 1999; Rau, 2012;
Ulich & Wülser, 2012; Zapf & Semmer, 2004). Insbesondere dann wenn, wie in der vorlie-
genden Dissertationsschrift, eine Wechselwirkung zum Tätigkeitsspielraum in der Arbeit ver-
standen und untersucht werden möchte (vgl. Franke, 2015; Moen, Kelly & Lam, 2013). Unter
Regulationsproblemen verstehen Oesterreich et al. (2000) Regulationshindernisse, welche
2. Theoretischer Hintergrund
30
eine Behinderung des Arbeitshandelns gefolgt von Zusatzaufwand einschließen. Die arbeiten-
den Personen haben darüber hinaus keine Möglichkeit bzw. Maßnahmen, diese Hindernisse
zu bewältigen (Oesterreich et al., 2000). Die Autoren unterscheiden zwischen Regulations-
hindernissen (z. B.: Erschwerungen durch fehlende Informationen; Unterbrechungen) und
Regulationsüberforderungen (z. B.: Zeitdruck; aufgabenunspezifische Belastungen aus der
Umwelt [Bsp.: Lärm, Schadstoffe, etc.]). Im Unterschied dazu wird in der vorliegenden Dis-
sertationsschrift unter Arbeitsintensität ein Arbeitsmerkmal verstanden, welches Komponen-
ten der Regulationshindernisse als auch -überforderungen zu Teilen einbezieht, jedoch situativ
auf eine Person einwirken kann. Nach Rau (2012; Rahmenmodell der Arbeitsintensität in An-
hang E) beschreibt die Arbeitsintensität die durch den Arbeitsauftrag festgelegte Arbeitsleis-
tung pro Zeiteinheit in Abhängigkeit des erforderlichen kognitiven Regulationsniveaus. Dar-
über hinaus ist die durch den Auftrag festgelegte Qualität des Arbeitsergebnisses maßgeblich
für die Arbeitsintensität. Es ist zu erwarten, dass die Arbeitsintensität zunehmen kann, wenn
die verfügbare Zeit nicht an steigende Qualitätsanforderungen angepasst wird (Rau, 2012).
In der vorliegenden Dissertationsschrift wird aufbauend auf der Handlungsregulations-
theorie (Hacker & Sachse, 2014) und den theoretischen Überlegungen von Rau (2012), die
Arbeitsintensität als gestaltbares Arbeitsmerkmal definiert. Durch den festgelegten Arbeits-
auftrag werden Ausführungsbedingungen bestimmt (Ulich & Wülster, 2012), welche die Aus-
führung beeinträchtigen können (Roe & Zijlstra, 2000). Die vorliegende Definition versteht
die Arbeitsintensität nicht ausschließlich als Regulationsproblem (vgl. Zapf & Semmer,
2004), sondern als Zusammenspiel mehrerer Arbeitsmerkmale im Sinne der Ausführungshin-
dernisse (im Sinne von objektiven job context-Faktoren). Wenn eine psychische Regulation
der Arbeitstätigkeit (Hacker & Sachse, 2014; Hacker, 2017) unter beeinträchtigten Ausfüh-
rungshindernissen erfolgen muss, kann das auf Kosten der Beanspruchung des Individuums
gehen (Bsp.: Intensivierung von Arbeit: härter arbeiten; Extensivierung von Arbeit: länger
arbeiten). Eine als hoch zu bewertende Arbeitsintensität entsteht demnach aus der Unverein-
barkeit der Arbeitsinhalte und -bedingungen (Rau, 2012; Roe & Zijlstra, 2000). Die Ausfüh-
rungshindernisse sind vergleichbar mit den quantitativen Anforderungen einer Tätigkeit (vgl.
Metz & Rothe, 2017; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017), da sie als beeinträchtigende situati-
ve Ausführungshindernisse zu verstehen sind (Glaser & Herbig, 2012; Leitner, Lüders, Grei-
ner, Ducki, Niedermeier & Volpert, 1993). Gründe dieser Ausführungshindernisse sind dem-
nach eine Fehlbemessung an Zeit (Bsp.: zu geringere verfügbare Zeit für das geforderte Ar-
beitsergebnis) oder eine Fehlbemessung der Menge (Bsp.: zu wenig Personal, um Aufgaben
2. Theoretischer Hintergrund
31
abgeben bzw. aufteilen zu können). Zu den konkreten Arbeitsmerkmalen, welche bei einer
nicht beanspruchungsoptimalen Gestaltung Ausführungshindernisse (und somit eine hohe
Arbeitsintensität) darstellen können, zählen: Zeitliche Freiheitsgrade, Vorhersehbarkeit, Wi-
derspruchsfreiheit innerhalb der Bedingungen am Arbeitsplatz und des zu erreichenden Ar-
beitsergebnisses, Störungen und die Möglichkeiten Tätigkeitsbestandteile abzugeben. Die
aufgeführten Arbeitsmerkmale sind im Sinne einer wertneutralen Belastung ungerichtet for-
muliert. Eine hohe Arbeitsintensität ist beispielsweise zu erwarten, wenn die Arbeitstätigkeit
über zu geringe zeitliche Freiheitsgrade verfügt und somit diesem Ausführungshindernis mit
Extensivierung (Länger arbeiten um die Arbeit zu schaffen) bzw. Intensivierung (Versuchen
schneller und härter zu arbeiten) begegnet wird. In Abschnitt 2.5.2 und Anhang G wird auf
die Operationalisierung der Arbeitsintensität der vorliegenden Definition eingegangen.
Was ist Arbeitsintensität nicht? Die Auffassung der Arbeitsintensität als Belastung im
Sinne eines Ausführungshindernisses aufgrund von einer Fehlbemessung von Zeit und Men-
ge, muss von manchen Auffassungen abgegrenzt werden. Abzugrenzen ist die vorliegende
Definition von der Thematik der Komplexität. In der arbeitspsychologischen Forschungslite-
ratur herrscht Uneinigkeit darüber, ob eine steigende Komplexität automatisch mit einer ge-
steigerten Kompliziertheit einhergeht (Überblick Hacker & Sachse, 2014). Arbeitstätigkeiten,
welche aufgrund ihrer Komplexität nicht Regulationsmöglichkeiten (Bsp.: Beeinflussbarkeit
der eigenen Tätigkeiten), sondern Regulationsanforderungen/-notwendigkeiten fordern, kön-
nen im Sinne des Stresserlebens negative Folgen haben (Bsp.: Im Sinne einer erlebten Ar-
beitsintensität durch kognitive Überforderung; Frese, 1987; Frese & Zapf, 1994; Semmer,
1990). Dieser Aspekt bezieht jedoch Arbeitsmerkmale des Inhaltes (job content-Faktoren) ein.
Die vorliegende Definition stellt allerdings die Ausführungshindernisse in den Mittelpunkt,
eine Aussage über die (kognitive) erlebte Schwierigkeit wird nicht getroffen. Durch die Be-
rücksichtigung des erforderlichen kognitiven Regulationsniveaus ist dieser Aspekt implizit
mitgedacht, da quantitative und qualitative Anforderungen im Verständnis der Arbeitsintensi-
tät schwierig voneinander zu trennen sind (vgl. Handrich, Koch-Falkenberg & Voß, 2016).
Die auftragsgerechte Bemessung an notwendiger Zeit für eine geistige Tätigkeit ist schwieri-
ger, als für handwerkliche Tätigkeiten (Geissler, 2008; Rau, 2012). Die vorliegende Definiti-
on der Arbeitsintensität versteht die verfügbare Zeit nicht als herausfordernder Stressor (vgl.
Ohly & Fritz, 2010), sondern als Merkmal der Ausführung.
2. Theoretischer Hintergrund
32
2.4.2 Die Wechselwirkung zwischen Arbeitsintensität und Tätigkeitsspielraum
Die Arbeitsintensität ist seit Jahrzehnten ein Belastungsfaktor der Arbeit, welcher empirisch
belegt mit Fehlbeanspruchungsfolgen assoziiert ist (Übersicht in Metaanalysen von Rau &
Buyken, 2015 und Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017). In dem Job Demand-Control Modell
(Karasek, 1979: Karasek & Theorell, 1990; Anhang B) wird dieser Belastungsfaktor in einer
Wechselbeziehung zu Möglichkeiten der Beeinflussung der Arbeit aufgegriffen. Die Grund-
aussage ist, dass eine Kombination aus hohen Arbeitsanforderungen und einer hohen Beein-
flussbarkeit in der Arbeit als active job zu verstehen ist und so gesundheits- und lernförderli-
che Auswirkungen auf den Menschen haben kann. Diese Wechselwirkung wurde seit Entste-
hung des Modells vielfach untersucht (Review der Studien aus den Jahren 1979-1997: van der
Doef & Maes, 1999; Review der Studien aus den Jahren 1998-2007: Häusser et al., 2010).
Dabei besteht Einigkeit darüber, dass die Belastungsfaktoren im Einzelnen
(Fehl-)Beanspruchungen vorhersagen können (empirische Nachweise in Bezug auf die Ar-
beitsintensität in Anhang F; empirische Nachweise in Bezug auf den Tätigkeitsspielraum in
der Arbeit in Abschnitt 2.2.6), jedoch ist die Wechselwirkung im Sinne eines „Abfederns“ der
Arbeitsanforderungen durch die Möglichkeit der Kontrolle der Arbeitstätigkeit (Bufferhypo-
these; Karasek, 1979) empirisch seit Modellerstellung fraglich (Häusser et al., 2010; Stab &
Schulz-Dadaczynski, 2017). Der Hauptgrund für diese widersprüchlichen Ergebnisse wird
größtenteils in der Operationalisierung der Konstrukte Arbeitsintensität und Beeinflussbarkeit
bzw. Tätigkeitsspielraum gesehen (Häusser et al., 2010; Kain & Jex, 2010; Stab & Schulz-
Dadaczynski, 2017; van der Doef & Maes, 1999). Explizit wird auf den Mangel an objektiv
bedingungsbezogenen Daten (vgl. Rau, 2010) in der Erforschung der Wirkungen dieser Belas-
tungsfaktoren verwiesen (Häusser et al., 2010; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; van der
Doef & Maes, 1999; weitere Ausführungen in Abschnitt 2.5).
Es bestehen jedoch theoretische Überlegungen und empirische Hinweise, dass eine
Wechselwirkung zwischen der Arbeitsintensität und der Beeinflussbarkeit zu erwarten ist.
Aus Sicht der Handlungsregulationstheorie wird angenommen, dass inhaltliche Freiheitsgrade
in der Regel mit abnehmender Zeitbindung ansteigen (Rudolph et al., 1987). Das heißt, dass
eine hohe Arbeitsintensität die Zeit für ein Abwägen verschiedener Arbeitsweisen begrenzen
könnte und damit das Nutzen von Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit (Rau et al., 2010).
Dunkel und Kratzer (2016) unterstützen diese Annahme mit ihren Überlegungen zum Leis-
tungsdruck: So entstehen Widersprüche durch die Anforderungen arbeite kreativ und genau
bei gleichzeitig zu geringer verfügbarer Zeit. Daher besteht die Gefahr, dass grundsätzlich gut
2. Theoretischer Hintergrund
33
gestaltete Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten in der Arbeit nicht genutzt bzw. fehlinterpretiert
werden können. Beispielsweise wird einer zu hohen Arbeitsintensität bei gegebener Beein-
flussbarkeit damit begegnet, dass die Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeit in das private
Umfeld verlagert wird (Butler, Grzywacz, Bass & Linney, 2005). Gerade in der Arbeitswelt
mit einer systematischen Zunahme der Arbeitsintensität (Brödner, 2002; Institut DGB-Index
Gute Arbeit, 2016; Korunka & Kubicek, 2013; Kubicek et al., 2015; Rau, 2012) und schein-
barer Zunahme an Beeinflussbarkeit der Arbeit (Institut DGB-Index Gute Arbeit, 2016;
Landsbergis, 2003), ist die Erforschung des Zusammenwirken dieser Arbeitsmerkmale essen-
tiell. Diese Forschung sollte möglichst mit objektiven Methoden ohne Affektbezug realisiert
werden (Häusser et al., 2010; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; van der Doef & Maes,
1999), da diese Belastungsfaktoren unabhängig von der Person über längere Zeit an einem
Arbeitsplatz vorkommen können (Åhlin, Westerlund, Griep & Magnusson Hanson, 2017).
2.5 Methodische Herausforderungen und deren Überwindung
Wie bereits im Abschnitt 2.1.1 beschrieben, werden in der vorliegenden Dissertationsschrift
das Zusammenspiel von Arbeitsinhalten und -bedingungen als auf den Menschen wirkende
Arbeitsmerkmale verstanden (Baba & Jamal, 1991; Bandura, 1997; Elder, 1997; Hacker,
2005; Hacker & Sachse, 2014). Die Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit (im Sinne
eines job content-Fakors; Abschnitt 2.2.4) und die Arbeitsintensität (im Sinne eines job
context-Faktors; Abschnitt 2.4.1) sind in dieser Dissertationsschrift als Arbeitsmerkmale defi-
niert. Im Rahmen der arbeitspsychologischen Forschung bezüglich der Auswirkungen von
Arbeitsmerkmalen (im Sinne einer Belastung; Abschnitt 2.1.2) existieren häufig methodische
Schwierigkeiten und Hürden (Hurrell, Nelson & Simmons, 1998; Kasl, 1993; Sonnentag &
Frese, 2003). Im Folgenden werden diese Hindernisse und Herausforderungen dargestellt und
beschrieben welche Methodik der Operationalisierung in der vorliegenden Arbeit zugrunde
liegt.
Bei der Operationalisierung von Arbeitsmerkmalen wird häufig auf Merkmale der
Tätigkeit zurückgegriffen, welche von den Befragten selbst wahrgenommen und eingeschätzt
werden können. Im Sinne des Verständnisses eines Arbeitsmerkmales als Belastung sollten
Arbeitsmerkmale jedoch vorrangig hinsichtlich ihrer objektiv vorliegenden Beschaffenheit
bewertet werden (Häusser et al., 2010; Kasl, 1981; Kristensen, 1995; Nachreiner, 2008; Rau,
2010; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; Theorell & Hasselhorn, 2005; van der Doef & Ma-
es, 1999). Allerdings ist die Untersuchung objektiv vorliegender Arbeitsmerkmale in der wis-
2. Theoretischer Hintergrund
34
senschaftlichen Praxis nicht der Regelfall. In einem Scoping Review von Rosen (2016) konn-
ten beispielsweis nur 17% der Studien (Zeitraum 1960-2016) die Verwendung objektiv be-
dingungsbezogener Verfahren (vgl. Rau, 2010; Rothe & Metz, 2003) aufweisen. Des Weite-
ren wurden als Gründe des Fehlens objektiver Daten folgende Punkte genannt: Daten aus dem
Selbstbericht sind ökonomischer zu erfassen und Ziel vieler Studien ist eine Einschätzung der
Mitarbeiter über die Ausprägung einzelner Arbeitsmerkmale (Rosen, 2016). Gleichzeitig wird
deutlich, dass in den Studien oft keine Beschreibungen der Tätigkeiten und Arbeitsinhalte
vorliegen und die Fragen nicht immer bedingungsbezogen sind (Rosen, 2016). Um jedoch die
von außen auf die Person psychisch einwirkenden Einflüsse zu erfassen (DIN EN ISO 10075-
1, 2000; demnach Arbeitsmerkmale der Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität), bedarf es
einen personenunabhängigen mehrdimensionalen Ansatz, welcher eine objektive Arbeits-
merkmalsanalyse stets einschließt (Nachreiner, 2002, 2008; Rau, 2010). Das Wissen über die
Wirkung der Ausprägung objektiv vorliegender Arbeitsmerkmale gibt Aufschluss darüber,
welche Arbeitsmerkmale eine wichtige Bedeutung für die Gesundheit des Menschen haben
(Eschleman & Bowling, 2010; Schaubroeck, 1999; Waldenström et al., 2008).
Der Vergleich objektiv gegebener und subjektiv erlebter Arbeitsmerkmale ist erforder-
lich für eine humane Arbeitsgestaltung (Hacker, 2009; Hacker & Sachse, 2014; Rudolph et
al., 1987). Bei der Analyse von Beziehungen zwischen Belastungen und Beanspruchungen
scheint der Selbstbericht einer Person hingegen angebracht, gleichwohl dieser zu beachtende
einschränkende Einflussfaktoren besitzt. Der in den überwiegenden Studien verwendete Ver-
gleich von Arbeitsmerkmalen, erfasst über Selbstberichte, birgt die Gefahr einer Überschät-
zung von Kausalitäten (Claessens et al., 2004; Ganster, 1989; Jex, 1998; Kain & Jex, 2010;
Kivimäki & Lindström, 1995). Des Weiteren können Selbstberichte über Belastungen einer
spezifischen Arbeitstätigkeit (Bsp.: Einschätzung des Arbeitsmerkmals Beeinflussbarkeit) im
Sinne des Transaktionalen Stress-Modells (Lazarus, 1999; Lazarus & Folkman, 1984) durch
andere stressevozierende Belastungen (Bsp.: Arbeitsintensität) beeinträchtigt sein. Die Wahr-
nehmung der Arbeitsmerkmale kann durch Einstellungen der Person beeinflusst sein (Kivi-
mäki & Lindström, 1995; Spector, 1992), oder sogar Ausdruck arbeitsbezogener Emotionen
(Eschleman & Bowling, 2010).
Die methodische Herausforderung der vorliegenden Dissertationsschrift liegt darin,
die Wechselbeziehung zwischen objektiv vorliegenden und subjektiv berichteten Arbeits-
merkmalen zu untersuchen und dabei die empfohlene Berücksichtigung objektiver Methoden
zu beachten (Häusser et al., 2010; Hurrell et al., 1998; Kasl, 1981, 1993; Nachreiner, 2008;
2. Theoretischer Hintergrund
35
Rau, 2010; Sonnentag & Frese, 2003; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; Theorell & Hassel-
horn, 2005; van der Doef & Maes, 1999). Dabei stand die Analyse objektiv vorliegender Be-
lastungen im Fokus, da diese relevant sind für die Vorhersage psychischer Beanspruchungs-
folgen (Waldenström et al., 2008). Des Weiteren werden objektive Methoden für die Interpre-
tation von Variablen der Messung von Arbeitsmerkmalen im Sinne der Kausalkette „vorlie-
gende Arbeitsbedingungen – Wahrnehmung derer – Auswirkungen derer“ empfohlen (vgl.
causal flow; Spector, 1992). Es gibt Hinweise darauf, dass objektiv operationalisierte Ar-
beitsmerkmale stärker mit Variablen der Gesundheit in Verbindung stehen, als Äquivalente
aus dem Selbstbericht (Greiner, Krause, Ragland & Fisher, 2004; Rau, 2004b; Rau, Georgi-
ades, Lemne, de Faire & Fredrikson, 2001). Ziel der vorliegenden Dissertationsschrift ist ein
mehrdimensionaler personenunabhängiger Forschungsansatz unter der Verwendung objekti-
ver und subjektiver Methoden, da dieser Ansatz dem Optimum der Erforschung von Arbeits-
merkmalen entspricht (Frese & Zapf, 1988; Spector, 2006).
2.5.1 Methodische Herausforderung - Beeinflussbarkeit
Die vorliegende Definition der Beeinflussbarkeit (Abschnitt 2.2.4) als Einflussmöglichkeit auf
derzeitige und künftige Arbeitssituationen nach eigenen Zielen und Handeln, schließt die ob-
jektiv gegebenen und subjektiv erlebten Arbeitsmerkmale ein. Unter dieser Definition ist
demnach ein konkret messbares Arbeitsmerkmal gemeint. Vor diesem theoretischen Hinter-
grund ergeben sich die methodischen Herausforderungen bei der Operationalisierung der Be-
einflussbarkeit (detailliert in: Abschnitt 4.2.3.2 und Anhang G).
Eine reine Befragung zum Ausmaß der Beeinflussbarkeit der Arbeitstätigkeit wäre
durch einen möglichen self-report bias beeinträchtigt (Spector, 1992). Im Sinne der DIN EN
ISO 10075-1 (2000) und gemäß der Grundsätze zur Messung von psychischen Arbeitsbelas-
tungen und deren Belastungspotentials ist eine reine Befragung nicht ausreichend um Ar-
beitsmerkmale adäquat zu erfassen (DIN EN ISO 10075-3, 2004; Frese & Zapf, 1999; Nach-
reiner & Schütte, 2005). Der Selbstbericht kann als Ergebnis eines psychischen Prozesses
verstanden werden (Schmale, 1995) und spiegelt in Hinblick auf die Beeinflussbarkeit wider,
was die Person fähig war an Beeinflussbarkeit wahrzunehmen und zu nutzen (Hacker, 2009;
Hacker & Sachse, 2014; Meijman & Mulder, 1998). In der vorliegenden Dissertationsschrift
wird davon ausgegangen, dass die gegebene Beeinflussbarkeit ein Arbeitsmerkmal ist, wel-
ches die Wahrnehmung und den Nutzen dieser bedingt (empirische Hinweise in: Häusser et
al., 2014; van der Doef & Meas, 1999). Dabei wird mit Hilfe eines objektiv bedingungsbezo-
2. Theoretischer Hintergrund
36
genem und eines subjektiv bedingungsbezogenem Instruments (vgl. Rau, 2010; Rothe &
Metz, 2003) die Beeinflussbarkeit operationalisiert.
In Bezug auf die allgemeine Thematik des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit, gibt es
bedingt durch die selten beachteten Unterschiede von objektiv gegebenem Tätigkeitsspiel-
raum versus erlebten Tätigkeitsspielraum zum Teil widersprüchliche Ergebnisse (Theorell &
Hasselhorn, 2005; van der Doef & Meas, 1999). Es mangelt an Studien, welche den Tätig-
keitsspielraum im Sinne des Job Demand-Control Modells (Karasek, 1990) (a) differenziert
erfassen (de Jonge, van Vegchel, Shimazu, Schaufeli & Dormann, 2010; Karasek & Theorell,
1990; Karasek et al., 1998; Magnusson Hanson et al., 2008; Schmidt & Diestel, 2011;
Schreurs & Taris, 1998; Smith et al., 1997; Wall et al., 1996) und (b) dabei objektiv bedin-
gungsbezogene Messverfahren verwenden (Rosen, 2016; Schütte et al., 2014; van der Doef &
Meas, 1999). Die methodische Herausforderung der vorliegenden Dissertationsschrift ist es
demnach, den Tätigkeitsspielraum (im Sinne der Beeinflussbarkeit) in derart zu operationali-
sieren, dass die objektiv durch Experten bewertete vorliegende Beeinflussbarkeit mit der sub-
jektiv durch arbeitende Personen wahrgenommenen Beeinflussbarkeit vergleichbar ist. Es ist
das Ziel, das Arbeitsmerkmal Beeinflussbarkeit bedingungsbezogen und personenunabhängig
zu erfassen, um Aussagen über Auswirkungen vorliegender Arbeitsmerkmale treffen zu kön-
nen (vgl. Metz & Rothe, 2017; Rau, 2010; Rothe & Metz, 2003).
2.5.2 Methodische Herausforderung – Arbeitsintensität
Für die vorliegende Dissertationsschrift besteht nicht nur das Ziel, die Beeinflussbarkeit im
Selbstbericht und durch Beobachtung möglichst personenunabhängig zu prüfen, sondern auch
die Wechselwirkung der beiden Arbeitsmerkmale Arbeitsintensität und Beeinflussbarkeit zu
untersuchen. Dabei war es zentral, dass die Arbeitsintensität möglichst objektiv und ohne Af-
fektbezug operationalisiert wird (Häusser et al., 2010; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; van
der Doef & Maes, 1999). Würden die beiden Arbeitsmerkmale ausschließlich über den
Selbstbericht operationalisiert und anschließend miteinander verglichen, wäre eine größere
Effektstärke zu erwarten (Spector, Dwyer & Jex, 1988). Jedoch sind bei der Frage nach dem
Einfluss eines Arbeitsmerkmals auf das andere die objektiv vorliegenden Arbeitsmerkmale
von Bedeutung (Fragestellung 2; Abschnitt 3.2; Kain & Jex, 2010).
Der in dieser Dissertationsschrift angewendete methodische Ansatz, die Arbeitsinten-
sität mittels eines objektiv bedingungsbezogenen Instrumentes (vgl. Rau, 2010; Rothe &
2. Theoretischer Hintergrund
37
Metz, 2003) zu operationalisieren, beruht auf der Definition der Arbeitsintensität im Sinne
einer Belastung nach DIN EN ISO 10075–1 (2000). Die Arbeitsintensität ist als Arbeits-
merkmalskombination zu verstehen, welche sich in einer beeinträchtigten Ausführung des
Arbeitsauftrages zeigen kann (im Sinne der Ausführungshindernisse; Abschnitt 2.4.1). Der
Selbstbericht einer Person über die Ausprägung der Arbeitsintensität ist abhängig von deren
Wahrnehmung, welche an sich im Sinne des Transaktionalen Stress-Modells beeinflusst sein
könnte (Karasek, 1979; Lazarus, 1999; Lazarus & Folkman, 1984; Theorell & Hasselhorn,
2005). Würde die Arbeitsintensität ausschließlich durch den Selbstbericht erfasst, bestünde
die Gefahr, dass die Befragten Phänomene wie Zeitdruck (vgl. Karasek et al., 1998) beschrei-
ben und somit gewissermaßen eine Beanspruchung (Nachreiner, 2002; Rau, 2012; Roe &
Zijlstra, 2000; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017).
Im Rahmen der Forschung zur Arbeitsintensität werden dennoch häufig auf Verfahren
des Selbstberichtes zurückgegriffen (Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017) und Persönlichkeits-
variablen bzw. Einstellungen einer Person der Arbeit gegenüber als entscheidende Einfluss-
faktoren thematisiert (Schaufeli et al., 2009). Als Beispiele sind hier folgende Studienergeb-
nisse zu nennen. Parker und Sprigg (1999) postulieren, dass proaktive Personen in Situationen
hoher Arbeitsintensität ihren Tätigkeitsspielraum in der Arbeit nutzen, um diese Situation zu
bewältigen. Des Weiteren werden berufliche Einstellungen wie das individuelle Motivations-
potential (LePine, Podsakoff & LePine, 2005; Schaufeli, Salanova, Gonzalez-Roma´ &
Bakker, 2002), die allgemeine berufliche Einstellung sich Herausforderungen der Arbeitstä-
tigkeit zu stellen (Podsakoff, LePine & LePine, 2007) und auch das Selbstbewusstsein einer
Person (Kivimäki & Lindström, 1995) als wichtige Einflussgrößen genannt. Die Autoren Le-
Pine et al. (2005) und Podsakoff et al. (2007) beziehen sich hierbei jedoch auf das Challenge-
Hindrance-Modell (Cavanaugh, Boswell, Roehling & Boudreau, 2000), welches auf Befra-
gungen aus dem Selbstbericht basiert (vgl. subjektive bias; McGuire, 1966). Dieses Modell
bezieht sich jedoch hauptsächlich auf die Beschreibung der Wirkung von Stressoren auf die
Leistung (vgl. Gerich, 2016) und scheint im Sinne einer Stresstheorie das Erleben von Perso-
nen zu beschreiben (Searle & Auton, 2015; Webster, Beehr & Love, 2011).
2. Theoretischer Hintergrund
38
In der vorliegenden Dissertationsschrift wird unter der Arbeitsintensität hingegen eine
Belastung im Sinne eines immer wirkenden äußerlichen Einflusses auf die Person verstanden
(DIN EN ISO 10075-1, 2000; Schuller et al., 2012; Spector, 1992; Waldenström et al., 2003)
und sollte daher möglichst objektiv bedingungsbezogen operationalisiert werden (Bommer,
Johnson, Rich, Podsakoff & Mackenzie, 1995; Kasl, 1981). Die Operationalisierung der ob-
jektiven Arbeitsintensität (zusätzlich auch die Operationalisierung der objektiven Beeinfluss-
barkeit) ist detailliert in Anhang G aufgeführt. Selbst Autoren der persönlichkeits- und stress-
zentrierten Burnoutforschung diskutieren, dass Arbeitsmerkmale (im Sinne einer Belastung)
ebenso bei stressreduzierenden Persönlichkeitsmerkmalen zu Fehlbeanspruchungen führen
können (Hentrich, Zimber, Sosnowsky-Waschek, Kellner & Petermann, 2016). Der in der
vorliegenden Dissertationsschrift angewendete methodische Ansatz wird für die Überprüfung
der Wechselbeziehung der zwei Arbeitsmerkmale Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität
empfohlen (Griffin, Greiner, Stansfeld & Marmot, 2007) und schließt Variablen der Persön-
lichkeit durch die psychische Regulation der Arbeitstätigkeit implizit mit ein (Hacker, 2017;
Hacker & Sachse, 2014). So können zum Beispiel bei einer identischen Arbeitstätigkeit inter-
individuelle Ausprägungen der Motivdisposition beobachtet werden (Hacker & Sachse,
2014).
