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Auswirkungen des
Erschließungsrechts auf
Grundstückskaufverträge
Inauguraldissertation
zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Rechte (Dr. jur.) der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
der Technischen Universität Chemnitz
vorgelegt von
Notar Hagen Wolff
aus Bad Frankenhausen
3
Inhaltsverzeichnis 3
Literaturverzeichnis 7
Abkürzungsverzeichnis 11
Einleitung 15
Teil A Historische Entwicklung des Erschließungsrechts 17
I. Erschließungsrecht – Begriffsbestimmung 17
II. Geschichtliche Entwicklung 19
1. Entwicklung des Erschließungsrechtes 19
2. Entstehung des Erschließungsbeitragsrechtes 22
3. Rechtsgrundlage des aktuellen Erschließungsbeitragsrechtes 27
III. Problemstellung und Ziel der Arbeit 30
Teil B Die gegenwärtige Ausgestaltung des Erschließungs-, Ausbau- und An-
schlussbeitragsrechtes 33
I. Ablauf und Inhalt sowie Verantwortlichkeit für die Erschließung 33
1. Umfang der Erschließung 33
2. Zeitpunkt der Erschließung und Zeitpunkt der Beitragserhebung 34
3. Private Anlagen 36
4. Abrechenbarkeit der Erschließung 37
4.1. Beitragsfähige Erschließungsanlagen 37
4.1.1. Allgemeines 37
4.1.2. Herstellung selbständiger Straßen, Wege und Plätze 38
4.1.3. Nicht befahrbare Verkehrsanlage 39
4.1.4. Wohnwege 39
4.1.5. Sammelstraßen nach § 127 Abs. 2 Nr. 3 BauGB 41
4.1.6. Parkflächen und Grünanlagen 42
4.1.6.1. Parkflächen 42
4.1.6.2. Grünanlagen 42
4.1.7. Kinderspielplätze 43
4.1.8. Immissionsschutzanlagen 43
4.1.9. Widmung 44
4.1.10. Kostenspaltung 45
4.1.11. Persönliche Beitragspflicht 45
4.1.12. Fälligkeit des Erschließungsbeitrages 46
4.2. Erschließungsanspruch 46
4.2.1. Allgemein 46
4
4.2.2. Der Erschließungsanspruch aufgrund des Erlasses eines
qualifizierten Bebauungsplanes 47
4.2.3. Tatbestände, die einen Erschließungsanspruch entgegen der
Regelungen des § 123 Abs. 3 BauGB begründen 47
5. Abgrenzung und Inhaltsbestimmung des Ausbau- und
Anschlussbeitragsrechts 49
5.1. Ausbaubeitrag 49
5.1.1. Ausbaubeiträge auslösende Maßnahmen 49
5.1.1.1. Grundlagen 49
5.1.1.2. Wirtschaftswege 51
5.1.1.3. Altbestand (Straßen und Wege) 52
5.1.2. Erweiterung einer Anlage als beitragsfähige Ausbaumaßnahme 53
5.1.3. Verbesserung 53
5.2. Anschlussbeitrag 54
5.3. Kostenerstattungsmaßnahmen 57
6. Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten 60
7. Beitragspflicht und öffentliche Last im Anschluss- und
Ausbaubeitragsrecht in Abgrenzung zum Erschließungsbeitragsrecht 62
7.1. Allgemeine Voraussetzung der Beitragspflicht 62
7.2. Abgrenzung gegenüber Erschließungsbeitragsrecht 62
7.3. Sachliche Beitragspflicht 63
7.4. Persönliche Beitragspflicht 64
7.5. Rechtsfolgen eines fehlerhaften Beitragsbescheides 65
8. Sonderfälle der Erschließung 69
8.1. Beitragsfähige Maßnahmen, wenn das Grundstück noch im
Eigentum der Gemeinde steht 69
8.2. Erschließung im Sanierungs- und Entwicklungsgebiet 69
8.3. Erschließung bei Umlegung von Grundstücken 70
9. Vertragsformen zur Absicherung der Erschließung 71
9.1. Vorfinanzierungsvertrag 71
9.2. Kostenübernahmevertrag 73
9.3. Erschließungsvertrag 74
9.3.1. Definition 74
9.3.2. Form des Erschließungsvertrages 75
9.3.3. Gegenstand und Inhalt des Erschließungsvertrages 75
9.3.4. Genehmigungsvorbehalt 77
9.3.5. Angemessenheitsgebot 77
9.3.6. Betroffene Fremdanlieger 78
5
9.4. Erschließung im Rahmen eines Vorhaben- und Erschließungsplanes 80
9.4.1. Vorhaben- und Erschließungsplan 80
9.4.2. Das Vorhaben 81
9.4.3. Durchführungsvertrag 81
9.4.4. Weitere Voraussetzungen 82
9.5. Erschließungssicherungsvertrag bei Erschließung außerhalb
bebauter Ortsteile (§ 35 BauGB) 83
9.6. Ablösungsvereinbarung 84
9.7. Die durch Bescheid veranlasste Vorausleistung auf den
Erschließungsbeitrag 88
9.8. Die vertraglich vereinbarte Vorausleistung auf den
Erschließungsbeitrag 90
Teil C Grundstücksverkauf und Erschließung 91
1. Verkauf gemeindeeigener Grundstücke 91
1.1.1. Generelle Problematik 91
1.2. Verkauf gemeindeeigener Grundstücke – Ablösung der
Erschließungskosten mit dem Kaufpreis 91
1.2.1. Erschließungskosten nach dem Baugesetzbuch 91
1.2.2. Kommunalabgabenbeiträge 95
1.3. Verkauf gemeindeeigener Grundstücke – Abgeltung der
Erschließungskosten durch Zusagen, Verzichte, Erlass oder Vergleich 95
1.3.1. Zusagen, Verzichte, Erlass durch Verwaltungsrecht oder vertragliche
Vereinbarung 96
1.3.1.1. Zulässiger Verzicht gem. § 135 Abs. 5 BauGB 96
1.3.1.2. Zusagen, Verzichte, Erlass außerhalb von § 135 Abs. 5 BGB 96
1.3.1.2.1. Zusagen, Verzichte, Erlass durch vertragliche Vereinbarungen 97
1.3.1.2.2. Zusagen durch mündliche Erklärung 98
1.3.1.2.3. Verzicht oder Erlass durch formwirksamen Verwaltungsakt 98
1.3.2. Vergleich 99
2. Grundstückskaufverträge zwischen Privatpersonen 100
2.1. Verkauf eines Grundstückes, das der Verkäufer als
Erschließungsunternehmer gemäß Erschließungsvertrag mit
der Gemeinde selbst erschließt 100
2.2. Verkauf eines Grundstücks, bezüglich dessen der
Verkäufer die Erschließungskosten vor Abschluss des
Kaufvertrages durch Vereinbarung mit der Gemeinde abgelöst hat 103
6
2.3. Verkauf eines Grundstückes, dessen Erschließungskosten durch
Vorausleistung beglichen wurden 105
2.3.1. Verkauf eines Grundstückes, über dessen
Erschließungskosten eine Vorausleistung insgesamt oder zum
Teil aufgrund eines Vorausleistungsbescheides erbracht wurde 105
2.3.2. Verkauf eines Grundstückes, über dessen
Erschließungskosten eine Vorausleistungsvereinbarung getroffen
wurde 107
2.4. Verkauf eines Grundstücks, das von einem fremden
Privatunternehmer aufgrund eines Erschließungsvertrag
mit der Gemeinde erschlossen wurde 108
2.5. Verkauf eines Grundstücks, bei dem die Erschließungskosten
trotz Zusage des Verkäufers nicht bezahlt sind 111
2.6. Verkauf eines Grundstücks, bei dem die Erschließung
abgeschlossen ist und die Erschließungsleistungen bezahlt sind,
nachträglich aber weitere Leistungen der Vergangenheit abgerechnet
werden 113
2.7. Besondere Vertragstypen 115
2.7.1. Wohnungseigentumskauf 115
2.7.2. Erbbaurechtsvertrag 116
Teil D Die gesetzliche Regelung zur Kostenbeitragspflicht im
Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht 117
1. Bedeutung des § 436 BGB 117
1.1. Alte Regelung 117
1.2. Neue Regelung des § 436 BGB – Ziel des Gesetzgebers 118
1.3. Auswirkungen der Anwendung des § 436 BGB bei
unterschiedlichen Vertragssituationen 121
1.3.1. Normalfall 121
1.3.2. Verkauf von unerschlossenem Bauland 121
1.3.3. Verkauf von erschlossenem Bauland 124
1.3.4. Gewillkürte Erschließungsregelungen in Grundstückskaufverträgen 126
1.3.5. Würdigung der Neuregelung des § 436 BGB 128
2. Fazit und Schlussfolgerung 129
Teil E Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit 131
7
Literaturverzeichnis
I.
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II.
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preis bei Verkauf durch Gemeinde in Baden-Württemberg
Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage
Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, erschienen bei Forschungsgesellschaft für Stra-
ßen- und Verkehrswesen, Ausgabe 2006
www.rafranke.de/materialien/strabg.
www.juraforum.de/lexikon
www.notar-beckmann.de/grundeigentum
11
Abkürzungsverzeichnis
AO Abgabenordnung
AVELtV Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Erst-
versorgung von Elektrizitätskunden
AVB Fernwärmeverordnung Verordnung über allgemeine Bedingungen zur Versor-
gung mit Fernwärme
AVBGasV Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Gas-
versorgung von Tarifkunden
AVB Wasserverordnung Verordnung über allgemeine Bedingungen zur Versor-
gung mit Wasser
a. F. alte Fassung
BauGB Baugesetzbuch
BauNVO Baunutzungsverordnung
BayVBl. Bayerisches Verwaltungsblatt
BayVGH Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
BBauG Bundesbaugesetz
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl Bundesgesetzblatt
BImschG Bundesimmissionsschutzgesetz
BNatschG Bundesnaturschutzgesetz
Bsp. Beispiel
BT-Drucks. Bundestagsdrucksache
BVBL bzw. BVerwBl Bundesverwaltungsblatt
BVerfGE Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen
c. i. c. culpa in contrahendo
d. h. das heißt
DNotI Deutsches Notarinstitut
DNotZ Deutsche Notarzeitschrift
DVBl Deutsches Verwaltungsblatt
EnWG Energiewirtschaftsgesetz
Gas GVV Verordnung über die allgemeinen Bedingungen für die
Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatz-
versorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz
GBl. I Gesetzblatt I
GG Grundgesetz
12
GO-NW Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen
GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt
GVNW Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land
Nordrhein-Westfalen
HessStrG Hessisches Straßengesetz
h. M. hiesiger Meinung
i. S. d. im Sinne des
i. S. v. im Sinne von
i. V. m. in Verbindung mit
KAG Bayern Kommunalabgabengesetz Bayern
KAG Brand Kommunalabgabengesetz Brandenburg
KAG-BW Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg
KAG Hessen Kommunalabgabengesetz Hessen
KAG-LSA Kommunalabgabengesetz Land Sachsen-Anhalt
KAG-Meckl.Vorp Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern
KAG-NW Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen
KAG RP Kommunalabgabengesetz Rheinland Pfalz
KAG Saarland Kommunalabgabengesetz Saarland
KStZ Kommunale Steuerzeitung
kV Kilovolt
LKV Zeitschrift für Landes- und Kommunalverwaltung
LWG-NW Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
Mitt Bay Not Mitteilungen Bayerische Notarkammer
m. w. N. mit weiteren Nachweisen
n. F. neue Fassung
NJW Neue Juristische Wochenschrift
N KAG Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz
NVwZ Neue Verwaltungszeitschrift
NWVBl Nordrhein-Westfälisches Verwaltungsblatt
o. Ä. oder Ähnliches
OVG Oberverwaltungsgericht
Pr GS Preußisches Gesetzblatt
Pr OVG E Preußische Oberverwaltungsgerichtsentscheidungen
RASt Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen
Sächs. KAG Sächsisches Kommunalabgabengesetz
Sächs. W. G. Sächsisches Wassergesetz
13
StrG-BW Straßengesetz Baden-Württemberg
StromGVV Verordnung über die allgemeinen Bedingungen für die
Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatz-
versorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungslei-
tungssystem
StrWG-NW Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen
ThürBauO Thüringer Bauordnung
ThürKAG Thüringer Kommunalabgabengesetz
UPR Zeitschrift für Umwelt und Planungsrecht
u. U. unter Umständen
u. Ä. und Ähnliches
VerwVerfG Verwaltungsverfahrensgesetz
VGH Baden-Württemberg Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
ZGB Zivilgesetzbuch
z. B. zum Beispiel
15
Einleitung
Bei dem Erwerb von Immobilien ist ein immer wiederkehrendes Problem der Vertragsgestal-
tung die Regelung, welche Vertragspartei die Erschließungskosten trägt. Wie elementar dieses
Problem ist, lässt sich an der Tatsache ersehen, dass der Gesetzgeber anlässlich der am
01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform1 die Notwendigkeit gesehen hat, die bis
dahin geltende Regelung zu ändern. Nach altem Recht verhielt es sich so, dass nach § 436
BGB a. F. bestimmt wurde, der Verkäufer hafte nicht für die Freiheit des Grundstückes von
öffentlichen Abgaben und anderen öffentlichen Lasten, die zur Eintragung in das Grundbuch
nicht geeignet sind. Diese Vorschrift wurde ergänzt durch die Regelung des § 446 Abs. 1 Satz
2 BGB, wonach der Käufer die Lasten der Sache von dem Zeitpunkt der Übergabe an zu tra-
gen hatte. Ferner bestimmt § 103 BGB in diesem Zusammenhang, regelmäßig wiederkehren-
de Lasten wie Grundsteuer und Gebühren seien im Verhältnis der Dauer der Verpflichtung,
andere Lasten wie die im Grundsatz nur einmalig zu zahlenden Beiträge dagegen insoweit zu
tragen, als sie während der Dauer der Verpflichtung desjenigen zu entrichten sind, dem die
Lastentragung obliegt.
Aus dieser Regelung ergab sich die Problemsituation, dass, wenn zur Zeit des Ab-
schlusses des Grundstückserwerbsvertrages Beiträge noch unerledigt waren, die Kostentra-
gungspflicht jede Vertragsseite treffen konnte, je nachdem, ob die Fälligkeit des Beitrages vor
Übergabe oder nach Übergabe eintrat. Durch den am 01.01.2002 in Kraft getretenen § 436
BGB hat der Gesetzgeber nun die vorbezeichneten Regelungen ersetzt und geregelt, dass Er-
schließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens
der Beitragsschuld vom Verkäufer für die Maßnahmen zu tragen sind, die am Tag des Ver-
tragsschlusses bautechnisch begonnen worden sind.
Aufgrund der in den letzten Jahren ferner auftretenden immer größeren wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der Kommunen scheuen diese mehr und mehr die Tragung des Erschlie-
ßungskostenaufwandes. Inwiefern die von der Kommune dazu gefundenen Wege (Erschlie-
ßungsvertrag, Ablösevereinbarung etc.) und die nunmehrige gesetzliche Regelung des § 436
BGB bei der Vertragsgestaltung zu beachten sind, aber auch ob die durch den Gesetzgeber
nunmehr aufgrund der zuvor beschriebenen Problematik gefundene Neulösung den Interessen
der Vertragsparteien gerechter wird, soll in dieser Arbeit beleuchtet werden.
1 BT-Drucks. 14/6040, S. 218.
17
Teil A
Historische Entwicklung des Erschließungsrechts
I. Erschließungsrecht – Begriffsbestimmung
Der Begriff der Erschließung ist nirgendwo gesetzlich definiert. Er wird sogar im BauGB mit
unterschiedlichem Inhalt verwendet.2 Inhaltsgleich ist der Begriff der Erschließung im § 123
Abs. 1 als Gegenstand der Erschließungslast geregelt, im § 123 Abs. 3 (grundsätzlich kein
Rechtsanspruch auf Erschließung) und im § 124 Abs. 1 (vertragliche Übertragung der Er-
schließung auf einen Dritten). Der Begriff der Erschließung in diesen Bestimmungen prägt
auch den Begriff der Erschließungsanlagen im Sinne von § 123 Abs. 2 BauGB. Denn durch
die Herstellung der dort genannten Erschließungsanlagen wird die Erschließung im Sinne der
oben genannten Vorschriften bewirkt. Dagegen bezieht sich der Begriff der Erschließungsan-
lagen im Sinne von § 125 Abs. 1 und 2 (anders als in Absatz 3) nur auf den eingeschränkten
Kreis der erschließungsbeitragspflichtigen Erschließungsanlagen im Sinne von § 127 Abs. 2.
Nach allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Erschließung oder erschließen:
etwas für einen bestimmten Zweck zugänglich oder nutzbar machen..3
Das Erschließungsrecht ist Teil des Bauplanungsrechts (Bebauungsrechts). Denn alle
Maßnahmen, die der Erschließung dienen, verändern entweder unmittelbar Rechte an Grund
und Boden oder schaffen erst die Voraussetzung für die bauliche Nutzung von Grundstücken.4
Aus der räumlichen und sachlichen Nähe des § 123 Abs. 2 zu § 123 Abs. 1 ergibt sich
ferner, dass die Erschließung als Voraussetzung für die bauliche oder gewerbliche oder eine
andere, gleichwertige Nutzung des Bodens durch die Herstellung der Erschließungsanlagen
im Sinne von § 123 Abs. 2 bewirkt wird.5 Danach und in Anlehnung an die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes vom 16.07.1954 ist Erschließung wie folgt zu definieren:
Erschließung im Sinne von § 123 Abs. 1 ist die Gesamtheit der Maßnahmen, die die
Gemeinde oder ein sonstiger Aufgabenträger im Sinne von § 123 Abs. 1 in der Regel nach
Maßgabe eines Bebauungsplanes im gemeindlichen Bereich zu treffen hat, um die bauliche
oder gewerbliche Nutzung des Bodens durch Herstellung der für die Allgemeinheit bestimm-
ten Verkehrs- und Erholungsflächen sowie der Versorgungs-, Entsorgungs- und Schutzein-
richtungen, d. h. der Erschließungsanlagen im Sinne von § 123 Abs. 2, zu ermöglichen oder
zu erleichtern.
2 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 268. 3 Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 4 BVerfGE 3, S. 407 ff. 5 Ludyga/Steiner/Hesse, Schriftenreihe des Bayerischen Gemeindetages, § 123 Rn. 7.
18
Nach den vorangegangenen Ausführungen ist Erschließungsrecht eine Zusammenfas-
sung einer Vielzahl von Tatbeständen, die allesamt zum Gegenstand haben, die Bebaubarkeit
eines Grundstückes durch Sicherstellung der für die bauliche Nutzung erforderlichen Versor-
gung zu gewährleisten. Hierzu gehört zum Einen die Allgemeinversorgung des jeweiligen
Grundstückes, d. h. das Heranführen der allgemeinen Erschließungseinrichtungen an das
Grundstück mit der Möglichkeit der Schaffung des konkreten Anschlusses des Grundstückes
an diese Einrichtungen, zum anderen die konkrete Einzelversorgung. Erschließungsanlagen
gemäß § 123 Abs. 1 BauGB sind daher
• Abwassersammler
• Abwasserleitungen
• Frischwasserleitungen
• Stromleitungen
• Straßenbeleuchtung
• öffentliche Grünanlagen
• Straßen und Gehwege
• Telefon- bzw. andere Telekommunikationsleitungen
• Kinderspielplätze
• Immissionsschutzanlagen
• Abfallbeseitigungseinrichtungen
• Ferngasleitungen.
Die für den Bau oder die Sanierung dieser Erschließungsanlagen anfallenden Kosten können
von dem begünstigten Grundstückseigentümer anteilig angefordert werden. Die Grundlagen
für das Recht zur Einforderung der anteiligen Kosten ergeben sich aus dem jeweiligen Lan-
desrecht (z. B. § 8 KAG-NW, Art. 5 KAG Bayern, § 11 KAG Hessen) und dem BauGB.
§§ 123 – 135 BauGB ermächtigen die Kommune bzw. den öffentlich-rechtlichen Erschlie-
ßungsträger zur Veranlagung, Einforderung und gegebenenfalls Vollstreckung. In diesem
Zusammenhang sind die erschließungsbeitragspflichtigen von den nicht erschließungsbei-
tragspflichtigen Erschließungsanlagen abzugrenzen. In § 127 Abs. 2 sind als erschließungs-
beitragspflichtige Anlagen erwähnt die öffentlichen, zum Anbau bestimmten Straßen, Wege
und Plätze (Nr. 1), die öffentlichen, nicht befahrbaren Wege (Nr. 2), die Sammelstraßen (Nr.
3), die Parkflächen für den ruhenden Verkehr, die Grünanlagen (Nr. 4), die Anlagen zum
Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen (Immissionsschutzanlagen, Nr. 5). Diese An-
lagen sind – unter ausdrücklicher Ausklammerung der Kinderspielplätze im § 127 Abs. 2 Nr.
4 – erschließungsbeitragsfähige Erschließungsanlagen. D. h. die Gemeinden haben zur De-
ckung ihres Aufwands für ihre erstmalige Herstellung derartiger Anlagen gemäß § 127 Abs. 1
Erschließungsbeiträge zu erheben.
19
Im § 127 Abs. 4 sind die wichtigsten Erschließungsanlagen genannt, die nicht der Er-
schließungsbeitragspflicht unterliegen, aber als Erschließungsanlagen gelten, für die nach
anderen Vorschriften (insbesondere nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder, z. B.
§ 12, 14 ThürKAG, § 54 LWG-NW, § 8 KAG Brand6) Abgaben (Beiträge, Gebühren) erho-
ben werden können. Hierzu gehören Anlagen zur Ableitung des Abwassers sowie zur Versor-
gung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.
Somit sind Erschließungsanlagen zum Zwecke der Bebauung eines Grundstückes ge-
mäß § 127 Abs. 2 durch die Gemeinden herzustellen und sind gemäß § 127 Abs. 1 BauGB zur
Deckung des Aufwandes im Rahmen der erstmaligen Herstellung Erschließungsbeiträge beim
Grundstückseigentümer zu erheben.
Da zur Erschließung aber auch die in § 127 Abs. 4 genannten Erschließungsanlagen ge-
hören, ist sicherzustellen, dass ein zu bebauendes Grundstück auch mit den dort genannten
Einrichtungen und Anschlussmöglichkeiten versorgt ist, wobei hier die Kostenheranziehung
über Beiträge und Gebühren nicht durch die Gemeinde, sondern durch den Versorgungsträger
nach den geltenden Landesgesetzen (Kommunalabgabengesetzen) erfolgt. Das heißt, die Lan-
desgesetze normieren zum einen die Ermächtigung zur Versorgung, zum anderen das Recht,
einen Dritten, in der Regel einen Zweckverband oder eine kommunale Eigengesellschaft, mit
der Wahrnehmung der Versorgungspflichten und der Beitragserhebung zu beauftragen (z. B.
§ 54 LWG-NW, § 63 Sächs. WG usw.).
Schließlich muss im Rahmen der Versorgung aber auch, wie dargestellt, gewährleistet
sein, dass das Grundstück die Möglichkeit zum Anschluss an das Telekommunikationsnetz
sowie zur Beseitigung von festen Abfallstoffen hat.7
II. Geschichtliche Entwicklung
1. Entwicklung des Erschließungsrechtes
Das Recht des Grundeigentümers, seinen Boden nach seinem Belieben zu bebauen, ist als
Bestandteil des Eigentums in Deutschland seit über zwei Jahrhunderten anerkannt. So besagt
PreußALR (§ 65 I 8):
„In der Regel ist jeder Eigentümer, seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu beset-
zen oder sein Gebäude zu verändern, wohl befugt.“8
Daraus folgt nach h. L. Baufreiheit und zwar auch, ja vor allem gegenüber dem Staat.9
Dies bedeutet allerdings nicht, dass dem Eigentümer durch die Verfassung ein unbe-
schränktes Recht zum Bauen auf seinem Grundstück eingeräumt wird. Ein unbegrenztes
Recht, Grundstücke mit baulichen Anlagen zu besetzen, hat es in der deutschen Rechtsge-
6 Ludyga/Steiner/ Hesse, Schriftenreihe des Bayerischen Gemeindetage, § 123 Rn. 14. 7 Ludyga/Steiner/Hesse, Schriftenreihe des Bayerischen Gemeindetages, § 123 Rn. 14. 8 Leisner, DVBl. 1992, S. 1065 ff. 9 Leisner, DVBl. 1992, S. 1065 ff.
20
schichte nicht gegeben, vielmehr ist dieses Recht stets mit Rücksicht auf die Interessen der
Allgemeinheit eingeschränkt gewesen.10
So hieß es dann auch in den beiden folgenden Paragraphen der zuvor zitierten Norm des
Preußischen Allgemeinen Landrechtes
„Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens, oder zur Ver-
unstaltung der Städte und öffentlichen Plätze, kein Bau und keine Veränderung vorge-
nommen werden. Wer also einen neuen Bau an Städten anlegen will, muss davon zu-
vor der Obrigkeit zur Beurteilung Anzeige machen.“11
Diese Grundgedanken flossen dann auch in das Grundgesetz ein.
In Fortsetzung des Rechtsgedankens des Preußischen Allgemeinen Landesrechtes, wo-
nach der Einzelne sein Land bebauen darf, wenn die Rechte der Allgemeinheit beachtet wer-
den, wurde das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG normiert, das dahingehend ausgelegt wird,
dass eine Bebauung dort zugelassen werden muss, wo sie situationsgemäße oder einzige wirt-
schaftlich sinnvolle Nutzung eines Grundstückes ist, und weiter, dass durch Bauleitplanung
dem Grundeigentümer und dem privaten Bebauungsinteresse in verfahrens- und materiell-
rechtlich korrekter Wahrnehmung der planerischen Gestaltungsfreiheit Rechnung getragen
wird.12
Entsprechend ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG i. V. m. § 123 Abs. 3 BauGB die Be-
rechtigung, aber auch die Verpflichtung zur Erschließung als Selbstverwaltungsaufgabe der
Gemeinde.13
In ihrer Gesamtheit ist die Erschließung (wie bereits ausgeführt)14 die Summe der bauli-
chen Maßnahmen, die die bauliche oder gewerbliche Nutzung des Baulandes durch Herstel-
lung von für die Allgemeinheit bestimmten Erschließungsanlagen ermöglichen und erleich-
tern. Die Erschließung zielt auf das Baureifmachen von Grundstücken.15 Sie wird damit zu
einer grundlegenden Voraussetzung für ein geordnetes Zusammenleben der Bevölkerung.
Die Konkretisierung dieser grundsätzlich vorgegebenen Rahmenüberlegungen sollte
dann im Bundesbaugesetz erfolgen. In § 135 der Regierungsvorlage zum Bundesbaugesetz16
war eine Bestimmung enthalten, die den Inhalt der Erschließung definierte. Diese hat keinen
Eingang in das Gesetz gefunden, u. a. weil der Gesetzgeber den Begriff der Erschließung als
10 BVerfGE 35, S. 263 (276), BVerfG, NVwZ 1992, S. 972 f. 11 ALR I8 § 65. Vgl. auch V. Kreittmayr, Anmerkung über den codicem maximilianeum bavaricum civilim, 2. Teil, 1761, S. 833. 12 Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 685. 13 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 5 Rn. 23. 14 Siehe Teil A I. 15 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 5 Rn. 1. 16 Vgl. BT-Drucks. 3/336, S. 35 und 97.
21
bekannt und durch andere Vorschriften des Gesetzes ausreichend verdeutlicht ansah.17 Ent-
sprechendes gilt für den Gesetzgeber des Baugesetzbuches 1986.18
Schließlich wurde dann das Bundesbaugesetz in der Fassung von 196019, später 197620
verabschiedet. Hier wurde die Erschließung mit wenigen Abweichungen zum heutigen Bau-
gesetzbuch geregelt. Die Novellen des Baugesetzbuches in den Jahren 1976 und 197921 haben
das Erschließungsrecht kaum berührt. Auch der Erlass des Baugesetzbuches in seiner jetzigen
Fassung führte kaum zu Änderungen. Die ursprünglichen Regelungen des § 123 Bundesbau-
gesetz sind durch das Baugesetzbuch nicht verändert, sondern lediglich auf die §§ 123 und
124 des jetzigen Baugesetzbuches verteilt worden.22 Die übrigen Bestimmungen der §§ 123
bis 135 BauGB sind bis auf wenige Veränderungen wortgleich geblieben.
Fußend auf den Prinzipien des Preußischen Rechts ist damit durch das Baugesetzbuch
ein System gestaltet worden, das die bauliche Nutzbarkeit eines Grundstückes als Zusammen-
spiel von Eigentümerdisposition und gemeindlicher Bauleitplanung begreift. Teil dieser ge-
meindlichen Bauleitplanung ist es sicherzustellen, dass das zu bebauende Grundstück er-
schlossen ist. Der Begriff der Erschließung wurde jedoch, wie dargestellt, nicht gesetzlich
definiert.23
Vielmehr wurde den Gemeinden die Planungsverantwortung in ihrem Gebiet zuerkannt.
Die Planungshoheit wurde zugleich als Planungspflicht normiert. Die Gemeinden haben nach
§ 1 Abs. 3 BauGB die Bauleitplanung so zu gestalten, wie es für die städtebauliche Entwick-
lung und Ordnung erforderlich ist. Grundeigentum und Baufreiheit gehen in die planerische
Abwägung als zu berücksichtigende private Belange ein.24 Die bauplanungsrechtliche Zuläs-
sigkeit eines Bauvorhabens wird isoliert überprüft. Dies geschieht in der Regel im Bauge-
nehmigungsverfahren, das sich nach der jeweiligen (Landes-) Bauordnung richtet (z.B. §§ 70,
71 ThürBauO).
§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt, dass die Bauleitpläne von den Gemeinden in eige-
ner Verantwortung aufzustellen sind. Die Bauleitplanung gehört damit zum eigenen Wir-
kungskreis der Gemeinden.25 Bauleitpläne sind gemäß § 1 Abs. 2 BauGB der Flächennut-
zungsplan und der Bebauungsplan. Entsprechend enthalten die Gemeindeordnungen der Län-
der Regelungen zur Aufstellung und Bekanntmachung dieser Bauleitpläne durch die Gemein-
den, exemplarisch §§ 7, 41 GO-NW. 17 Vgl. Ausschussbericht, zu BT-Drucks. 3/1794, S. 23. 18 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 5 Rn. 23 sowie BGBl. I, S. 2253 ff; geändert durch Gesetz vom 25.07.1988; BGBl. I, S. 1093 ff. 19 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Teil B Einleitung, Rn. 50 sowie BGBl. I, S. 341 ff. 20 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 10 und 10 a, S. 22 sowie BGBl. I, S. 546 ff. 21 BGBl. I, S. 949 ff. 22 Ludyga/Steiner/Hesse, Schriftenreihe des Bayerischen Gemeindetages, § 123 BauGB Rn. 1. 23 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 5 Rn. 1. 24 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 28. 25 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 2.
22
Durch dieses System wurde somit auch ohne explizite gesetzliche Normierung sicher-
gestellt, dass durch gemeindliche Gestaltung hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen
der Erschließung auf örtliche Gegebenheiten und die jeweiligen landesrechtlichen Bestim-
mungen Rücksicht genommen werden kann.26
2. Entstehung des Erschließungsbeitragsrechtes
Vom Erschließungsrecht zu trennen ist das Erschließungsbeitragsrecht.