3. Fragestellung
39
3. Fragestellung
Eine belastungsreduzierende Arbeitsgestaltung (Engel et al., 2002; Lohman-Haislah, 2012)
zielt auf die Gestaltung von Ausführungsbedingungen und Arbeitsinhalten ab. Für diese Ar-
beitsgestaltung wird Wissen darüber benötigt, welche Merkmale der Arbeit und auch der Per-
son das Erleben und den Nutzen von Arbeitsmerkmalen beeinflussen. Eine genaue Analyse
dieser Wirkzusammenhänge ist grundlegend für bedarfsorientierte Arbeitsgestaltungsmaß-
nahmen im Sinne einer humanen Arbeitsgestaltung (Lenhardt et al., 2010; Hacker & Richter,
1984; Hacker & Sachse, 2014).
Aus diesen Gründen richten sich die Fragestellungen der vorliegenden Dissertations-
schrift auf zwei Forschungsfragen. Zum einen richtet sich die Fragestellung auf die Operatio-
nalisierung des Konstrukts Tätigkeitsspielraum in der Arbeit. Zum anderen wurde der Ein-
fluss des Arbeitsmerkmals Arbeitsintensität auf den Nutzen und das Erleben des Tätigkeits-
spielraums in der Arbeit (im Sinne der Beeinflussbarkeit) gerichtet. Die allgemeine Fragestel-
lung lautet:
Wodurch wird das Erleben von Tätigkeitsspielraum in der Arbeit beeinflusst?
3.1 Fragestellung 1 – Bedeutsamkeit der Komponenten des gegebenen und erlebten Tä-
tigkeitsspielraums
Im Abschnitt 2.2.6 wurden die empirischen Zusammenhänge des Tätigkeitsspielraums in der
Arbeit mit (Fehl-)Beanspruchungsfolgen dargestellt (Überblick systematische Reviews: Häus-
ser et al., 2010; Rau & Buyken, 2015; Rosen, 2016; Schütte et al., 2014; van der Doef & Ma-
es, 1999). Es fehlen jedoch Studien, welche Ursachen des Erlebens des Tätigkeitsspielraums
in der Arbeit versuchen zu erklären (vgl. Bradtke et al., 2016; Rosen, 2016; van der Doef &
Maes, 1999). Ein Problem dieser Forschungslage scheint zu Teilen auch durch das nicht be-
achten einer differenzierten Operationalisierung der Komponenten des Tätigkeitsspielraum in
der Arbeit begründet zu sein (de Spiegelaere, van Gyes & van Hootegem, 2016; de Jonge et
al., 2010; Karasek & Theorell, 1990; Karasek et al., 1998; Magnusson Hanson et al., 2008;
Schmidt & Diestel, 2011; Schreurs & Taris, 1998; Smith et al., 1997; van der Doef & Meas,
1999; Wall et al., 1996). Es stellt sich daraufhin die Frage, ob eine Operationalisierung von
diesem Arbeitsmerkmal im Selbstbericht die objektiv gegebene Ausprägung widerspiegelt.
Wissen über die Beeinflussung der Wahrnehmung von objektiven Belastungen (im Sinne von
Arbeitsmerkmalen) ist in der Abschätzung von Gefährdungspotentialen einer Arbeitsbelas-
3. Fragestellung
40
tung essentiell. Psychische Beanspruchungsfolgen sind von objektiven Belastungen abhängig
(Schuller et al., 2012; Waldenström et al., 2008) und können sogar stärker mit Variablen der
Gesundheit in Verbindung stehen als deren Äquivalente aus dem Selbstbericht (Greiner et al.,
2004; Rau et al., 2001). Aus diesen Gründen sollte der Selbstbericht über ein Arbeitsmerkmal
möglichst nah an der objektiv vorliegenden Ausprägung sein (vgl. bedingungsbezogen; Rau,
2010). Es sind daher die Forschungsfragen zu klären:
Fragestellung 1. Gibt es Unterschiede zwischen dem erlebten und objektiv vorhande-
nen Tätigkeitsspielraum und dessen Komponenten nach Karaseks Job Demand-Control Mo-
dell (1979)? Gibt es Unterschiede hinsichtlich: Arbeits- & Personenmerkmalen, Beanspru-
chungsfolgen, gegebenen und wahrgenommenen Komponenten des Tätigkeitsspielraum in der
Arbeit?
3.2 Fragestellung 2 – Einfluss der Arbeitsintensität auf das Erleben der Beeinflussbar-
keit in der Arbeit
Die heutige Arbeitswelt ist durch eine Zunahme der Arbeitsintensität (Brödner, 2002; Dunkel
& Kratzer, 2016; Eurofond, 2012; Franke, 2015; Green, 2004; Green & McIntosh, 2001;
Hassler & Rau, 2016; Institut DGB-Index Gute Arbeit, 2012, 2015, 2016; Korunka & Ku-
bicek, 2013; Korunka, Kubicek, Paṧkvan & Ulferts, 2014; Kubicek et al., 2015; Landsbergis,
2003; Rau, 2012; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; von der Oelsnitz, 2014) und gleichzeitig
durch die Zunahme der erweiterten Autonomie bzw. Beeinflussbarkeit in der Arbeit (Bradtke
et al., 2016; Hacker, 2000; Kratzer, 2012; Lenhardt et al., 2010; Pfaff, 2013) geprägt. Karasek
hat bereits 1979 auf das Wechselgefüge zwischen der Arbeitsintensität und der Beeinflussbar-
keitsmöglichkeiten in der Arbeit in seinem Job Demand-Control Modell (Abschnitt 2.2.2)
verwiesen. In der jüngeren Forschung wurden jedoch häufiger widersprüchliche Ergebnisse
berichtet (Bsp.: Kubicek et al., 2014; Warr, 1990) und gefordert, dass diese Wechselwirkung
mittels einer differenzierten Operationalisierung dieser Konstrukte erfolgen müsse (Bradtke et
al., 2016; de Jonge & Kompier, 1997; Kain & Jex, 2010). Es besteht die Vermutung, dass das
Arbeitsmerkmal Arbeitsintensität auf den Nutzen und das Erleben von Beeinflussbarkeit in
der Arbeit Einfluss nimmt – die Arbeitsintensität scheint den Nutzen und das Erleben zu be-
einträchtigen (de Spiegelaere et al., 2016; Kastner, 2011; Rau et al., 2010; Schuller et al.,
2012; Väänänen & Toivanen, 2017). Ein Problem in Bezug auf diese Forschungsfrage ist die
derzeitig geringe Verwendung objektiver Methoden zur Erfassung von Arbeitsbelastungen
und dessen Wechselwirkungen (Häusser et al., 2010; Hurrell et al., 1998; Nachreiner, 2008;
3. Fragestellung
41
Rau, 2010; Sonnentag & Frese, 2003; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; Theorell & Hassel-
horn, 2005; van der Doef & Maes, 1999). Die Beeinflussbarkeit (Abschnitt 2.2.4) stellt in
dieser Dissertationsschrift ein Arbeitsmerkmal dar, welches subjektiv erlebte als auch objektiv
gegebene Einflussmöglichkeiten der Person in Bezug auf die eigene Arbeitstätigkeit beinhal-
tet. Auf diese Weise ist zum einen eine von vielen Forschern geforderte differenzierte Opera-
tionalisierung erfolgt (Claessens et al., 2004; de Jonge et al., 2010; Karasek & Theorell, 1990;
Karasek et al., 1998; Magnusson Hanson et al., 2008; Schmidt & Diestel, 2011; Schreurs &
Taris, 1998; Smith et al., 1997; van der Doef & Meas, 1999; Wall et al., 1996), als auch die
Möglichkeit gegeben die Wechselwirkung zur objektiv operationalisierten Arbeitsintensität zu
prüfen (Griffin et al., 2007). Mit Hilfe dieses Ansatzes soll folgende Forschungsfrage unter-
sucht werden:
Fragestellung 2. Die erlebbare Beeinflussbarkeit ist nachweislich bedingungsbezogen.
Kann die Arbeitsintensität als beeinträchtigende Ausführungsbedingung verstanden werden
und das Erleben und Nutzen von Beeinflussbarkeit reduzieren, obwohl objektiv die Bedin-
gungen dafür geschaffen sind?
4. Studien
42
4. Studien
4.1 Vorwort
Die in Abschnitt 3. aufgeführten Fragestellungen wurden jeweils in einer separaten Studie
bearbeitet. Diese Studien sind in den Abschnitten 4.2 und 4.3 dargestellt und entsprechen der
inhaltlichen und formellen Gestaltung des Manuskripts zum Zeitpunkt der Einreichung bzw.
der Einreichung nach Revision in die ausgewiesene Fachzeitschrift. In den Studien wird ge-
mäß der psychologisch wissenschaftlichen Praxis gesondert auf die Darstellung des Theoreti-
schen Inhalts, der verwendeten Methode, der Ergebnisse und der Diskussion der Studiener-
gebnisse eingegangen (vgl. American Psychological Association, 2010; Deutsche Gesell-
schaft für Psychologie, 2016). In Abschnitt 5 ist eine zusammenfassende Diskussion aller
Ergebnisse gegeben.
Fragestellung 1 in Abschnitt 4.2. Die Fragestellung 1 wurde in Studie 1 (Abschnitt
4.2) bearbeitet und das dazugehörige Manuskript in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift
eingereicht.
Abschnitt 4.2: Schweden, F., Kästner, T. & Rau, R. (2018). Erleben von Tätigkeits-
spielraum - Die Abhängigkeit des erlebten Tätigkeitsspielraums von Arbeits- und Personen-
merkmalen. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 62 (4), 1-12. Zeitschrift für
Arbeits- und Organisationspsychologie.
Fragestellung 2 in Abschnitt 4.3. Fragestellung 2 wurde in Studie 2 (Abschnitt 4.3)
bearbeitet und das dazugehörige Manuskript ebenso in einer wissenschaftlichen englischspra-
chigen Fachzeitschrift eingereicht.
Abschnitt 4.3: Schweden, F. & Rau, R. (under review). Work demands hamper the
perception and use of decision authority (Arbeitsintensität beeinträchtigt das Erleben von
Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit). Work & Stress. Anmer-
kung: Das Manuskript wurde 01/2018 eingereicht. Eine Begutachtung erfolgt durch anonyme
GutachterInnen.
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4.2 Studie 1 – Bedeutsamkeit der Komponenten des gegebenen und erlebten Tätigkeits-
spielraums
Erleben von Tätigkeitsspielraum
Die Abhängigkeit des erlebten Tätigkeitsspielraums von Arbeits- und Personenmerkmalen
Experience of job control – Dependency of perceived job control subject to working charac-
teristics as well as personal characteristics.
Zusammenfassung. Die Bedeutung von Tätigkeitsspielraum in der Arbeit für das Erle-
ben von positiven Beanspruchungsfolgen ist seit Jahren bekannt. Die Mehrheit der Studien
basiert dabei jedoch auf der Erfassung des selbst eingeschätzten Tätigkeitsspielraums. In die-
ser Studie (61 Straßenbahnfahrer und -fahrerinnen; M = 44.74 Jahre, SD = 8.64) wurden die
Komponenten des Tätigkeitsspielraums nach Karasek (1979) in Beziehung zu Personen- und
Arbeitsmerkmalen gesetzt. Objektive und subjektive Verfahren wurden dafür eingesetzt. Das
Erleben von Beeinflussbarkeit ist im geringen Maße von Merkmalen der Person, jedoch ent-
scheidend von objektiven Arbeitsmerkmalen abhängig. Die erlebte Beeinflussbarkeit stellt
wahrnehmbare, bedingungsbezogene und gestaltbare Arbeitsmerkmale dar, welche im Sinne
des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit sind (DIN EN ISO 6385). Die erlebte berufliche An-
forderungsvielfalt kann als Anforderung an die Einstellung einer Person, sich Belastungen auf
der Arbeit zu stellen, aufgefasst werden. Eine detaillierte subjektive und objektive Erfassung
der Komponenten des Tätigkeitsspielraums kann Ansätze für verhältnis- als auch verhaltens-
orientierte Gestaltungsmaßnahmen der Arbeit bieten.
Abstract. The importance of job control for health and motivation has been known for
years. The majority of studies, however, are based on the assessment of the self-reported job
control. In this study (61 tram drivers, M = 44.74 years, SD = 8.64) we examine the relation-
ship between the components of job control (Karasek, 1979) towards stress, personal and
working characteristics. We used expert-rated and self-reported data. The experience of deci-
sion authority dependents to a small extent on personal characteristics, but decisively on par-
ticipation and supportive leadership. Decision authority represents perceptible, conditional
and designable working characteristics, which are in the meaning of job control. Skill discre-
tion, however, can be interpreted as a demand towards personal characteristics to meet the
requirements at work. A detailed assessment of the components of job control can offer ap-
4. Studien
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proaches for researches towards the efficiency of behavior as well as working condition relat-
ed redesign of work.
4.2.1 Einleitung
Seit fast 100 Jahren ist die Bedeutung von Tätigkeitsspielraum in der Arbeit für das Erleben
von Arbeitsfreude, Motivation, Lernen und Gesundheit bekannt. Dabei finden sich für den
Tätigkeitsspielraum unterschiedliche Begriffe, wie Tätigkeitsspielraum als Summe aller Frei-
heitsgrade (Hacker & Sachse, 2014); decision latitude (Karasek, 1979); Handlungs-, Gestal-
tungs- und Entscheidungsspielraum (Ulich, 2011); Autonomie (Hackman & Oldham, 1976);
Handlungs- und Zeitspielraum (Zapf, 1993; Zapf & Semmer, 2004) oder opportunity for con-
trol (Warr, 1987). Allen gemein ist die Bedeutung, dass Arbeitende die Möglichkeit haben,
ihre Arbeitsweise selbst zu wählen, Entscheidungen zu treffen und intrinsische Motivation,
Qualifizierungsbereitschaft und letztlich Autonomie zu erleben (Frese & Zapf, 1994; Hacker,
2005; Hacker & Sachse, 2014; Hackman & Oldham, 1976; Ulich, 2011). Seit der Veröffentli-
chung des Job Demand-Control Modells durch Karasek (1979) ist die Bedeutung von Tätig-
keitsspielraum für das Entstehen von Fehlbeanspruchungsfolgen und die Gesundheit vielfach
untersucht und belegt worden. Dies spiegelt sich auch im Ergebnis eines systematischen Re-
views über Metaanalysen (Zeitraum 1964 bis 2014; Rau & Buyken, 2015) wider, welches für
einen geringen Tätigkeitsspielraum in der Arbeit ein erhöhtes Risiko für Herz-
Kreislauferkrankungen, psychische Beeinträchtigungen bis hin zu depressiven Störungen auf-
zeigt. Im Rahmen des Vulnerabilitäts-Stress-Modells (Hammer & Plößl, 2012) wird die feh-
lende Möglichkeit, sich nach Belastungen zu erholen, als Bindeglied zwischen Belastung und
Erkrankung gesehen. Für Arbeitstätigkeiten mit geringem Tätigkeitsspielraum wurden ent-
sprechend Beziehungen zu Schlafstörungen (Nixon et al., 2011), Ermüdung (Donders et al.,
2007), beeinträchtigter Erholungsfähigkeit (Querstret & Cropely, 2012; Rau, 2004) und emo-
tionaler Erschöpfung (van Ruysseveldt et al., 2011; van Vegchel et al., 2005) berichtet.
Der Forderung die Arbeit mit möglichst viel Tätigkeitsspielraum auszustatten um die
beschriebenen Fehlbeanspruchungen verhüten zu können stehen aber auch widersprüchliche
Ergebnisse gegenüber (Kubicek et al., 2014; Warr, 1990). Warr geht in seinem Vitamin-
Modell (Warr, 1987, 1990, 2011) davon aus, dass ein zu hoher Tätigkeitsspielraum mit einer
erlebten Überforderung einhergehen und auf diese Weise das allgemeine Wohlbefinden bein-
trächtigen kann (overload problems; Warr, 2011). Mögliche Gründe für die widersprüchlichen
Ergebnisse zum Zusammenhang von Tätigkeitsspielraum und Beanspruchungsfolgen werden
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in der Operationalisierung des Tätigkeitsspielraums, dessen Erfassung als erlebter Tätigkeits-
spielraum versus als objektiv in der Arbeit gegebener Tätigkeitsspielraum, und dem Wirken
anderer Arbeits- und Personenmerkmale gesehen und nachfolgend erläutert.
4.2.2 Operationalisierung von Tätigkeitsspielraum
Im Job Demand-Control Modell umfasst der erlebte Tätigkeitsspielraum (decision latitude)
die Beeinflussbarkeit (decision authority) und die Anforderungsvielfalt (skill discretion). Un-
ter dem Begriff job control werden diese beiden Komponenten zusätzlich mit der Qualifikati-
onsausnutzung und dem Lernpotential der Arbeit (skill utilisation) zusammengefasst. In der
vorliegenden Studie wurde von einer wörtlichen Übersetzung der Komponente decision au-
thority abgesehen, da diese in der deutschsprachigen Literatur häufig unter unterschiedlichen
Synonymen verwendet wird. Nach unserem Verständnis ist mit der Komponente decision
authority gemeint, das aktuelle und künftige Arbeitssituationen und -tätigkeiten nach eigenen
Zielen und Handeln beeinflusst und somit selbstständig bewältigt werden (vgl. Blumenfeld,
1932; Hacker & Sachse, 2014). Die Beeinflussbarkeit bezieht in diesem Sinne auch Möglich-
keiten der Einflussnahme auf Entscheidungen des/r Vorgesetzten in Bezug auf die Auftrags-
gestaltung ein. Im Folgenden verwenden wir Beeinflussbarkeit als Übersetzung der Kompo-
nente decision authority. Für die Komponente der Anforderungsvielfalt ist eine wörtliche
Übersetzung passend.
Bereits 1996 haben Wall und Kollegen bei einer spezifischen Untersuchung des im
Job Demand-Control Modells (Karasek, 1979) angenommenen Interaktionseffekts auf Bean-
spruchungsfolgen festgestellt, dass den einzelnen Komponenten des Konstrukts Tätigkeits-
spielraum eine unterschiedliche Bedeutung zukommt. Sie plädieren dafür, die Komponenten
von Tätigkeitsspielraum getrennt zu untersuchen und klar zu operationalisieren. Diese Forde-
rung nach einer spezifischen Untersuchung der Komponenten des Tätigkeitsspielraums haben
Karasek et al. (1998) selbst empfohlen und andere Studien nachweislich als notwendig befun-
den (Magnusson Hanson et al., 2008; Kubicek et al., 2014; Schmidt & Diestel, 2011; Schreurs
& Taris, 1998).
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4.2.2.1 Erfassung als erlebter Tätigkeitsspielraum versus als objektiv in der Arbeit
gegebener Tätigkeitsspielraum
Ein objektiv vorhandener Tätigkeitsspielraum muss nicht unbedingt erlebt werden und umge-
kehrt ein erlebter Tätigkeitsspielraum nicht objektiv vorhanden sein (Hacker & Sachse, 2014).
Damit ein objektiv gegebener Tätigkeitsspielraum genutzt werden kann, muss dieser wahrge-
nommen und als nutzbar (i.S. der Beherrschbarkeit) erlebt werden und letztlich müssen die
Fähigkeiten und Fertigkeiten zu dessen Nutzung auch vorhanden sein (Hacker & Sachse,
2014). Im nicht Berücksichtigen der Unterschiede von objektiv gegebenen Tätigkeitsspiel-
raum versus erlebten Tätigkeitsspielraum sehen van der Doef & Meas (1999) und Theorell &
Hasselhorn (2005) Ursachen für z.T. widersprüchliche Ergebnisse von Effekten des Tätig-
keitsspielraums auf die Beanspruchung. Häufig werden Arbeitsmerkmale im Selbstbericht
überschätzt (Theorell & Hasselhorn, 2005) und durch Beobachter unterschätzt (Zapf, 1995).
Ein weiterer Grund für Diskrepanzen zwischen objektiver und subjektiver Bewertung von
Arbeitsmerkmalen kann deren unterschiedliche Operationalisierung in den zur Analyse ver-
wendeten Verfahren sein (Hemmann, Merboth, Hänsgen & Richter, 1997; van der Doef &
Meas, 1999; Zapf, 1995). Auch wenn das untersuchte Arbeitsmerkmal den gleichen Namen
trägt, kann der Zusammenhang zwischen der Bewertung des objektiv gegebenen Arbeits-
merkmals und dessen Erleben gering sein.
4.2.2.2 Einflüsse der Messmethodik
In der bisherigen Forschung basiert die Mehrheit der Studien auf der Erfassung des selbst
eingeschätzten Tätigkeitsspielraums. Wie die Einschätzung jedes anderen Arbeitsmerkmals,
ist auch der Selbstbericht zum Tätigkeitsspielraum von Stimmungen, Merkmalen der Persön-
lichkeit und Einstellungen des Individuums beeinflusst (Spector, 1992). Neben diesem self-
report bias (Spector, 1992) kommt häufig noch eine Verzerrung der Ergebnisse durch den
common method bias (Podsakoff et al., 2003) hinzu. Insbesondere bei Querschnittstudien
werden so z. B. zum gleichen Zeitpunkt Fragebögen zur Beschreibung von Arbeitsmerkmalen
und Fragebögen zu Beanspruchungsfolgen vorgelegt.
4.2.2.4 Wirken anderer Arbeitsmerkmale
Andere Arbeitsmerkmale können das Erleben von Tätigkeitsspielraum beeinflussen (Warr,
1990). Während soziale Unterstützung und Beteiligung positiv mit dem Erleben von Tätig-
keitsspielraum assoziiert sind (Hoppe & Rau, 2017; Karasek & Theorell, 1990; Sargent &
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Terry, 2000), besteht die Annahme, dass eine hohe Arbeitsintensität die Zeit für ein Abwägen
verschiedener Arbeitsweisen begrenzt, und damit die Nutzbarkeit von Tätigkeitsspielräumen
einschränkt (Rau et al., 2010; Schuller et al., 2012).
4.2.2.5 Wirken von Personenmerkmalen
Neben anderen Arbeitsmerkmalen können auch individuelle Personenmerkmale einen Ein-
fluss auf das Erleben von Tätigkeitsspielraum haben (Warr, 1990). Studien zeigen, dass ein
höheres Erleben von Tätigkeitsspielraum bei höherer Selbstwirksamkeitserwartung auftritt
(Salanova, Peiró & Schaufeli, 2002) sowie bei hohem Engagement (Demerouti, Bakker,
Nachreiner & Schaufeli, 2001; Höge & Schnell, 2012). Engagement wurde in dieser Studie
als überdauernder affektiv-motivationales Potential untersucht, der sich durch Hingabe zur
Tätigkeit, Vitalität und Absorption in das Tun auszeichnet (Bakker & Demerouti, 2007). Eine
hohe Selbstwirksamkeitserwartung oder Engagement kann sich sowohl im Ergebnis einer
Tätigkeit mit hohem Handlungsspielraum entwickeln als auch als eine Voraussetzung für das
Erleben von Handlungsspielraum wirken. Hingegen postulieren Elovainio, Kivimäki, Stehen
und Kalliomäki-Levanto (2000), dass Personen aufgrund von unterschiedlich ausgeprägter
Fehlbeanspruchung vergleichbare Tätigkeitsspielräume unterschiedlich erleben.
4.2.2.6 Fragestellung
Vor dem Hintergrund, dass Arbeitspsychologie Arbeit gestalten will und daher die gegebenen
Arbeitsbedingungen verändert oder neue setzt, ist zu klären, welche Beziehungen zwischen
Arbeitsbedingungen und deren Erleben sowie daraus resultierenden Beanspruchungsfolgen
bestehen. Erst mit dem Wissen darüber, welche Merkmale der Arbeit und der Person das Er-
leben von Tätigkeitsspielraum (inklusive seiner Komponenten) beeinflussen, und welche Be-
ziehungen zwischen Beanspruchungsfolgen und den einzelnen Komponenten des Tätigkeits-
spielraum bestehen, können Arbeitsgestaltungsmaßnahmen spezifischer abgeleitet und umge-
setzt werden. Diesem Ansatz folgend wird in diesem Artikel eine schrittweise Untersuchung
dieser Zusammenhänge geprüft. Im Sinne des Auftrags-Auseinandersetzung-Konzeptes (Ha-
cker, 1991; Richter & Hacker, 2012) werden die arbeitenden Personen als aktiv handelnd sich
mit deren Ausführungsbedingungen auseinandersetzendes Subjekt aufgefasst (Metz & Rothe,
2017). Ziel der hier vorgestellten Studie ist zu klären, ob sich erstens die Beziehungen zwi-
schen erlebten und objektiv in der Arbeit gegebenen Tätigkeitsspielraum auch in den einzel-
nen Komponenten des Tätigkeitsspielraums nachweisen lassen. Hintergrund ist, dass nicht
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jede Komponente des Tätigkeitsspielraums gleichermaßen von self-report bias (Spector,
1992) beeinflusst ist. Die Beantwortung der Fragestellung erfolgt vor der Annahme, dass es
eine Wirkrichtung (sogenannter causual flow nach Spector, 1992) von den gegebenen organi-
sationalen Ausführungsbedingungen für einen Arbeitsauftrag über deren Wahrnehmung zu
deren Auswirkungen (z. B. Motivation oder Fehlbeanspruchung) gibt. Die zweite Frage ist, ob
andere Arbeits- oder Personenmerkmale die Beziehung zwischen objektiv in der Arbeit gege-
benen und erlebten Tätigkeitsspielraum beeinflussen. Dabei werden Arbeits- oder Personen-
merkmale in einem Analyseschritt einbezogen, da nach dem Verständnis der reciprocal causa-
lity (von Eye et al., 1998) beide Merkmale gleichzeitig Auswirkungen auf das Erleben des
Tätigkeitsspielraum in der Arbeit haben können. Letztlich interessiert drittens, ob es unter-
schiedliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Tätigkeitsspielraum-Komponenten und
Beanspruchungsfolgen gibt (gemäß causal flows, Spector, 1992 & DIN EN ISO 10075-1,
2000). Diese drei Fragen werden mit folgenden Hypothesen untersetzt:
Hypothese 1: Es gibt Unterschiede zwischen dem erlebten und objektiv in der Arbeit
gegebenen Tätigkeitsspielraum und dessen Komponenten.
Hypothese 2a: Je mehr Beteiligung und unterstützendes Führungsverhaltens (im Sinne
von Arbeitsmerkmalen) erlebt wird, desto höher ist die Ausprägung des erlebten Tätigkeits-
spielraums (zu prüfen für die einzelnen Komponenten des Tätigkeitsspielraums).
Hypothese 2b: Das motivationale Potential (im Sinne des Arbeitsengagement) und
Merkmale einer Person (Alter, Geschlecht, Bildung) stehen nach Verständnis von Spector
(1992) im Zusammenhang zum erlebten Tätigkeitsspielraum (zu prüfen für die einzelnen
Komponenten des Tätigkeitsspielraums).
Hypothese 3a: Die erlebte Beeinflussbarkeit der eignen Arbeitstätigkeit (decision au-
thority) steht in einem negativen Zusammenhang mit den Fehlbeanspruchungsfolgen Erho-
lungsunfähigkeit und vitaler Erschöpfung und trägt als Prädiktor zu dessen Varianzaufklärung
bei.
Hypothese 3b: Es wird erwartet, dass die erlebte Anforderungsvielfalt (skill discretion)
in einem negativen Zusammenhang mit den Fehlbeanspruchungsfolgen Erholungsunfähigkeit
und vitaler Erschöpfung steht und als Prädiktor zu dessen Varianzaufklärung beiträgt.
4. Studien
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4.2.3 Methode
Um die Forschungsfragen zu beantworten, sollte eine Tätigkeit untersucht werden, die für alle
Arbeitenden den nahezu gleichen objektiven Tätigkeitsspielraum aufweist. Eine solche Tätig-
keit ist die von Straßenbahnfahrern und Straßenbahnfahrerinnen im öffentlichen Nahverkehr.
Der Arbeitsauftrag, Personentransport mittels Straßenbahn, und die Ausführungsbedingungen
sind für alle Straßenbahnfahrer und Straßenbahnfahrerinnen eines Unternehmens innerhalb
eines Netzplans gleich. Die Schienengebundenheit erlaubt keine Abweichung von der Fahrt-
route und der Fahrplan erfordert vergleichbare Zeitbindungen.
4.2.3.1 Stichprobe
Insgesamt haben sich 86 Arbeitende aus dem Fahrdienst für eine Teilnahme an der Studie
angemeldet. Mit 70 dieser Mitarbeitenden ließ sich innerhalb des geplanten Untersuchungs-
zeitraums ein erster Termin vereinbaren. Von den 70 Personen haben 61 Straßenbahnfahrer
und Straßenbahnfahrerinnen an beiden Untersuchungsterminen teilgenommen und erfüllten
die Einschlusskriterien (diese waren: Straßenbahnfahrer/in in Vollzeit; keine Krankheit zwi-
schen ersten und zweiten Termin; keinen Verkehrsunfall zwischen ersten und zweiten Ter-
min). Die Fragebögen zur Analyse der Arbeitsmerkmale und der Beanspruchungsanalyse
wurden aus methodischen Gründen an zwei mindestens durch einen Tag getrennten Terminen
durchgeführt (temporal separation of measurement; Podsakoff et al., 2003).
Die Teilnahme an der querschnittlichen Feldstudie war freiwillig. Die Tätigkeit der
Straßenbahnfahrer und Straßenbahnfahrerinnen hat derzeitig den Status einer Anlerntätigkeit
(Ausbildung 3 Monate). Das Durchschnittsalter lag bei 44.74 Jahren (SD = 8.64; min = 21,
max = 58). Die Geschlechterverteilung in der Stichprobe (weiblich = 14 (23%); männlich = 47
(77%)) war heterogen.
4.2.3.2 Datenerfassung
Erlebter Tätigkeitsspielraum. Der erlebte Tätigkeitsspielraum wurde mit dem Fragebogen
zum Erleben von Intensität und Tätigkeitsspielraum in der Arbeit (FIT; Richter et al., 2000)
erfasst. Dieser Fragebogen prüft ökonomisch und valide (Richter et al., 2000; Richter &
Wegge, 2011) die Faktoren des Job Demand-Control Modells (Karasek, 1979), sowie die Un-
tersetzung des Tätigkeitsspielraums in die Komponenten Anforderungsvielfalt (skill discreti-
on; Beispielitem: „Meine Arbeit erfordert von mir vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten.“,
Itemanzahl = 2, Antwortformat 1 trifft nicht zu bis 4 trifft zu) und Beeinflussbarkeit (decision
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authority; Beispielitem: „Ich kann meine Arbeit selbständig planen und einteilen.“, Iteman-
zahl = 4, Antwortformat 1 trifft nicht zu bis 4 trifft zu). Diese beiden Komponenten ergaben
sich anhand des FIT erwartungskonform im Ergebnis einer explorativen Faktorenanalyse
(Hauptachsenanalyse; oblique Promaxrotation; Eigenwert > 1, Kaiser-Guttman-Kriterium;
Linearität gegeben, da signifikante Inter-Korrelationsmatrix; KMO-Prüfung = -.75, was einer
mittleren Eignung der Daten für eine Faktorenanalyse entspricht; Barlett-Prüfung = signifi-
kant; Anhang G). Cronbach´s Alpha lag für beide Komponente bei α = .74 (acceptable, Geor-
ge & Mallery, 2003). Das Items 8 („Das, was ich in meiner beruflichen Ausbildung gelernt
habe, kann ich voll in meiner Arbeit anwenden“), stellt die Komponente der Qualifikations-
ausnutzung und das Lernpotential der Arbeit (skill utilitsation) dar und gehört laut Karasek et
al. (1998) nicht zum Tätigkeitsspielraum (decision latitude). Die Variable wurde in dieser
Studie nicht weiter berücksichtigt.
Objektiv in der Arbeit gegebener Tätigkeitsspielraum. In der vorliegenden Untersu-
chung wurde mittels der Skalen A 6.2.1 inhaltliche Freiheitsgrade und A 6.3 Mögliche bzw.
erforderliche Entscheidungen des Tätigkeitsbewertungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA;
Hacker et al., 1995) und der Skala Beteiligungsgrad aus den REBA-Verfahren (Pohlandt, Jor-
dan, Rehnisch & Richter, 1996) der objektive Tätigkeitsspielraum nach der Vorgabe von Ge-
bele, Morling, Rösler und Rau (2011) gebildet. Die objektive Arbeitsanalyse bestand aus Be-
obachtungsinterviews mit dem TBS-GA sowie einzelnen Skalen des REBA-Verfahrens über
verschiedene Arbeitsschichten. Im Vorfeld dieser objektiven Arbeitsanalyse wurde nach einer
Dokumentenanalyse (Stellenbeschreibung, Dienstvorschriften & -plan, Fahrplan, Strecken- &
Linienplan) festgestellt, dass die Arbeitstätigkeiten der Straßenbahnfahrer und Straßenbahn-
fahrerinnen in der Ausführung anforderungsgleich sind. Beispielsweise beinhalten Dienstvor-
schriften konkrete für alle Fahrer und Fahrerinnen verbindliche Handlungsanweisungen für
alle möglichen auftretenden beruflichen Anforderungen (Bsp.: Bedienung Haltestelle; Steue-
rung Weichen; Verhalten bei Störungen; Verhalten bei Unfällen). Ein Abweichen von diesen
Handlungsanweisungen ist nicht auftragsgerecht und somit nicht Bestandteil der objektiven
Arbeitsanalyse. Insgesamt wurden von vier unabhängigen in dem Verfahren geschulten Be-
obachtern fünf Beobachtungsinterviews durchgeführt, wobei zwei der Beobachter zusätzliche
Expertise in der Arbeitstätigkeit haben, da sie den Führerschein zur/m StraßenbahnfahrerIn
erworben haben und regelmäßig fahren (ca. 2-4 im Monat). Die fünfte objektive Arbeitsana-
lyse wurde durch die genannten Experten während einer gemeinsamen Fahrt durchgeführt.
Die Beurteilerübereinstimmung lag bei α = .86 (good, George & Mallery, 2003). Die Auswer-
4. Studien
51
tung der Komponenten des objektiven Tätigkeitsspielraums erfolgte in dieser Studie anhand
des sogenannten unkritischen Wertes (UW) aus den Vorgaben des TBS-GA. Dabei bedeutet
unkritisch, dass die Ausprägung des untersuchten Arbeitsmerkmals (Skala) beeinträchtigungs-
freies Arbeiten zulässt (beanspruchungsoptimal nach DIN EN ISO 6385; 2004) und der Mit-
telwert der Skala größer-gleich Null zum unkritischen Wert ist (Differenz zum unkritischen
Wert (DiffUW) ≥ 0).
Beteiligung und unterstützendes Führungsverhalten. Die Arbeitsmerkmale der erleb-
ten Beteiligung und des unterstützenden Führungsverhaltens wurden über einen bedingungs-
bezogenen Selbstbericht erfasst. Die Subskala Partizipationsmöglichkeiten der Salutogene-
tisch Subjektiven Arbeitsanalyse (SALSA; Udris & Rimann, 1997; Beispielitem: „Bei wichti-
gen Dingen in der Firma kann man mitreden und mitentscheiden.“, Itemanzahl = 3, Antwort-
format 1 gar nicht bis 5 völlig) dient als Maß für die erlebte Beteiligung. Für die Operationali-
sierung des unterstützenden Führungsverhaltens wird das Leader-Member-Exchange (LMX;
Schyns & Paul, 2014; Beispielitem: „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr/e Vorge-
setzte/r Ihnen auf ihre/seine Kosten aus der Patsche hilft?“, Itemanzahl = 7, Antwortformat 1
nie bis 5 immer) gewählt. Für die genannten und die folgenden Verfahren des Selbstberichtes
ist in Tabelle 1 jeweils die interne Konsistenz berichtet.
Personenmerkmale. Die in einem strukturierten Interview erfassten soziodemographi-
schen Variablen sind Alter, Geschlecht, höchster Schulabschluss, höchster Berufsabschluss
und Dauer der Tätigkeit Straßenbahnfahrer (entspricht objektiven Merkmalen der Person).
Die Utrecht Work Engagement Scale - Kurzversion (UWES-9; Schaufeli et al., 2006) setzt
sich aus den Subskalen Vitalität (Beispielitem: „Bei meiner Arbeit bin ich voll überschäu-
mender Energie.“), Hingabe (Beispielitem: „Meine Arbeit inspiriert mich.“) und Absorption
(Beispielitem: „Ich gehe völlig in meiner Arbeit auf.“) zusammen, welche alle drei das Ant-
wortformat 0 Fast nie (Ein paar Mal im Jahr oder weniger) bis 6 Immer (Jeden Tag) haben
und je drei Items beinhalten. Als Summenwert der Subskalen dieses personenbezogenen Fra-
gebogens ergibt sich das motivationale Potential (Arbeitsengagement) einer Person (Schaufeli
et al., 2002).
4. Studien
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Beanspruchungsfolgen. Als Beanspruchungsfolgen und somit Bindeglied zwischen
Gesundheit und Krankheit (Rau, 1998, 2004, 2011, 2012), wurden im Einzelnen die Erho-
lungsfähigkeit (erfasst mit dem Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungs-
bewältigung Subskala E; FABA; Richter, Rudolf & Schmidt, 1996; Beispielitem: „Meine
Arbeit pulvert mich manchmal so auf, dass ich gar nicht mehr zur Ruhe komme.“, Itemanzahl
= 6, Antwortformat 1 ich stimme dem stark zu bis 4 ich lehne das stark ab) und die vitale Er-
schöpfung (erfasst mit dem Maastricht Questionnaire; MQ; Appels, Höppner & Mulder,
1987; Beispielitem: „Fühlen Sie sich völlig abgeschlagen/matt?“, Itemanzahl = 21, Antwort-
format 0 ja bis 2 nein) durch einen Selbstbericht der Versuchspersonen operationalisiert.
4.2.4 Ergebnisse
In Tabelle 7 sind die deskriptiven Statistiken und Interkorrelationen der Variablen, welche im
Selbstbericht erfasst wurden, dargestellt.
4. Studien
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Tabelle 7
Überblick der deskriptiven Statistik, der Korrelationen und internen Konsistenzen aller Variablen, welche mittels Selbstbericht erfasst wurden (n =
61)
Variable M SD 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
1 Anforderungsvielfaltsub 3.16 0.74 (.74)
2 Beeinflussbarkeitsub 1.82 0.56 .46** (.74)
3 Alter 44.74 8.64 .30* .09 /
4 Geschlechta
1,77 .42 -.05 .10 .19 /
5 Schulabschluss‡ 1.85 .36 .28* .23 .11 .11 /
6 Berufsabschluss‡ 3.51 .72 .39* .10 .35** -.12 .20 /
7 Dauer Tätigkeit (in
Monaten)
245.54 140.57 .40* .44 .61** .20 .21 .48** /
8 Vitalität 3.14 1.31 .30* .17 .11 -.03 .12 -.08 -.01 (.79)
9 Hingabe 3.26 1.50 .42** .39** .19 .00 .29* .11 .16 .79** (.85)
10 Absorption 2.94 1.51 .39** .25 .15 -.00 .23 .04 .05 .86** .88* (.87)
11 Arbeitsengagement 3.12 1.36 .40** .40** .16 -.00 .24 .04 .07 .93** .94* .97* (.94)
12 Beteiligung 2.05 .71 .17 .72** -.07 -.05 .21 -.09 .03 .01 .20 .09 .12 (.69)
13 Unterstützendes Füh-
rungsverhalten
2.82 .69 .07 .30* -.04 .04 .15 .06 .06 .04 .10 -.02 .04 .37** (.83)
14 Erholungsunfähigkeit 2.03 .56 -.00 -.37* -.16 -.21 -.12 .03 -.05 .13 -.01 -.01 .00 -.37** -.19 (.70)
15 Vitale Erschöpfung .57 .43 -.02 -.27* -.23 -.41* -.16 .18 .06 -.10 -.15 -.15 -.17 -.31* -.20 .44** (.87)
Anmerkungen. ‡ Für die Variablen Schulabschluss und Berufsabschluss wurden Spearman-Korrelationskoeffizienten berechnet, für alle anderen Variablen Pearson-
Korrelationskoeffizienten. Die Diagonale enthält die internen Konsistenz (Cronbachs α).
a 1 = weiblich, 2 = männlich.
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001
4. Studien
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4.2.4.1 Ergebnisse zu Hypothese 1
Für die Überprüfung möglicher Differenzen zwischen den Komponenten des erlebten und
objektiv in der Arbeit gegebenen Tätigkeitsspielraums (Hypothese 1) erfolgte eine deskriptive
Auswertung des FIT und TBS-GA, da die Variablen objektive Beeinflussbarkeit und objekti-
ve Anforderungsvielfalt in der vorliegenden Untersuchung als konstant zu betrachten sind.
Zur Beurteilung wurden die aggregierten Mittelwerte für die objektive und subjektive Beein-
flussbarkeit sowie Anforderungsvielfalt verglichen.
Im Selbstbericht geben 90.2% (47.6% = trifft eher nicht zu; 42.6% = trifft gar nicht zu)
der Versuchspersonen auf Fragen der Beeinflussbarkeit an, dass diese (eher) nicht zutreffend
sei. Der überwiegende Anteil der Versuchspersonen erlebt demnach kaum bis keine Beein-
flussbarkeit der Arbeitstätigkeit. Die negative Abweichung des unkritischen Wertes für die
objektiv eingeschätzte Beeinflussbarkeit (M = 0.30; UW = 0.57; DiffUW = - 0.27), ist eben-
falls als das Vorliegen einer geringen Beeinflussbarkeit zu bewerten.
Die Anforderungsvielfalt wurde von den Versuchspersonen überwiegend als gegeben
wahrgenommen. Von den Versuchspersonen gaben 77% (52.4% = trifft teilweise zu;
24.6% = trifft zu) an, dass sie Anforderungsvielfalt erleben. Im Gegensatz zum Erleben zeigen
die Ergebnisse der objektiven Arbeitsanalyse, dass die Tätigkeit kaum Anforderungsvielfalt
(M = 0.37; UW = 0.50; DiffUW = - 0.13), bietet.
4.2.4.2 Ergebnisse zu Hypothese 2
Aufgrund der gezeigten Unterschiede im erlebten und objektiv in der Arbeit gegebenen Tä-
tigkeitsspielraum, wurden für die Arbeitsmerkmale (Hypothese 2a) und die Personenmerkma-
le (Hypothese 2b) Korrelationen und lineare Regressionsanalysen (Methode Einschluss) zur
Überprüfung der Vorhersagekraft der Komponenten des subjektiven Tätigkeitsspielraum ge-
rechnet. Es wurden nur Variablen in Regressionsanalysen aufgenommen, welche in einem
linearen Zusammenhang stehen (Linearität Voraussetzung für Regression; Bortz & Schuster,
2010) und die weiteren Voraussetzungen (Normalverteilung und Homoskedastizität) erfüllen.
Von einer Analyse aller Variablen wurde abgesehen, da diese Ergebnisse schwer zu interpre-
tieren sind (Carlson & Wu, 2012) und eine systematische Unterschätzung der Varianzaufklä-
rung auftreten könnte (Spector, Zapf, Chen & Frese, 2000).
4. Studien
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Das Ausmaß der erlebten Beeinflussbarkeit steht in einem linearen Zusammenhang
mit den Arbeitsmerkmalen der erlebten Beteiligung und dem unterstützenden Führungsverhal-
ten. In einer Regressionsanalyse (Hypothese 2a) konnte durch die Variable erlebte Beteili-
gung 52% der Varianz der erlebten Beeinflussbarkeit aufgeklärt werden (β = .57, p < .001;
F(1, 59) = 63.49, p <. 001). Das unterstützende Führungsverhalten erwies sich ebenfalls als
signifikanter Prädiktor (β = .25, p < .05; R2 = .09, F(1, 59) = 5.94, p < .05). Jedoch korrelierte
die erlebte Beeinflussbarkeit mit keiner der hier berichteten soziodemographischen Variablen
(Alter, Geschlecht, höchster Schulabschluss, höchster Berufsabschluss und Dauer der Tätig-
keit; Hypothese 2b). Ein höheres Maß an Hingabe, ging mit einem höheren Maß der erlebten
Beeinflussbarkeit einher (r = .39, p < .01). Für die Vitalität und Absorption konnte kein ent-
sprechender Zusammenhang gefunden werden. Ferner ist der Anteil der aufgeklärten Varianz
durch das motivationale Potential einer Person (Arbeitsengagement) als Prädiktor (β = .12,
p < .05; R2 = .09, F(1, 59) = 5.65, p < .05) geringer als bei der Anforderungsvielfalt.
Die Komponente der erlebten berufliche Anforderungsvielfalt steht weder mit erlebter
Beteiligung noch mit unterstützenden Führungsverhalten in einem Zusammenhang und wurde
zu Überprüfung möglicher Varianzaufklärung nicht verwendet (Hypothese 2a). Mit zuneh-
menden Alter berichten die Straßenbahnfahrer und Straßenbahnfahrerinnen über eine höhere
Anforderungsvielfalt (r = .30, p < .05). Zudem erleben Personen mit formal niedriger schuli-
scher Bildung (r = .28, p < .05), niedrigerem Berufsabschluss (r = .39, p < .05) und längerer
Berufsausführung (r = .40, p < .05) ein höhere Anforderungsvielfalt. Diese Zusammenhänge
bleiben jedoch nur für den Berufsabschluss bestehen, wenn das Alter als Kontrollvariable
berücksichtigt wird (rAlter = .33, p < .05). Hinsichtlich des selbst eingeschätzten Arbeitsenga-
gements zeigt sich ein positiver linearer Zusammenhang (r = .40, p < .01). Für die drei Sub-
skalen Vitalität (r = .30, p < .05), Hingabe (r = .42, p < .01) und Absorption (r = .39, p < .01)
bei der Arbeit zeigte sich ebenfalls ein positiver linearer Zusammenhang zur Anforderungs-
vielfalt (Hypothese 2b). Je mehr Vitalität, Hingabe bei der Arbeit sowie Absorption durch die
Arbeit erlebt wird, desto höher wird die berufliche Anforderungsvielfalt durch die Arbeiten-
den eingeschätzt. Für die erlebte berufliche Anforderungsvielfalt konnte 15% der Varianz
durch das Arbeitsengagement als signifikanter Prädiktor
(β = .21, p < .01; F(1, 59) = 10.23, p < .01) vorhergesagt werden.
4. Studien
56
4.2.4.3 Ergebnisse zu Hypothese 3
In den Hypothesen 3a und 3b sollte geklärt werden, welche Beziehungen zwischen dem Erle-
ben von Beeinflussbarkeit und Anforderungsvielfalt zu den Beanspruchungsfolgen Erho-
lungsunfähigkeit und vitaler Erschöpfung bestehen. Zwischen den Beanspruchungsfolgen
Erholungsunfähigkeit (r = -.37, p < .01) und vitale Erschöpfung (r = -.27, p < .05) und der
erlebten Beeinflussbarkeit bestehen signifikante Zusammenhänge (Hypothese 3a). Die erlebte
Beeinflussbarkeit (β = -.37, p < .01) klärt signifikant 18% der Varianz der Erholungsunfähig-
keit (F(1, 59) = 9.58; p < .01) und sieben Prozent der Varianz der vitalen Erschöpfung auf
(β = -.20, p < .05; F(1, 58) = 4.41; p < .05). Hingegen wurden in der vorliegenden Untersu-
chung keine Beziehungen zwischen der erlebten beruflichen Anforderungsvielfalt und den
Beanspruchungsfolgen Erholungsunfähigkeit und vitale Erschöpfung gefunden (Hypothese
3b).
4.2.5 Diskussion
Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, Beziehungen zwischen Arbeitsmerkmalen und -
bedingungen und deren Erleben sowie daraus resultierenden Beanspruchungsfolgen zu klären.
Im Fokus der Untersuchung standen die Komponenten des objektiv in der Arbeit gegebenen
und des erlebten Tätigkeitsspielraums nach Karasek (1979). Die Ergebnisse zeigen, dass un-
terschiedliche Arbeits- und Personenmerkmale beeinflussen die Beziehung zwischen den ein-
zelnen Komponenten des Tätigkeitsspielraums.
4.2.5.1 Beeinflussbarkeit
Bei der Tätigkeit Straßenbahnfahren sind ausschließlich Auswahlen von Handlungsalternati-
ven ohne selbstständige Entscheidung möglich. Daher ist die objektiv vorliegende Beeinfluss-
barkeit als nahezu nicht gegeben einzuschätzen. Dies wird auch von den Arbeitenden adäquat
wahrgenommen. Sie geben an, dass sie nur wenig Beeinflussbarkeit erleben (Hypothese 1).
Einzig die Aussagen zu dem Ausmaß der selbstständigen Entscheidungen (Item 12; FIT,
Richter, et al., 2000) entsprechen nicht dem Verständnis von Entscheidungen, wie sie in der
Handlungsregulationstheorie beschrieben werden (Hacker & Sachse, 2014). Danach bedeutet
eine Entscheidung, dass aus mehreren Möglichkeiten der Handlungsausführung eine ausge-
wählt wird, wobei die Wahl die Abschätzung und Bewertung der Folgen der möglichen Vari-
anten einschließt. Da es objektiv keine Entscheidungsmöglichkeiten in der Tätigkeit der Stra-
ßenbahnfahrer und -fahrerinnen gibt, muss das erlebte Ausmaß an selbständigen Entscheidun-
4. Studien
57
gen auf einer anderen Vorstellung von Entscheidungen bei den befragten Personen beruhen.
Die untersuchten Straßenbahnfahrer/Innen scheinen nicht zwischen einer Auswahl und einer
Entscheidung zu differenzieren. Unter einer Auswahl werden WENN-DANN-Festlegungen
verstanden, wodurch bei genauer Einhaltung der Vorgaben zwingend der Vollzug einer Alter-
native vorbestimmt ist (Hacker & Sachse, 2014). Da sich solche WENN-DANN-Festlegungen
häufig in der Tätigkeit von Straßenbahnfahrenden finden, ist anzunehmen, dass sich diese in
einer höheren Bewertung als selbstständige Entscheidungen abbilden. Dies kann als Zeichen
einer geminderten Güte des Selbstberichtes über Arbeitsmerkmale (vgl. subjektiver bias; Mc
Guire, 1966; self-reported bias; Spector, 1992) bewertet werden und unterstreicht die Not-
wendigkeit eines mehrdimensionalen objektiv und subjektiv bedingungsbezogenen Ansatz bei
der Arbeitsanalyse.
Einen entscheidenden Einfluss auf das Erleben von Beeinflussbarkeit haben die Ar-
beitsmerkmale Beteiligung und unterstützenden Führungsverhalten (Hypothese 2a). Personen,
die sich bei ihrer Arbeit an betrieblichen Entscheidungs- und Planungsprozessen beteiligt füh-
len, erleben ein höheres Maß an Beeinflussbarkeit. Diese Ergebnisse decken sich mit den Be-
funden von Hoppe und Rau (2017). Es ließe sich vermuten, dass Personen im Sinne der Be-
einflussbarkeit organisationale Unterstützung (z. B. durch unterstützendes Führungsverhalten)
erhalten und somit Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit erkennen und auch nutzen können.
Im Einklang mit den Ergebnissen von Demerouti und Kollegen (2001) zeigt sich auch
in der vorliegenden Studie, dass die erlebte Beeinflussbarkeit (decision authority bei Deme-
routi et al., 2001) mit einem höheren Arbeitsengagement einhergeht. Die aufgeklärte Varianz
der erlebten Beeinflussbarkeit durch Arbeitsengagement ist jedoch entscheidend geringer als
bei der Anforderungsvielfalt. Unabhängig hingegen ist die erlebte Beeinflussbarkeit von den
soziodemografischen Merkmalen Alter, schulische Bildung, höchster Berufsabschluss und
Dauer der Tätigkeit Straßenbahnfahren (Hypothese 2b). Hinsichtlich des Auftretens von Fehl-
beanspruchungsfolgen zeigt sich, dass das Erleben von Beeinflussbarkeit diesen vorbeugen
kann. So nehmen mit steigender erlebter Beeinflussbarkeit die Erholungsunfähigkeit und die
vitale Erschöpfung ab (Hypothese 3a). Dieser Befund entspricht den häufig berichteten Er-
gebnissen, dass das Bestehen von decision latitude Gesundheitsrisiken vorbeugt bzw. das
Wohlbefinden und die Erholung fördern (Sonnentag & Fritz, 2015; Zijlstra, Cropley &
Rydstedt, 2014).
4. Studien
58
Insgesamt lassen die Ergebnisse die Schlussfolgerung zu, dass das Erleben von Beein-
flussbarkeit nur im geringen Maße von Merkmalen der Person, jedoch entscheidend von ge-
geben Arbeitsmerkmalen (im Sinne gegebener Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten) und vom
Erleben der Arbeitsmerkmale erlebte Beteiligung und unterstützendes Führungsverhalten ab-
hängig zu sein scheint. In diesem Sinne ist die erlebte Beeinflussbarkeit ein beindingungsbe-
zogenes und gestaltbares Arbeitsmerkmal (vgl. Belastung; DIN EN ISO 10075-1), welches
bedingungsbezogene Beanspruchungsfolgen aufklären kann.
4.2.5.2 Berufliche Anforderungsvielfalt
Hinsichtlich der erlebten beruflichen Anforderungsvielfalt wurden Differenzen zwischen de-
ren Erleben und der objektiv gebotenen Vielfalt gefunden (Hypothese 1). Der überwiegende
Anteil der Arbeitenden berichtet, dass ihre Tätigkeit vielfältig ist. Die objektive Arbeitsanaly-
se zeigt jedoch, dass das Erleben von Anforderungsvielfalt nicht auf die objektiv bestehenden
Anforderungen zurückgeführt werden kann. Sowohl die kognitiven Anforderungen der Tätig-
keit als auch die objektiv bestehenden bleibenden Lernerfordernisse sind gering. Es ist zu
vermuten, dass allein die Abwechslung von Umgebungsfaktoren bei dieser Tätigkeit (z. B.:
tägliche Abwechslung durch das Fahren unterschiedlicher Straßenbahnlinien), nicht aber die
Vielfalt von Arbeitsinhalten, zum Erleben einer größeren Anforderungsvielfalt führt. Dem-
nach könnte die erlebte Anforderungsvielfalt durch deren subjektive Erfassung und den damit
in Kauf zu nehmenden self-report bias, in dem sich auch die Wirkung von Umweltfaktoren
abbildet (Mc Guire, 1996), verfälscht sein.
Kein Zusammenhang fand sich zwischen der erlebten beruflichen Anforderungsviel-
falt und den untersuchten Arbeitsmerkmalen Beteiligung und unterstützendes Führungsver-
halten (Hypothese 2a). Dies ist nach vollziehbar, da sich die hauptsächliche Tätigkeit, nämlich
das Fahren von Straßenbahnfahren, weder durch Beteiligung noch durch verändertes Füh-
rungsverhalten mit neuen Anforderungen anreichern lässt. Eine Erhöhung der Anforderungs-
vielfalt wäre nur durch Einführung anderer Tätigkeiten (z. B. bei Einführung von Mischarbeit
wie Straßenbahn fahren und in der Werkstatt arbeiten) möglich. Die erlebte Anforderungs-
vielfalt korrelierte aber mit soziodemografischen Merkmalen bzw. Personenmerkmalen.
Im Detail, das individuelle motivationale Potential, welches in Form von Engagement
erfasst wurde, steht im positiver Beziehung zur erlebten Anforderungsvielfalt (Hypothese 2b).
Offensichtlich ermöglicht die habituelle Bereitschaft, sich in die Arbeit einzubringen und die-
4. Studien
59
ser subjektiv eine hohe Bedeutung zuzuweisen (Vitalität und Hingabe) sowie in dieser aufzu-
gehen (Absorption; Schaufeli et al., 2002), dass die Betroffenen das Gefühl haben, dass sie
vielfältige Fertigkeiten und Fähigkeiten in ihre Arbeit einbringen können.
Neben dem Engagement stand auch das Alter im Zusammenhang zur erlebten Anfor-
derungsvielfalt. Eine Erklärungsmöglichkeit hierfür ist, dass mit höherem Lebensalter auch
die berufliche Erfahrung ansteigt (z. B. in Bezug auf Streckenverläufe und deren Veränderun-
gen; Wechsel technischer Anforderungen). Je länger Personen als Fahrer bzw. Fahrerin arbei-
ten und desto älter sie entsprechend werden, desto häufiger haben sie auch Veränderungen im
Arbeitsablauf erfahren, die sie als Anforderungsvielfalt erleben könnten. Die erlebte Anforde-
rungsvielfalt kann sich aber letztlich nicht darauf beziehen, dass die Tätigkeit sehr unter-
schiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verlangt, da dies objektiv nicht der Fall war. So zeig-
ten die objektiven Arbeitsanalysen, dass die kognitiven Anforderungen und die Lernerforder-
nisse gering waren. Vielmehr dürfte die erlebte Anforderungsvielfalt die Veränderung von
Umgebungsfaktoren widerspiegeln und nicht inhaltliche Veränderungen des Auftrages.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die erlebte Anforderungsvielfalt stark von Personen-
merkmalen wie Alter und Engagement abhängig ist und nicht mit Fehlbeanspruchungsfolgen
in Beziehung stand (Hypothese 3b). Da in der vorliegenden Studie, die Anforderungsvielfalt
objektiv gering war, kann hier nicht geklärt werden, welchen Effekt eine objektiv höhere An-
forderungsvielfalt auf deren Erleben und auf die Beanspruchung haben kann. Trotzdem bleibt
interessant, dass allein Personenmerkmale bereits das Erleben von Anforderungsvielfalt be-
einflussen können. Entsprechend den Befunden von Magnusson Hanson et al. (2008) sowie
Bell, Johnston, Allan, Pollard und Johnston (2017) könnte die erlebte berufliche Anforde-
rungsvielfalt daher auch als eine Anforderung an die Einstellung einer Person sich Belastun-
gen auf der Arbeit zu stellen, aufgefasst werden.