Die Kosten für Erschließungsmaßnahmen als Beiträge – Erschließungsbeiträge – zu re-
geln, knüpft an wiederum an das Preußische Kommunalabgabengesetz vom 14.07.189327, wo
§ 9 wie folgt lautete:
„Die Gemeinden können behufs Deckung für die Herstellung von Veranstaltungen,
welche durch das öffentliche Interesse erfordert werden, von denjenigen Grundstücks-
eigentümern und Gewerbetreibenden, denen hierdurch besondere wirtschaftliche Vor-
teile erwachsen, Beiträge zu den Kosten der Veranstaltungen erheben. Die Beiträge
sind nach den Vorteilen zu bemessen.“
Aus diesem Grundsatz wurde hergeleitet, dass die Erschließungsleistung durch den durch die
Erschließung begünstigten Grundstückseigentümer im Sinne von Leistung und Gegenleistung
abzugelten ist. Dabei wurde die Abgeltung als Beitrag definiert. Schon in seiner Kommentie-
rung des Preußischen Kommunalabgabengesetzes erklärte Surén den Beitrag wie folgt:
„Beiträge sind einmalige Zuschüsse, die indessen nicht notwendig in einem Betrage
geleistet zu werden brauchen, sondern nach dem Beschluss der Gemeinde auch in
Teil- oder Ratenzahlungen entrichtet werden können.“ 28
Der Ausgleich von Vorteilen und Lasten ist der den Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne legi-
timierende Gesichtspunkt.29 Ist eine bestimmte beitragsrechtlich relevante Leistung der
Kommune durch die Zahlung eines Beitrags als Gegenleistung entgolten, steht einer erneuten
Veranlagung der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegen. Er ist dem Bei-
trag wesensimmanent.30
Spezialgesetzlich war erstmals im preußischen Fluchtliniengesetz vom 2.7.187531 den
Gemeinden die Befugnis eingeräumt, durch Ortsstatut festzusetzen, dass bei der Anlegung
einer neuen oder bei der Verlängerung einer bestehenden Straße sowie bei dem Anbau an
schon vorhandenen, bisher unbebauten Straßen von dem Unternehmen der neuen Anlage oder
von den Anliegern, von letzteren, sobald sie Gebäude an der neuen Straße errichteten, die
26 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 3. 27 Pr GS 1893, S. 152. 28 Suren, Das preußische Kommunalabgabengesetz von 1944, Rn. 1 zu § 9, S. 74. 29 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 5. 30 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 5. 31 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 2 sowie Pr GS 1875, S. 561.
23
Freilegung, die erste Einrichtung, die Entwässerungs- und die Beleuchtungsvorrichtung der
Straße beschafft werden, sowie deren zeitweise höchstens fünfjähriger Unterhalt, bzw. ein
verhältnismäßiger Beitrag oder der Ersatz der zu allen diesen Maßnahmen erforderlichen Kos-
ten geleistet werde. Zu dieser Verpflichtung konnten die Anlieger nicht für mehr als die Hälf-
te und höchstens für 13 Meter Straßenbreite herangezogen werden. Die Gemeinden waren
nicht verpflichtet, solche Satzungen zu erlassen.
Wo Satzungen bestanden, war im allgemeinen von der Verpflichtung der Anlieger zur
Herstellung und Unterhaltung der Straße abgesehen worden, so waren diese statt dessen viel-
mehr verpflichtet worden, die im Gesetz bezeichneten Kosten durch Beiträge zu ersetzen,
seltener, einen Anteil an diesen Kosten zu tragen.32
Da Erschließungsrecht vor Erlass des Bundesbaugesetzes Landesrecht war, war in den
meisten Landesgesetzen eine Regelung enthalten, die sich im Wesentlichen an das zuvor zi-
tierte preußische Fluchtliniengesetz anlehnte.33
Auf dieser ortsgesetzlichen Grundlage entstand die Beitragspflicht, wenn ein Gebäude
an der Straße auf dem angrenzenden Grundstück durch den Eigentümer errichtet wurde und
die Straße bauprogrammmäßig in der den Bedürfnissen entsprechenden Weise hergestellt war.
Beide Voraussetzungen mussten zur Entstehung der Beitragspflicht zusammentreffen, wenn
sie auch zeitlich voneinander getrennt sein konnten. Das Ortsstatut konnte die Möglichkeit
eröffnen, die Kosten einzelner, vollständig durchgeführter Leistungen gesondert zusammen-
zurechnen und umzulegen. Der Berechnung des Beitrages wurden die Kosten der einzelnen
Straßen zugrunde gelegt. Die Verteilung auf die Anlieger erfolgte zumeist nach dem Verhält-
nis der Länge der die Straßen berührenden Grundstücksgrenze. § 10 des preußischen Kom-
munalabgabengesetzes34 hatte auch die ortsstatutarische Einführung anderer Maßstäbe für
zulässig erklärt, insbesondere ein Abstellen auf die bebauungsfähige Fläche. Eine Möglich-
keit, Vorausleistung von den Eigentümern zu verlangen, gab es nach § 15 des preußischen
Fluchtliniengesetzes nicht.35 Doch waren freiwillige Leistungen der Anlieger auf den künfti-
gen Anliegerbeitrag zulässig.
In diesem Zusammenhang war das sogenannte ortsstatutarische Bauverbot aus § 12 des
preußischen Fluchtliniengesetzes bedeutsam: Danach konnten die Gemeinden durch Ortssta-
tut bestimmen, dass an Orten oder Straßenteilen, die noch nicht gemäß den örtlichen baupoli-
zeilichen Vorschriften für den öffentlichen Verkehr und den Anbau fertiggestellt waren,
Wohngebäude mit einem Ausgang zu diesen Straßen nicht errichtet werden durften. Damit
sollte den Gemeinden ein Mittel in die Hand gegeben werden zu verhindern, dass sie durch
uneingeschränkte Bautätigkeit gezwungen würden, Straßen auszubauen, die im Interesse einer
32 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 2a. 33 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 2. 34 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 2a sowie Pr GS 1893, S. 152. 35 Pr GS 1875, S. 561.
24
geordneten Entwicklung der Gemeinde jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendig
waren. Da die Gemeinden jedoch das Recht hatten, Ausnahmen von dem zuvor dargestellten
Verbot vorzusehen und die Bedingungen festzulegen, unter denen eine Ausnahme bewilligt
werden konnte, hatte sich die Praxis eingebürgert, die Ausnahmebewilligung an Bedingungen
bezüglich Leistungen für die Straßenherstellung zu knüpfen und mit den Anliegern Verträge
abzuschließen, in denen sich diese verpflichteten, das Straßenland unentgeltlich an die Ge-
meinde abzutreten, bereits entstandene Straßenbaukosten sogleich zu erstatten und Sicherheit
für die künftig entstehenden Anliegerbeitragsforderungen zu leisten.36
Hierdurch war somit erstmals ein System entstanden, aufgrund dessen die Gemeinden
die Möglichkeit hatten, im Rahmen der Zurverfügungsstellung von Bauland Kosten auf den
Bauwilligen bzw. den Grundstückserwerber umzulegen, die dadurch entstanden sind, dass
dessen Grundstück mit allgemeinen Versorgungseinrichtungen versehen wurde.
Eine andere Regelung galt in Bayern: Hier war die Erschließung keine Pflichtaufgabe
der Gemeinde, sondern vielmehr Sache des Bauherren. Eine Bauerlaubnis wurde daher erst
erteilt, wenn die Herstellung der Straße gesichert oder eine Sicherheitsleistung erbracht war.
Diese Regelung war dann Gegenstand privater Vereinbarungen zwischen dem Bauherren und
der Gemeinde.37
Die vorbezeichneten Regelungen enthielten erhebliche Nachteile: Zum einen war die öf-
fentliche Aufgabe der Erschließung nicht klar normiert und die Gemeinde zur Beitragserhe-
bung zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, zum anderen verleitete die Regelung die Ge-
meinden dazu, keine oder nur sehr geringe Anliegerbeiträge zu erheben. Darunter litt dann die
Erschließung von Bauland, die angesichts der raschen Vermehrung und der starken regionalen
Verschiebung der Bevölkerung in vielen Gemeinden mittlerweile dringend notwendig war
und für die die notwendigen Mittel dann nicht aufgebracht werden konnten.
Weiterhin problematisch war, dass die Beitragspflicht erst entstand, wenn ein Gebäude
an der Straße errichtet war: Solange die Grundstücke an den fertiggestellten Straßen nicht
bebaut waren, erhielt die Gemeinde jedoch keinen Ersatz für die Straßenbaukosten. Die Folge
war, dass auch die Gemeinden, die Ortsstatute gemäß § 15 des preußischen Fluchtliniengeset-
zes erlassen hatten, entweder aus Geldmangel kein neues Baugelände erschließen konnten
oder neues Bauland erschlossen, obwohl baureifes Gelände an fertigen Straßen ausreichend
vorhanden war. Der Anbau an unfertigen Straßen wurde dadurch nicht beschränkt, sondern
sogar gefördert. Es gab gemeindliche Fluchtlinienfestsetzungen und Verzögerungen der end-
gültigen bauprogrammmäßigen Herstellung der Straße, nur um die Rechte aus diesem Anbau-
verbot zu erhalten. Den Anliegern stand kein Anspruch auf Anlegung der Straße zu. Außer-
dem führte das System zu ungerechten Ergebnissen:
36 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 2a. 37 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 4.
25
Der an eine Sammelstraße angrenzende Eigentümer bezahlte verhältnismäßig hohe Bei-
träge, obwohl die über die reine Erschließungsfunktion hinaus gehende Bedeutung der Straße
für das anliegende Grundstück keine wirtschaftliche Relevanz hatte, sondern eher eine Wert-
minderung mit sich brachte. Der an eine schmale Wohnstraße angrenzende Eigentümer kam
mit verhältnismäßig geringen Beiträgen davon, obwohl die breite Sammelstraße für die Er-
schließung auch seines Grundstückes notwendig war. Grundlage für die Berechnung der Höhe
des Beitrages war nämlich die Länge der die Straße berührenden Grundstücksgrenze, be-
zeichnet als Frontmetermaßstab.38 Der in der Praxis überwiegend angewandte Frontmeter-
maßstab39 nahm keine Rücksicht auf Art und Umfang der Nutzung der Grundstücke und der
durch sie ungelösten Belastung der Straßen. Begünstigt wurde die hohe Grundstücksausnut-
zung.
Die dargestellten Schwächen haben vor Einführung des Grundgesetzes zu mehreren ge-
setzgeberischen Reformversuchen geführt. Schon der preußische Regierungsentwurf eines
Städtebaugesetzes aus dem Jahre 1925 enthielt eine Neuregelung des Anliegerbeitragsrechtes.
Danach sollte für unbebaute, aber gewerblich genutzte Grundstücke die Hälfte der Anlieger-
beiträge vorschussweise gezahlt werden. Die beitragsfähigen Aufwendungen waren herabge-
setzt. Die Erschließungsanlagen konnten zu wirtschaftlichen Einheiten zusammengefasst und
der Beitrag nach Einheitssatz berechnet werden.40
Auch der Referentenentwurf eines Reichsgesetzes über die Erschließung und Beschaf-
fung von Baugelände und der Referentenentwurf für ein Reichsstädtebaugesetz von 193141
enthielten Regelungen des Anliegerbeitragsrechtes. So enthielt der Entwurf aus dem Jahre
1931 eine Regelung, wonach die Beitragsberechnung bei einer Mehrfachanschließung an
Straßen und Plätzen als Einheit behandelt werden konnte. Die Berechnung der Beiträge sollte
nach der zulässigen baulichen Ausnutzung oder einem sonstigen, die wirtschaftlichen Vorteile
berücksichtigenden Maßstab erfolgen.42 Nähere Vorschriften sollten dem Landesrecht über-
lassen werden.
Jedoch ist es zu einer abschließenden Regelung dieser Materie in der Weimarer Repub-
lik nicht mehr gekommen.
Erstmals konkrete Gestaltungsvorschläge fanden sich dann im Referentenentwurf eines
Bundesbaugesetzes aus dem Jahre 1950.43 Hier sollten die Anliegerbeiträge durch Baukosten
und Wertsteigerungsabgaben ersetzt werden. Die Ersteren sollten als einmalige Abgaben für
die Baukosten, bemessen nach Vom-Hundertsätzen, erhoben werden, und zwar nach Herstel-
lung der Straße und Fertigstellung des Bauwerks. Die Wertsteigerungsabgabe sollte die ohne
38 Pr OVG E 60, S. 119. 39 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 4. 40 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 5a. 41 RABl. 1931 I, S. 266 ff. 42 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 5. 43 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 6.
26
eigenes Kapital und eigenen Arbeitsaufwand dem Eigentümer erwachsenen Steigerungen des
Bodenwertes erfassen.
Eine weitere konkrete Ausarbeitung fand sich dann in dem Kommissionsentwurf des
Bundesbaugesetzes wieder.44 Hier war eine umfassende Regelung des gesamten Erschlie-
ßungsrechtes vorgesehen. Da es sich um ein Bundesgesetz handelte, sollten hier die rechtli-
chen Voraussetzungen der Erschließung und die grundsätzlichen Anforderungen an die bauli-
che Ausführung der Erschließungsanlagen näher geregelt werden. Für das Erschließungsbei-
tragsrecht sah der Entwurf eine sich an die Grundsätze des früheren preußischen Rechtes an-
lehnende, recht detaillierte Regelung vor, die wesentliche Neuerungen enthielt. Die Gemein-
den sollten verpflichtet sein, Beiträge zu erheben, der gesamte beitragsfähige Aufwand sollte
für Erschließungszonen zusammengerechnet werden. Für die Beitragsabrechnung sollten Ein-
heitssätze ermittelt werden, Bemessungsgrundlage sollten grundsätzlich die Geschossflächen
sein. Die Beitragspflicht sollte mit Widmung der Fläche, bei Abwässeranlagen mit An-
schlussmöglichkeit entstehen, die Länder sollten befugt sein, andere Abgabenregelungen zu
treffen.45
Diese Vorschläge sind im Regierungsentwurf des Baugesetzbuches aus dem Jahre
195846 sehr weitgehend übernommen, in der parlamentarischen Beratung jedoch erheblich
verändert worden. Das Parlament war der Meinung, dass für die Erschließung sich seit lan-
gem in der gemeindlichen Praxis allgemein anerkannte Grundsätze entwickelt hätten, auf de-
ren normative Festlegung verzichtet werden könnte. Das gelte um so mehr, als eine umfas-
sende bundesrechtliche Regelung des Erschließungsrechtes zu Eingriffen in das zur Kompe-
tenz des Landesgesetzgebers gehörende allgemeine Wegerecht hätte führen müssen. Die
Kompetenz des Landesgesetzgebers für das allgemeine Wegerecht (Recht zur Regelung der
Rechtsverhältnisse an Straßen und Wegen)47 ergibt sich aus Art. 30, 70 Abs. 1 GG, der den
Ländern die Befugnis zur Regelung der Rechtsverhältnisse an öffentlichen Straßen und We-
gen gibt48, mit Ausnahme der Fernstraßen, die gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 in die Kompetenz
des Bundes fallen49. Im Ergebnis sind dann die meisten einschlägigen Vorschriften des Regie-
rungsentwurfes gestrichen worden und man entschied sich dafür, dass die Erschließung
grundsätzlich gemeindliche Aufgabe sei. Die Herstellung der öffentlichen Straßen, Wege und
Plätze setzt, weil sie praktisch die bauliche Entwicklung der Gemeinden festlegt, grundsätz-
lich einen Bebauungsplan voraus oder aber die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehör-
44 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 6a. 45 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 6a. 46 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Vorbemerkung §§ 123 – 135 Rn. 6b, BT-Drucks. 3/336. 47 BVerfGE 42, S. 20 ff. 48 BVerfGE 34, S. 139 (152). 49 BVerfGE 42, S. 20 ff.
27
de.50 Für das Recht der Erschließungsbeiträge dagegen wurde eine vollständige Regelung
beschlossen.
Das nunmehr durch die Gesetzgebung festgelegte System (des Baugesetzbuches) stellt
eine erhebliche Abweichung gegenüber dem früheren Rechtszustand dar. So steht die Erhe-
bung der Beiträge nicht mehr im Ermessen der Gemeinde, der Kreis der beitragsfähigen An-
lagen ist entsprechend den Erfordernissen des modernen Städtebaus auch auf Plätze, Sammel-
straßen, Parkflächen und Grünanlagen erweitert worden. Bei der Kostenspaltung sind die
Gemeinden freier gestellt als zuvor: Sie ist nicht mehr auf fünf Teileinrichtungen nach dem
preußischen Fluchtliniengesetz beschränkt, der beitragsfähige Aufwand muss nicht nach den
tatsächlichen Aufwendungen, sondern kann auch nach Einheitssätzen ermittelt werden, dabei
können Erschließungseinheiten gebildet werden, und die Beitragspflicht entsteht unabhängig
von der Bauausführung.
3. Rechtsgrundlage des aktuellen Erschließungsbeitragsrechtes
Nach Artikel 70 GG ist die Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern in der
Weise aufgeteilt, dass die Länder das Recht der Gesetzgebung besitzen, soweit nicht das GG
dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit
für das Gebiet des Erschließungs- und des Ausbaubeitragsrechtes zwischen Bund und Län-
dern hängt deshalb davon ab, inwieweit das Grundgesetz dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse
für dieses Rechtsgebiet verliehen hat. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes vom 27.10.199451 am 15.11.1994 behandelte keine Bestimmung im GG aus-
drücklich die Gesetzgebungszuständigkeit für das Gebiet des Erschließungsbeitragsrechtes.