4.2.5.3 Limitationen und Stärken
Eine Stärke dieser Studie besteht in der Verwendung sowohl objektiv als auch subjektiv be-
dingungsbezogener Analyseverfahren zur Erfassung von Tätigkeitsspielraum und seiner
Komponenten. Dies entspricht dem Optimum bedingungsbezogener Datengewinnung (Frese
& Zapf, 1988) und kann methodische Schwächen reduzieren (Vermeidung common-method-
bias; Rau, 2010; methodological separation of measurement; Podsakoff et al., 2003; Reduzie-
rung subjektiver bias, McGuire, 1966). Zusätzlich wurde zur Vermeidung eines möglichen
4. Studien
60
common-method-bias der Teil der Arbeitsanalyse, der auf der Erfassung von Arbeitsmerkma-
len mittels Fragebogen beruht, zeitlich von der Erfassung der Beanspruchungsfolgen getrennt
(temporal separation of measurement; Podsakoff et al., 2003).
Ein Kritikpunkt der vorliegenden Studie ergibt sich aus der gewählten Tätigkeit. Da
alle untersuchten Personen die gleiche Tätigkeit ausführten, bestand für alle ein vergleichba-
res Ausmaß an objektiv gegebener Beeinflussbarkeit und beruflicher Anforderungsvielfalt. Da
dieses Ausmaß sehr niedrig war, ist eine Unterschätzung des Erlebens dieser Arbeitsmerkma-
le (Arbeitsanalyse im Selbstbericht der arbeitenden Personen) nahezu auszuschließen. Dies
war untersuchungstechnisch gewollt. Das bedeutet aber auch eine Einschränkung der Aussa-
gefähigkeit der Studie. So kann keine Aussage zu Arbeitsplätzen mit hohem Tätigkeitsspiel-
raum gemacht werden.
Die Verwendung des FIT (Richter et al., 2000) zur Operationalisierung der Kompo-
nenten des subjektiven Tätigkeitsspielraums nach Karasek und Theorell (1990) ist gerechtfer-
tigt. Um jedoch in kommenden Untersuchungen die Komponente der Qualifikationsausnut-
zung und dem Lernpotential der Arbeit (skill utilisation) zu prüfen, bedarf es einer Operatio-
nalisierung mit mehr als einem Item (Fisher, Matthews & Gibbson, 2016; Spector et al.,
2000). Nach Karasek und Theorell (1990) kann die skill utilisation eng mit der skill discretion
verknüpft sein. Das hieße, dass Personen, welche ein hohes Maß an Anforderungsvielfalt er-
leben, auch ein höheres Lernpotential der Arbeit wahrnehmen. Zur Prüfung möglicher Zu-
sammenhänge gilt es das Lernpotential detaillierter zu erfassen.
4.2.5.4 Implikationen
Die erlebte Beeinflussbarkeit kann im Sinne einer Belastung (DIN EN ISO 10075-1) als
wahrnehmbares, bedingungsbezogenes und gestaltbares Arbeitsmerkmal verstanden werden
(DIN EN ISO 6385). Untersuchungen, welche darauf abzielen Einflussmöglichkeiten bei der
Arbeit zu analysieren und zu gestalten, sollten die Beeinflussbarkeit objektiv als auch subjek-
tiv erfassen um spezifischere verhältnisorientierte Maßnahmen (Lohman-Haislah, 2012) ablei-
ten zu können. Eine Verhütung von Fehlbeanspruchungen durch Arbeitsgestaltung im Sinne
von objektiv in der Arbeit gegebene und erlebte Beeinflussbarkeit ist möglich. Die erlebte
Anforderungsvielfalt hingegen könnte als Leistungsvoraussetzung einer Person verstanden
werden und Berücksichtigung in der Auswahl von geeigneten Mitarbeitern und Mitarbeiterin-
nen finden.
4. Studien
61
4.2.5.4 Ausblick
Die hier angewendete detaillierte Erfassung des subjektiven als auch objektiven Tätigkeits-
spielraums könnte in weiteren Forschungsarbeiten die geforderte Untersuchung kurvilinearer
Beziehungen ermöglichen (Bradtke et al., 2016). Darüber hinaus bieten die Ergebnisse Er-
kenntnisse, die für die Konzeption verhältnis- als auch verhaltensorientierter Gestaltungsmaß-
nahmen der Arbeit nützlich sind (u. a. stärkeres Augenmerk auf die Gestaltung der Beein-
flussbarkeit legen).
Um die Fragen zu klären, inwiefern Arbeitstätigkeiten mit hoher objektiv gegebener
Beeinflussbarkeit mit Beanspruchungsfolgen in Beziehung stehen, sollten weitere Arbeits-
plätze mit unterschiedlich hohem objektiv gegebenem Tätigkeitsspielraum untersucht werden.
Dies würde auch die Überprüfung der Befunde, dass eine als hoch erlebte Autonomie bei der
Arbeit auch mit Fehlbeanspruchungen einhergehen kann (vgl. Kubicek et al., 2014; Langbal-
le, Innstrand, Aasland & Falkum, 2011) ermöglichen (siehe auch kurvilienaren Verlauf des
Zusammenhangs von Autonomie und Fehlbeanspruchung im Modell von Warr, 1987). Diese
genannten Befunde beruhen ausschließlich auf Daten aus dem Selbstbericht. Zu prüfen wäre
außerdem, ob andere (objektiv erfasste) Arbeitsmerkmale (z. B. Arbeitsintensität, Rol-
lenunklarheit) diese Zusammenhänge beeinflussen (Schuller et al., 2012).
Ferner sollte angestrebt werden, Aspekte wie Aufgabenschwierigkeit objektiv zu ope-
rationalisieren, um zu versuchen die Anforderungsvielfalt bedingungsbezogen zu untersu-
chen. Im Verständnis der dynamischen Arbeitsgestaltung (Metz, 2011) ist Wissen darüber
erforderlich, welche objektiven Arbeitsmerkmale Personen für ihre eigene Arbeit nutzen kön-
nen um auf diese Weise Vielfalt und daraufhin Motivation erleben zu können (Halbesleben,
2010).
4. Studien
62
4.3 Studie 2 – Einfluss der Arbeitsintensität auf das Erleben der Beeinflussbarkeit in der
Arbeit 2
Work demands hamperd the perception and use of decision authority
Abstract. The opportunity to perceive control at work is the basis for learning, health
and personal development. In the current study, based on the job demand-control model, deci-
sion authority was examined as a component which is determined by external task characteris-
tics. We hypothesised that expert-rated work demands would moderate the relationship be-
tween (objectively available) expert-rated decision authority and (perceived) self-reported
decision authority. We examined 793 German employees in five cross-sectional projects (be-
tween 2007–2016). Task characteristics were measured via self-report and expert-ratings.
Results of a simple moderation model confirmed our hypothesis. The results indicated that
work demands can hamper the perception of decision authority, even if a workplace has high,
objective expert-rated decision authority. Furthermore, work demands represent a contradic-
tion between the content of work and its execution conditions. As a consequence, employees
perceive and, more importantly, might use less objectively available decision authority in high
work demand situations. These findings suggest that safe and well-designed task characteris-
tics are required in order to reduce the probability of job strain and to provide opportunities
for employees to learn and develop their own personality at work.
Zusammenfassung. Die Möglichkeit, Kontrolle bei der Arbeit wahrzunehmen, ist die
Grundlage für Lernen, Gesundheit und persönliche Entwicklung. In der aktuellen Studie wur-
de basierend auf dem Job Demand-Control Modell die Beeinflussbarkeit als eine Komponente
untersucht, die durch externe Arbeitsmerkmale bestimmt wird. Wir stellten die Hypothese
auf, dass die von Experten eingestufte Arbeitsintensität das Verhältnis zwischen (objektiv
verfügbarer) von Experten bewerteter Beeinflussbarkeit und (wahrgenommener) selbst einge-
schätzte Beeinflussbarkeit moderieren würde. Wir haben 793 deutsche Mitarbeiter in fünf
Querschnittsprojekten (zwischen 2007-2016) untersucht. Die Arbeitsmerkmale wurden an-
hand von Selbstberichten und Expertenbewertungen gemessen. Die Ergebnisse eines einfa-
chen Moderationsmodelles zeigten, dass die objektive Arbeitsintensität die Wahrnehmung
von der Beeinflussbarkeit beeinträchtigen kann, selbst wenn ein Arbeitsplatz eine hohe, ob-
jektive, von Experten bewertete Beeinflussbarkeit innehat. Darüber hinaus stellt die Arbeitsin-
2 Zur Vereinheitlichung des Inhaltsverzeichnisses der vorliegenden Dissertationsschrift wurden die Abschnitts-
überschriften der englischsprachigen Originalpublikation durch das deutschsprachige Äquivalent ersetzt.
4. Studien
63
tensität einen Widerspruch zwischen dem Inhalt der Arbeit und ihren Ausführungsbedingun-
gen dar. Dies hat zur Folge, dass die MitarbeiterInnen in Situationen mit hohem Arbeitsauf-
kommen weniger objektiv verfügbare Beeinflussbarkeit wahrnehmen und vor allem auch we-
niger nutzen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass sichere und gut gestaltete Arbeitsmerkmale
erforderlich sind, um die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsbelastungen zu reduzieren und Mit-
arbeiternInnen Möglichkeiten zu bieten, ihre eigene Persönlichkeit bei der Arbeit zu entwi-
ckeln.
4.3.1 Einleitung
The behaviour of employees is conditioned by the external world, mediated by their individu-
al psychic activity (Rubinstein, 1962), and by the core work activity (Frese & Zapf, 1994;
Hacker, 2003). Work is important, not only to finance personal life, but to promote one’s own
personality and health. It is a well-known fact that the feeling of control is a basic necessity of
humankind (Seligman, 1975). The opportunity to experience control at work is necessary for
learning, health and personal development (Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2003; Hackman &
Oldham, 1976; Warr, 2011). For these reasons, control is one of the most widely discussed
task characteristics in occupational psychology research. A frequently used model for investi-
gating the effects of job control is the job demand-control model (Karasek, 1979). It describes
the relationship between work demands (in terms of quantitative demands) and job control
(the possibility to influence one’s own job execution). Work demands are often operational-
ized by asking about the experience of hectic work and time pressure. According to Karasek
et al. (1998), job control is determined by decision authority, skill discretion at work, as well
as skill utilisation (learning potential of the work) (Abbildung 33).
Abbildung 3. Illustration of Karasek´s (1979) model of job control and its components
4.3.2 Theoretischer Hintergrund
In this study, we adopted the concept proposed by Magnusson Hanson et al. (2008) and fo-
cused on decision authority as the only representative of job control in line of a task character-
istic. Decision authority can be viewed as an external task characteristic that can be perceived
3 Zur Vereinheitlichung des Tabellen- und Abbildungsverzeichnisses der vorliegenden Dissertationsschrift wur-
den in der englisch sprachigen Originalpublikation die Begriffe table (i. F. Tabelle) und figure (i. F. Abbildung)
durch die deutschen ersetzt.
Job control = decision latitude (decision authority + skill discretion) + skill utilisation
4. Studien
64
by employees. It can be described as the experienced (self-reported) extent to which employ-
ees perceive to have control over how and when job tasks are undertaken (e.g., perceive pos-
sibilities to design plans and strategies at work). On the contrary, some researchers (de Jonge
et al., 2010; Magnusson Hanson et al., 2008; Niederhammer, 2002; Schmidt & Diestel, 2011)
purport that skill discretion and skill utilisation are internal resources of employees. In their
opinion, these components of the job-demand-control-model (Karasek, 1979) are internal
characteristics of a person which help them to face challenges in their workplace (e.g., moti-
vation; Magnusson Hanson et al., 2008). Therefore, in the current study we focused on deci-
sion authority in terms of job control. This allowed us to obtain more detailed measurement
and analysis of the components of the job demand-control model (de Jonge et al., 2010; Ka-
rasek & Theorell, 1990; Karasek et al., 1998; Schmidt & Diestel, 2011; Schreurs & Taris,
1998; Smith et al., 1997; van der Doef & Meas, 1999; Wall et al., 1996).
There are many positive effects of perceived decision authority (Hackman & Oldham,
1976; Häusser et al., 2010), particularly where employees have the opportunity to choose be-
tween different working methods, to create and plan working methods, to make decisions, and
as a consequence, to experience intrinsic motivation (Hacker, 2003; Kouvonen et al., 2007).
There is also evidence that self-reported decision authority facilitates learning at work (Rau,
2006; van Ruysseveldt & van Dijke, 2011; van Ruysseveldt et al., 2011) and enhances work
engagement (Schaufeli et al., 2009). On the other hand, a lack of perceived decision authority
causes negative symptoms of work-related mental strain (Hackman & Oldham, 1976; Karasek
& Theorell, 1990; Spector, 1986). Rau et al. (2010) revealed that a lack of perceived decision
authority is associated with major depression. Furthermore, physical impairments such as car-
diovascular diseases (Karasek et al., 1981; Kivimäki et al., 2003) or exhaustion syndromes
(Donders et al., 2007; Nixon et al., 2011; Querstret & Cropley, 2012; van Ruysseveldt et al.,
2011) are related to a lack of perceived decision authority. However, it should be noted that
most of these previous studies are based on self-reported data. Moreover, there is a need for
evidence on which (objective) expert-rated task characteristics have an impact on the percep-
tion of decision authority (Häusser et al., 2014; van der Doef & Meas, 1999). Several studies
have found that expert-rated decision authority is related to mental health, exhaustion syn-
dromes and satisfaction (Rau, 2006; Rau et al., 2010; Schuller et al., 2012).
Several recent studies (Häusser et al., 2010; Kubicek et al., 2014; Langballe et al.,
2011) have raised questions about whether there are positive (e.g., motivation) or negative
effects (e.g., excessive demands) of high perceived decision authority. For example, in his
4. Studien
65
Vitaminmodel, Warr (2011) assumed that the opportunity for perceiving control at work can
change into an unavoidable requirement under certain circumstances. In his opinion, the rela-
tionship between wellbeing and perceived job control is reverse u-shaped. Excessive demands
through required decisions at work might become unmanageable and cause job stress and job
strain. This assumption is under question in the current study based on two arguments. First,
Warr does not pay attention to the possibility that the perception of job control itself is affect-
ed by work demands (e.g., time pressure, deadlines). One cannot rule out that job control in-
teracts with other task characteristics. Second, as already mentioned, the majority of studies
(including the research methods by Warr (2011)) are based on self-reported data (Kubicek et
al., 2014). Van der Doef and Meas (1999) emphasize the lack of person-independent methods
in job control research. For this reason, the purpose of this study was to test the interaction
between expert-rated task characteristics and their effect on perceived task characteristics.
4.3.2.1 Beeinflussbarkeit: Ein Arbeitsmerkmal
Our considerations originate from the idea that task characteristics determine an individual’s
actions (Hacker, 2003). Decision authority, considered as a task characteristic itself, influ-
ences working conditions (Frese, Garst & Fay, 2007). Therefore, decision authority deter-
mines the job content (Hacker, 2003) and through the redefinition of tasks (Hackman & Old-
ham, 1976), employees can exercise the opportunities offered by the task characteristics (e.g.,
procedural degrees of freedom, temporal degrees of freedom; Hacker et al., 1995). In sum-
mary, if certain task characteristics are given objectively, employees can make use of these
when they perceive these tasks characteristics, and are able to deal with them (Hacker, 2003).
For these reasons, investigation of Warr’s (2011) hypothesis of too much perceived decision
authority, with a reverse u-shaped relationship between wellbeing and perceived job control,
is our secondary objective. We must first examine which other (objective) task characteristics
have an impact on the perception of decision authority (Häusser et al., 2014; van der Doef &
Meas, 1999). Subsequently, it is possible to analyse which quality of task characteristics, in
terms of humanized work design (verified by international standards of work design; EN ISO
10075-1, 2000a; EN ISO 10075-2, 2000b), contribute to the perception and use of these task
characteristics. In this respect, we are able to investigate if non-use of perceived decision au-
thority (in terms of perceived task characteristics) is caused by work design problems (e.g.,
low temporal degrees of freedom) or personal inadequacies (e.g., lacking qualifications).
4. Studien
66
4.3.2.2 Arbeitsintensität als Einflussfaktor
With regard to the preceding considerations, we focused on another task characteristic, work
demands. Past research emphasises the impact of work demands on health (for an overview
see Eurofond, 2009; Kivimäki et al., 2010; Kivimäki et al., 2012), even if work demands are
not reported (therefore not perceived) by employees (Schuller et al., 2012). Current changes
in work requirements, like increasing time pressure, flexibility and mobility, demand that in
future research on task characteristics, the interaction between work demands and decision
authority must be considered (Hacker, 2003). Relationships between task characteristics need
to be assessed because knowledge is needed on their impact within humanized work design.
We hypothesised that changes in work requirements, such as increased time pressure, might
be followed by increased work demands, and therefore, might occur at the expense of deci-
sion authority (Hacker, 2003). In view of this, Rau et al. (2010) argued that the difference
between expert-rated work demands and expert-rated decision authority is that employees can
decide to use decision authority, but they have to respond to work demands. These authors
postulated that “[…] perhaps job demand can ‘‘kill’’ job control when job demands are too
high […]” (Rau et al., 2010; p. 99). This assumption is supported by the fact that people under
high-stress conditions favour more automated reactions over actions that require intellectual
strategy and, therefore, it is difficult to replace previously learned and routine responses with
new patterns of action (Meijman & Mulder, 1998). Häusser et al. (2014) also suggested that in
situations of high control, individuals work with greater accuracy, but at the same time, with
reduced speed, in order to maintain this accuracy. In other words, the use of decision authority
might be hampered by exposure to high work demands, in terms of increased time pressure
(Meijman & Mulder, 1998).
4.3.2.3 Fragestellung
In summary, in this study we intend to scrutinize the relationship between two task character-
istics: decision authority and work demands. We assumed that the interplay between (objec-
tively available) expert-rated decision authority and expert-rated work demands affects the
perception of self-reported decision authority. In this respect, objectively available task char-
acteristics contributing to the perception of decision authority are not able to be perceived and
used under objectively-given high work demands. With regard to the preceding considera-
tions, we hypothesised that:
4. Studien
67
Hypothesis. Objective (expert-rated) work demands will act as a moderator for the
relationship between objectively available (expert-rated) and perceived (self-reported) deci-
sion authority.
4.3.3 Methode
4.3.3.1 Stichprobe
In this study, we examined 793 German employees in five cross-sectional projects
(during the years 2007–2016). We applied a risk assessment of psychological workload based
on the German occupational health and safety law (1996). Hence, we scrutinized participants
work conditions (including work content and work context) and the effects of these conditions
on job strain. For all workplaces, we examined self-reported and expert-rated data regarding
work conditions. The sample is composed of different occupational sectors. Supplementary
information on the sample is reported in Tabelle 8. Frese and Semmer (1991) recommended
the use of heterogeneous samples to explore work conditions and task characteristics inde-
pendently of self-reports. The mean age of the participants in the current study was
43.17 years (SD = 9.98). The sample comprised 469 (58.6%) females and 324 (40.4%) males.
Tabelle 8
Supplementary information regarding the five included cross-sectional projects, with partici-
pants categorised by gender
Women Men
Information
N = 793
n
%
n
%
Age
n = 792*
16-25
26-35
36-45
46-55
56-65
29
96
129
173
42
6,2
20,5
27,5
36,9
8,9
12
59
100
114
38
3,7
18,3
30,9
35,3
11,8
Education
n = 634†
Low (< 10 years)
Intermediate (10-12 years)
High (> 12 years)
29
217
114
8,0
60,3
31,7
14
156
104
5,1
56,9
38,0
Sector
n = 793
health sector
financial sector
IT sector
public transport
administration service
74
320
42
15
18
15,8
68,2
9,0
3,2
3,8
26
149
82
55
12
8,0
46,0
25,3
17,0
3,7 Anmerkungen. Missing values for socio-economic data are irrelevant to the methodology of this study.
*missing value for 1 participant. †missing value for 159 participants
4. Studien
68
4.3.3.2 Datenerfassung
Task characteristics were operationalized within self-reports and expert-ratings. Thus, we
avoided common-method bias (Rau et al., 2010) by methodological separation of measure-
ment (Podsakoff et al., 2003). The combination of subjective (self-report) and objective (ex-
pert-rated) methods is the optimum for assessment of task characteristics (Frese & Zapf,
1988; Spector, 2006). Furthermore, with this method it is possible to reduce subjective bias
(McGuire, 1966), which is often required by other researchers (van der Doef & Maes, 1999).
Another advantage of this approach is that it avoids the problem of aggregated occupational-
level ratings (Schuller et al., 2012).
Objective Measurement – decision authority and work demands. Within the Task
Diagnostic System (TDS; Hacker et al., 1995), expert-rated decision authority and expert-
rated work demands were operationalised by experienced work analysts. The TDS is an ob-
jective, person-independent method to assess task characteristics based on Hacker´s model of
action regulation (Hacker, 2003). The TDS involves a stepwise procedure. First, experienced
work analysts gather information about the specific observed workplace (e.g., listed tasks in
the employment contract, job descriptions). Next, the work analyst observes every employee
over a whole working day. All tasks performed by an employee are recorded on TDS scales
(ordinal rating scales), which have defined content-anchored levels verified by international
standards of work design (EN ISO 10075-1, 2000a; EN ISO 10075-2, 2000b). For statistical
analysis, every TDS scale was transformed to range from –1.00 to 1.00 (0 = minimal scale
level) by consideration of the observed proportion of time for each TDS scale. Finally, there
are threshold values for each TDS scale that define minimal task requirements (minimal scale
level) which must be achieved to avoid negative job strain (Hacker et al., 1995).
Expert-rated decision authority. To operationalize (objective) expert-rated decision
authority we used the TDS scales “procedural degrees of freedom”, “decision authority” and
“degree of participation within the organisation”. Expert-rated decision authority is the aver-
age of these three TDS scales (Rau et al., 2010), which relates to Karasek’s (1979) conceptu-
alisation of decision authority.
Expert-rated work demands. The operationalisation of (objective) expert-rated work
demands depends on the level of mental regulation of activities (TDS scale “required cogni-
tive performance”; Hacker, 2003; Anhang G). There is empirical evidence that employees
with higher levels of expert-rated decision authority have higher responsibilities at work
4. Studien
69
(Schuller et al., 2012) and tasks characterised by intellectual demands such as design plans
and strategies (Karasek & Theorell, 1990). These workplaces usually have many (objective)
“temporal degrees of freedom”. For this reason, we used the TDS scale “predictability of in-
terruptions at work” to represent the time component of expert-rated work demands. The op-
erationalisation of expert-rated work demands is described in Tabelle 9. These TDS scales
relate to task characteristics that, when employees are exposed to them, result in the kind of
strain described in Karasek’s (1979) operationalisation of job demands (Rau et al., 2010).
Expert-rated work demands are the average of the described TDS scales, and must be inter-
preted as follows: higher values describe objective requirements through the task and task
characteristics which do not impair the performance of tasks (Roe & Zijlstra, 2000).
Tabelle 9
Operationalisation of expert-rated work demands depending on the level of mental regulation
of the activities (based on Hacker, 2003)
Average of following TDS scales
Tasks requires low level of mental regulation
“required cognitive performance” ≤ 0.6; n = 496
“temporal degrees of freedom”
“conflicts between required quality of work and
the time given to achieve this quality”
“disturbances, and interruptions to work”
“possibilities to delegate work tasks to others”
Tasks requires high level of mental regulation
“required cognitive performance” ≥ 0.6; n = 297
“predictability of interruptions at work”
“conflicts between required quality of work and
the time given to achieve this quality”
“disturbances, and interruptions to work”
“possibilities to delegate work tasks to others”
Self-reported decision authority. In this study we used the Fragebogen zum Erleben
von Intensität und Tätigkeitsspielraum in der Arbeit (FIT; Richter et al., 2000) to operational-
ise (subjective) self-reported decision authority. The FIT is a valid screening instrument to
test the components of the job demand-control model proposed by Karasek (1979). Self-
4. Studien
70
reported decision authority describes the extent to which employees perceive to have control
over how and when job tasks are undertaken. We operationalised self-reported decision au-
thority as the mean of the items “perceived degree of participation within the organisation”,
“perceived possibility to design plans and strategies at work”, “perceived degree of involve-
ment by supervisor” and “perceived possibility for independent decisions” (rating scale from
1 No – does not apply to 4 Yes – true). Thus, self-reported decision authority represents the
value of a perceived task characteristic (Bell et al., 2017; Magnusson Hanson et al., 2008;
Niederhammer, 2002), which can be related to (objective) expert-rated decision authority
(Rau et al., 2010).
4.3.4 Ergebnisse
Descriptive statistics for the variables used in this study are listed in Tabelle 10. For the TDS
scales defining expert-rated decision authority, the interrater reliability for each scale is be-
tween r = 0.67 and r = 1.0, and the test-retest reliability is between rtt = 0.73 and rtt = 1.0 (for
detailed information see Hacker et al., 1995). The interrater reliability coefficients for the
TDS scales defining expert-rated work demands is between r = 0.66 and r = 1.0, and the test-
retest reliability is between rtt = 0.65 and rtt = 1.0 (for detailed information see Hacker et al.,
1995). In the present study, self-reported decision authority measured with the FIT had a
Cronbach´s alpha of α = 0.77 (acceptable; Nunnally & Bernstein, 1994; Spector et al., 2002).
Tabelle 10
Descriptive statistics for the variables used in this study, among the whole sample and clus-
tered on the basis of level of mental regulation of activities (Hacker, 2003)
expert-rated deci-
sion authority†
expert-rated work
demands†
self-reported deci-
sion authority‡
M SD M SD M SD
Whole sample (N = 793) .56 .19 .73 .14 2.88 .74
level of mental regulation of activities*
Tasks requires low level of mental regu-
lation (n = 496)
.47 .14 .73 .14 2.65 .75
Tasks requires high level of mental
regulation (n = 297)
.73 .14 .73 .12 3.27 .55
Anmerkungen. *Threshold values of Task Diagnostic System scale (Hacker et al., 1995) “required cognitive
performance” = 0.6. †range 0–1. ‡range 1–4
4. Studien
71
Test of hypothesis. To verify our hypothesis, we calculated a simple moderation model
according to Hayes (2013; Abbildung 4) with the SPSS macro PROCESS. For the calculation
of the moderation, the z-standardized variables of expert-rated decision authority, expert-rated
work demands and self-reported decision authority were used, to ensure that no effects were
over- or underestimated (Hayes, 2013).
M
expert-rated work demands
X
expert-rated decision authority
Y
self-reported decision authority
Abbildung 4. Simple moderation model with X = expert-rated decision authority as the inde-
pendent variable, M = expert-rated work demands as the moderator of X´s effect on Y = self-
reported decision authority (dependent variable)
Expert-rated work demands were examined as a moderator of the relationship between
expert-rated decision authority and self-reported decision authority. This interaction explained
a total of 37% of the variance in self-reported decision authority
(R2 = 0.37, F(3, 788) = 154.30, p < 0.001). Because expert-rated work demands were a signif-
icant moderator (b3 = -0.11, SE = 0.03, t(788) = -3.72, p < 0.001) of the relationship between
expert-rated decision authority and self-reported decision authority, the main effects b1 and b2
(Tabelle 11) do not need to be taken into account (Baron & Kenny, 1986; Hayes, 2013). The
moderation effect of expert-rated work demands was observed for all conditional effects of
the simple moderation model (Tabelle 12). We can conclude that the more expert-rated task
characteristics impair the performance of tasks (high expert-rated work demands), the strong-
er the moderating effect of expert-rated work demands on the relationship between expert-
rated decision authority and self-reported decision authority.
4. Studien
72
Tabelle 11
Results from the simple moderation model estimating self-reported decision authority (Y)
Coeff SE t p
Model 1
R2= .37, MSE = 0.6326
Intercept i1 .007 .028 0.259 .796
expert-rated decision authority (X) b1 .542 .029 18.742 < .001
expert-rated work demands (M) b2 .131 .030 4.375 < .001
Moderation effect as expert-rated work demands as
moderator (X x M)
b3 -.106 .029 -3.716 < .001
Anmerkungen. The coefficient b3 quantifies how the effect of X (expert-rated decision authority) on Y (self-
reported decision authority) changes as M (expert-rated work demands) changes by one unit (variables z-
standardized).
Tabelle 12
The conditional effects of the moderator (expert-rated work demands) within the simple mod-
eration model
Proportion of expert-rated work demands value* b SE t p
high expert-rated work demands -.998 .648 .036 17.92 < .001
moderate expert-rated work demands .004 .541 .029 18.742 < .001
low expert-rated work demands 1.000 .435 .045 9.72 < .001
Anmerkungen. *A higher value (z-standardized) describes objective requirements of the task and task character-
istics which do not impair the performance of tasks.
4.3.5 Diskussion
This study aimed to reveal the relationship between expert-rated decision authority and ex-
pert-rated work demands, and the effects of this relationship on the perception of self-reported
decision authority. Objective expert-rated work demands were found to moderate the relation-
ship between objectively available (expert-rated) and perceived (self-reported) decision au-
thority. The results indicate that work demands can hamper the perception of decision authori-
ty, even if workplaces have a high objective expert-rated decision authority.