Bis zu diesem Zeitpunkt ergab sich jedoch die Befugnis des Bundes, Regelungen über das
Erschließungsbeitragsrecht zu treffen, aus Art. 74 Nr. 18 GG in der seinerzeitigen Fassung.
Diese Vorschrift verleiht dem Bund unter anderem das Recht der konkurrierenden Gesetzge-
bung für das „Bodenrecht“. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Rechtsgutachten vom
16.06.1954 über die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes im Bereich des Baurechtes52
festgestellt, dass die Materie des Bodenrechts auch das Bauplanungsrecht umfasst, weil die
verbindlichen Bebauungspläne bestimmen, in welcher Weise der Eigentümer sein Grundstück
nutzen und ob und wie er es bebauen darf. Zum Bauplanungsrecht gehört auch das Erschlie-
ßungsrecht, denn alle Maßnahmen, die der Erschließung dienen, verändern entweder die Bau-
rechte am Grund und Boden oder schaffen erst die Voraussetzung für die bauliche Nutzung
von Grundstücken. Das Erschließungsrecht legt die Grundsätze fest, nach denen die Erschlie-
ßung vorzunehmen ist, und bestimmt, wie die Maßnahmen durchzuführen sind und wer die
Kosten zu tragen hat.53 Somit hat der Gesetzgeber des Bundes durch die Schaffung des
50 Siehe hierzu auch die Ausführungen zu Teil A II 1. 51 BGBl. I, S. 1346 ff. 52 BVerfGE 3, S. 407 ff. 53 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 8 und 9.
28
BBauGB bzw. des BauGB und die entsprechenden Bestimmungen zum Erschließungsrecht
von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und die Erschließung im BauGB
geregelt.
Durch das Gesetz zur Änderung des GG vom 27.10.199454 wurde jedoch eine Änderung
vorgenommen. Gegen den nachdrücklichen Widerstand des Bundesverbandes der kommuna-
len Spitzenverbände und auch ungeachtet der engen sachlichen Verknüpfung zwischen Er-
schließungs- und Erschließungsbeitragsrecht hat der Verfassungsgesetzgeber – dem Vor-
schlag der gemeinsamen Verfassungskommission in ihrem Bericht vom 05.11.199355 folgend
– durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994 in Art. 74 (jetzt Abs. 1)
Nr. 18 GG nach den Wörtern „das Bodenrecht“ den Klammerzusatz „ohne das Recht der Er-
schließungsbeiträge“ eingefügt, dadurch die Gesetzgebungskompetenz für das Erschließungs-
beitragsrecht vom Erschließungsrecht getrennt und der ausschließlichen Gesetzgebungskom-
petenz der Länder unterstellt.
Im gleichen Zusammenhang wurde jedoch Art. 125 a Abs. 1 Satz 1 GG neu aufgenom-
men, der folgendes bestimmt:
„Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, welches wegen Änderungen des Ar-
tikels 74 Abs. 1 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundes-
recht fort.“
Die damit angesprochenen Voraussetzungen treffen auf das Erschließungsbeitragsrecht mit
der Folge zu, dass die bisher vom Bund erlassenen erschließungsbeitragsrechtlichen Vor-
schriften als Bundesrecht in Kraft bleiben. Allerdings kann das weitergeltende bundesrechtli-
che Erschließungsbeitragsrecht durch Landesrecht ersetzt werden.56 Bestrebungen der Länder,
aufgrund der neu erwachsenen Gesetzgebungskompetenz Änderungen im Erschließungsbei-
tragsrecht zu verabschieden, sind nur in Baden-Württemberg und Bayern bislang erkennbar.
In Baden-Württemberg ist am 01.10.2005 ein eigenes landesrechtliches Erschließungsbei-
tragsgesetz in Kraft getreten, das die bisherige Regelung der §§ 127 ff. BauGB ersetzt.57 In
Bayern ist im Rahmen der Einfügung des Grünanlagengesetzes in Art. 5 a des Kommunalab-
gabengesetzes58 das Erschließungsleitungsrecht in das Landesrecht übernommen worden.
Dies folgt aus einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, in der dieser
wörtlich erkannt hat: „... die objektive Auslegung des Art. 5 a KAG führt zu dem Ergebnis,
dass der bayerische Landesgesetzgeber die § 127 bis 135 BauGB in der am 01.01.1997 ge-
54 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 9; BGBl. I, S. 1346 ff. 55 BT-Drucks. 12/6000; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 10. 56 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 10. 57 DNotI Report 2006, S. 39 ff.; KAG-BW, GBl. BW 2005, S. 206 ff. 58 GVBl., S. 541 ff.
29
ltenden Fassung in bayerisches Landesrecht überführt hat.“59. Daraus folgt, dass in Bayern die
§§ 127 – 135 kraft Landesrecht gelten und nicht kraft Bundesrecht.60
Die am 01.09.2006 in Kraft getretene sogenannte Föderalismusreform61 hat die Artikel
74 a und 75 GG aufgehoben.62 Auswirkungen auf die gemäß Artikel 74 ohnehin schon festge-
legte Möglichkeit, das bundesrechtliche Erschließungsrecht durch Landesrecht zu ersetzen,
haben sich hierdurch nicht ergeben.63 Im Rahmen der Diskussionen zur Föderalismusreform
wurde in Berlin am 16.03.2006 ein Straßenausbaubeitragsgesetz erlassen.64 Ein derartiges
Gesetz gab es bis dahin in Berlin nicht, weshalb es an bereits existierenden Gesetzen anderer
Bundesländer orientiert wurde. Die Verabschiedung eines landesrechtlichen Erschließungs-
rechtes entsprechend der Ermächtigung des Artikel 74 GG erfolgte jedoch auch aufgrund der
Föderalismusreform in keinem weiteren Bundesland. Im Straßenausbaubeitragsgesetz des
Landes Berlin, wie in allen anderen Bundesländern ausgenommen Baden-Württemberg, wur-
de geregelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen Grundstückeigentümer für die Verbesse-
rung, Erweiterung und Erneuerung – nicht jedoch schon für die erstmalige Herstellung von
Straßen, Wegen und Plätzen herangezogen werden können, denen durch die Möglichkeit der
Inanspruchnahme der ausgebauten Verkehrsanlagen Vorteile geboten werden.65 Weitere
Auswirkungen der Föderalismusreform auf das Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht sind
nicht eingetreten.
Grundsätzlich gilt daher auch hinsichtlich des Erschließungsbeitragsrechtes nach wie
vor das sich aus dem BauGB ergebende Recht fort (mit Ausnahme Baden-Württembergs).
Aus den ursprünglichen Ansätzen des preußischen Fluchtliniengesetzes und aus den
vorbezeichneten Rechtsgrundsätzen des Preußischen Kommunalabgabengesetzes wurde somit
das bundesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht nach dem Baugesetzbuch entwickelt, des
weiteren und daneben wurden durch Landesgesetzgebung Kommunalabgabengesetze erlassen
(zum Beispiel: KAG-NW, KAG-Hess, Thür-KAG, KAG-Brand). Rechtsgedanke des Er-
schließungsbeitragsrechtes ist es, dass die gemeindliche Erschließungstätigkeit dem Grundei-
gentümer einen Wertzuwachs verschaffe, der ihm unberechtigterweise verbliebe, wenn er
nicht zu den Kosten der Erschließung herangezogen werden würde und daher nicht die antei-
lig auf sein Grundstück entfallenden Aufwendungen zu tragen hätte.66 Weiterer Grundsatz
dieses Beitragsrechtes ist, dass die Person, die schon einmal im vollen Umfang zu einem end-
gültigen Beitrag herangezogen worden ist, nicht noch einmal für die Kosten derselben bei-
tragsfähigen Maßnahme mit einer Abgabe belastet wird. Anderenfalls müsste der Betroffene 59 BayVGH, BayVBl. 2003, S. 21 ff. 60 BVerwG NVwZ 2002, S. 1505 ff. 61 www.rafranke.de/materialien/strabg sowie dazu Ipsen, NJW 2006, S. 2801 ff. 62 BGBl. I, S. 2034 ff. 63 Bardenhewer, Liegenschaftsrecht, S. 3, 1.3. 64 GVBl. S. 265 ff. 65 § 1 Straßenausbaubeitragsgesetz vom 16.03.2006 des Landes Berlin und www.rafranke.de/materialien/strabg. 66 BVerfG, Beschluss vom 08.11.1972, NJW 1973, S. 505 ff.
30
für den ihm durch ein und dieselbe gemeindliche Leistung vermittelten Vorteil mehrfach be-
zahlen; das wäre mit dem Grundgedanken des Ausgleichs von Lasten und Vorteilen nicht
vereinbar. Der vorbezeichnete Grundgedanke des Ausgleichs von Lasten und Vorteilen hat
seinen Niederschlag beispielsweise in den §§ 8 KAG-NW, Art. 5 KAG-Bay, § 6 N-KAG,
§§ 26, 28 SächsKAG gefunden. Seine Legaldefinition lautet, dass der Beitrag eine Gegenleis-
tung des Grundstückseigentümers für die wirtschaftlichen Vorteile ist, die dieser durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme einer ausgebauten (öffentlichen) Anlage hat.67
III. Problemstellung und Ziel der Arbeit
Die Literatur und auch zahlreiche Entscheidungen zeigen, dass ein immer wieder auftretendes
Problem bei dem Abschluss von Grundstückskaufverträgen die Behandlung von Erschlie-
ßungskosten ist.68
Problemstellungen im Rahmen des Erschließungsrechtes und seiner Auswirkungen auf
Grundstückskaufverträge ergeben sich grundsätzlich aus der unterschiedlichen Gestaltung von
öffentlichem und privatem Recht, ferner aus dem oftmals unexakten Gebrauch des Wortes
„Erschließung“ und der fehlenden Auseinandersetzung mit den individuellen Besonderheiten
des zu regelnden Sachverhaltes.
So besteht häufig bei Abschluss von Kaufverträgen unter Privatleuten das Problem zu
regeln, wer Erschließungskosten trägt, die vor oder nach der Beurkundung, vor oder nach dem
Übergang von Nutzen und Lasten bzw. vor oder nach der Eigentumsumschreibung angefallen,
erhoben oder veranlasst worden sind. Der Gesetzgeber hat sich zwar zwischenzeitlich im
§ 436 BGB dazu durchgerungen, mit der Verabschiedung des Schuldrechtsmodernisierungs-
gesetzes diesen Umstand zu regeln. Danach hat der Verkäufer eines Grundstückes Erschlie-
ßungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge für die Maßnahmen zu tragen, die bis zum Tage
des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen wurden, unabhängig vom Zeitpunkt des Entste-
hens der Beitragsschuld69. Doch diese gesetzgeberische Regelung stellt nur eine Möglichkeit
der unterschiedlichen Gestaltungsvarianten des genannten Problems dar. In der Praxis wird,
da die vorbezeichnete Regelung dispositives Recht darstellt, die Gestaltung häufig abwei-
chend vorgenommen.
Die Behandlung in dieser Arbeit wird zeigen, dass die Regelung des Gesetzes häufig zu
Ergebnissen führt, die nicht dem Willen der Beteiligten entsprechen. Es wird dargestellt wer-
den, dass ein Vertrauen auf die gesetzliche Regelung sogar häufig zu Ergebnissen führt, die
als unbillig anzusehen sind.
Ein weiterer Problemkreis zeigt sich dann, wenn Grund und Boden, der real noch nicht
erschlossen ist, im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages als erschlossenes Bauland veräu-
ßert wird. In diesem Zusammenhang ist im Besonderen zu regeln, was Inhalt der vom Ver-
67 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 29 Rn. 6. 68 BGH NJW 1982, S. 1278 ff.; BGH NJW 1994, S. 2283 ff.; Wilhelms, NJW 2003, S. 2420 ff. 69 Siehe hierzu auch oben, Einleitung.
31
käufer geschuldeten Erschließung ist, welche Teile des Kaufpreises auf die jeweilige Er-
schließung verwandt werden und wie dieses gesichert wird. Besonders zu beachten ist dabei,
dass der Verkäufer insofern eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung – die Erschließung –
übernimmt und sich diese Verpflichtung wie auch das Recht hierzu von der Kommune über-
tragen lassen muss. Dabei sind nach herrschender Meinung in dem öffentlich-rechtlichen Ver-
trag (dem Erschließungsvertrag)70 öffentliche Belange zu beachten, die von dem privaten
Rechtsträger erfüllt werden, z. B. die Berücksichtigung des Gleichheitssatzes, wonach auch
ein privatrechtlicher Erschließungsunternehmer oder ein später belasteter Dritter nicht
schlechter gestellt werden darf als der Einzelne, dessen Erschließung im Rahmen einer be-
scheidsmäßigen Abrechnung vorgenommen wird.71
Der zuvor bereits erwähnte Erschließungsvertrag72 – geregelt in § 124 BauGB – stellt
für sich betrachtet einen weiteren Problemkreis dar, der aus der Verbindung von öffentlichen
und privatem Recht folgt. Andere Probleme ergeben sich daraus, dass in bestimmten Fällen
die notarielle Form73 zu beachten ist bzw. wie zu verfahren ist, wenn der private Erschlie-
ßungsträger seine Leistungen nicht erfüllt. Ferner ist die Frage relevant, ob sich aus dem Er-
schließungsvertrag öffentlich-rechtliche Erschließungsansprüche des grundsätzlich privatrech-
tlich agierenden Privatpartners gegen den Erschließungsträger herleiten können. Angesichts
der knappen Kassen der Kommunen und des daraus resultierenden Umstandes, dass die Er-
schließung durch Erschließungsvertrag nahezu gängige Praxis geworden ist, ist die Auseinan-
dersetzung mit dem Erschließungsvertragsrecht zwingend notwendig, um eine sinnvolle Re-
gelung der Erschließungskostentragung im notariellen Kaufvertrag zu treffen.
Ziel der Arbeit ist es zum einen, dem Benutzer die Ursachen für die unterschiedlichen
Probleme aufzuzeigen, die bei einer Erschließungskostenregelung in einem Grundstückser-
werbsvertrag auftreten können. Hierzu wird dargestellt, wodurch Erschließungskosten entste-
hen, wer nach dem Gesetz Beitragsschuldner ist, und wie der Begriff Erschließungskosten zu
den Begriffen Anschluss- und Ausbaubeiträgen abzugrenzen ist. Ferner soll dargestellt wer-
den, dass eine Regelung zur Zahlungspflicht bezüglich eventuell entstandener Erschließungs-
kosten oder von Anschluss- und Ausbaubeiträgen nur dann interessengerecht getroffen wer-
den kann, wenn berücksichtigt wird, wie und auf welcher Rechtsgrundlage und für welche
Maßnahmen eine Kostentragungspflicht entsteht.
Schließlich soll im Ergebnis dieser Betrachtung aufgezeigt werden, ob die Regelung des
§ 436 BGB gelungen ist und welche alternativen Regelungsmöglichkeiten es gibt.
70 Hierzu näher Teil B II. 9.3.1. 71 BVerwG, NJW 1992, S. 1642 ff. 72 Ausführlich unter B II. 9.3 ff. behandelt. 73 Siehe hierzu ausführlich B II. 9.3.2.
33
Teil B
Die gegenwärtige Ausgestaltung des Erschließungs-, Ausbau- und An-schlussbeitragsrechtes
I. Ablauf und Inhalt sowie Verantwortlichkeit für d ie Erschließung
Ziel der Erschließung ist es grundsätzlich, ein Grundstück baureif zu machen.74
Hierzu wurde in Teil A75 bereits eine Begriffsbestimmung allgemeiner Natur dargege-
ben, die sich an dem Erschließungskatalog des § 127 BauGB orientiert. Durch die Festsetzung
im Bebauungsplan erhält ein Grundstück Baulandqualität. Durch die Bodenordnung wird es
in Lage und Größe den Anforderungen einer geordneten Bebauung angepasst. Durch die Er-
schließung wird es an die Verkehrs- sowie die Ver- und Entsorgungseinrichtungen ange-
schlossen. Damit ermöglicht die Erschließung die bauliche Nutzung der Grundstücke.76 Die
Zulässigkeit von Bauvorhaben setzt daher die Sicherung der Erschließung voraus.77
Sodann stellt sich die Frage, wann die Erschließung gesichert ist. Hier sagt § 123 Abs. 2
BauGB: Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und
des Verkehrs hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden
baulichen Anlagen benutzbar sein.
Weiterhin ergibt sich aus der Formulierung – Sicherung der Erschließung – die Frage
nach dem Umfang der Erschließung. Auch hier führt § 123 Abs. 2 BauGB zu einem Ergebnis,
indem er in seinem ersten Halbsatz festlegt, dass die Erschließungsanlagen entsprechend den
Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs herzustellen sind.
1. Umfang der Erschließung
Der Umfang der Erschließung, d. h. die Dimensionierung der Erschließungsanlagen, wie der
Straßen und deren Teileinrichtungen, der Kanäle, Wasserleitungen usw. richtet sich zum ei-
nen nach der Bebauung und zum anderen nach dem Verkehr.78 Die Bebauung ist im Falle des
Bestehens eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes die nach diesem vorgesehene, im un-
beplanten Gebiet die nach §§ 33 – 35 BauGB zulässige Bebauung. Verkehr meint den örtlich-
öffentlichen Ziel- und Quellverkehr, u. U. auch einen gewissen Durchgangsverkehr, wie er
nach der zulässigen Bebauung regelmäßig zu erwarten ist. Die Anlagen müssen also so be-
schaffen sein, dass die Grundstücke funktionsgerecht genutzt werden können.79 Aus § 123
74 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 267. 75 Unter I. 76 Hinweise des Bundes-Bauministeriums zum Erschließungsrecht, LKV 1992, S. 50 f. sowie Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumordnungsrecht, S. 282 f. 77 §§ 30 Abs. 1, 33 Abs. 1 Nr. 4, 34 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB sowie § 7 Abs. 4 Satz 1 BauGB – Maßnahmengesetz. 78 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, F: Erschließungs- und Erschließungs-beitragsrecht, Rn. 18. 79 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, F: Erschließungs- und Erschließungs-beitragsrecht, Rn. 18.
34
Abs. 2 BauGB ergibt sich zugleich, dass die Erschließungsanlagen nicht über die von der Be-
bauung und vom Verkehr bedingten Erfordernisse hinausgehen dürfen. Einzelheiten über die
notwendige Beschaffenheit von Verkehrs-, Versorgungs- und Entwässerungsanlagen ergeben
sich gem. § 132 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB aus der Satzung der jewei-
ligen Gemeinde.80
Bezüglich der dem Anbau dienenden Straßen im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB
gelten folgende Mindestanforderungen:
Die erschlossenen Grundstücke müssen jederzeit mit solchen Kraftfahrzeugen erreich-
bar sein, die dem öffentlichen Interesse, insbesondere der Gefahrenabwehr dienen.81 Ferner
darf die Straße nicht überlastet werden, schließlich muss gewährleistet sein, dass der Verkehr
nicht die Straßensubstanz schädigt.82 Bei einem (auch) dem Wohnen dienenden Gebiet müs-
sen darüber hinaus eine Beleuchtungs- und eine Entwässerungsanlage vorhanden sein, damit
die Straße auch bei Dunkelheit und Regen ohne weiteres von Fußgängern benutzt werden
kann. Im Falle eines nicht unerheblichen Fahrverkehrs ist ferner ein abgesetzter Gehweg er-
forderlich, damit die Fußgänger, vor allem Kinder, gefahrlos zu nächsten voll ausgebauten
Straße gelangen können.83 Soweit ausnahmsweise auch eine Privatanlage eine Erschließungs-
anlage i. S. d. § 123 Abs. 2 BauGB darstellt, richtet sich auch deren Herstellung nach den in
dieser Vorschrift aufgestellten Erfordernissen. Außerdem müssen alle Straßen dem öffentli-
chen Verkehr gewidmet sein, wenn, wie dies in der Regel der Fall ist, der Bebauungsplan eine
entsprechende Festsetzung als öffentliche Verkehrsfläche enthält (§ 9 Abs. 1 Nr. 11
BauGB).84
2. Zeitpunkt der Erschließung und Zeitpunkt der Beitragserhebung
Hier ergibt sich aus § 123 Abs. 2 BauGB, dass es nicht erforderlich ist, dass die gesamten
Erschließungsanlagen fertiggestellt sind, ehe mit der Bebauung begonnen wird. Sie müssen
aber so rechtzeitig errichtet sein, dass die Bebauung möglich ist.85 Es ist also ein stufenweiser
Ausbau der Anlagen zulässig.86 D. h. bei Straßen kann zunächst eine provisorische Baustraße
ohne Gehwege angelegt werden und erst nach Abschluss der Bebauung der weitere Ausbau
erfolgen. Aus der Wortwahl des § 123 Abs. 2 BauGB ergibt sich, dass es für die Rechtzeitig-
keit der Erschließung ausreichend ist, dass eine bauliche Anlage bestimmungsgemäß genutzt
werden kann. Daraus folgt, dass sie in diesem Zeitpunkt nicht bereits in allen Teilen entspre-
chend dem Straßenbauprogramm fertiggestellt sein muss, sonst hätte der Gesetzgeber diesen
80 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 11 Rn. 24, 25. 81 OVG Münster, DÖV 1999, S. 569 ff. 82 BVerwG, NJW 1976, S. 1855 ff. 83 BVerwGE 64, S. 186 ff. und 64, S. 195 ff. 84 BVerwGE 78, S. 266 (271). 85 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 123 Anm. 22. 86 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, F: Erschließungs- und Erschließungs-beitragsrecht, Rn. 20.
35
Begriff der Fertigstellung, der in § 133 Abs. 2 BauGB rechtserheblich erwähnt wird, auch hier
für maßgeblich erklärt. Die Benutzbarkeit setzt lediglich einen gewissen Stand der baulichen
Arbeiten voraus. Die erschlossenen Grundstücke müssen durch die Anlagen zugänglich sein.
Gewisse Erschwernisse, wie der Ausbau nur einer Teilbreite oder einer provisorischen Fahr-
bahndecke oder der Nichtausbau des Bürgersteiges müssen zeitweilig hingenommen werden.
Es muss jedoch die rechtliche Möglichkeit der Nutzung in diesem Zeitpunkt gegeben sein.
Bei Verkehrsanlagen wird dazu im Allgemeinen die Widmung gehören, weil sonst die Be-
nutzbarkeit im Sinne der Erschließungsfunktion für die Anlieger oder den durch die Grund-
stücksnutzung ausgelösten Zielverkehr nicht gewährleistet ist. Was in diesem Zusammenhang
Widmung heißt, richtet sich nach dem jeweiligen Landesstraßengesetz (z. B. § 6 Abs. 1
StrWG-NW). Danach beinhaltet eine Widmung grundsätzlich eine Allgemeinverfügung, die
öffentlich bekannt zu machen ist (z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2 StrWG-NW). Zum Inhalt gehört zum
einen, die Straßengruppe zu definieren, der die Straße angehört (Einstufung), zum anderen,
die Art der Nutzung festzulegen (Fußgängerverkehr, Fahrbahnverkehr, § 6 Abs. 3 Str.WG-
NW).87 Teilweise ist die Annahme einer Widmung jedoch bereits dann gegeben (gesetzliche
Widmungsfiktion), wenn die Straße aufgrund der Festlegungen im Bebauungsplan errichtet
und dem Verkehr überlassen wird, ohne dass eine öffentliche Bekanntmachung erfolgt (§ 5
Abs. 6 StrG-BW sowie § 2 Abs. 1 Satz 2 HessStrG).88
Bei der Anlage der Versorgung und Entwässerung muss ebenfalls rechtlich der An-
schluss möglich sein.89
Die Vorschrift des § 123 Abs. 2 BauGB ist vom Gesetzgeber als Sollvorschrift ausges-
taltet. Auch Sollvorschriften sind für die Verwaltung grundsätzlich verbindlich, ebenso wie
Mussvorschriften. Nur kann die Verwaltungsbehörde hier beim Vorliegen besonderer Um-
stände abweichen.90 Im Auftrag des Bundesbauministeriums und des Bundesverkehrsminis-
ters sind Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen erarbeitet worden.91 Diese
Empfehlungen sind veröffentlicht und von einigen Ländern den Gemeinden zur Anwendung
empfohlen worden. Sie haben zwar keine verbindliche Wirkung im Rechtssinn.92 Es kann
jedoch eine Selbstbindung der Gemeinde eintreten, wenn eine Gemeinde diese Empfehlungen
bei sich einführt oder sonst zur ständigen Grundlage ihrer Erschließungstätigkeit macht. Die
Gemeinde verstößt dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie ohne hinreichenden Grund im
Einzelfall von den Empfehlungen abweicht.93
87 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 24. 88 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 24. 89 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 123 Rn. 22. 90 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 9, 11. 91 RASt, Ausgabe 2006. 92 BVerwG, Urteil vom 26.05.1989 - 8 C 6.88 -, sowie Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 123 Rn. 23 a. 93 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 123 Rn. 22.
36
3. Private Anlagen
§ 123 Abs. 2 BauGB bezieht sich nur auf solche Erschließungsanlagen, die zur bestimmungs-
gemäßen Nutzung der Grundstücke unbedingt erforderlich sind, also insbesondere die öffent-
lichen Straßen sowie die Anlagen zur Versorgung mit Wasser, Elektrizität, Gas und zur Ab-
wasserbeseitigung, u. U. auch Immissionsschutzeinrichtungen. Nicht erfasst sind dagegen die
Anlagen, die wie Kinderspielplätze und Grünanlagen die Erschließung nur verbessern.94
Erschließungsanlagen im vorbezeichneten Sinne, d. h. i. S. v. § 123 ff. BauGB, sind öf-
fentliche Anlagen. Private Anlagen sind keine Erschließungsanlagen in diesem Sinne. Die
Vorschrift des § 123 Abs. 2 BauGB über Art und Zeitpunkt der Erschließungspflicht gilt da-
her als solche, d. h. als Norm, die ein bestimmtes Handeln der Gemeinde erfordert, nicht für
private Anlagen.95 Diese Ansicht ist streitig. So hat das BVerwG durch Urteil vom
30.01.1970 entschieden, dass § 123 Abs. 2 BauGB unmittelbar für private Anlagen anzuwen-
den ist.96 Dem kann nicht gefolgt werden. Wie aus der Entstehungsgeschichte ersichtlich, sind
private Anlagen ausdrücklich nicht als Erschließungsanlagen i. S. des BauGB durch den Ge-
setzgeber angesehen worden. Die Regierungsvorlage zu § 135 des BBauG97 beinhaltete noch
die ausdrückliche Festlegung, dass unter dem Begriff der Erschließung zu sehen sei die Be-
reitstellung der Flächen für die öffentlichen örtlichen Erschließungsanlagen, das heißt die
Verkehrs- und Grünanlagen sowie die Wasserversorgungsanlagen und die Anlagen für die
Beseitigung, Behandlung und Verwertung von Abwässern und festen Abfallstoffen und die
sonstigen im Bebauungsplan festgesetzten Erschließungsanlagen sowie die Herstellung dieser
Anlagen. Der Bundestag hat diese Definition aus dem Grunde nicht in das Gesetz aufgenom-
men, weil er davon ausging, dass die Vorstellungen über den Inhalt des allgemeinen Erschlie-
ßungsrechts sich zu festen Rechtsgrundsätzen verdichtet hätten.98
Die Sicherung der Erschließung als Voraussetzung für die Bebauung bezieht sich inso-
fern nur auf öffentliche Erschließungsanlagen und damit öffentliche Zuwegungen.
94 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, F: Erschließungs- und Erschließungs-beitragsrecht, Rn. 20. 95 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 123 Rn. 25. 96 BVerwG, DVBl. 1970, S. 839 ff. 97 BT-Drucks. 3/1794, S. 23. 98 Ausschußbericht zu BT-Drucks. 3/1794, S. 23.
37
4. Abrechenbarkeit der Erschließung
4.1. Beitragsfähige Erschließungsanlagen
4.1.1. Allgemeines
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche konkreten Erschließungsanlagen bei-
tragsfähig nach § 123 Abs. 2 i. V. m. § 127 Abs. 2 BauGB sind und welche Anlagen demge-
genüber gegebenenfalls nach dem Anschluss- bzw. Ausbaubeitragsrecht der Länder beitrags-
fähig bzw. gebührenrelevant sind.
Es wurde bereits oben99 dargestellt, dass § 127 Abs. 2 BauGB die Festlegung enthält,
welche Erschließungsanlagen beitragsfähig sind (Ausnahme Baden Württemberg)100. Diese
Aufzählung enthält eine negative Ausschlusswirkung in dem Sinn, dass für andere als die in
§ 127 Abs. 2 BauGB aufgezählten Erschließungsanlagen Erschließungsbeiträge nicht erhoben
werden können.101 Das heißt aber nicht, dass alle in § 127 Abs. 2 BauGB genannten Anlagen
immer und in vollem Umfang beitragsfähige Erschließungsanlagen sind. Voraussetzung für
die Beitragsfähigkeit ist nämlich, dass die Erschließungsanlagen von der Gemeinde selbst in
Erfüllung einer ihr gemäß § 123 Abs. 1 BauGB obliegenden Erschließungslast hergestellt
worden sind.102 Daran fehlt es z. B., wenn die Gemeinde eine Straße angelegt hat, die rech-
tlich Bestandteil einer öffentlichen Sache ist (z.B. eine Deichverteidigungsstraße, die Bestand-
teil einer Hochwasserschutzanlage ist), ihrerseits aber nicht in Erfüllung der gemeindlichen
Erfüllungslast hergestellt worden ist.103 Das gleiche gilt für eine Straße, deren Herstellung der
Deutschen Bundesbahn (heute: der Deutschen Bahn AG) aufgrund eines Planfeststellungsbe-
schlusses nach § 36 des Bundesbahngesetzes vom 13.12.1951104 als Folgemaßnahme eines S-
Bahnbaus auferlegt worden ist.105 Es kommt also darauf an, dass das Tatbestandsmerkmal des
§ 123 Abs. 1 – „Herstellung durch die Gemeinde in Erfüllung einer ihr obliegenden Erschlie-
ßungslast“ – erfüllt ist. Grundsätzlich ist daher festzuhalten, dass die Gemeinde dann keinen
Erschließungsbeitragsanspruch hat, wenn sie die Erschließungsanlage entweder nicht selbst
hergestellt hat, z. B. weil aufgrund eines Erschließungsvertrages von einem Erschließungsun-
ternehmer die Erschließungsmaßnahmen durchgeführt wurden, oder keine der Gemeinde ob-
liegende Erschließungslast vorgelegen hat.
Darüber hinaus ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der einzelnen Erschließungsleis-
tungen, die im Nachfolgenden behandelt werden sollen.
99 Siehe hierzu näher II. 1. 100 Siehe hierzu näher im Teil A II. 3. 101 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 2 sowie BayVGH, Urteil vom 10.08.2000 – 6B95.3999. 102 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 2 sowie BayVGH, Urteil vom 10.08.2000 – 6B95.3999. 103 BVerwG, Urteil vom 25.01.1985, 8 C 82.83. 104 BGBl. I, S. 955 ff., geändert durch BGBl. 1993 I, S. 2124 ff. und aktuell ersetzt durch §§ 36 a – e BBahnG. 105 OVG Hamburg, KStZ 1994, S. 39 ff.
38
4.1.2. Herstellung selbständiger Straßen, Wege und Plätze
Hier stellt sich zunächst die Frage nach der Definition des Begriffs Straße, Wege und Plätze
im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts.