4. Studien
73
Therefore, work demands might depict a contradiction between the content of work
and its execution conditions. For example, when employees work under high work demands,
achievement of their work results requires more effort. According to Seligman (1975), em-
ployees feel a greater desire for control in such situations. Hence, it is possible that employees
favour more routine actions (Frese & Zapf, 1994) due to the lack of time caused by work de-
mands. By choosing routinely available strategies, employees could experience feelings of
control even in stressful situations (minimax hypothesis; Miller, 1979). As a consequence,
employees perceive and, more importantly, might use less objectively available decision au-
thority in situations of high work demands. Employees try to remain capable of acting under
high work demands. Thus, they have to forgo objectively available decision authority in order
to achieve their work results. When there is no time to try new, perhaps better ways to execute
work tasks, without danger of not achieving the required work result, a possible positive as-
pect of the work (self-reported decision authority) is hampered. In the worst case, this could
lead to preference risk behaviours in order to remain capable of performing required duties.
These findings are consistent with those of Häusser et al. (2014) which indicated that employ-
ees need time to be able to benefit from decision authority.
With respect to Warr´s (2011) assumption that the relationship between wellbeing and
perceived job control is a reverse u-shape, there are several arguments to be noted. This study
indicates that the perception of job control itself is affected by work demands (e.g., time pres-
sure, deadlines). Moreover, work demands are an ever-increasing strain (Schuller et al., 2012)
that hamper the perception of decision authority. Consequently, this hampers the possible
positive effects of perceived decision authority. According to Warr (2011), perceived decision
authority becomes an unavoidable excessive demand if the circumstances at work are charac-
terised by high work demands. In summary, it appears to be harmful to wellbeing to have no
available objective decision authority or to have objectively available decision authority but
not be able to perceive this because of high work demands. However, Warr´s assumption re-
ferring to Bandura's understanding of control ("The capacity to exercise control over the na-
ture and quality of one's life of the essence of humanness", p.1; Bandura, 2001) and does not
include effects of objective task characteristic.
Using person-independent methods (van der Doef & Meas, 1999), our study corrobo-
rates the assumption of Rau et al. (2010); high objective work demands can “kill” (hamper)
objectively available and perceived decision authority. For this reason, it is essential in future
research to examine objective task characteristics and their perception. If employers want to
4. Studien
74
enable employees to benefit from task characteristics, they must ensure well-designed task
characteristics and conditions.
4.3.5.1 Limitationen und Stärken
Several limitations of the current study should be noted. We focused our attention on the in-
terplay between two objective expert-rated task characteristics, and their effect on a subjective
self-reported task characteristic. As a consequence, we were faced with the problem of differ-
ent assessments of one construct. It is possible that the raters of the TDS were influenced by
different experience. Whereas, the measurement of self-reported decision authority might
have been affected by moods, attitudes, cognitive processes and/or social desirability (Pod-
sakoff et al., 2003; Spector, 1992). Nevertheless, the present methodology is advantageous as
it avoids common-method bias (Rau et al., 2010) and is considered the optimum method for
data collection to assess task characteristics (Frese & Zapf, 1988; Spector, 2006).
We assume that work is a type of action that affects personality, and thus, personality
can be understood as a dependent variable (Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2003). Therefore, we
did not take into account variables like general control beliefs or self-esteem. This approach is
justified because we performed our investigation with a focus on task characteristics (Fox &
Spector, 2005). That is, we scrutinised the effect of task characteristics on perception, not the
effect of personal characteristics on perception. If we used personal characteristics, which are
naturally associated with differences in perception, for statistical control of the relationship
between task characteristics, we may have removed the effects of the investigated variables
(Spector et al., 2000). The goal of this study was to obtain information about task characteris-
tics which can be redesigned (in terms of EN ISO10075-1, 2000a and EN ISO10075-2,
2000b).
In addition, it must be noted that we assessed execution characteristics of work. Fur-
thermore, there may have been an effect due to the difficulty of the tasks. In future studies,
possibly involving standardized laboratory tests, the effects of task difficulty must be clari-
fied. Additionally, it must investigated whether task difficulty arises through an interaction
between objective decision authority and work demands (e.g., experience difficulty because
there is too little time to fulfil the task) or whether the difficulty of a task is evoked by unreal-
istic goal setting (e.g., Hoppe & Rau, 2017).
4. Studien
75
As described in the theoretical framework, the excluded components of the job-
demand-control-model (skill discretion and skill utilisation; Karasek, 1979) are considered
internal resources of employees. Niederhammer (2002) classified skill discretion and skill
utilisation as aspects of psychological demands, which do not arise through task design but as
a result of personal characteristics (e.g., education, creativity). Therefore, task characteristics
seem to effect the perception of skill discretion and skill utilisation less then personal charac-
teristics. However, our approach was focused on investigating (re)designable task characteris-
tics in terms of EN ISO10075-1 (2000a) and EN ISO10075-2 (2000b), which have an impact
on the perception of decision authority and (Häusser et al., 2014; van der Doef & Meas,
1999). A hypothesis about the effects of certain task characteristics would not be detectable
for skill discretion and skill utilisation, since these components are strongly biased by an indi-
vidual’s perception.
4.3.5.2 Implikationen
In working conditions with prevailing high work demands, it is difficult for employees to cre-
ate and try new strategies, and to decide between existing strategies. Our results support the
hypothesis that objective task characteristics affect the perception of these characteristics. In
other words, the perception of objectively available decision authority is hampered by high
work demands such as less temporal degrees of freedom, disturbances and their predictability
and conflicts between required quality of work and time given to complete the work. There-
fore, we should primarily concentrate on designing human work and its task characteristics
(Hacker, 2003). In order to enable individuals to perceive decision authority and to make use
of it, it is not sufficient to just support individuals. Contrary to the active job described by
Karasek (1979), our results predict that the combination of high decision authority and high
work demands does not exist if we take objective expert-rated task characteristics into ac-
count. Relative to the view of Rau (2004b) and Hacker (2003), this study emphasises the pri-
ority of humanized work design (verified by international standards of work design; EN ISO
10075-1, 2000a; EN ISO 10075-2, 2000b). Above all, employers must ensure safe and well-
designed tasks for two reasons. First, the probability of job strain can be reduced. Second, a
possible positive effect of one task characteristic cannot be hampered by another task charac-
teristic, and therefore, employees have the opportunity to learn and develop their own person-
ality at work.
5. Allgemeine Diskussion
76
5. Allgemeine Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
Ziel der vorliegenden Dissertationsschrift war, einen wissenschaftlichen Beitrag zum Wissen
über das Wirken, das Erleben und die Möglichkeiten der Gestaltung von Arbeitsmerkmalen
zu leisten. Entscheidend für den Ansatz dieser Zielstellung ist die Auffassung, dass das Ver-
halten von arbeitenden Menschen durch die Tätigkeit im Rahmen festgelegter Arbeitsaufträge
bestimmt ist (Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2003; Hacker & Sachse, 2014; Rubinstein, 1962;
Abschnitt 2.1). Im Fokus der vorliegenden Dissertationsschrift lagen die zwei bedeutenden
Arbeitsmerkmale des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit und der Arbeitsintensität. Die Be-
deutsamkeit dieser Arbeitsmerkmale für die Gesundheit, Persönlichkeitsförderlichkeit und
Leistungsfähigkeit arbeitender Menschen ist seit Jahren durch die arbeitspsychologische For-
schung bestätigt (Überblick empirischer Ergebnisse in Abschnitt 2.2.6 und Anhang F). Jedoch
sind zunehmend widersprüchliche Forschungsergebnisse publiziert worden (vgl. Kubicek et
al., 2014; Warr, 1990). Es wird vermutet, dass die Gründe dieser Widersprüche in der Opera-
tionalisierung dieser Arbeitsmerkmale liegen (vgl. Nachreiner, 2002, 2008 Rau, 2010). Mit
dem Ziel das Wissen für eine belastungsreduzierende Arbeitsgestaltung zu erweitern, wurde
in der vorliegenden Dissertationsschrift analysiert, welche Merkmale der Arbeit und der Per-
son das Erleben des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit beeinflussen.
Der in der quantitativen Studie 1 gewählte mehrdimensionale bedingungsbezogene
Ansatz (vgl. Nachreiner, 2002, 2008; Rau, 2010) war für die Überwindung der methodischen
Herausforderungen (Abschnitt 2.5) geeignet. Der Vergleich der Komponenten des Tätigkeits-
spielraums in der Arbeit, unter Verwendung von Selbstberichten Arbeitender und Experten-
einschätzungen in Bezug auf vorliegende Arbeitsmerkmale, liefert Wissen über die Bedeut-
samkeit dieser Komponenten.
Durch diesen methodischen Ansatz konnte in Studie 2 die Wechselwirkung zwischen
der Beeinflussbarkeit und der Arbeitsintensität (Abschnitt 2.4.2) überprüft werden. Mittels der
verwendeten Operationalisierung der objektiven Arbeitsintensität (im Sinne vorherrschender
Ausführungshindernisse) gelang es, die Auswirkung dieser auf das Erleben von Beeinfluss-
barkeit zu untersuchen. Die Bedeutung dieser Ergebnisse für die zukünftige Forschung (Ab-
schnitt 5.3) und die belastungsreduzierende humane Arbeitsgestaltung (Abschnitt 5.4) wird in
den folgenden Abschnitten dargestellt.
5. Allgemeine Diskussion
77
5.1.1 Bedeutsamkeit der Komponenten des gegebenen und erlebten Tätigkeits-
spielraums
In der wissenschaftlichen Literatur wird zu Recht eine detaillierte Operationalisierung der
Komponenten des Tätigkeitsspielraums nach Karasek (1979) gefordert (siehe Abschnitt
2.5.1). Durch den Vergleich objektiv vorliegender (objektiv bedingungsbezogen; Rau, 2010)
und erlebter Arbeitsmerkmale (subjektiv bedingungsbezogen; Rau, 2010) ist es möglich ent-
sprechend der Forderungen von Bradtke et al. (2016), Rosen (2016) und van der Doef und
Maes (1999) die Ursachen für das Erleben des Tätigkeitsspielraums zu analysieren. Die Er-
gebnisse der vorliegenden Dissertation geben für die Komponenten Beeinflussbarkeit und
Anforderungsvielfalt unterschiedliche Implikationen.
Beeinflussbarkeit. Die Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit stellt im Erleben
(operationalisiert über den Selbstbericht) als auch im Vorliegen objektiver Bedingungen (ope-
rationalisiert über Experteneinschätzungen) eine Anforderung des Arbeitsinhaltes dar (vgl.
Baba & Jamal, 1991; Bandura, 1997; Elder, 1997; Hacker, 2005; Hacker & Sachse, 2014;
Rohmert, 1984; Rohmert & Rutenfranz, 1975). Dieses Arbeitsmerkmal ist im Erleben im ge-
ringen Maße von Merkmalen der Person, jedoch entscheidend von vorliegenden Arbeits-
merkmalen abhängig. Somit ist die erlebte Beeinflussbarkeit eine bedingungsbezogene Ein-
schätzung, welche im Sinne einer Belastung zu verstehen ist (vgl. DIN EN ISO 10075-1,
2000). Die Arbeitsmerkmale des erlebten unterstützenden Führungsverhaltens und der erleb-
ten Beteiligung tragen dazu bei die Beeinflussbarkeit wahrzunehmen.
Anforderungsvielfalt. Im Gegensatz dazu muss die erlebte berufliche Anforderungs-
vielfalt anhand der vorliegenden Ergebnisse (Abschnitt 4.2.4) als das individuelle motivatio-
nale Potential einer Person aufgefasst werden. Diese Interpretation entspricht der Annahmen
von Bell et al. (2017), Magnusson Hanson et al. (2008) und Niederhammer (2002). Das moti-
vationale Potential mein die Anforderung an die individuelle Einstellung bzw. Motivation
sich Belastungen der Arbeit zu stellen. Somit stellt diese Komponente des Tätigkeitsspiel-
raums nach Karasek (1979) keine Belastung im Sinne der DIN EN ISO 10075-1 (2000) dar.
Sie scheint somit nicht vordergründig für die psychologische Arbeitsgestaltung (Abschnitt
5.4.2), jedoch für die Passung zwischen Person und Arbeitstätigkeit (Abschnitt 5.4.3) relevant
zu sein.
5. Allgemeine Diskussion
78
5.1.2 Einfluss der Arbeitsintensität auf das Erleben der Beeinflussbarkeit in der
Arbeit
Die Arbeitsmerkmale Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität stellen in der gegenwärtigen und
zukünftigen Arbeitswelt entscheidende Belastungen dar (Abschnitt 1). In der wissenschaftli-
chen Forschung gibt es zahlreiche empirische Befunde zu den Haupteffekten dieser Arbeits-
merkmale (Überblick: Abschnitt 2.2.6 & Anhang F), jedoch widersprüchliche Ergebnisse zu
deren Wechselwirkung (Review der Studien aus den Jahren 1979-1997: van der Doef & Ma-
es, 1999; Review der Studien aus den Jahren 1998-2007: Häusser et al., 2010). Ein entschei-
dender Grund dafür ist der Mangel an Studien, die diese Arbeitsmerkmale und deren Wech-
selwirkung mit Hilfe objektiv bedingungsbezogener Methoden analysieren (Abschnitt 2.4.2
und 2.5).
Die Ergebnisse der quantitativen Studie 2 stellen einen Beitrag zum Wissen über diese
Wechselwirkung dar. Die Verwendung eines objektiv bedingungsbezogenen Verfahrens (vgl.
Rau, 2010) ermöglicht die geforderte differenzierte Operationalisierung der Beeinflussbarkeit
und der Arbeitsintensität (vgl. Bradtke et al., 2016; de Jonge & Kompier, 1997; Griffin et al.,
2007; Häusser et al., 2010; Kain & Jex, 2010; Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017; van der
Doef & Maes, 1999). Die Studienergebnisse zeigen, dass das Erleben der objektiv gegebenen
Beeinflussbarkeit durch objektiv gegebene Ausführungshindernisse (im Sinne einer hohen
Arbeitsintensität) beeinträchtigt ist. Die eigenen Annahmen sowie die weiterer ForscherInnen
sind durch Daten aus einem mehrdimensionalen Ansatz (vgl. Nachreiner, 2002, 2008; Rau,
2010) bestätigt worden (vgl. von de Spiegelaere et al., 2016; Kastner, 2011; Rau et al., 2010;
Schuller et al., 2012; Väänänen & Toivanen, 2017). Personen dessen Arbeitstätigkeiten, ge-
messen an Daten aus Experteneinschätzungen (objektiv bedingungsbezogen), einen hohen
Grad an Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten bieten, erleben diese im geringeren Maße, wenn sie
innerhalb ihrer Arbeitstätigkeit Ausführungshindernissen ausgesetzt sind – Die Arbeitsintensi-
tät beeinträchtigt das Erleben von Beeinflussbarkeit.
5. Allgemeine Diskussion
79
5.2 Limitationen
Zusätzlich zu der in den Abschnitten 4.2.5.3 und 4.3.5.1 beschriebenen eingeschränkten Inter-
pretierbarkeit der Studienergebnisse, werden in diesem Abschnitt weitere Limitationen ge-
nannt, welche sich auf beide Studien beziehen. Darüber hinaus werden mögliche Lösungen
für zukünftige Studien zur Überwindung dieser Limitationen vorgestellt.
5.2.1 Forschungsdesigns
Innerhalb der Studien wurden die empfohlene Methoden und Vorgehensweisen ein- und um-
gesetzt (vgl. Abschnitt 2.5): Das Aggregieren mehrerer anforderungsverschiedener Berufe zu
einer Stichprobe, welche mehrdimensional, personenunabhängig und unter Einsatz subjekti-
ver und objektiver Methoden generiert wurde, entspricht dem Optimum der Einschätzungen
von Arbeitsmerkmalen (Frese & Semmer 1991; Frese & Zapf, 1988; Nachreiner, 2002, 2008;
Spector, 1999, 2006). Beeinträchtigende Effekte wie der common-method-bias (vgl. Rau,
2010), der self-reported bias (Spector, 1992) und der subjektive bias (McGuire, 1966) werden
so reduziert. Auf diese Weise wurden die Daten gemäß des zugrundeliegenden handlungsre-
gulatorischen Verständnisses von (Aus-)Wirkungen der Arbeitsmerkmale (Auftrags-
Auseinandersetzung-Konzept; Abschnitt 2.1.2) gewonnen und erlauben eine Interpretation
einer Wirkrichtung von den gegebenen organisationalen Ausführungsbedingungen für einen
Arbeitsauftrag, über deren Wahrnehmung zu ihren Auswirkungen (vgl. causal flow; Spector,
1992).
In der vorliegenden Dissertationsschrift lagen jedoch Daten aus mehreren Quer-
schnittsuntersuchungen vor. Dadurch sind mögliche Kausalitätsannahmen abgeleitet aus den
Studienergebnissen eingeschränkt. Längsschnittstudiendesigns würden diese Limitation
überwinden (Duckworth, Tsukayama & May, 2010; Zapf, Dorman & Frese, 1996). Im Rah-
men der Datengewinnung der vorliegenden Dissertationsschrift muss jedoch darauf verwiesen
werden, dass die Stichprobe aus verschiedenen Kooperations- und Forschungsprojekten gene-
riert wurde. Diese Projekte verfolgten neben der Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen
zusätzlich die praxisorientierten Ziele kooperierenden Unternehmen im Anschluss des Projek-
tes fachliche und inhaltliche Unterstützung für die Gestaltung von Arbeit zu geben. Bedingt
durch die notwendige Zusammenarbeit mit diversen Entscheidungsträgern der einzelnen Un-
ternehmen ist ein streng experimentell hierarchisches Vorgehen eingeschränkt und oftmals
nicht umsetzbar. Ein Grund dafür sind beispielsweise parallel angebotene Gesundheitsange-
5. Allgemeine Diskussion
80
bote sowie betriebsinterne Veränderungsprozesse innerhalb der kooperierenden Unternehmen
(vgl. Richter, Nebel & Wolf, 2009). Im Rahmen praxisorientierter und anwendungsbezogener
Forschung im Feld ist es demnach erschwert experimentelle und/oder längsschnittliche For-
schungsdesigns zum Einsatz zu bringen.
Als vermeintliche Lösung dieser Probleme werden immer mehr psychologische For-
schungsprojekte durch die technischen Möglichkeiten online durchgeführt (Zerback, Schoen,
Jackob & Schlereth, 2009). Diese online-Stichproben werden jedoch hinsichtlich der Daten-
qualität selbst bei der Einhaltung aller grundlegenden psychologischen Kriterien in Fachzeit-
schriften divers diskutiert (Batinic, 2000; Maurer & Jandura, 2009). Ökonomische Längs-
schnittuntersuchungen, welche ausschließlich auf Online-Stichproben basieren, sind für die
Forschung von (Aus-)Wirkungen verschiedener Arbeitsmerkmale nicht zu empfehlen. In
Kombination mit objektiv bedingungsbezogenen Daten hingegen, wäre dieses Forschungsdes-
ign praktikabel. So ist es denkbar, dass in einer ersten Erhebungswelle mittels objektiv und
subjektiv bedingungsbezogener Methoden der Status quo vorherrschender Belastungen ein-
zelner Arbeitstätigkeiten erhoben wird (Entwurf des Forschungsdesigns in Abbildung 5). Zu-
sätzlich sollte getrennt von der Belastungs- eine Beanspruchungsanalyse durchgeführt werden
(vgl. temporal separation of measurement; Podsakoff et al., 2003). Studien zu langfristigen
Auswirkungen von Arbeitsbelastungen sind realisierbar, wenn die objektiven Arbeitsmerkma-
le konstant blieben. Zum anderen könnten somit Studien zur Veränderung von Arbeitsanfor-
derungen (bspw. durch zunehmende Digitalisierung) realisiert werden. Der Nutzen dieser
Forschungsdesigns würde sich nicht nur auf die Forschung beschränken, sondern wäre für
eine fortlaufende Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen relevant (Abschnitt 5.4.1).
5. Allgemeine Diskussion
81
Version: Arbeitsmerkmale verändert sich nicht
1. Erhebungswelle
Status quo
►
2. Erhebungswelle
Auswirkungen
►
n-te Erhebungswelle
status quo II / Auswirkungen
Belastungsanalyse
(subj. & obj.)
AV:
Auswirkungen konstanter Be-
lastungen im Sinne langfristiger
Beanspruchung
Methode:
Belastungs- & Beanspruchungs-
analyse subjektiv
- evtl. in Zwischenzeit Veränderung
der Arbeitsmerkmale
- Fortschreibung der Gefährdungs-
beurteilung psych. Belastungen
Beanspruchungsanalyse
(subj. & obj.)
Version: Veränderung der Arbeitsmerkmale (Bsp.: Veränderung durch Digitalisierung; Betriebliches Gesund-
heitsmanagement)
1. Erhebungswelle
status quo
►
Veränderung der
Arbeitsmerkmale
►
2. Erhebungswelle
status quo
►
n-te Erhebungswelle
stauts quo II /
Auswirkungen
Belastungsanalyse
(subj. & obj.)
- Umgesetzte Maß-
nahmen der
Arbeitsgestaltung
- Veränderung der
Aufträge durch
bspw. Digitalisie-
rung
Belastungsanalyse
(subj. & obj.)
objektive Analyse
grundlegend!
- evtl. in Zwischenzeit
Veränderung der Ar-
beitsmerkmale
- Fortschreibung der
Gefährdungsbeurtei-
lung psych. Belastun-
gen
Beanspruchungs-
analyse
(subj. & obj.)
Beanspruchungs-
analyse
(subj. & obj.)
Abbildung 5. Hypothetisches Studiendesign zur Untersuchung langfristiger Auswirkungen
von Arbeitsbelastungen
5.2.2 Überstunden
Die Differenz zwischen der vorgeschriebenen und der tatsächlichen Arbeitszeit im Sinne der
Überstunden, gilt als ein sehr wichtiger Einflussfaktor auf die Gesundheit der arbeitenden
Menschen. Allgemeinhin gilt, desto mehr Überstunden, desto beeinträchtigender für die Ge-
sundheit (vgl. Beckers et al., 2008; Hassler & Rau, 2016; Rau & Triemer, 2004; Wöhrmann et
al., 2016). Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass Überstunden objektiv messbare quan-
titative Kenngrößen sein sollten, um die objektive Arbeitsintensität einzuschätzen. In der vor-
liegenden Dissertationsschrift wurde davon abgesehen die Überstundenanzahl in die Aggrega-
tion der objektiven Arbeitsintensität aufzunehmen, da die Datengrundlage für eine differen-
zierende Operationalisierung nicht ausreichte. Im Zuge der zunehmenden Flexibilisierungs-
möglichkeiten der eigenen Arbeitszeit braucht es eine genaue Kategorisierung und Ursa-
chenklärung der Überstunden (Zapf, 2012, 2015).
In zukünftigen Studien sollten die betrieblichen Regelungen zum Umgang mit Über-
stunden in die Arbeitsanalyse einfließen, da diese wiederum relevant für die Beanspruchungs-
folgen sein könnten. Zapf (2012) unterscheidet zwischen definitiven Überstunden, welche
entweder bezahlt oder unbezahlt sind, und transitorischen Überstunden, welche in der Freizeit
5. Allgemeine Diskussion
82
ausgeglichen werden können. Darüber hinaus ist es im Sinne der Operationalisierung der Ar-
beitsintensität wichtig, die Qualität von der Quantität der Überstunden zu unterscheiden. Es
gilt zu erfassen, ob die arbeitende Person (a) Überstunden macht, da sie die Arbeit extensivie-
ren muss (Gründe dafür können sein: Einhaltung festgesetzter Fristen, Schwierigkeit des Auf-
trages, Fehlende Informationen, etc.) und (b) wie häufig sie Überstunden machen muss und
wie lang diese durchschnittlich im Monat sind. Im dargestellten Verständnis der Arbeitsinten-
sität als Zusammenspiel mehrerer Arbeitsmerkmale im Sinne eines Ausführungshindernisses
(Abschnitt 2.4.1; Anhang E), liegen die Gründe für Überstunden in einer Fehlbemessung der
Zeit (Bsp.: zu geringere verfügbare Zeit für das geforderte Arbeitsergebnis) oder der Fehlbe-
messung der Menge (Bsp.: zu wenig Personal, um Aufgaben abgeben bzw. aufteilen zu kön-
nen). Mit Hilfe einer differenzierteren Untersuchung auftretender Überstunden läge demnach
der Fokus auf gestaltbare Arbeitsmerkmale und nicht wie in einigen Erklärungen in der Per-
son (Bsp.: Arbeitssucht als Ursache für Überstunden; Poppelreuter, 2013). Sollten Ursachen
für Überstunden in der Tätigkeit liegen, sind diese in der zukünftigen Operationalisierung der
objektiven Arbeitsintensität zu beachten.
5.2.3 Soziale Unterstützung
In dieser Dissertationsschrift wurde trotz theoretischer Hinweise der Aspekt der sozialen Un-
terstützung nicht explizit als Einflussfaktor auf die Wechselbeziehung der Beeinflussbarkeit
und der Arbeitsintensität berücksichtigt. Karasek und Theorell (1990) haben in ihrer Weiter-
entwicklung des JDC-Modells diese Komponente im Job Demand-Control-Support Modell
bedacht. Sie gehen davon aus, dass das Vorhandensein sozialer Unterstützung im Sinne einer
Ressource Belastungen hoher Arbeitsintensität abfedern kann. Seit Veröffentlichung dieser
theoretischen Weiterentwicklung wurden dennoch häufig Studien zu den Haupteffekten und
dessen Wechselwirkung durchgeführt (Überblick in den Reviews von: Häusser et al., 2010;
van der Doef & Meas, 1999). Begründet wird dieses Vorgehen in der Regel durch eine unzu-
reichende Operationalisierung der sozialen Unterstützung (vgl. Rexroth, Sonntag & Michel,
2014). So auch in der vorliegenden Dissertationsschrift. In Studie 1 wurde die soziale Unter-
stützung lediglich durch die Arbeitsmerkmale unterstützendes Führungsverhalten und erlebte
Beteiligung implizit mit aufgenommen. Des Weiteren wurde in der Operationalisierung der
objektiven Arbeitsintensität durch die Hinzunahme der TBS-GA Skala B 1.3. Abgabe von
Teiltätigkeiten (Anhang G) die Arbeitsbedingung möglicher Kooperation berücksichtigt. Auf
Grund der Tatsache, dass Bedingungen für das Erleben sozialer Unterstützung selbst in die
5. Allgemeine Diskussion
83
Operationalisierung der Arbeitsintensität eingeflossen sind, konnte ein Puffereffekt nicht be-
rücksichtigt werden. Außerdem lieferten die vorliegenden Daten keine Information über die
Quantität sowie Qualität sozialer Unterstützung.
Auch an dieser Stelle ergibt sich die Notwendigkeit, soziale Unterstützung am Ar-
beitsplatz objektiv bedingungsbezogen zu betrachten. Zu aller erst sollte geprüft werden, ob
die Arbeitsbedingungen Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten für emotionale,
instrumentelle und/oder informationelle Unterstützung bieten. Gemäß der triple-match-
Hypothese (Cohen & Wills, 1985; de Jonge & Dormann, 2006) könnte geprüft werden, ob die
Art der gebotenen Unterstützung mit der durch den Arbeitsauftrag determinierten Anforde-
rung übereinstimmt (z. B.: Bei den emotionalen Arbeitsanforderungen eines/r Psychothera-
peutIn wäre eine instrumentelle und emotionale Unterstützung im Sinne regelmäßiger Super-
visionen sinnvoll.; vgl. Hacker, 2009). Im Anschluss daran ist der Selbstbericht über das in
Anspruch nehmen objektiv gegebener Möglichkeiten der Unterstützung wiederum eine Da-
tenquelle für das soziale Klima am Arbeitsplatz (z. B.: Möglichkeit zur Kooperation ist gege-
ben, doch aufgrund bestehender Konflikte zwischen der Führungskraft und dem/r Angestell-
ten wird diese nicht wahrgenommen; vgl. Kienle, Knoll & Renneberg, 2006; Ulich & Wülser,
2012). Mit Hilfe eines mehrdimensionalen Ansatzes könnte die Forschungsfrage des mögli-
chen Puffereffektes sozialer Unterstützung bei gegebener Arbeitsintensität untersucht werden.
5.2.4 Einfluss der Persönlichkeit
Hinsichtlich der Forschung zum Wirken von Arbeit werden von ForscherInnen verschiedener
Disziplinen Variablen der Persönlichkeit als entscheidende Einflussfaktoren aufgegriffen.
Beispielsweise wird in dem personenbezogenem Konstrukt job crafting darauf hingewiesen,
dass persönliche Einstellungen zum Beruf und Aspekte der Motivation des Individuums für
Leistung, Effizienz und die individualisierte gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit
verantwortlich sind (Rudolph et al., 2017; Tims & Bakker, 2010). Kurzum – Personen ent-
scheiden sich, ob sie ihre Arbeitsbedingungen in Anbetracht ihrer individuellen Leistungsvo-
raussetzungen und Einstellungen nutzen wollen. Dieser Ansatz wird zum Teil auch in der
Erforschung des Nutzens von Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit der Arbeit verfolgt. Zu-
sammengefasst deuten einige Studien darauf hin, dass Persönlichkeitseigenschaften wie Kon-
trollüberzeugung, berufliche Einstellungen, proaktives Verhalten, Feindseligkeit bis hin zu
genetischen Prädispositionen entscheidende Einflussgrößen in Bezug auf das Erleben von
Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten sind (vgl. Elovainio et al., 2000; Parker & Sprigg, 1999;
5. Allgemeine Diskussion
84
Parkes, 1994; Podsakoff et al., 2007; Theorell, de Manzano, Lennartsson, Pedersen & Ullen,
2016).
In der vorliegenden Dissertationsschrift und dem dargestellten Forschungsansatz wer-
den jedoch die Arbeit und dessen Arbeitsmerkmale als entscheidend für die Wirkung auf den
Menschen betrachtet (Frese & Zapf, 1994; Hacker, 2003; Abschnitt 2.1). Die arbeitenden Per-
sonen können innerhalb bestehender Arbeitsbedingungen durch ein aktives Handeln und Aus-
einandersetzen mit den Inhalten der Arbeitstätigkeit habituelle Copingstrategien erlernen und
in diesem Sinne ihre Persönlichkeit weiterentwickeln (Auftrags-Auseinandersetzung-
Konzept; Abschnitt 2.1.2). An dieser Stelle besteht das berühmte Ursache-Wirkungs-Problem:
Ist nun die Persönlichkeit entscheidend für das Erleben eines Arbeitsmerkmals, oder ist es die
Umwelt im Sinne der vorliegenden Arbeitsbedingungen? Die Antwort auf diese Frage er-
scheint schlicht – Es scheint beides zu gelten. Ein Erklärungsansatz liegt hierbei in der re-
ciprocal causality (von Eye et al., 1998). Die Arbeitsmerkmale wirken im Sinne einer Belas-
tung auf den Menschen ein und gleichzeitig wirken und verwirklichen sich Personen durch
ihre Eigenschaften in diesen Arbeitsmerkmalen und nehmen diese bewusst wahr (vgl. psychi-
sche Regulation von Tätigkeiten, Abschnitt 2.1.2). Dieses Wirkprinzip könnte einen Lösungs-
ansatz dieser Limitation in zukünftigen Studien bieten.
Mit Hilfe eines längsschnittlichen Forschungsdesigns und der Berücksichtigung objek-
tiver als auch subjektiver Verfahren (Abschnitt 5.2.1) könnte dieser Problematik begegnet
werden. In einer ersten Erhebungswelle werden objektive Arbeitsmerkmale und -bedingungen
sowie Variablen der Persönlichkeit erhoben. Sollten sich die objektiven Arbeitsmerkmale bis
zum zweiten Messzeitpunkt nicht verändert haben, könnte statistisch geprüft werden, ob diese
Arbeitsmerkmale eine Auswirkung auf Persönlichkeitsvariablen haben. In Bezug auf die Be-
einflussbarkeit der eigenen Arbeit scheint sich dafür die Kontrollüberzeugung zu eigenen. Es
könnte sein, dass die Beeinflussbarkeit Lernen in der Arbeitstätigkeit ermöglicht und somit
auch Kontrolle über eine Tätigkeit erwachsen lassen könnte (vgl. Rodríguez, Bravo, Peiró &
Schaufeli, 2001). Zusammenfassend sollte in der arbeits- und organisationspsychologischen
Forschung gelten: So wie bei ausschließlich bedingungsbezogenen Arbeitsanalysen in der
Regel gefordert wird, Variablen der Persönlichkeit zu beachten. Sollte für ausschließlich per-
sönlichkeitszentrierte Forschungen zur Arbeit gefordert werden, objektive Arbeitsbedingun-
gen in ein Verhältnis zu setzen.
5. Allgemeine Diskussion
85
5.2.5 Generalisierbarkeit
Die vorliegende Dissertationsschrift beansprucht für sich keine Vollständigkeit hinsichtlich
der Betrachtung aller möglichen Alternativerklärungen. In den Studien (Abschnitte 4.2 und
4.3) und in den vorangegangen Abschnitten 5.2.1 bis 5.2.4 wurden Einschränkungen aufge-
führt, welche die Interpretation der Ergebnisse kritisch reflektieren. Letztendlich wurde durch
die Studien ein Ausschnitt einer Wechselbeziehung zweier Arbeitsmerkmale dargestellt. Es
gilt zu beachten, dass somit nicht die Komplexität aller möglichen Wechselwirkungen ver-
schiedener Arbeitsmerkmale beinhaltet ist (Bsp.: Einflüsse durch kollegiale Unterstützung,
Führungsverhalten, Kunden-/Klientenkontakt etc.). Dieses nicht in Betracht ziehen weiterer
Arbeitsmerkmale könnte Ursachen und Erklärungen für den geringen Anteil der aufgeklärten
Varianz der erlebten Beeinflussbarkeit darstellen. Mögliche Einschränkungen durch die Mess-
instrumente bzw. die Operationalisierung können jedoch erst durch den verfolgten Ansatz
diskutiert werden.
5.3 Implikationen für zukünftige Forschung
5.3.1 Operationalisierung von Arbeitsmerkmalen
Eines der Forschungsziele der vorliegenden Dissertationsschrift bestand darin die methodi-
schen Herausforderungen in Hinblick auf die Operationalisierung der Beeinflussbarkeit und
der Arbeitsintensität zu meistern (vgl. Abschnitt 2.5). Aus theoretischer Sicht ist dafür ein
personenunabhängiger mehrdimensionaler Ansatz wichtig (vgl. Nachreiner, 2002, 2008; Rau,
2010). Diese theoretische Annahme wird durch die empirischen Ergebnisse dieser Dissertati-
on gestützt.
Es ist für das Verständnis um die (Aus-)Wirkungen der Arbeitsmerkmale Beeinfluss-
barkeit und Arbeitsintensität empfehlenswert, (a) sie objektiv bedingungsbezogen zu analysie-
ren, (b) sie zusätzlich subjektiv bedingungsbezogen zu analysieren und schließlich (c) das
Erleben mit den objektiv vorliegenden Arbeitsmerkmalen in Beziehung zu setzen. Dabei ist
zu beachten, dass wie bereits Schuller et al. (2012) und Waldenström et al. (2008) vermuteten,
objektive Arbeitsmerkmale auf den Menschen unabhängig von dessen Wahrnehmung wirken
und ein Vergleich objektiv vorliegender und tatsächlich erlebter Arbeitsmerkmale und -
bedingungen entscheidend ist. Daten aus dem Selbstbericht sollten in zukünftigen Arbeiten
eine objektiv bedingungsbezogene Analyse ergänzen. Mit Hilfe empirisch nachgewiesener
Interaktionen mehrerer Arbeitsmerkmale miteinander, kann die psychologische Arbeitsgestal-
5. Allgemeine Diskussion
86
tung die Komplexität der Gesamtarbeitstätigkeit berücksichtigen. Die (inter-)national geltende
Norm DIN EN ISO 6385 (2004, 2016) bietet in diesem Zusammenhang ein in das Belastungs-
Beanspruchungs-Konzept integrierbares Rahmenmodell des Zusammenwirkungen mehrerer
Arbeitsmerkmale auf die Person. Entgegen der bestehenden Kritikpunkte der Praxistauglich-
keit dieser Norm (vgl. Auseinandersetzung mit DIN EN ISO 10075-3; Oesterreich, 2005)
beinhaltet sie ein Rahmenmodell relevanter Arbeitsmerkmale für die Gefährdungsbeurteilung
psychischer Belastungen. In Anbetracht der vorliegenden Ergebnisse ist es folglich ratsam
mehrere einzelne Arbeitsmerkmale in ein Wechselgefüge zu integrieren.
5.3.2 Integration der Beeinflussbarkeit in arbeits- und organisationspsychologi-
sche Modelle
Das in dieser Dissertationsschrift etablierte Konstrukt der Beeinflussbarkeit ist in die Definiti-
on des Tätigkeitsspielraum nach Hacker (Abschnitt 2.2.1.1) integrierbar, jedoch wird das
Vorhandensein zeitlicher Freiheitsgrade als entscheidender Einflussfaktor im Sinne eines
Ausführungshindernisses verstanden und ist nicht Bestandteil der Beeinflussbarkeit. Vielmehr
stellen die zeitlichen Freiheitsgrade eine Bedingung bzw. Voraussetzung für den Nutzen von
Beeinflussbarkeit dar (Abschnitt 5.1.2). Des Weiteren ist die Beeinflussbarkeit dem Hand-
lungsspielraum nach Ulich (2011; Abschnitt 2.2.1.3) und dem Handlungs-
/Methodenspielraum von Frese (1989, Abschnitt 2.2.1.3) inhaltlich nahe. Das Konstrukt der
Beeinflussbarkeit umfasst durch die Kombination einzelner Arbeitsmerkmale unmittelbare
Möglichkeiten auf die eigene Arbeitstätigkeit Einfluss zu nehmen und schließt die vermitteln-
de Rolle einer langfristigen Wirkung ein (z. B.: Veränderung der Motivdisposition).
Das Konstrukt der Autonomie nach Hackman und Oldham (1976) ist dem der Beein-
flussbarkeit insofern nahe, als dass sie unter der Autonomie das Ausmaß von Entscheidungs-
möglichkeiten über die Art und Weise der Tätigkeitsausführung verstehen. Sie beziehen sich
in ihrer Definition jedoch auf das Motivationspotential einer Arbeitstätigkeit durch gegebene
Autonomie im Sinne des Gefühls von Freiheit und Unabhängigkeit (vgl. Anhang C). Die Be-
einflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit ist hingegen durch einen Arbeitsauftrag determi-
niert und kann wiederum von anderen Arbeitsmerkmalen sowohl positiv (Studie 1; Abschnitt
4.2.5.1) als auch negativ (Studie 2; Abschnitt 4.3.5) beeinflusst werden. Die Autoren sehen
die Autonomie als eigenständigen Faktor ihrer Formel des Motivationspotentials, was dessen
Wichtigkeit unterstreicht. In der zukünftigen Forschung gilt es zu prüfen, ob die bedingungs-
bezogene Beeinflussbarkeit zum globalen Gefühl der Autonomie nach Hackman und Oldham
5. Allgemeine Diskussion
87
(1976) beitragen kann und als Voraussetzung für das Erleben der weiteren Faktoren (Anforde-
rungsvielfalt, Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit) dient.
Im motivationalen Vitaminmodell geht Warr (1987, 1990, 2011) von der wahrge-
nommenen Möglichkeit der persönlichen Kontrolle als eines von mehreren für das allgemeine
Wohlbefinden wichtigen Arbeitsmerkmalen aus. Dessen Auffassung bezieht sich jedoch aus-
schließlich auf wahrgenommene Arbeitsmerkmale. Unter Berücksichtigung der vorliegenden
Ergebnisse muss der von Warr postulierte u-förmige Verlauf der Beeinflussbarkeit in Bezug
auf positive Beanspruchungsfolgen diskutiert werden. Das Arbeitsmerkmal Beeinflussbarkeit
umfasst nämlich zusätzlich zu den erlebten Möglichkeiten die in der Arbeitstätigkeit tatsäch-
lich vorliegenden. Vermittelt durch das Arbeitshandeln wirkt dieses Arbeitsmerkmal durch
die psychische Regulation (Hacker, 2017; Hacker & Sachse, 2014) und bestimmt auf diese
Weise die motivationale (Bsp.: Das ob gehandelt wird und wenn ja, mit welcher Anstrengung)
und die operationale Ausführungsregulation (Bsp.: Auf welche Weise wird gehandelt und
welche (Arbeits-)Bedingungen liegen vor um das Ziel einer Tätigkeit zu erreichen). Ein um-
gekehrt u-förmiger Verlauf wäre isoliert betrachtet für die Beeinflussbarkeit nicht zu erwar-
ten. Durch Gestaltung des Auftrages wäre es theoretisch möglich die vorliegenden Beein-
flussbarkeitsmöglichkeiten stetig zu erweitern, bis hin, dass sich Personen selbstständig Ziele
setzen und somit ihren Arbeitsauftrag selbst gestalten. Anhand der Ergebnisse dieser Disserta-
tionsschrift ist jedoch möglich, dass bei Arbeitstätigkeiten mit einer hohen vorliegenden Be-
einflussbarkeit negative Beanspruchungsfolgen auftreten können. Wenn beispielsweise das
Erleben der Beeinflussbarkeit durch die Arbeitsintensität beeinträchtigt wird und so potentiell
positive Folgen dieses Erlebens gehemmt werden (Studie 2; Abschnitt 4.3 & 5.1.2).
Eine weitere Definition des Tätigkeitsspielraums in der Arbeit war die gefühlte Kon-
trolle nach Ganster (1989; Abschnitt 2.2.1.3). In Anbetracht der Ergebnisse zu der Beein-
flussbarkeit und der Anforderungsvielfalt ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die ausschließ-
liche Betrachtung der erlebten Arbeits- und Umgebungsbedingungen diesen Arbeitsmerkma-
len nicht gerecht wird. Eine differenzierte Operationalisierung mit der Berücksichtigung per-
sonen- und bedingungsbezogener subjektiv erlebter bzw. objektiv gegebener Arbeitsmerkma-
le ist wichtig für die Vorhersage des emotionalen Aspektes der Kontrolle nach Seligman
(1975) und nicht wie Ganster (1989) postulierte, das Erleben allein.
5. Allgemeine Diskussion
88
5.3.3 Wechselbeziehung der Beeinflussbarkeit und der Arbeitsintensität
Bereits 1979 hat Karasek in seinem Job Demand-Control Modell eine Wechselbeziehung zwi-
schen der Beeinflussbarkeit und der Arbeitsintensität postuliert, jedoch wurden an diesem
Modell in den vergangenen Jahrzehnten Zweifel laut (Abschnitt 4.2). Unter Berücksichtigung
der geforderten mehrdimensionaler Untersuchungsansatz, ist eine Wechselwirkung bestätigt
worden – jedoch nicht in Karaseks Sinne.
Entgegen der allgemeinen Lehrmeinung deuten die Ergebnisse der vorliegenden Dis-
sertationsschrift darauf, dass ein hohes Maß an Beeinflussbarkeit die Arbeitsintensität wahr-
scheinlich nicht abfedern kann. Hingegen kann das Vorliegen hoher Arbeitsintensität im Sin-
ne beeinträchtigender Ausführungsbedingungen das Erleben von Beeinflussbarkeit reduzie-
ren. Die Beeinflussbarkeit bezieht sich auf die Möglichkeit die eigenen Arbeitstätigkeiten
selbstständig zu planen und stellt eine qualitative Anforderung dar. Damit gilt, dass für diese
qualitative Anforderung die quantitative entsprechend angepasst sein muss – um selbstständig
planen zu können (im Sinn der Beeinflussbarkeit), bedarf es verfügbarer Zeit (im Sinne der
Ausführungsbedingung). Diese Unterscheidung ist hingegen nur mit einer objektiven Arbeits-
analyse möglich und unterstreicht die Bedeutsamkeit des verwendeten methodischen Ansat-
zes. Karaseks Rahmenmodell zählt jedoch zu einem wichtigen arbeitspsychologischen Mo-
dell, welches schon früh die Interaktion von Arbeitsmerkmalen bedacht hat.
5.3.4 Kurvilineare Beziehungen der Beeinflussbarkeit im Verhältnis zu Bean-
spruchungsfolgen
Einige ForscherInnen postulieren, dass die Beziehungen zwischen verschiedenen Arbeits-
merkmalen und der psychosozialen Gesundheit nicht linear, sondern kurvilinear verlaufen.
Warr (1987, 1990, 2011) zum Beispiel nahm an, dass steigende Möglichkeiten der Kontrolle
mit einem Ansteigen von Kontrollanforderungen einhergehen. Somit besteht die Gefahr eines
Überforderungserlebens, welches sich negativ auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken
kann. Diese Annahme muss vor dem Hintergrund der gewonnenen Ergebnisse kritisch reflek-
tiert werden. Entscheidend für diese Diskussion ist die Definition und Operationalisierung des
allgemeinen Konstruktes Tätigkeitsspielraums in der Arbeit.
Durch die Etablierung des Konstrukts der Beeinflussbarkeit als objektiv und subjektiv
messbares Arbeitsmerkmal konnte verdeutlicht werden, dass ein Selbstbericht über Arbeits-
merkmale (so wie sie Warr ausschließlich verwendet) durch andere objektiv vorliegende Ar-
5. Allgemeine Diskussion
89
beitsmerkmale beeinflusst wird. Eine isolierte Aussage über einen kurvilinearen Verlauf der
Beziehung der Beeinflussbarkeit und dem allgemeinem Wohlbefinden sollte demnach immer
in einem mehrdimensionalen Ansatz betrachtet werden. Es bedarf einer objektiven Arbeits-
analyse um weitere Einflussfaktoren auf das Erleben der arbeitenden Person in Beziehung
setzen zu können (vgl. Abschnitt 5.3.1). Im Gegensatz zu Warr´s Annahmen könnte eine
Überforderung (im Sinne der overload problems; Warr, 2011) nicht durch zu hohe Kontroll-
möglichkeiten im Sinne einer Anforderung (Arbeitsinhalt), sondern in Kombination mit nicht
dazu passenden Ausführungsbedingungen entstehen (Bsp.: verfügbare Zeit ist nicht an Auf-
trag angepasst; detaillierter beschrieben in Abschnitt 5.4).
Es gilt in zukünftigen Forschungsarbeiten zu überprüfen, ob potentiell gut gestaltete
Arbeitsmerkmale „in einer auf Selbstausbeutung setzenden Unternehmensphilosophie“ (Ha-
cker & Sachse, 2014; S. 30) missbraucht werden können bzw. müssen, um Arbeitsaufträge
fristgerecht zu erfüllen. Sollten beispielsweise die Möglichkeiten einer gegebenen Beeinfluss-
barkeit dazu genutzt werden, die eigene Arbeitstätigkeit zu extensivieren (z. B.: Überstunden;
Wochenendarbeit), wäre eine Fehlbeanspruchung im Sinne einer beeinträchtigten Erholung
möglich (vgl. Kratzer, 2012). Diese Problematik erfordert eine objektiv bedingungsbezogene
Arbeitsanalyse, welche Merkmale der Organisationskultur (z. B.: Leistungsdruck; Betriebs-
klima) einschließen sollte. Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung und der damit ver-
bundenen Möglichkeit Arbeitstätigkeiten auch von Zuhause zu erledigen oder flexibler einzu-
teilen, sollten in Bezug gesetzt werden zu den Arbeitsmerkmalen Beeinflussbarkeit und Ar-
beitsintensität (Hacker, 2016; Mazmanian, Orlikowski & Yates, 2013; vgl. Phänomen der
Erreichbarkeit als Arbeitsbelastung: Hassler & Rau, 2016). Unter Einbezug des Selbstberich-
tes der arbeitenden Personen könnten weitere Ursachen analysiert werden, welche dazu bei-
tragen, dass Personen sich verausgaben müssen (Bsp.: Phänomen der Überstunden in Ab-
schnitt 5.2.2). Unter Berücksichtigung des beschriebenen mehrdimensionalen Ansatzes, wä-
ren Fragestellungen hinsichtlich multikausaler Ursachenforschung verschiedener Arbeits-
merkmale möglich und würden den geforderten Bedarf praktizierender Arbeitswissenschaftle-
rInnen entsprechen (vgl. Rothe et al., 2017).
5. Allgemeine Diskussion
90
5.3.5 Entscheidungsmöglichkeit oder -erfordernis
Innerhalb der Forschung zum Tätigkeitsspielraum wird diskutiert, ob Erweiterungen von
Möglichkeiten der Einflussnahme in der eigenen Arbeitstätigkeit auch negative Folgen für die
arbeitende Person haben können. Hierbei werden oft Entscheidungen im Sinne einer Anforde-
rung an die Person thematisiert (Bsp.: Personen müssen laut Auftrag Entscheidungen treffen;
vgl. Kubicek et al. 2015; Abschnitt 2.2.1.4). Die Definition und Konzeption der Beeinfluss-
barkeit hingegen, bezieht sich nicht auf diese Entscheidungserfordernisse. Sie beinhaltet ge-
staltbare Arbeitsmerkmale, die Einflussmöglichkeiten der eigenen Arbeitsweise bedingen. An
dieser Stelle wäre es in zukünftigen Forschungsarbeiten hilfreich das Optionsstress-Konzept
von Holger Pfaff (2013) zu integrieren.
Pfaff (2013) geht davon aus, dass durch bestehende Entscheidungsmöglichkeiten (in
seinem Sinne Optionsräume) Entscheidungsnotwendigkeiten erwachsen können (in seinem
Sinne Optionslast), welche bei einer nicht Bewältigung der Person oder schlecht gestalteter
Ausführungsbedingungen zu einer Beanspruchung werden können (in seinem Sinne Options-
stress). Arbeitstätigkeiten mit Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit verfügen nach Pfaff über
eine größere Optionsvielfalt. Diese Optionsvielfalt wiederum könnte zu Entscheidungsdruck
und/oder -erfordernis führen und somit zu Überforderung, was seinerseits die Wahrnehmung
der Beeinflussbarkeit reduzieren könnte. Es gilt zu prüfen, ob bei gegebener objektiver Beein-
flussbarkeit durch selbstinitiiertes auftragsgerechtes Handeln Entscheidungserfordernisse als
Anforderung folgen können. Anschließend könnte untersucht werden, ob bei gegebener Be-
einflussbarkeit und gefordertem Entscheidungserfordernis auch die objektiven Ausführungs-
bedingungen dafür gegeben sind (Bsp.: Liegt ausreichend Zeit für ein Kalkül der Folgen vor;
vgl. Studie 2). Auf diese Weise könnte differenziert geklärt werden, ob Entscheidungserfor-
dernisse per se eine Belastung mit potentiell folgender Fehlbeanspruchung darstellen, oder ob
diese Fehlbeanspruchung nur bei einem Missverhältnis der Ausführungsbedingungen auftre-
ten. Zum Beispiel könnte die Ursache für eine Überforderung nicht die Entscheidung samt
ihrer inhaltlichen Freiheitsgrade sein, sondern eine Folge fehlender abrufbarer Informationen
zum Treffen der Entscheidung (vgl. Hacker, 2009).
5. Allgemeine Diskussion
91
5.3.6 Vollständigkeit und Komplexität
Im Rahmen der vorliegenden Dissertationsschrift konnte eine Wechselwirkung der Arbeits-
merkmale Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität berichtet werden. Gleichzeitig gibt es theo-
retische Hinweise weitere Arbeitsmerkmale und dessen empirische Zusammenhänge zu der
Beeinflussbarkeit zu untersuchen (Abschnitt 2.3). Aufgrund der aktuellen Herausforderungen
der Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung wird an dieser Stelle auf die
Vollständigkeit eingegangen und auf die damit einhergehende Komplexität von Arbeitstätig-
keiten.
Vollständigkeit. Im Anhang D sind eigene unveröffentlichte Ergebnisse dargestellt, die
darauf hinweisen, dass zwischen der sequentiellen und hierarchischen Vollständigkeit ein
linearer positiver Zusammenhang zur gegeben und erlebten Beeinflussbarkeit besteht. Dieses
Ergebnis war erwartungskonform. Doch durch die zunehmende Trennung von Kopf- und
Handarbeit könnte sich der Anteil der Arbeitstätigkeiten reduzieren, welcher algorithmische
Prozeduren (im Sinne von WENN-DANN-Festlegungen) beinhaltet. Somit besteht die Ge-
fahr, dass zum einen Arbeitstätigkeiten mit anspruchsvollen kognitiven Anforderungen (im
Sinne des schöpferischen Denkens) und zum anderen reaktive kognitiv anspruchsärmere Ar-
beitstätigkeiten verbleiben (vgl. Institut DGB-Index Gute Arbeit, 2016). In Anbetracht dieser
Möglichkeit stellen sich zwei Forschungsfragen: (a) wie ist es möglich kognitiv anspruchsär-
mere Tätigkeiten anzureichern und (b) welche Ausführungsbedingungen müssen für kognitiv
anspruchsvolle Tätigkeiten geschaffen sein. In zukünftigen Studien sollten objektive und sub-
jektive Verfahren zum Einsatz kommen, welche Aufschluss über die Beeinflussbarkeitsmög-
lichkeiten aufdecken können. In einer gegebenen Möglichkeit der Beeinflussbarkeit wird auch
für einfachere Tätigkeiten das Potential der Persönlichkeits- und Lernförderlichkeit gesehen.
Diese Überlegungen sind wiederum relevant für die Thematik der Auftragskomplexität.
Komplexität. Ein komplexer Arbeitsauftrag bietet im Idealfall die Möglichkeit anfor-
derungsverschiedene Tätigkeiten zu kombinieren und somit sequentielle und hierarchische
Vollständigkeit integrieren zu können. Komplexe Arbeitstätigkeiten bieten durch ein Erleben
der Beeinflussbarkeit Lern- und Motivationsangebot. Die vorliegenden Ergebnisse verdeutli-
chen, dass die erlebte Qualifikationsausnutzung und berufliche Anforderungsvielfalt von den
Leistungsvoraussetzungen der Person abhängen. Aufgrund dessen ist in zukünftigen For-
schungsarbeiten zu prüfen, ob eine reine horizontale Anreicherung der Arbeitstätigkeit (Bsp.:
job rotation) bereits einen Zuwachs der erlebten Anforderungsvielfalt ermöglicht und eine
5. Allgemeine Diskussion
92
vertikale Anreicherung (Bsp.: job enrichment) dem Konzept der Komplexität entsprechend
Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit mit sich bringen. Innerhalb dieser Fragestellungen ist
darauf zu achten, die Komplexität nicht mit der Kompliziertheit gleichzusetzen. Die Komple-
xität ergibt sich aus der Gestaltung des Arbeitsauftrages. Die Kompliziertheit könnte hingegen
bedingt durch beeinträchtigende Ausführungsbedingungen oder zu geringe Leistungsvoraus-
setzungen entstehen. Demnach könnte ein Auftrag beispielsweise komplizierter sein, wenn (a)
nicht die geforderten Leistungsvoraussetzungen vorliegen bzw. die Aufträge nicht partizipativ
an die Leistungsvoraussetzungen angepasst wurden, (b) nicht die notwendigen Informationen
bereitstehen und (c) Aufträge nicht widerspruchsfrei sind.
5.3.7 Motivierende Arbeitstätigkeiten
Die Auffassung eines in der Arbeitstätigkeit aktiv handelnden Menschen (Abschnitt 2.1.2),
welcher sich im Sinne der psychischen Regulation in der Arbeit orientieren und so sein Han-
deln selbst veranlassen kann, bietet im Rahmen der Motivation von Menschen eine wichtige
Rolle. Die zukünftige Arbeitswelt ist durch eine Zunahme an Komplexität geprägt und wird in
der derzeitigen Forschung überwiegend in Bezug zum Stresserleben im Sinne einer qualitati-
ven An- bzw. Überforderung gesetzt. Dabei beinhaltet die Arbeitstätigkeit in sich gesund-
heitsförderliche als auch motivationale Potentiale (vgl. Metz & Rothe, 2017; Schallberger &
Pfister, 2001; Rau & Riedel, 2004).
In Hinblick auf zukünftige Forschungsanliegen sollten unter Verwendung objektiver
und subjektiver Verfahren Merkmale der Person als auch der Arbeitstätigkeit in Bezug gesetzt
werden. Für eine humane dynamische Arbeitsgestaltung (Abschnitt 5.4.2) ist Wissen darüber
erforderlich, welche Arbeitsmerkmale zur Motivation einer Person beitragen können, aber
auch, wie Personen darin unterstützt werden können bestehende Arbeitsmerkmale für ihre
eigene Arbeit zu nutzen. Wenn beispielsweise analysiert wurde, dass eine Person die Mög-
lichkeiten der Beeinflussbarkeit nicht nutzt und sich auf routinemäßige Verrichtungen be-
schränkt (vgl. Frese & Stewart, 1984), kann das zum einen an einer vorherrschenden Arbeits-
intensität liegen (Studie 2 in Abschnitt 4.3) oder Ausdruck fehlender Leistungsvoraussetzung
sein. Dieses Wissen wiederum wäre für praktizierende Personalverantwortliche relevant.