Zum weitaus überwiegenden Anteil betreffen Veranlagungen zum Erschließungsbeitrag
die Herstellung von zum Anbau bestimmten Straßen, sogenannten Anbaustraßen.106 Wege
und Plätze stellen nur eine Unterart dieses Begriffes dar.107 Was Straßen, Wege und Plätze
sind, hat der Gesetzgeber in § 127 Abs. 2 Nr. 1 – 3 BauGB nicht definiert. Er hat sie sämtlich
in § 127 Abs. 2 Nr. 4 als Verkehrsanlagen bezeichnet. Daher ist die Abgrenzung zwischen
Straßen und Wegen unbedeutend, da es für die Frage der Beitragsfähigkeit nur auf die Erfül-
lung nachfolgend unter 1 und 2 genannter Kriterien ankommt. Bedeutsamer ist die Abgren-
zung des Begriffes „Platz“, da dieser nur dann beitragsfähig ist, wenn er nicht ausschließlich
Zwecken dient, die nicht für den Verkehr bestimmt sind (z.B. Marktplatz, Erholungsplatz).108
Folgende Voraussetzungen sind zu erfüllen, damit die Herstellung einer Anbaustraße
beitragsfähig ist:
1. „Selbständigkeit“ der Anbaustraße, d. h. die Straße muss eine Einzelanlage darstellen.109 In
Abgrenzung dazu gibt es auch die unselbständige Anlage, die dann gegeben ist, wenn von
einer selbständigen Anbaustraße eine Zufahrt abzweigt, die nur Teil der bereits errichteten
selbständigen Anlage in Form einer Anbaustraße ist. Zur Feststellung ist abzustellen auf den
Gesamteindruck, den die Anlage nach den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen einem unbe-
fangenen Beobachter vermittelt.110 Zur Abgrenzung, wann eine Anbaustraße selbständig bzw.
unselbständig ist, ist die Entscheidung des BVerwG von 1985111 maßgeblich, in der ausge-
führt wird, dass bei einer Stichstraße das Merkmal der Selbständigkeit dann nicht gegeben ist,
wenn diese einschließlich eines Wendehammers 59 m lang ist und nur 4 Grundstücke er-
schließt sowie vollständig auf den Hauptzug angewiesen ist. Dagegen ist eine Stichstraße, die
in ihrer Mitte eine Kurve ausweist und in einem Wendehammer endet, in dessen Bereich eine
Reihe großflächiger, mit Hochhäusern und Tiefgaragen bebauter Grundstücke angrenzen, eine
selbständige Anlage, die damit beitragsfähig ist.112 Es ist also auf die Anzahl der durch die
Abzweigung erschlossenen Grundstücke abzustellen und auf die Abhängigkeit vom Haupt-
zug.
Die Abgrenzung, wann eine Anbaustraße beitragsfähig und wann sie nicht beitragsfähig
ist, ist im Einzelfall also teilweise schwierig.
106 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 86. 107 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 86. 108 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 8, 9. 109 BVerwG, NVwZ – RR 1995, S. 695 (696). 110 BVerwGE 67, S. 216 (217). 111 BVerwG, NVwZ 1985, S. 346 (347). 112 BVerwG, DVBl. 1989, S. 417 ff.
39
2. Weitere Voraussetzung für Abrechenbarkeit ist, dass die Anbaustraße „zum Anbau“ be-
stimmt ist. Dieses Merkmal ist dann gegeben, wenn Bauwerke erfasst werden, deren zweck-
mäßige und wirtschaftliche Nutzung auf das Vorhandensein einer Straße angewiesen ist und
erst durch diese ermöglicht wird. Dieses ist nicht der Fall bei Einfriedungen, Masten, Auf-
schüttungen, Hinweistafeln und ähnlichem.113 Somit fehlt es an einer Bestimmung zum An-
bau, wenn die Straße nicht eine für das Befahren durch Kraftfahrzeuge erforderliche Breite
und einen ausreichenden Ausbauzustand aufweist,114 aber auch z. B., wenn die Widmung ei-
nen Kraftfahrzeugverkehr ausschließt (z. B. wenn nach § 6 Abs. 3 StrWG-NW zum Wid-
mungsinhalt115 ausschließlich die Nutzung für den Fußgängerverkehr gehört).
4.1.3. Nicht befahrbare Verkehrsanlage
Eine weitere beitragsfähige Erschließungsanlage ist die nicht befahrbare Verkehrsanlage
(§ 127 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Dabei handelt es sich um öffentliche, aus rechtlichen oder tat-
sächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbare Verkehrsanlagen innerhalb der
Baugebiete. Als Beispiel können hier genannt werden Fußwege, Wohnwege etc. Hiermit soll
zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich bei diesen Verkehrsanlagen nicht um unselb-
ständige Bestandteile der Anbaustraßen handelt, sondern um selbständige (einzelne) Erschlie-
ßungsanlagen i. S. d. § 130 Abs. 2 1. Alt. Ziff. 1 BauGB,116 die zur Nutzung der durch die
Erschließung begünstigten Grundstücke notwendig sind.
4.1.4. Wohnwege
Dieser Begriff ist in den jeweiligen Landesbauordnungen häufig definiert117, es handelt sich
dabei um einen privaten oder öffentlichen Wohnweg, an dem lediglich Wohngebäude liegen
und auf dem allenfalls ein Anlieger-, nicht aber ein Durchgangsverkehr zulässig ist. Das rele-
vante Kriterium hinsichtlich der Beitragsfähigkeit des Wohnweges ist die Frage, ob das an
den Wohnweg angrenzende Grundstück auch durch die Anbaustraße erschlossen wird oder ob
z. B. Wohnweg und Anbaustraße zu einer Erschließungseinheit zusammengefasst werden
können. So ergibt sich aus den Landesbauordnungen in der Regel eine Begrenzung der Länge
des jeweiligen Wohnweges, um den Wohnwegscharakter und damit dessen Beitragsfähigkeit
zu ermitteln.118
Nach dieser Ansicht ist bei Wohnwegen nur dann eine Erschließungsfunktion gegeben,
wenn über den Weg ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr bis mindestens 50 m an ein mögli-
cherweise zu sicherndes Hausgrundstück heranfahren kann. Ist der Wohnweg länger oder
113 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 93. 114 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F. 93. 115 Zur Widmung siehe oben, II. 2. 116 BverwG, NVwZ 1994, S. 912 ff. 117 Z. B. Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayBauO i.d.F. vom 04.08.1997 (GVBl., S. 433 ff.); § 4 Abs. 1 LBO Baden-Württemberg vom 08.08.1995 (GBl., S. 617 ff.). 118 Z. B. § 41 Nr. 1 Bauordnung Nordrhein-Westfalen: 50 m Begrenzung bei Nichtbefahrbarkeit, dazu OVG Münster, NWVBl 1992, S. 177 (181), wonach bei einer Länge von 125 m der Wohnwegscharakter zu verneinen ist.
40
bietet er aufgrund seiner Beschaffenheit keine Möglichkeit für ein entsprechendes Einsatz-
fahrzeug mehr als 50 m an das zu sichernde Haus heranzukommen, ist keine Erschließungs-
funktion mehr gegeben.119
Exkurs: Überleitungsregelung gemäß § 242 Abs. 4 BauGB
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Überleitungsregelung des § 242
Abs. 4 BauGB, wonach § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB auch auf beitragsfähige Anlagen im Sinne
dieser Vorschrift anzuwenden ist, die vor dem 01. Juli 1987 (Inkrafttreten des BauGB) end-
gültig hergestellt worden sind, es sei denn, eine Beitragspflicht ist vor dem 01. Juli 1987 be-
reits nach Landesrecht entstanden. Nach seinem Wortlaut unterwirft daher § 242 Abs. 4
BauGB alle Anlagen i. S. d. § 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB einer Erschließungsbeitragspflicht,
unabhängig davon, wann sie technisch endgültig hergestellt worden sind.120
Im Wesentlichen betrifft diese Vorschrift die Errichtung von Wohnwegen. Damit wird
erreicht, dass zur Vermeidung von Einnahmeausfällen für die Gemeinden auch vor Inkrafttre-
ten des BauGB endgültig hergestellte Wohnwege rückwirkend für beitragsfähig erklärt wer-
den, obwohl das BVerwG mit Urteil vom 03.06.1983 dies unter der Geltung des BBauG noch
verneint hatte.121 Die mit der genannten Vorschrift herbeigeführte Rückwirkung wurde durch
Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1996122 für zulässig erklärt, da die verfassungsrech-
tliche Zulässigkeit einer gesetzlichen Rückwirkungsanordnung nach Rechtssätzen zu beurtei-
len sei, die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleiten seien. Zu den wesentlichen Elementen des
Rechtstaatsprinzips gehöre die Rechtssicherheit, die für den Einzelnen in erster Linie Ver-
trauensschutz bedeutet. Allerdings könne ein einer Rückwirkungsanordnung entgegenstehen-
der Vertrauensschutz nicht in Frage kommen, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechts-
lage sachlich nicht gerechtfertigt sei. So sei ein Vertrauen unter anderem dann nicht schutz-
würdig, wenn der Betroffene nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf dem der
Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung habe rechnen
müssen. Seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 habe aber jeder Grund-
stückseigentümer damit rechnen müssen, dass die Gemeinde ihm die für die Bebaubarkeit
seines Grundstückes erforderliche wegemäßige Erschließung nicht beitragsfrei zur Verfügung
stellt.123
Somit ergibt sich, dass bei Anlagen, bei denen die straßenbautechnische Herstellung in
der Weise erfolgt, dass ohne Durchführung weiterer baulicher Maßnahmen an der Anlage
nach dem 01. Juli 1987 die endgültige Herstellung im Rechtssinne erfolgen kann, nach wie 119 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2001, S. 53 ff. 120 OVG Münster, KStZ 1990, S. 55 ff. 121 BVerwG, DVBl. 1983, S. 908 ff. 122 BVerwG, DVBl. 1996, S. 1051 ff. 123 BVerwG, DVBl. 1996, S. 1051 ff.
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vor eine Beitragsfähigkeit gegeben ist, wenn nicht vor dem 01. Juli 1987 eine Beitragspflicht
nach Landesrecht entstanden ist.124
4.1.5. Sammelstraßen nach § 127 Abs. 2 Nr. 3 BauGB
Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau be-
stimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind. Eine Sammelstraße unter-
scheidet sich von einer Anbaustraße i. S. d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB dadurch, dass sie nicht
zum Anbau bestimmt ist; sie dient der mittelbaren Erschließung von Grundstücken, die un-
mittelbar bereits durch zum Anbau bestimmte Erschließungsanlagen verkehrsmäßig erschlos-
sen sind.125 Von einer Sammelstraße kann mithin nur die Rede sein, wenn es sich um eine
Straße handelt, in der ein aus mehreren selbständigen Anbaustraßen kommender Verkehr zu-
sammentrifft.126 Eine Sammelstraße verliert ihren Charakter als Sammelstraße auch nicht et-
wa dadurch, dass sie zugleich, vielleicht sogar überwiegend dem überörtlichen Verkehr
dient.127 Allerdings gilt, dass eine Sammelstraße trotz der Aufnahme dieser Art von Verkehrs-
anlagen in den Katalog des § 127 Abs. 2 BauGB nur ganz ausnahmsweise eine beitragsfähige
Erschließungsanlage ist, nämlich nur dann, wenn sie die einzige Anlage ist, die die Verbin-
dung der einzelnen Anbaustraßen zum übrigen Verkehrsnetz der Gemeinde vermittelt, wenn
also die Anlieger der zum Anbau bestimmten Straßen ausschließlich über die Sammelstraße
das übrige Verkehrsnetz der Gemeinde erreichen können.128 Nur in einem solchen Ausnahme-
fall ist es nämlich möglich, den Kreis der Grundstücke, die von der erstmaligen Herstellung
einer solchen Anlage einen beitragsbegründenden Sondervorteil haben, von den Grundstü-
cken hinreichend deutlich zu trennen, für die die Anlage lediglich einen beitragsfreien Ge-
meinvorteil auslöst.129
Die Sammelstraße ist ferner eine beitragsfähige Erschließungsanlage nur innerhalb der
Baugebiete. D. h. führt die Sammelstraße außerhalb des Baugebietes weiter, hat diese Weiter-
führung keine Bedeutung für die Beitragsfähigkeit der Anlage und ist insofern nicht beitrags-
fähig. Ausgeschlossen von der Beitragspflicht sind somit die Anschluss- und Verbindungs-
straßen zu den, aber außerhalb der Baugebiete.130
124 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 111, 114. 125 BVerwG, DVBl. 1973, S. 887 ff. 126 BVerwG, KStZ 1989, S. 10 ff. 127 BVerwG, DÖV 1976, S. 347 ff. 128 BVerwG, NVwZ 1982, S. 555 ff. 129 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 71. 130 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 123 Rn. 25.
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4.1.6. Parkflächen und Grünanlagen
4.1.6.1. Parkflächen
1. Unselbständige Parkflächen; d.h. Parkflächen, die neben Fahrbahnen und Gehwegen auf
einem besonderen Teil der Straße angelegt und ihrer Funktion nach ausschließlich zum Par-
ken bestimmt sind, gehören nicht zur Teileinrichtung Fahrbahn, sondern sind als eigene, im
Wege der Kostenspaltung abspaltbare Teileinrichtungen Bestandteil der betreffenden Stra-
ßen.131
2. Selbständige Parkflächen sind nur ausnahmsweise beitragsfähige Erschließungsanlagen,
nämlich nur dann, wenn es sich bei dem Erschließungsgebiet, dessen ruhenden Verkehr die
öffentliche selbständige Parkfläche aufzunehmen bestimmt ist, um ein etwa aufgrund einer
bestimmten Insellage geschlossenes Gebiet derart handelt, dass wegen dieser tatsächlichen
Situation alle Grundstücke innerhalb dieses Gebietes annähernd gleich von der Herstellung
einer solchen Anlage profitieren.132
Weiteres Merkmal einer selbständigen Parkfläche hinsichtlich der Erschließungsbeitragsfä-
higkeit ist, dass die Parkfläche innerhalb eines Baugebietes liegt, d. h. ringsum von baulich
oder gewerblich nutzbaren Flächen umgeben ist.133
4.1.6.2. Grünanlagen
1. Für unselbständige Grünanlagen gilt das gleiche wie das zuvor zu den Parkflächen Ausge-
führte. Unselbständige Grünanlagen sind z. B. Grünanlagen als Mittelstreifen einer Straße;
diese gehören regelmäßig nicht zur Teileinrichtung Fahrbahn, sondern sind eigene Teilein-
richtungen von Straßen. Damit ist auch die unselbständige Grünanlage Bestandteil einer An-
lage nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB.134
2. Selbständige Grünanlagen sind begrünte, also mit Pflanzen bewachsene Flächen samt zu-
gehörigen Wegen und Einrichtungen wie Sitzbänken oder Kinderspielvorrichtungen, die die
Erschließung eines bestimmten Baugebietes verbessern, indem sie dieses optisch auflockern,
die Luft verbessern, Lärm abschirmen sowie Naherholungsmöglichkeiten in Form des Auf-
enthaltes im Freien bieten.135 Insofern ist abzustellen auf die Größe einer selbständigen Grü-
nanlage, wobei bei übergroßen Flächen (z. B. Tiergarten Berlin, Englischer Garten München)
das Merkmal der Notwendigkeit gem. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB nicht mehr zu bejahen und
insofern die Beitragsfähigkeit der Anlage nicht gegeben ist.136 Im Übrigen ist jedoch von ei-
131 BVerwG, KStZ 1972, S. 12 ff. 132 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 81. 133 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 81. 134 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 121. 135 BVerwGE 100, S. 105 (114). 136 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 121.
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ner Notwendigkeit auszugehen, wenn die Anlage unter Berücksichtigung der örtlichen Gege-
benheiten als eine nach städtebaulichen Gesichtspunkten vernünftige und in diesem Sinne
gebotene Lösung zu qualifizieren ist.137
4.1.7. Kinderspielplätze
Kinderspielplätze sind dem Spielen von Kindern im Alter bis etwa 14 Jahren dienende Flä-
chen.138 Kinderspielplätze sind Teil der Grünanlage und insofern als unselbständige Bestand-
teile einer Grünanlage gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB abzurechnen. Denkbar wäre auch,
die Kosten für die Errichtung von Kinderspielplätzen nach § 242 Abs. 5 BauGB abzurechnen.
Dies hat das BVerwG verneint139 mit der Begründung, dass der Gesetzgeber im Rahmen der
den Erschließungsaufwand betreffenden Vorschrift des § 128 BauGB bestimmt hätte, dass für
die Anlegung eines Kinderspielplatzes innerhalb einer Grünanlage aufgewendete Kosten nicht
zum beitragsfähigen Aufwand zählen, falls er gewollt hätte, dass die Kosten eines Kinder-
spielplatzes über § 242 Abs. 5 BauGB abrechenbar sein sollen. In diesem Zusammenhang von
Bedeutung ist jedoch, dass insofern als beitragsfähige Kosten einer Grünanlage auch die Kos-
ten zum Erwerb von Spielgeräten für Spielplätze, zur entsprechenden Nutzbarmachung des
Grundstückes sowie der Beplanung der Fläche zählen.
4.1.8. Immissionsschutzanlagen
Beitragsfähig i. S. d. § 127 Abs. 2 Nr. 5 BauGB sind nur solche Anlagen, die die Gemeinde in
Erfüllung ihrer Erschließungslast (§ 123 Abs. 1 BauGB) herzustellen verpflichtet ist. Obliegt
die Verpflichtung einem anderen, ist die entsprechende Schutzanlage keine beitragsfähige
Erschließungsanlage. Eine Fallgestaltung, aufgrund der die Herstellung einer Immissions-
schutzanlage (Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkun-
gen)140 erforderlich ist, ist in drei Variationen denkbar:
1. weil ein Baugebiet im Einwirkungsbereich von bereits vorhandenen emittierenden An-
lagen erschlossen wird,
2. weil zu einem bereits vorhandenen bisher störungsfreien Baugebiet Lärmquellen hin-
zukommen,
137 BVerwGE 97, S. 195 (197). 138 OVG Münster, DÖV 1990, S. 289 ff. 139 BVerwGE 97, S. 185 (189 f.). 140 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 97; der Begriff „schädliche Umwelteinwirkung“ ist in § 3 BImschG definiert. Nach § 3 Abs. 1 sind dies Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Nach § 3 Abs. 2 BImschG sind Immissionen auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
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3. weil Nutzungen innerhalb eines Baugebietes Emissionen verursachen, die Immissi-
onsschutzanlagen erfordern.141
Die Antwort, ob eine derartige Immissionsschutzanlage beitragsfähig ist, richtet sich danach,
in welche der vorgenannten Fallgruppen sie eingruppiert werden kann.
So gilt zur Fallgruppe 1., dass, falls ein Baugebiet im Einwirkungsbereich von bereits vorhan-
denen emittierenden Anlagen erschlossen wird oder sich in diese Richtung ausdehnt, die er-
forderlichen Immissionsschutzanlagen beitragsfähig sind, weil sie dem Schutz von Grundstü-
cken dieses Baugebietes dienen, da sie diesen eine Nutzbarkeit vermitteln.142
2. Wird eine Anlage hergestellt, weil ein bisher unbelastetes – erschlossenes – Baugebiet von
einer hinzukommenden Lärmquelle gestört wird, gilt das Prioritätsprinzip. D. h. zuerst war
das Baugebiet da, danach kam die Lärmquelle, insofern ist der Verursacher der Lärmquelle
verantwortlich für die Kostentragung hinsichtlich der zu errichtenden Immissionsschutzanla-
ge. So sieht § 17 Abs. 4 BFStrG vor, dass, wenn eine Bundesstraße nahe an ein vorhandenes
Wohngebiet herangeführt wird, die Errichtung der notwendigen Schutzeinrichtung dem Stra-
ßenbaulastträger obliegt.143
3. Auch hier gilt im Wesentlichen das zu 2. Ausgeführte. Treten aufgrund der Nutzung in ei-
nem Baugebiet Immissionen auf, zum Schutz vor deren Auswirkungen eine Anlage zu errich-
ten ist, so stehen diese einem störungsfreien Nebeneinander entgegen und sind angesichts
dessen Auslöser eines Schutzbedarfes, sodass die Deckung dieses Bedarfes nicht Aufgabe der
Gemeinde, sondern Aufgabe des Betreibers der Emissionsquelle ist.144
4.1.9. Widmung
Sämtliche der vorbezeichneten Erschließungsanlagen bedürfen hinsichtlich ihrer Beitragsfä-
higkeit der Widmung145 – gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB –, weil diese Anlagen „öf-
fentlich“ sein müssen. Öffentlich heißt in diesem Fall dem allgemeinen Gebrauch zugäng-
lich.146 Denn Erschließungsbeiträge dürfen nur erhoben werden, wenn das, was mit dem je-
weiligen Aufwand geschaffen worden ist, der Allgemeinheit auf unbestimmte Dauer gesichert
zur Verfügung steht.147
141 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 97. 142 BVerwG, NVwZ 1996, S. 403 ff. 143 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 99. 144 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 12 Rn. 99. 145 Siehe hierzu die Ausführungen oben, 2. 146 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 138. 147 BVerwG 82, S. 215 (222).
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4.1.10. Kostenspaltung
Für die Erschließungsbeitragserhebung geht das Gesetz grundsätzlich davon aus, dass die
Erschließungsanlage fertiggestellt sein muss, wenn eine Beitragspflicht entsteht. Der beitrags-
pflichtige Grundeigentümer soll also grundsätzlich nur einen einmaligen Beitrag zu leisten
haben. Da die Herstellung der Erschließungsanlage aber oftmals einen Zeitraum von mehre-
ren Jahrzehnten in Anspruch nimmt, lässt das Gesetz die Erhebung des Beitrages vor Herstel-
lung der gesamten Erschließungsanlagen für einzelne Leistungen zu, § 127 Abs. 3 BauGB.
Dort lässt das Gesetz die Erhebung von Erschließungsbeiträgen zu, wenn Teile der Erschlie-
ßungsanlage endgültig hergestellt sind. Dies setzt voraus, dass keine Bauarbeiten für diese
Teile mehr notwendig sind, die später noch ergänzt oder verändert werden müssen. Die ab-
spaltbare, abrechenbare Teileinrichtung der Erschließungsanlage muss also in demjenigen
Zustand sein, den sie bei der endgültigen Herstellung der Straße haben soll.148 Zulässig ist
daher die Kostenspaltung insbesondere für den Grunderwerb, die Freilegung für die Fahrbahn,
die Errichtung von Radfahrwegen, Bürgersteigen sowie Parkflächen und Grünanlagen, Be-
leuchtungseinrichtungen und Entwässerungsanlagen.149
4.1.11. Persönliche Beitragspflicht
Die hierzu maßgebliche Regelung ist im § 134 Abs. 1 BauGB anzutreffen. Dort wird ab-
schließend als beitragspflichtig definiert, wer Eigentümer im bürgerlich-rechtlichen Sinne
ist.150 Dieser Begriff lässt ein Abstellen auf den wirtschaftlichen Eigentümer nicht zu.151 An
die Stelle des Eigentümers tritt gegebenenfalls gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 BauGB der Erb-
bauberechtigte. Wenn das der Fall ist, scheidet der Eigentümer als Beitragspflichtiger aus.
Wer Eigentümer bzw. Erbbauberechtigter ist, ergibt sich aus dem Grundbuch bzw. Erbbau-
grundbuch. Es sei denn, dieses ist inzwischen unrichtig geworden. Das kann lediglich infolge
eines Erbfalls oder einer anderen Rechtsnachfolgesituation gegeben sein.152 Ferner kommt als
Beitragsschuldner der Inhaber eines dinglichen Rechtes am Grundstück i. S. eines selbständi-
gen Gebäudeeigentums, welches auf fremden Grund und Boden nach § 287, 291 ZGB153 (Zi-
vilgesetzbuch der ehemaligen DDR) gewährt worden sein konnte, in Betracht. Dieses Recht
ergibt sich nach Art. 233 § 4 EGBGB.154
Somit ist maßgeblich für die Person des Beitragspflichtigen die entsprechende Eintra-
gung im Grundbuch.
148 BVerwG, DVBl. 1969, S. 272 ff. 149 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentrag zum BauGB, § 127 Rn. 20. 150 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 24 Rn. 4. 151 BVerwG, DVBl. 1979, S. 784 ff. 152 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 24 Rn. 4. 153 GBl. I, S. 517 ff. 154 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 24 Rn. 6.
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4.1.12. Fälligkeit des Erschließungsbeitrages
Hierfür ist grundsätzlich die Regelung des § 220 Abs. 1 AO heranzuziehen, wonach die Fäl-
ligkeit von Abgabeansprüchen nach den Vorschriften der jeweiligen einschlägigen Spezialge-
setze geregelt ist. Für das Erschließungsbeitragsrecht befindet sich eine Regelung im § 135
Abs. 1 BauGB. Danach ist der Beitrag einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbe-
scheides fällig. § 135 Abs. 1 BauGB knüpft an den formalen Akt der Bekanntgabe des Bei-
tragsbescheides an. Das BVerwG hat diese Vorschrift jedoch dahingehend konkretisiert, dass,
wenn ein Beitragsbescheid, der zunächst mangels Entstehens einer sachlichen Beitragspflicht
fehlerhaft ist, im Laufe eines Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelverfahrens mit Wirkung ex
nunc geheilt wird, diese Bestimmung dahingehend zu verstehen ist, dass der Beitrag einen
Monat nach dem Eintritt der Heilung, d. h. nach Eintritt des diese ex nunc bewirkenden
Ereignisses fällig wird.155
4.2. Erschließungsanspruch
4.2.1. Allgemein
Bei den Erschließungsmaßnahmen i. S. des § 123 Abs. 2 BauGB wie auch bei den Ausbau-
maßnahmen handelt es sich um die Maßnahmen, die als Voraussetzung dafür vorliegen müs-
sen, dass die Bebaubarkeit eines Grundstückes gewährleistet ist. Gemäß § 123 Abs. 3 BauGB
ergibt sich kein Anspruch gegen die Gemeinde auf Durchführung dieser Erschließung. Die
Gemeinden sind nur im öffentlichen Interesse und insbesondere nur im Rahmen ordnungsge-
mäßer Haushaltsführung zur Erschließung verpflichtet. Der einzelne Grundstückseigentümer
soll die Gemeinde nicht zwingen können, die Erschließung durchzuführen. Die Erschlie-
ßungslast löst grundsätzlich keine Ansprüche des Eigentümers aus.156 In Ausnahmefällen
kann sie sich jedoch zu einer aktuellen Erschließungspflicht verdichten.157 Letztlich lassen
sich alle Fallgestaltungen der Verdichtung der Erschließungspflicht auf den auch im öffentli-
chen Recht geltenden Grundsatz der Wahrung des Gebots von Treu und Glauben zurückfüh-
ren.158 Dies setzt aber voraus, dass beim Einzelnen aufgrund des vorangegangenen Verhaltens
der Gemeinde ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt worden ist, sodass ihm nicht zuzumuten
ist, solange zu warten, bis die Gemeinde von sich aus ihrer Erschließungspflicht nach-
kommt.159 Der Erschließungsanspruch lässt sich aus verschiedenen Tatbeständen herleiten.
155 BVerwG, DVBl. 1983, S. 135 ff. 156 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 270 sowie Schrödter, Baugesetzbuch, § 123 Rn. 21. 157 BVerwG, NJW 1975, S. 402 ff. 158 BVerwGE 92, S. 8 (20). 159 BVerwGE 92, S. 8 (20).
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4.2.2. Der Erschließungsanspruch aufgrund des Erlasses eines qualifizierten Be-
bauungsplanes
Das Bestehen eines qualifizierten Bebauungsplanes i. S. des § 30 Abs. 1 BauGB hat zur Fol-
ge, dass ein Bauvorhaben nur dann zulässig ist, wenn es dessen planerischen Festsetzungen
nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Fehlt es aber wegen der Untätigkeit der
Gemeinde an der gesicherten Erschließung, wird der Grundstückseigentümer infolge des Vor-
enthaltens der vom Bebauungsplan an sich vorgesehenen Rechtsposition nur scheinbar be-
günstigt, in Wahrheit aber unzumutbar belastet. Er unterliegt nämlich im Ergebnis einer Bau-
sperre, die in ihren Wirkungen einer zeitlich unbegrenzten entschädigungslosen Verände-
rungssperre (vgl. § 17 BauGB) gleichkommt. Deshalb wird ein Erschließungsanspruch nach
dem Ablauf solcher Zeiten einzuräumen sein, die gemäß §§ 17, 18 BauGB bei Veränderungs-
sperren entschädigungslos hinzunehmen sind.160 Allerdings trifft diese Sperrwirkung i. R. nur
unbebaute Grundstücke, sodass unter Berufung auf den Bebauungsplan nicht die Erschlie-
ßung einer vorhandenen Bauanlage gerichtlich durchgesetzt werden kann.161 Darüber hinaus
kann aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Erschließungsanspruch gegeben sein,
wenn die Gemeinde nach Erlass des Bebauungsplanes zu erkennen gibt, den Plan nicht mit
der Folge einer Entschädigungspflicht aus § 42 BauGB aufheben oder ändern zu wollen, aber
dennoch von der Vornahme der Erschließung absieht oder diese ungebührlich verzögert.162
4.2.3. Tatbestände, die einen Erschließungsanspruch entgegen der Regelungen des
§ 123 Abs. 3 BauGB begründen
Ein Anspruch gegen die Gemeinde auf Erschließung ist trotz der Bestimmung des § 123 Abs.
3 BauGB, wonach ein Erschließungsanspruch gegen die Gemeinde nicht besteht, anzunehmen
bei folgenden weiteren Tatbeständen:
1. Bestehende Erschließungsmängel erreichen den Grad einer ordnungsrechtlich beachtlichen
Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.163 Beispiel: Die Gemeinde unterlässt
pflichtwidrig den Bau einer Straße und schneidet damit die bereits bebauten Grundstücke von
einer Verbindung ab.164
2. Erteilung einer Baugenehmigung unter einvernehmlicher Mitwirkung der Gemeinde.165
3. Verbindliche Zusage der Gemeinde auf Durchführung bestimmter Erschließungsmaßnah-
men (§ 38 VwVfG).
160 BVerwGE 64, S. 186 und 64, S. 191 ff. 161 Gloria, NVwZ 1991, S. 723 ff. 162 BVerwGE 92, S. 8 (21). 163 Hierzu Denninger, in: Lisken/Denninger, E Rn. 94 ff., wonach Hoheitsträger, die öffentliche Aufgaben wahr-nehmen, als Störer zur Wahrnehmung von kommunalaufsichtsrechtlichen Maßnahmen zum Zwecke der Gefah-renabwehr in Anspruch genommen werden können. 164 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 270. 165 BVerwGE 78, S. 266 (273) und BVerwG, NVwZ 1991, S. 1086 ff.
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4. Die Umlegung eines Gebietes zum Zwecke der Baulanderschließung begründet ebenfalls
eine Erschließungslast der Gemeinde, da nach § 45 Abs. 2 BauGB auch die Erschließung zu
den Zwecken der Umlegung zählt. Dies folgt aus der Zusammenschau der §§ 57 und 58
BauGB. Dem liegt folgende Überlegung zugrunde: Im § 58 Abs. 2 BauGB wird für den Fall
der Verteilung nach Flächen geregelt, dass ein Ausgleich in Geld stattfindet, wenn der Flä-
chenabzug den nach § 58 Abs. 1 BauGB zulässigen Umfang übersteigt. D. h. das Gesetz geht
davon aus, dass der im § 58 Abs. 1 BauGB beschriebene Umlegungsvorteil die aus der ver-
besserten Erschließung folgenden Vorteile einschließt. Dies muss dann aber auch für die
Wertänderung i. S. des § 57 Abs. 4 BauGB gelten, denn es kann nicht angenommen werden,
dass das Gesetz den Inhalt des Begriffs der Umlegungsvorteile in den §§ 57 und 58 unter-
schiedlich regelt.166 Die Umlegung als solche, d. h. ohne Hinzutreten weiterer Umstände be-
gründet jedoch keinen Anspruch auf gemeindliche Erschließung.
5. Lehnt die Gemeinde bei Vorliegen eines qualifizierten Bebauungsplanes ein ihr zumutbares
Erschließungsangebot ohne ersichtlichen Grund ab, d. h. liegt ein qualifizierter Bebauungs-
plan vor und bietet ein Dritter die private Erschließung im Rahmen eines öffentlich-
rechtlichen Vertrages an, ist die Gemeinde verpflichtet, die im Bebauungsplan vorgesehene
Erschließung selbst vorzunehmen, wenn sie das Angebot des Dritten ohne ersichtlichen
Grund ablehnt (§ 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Diese Regelung normiert nichts anderes als die entsprechende Rechtsprechung der Verwal-
tungsgerichte.167
Es ist somit festzustellen, dass zusammengefasst das BauGB die Erschließungslast (§§
123 Abs. 1, 125), Zeit und Umfang der Erschließung (§§ 123 Abs. 2, 3, 125), die Pflichten der
Eigentümer (§ 126) und das Erschließungsbeitragsrecht (§§ 127 bis 135) regelt. Nicht im
BauGB geregelt ist das Ausbaubeitragsrecht.