Im Sinne des Flow-Erlebens wird zum Beispiel eine tätigkeitsbezogene Freude als ein
Zustand hoher zielbezogener Konzentration, hoher intrinsischer Motivation und ein hohes
Maß an Selbst- und Zeitvergessenheit definiert (Csikszentmihalyi, 1975, 2014; Temme &
5. Allgemeine Diskussion
93
Tränkle, 1996). Dieser Zustand kann erlangt werden, wenn Personen Aufträge gerade noch
bewältigen können (Csikszentmihalyi, 1975, 2014). Csikszentmihalyi (2014) selbst beschreibt
für diesen Zustand notwendige Bedingungen der Tätigkeit: Hohes Maß an Kontrolle und Be-
einflussbarkeit der Arbeitstätigkeit, erreichbare und realistische Ziele, Rückmeldungen über
den Tätigkeitsverlauf, Sinnhaftigkeit des Auftrages und das Gefühl Herausforderungen durch
die eigenen Fertig- und Fähigkeiten bewältigen zu können. Diese Bedingungen können der
Person zugänglich gemacht werden, wenn Arbeitstätigkeiten Möglichkeiten der Beeinfluss-
barkeit bieten und die Ausführungsbedingungen ein Erleben und Nutzen dieser begünstigen
(vgl. Csikszentmihalyi, 1999; Rheinberg, Manig, Kliegl, Engeser & Vollmeyer, 2007). In
zukünftigen Forschungsarbeiten könnte geprüft werden, ob die gegebene Beeinflussbarkeit
eine Voraussetzung für das Erleben eines Flow-Zustandes ist und inwieweit die gegebene
Arbeitsintensität diesen Zusammenhang moderieren kann. Arbeitstätigkeiten die im Auftrag
fordern, dass Personen in einem kreativ schöpferischen Prozess arbeiten sollen, würden in der
derzeitigen Entwicklung zunehmender Arbeitsintensität wie in der Dissertation nachgewiesen,
weniger Beeinflussbarkeit erleben können und dadurch bedingt eventuell auch nicht in einen
Flow-Zustand gelangen können. Bei vorherrschenden Zeit- und Leistungsdruck wären diese
salutogenen Potentiale nicht ausschöpfbar (vgl. Dunkel & Kratzer, 2016).
Des Weiteren wäre durch einen mehrdimensionalen längsschnittlichen Forschungsan-
satz (Abschnitt 5.2.1) die Möglichkeit gegeben, zu prüfen, ob komplexe Arbeitsaufträge mit
einer erlebten Kompliziertheit bzw. Schwierigkeit einhergehen. Eine Aussage über potentiell
positive Auswirkungen komplexer Arbeitstätigkeiten wäre im Längsschnitt messbar, da be-
achtet werden sollte, dass diese Komplexität meist mit Beeinflussbarkeit und somit auch mit
der Möglichkeit eines Flow-Zustandes einhergeht. Bei gegebener und erlebter Beeinflussbar-
keit sollte ein Lernen in der Arbeitstätigkeit möglich sein, wenn nicht sogar unweigerlich
vonstattengehen (Bsp.: Lernen durch Anforderungen der Tätigkeit; Rau, 2004a). Damit hätte
die Arbeitstätigkeit eine positive Auswirkung auf die Person im Sinne der Kompetenz(weiter-
)entwicklung. Dies muss jedoch nicht mit einer positiven Stimmung einhergehen (Bsp.: Ar-
beitszufriedenheit & Freude; Csikszentmihalyi, 1999). In einer Querschnittsuntersuchung
könnten Daten aus dem Selbstbericht fälschlicherweise im Sinne der Überforderung interpre-
tiert werden (vgl. Warr, 2011), obwohl in einer zu analysierenden Zeitverzögerungen diese
Lernerfordernisse zu neuen habituellen Copingstrategien führen könnten (im Sinne eines zeit-
versetzten Lerneffekte). Somit bestünde die Möglichkeit mittel- bis langfristig durch das Er-
leben und Nutzen der Beeinflussbarkeit neue Motive zu entwickeln und sich so neuen berufli-
5. Allgemeine Diskussion
94
chen Herausforderungen stellen zu können. Eine Aussage über die Wirkung lernförderlicher
Arbeitsmerkmale wäre auf diese Weise methodisch überprüfbar.
5.3.8 Replikation
Die aufgeführten Limitationen (Abschnitt 5.2) und die vorrangegangenen Implikationen für
die Forschung (Abschnitt 5.3.1-5.3.7) bieten zu beachtende theoretische als auch methodische
Ansätze für die weitere Forschung zur Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitstätigkeit im Spe-
ziellen, als auch in Bezug auf die Interaktion verschiedener Arbeitsmerkmale im Allgemei-
nen. Der Goldstandard einer jeden empirischen Wissenschaft ist die Replikation der eigenen
Forschungsergebnisse (Erdfelder & Ulrich, 2018; Witte & Zenker, 2017). Hierbei sollten
längsschnittliche Forschungsdesigns und ein mehrdimensionaler Ansatz berücksichtigt wer-
den.
Insbesondere für das Arbeitsmerkmal Arbeitsintensität stellt sich der Forschungsauf-
trag ein subjektiv bedingungsbezogenes Maß zu konzipieren, welches möglichst ohne Affekt-
bezug die mit Arbeitsintensität assoziierten Arbeitsbedingungen erfasst. Eine Replikation
bzw. Erweiterung der in dieser Dissertationsschrift gezeigten moderierenden Rolle der Ar-
beitsintensität auf das Erleben von Beeinflussbarkeit könnte durch dieses subjektive Maß der
Arbeitsintensität vervollständigt werden. Im Rahmen der Arbeitsgestaltung wären Daten des
Selbstberichtes im Vergleich zu objektiven Arbeitsmerkmalen dann relevant, wenn diese Be-
fragungen Arbeitsbedingungen anstatt Bewertung der Arbeitsweise aufdecken würden. Zum
Beispiel: (a) bedingungsbezogene Fragen nach Auslösern von Arbeitsintensität (Meine mir
zur Verfügung gestellte Zeit reicht nicht aus, um die Qualität des Arbeitsergebnisses zu ge-
währleisten) anstatt (b) affektbezogene Bewertungen von Arbeitsbedingungen (Ich stehe häu-
fig unter Zeitdruck). Eine affektbezogene Bewertung könnte als Maß der Beanspruchung gel-
ten.
5. Allgemeine Diskussion
95
5.4 Implikationen für die psychologische Gestaltung von Arbeit
Ziel der vorliegenden Dissertationsschrift war neben der Klärung einer wissenschaftlichen
Fragestellung, Wissen über gestaltbare und von dem Menschen wahrnehmbare Arbeitsmerk-
male zu generieren. Dieses Wissen ist für eine belastungsreduzierende Arbeitsgestaltung er-
forderlich und für die praktische Umsetzung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen relevant.
5.4.1 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept für Gefährdungsbeurteilungen psy-
chischer Belastungen
Für die Ableitung von Empfehlungen für die psychologische Arbeitsgestaltung (Abschnitt
5.4.2) ist eine kritische Reflexion des zugrundeliegenden Belastungs-Beanspruchungs-
Konzeptes wichtig. Dieses Konzept bietet die Möglichkeit zu differenzieren, welche Arbeits-
bedingungen per se wertneutral von außen auf die Person zukommen. Zugleich existiert Kritik
an diesem Konzept. Unteranderem wird diesem Konzept vorgeworfen die Ganzheitlichkeit
des Menschen als ein lebensgeschichtlich geprägtes Individuum zu verkennen (Luczak &
Rohmert, 1997). Des Weiteren sei es kein medizinisches Konstrukt obwohl es Krankheiten
vorhersagen will und dabei in der Forschungspraxis die Gesamtbelastung durch die Analyse
von Teilbelastungen nicht berücksichtigt (Bsp.: Studien zum Wirken einzelner Arbeitsmerk-
male; vgl. Müller, 1985). Diese Kritikpunkte verschärfen sich durch die teilweise falsche um-
gangssprachliche Deutung psychischer Belastungen als, nicht wie definiert wertneutral, son-
dern im Sinne einer negativen Konnotation (Nachreiner, 2012; Oesterreich, 2001). Das sen-
sible Thema der Psyche am Arbeitsplatz ist in der betrieblichen Praxis im Rahmen der Ge-
fährdungsbeurteilung psychischer Belastungen von großer Bedeutung. Oftmals werden durch
reine Mitarbeiterbefragungen nicht Arbeitsmerkmale im Sinne einer Belastung bewertet, son-
dern von der Person emotional gewichtete redefinierte Aufgabenmerkmale (Abschnitt 2.5).
Um dieser sensiblen Thematik zu begegnen ist das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept hin-
gegen ideal geeignet, da es in (inter-)national geltende Normen aufgenommen wurde. Für
Betriebe als auch für Angestellte bietet dieses Konzept die Möglichkeit einen wertneutralen
Begriffsrahmen einzuführen, welcher die Arbeit des Arbeits- und Gesundheitsschutzes er-
leichtert (vgl. Hofmann, 2012; Metz & Rothe, 2017).
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen die Vorteile und Notwendigkeit einer objektiv
bedingungsbezogenen Analyse von Arbeitsmerkmalen im Rahmen dieses Konzeptes. Unab-
hängig von der Person wirken die gegebene Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität aufeinan-
5. Allgemeine Diskussion
96
der und dadurch werden die Wahrnehmung und potentiell auch der Nutzen förderlicher Ar-
beitsmerkmale eingeschränkt. Es zeigte sich, dass die zentralen Einflussfaktoren auf den ar-
beitenden Menschen die objektiv vorliegenden Arbeitsinhalte und Ausführungsbedingungen
sind. Diese können gesundheitsförderlich gestaltet werden, wenn sie explizit unabhängig von
der Person analysiert werden. Zusammenfassend ergeben sich aus dem Belastungs-
Beanspruchungs-Konzept als auch aus den Ergebnissen der vorliegenden Dissertation Emp-
fehlungen für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Diese sollte per se als
wertneutral aufgefasst werden (Bemerkung: Es wird nicht analysiert, ob die Angestellten ihre
Arbeit nicht richtig machen) und die Kombination objektiver und subjektiver Verfahren auf-
weisen (vgl. Analysestufen in der DIN EN ISO 10075-3, 2004) um Arbeits(um-)gestaltung zu
ermöglichen.
5.4.2 Psychologische Arbeitsgestaltung
Die psychologische Arbeitsgestaltung dient in erster Linie der Effizienzverbesserung und soll
gleichzeitig arbeitsimmanentes Lernen zum Erhalt der Gesundheit und Leistungsfähigkeit
gewährleisten (Hacker & Sachse, 2014). Als Hilfestellungen für die psychologische Arbeits-
gestaltung dienen die DIN ISO 6385 (2004, 2016; Anhang A) und die Unterscheidung in Ver-
hältnis- und Verhaltensinterventionen (detailliert beschrieben in Anhang H).
Auf Grundlage der auf dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept und der Handlungs-
regulationstheorie beruhenden Dissertationsschrift können aus den Ergebnissen Argumente
für eine verhältnisorientierte Arbeitsgestaltung abgeleitet werden. Für die Arbeitsmerkmale
Beeinflussbarkeit und Arbeitsintensität ist in der Arbeitswelt derzeit zu beobachten, dass in-
haltliche Möglichkeiten die eigene Arbeit zu beeinflussen zunehmen, jedoch die Ausführung
im Sinne der Arbeitsintensität durch eine zunehmende Ökonomisierung erschwert wird (vgl.
Kratzer, 2012). Väänen und Toivanen (2017) sprechen von dem Paradox, dass enge zeitliche
Freiheitsgrade, Zeitdruck und viele Unterbrechungen den Nutzen der eigentlich vorliegenden
Beeinflussbarkeit eingeschränkt bis unmöglich machen. Diese Aussage wird durch die eige-
nen Ergebnisse aus Studie 2 (Abschnitt 4.3) empirisch gestützt. Um Personen zum Nutzen der
Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit zu verhelfen, wird empfohlen, die Ausführungsbedin-
gungen (Bsp.: die verfügbare Zeit) an die Arbeitsinhalte (Bsp.: erarbeite in einem kreativen
Prozess eine Projektskizze) anzupassen.
5. Allgemeine Diskussion
97
In Bezug auf die Arbeitsintensität, im Sinne bestehender Ausführungshindernisse, ist
es demnach nicht ausreichend verhaltensbezogene Ressourcen bzw. Copingstrategien erlernen
zu lassen (wie bspw. vorgeschlagen von Stab & Schulz-Dadaczynski, 2017). Letztendlich
muss die Arbeitsgestaltung dafür Sorge tragen, Bedingungen zu schaffen, welche den Perso-
nen ein Lernen ermöglichen (vgl. Seki, 2008). Beispielsweise könnten die Ausführungsbedin-
gungen in derart gestaltet sein, als das die Möglichkeiten der Kooperation und Kommunikati-
on gegeben sind (eingeschlossen das tlw. Abgeben oder Aufteilen von Arbeitsaufträgen). Au-
ßerdem sollten Möglichkeiten bestehen die Arbeit selbstständig zeitlich einzuteilen, zumin-
dest jedoch in den Prozess der Zielsetzung eingebunden zu sein (vgl. partizipative Zielverein-
barung; Hoppe & Rau, 2017). In diesem Prozess sind die verhaltensbezogenen Interventionen
jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. So ist es im Sinne der dynamischen Arbeitsgestaltung
(Bamberg & Metz, 1998; Metz, 2011) potentiell beeinträchtigende Arbeitsmerkmale verhält-
nisorientiert zu reduzieren und anschließend Personen Arbeitsweisen aufzuzeigen um beste-
hende Arbeitsstrukturen zu erweitern bzw. umzugestalten. Auf diese Weise könnten Arbeits-
tätigkeiten und -abläufe eigenständig strukturiert werden und somit zu einem Zuwachs erleb-
ter Kontrolle durch objektive Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit beitragen.
Dem Ansatz der dynamischen Arbeitsgestaltung liegt somit die Verknüpfung verhält-
nis- und verhaltensorientierter gesundheitsförderlicher Interventionen zugrunde (vgl. Bam-
berg & Metz, 1998). Die Ergebnisse dieser Dissertationsschrift sprechen für diesen Ansatz der
Arbeitsgestaltung und schließen die Empfehlungen der Gefährdungsbeurteilung psychischer
Belastungen als Grundlage dieses Prozesses ein. Eine sich stetig ändernde Arbeitswelt mit
sich ändernden Arbeitstätigkeiten (vgl. Bartz, Gnesda & Schmutzer, 2017) verlangt nach ei-
nem Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen (bzw. einer Ar-
beitsanalyse mit den in dieser Dissertationsschrift verwendeten Methoden) auch im Sinne der
Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung (vgl. Prozessmodell der Personalentwicklung;
Ryschka, Solga & Mattenklott, 2011). Im Rahmen der Verhältnisgestaltung dient die Verhal-
tensintervention hierbei als Instrument Angestellten in Unternehmen mit einem Betriebsklima
des Leistungsdrucks, Handlungsempfehlungen geben zu können. Hingegen sollten wissens-
orientiere und/oder arbeitsintegrierte Personalentwicklungsmaßnahmen (Ryschka et al., 2011)
zum Einsatz kommen, wenn Personen gegebene Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten nicht nut-
zen, obwohl es die Ausführungsbedingungen zu lassen würden (Bsp.: Person verfügt nicht
über fachliche Expertise).
5. Allgemeine Diskussion
98
5.4.3 Passung zwischen Person und Arbeitstätigkeiten
Die Überlegungen zur psychologischen Arbeitsgestaltung konzentrierten sich auf die in dieser
Dissertationsschrift untersuchten bedingungsbezogenen Arbeitsmerkmale Beeinflussbarkeit
und Arbeitsintensität. In Hinblick auf die erlebte berufliche Anforderungsvielfalt verstanden
als individuelles Motivationspotential (Abschnitt 4.2; vgl. Niederhammer, 2002) lassen die
Ergebnisse praktische Implikationen im Rahmen der Personalauswahl zu.
In der Personalauswahl bestehen zwei parallel laufende Prozesse: Ein Unternehmen
versucht für die ausgeschriebene Arbeitstätigkeit die geeignetste Person einzustellen. Eine
Person versucht in der Regel eine Arbeitstätigkeit auszuüben, welche sich mit den Interessen
und Leistungsvoraussetzungen deckt (Moser & Sende, 2014). Hierbei entsteht in der Zukunft
der Arbeitswelt eine Herausforderung für Unternehmen. In westlichen Ländern ist die Arbeit
immer mehr ein Medium der Selbstverwirklichung und -organisation und ArbeitnehmerInnen
fordern ihre Freiheiten ein (Hofmann & Steffen, 2013; Klaffke, 2016; Lesthaeghe & Neels,
2002). Sie möchten Arbeitstätigkeiten nachkommen, die sie neben dem wirtschaftlichen As-
pekt vorrangig begeistern (intrinsisch motivieren) und in denen sie ihre Fertigkeiten ausschöp-
fen können (Brunstein & Heckhausen, 2010; Felfe, 2012). Wie im vorangegangen Abschnitt
5.4.2 dargestellt, ist es bei einer derzeit beobachtbaren steigenden Arbeitsverdichtung essenti-
ell die Bedingungen an die zunehmenden kognitiven Anforderungen anzupassen (Klaffke,
2016). Im Idealfall sollten Arbeitstätigkeiten frei von fehlbeanspruchenden Arbeitsbedin-
gungskonstellationen sein und darauf aufbauend lern- und persönlichkeitsförderlich sein (Ab-
schnitt 2.1.3). Die erlebte berufliche Anforderungsvielfalt scheint im Sinne der Leistungsmo-
tivation entscheidend für die Passung zwischen Person (und dessen individuellen Leistungs-
voraussetzungen) und der Arbeitstätigkeit. Penning und Vogt (2007) empfehlen hierfür die
Anpassung der Anforderungsvielfalt, die sich aus der Tätigkeit ergibt, an die Fähigkeiten der
Person anzupassen. Im Rahmen der Personalauswahl ergibt sich daraus die Notwendigkeit
einer umfassenden Arbeits- und Anforderungsanalyse als Grundlage der Ableitung bedin-
gungsbezogener Anforderungen (Schuler, 2014).
5. Allgemeine Diskussion
99
5.5 Schlussfolgerung
Mit Hilfe einer mehrdimensionalen Analyse des Wirkzusammenhangs der Beeinflussbarkeit
und der Arbeitsintensität konnten Ansätze für eine verhältnisorientierte Arbeitsgestaltung ge-
funden werden. Die Prämisse liegt dabei auf dem Verständnis, dass Verhältnisse der Arbeit an
den Menschen anzupassen sind und nicht der Mensch verantwortlich ist, sich durch eine stete
Selbstoptimierung diesen Verhältnissen anzupassen.
Die Ergebnisse der Studien verdeutlichen die Notwendigkeit des verwendeten bedin-
gungsbezogenen und mehrdimensionalen Ansatzes im Rahmen der Arbeitsanalyse. Es kann
gezeigt werden, dass Arbeitsmerkmale in Wechselbeziehung betrachtet werden sollten. So
kann die Arbeitsintensität im Sinne beeinträchtigender Ausführungshindernisse dazu beitra-
gen, dass für den Menschen positiv wirkende Möglichkeiten der Beeinflussbarkeit nicht
wahrgenommen und somit auch nicht genutzt werden können. Für die zukünftige Forschung
ist es notwendig, Arbeitsmerkmalskombinationen in einen Zusammenhang zu setzen und
nicht zu isolierten Haupteffekten zu forschen. Die Frage nach einem Optimum (vgl. Warr,
1990) an Beeinflussbarkeit würde vor diesem Hintergrund nicht relevant erscheinen. Es ist
essenziell bestehende Wechselgefüge mehrerer Arbeitsmerkmale zu analysieren, um heraus-
zustellen welche Arbeitsbedingungen für spezifische Arbeitsinhalte/-aufträge notwendig und
förderlich sind.
Diese Erkenntnis deckt sich mit den gegenwärtigen Entwicklungen der Arbeitswelt.
Geistige Tätigkeiten und damit einhergehende inhaltliche Freiheitsgrade (im Sinne einer stei-
genden Beeinflussbarkeit) werden für die Arbeitenden zunehmen, wobei sie sich einer zu-
nehmenden Arbeitsintensität konfrontiert sehen werden (vgl. Dunkel & Kratzer, 2016; Ha-
cker, 2016; Hassler & Rau, 2016; Institut DGB-Index Gute Arbeit, 2012, 2015, 2016; Stab &
Schulz-Dadaczynski, 2017). Dabei scheint es erforderlich, dass Personen nicht ausschließlich
mit Hilfe von personen- und verhaltensbezogenen Optimierungsmaßnahmen an Belastungen
der Arbeit angepasst werden (vgl. Brunnett, 2013). Es besteht die Aufgabe für die arbeitspsy-
chologische Forschung und praktizierende Arbeitsschutzbeauftragte, Personen nicht für ihre
Gesundheit selbstverantwortlich zu machen nur weil vermeintliche Restriktionen aufgehoben
wurden (Bsp.: Abschaffen von Stechuhren; Einführung flexible Arbeitszeiten; Möglichkeiten
der Erreichbarkeit). Gewonnene Freiräume durch den möglichen Wandel der Arbeit dürfen
aufgrund von Zeit- und Leistungsdruck nicht zu einer systematischen Selbstausbeutung bzw. -
fehlbeanspruchung führen (Dörre, 2002; Geissler, 2008; Hacker & Sachse, 2014; Kratzer,
5. Allgemeine Diskussion
100
2012). Menschen setzen sich aktiv mit ihren Arbeitstätigkeiten und somit mit der auftragsge-
rechten Bewerkstelligung von Arbeitsinhalten innerhalb vorliegender Arbeitsbedingungen
auseinander. Die eigenen Studienergebnisse zeigen, dass in zukünftigen Forschungsarbeiten
das Paradox der scheinbar zunehmenden inhaltlichen Freiräume bei gleichzeitigen Einengen
der zeitlichen Freiräume mit Hilfe einer mehrdimensionalen bedingungsbezogenen Analyse
begegnet werden muss. So können geforderte Wechselwirkungen erklärt, und im Rahmen der
Arbeitsgestaltung umgesetzt werden. Eine Verhältnisprävention ist einer Verhaltensinterven-
tion dabei im Sinne der Persönlichkeits- und Gesundheitsförderlichkeit vorzuziehen und be-
darf einer Analyse gegebener Verhältnisse. Diese sind – empirisch gestützt durch diese Arbeit
– entscheidend für das Erleben und Nutzen potentiell förderlicher Merkmale einer Arbeitstä-
tigkeit.
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Anhang
133
Anhang
Anhang A Überblick des Inhaltes der DIN ISO 6385
Merkmale gut gestalteter Arbeitsaufgaben nach DIN ISO 6385 (2004, 2016):
vollständige ganzheitliche sinnvolle Arbeitseinheiten
für die Arbeitenden erkennbarer bedeutsamer Beitrag
angemessene Vielfalt von Fertigkeiten und Fähigkeiten; Vermeidung repetitiver, ein-
seitiger Aufgaben
Handlungsspielraum (hinsichtlich Arbeitstempo/Abfolge/Vorgehen)
ausreichend sinnvolle Rückmeldungen über Aufgabendurchführung
Berücksichtigung der Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten des Ar-
beitenden (keine Über-/ Unterforderung)
Möglichkeit zu Einsatz und Weiterentwicklung vorhandener bzw. Aneignung neuer
Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten
Vermeidung sozial isolierender Arbeit.
Anhang
134
Anhang B Beschreibung des Job Demand-Control Modells
Die wesentliche Annahme im Job Demand-Control-Modell (Karasek, 1979) ist, dass (Fehl-)
Beanspruchungen (strain) aus der Kombination zweier Arbeitsmerkmale (psychological de-
mands) vorhersagbar sind. Diese Merkmale sind die Arbeitsintensität (job demand) und der
Tätigkeitsspielraum (job control) bei der Arbeit. Die Arbeitsintensität beschreibt, wie „hart
Personen arbeiten müssen“ (Karasek et al., 1998; S. 323) und bezieht die Wahrnehmung von
widersprüchlichen Arbeitsanforderungen hinsichtlich der Arbeitsmenge, von Zeitdruck und
mentaler Anforderung (Schwierigkeit der gestellten Aufträge) ein. Der Tätigkeitsspielraum
bezieht sich auf die Wahrnehmung von zeitlichen und inhaltlichen Dispositionsspielräumen
und Entscheidungsmöglichkeiten. Zusätzlich wird für den Tätigkeitsspielraum die Bewertung
der Möglichkeiten, die eigene Vorbildung zu nutzen bzw. weiter zu entwickeln, berücksich-
tigt. In einem Quadranten-Modell (Abbildung 6) werden die Ausprägungen der einzelnen
Arbeitsmerkmale in Beziehung gesetzt und Vorhersagen möglicher Folgen der Arbeitsmerk-
male auf die Gesundheit der Beschäftigten abgeleitet. Beispielsweise besagt der Quadrant
high strain job, dass ein hohes Risiko für Fehlbeanspruchungen (wie z. B. Stress) gegeben ist.
Stress entsteht in diesem Falle aus der Diskrepanz zwischen quantitativ hoher Arbeitsbelas-
tung bei gleichzeitig geringen Kontrollchancen gegenüber den gegebenen Arbeitsanforderun-
gen. Für Arbeitsplätze mit dieser Kombination sind insbesondere kardiovaskuläre Erkrankun-
gen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt, aber auch psychische Beeinträchtigungen wie depressive
Erkrankungen oder Angststörungen, gut untersucht (Rau & Buyken, 2015).
Arbeitsintensität
gering hoch
Täti
gk
eits
spie
lrau
m
ho
ch
low strain job
Kein Gesundheitsrisiko, keine Förde-
rung
active job
Gesundheits-/lern-
/persönlichkeitsförderlich
ger
ing
passive job
Allgemeine Absenkung der Aktivie-
rung und Problemlöseaktivität
high strain job
Gesundheitsrisiko / Fehlbeanspru-
chung
Abbildung 6. Die vier Quadranten des Job Demand-Control Modells von Karasek (1979)
Anhang
135
Anhang C Beschreibung des Job Characteristics Modells
Nach Hackman und Oldham (1976) ist die intrinsische Motivation durch Arbeitstätigkeiten
davon abhängig, dass Personen (a) Wissen über die eigenen Arbeitsergebnisse haben und (b)
Verantwortung für die eigenen Arbeitsergebnisse erleben und (c) die eigene Arbeitstätigkeit
als bedeutsam erlebt wird. Entscheidend für dieses Erleben sind die 5 Tätigkeitsmerkmale:
1. Autonomie: Das Ausmaß inwieweit ein Beruf Freiheit, Unabhängigkeit und Entschei-
dungsspielraum für das Planen der Arbeit und das Bestimmen des Vorgehens beinhal-
tet.
2. Anforderungsvielfalt: Das Ausmaß der Qualifikationsnutzung und die Freiheit unter-
schiedliche Tätigkeiten und Fertigkeiten zu nutzen.
3. Ganzheitlichkeit der Aufgabe: Das Ausmaß wie sehr ein Beruf eine „komplette“ iden-
tifizierbare Arbeit darstellt (vgl. Vollständigkeit, Hacker und Sachse, 2014).
4. Bedeutsamkeit der Aufgabe: Das Ausmaß des Einflusses der eigenen Arbeitstätigkeit
auf das Leben anderer oder die Arbeit anderer.
5. Rückmeldung aus der Tätigkeit: Das Ausmaß inwieweit der Beruf dem Abreitenden
über das Arbeitsergebnis direkt Aufschluss gibt, wie Effektiv seine Leistung war (vgl.
Rückmeldung, Hacker und Sachse, 2014).
𝑓(MP) = (AV + GA + BA
3) ∗ A ∗ R
Anmerkung. MP = Motivationspotential. AV = Anforderungsvielfalt. GA = Ganzheitlichkeit der Aufgabe.
BA = Bedeutsamkeit der Aufgabe. A = Autonomie. R = Rückmeldung
Abbildung 7. Der Kennwert des Motivierungspotentials nach Hackman und Oldham (1976)
Anhang
136
Anhang D Eigene unveröffentlichte Ergebnisse in Bezug auf die Beeinflussbarkeit
Für die hier beschriebenen Arbeitsmerkmale liegen empirische Daten für die objektiv gegebe-
nen Arbeitsmerkmale (Operationalisierung mittels Tätigkeitsbewertungssystems Geistige Ar-
beit; Hacker et al., 1995), sowie für die Beeinflussbarkeit zusätzliche Daten aus dem Selbstbe-
richt vor (Operationalisierung mittels Fragebogen zum Erleben von Intensität und Tätigkeits-
spielraum in der Arbeit; Richter et al., 2000). Dargestellt sind diese Ergebnisse in Tabelle 13.
Es handelt sich um eigene unveröffentlichte Ergebnisse basierend auf einer Zusammenstel-
lung von fünf verschiedenen Querschnittsuntersuchungen (Zeitraum 2007 – 2016) unter Pro-
jektleitung von Frau Prof. Dr. Renate Rau. Die Zusammenstellung von Daten der Ausprägung
verschiedener Arbeitsmerkmale unterschiedlicher Berufe entspricht dem Optimum der Analy-
se von Arbeitsmerkmalen (Frese & Semmer, 1991). Die Kombination subjektiver (aus dem
Selbstbericht) und objektiver (Experteneinschätzungen) Daten ist zusätzlich als Optimum
hinsichtlich der Analyse und Operationalisierung von Arbeitsmerkmalen zu betrachten (Frese
& Zapf, 1988; Spector, 2006).
Die empirischen Ergebnisse sind bis auf eine Ausnahme erwartungskonform. Im Sinne
der Vollständigkeit korreliert die erlebte als auch die objektiv vorhandene Beeinflussbarkeit
signifikant positiv mit der sequentiellen und hierarchischen Vollständigkeit. Das heißt, je se-
quentiell und hierarchisch vollständiger eine Tätigkeit, desto mehr Beeinflussbarkeit ist objek-
tiv gegeben und wird erlebt. Ebenfalls signifikant positiv korrelieren die erlebte und vorhan-
dene Beeinflussbarkeit mit Arbeitsmerkmalen, welche die Durchschaubarkeit darstellen. Je
mehr Informationen über die Arbeitsorganisation und das -ergebnis arbeitende Personen er-
halten und je differenzierter und nutzbarer Rückmeldungen in Bezug auf die eigene Tätigkeit
sind, desto mehr ist die Beeinflussbarkeit objektiv gegeben und kann infolgedessen erlebt
werden. Im Gegensatz dazu korrelierte die erlebte als auch objektiv vorhandene Beeinfluss-
barkeit signifikant negativ mit der Vorhersehbarkeit. Gründe hierfür werden im Rahmen der
Fragestellungen dieser Dissertationsschrift gesucht (Abschnitt 3) und abschließend in Ab-
schnitt 5.1 diskutiert.
Anhang
137
Tabelle 13
Überblick linearer Zusammenhänge der Beeinflussbarkeit, Vollständigkeit, Vorhersehbarkeit
und Rückmeldungen (im Sinne der Durchschaubarkeit)
N = 801 1 2 3 4 5 6 7 8 9
1
Erlebte Beeinfluss-
barkeit†
/
n = 801
.58**
n = 793
.35**
n = 791
.51**
n = 792
-.22**
n = 793
.38**
n = 792
.47**
n = 792
.17**
n = 793
.31**
n = 793
2
Gegebene Beein-
flussbarkeit†
/
n = 801
.54**
n = 799
.81**
n = 800
-.27**
n = 801
.55**
n =800
.62**
n = 800
.34**
n = 801
.39**
n = 801
3
Sequentielle Voll-
ständigkeit
/
n = 799
.46**
n =798
-.15**
n = 799
.39**
n = 798
.44**
n = 798
.31**
n = 799
.30**
n = 799
4
Hierarchische
Vollständigkeit
/
n = 800
-.31**
n = 800
.48**
n = 799
.56**
n = 799
.33**
n = 800
.38**
n = 800
5
Vorhersehbarkeit /
n = 801
-.16**
n = 800
-.21**
n = 800
-.14*
n = 801
-.20**
n = 801
6
Informationen über
die Arbeitsorgani-
sation
/
n = 800
.55**
n = 799
.27**
n = 800
.30**
n = 800
7
Informationen über
die Arbeitsergeb-
nisse
/
n = 800
.20**
n = 800
.34**
n = 800
8
Quellen nutzbarer
Rückmeldungen
/
n = 801
.41**
n = 801
9
Differenziertheit
von Rückmeldun-
gen
/
n = 801
Anmerkungen. Gerechnet wurden einfache Spearman-Korrelationen, da keine Kausalhypothesen zu den Zusam-
menhängen der einzelnen Arbeitsmerkmale bestanden. Verwendete TBS-GA (Hacker et al., 1995) Skalen:
3: A V.; 4: D. Sammelskala; 5: A 5.1.; 6- A. 4.1.1.; 7: A. 4.1.2.; 8: A. 4.3.1.; 9: A. 4.3.2.
†Operationalisierung Abschnitt 4.3.3.2.
**. Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant.
*. Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant.
Anhang
138
Anhang E Rahmenmodell der Arbeitsintensität
Die Operationalisierung der Arbeitsintensität in der vorliegenden Dissertationsschrift erfolgte
anhand objektiv bedingungsbezogener (Rau, 2010) Daten, erfasst mit dem Tätigkeitsbewer-
tungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA; Hacker et al., 1995). Der verwendeten Definition
folgend wurde die Arbeitsintensität in Abhängigkeit des erforderlichen kognitiven Regulati-
onsniveaus (Hacker, 2003; Rau, 2012; detailliert Darstellung in Abschnitt 4.3.3) gebildet. In
die Operationalisierung der objektiven Arbeitsintensität sind die theoretischen Überlegungen
des Rahmenmodells zur Systematisierung der Einflussfaktoren auf die Höhe der Arbeitsinten-
sität einer Tätigkeit (Abbildung 8; Rau & Göllner, 2018) eingegangen.
Personalbemessung
↓
𝑓 (𝐴𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑠𝑖𝑛𝑡𝑒𝑛𝑠𝑖𝑡ä𝑡) = (𝐴𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑠𝑚𝑒𝑛𝑔𝑒
𝑣𝑒𝑟𝑓ü𝑔𝑏𝑎𝑟𝑒 𝑍𝑒𝑖𝑡) × 𝑅𝑒𝑔𝑢𝑙𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠𝑛𝑖𝑣𝑒𝑎𝑢
↑
Zeitbindung (verursacht: technisch/technologisch; organisatorisch; Kun-
den/Klienten/Patienten)
Regulationshindernisse (bedingt durch: parallele Aufgabenbearbeitung; Störun-
gen/Unterbrechungen; Arbeitsspitzen/fehlendes Personal)
Zugelassene auftragsgerechte Bewältigungsmöglichkeiten (Abgeben, Abwehren, Ver-
schieben von (Teil-)Aufgaben; Veränderung der Qualität von Arbeitsergebnissen)
Abbildung 8. Rahmenmodell zur Systematisierung der Einflussfaktoren auf die Höhe der Ar-
beitsintensität einer Tätigkeit nach Rau und Göllner (2018)
Für die objektiv vorliegende Arbeitsintensität wurden anhand eigener unveröffentlich-
ter Ergebnisse (fünf verschiedene Querschnittsuntersuchungen; Zeitraum 2007 – 2016) Zu-
sammenhänge zu der erlebten bedingungsbezogenen Arbeitsintensität (operationalisiert mit
dem Fragebogen zum Erleben von Intensität und Tätigkeitsspielraum in der Arbeit, FIT;
Richter et al., 2000) und den Beanspruchungsfolgen Erholungsfähigkeit (operationalisiert mit
dem Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung Subskala E;
FABA; Richter, Rudolf & Schmidt, 1996) und vitale Erschöpfung (operationalisiert mit dem
Maastricht Questionnaire; MQ; Appels, Höppner & Mulder, 1987) berechnet.
Anhang
139
Die objektive Arbeitsintensität korreliert signifikant negativ mit der erlebten Arbeits-
intensität (r = -.11, p ≤ .01, n = 793). Interpretation: Je schlechter die Ausführungsbedingun-
gen gestaltet sind, desto mehr Arbeitsintensität wird auch erlebt. Unter der Kontrolle des Ge-
schlechts (Empfehlung von Waldenström & Härenstam, 2008) korreliert die objektive Ar-
beitsintensität marginal signifikant mit der Erholungsunfähigkeit (rGeschlecht = -.06, p = .08).
und signifikant mit der vitalen Erschöpfung (rGeschlecht = -.10, p < .05). Interpretation: Je
schlechter die Ausführungsbedingungen gestaltet sind, desto höher ist die Auftrittswahr-
scheinlichkeit der Fehlbeanspruchungsfolge vitale Erschöpfung.
In den vorliegenden Ergebnissen wurde nicht für Einflüsse der Person (Einstellung;
Motivation; Persönlichkeitseigenschaft; vgl. Spector, 1992; Kivimäki & Lindström, 1995)
kontrolliert. Die schwachen Ergebnisse überraschen nicht, da zwischen subjektiv gemessenen
Belastungen und Beanspruchungen mehr Kausalität zu beobachten sei (Jex, 1998; Claessens
et al., 2004; Kain & Jex, 2010; Ganster, 1989), jedoch gibt es zahlreiche Belege dafür, dass
objektive Arbeitsmerkmale im Sinne einer Belastung relevant für die Vorhersage von Bean-
spruchung sind (z. B.: Eschleman & Bowling, 2010; Waldenström et al., 2008).
Anhang
140
Anhang F Überblick empirischer Erkenntnisse zur Arbeitsintensität
Im folgenden Überblick empirischer Erkenntnisse beziehen sich die Referenzen ausschließ-
lich auf systematische Metaanalysen und Reviews.
Tabelle 14
Überblick ausgewählter Referenzen zu Zusammenhängen der Arbeitsintensität mit negativen
Beanspruchungsfolgen
Beanspruchungsfolge Referenzen
Depression Alarcon (2011)
Madsen et al. (2017)
Rau & Buyken (2015)
Kardiovaskuläre
Erkrankungen
Huang et al. (2015)
Kivimäki et al. (2006)
Psychosomatische
Beschwerden
Stab & Schulz-Dadaczynski (2017)†
Muskel-Skelett-
Erkrankungen
Hauke, Flintrop, Brun & Rugulies (2011)
Stab & Schulz-Dadaczynski (2017)
Arbeitsunzufriedenheit Stab & Schulz-Dadaczynski (2017)
Diverse psych. Beeinträchti-
gungen
Rau & Buyken (2015)
Stab & Schulz-Dadaczynski (2017)
Erschöpfungssyndrome Aronsson et al. (2017)
Taris, Kompier, Geurts, Houtman & van der Heuvel (2010)
Anmerkungen. †Stab & Schulz-Dadaczynski (2017) unterscheiden in ihrer Arbeit zwischen quantitativen und
qualitativen Anforderungen.
Anhang
141
Anhang G Operationalisierung der Arbeitsmerkmale Beeinflussbarkeit und Arbeitsin-
tensität
Anhang G (a) Operationalisierung Beeinflussbarkeit
Der erlebte Tätigkeitsspielraum und dessen Komponenten wurden mit dem Fragebogen zum
Erleben von Intensität und Tätigkeitsspielraum in der Arbeit (FIT; Richter et al., 2000) er-
fasst. Dieser Fragebogen prüft ökonomisch und valide (Abschnitt 4.2.3.2) die Komponenten
des Tätigkeitsspielraums Anforderungsvielfalt (skill discretion) und Beeinflussbarkeit (decisi-
on authority) und die Komponente der Qualifikationsausnutzung und das Lernpotential der
Arbeit (skill utilitsation; Tabelle 15). Mit Hilfe ausgewählter Skalen des Tätigkeitsbewer-
tungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA; Hacker et al., 1995) und der Skala Beteiligungsgrad
aus den REBA-Verfahren (Pohlandt et al., 1996) wurden die objektiv gegebenen Komponen-
ten des Tätigkeitsspielraum gebildet (Tabelle 16).
Tabelle 15
Faktorenladungen der Komponenten Anforderungsvielfalt und Beeinflussbarkeit (N = 801;
diverse Berufe) der Items des Fragebogen zum Erleben von Intensität und Tätigkeitsspielraum
in der Arbeit (Richter et al., 2000) zu den Komponenten des Tätigkeitsspielraums nach Kara-
sek et al. (1998)
Item Komponente nach Ka-
rasek et al. (1998)
Faktor 1 Faktor 2
ai a
i h
j
1: Meine Arbeit erfordert von mir viel-
fältige Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Anforderungsvielfalt .771 .000 .594
2: In meiner Arbeit ist es nötig, immer
wieder Neues dazu zu lernen.
Anforderungsvielfalt .801 -.042 .608
3: An meinem Arbeitsplatz habe ich die
Möglichkeit, an der Erarbeitung neuer
Lösungen teilzunehmen.
Beeinflussbarkeit .192 .605 .522
8: Das, was ich in meiner beruflichen
Ausbildung gelernt habe, kann ich voll
in meiner Arbeit anwenden.*
Qualifikationsausnutzung
und das Lernpotential der
Arbeit
/ / /
10: Ich kann meine Arbeit selbständig
planen und einteilen.
Beeinflussbarkeit -.009 .597 .352
11: An Entscheidungen meines Vorge-
setzten kann ich mitwirken.
Beeinflussbarkeit -.177 .794 .517
12: Ich muss bei meiner Arbeit viele
selbständige Entscheidungen treffen.
Beeinflussbarkeit .189 .498 .380
Cronbach´s Alpha (acceptable nach George und Mallery, 2003) .739** .739** Anmerkungen. Faktor 1: Anforderungsvielfalt. Faktor 2: Beeinflussbarkeit. Extraktionsmethode: Hauptachsen-
Faktorenanalyse. Rotationsmethode: Promax mit Kaiser-Normalisierung (oblique Rotation). *Ausschluss Item 8
„Das, was ich in meiner beruflichen Ausbildung gelernt habe, kann ich voll in meiner Arbeit anwenden“ (ent-
spricht Qualifikationsausnutzung und Lernpotential der Arbeit; vgl. Karasek et al., 1998).
Anhang
142
Tabelle 16
Zuordnung der Items des Tätigkeitsbewertungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA; Hacker et
al., 1995) und der Skala Beteiligungsgrad aus dem REBA-Verfahren (Pohlandt et al., 1996)
zu den Komponenten des Tätigkeitsspielraums nach Karasek et al. (1998) und Gebele et al.
(2011)
Items TBS-GA & REBA Komponente nach Karasek et al. (1998)
A 6.2.1. inhaltliche Freiheitsgrade
A 6.3. Mögliche bzw. Erforderliche Entscheidungen
Zusatzskala. Beteiligungsgrad
Beeinflussbarkeit
E. 3. Bleibende Lernerfordernisse
DS Sammelskala. Erforderliche geistige (kognitive) Leistungen
Anforderungsvielfalt
E. 2. Vorbildnutzung Qualifikationsausnutzung und das Lernpoten-
tial der Arbeit
Anhang G (b) Operationalisierung Arbeitsintensität
Die objektive Arbetitsintensität wurde mittels ausgewählter Skalen des Tätigkeitsbewertungs-
systems Geistige Arbeit (TBS-GA; Hacker et al., 1995) und des REBA-Verfahren (Pohlandt et
al., 1996) in Abhängigkeit des durch die Arbeitstätigkeit geforderten kognitiven Regulations-
niveaus gebildet (operationalisiert durch TBS-GA Skala: DS Sammelskala. Erforderliche
geistige (kognitive) Leistungen; Hacker, 2003). Sie stellt gemäß der Defintion eine Arbeits-
merksmalskombination dar (Tabelle 17).
Tabelle 17
Operationalisierung der objektiven Arbeitsintensität mit Hilfe ausgewählter Skalen des Tätig-
keitsbewertungssystems Geistige Arbeit (TBS-GA; Hacker et al., 1995) und des REBA-
Verfahren (Pohlandt et al., 1996) in Abhängigkeit des kognitiven Regulationsniveaus (N =
801).
DS Erforderliche geistige Leistungen
Wert < 0.6 (n = 496)*
DS Erforderliche geistige Leistungen
Wert ≥ 0.6 (n = 297)*
A 5.2.1. zeitliche FG A 5.1. Vorhersehbarkeit
A 5.2.4. Störungen A 5.2.4. Störungen
B 1.3. Abgabe von TT B 1.3. Abgabe von TT
REBA Widersprüche REBA Widersprüche
Anmerkungen. *fehlende Werte: n = 8.
Anhang
143
Anhang G (c) Empirische Ergebnisse zur Überprüfung der Operationalisierung
Korrelationen objektiver und subjektiver Arbeitsmerkmale. Im Folgenden sind empiri-
sche Ergebnisse der Gesamtstichprobe (N = 801; Zeitraum 2007–2016; diverse Berufe) zu den
Arbeitsmerkmalen subjektive und objektive Beeinflussbarkeit wie auch subjektive und objek-
tive Arbeitsintensität dargestellt (Tabelle 18).
Tabelle 18
Pearson-Korrelationen der Arbeitsmerkmale erlebte (subjektive) und objektive Beeinflussbar-
keit, sowie der Arbeitsmerkmale erlebte (subjektive) und objektive Arbeitsintensität
1 2 3 4
1: erlebte Beeinflussbarkeit 1 .56**
(n = 793)
.21**
(n = 793)
.20**
(n = 792)
2: objektive Beeinflussbarkeit†
1 .24**
(n = 793)
.06
(p = .11, n = 800)
3: erlebte Arbeitsintensität 1 -.11**
(n = 793)
4: objektive Arbeitsintensität† 1
Anmerkungen. **Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant. †Desto höher der Wert,
desto besser sind die Arbeitsmerkmale gestaltet (Bsp.: hoher Wert objektiver Arbeitsintensität entspricht einer
gut gestalteten Arbeitstätigkeit geringer Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Arbeitsintensität.
Gruppenunterschiede in Abhängigkeit des Regulationsnvieaus. Das geforderte kogni-
tive Regulationsniveau wurde mittels der DS Sammelskala. Erforderliche geistige (kognitive)
Leistungen aus dem TBS-GA gebildet (Hacker et al., 1995). Die Gruppen wurden gemäß der
Operationalisierung für die objektive Arbeitsintensität anhand der DS Sammelskala gebildet
(Gruppe 1: DS Erforderliche geistige Leistungen < 0.6, n = 496; Gruppe 2: DS Erforderliche
geistige Leistungen Wert ≥ 0.6, n = 297; Tabelle 19). Des Weiteren wurden noch die TBS-GA
Skalen A 5.2.1. zeitliche Freiheitsgrade und A 5.1. Vorhersehbarkeit aufgenommen.
Anhang
144
Tabelle 19
Deskriptive Statistik subjektiver und objektiver Arbeitsmerkmale in Hinblick auf die Gruppen-
einteilungen gemäß des kognitiven Regulationsniveaus
n M SD
Subjektive Beeinflussbarkeit
(min = 1; max = 4)
Gruppe 1 496 2.65 .749
Gruppe 2 297 3.27 .552
subjektive Arbeitsintensität
(min = 1; max = 4)
Gruppe 1 496 2.90 .750
Gruppe 2 297 3.19 .603
Objektive Beeinflussbarkeit
(min = 0; max = 1)
Gruppe 1 496 0.47 .137
Gruppe 2 297 0.73 .143
objektive Arbeitsintensität
(min = 0; max = 1)
Gruppe 1 496 0.73 .146
Gruppe 2 297 0.73 .118
objektive zeitliche Freiheitsgrade
(min = 0; max = 1)
Gruppe 1 496 0.59 .185
Gruppe 2 297 0.77 .148
objektive Vorhersehrbarkeit
(min = 0; max = 1)
Gruppe 1 496 0.75 .243
Gruppe 2 297 0.67 .168
Anmerkungen. Gruppe 1: DS Erforderliche geistige Leistungen < 0.6. Gruppe 2: DS Erforderliche geistige Leis-
tungen Wert ≥ 0.6.
Personen eines niedrigeren kognitiven Regulationsniveaus (Gruppe 1) haben im Ver-
gleich zu Personen eines höheren Regulationsniveaus (Gruppe 2):
(a) eine niedrigere erlebte Beeinflussbarkeit (t(790) = - 12.46, p < .001),
(b) eine niedrigere erlebte Arbeitsintensität (t(790) = -12.46, p < .001),
(c) eine niedrige objektive Beeinflussbarkeit (t(607) = -25.81, p < .001),
(d) niedrigere zeitliche Freiheitsgrade (t(797) = -11.34, p < .001),
und (e) eine höhere Vorhersehbarkeit (t(798) = 6.17, p < .001).
Hinsichtlich der objektiven Arbeitsintensität ist kein signifikanter Mittelwertsunterschied zu
berichten t(798) = 0.23, p = .821.
Grafische Darstellung der differenzierteren Messung der Komponenten des Tätigkeits-
spielraum nach Karasek et al. (1998). Im Folgenden sind anhand der Stichprobe aus Studie 1
(Abschnitt 4.2; n = 61 Straßenbahnfahrer und Straßenbahnfahrerinnen) die Auswirkungen
Anhang
145
einer differenzierten Operationalisierung der Komponenten des Tätigkeitsspielraum in der
Arbeit illustriert (ursprüngliche Operationalisierung: Abbildung 9; differenzierende Operatio-
nalisierung: Abbildung 10). Die Besonderheit der Stichprobe lieg darin, dass alle Versuchs-
personen einen identischen objektiven Tätigkeitsspielraum aufweisen (Abschnitt 4.2; niedrige
Ausprägung der objektiven Beeinflussbarkeit als auch Anforderungsvielfalt).
Abbildung 9. Punkt-Streu-Diagramm des erlebten Tätigkeitsspielraums (Mittelwert der Kom-
ponenten Beeinflussbarkeit, Anforderungsvielfalt & Qualifikationsausnutzung und das Lern-
potential der Arbeit) und der erlebten Arbeitsintensität (vgl. Karasek & Theorell, 1990)
Anmerkung. Stichprobe aus Studie 1; Abschnitt 4.2; n = 61 Straßenbahnfahrer und Straßenbahnfahrerinnen;
Besonderheit: konstanter objektiver Tätigkeitsspielraum für alle Versuchspersonen
low strain low strain
low strain
passive job
passive job passive job
mixed mixed
mixed mixed
active job active job
active job
high strain
high strain high strain
Anhang
146
Abbildung 10. Punkt-Streu-Diagramm der Mittelwerte der erlebten Komponenten des Tätig-
keitsspielraums (getrennt für Beeinflussbarkeit & Anforderungsvielfalt) und der erlebten Ar-
beitsintensität (vgl. Karasek & Theorell, 1990)
Anmerkung. Stichprobe aus Studie 1; Abschnitt 4.2; n = 61 Straßenbahnfahrer und Straßenbahnfahrerinnen;
Besonderheit: konstanter objektiver Tätigkeitsspielraum für alle Versuchspersonen
high strain high strain
high strain
passive job
passive job
passive job
mixed mixed
mixed mixed low strain
low strain low strain active job active job
active job
Erl
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Ko
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eits
spie
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s
Anhang
147
Anhang H Verhältnis- und Verhaltensprävention
Bemerkung: Dieser Textabschnitt stammt aus dem „Zwischenbericht B – Bericht über vorgeschlagene Maß-
nahmen und Darstellung der umgesetzten Maßnahmen“ des Kooperationsprojektes „Psychische Belastungen bei
Berufsfahrern analysieren, bewerten und gestalten“. Projektleitung: Prof. Dr. R. Rau, Frau M. Sc. Psych. T.
Kästner und Herr M. Sc. Psych. F. Henze; April 2017.
Eine psychologische Arbeitsgestaltung soll in erster Linie zur Effizienzverbesserung beitragen
und gleichzeitig ein beständiges Lernen bei der Arbeit zum Erhalt der Gesundheit und Leis-
tungsfähigkeit gewährleisten (Hacker & Sachse, 2014). Die psychologische Arbeitsgestaltung
beinhaltet Maßnahmen zur Verhältnisprävention als auch zur Verhaltensprävention. Nach
Hacker und Sachse (2014) werden dabei drei zentrale Ziele verfolgt.
Verhältnisprävention. Eine Verhältnisprävention bezieht sich auf die Gestaltung der
Arbeitsumgebung und Arbeitsbedingungen – somit auf die Gestaltung von Belastungen durch
die Arbeit. Sie zielt darauf ab, dass Gesundheits- und Ausführungsrisiken, die sich aus der
Arbeitsumwelt ergeben (z. B.: mangelhaft gestaltete Arbeitsabläufen oder Arbeitszeit), mög-
lichst verringert bis idealerweise beseitigt werden (Lohman-Haislah, 2012). Ein Beispiel für
eine verhältnisorientierte Maßnahmen ist: Einführung von störungsfreiem Arbeitszeitab-
schnitt, in welchem keine Anrufe und/oder Vorgesetzte und Kollegen den Arbeitsablauf un-
terbrechen können.
Verhaltensprävention. Der Ansatz der Verhaltensprävention bezieht sich auf den Mit-
arbeiter. Ziel der Verhaltensprävention ist die Vermeidung gesundheitsriskanter Verhaltens-
weisen, die Förderung von Gesundheitskompetenz und gesundheitsgerechtem Verhalten des
Individuums (Lohman-Haislah, 2012). In der Regel werden die Verhaltenspräventionen in
Form von Informations- und Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt, bei denen die Mitarbeiter
beispielsweise Bewältigungstechniken (Bsp.: Anti-Stress-Training; Ernährungsberatung) oder
Kenntnisse und Strategien für effizientes Arbeiten vermittelt bekommen (Hacker & Sachse,
2014).
Eine lernförderliche und gesundheitsstabilisierende Arbeitsgestaltung erfüllt die For-
derungen des Arbeitsschutzgesetzes nach Prävention. Das Arbeitsschutzgesetz, die DIN EN
ISO 6385 (2004, 2016), die DIN EN ISO 10075-3 und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin (2014) priorisieren die Verhältnisprävention als Mittel zur Wahl der psy-
chologischen Arbeitsgestaltung. Es gilt allgemeinhin - Verhältnisprävention geht vor Verhal-
tensprävention (Lohman-Haislah, 2012). Sie fordern ein Verändern potentiell gefährdender
Anhang
148
Arbeitsmerkmale (gemäß Gefährdungsbeurteilung). Der große Vorteil der Verhältnispräven-
tion liegt nicht nur in der Reduzierung beeinträchtigender Arbeitsbedingungen und –
belastungen für alle Mitarbeiter, sondern hat auch einen wirtschaftlichen Vorteil. Gut gestalte-
te Arbeitsplätze bleiben dem Unternehmen erhalten. Hingegen können Mitarbeiter, welche
seitens des Unternehmens alleinig umfassende Verhaltenspräventionsmaßnahmen erhalten
haben, das Unternehmen verlassen und somit würde die Kompetenz dem Unternehmen verlo-
ren gehen. Verhaltenspräventionen sollten ohnehin „Primärpräventiv“ sein. Das heißt, dass
Verhaltenspräventionen im besten Falle schon Bestandteil der Ausbildung bzw. Berufsquali-
fikation sein sollten und nicht erst als Weiterbildungsaktivität nach Eintritt erster Fehlbean-
spruchungsfolgen (Hacker & Sachse, 2014).
Nichtsdestotrotz sollten die verhältnisorientierten Gestaltungsmaßnahmen mit verhal-
tensorientierten Maßnahmen einhergehen und kombiniert werden. Dabei ist es wichtig die
Mitarbeiter in dem Umgestaltungsprozess der eigenen Tätigkeit zu beteiligen (Hacker &
Sachse, 2014). So können Verhaltenspräventionen (Bsp. Anti-Stress-Training) eine höhere
und nachhaltigere Wirksamkeit erzielen, wenn sich gleichzeitig an den arbeitsbedingten Be-
lastungen (Bsp.: Führungsstil; Arbeitsorganisation; Unternehmenskultur) etwas verändert.
Hacker und Sachse (2014) führen für diese Kombination drei Gründe an. Zum einen beziehen
sie sich auf die Wirkungsmechanismen. Damit ist gemeint, dass der Nutzen und das Vorgehen
der Verhältnisgestaltung vermittelt/gelehrt werden muss. Das heißt: Um von einer Verhältnis-
gestaltung profitieren zu können, bedarf es unter Umständen das Vermitteln von Verhaltens-
regeln /-kompetenzen (Bsp.: Bessere Rückmeldung durch Führungskräfte (Verhältnis) bedarf
i.d.R. Kommunikationstraining für Führungskräfte (Verhalten)). Des Weiteren nennen Hacker
und Sachse (2014) die Wirkungsbedingungen. So priorisiert das deutsche Arbeitsschutzgesetz
die Verhältnisprävention aus Gründen der Wirkungssicherheit und –breite. Es ist jedoch wich-
tig die Verhältnisprävention nicht zu bevorrechtigen, sondern die Arbeitsgestaltung anhand
der Belastungen der Mitarbeiter abzuleiten – sind Belastungen gravierend, welche mit Verhal-
tensprävention zu reduzieren sind, sind diese mit zu berücksichtigen. Als dritten Grund führen
die Autoren das betriebswirtschaftliche Interesse an. Es wird argumentiert, dass Verhaltens-
präventive Effekte mit dem Ausscheiden von Mitarbeitern verschwinden. Verhältnispräventi-
ve Lösungen hingegen verbleiben im Unternehmen und machen es attraktiv.
Anhang
149
Anhang I Eides stattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, Florian Schweden (geb. Henze), eidesstattlich, dass ich die vorliegen-
de Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegeben
Hilfsmittel, selbstständig angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt über-
nommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder im
Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vor-
gelegt.
Diese Arbeit wurde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg unter der Be-
treuung von Frau Prof. Dr. Renate Rau angefertigt.
Ort, Datum Unterschrift
Anmerkungen zur Eigenständigkeit
Gemäß der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (29.01.20164)
erfolgt eine Angabe des Eigenanteils in dieser Arbeit. Der Autor hat hinsichtlich der Rahmen-
schrift (Abschnitt 1-3, Abschnitt 5) einen Eigenanteil von 100% und hinsichtlich der Studien
(Abschnitt 4) einen Eigenanteil von 75%.
4 Entnommen am 24.10.2017 von:
https://www.dgps.de/fileadmin/documents/Empfehlungen_Vorstand_Dissertation_2015.pdf