166 BVerwG, DVBl. 1981, S. 827 ff. 167 BVerwG, NJW 1977, S. 405 ff. und BayVGH, NVwZ 1991, S. 1107 ff.
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5. Abgrenzung und Inhaltsbestimmung des Ausbau- und Anschlussbeitragsrechts
5.1. Ausbaubeitrag
5.1.1. Ausbaubeiträge auslösende Maßnahmen
5.1.1.1. Grundlagen
In Abgrenzung zu den Erschließungsbeiträge auslösenden Maßnahmen des § 127 BauGB, die
die erstmalige Herstellung und Anschaffung einer Erschließungsanlage betreffen, gibt es nach
den kommunalrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landesrechtes die Möglichkeit, dass
Ausbaubeiträge durch Ausbaumaßnahmen der Gemeinde ausgelöst werden.
Dazu berechtigen nur Aufwendungen für Ausbaumaßnahmen, die eine öffentliche An-
lage oder eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde betreffen. Als Aufwendungen, die glei-
chermaßen in allen Landesgesetzen genannt werden, gelten alle Maßnahmen zur Herstellung
einer Verkehrsanlage, Anschaffung, Erneuerung, Erweiterung, Verbesserung.168 Im Gegen-
satz zum Erschließungsbeitragsrecht liegt dem Ausbaubeitragsrecht allerdings nicht die Auf-
gabe zugrunde, öffentliche Anlagen oder Einrichtungen herzustellen, die zur Erschließung
i. S. d. § 123 Abs. 1 und 2 BauGB führen.169 Insofern steht das Ausbaubeitragsrecht neben
dem Erschließungsbeitragsrecht und erlaubt der Gemeinde, die Erhebung von Beiträgen für
die Herstellung von Anlagen bzw. Einrichtungen, die gemeindliche Verkehrsanlagen sind,
aber nicht zu den Erschließungsanlagen des § 127 BauGB zählen, ansonsten handelt es sich
hier um die sich an die Herstellung anschließende Erfüllung von gemeindlichen Aufgaben.
Soweit die Begriffe „öffentliche Anlagen“ und „öffentliche Einrichtungen“ verwendet
wurden, gilt es, eine Abgrenzung vorzunehmen:
Öffentliche Einrichtungen sind von der Gemeinde in Erfüllung ihrer Daseinsvorsorge
für ihre Einwohner geschaffene Sachen, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.170
Durch Entscheidung des OVG Münster vom 23.10.1968171 wurde präzisiert, dass zu den
öffentlichen Einrichtungen im Sinne des § 18 GemO Nordrhein-Westfalen nicht die Sachen in
Gemeingebrauch (öffentliche Sachen) gehören. Öffentliche Sachen sind Gegenstände, nicht
nur körperliche, die durch eine Widmung oder ein Gesetz öffentlichen Zwecken dienen sol-
len172, z. B. Straßen, Wasserwerke, Landschaftsgebiete usw. Insofern ist aufgrund der zitierten
Entscheidung des OVG Münster zumindest unsicher, ob auch die öffentlichen Sachen zu den
öffentlichen Einrichtungen zählen.173 Durch Urteil vom 01.06.1977174 hat das OVG Münster
entschieden, dass der Begriff der öffentlichen Anlage sowohl die öffentlichen Sachen als auch 168 Z.B. § 8 KAG-NW, GVNW 1969, S. 712 ff. 169 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 28 Rn. 4. 170 www.juraforum.de/Lexikon (Suchbegriff: öffentliche Einrichtungen). 171 OVG Münster, NJW 1969, S. 1077 ff. 172 www.juraforum.de/Lexikon (Suchbegriff: öffentliche Sachen). 173 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 18. 174 OVG Münster, DVBl. 1979, S. 239 ff.
50
die öffentlichen Einrichtungen umfasst. Aufgrund dieser Entscheidungen haben dann die Ge-
setzgeber einiger Länder (Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern)175
ihre Kommunalabgabengesetze so geändert, dass sie bei Verwendung des Begriffs der öffent-
lichen Einrichtung den Begriff der öffentlichen Anlage ergänzt haben.
Obwohl insofern die Begriffe „öffentliche Anlagen“ und „öffentliche Einrichtungen“
zum Großteil deckungsgleich sind und im gleichen Sinne verwendet werden, ist die Unter-
scheidung insofern vorzunehmen, als der Begriff der öffentlichen Anlage den Begriff der öf-
fentlichen Einrichtung mit erfasst und um die sogenannten Sachen im Gemeingebrauch erwei-
tert.176 Aus den genannten Gründen wird nachfolgend der Begriff der öffentlichen Anlage
verwendet, der die öffentliche Einrichtung mit erfasst.
Als Ausbaubeitrag wird somit eine einmalige kommunale Abgabe bezeichnet, die sich
ausschließlich auf die Kosten für bestimmte Baumaßnahmen an nicht leitungsgebundenen
öffentlichen Anlagen bezieht.177 Die damit bezeichnete gegenständliche Beschränkung des
Ausbaubeitragsrechtes auf nichtleitungsgebundene öffentliche Anlagen ist jedoch nicht iden-
tisch mit einer Beschränkung auf (kommunale) Verkehrsanlagen, d. h. auf öffentliche Straßen,
Wege und Plätze. Vielmehr umfasst das Ausbaubeitragsrecht – auch insoweit dem Erschlie-
ßungsbeitragsrecht vergleichbar – als Gegenstände beitragsfähiger Maßnahmen neben den
öffentlichen Verkehrsanlagen z. B. (selbständige) Grünanlagen und geht damit in seinem An-
wendungsbereich über das Straßenausbaubeitragsrecht, einen Teilbereich des Ausbaubeitrags-
rechtes, hinaus. Mittelpunkt ist jedoch die Verkehrsanlage als Grundform des kommunalen
Ausbaubeitragsrechtes.178
Das Ausbaubeitragsrecht ist im wesentlichen Landesrecht, weshalb alle Bundesländer
von der ihnen vom Grundgesetz verliehenen und durch das Inkrafttreten des Bundesbauge-
setzbuches nicht berührt gebliebenen Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet des Ausbaubei-
tragsrechtes Gebrauch gemacht und durch Erlass entsprechender Bestimmungen den Kom-
munen das Recht eingeräumt haben, Ausbaubeiträge zu erheben. So beispielhaft für das Land
Thüringen § 7 ThürKAG vom 19.09.2000179, für das Land Sachsen § 26 ff. SächsKAG vom
16.06.1993180, für das Land Hessen § 11 des Gesetzes für kommunale Abgaben in Hessen
(KAG Hessen) vom 17.03.1970.181
Aus den bisherigen Darstellungen ist ersichtlich, dass die Kommunen durch das Kom-
munalabgabengesetz in nahezu allen Ländern ermächtigt sind, von Grundstückseigentümern
bzw. Erbbauberechtigten eines Grundstückes, denen ausgebaute öffentliche Anlagen im Ver- 175 § 8 KAG-NW, GVNW 1969, S. 712 ff., § 8 KAG-Brand vom 15.06.1999, GVBl. I, S. 231 ff., § 8 KAG-Meckl.Vorp., GVBl. 1993, S. 522 ff 176 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 18. 177 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 7. 178 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 7. 179 § 7 ThürKAG, GVBl. S. 301 ff. 180 § 26 ff. SächsKAG, GVBl. S. 502 ff. 181 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 1 Rn. 16, § 11 KAG Hessen, GVBl. S. 225 ff.
51
hältnis zur Allgemeinheit besonders zugute kommen, eine Geldleistung zu erheben als Gegen-
leistung für diesen zusätzlichen Vorteil.182 Es ist nicht notwendig, dass die Vorteile von dem
Pflichtigen wirklich wahrgenommen werden, vielmehr genügt die Möglichkeit dazu.183 Die
Ermächtigung zur Beitragserhebung wird hinsichtlich der Art und Weise und des Umfangs in
einer Satzung geregelt, zu deren Erlass die Gemeinde aufgrund des Kommunalabgabengeset-
zes ermächtigt ist. Hier werden der Kreis der Abgabeschuldner, der die Abgabe begründende
Tatbestand, der Maßstab und der Satz der Abgabe sowie der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit gere-
gelt.184 Gegenstand beitragsfähiger Maßnahmen sind öffentliche Anlagen im Sinne der Ge-
meindeordnungen.185 Bei den öffentlichen Anlagen, die Investitionsaufwendungen verursa-
chen, sind die leitungsgebundenen und die nicht leitungsgebundenen zu unterscheiden. Für
Maßnahmen an leitungsgebundenen Anlagen kann ein Anschlussbeitrag erhoben werden, für
Baumaßnahmen an nicht leitungsgebundenen Anlagen kommt die Erhebung eines Ausbaubei-
trages in Betracht.186
Welche Maßnahmen zur Erhebung von Ausbaubeiträgen berechtigen, wird nachfolgend
kurz dargestellt.
5.1.1.2. Wirtschaftswege
Es wurde zuvor dargestellt187, dass nach § 127 BauGB unter anderem Ausbaustraßen, nicht
befahrbare Verkehrsanlagen sowie Sammelstraßen Erschließungsbeiträge bezüglich ihrer ers-
tmaligen Herstellung und Anschaffung auslösen können. Nicht aufgeführt sind hier Wirt-
schaftswege. Da der Wirtschaftsweg in dem Katalog des § 127 BauGB nicht als Anlage defi-
niert ist, dessen Herstellungs- und Anschaffungskosten auf die von seiner Errichtung begüns-
tigten Grundstückseigentümer umgelegt werden können, bleibt nach dem Ausschlusssystem
allenfalls übrig, diese Kosten nach dem Kommunalabgabengesetz von dem begünstigten
Grundstückseigentümer als Ausbaubeitrag zu erheben.188
182 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 294.
183 BVerwG 25, S. 147 (149). 184 Bsp. § 26 SächsKAG, GVBl. 1993, S. 502 ff.; Art. 5 Bayerisches KAG usw.; GVBl. 1993, S. 264 ff. 185 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 295. 186 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 295. 187 Unter II. 4.1.2. bis 4.1.5. 188 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 11 sowie § 28 Rn. 4.
52
5.1.1.3. Altbestand (Straßen und Wege)
Weitere ausbaubeitragsfähige Maßnahmen sind nach den meisten Kommunalabgabengesetzen
die Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung von bereits über Erschließungsbeiträge abge-
rechneten und hergestellten Straßen i. S. d. § 127 BauGB, d. h. Anbaustraßen, Sammelstra-
ßen, Fuß- und Wohnwege (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG, § 7 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Kom-
munalabgabengesetz, § 8 Abs. 1 Satz 1 Abgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, § 9 Abs.
1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz usw.). Problematisch ist dies in Nord-
rhein-Westfalen, da hier der Gesetzgeber davon abgesehen hat, die Erneuerung einer öffentli-
chen (gemeindlichen) Verkehrsanlage als beitragsfähige Maßnahme im Gesetz anzuführen.
Daraus hat sich die Notwendigkeit ergeben, eine grundlegende Erneuerung, namentlich an
beitragsfähigen Anbaustraßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB), unter bestimmten Voraussetzun-
gen als weitere (zweite, dritte, usw.) Herstellung i. S. d. § 8 Abs. 2 Satz 1 Kommunalabga-
bengesetz Nordrhein-Westfalen zu qualifizieren, um solche Investitionsmaßnahmen als bei-
tragsfähig anerkennen zu können.189
Im übrigen Bundesgebiet erlauben die jeweiligen Landesgesetze, wie dargestellt, die
Beitragserhebung für „Erneuerungen“ von Anlagen.
Abzugrenzen ist dies von der Unterhaltung oder Instandsetzung einer Anlage, die keine
Beitragspflicht auslöst.190 Maßgeblich ist hier die Qualifikation der Maßnahme als Instandset-
zung, Unterhaltung oder Erneuerung bzw. Verbesserung. Zur laufenden Unterhaltung und
Instandsetzung zählen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um eine Straße in einem ihrer
Bestimmung entsprechenden gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten, die also der Erhaltung
des bestehenden Zustands dienen.191 Insofern kann Gegenstand einer beitragsfähigen Aus-
baumaßnahme lediglich eine Maßnahme sein, die zu einer Verbesserung oder Erneuerung
einer Straße dient.
Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, weshalb unter Erneuerung die Er-
setzung einer abgenutzten Anlage durch eine gleichsam neue Anlage von gleicher räumlicher
Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart
verstanden wird192, wobei es sich nicht um erstmalige Herstellung oder Anschaffung handelt.
Die Begriffe Herstellung und Anschaffung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage werden
auch im BauGB erwähnt, wobei diese Begriffe nur dort Bedeutung erlangen und zur Beitrags-
erhebung ermächtigen, wenn es sich um gemeindliche Verkehrsanlagen handelt, die nicht
Erschließungsanlagen i. S. d. § 127 Abs. 2 BauGB sind, z. B. Wirtschaftswege.193 Bei dem
Begriff Erneuerung ist jedoch zu beachten, dass auch Bestandteile einer Teileinrichtung Ge-
189 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 12 190 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 1. 191 BayVGH, BayVBl. 1976, S. 16 ff. 192 OVG Münster, OVGE 33, S. 277 ff. 193 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 11.
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genstand einer Erneuerungsmaßnahme sein können, wenn ihnen nach herkömmlicher Be-
trachtungsweise eine gewisse Selbständigkeit zukommt.194 Hierunter fällt z. B. die Straßen-
entwässerung, wenn Straßeneinläufe sowie Sammler geschaffen werden, aber auch bei der
Erneuerung einer Fahrbahn der Teil, der als Decke bezeichnet wird.195
5.1.2. Erweiterung einer Anlage als beitragsfähige Ausbaumaßnahme
Auch die Erweiterung einer Anlage gilt nach kommunalen Abgabengesetzen als beitragsfähi-
ge Maßnahme. Diese ist anzunehmen bei einer Verbreiterung der Gehwege und Fahrbahnen,
ferner bei einer Verbreiterung der Straße um eine Parkspur für den Anliegerverkehr.196
5.1.3. Verbesserung
Auch die Verbesserung einer Anlage stellt eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme nach den
Kommunalabgabengesetzen der Länder dar. Diese ist dann gegeben, wenn sich der Zustand
der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht (räumliche Ausdehnung, funktionale
Aufteilung der Gesamtfläche, Art der Befestigung) von ihrem ursprünglichen Zustand im
Zeitpunkt der erstmaligen oder nochmaligen (zweiten) Herstellung in einer Weise unterschei-
det, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat.197 Insofern muss für die Beurteilung der
Frage, ob eine Verbesserung vorliegt, ein Vergleich zwischen dem ursprünglichen Zustand
der Anlagen und dem nach der Verbesserung vorliegenden Zustand vorgenommen werden.
Für die Beantwortung der Frage, ob sich der neue Zustand einer Anlage von ihrem ursprüng-
lichen in einer ihre Benutzbarkeit im positiven Sinne beeinflussenden Weise unterscheidet, ist
insofern abzustellen auf die im Zeitpunkt vor der Durchführung der in Rede stehenden Aus-
baumaßnahme gerade dieser Anlage von der Gemeinde zugewiesene Funktion. Ausgehend
von dieser Funktion ist zu prüfen, ob der neue Zustand der Anlage sich für deren bestim-
mungsgemäße Benutzung günstig auswirkt.198 Soweit es um die auf Bewältigung des Ver-
kehrs ausgerichtete Funktion einer Straße geht, muss der neue Zustand geeignet sein, diesen
Verkehr leichter, flüssiger, gefahrloser, geräuschloser etc. zu machen.199
In Betracht kommende Verbesserungsmaßnahmen sind Kosten für die Errichtung einer
Stützmauer, die die Standfestigkeit der Fahrbahn gewährleisten oder erhöhen soll200, oder
z. B. auch die Errichtung eines Geh- bzw. kombinierten Geh- und Radweges. Eine Verbesse-
rung wird hier dadurch erreicht, dass durch die Trennung von Radfahrer- und Fahrzeugver-
kehr bzw. von Fußgänger- und Fahrzeugverkehr eine höhere Sicherheit erreicht wird.201
194 OVG Münster, KStZ 1981, S. 72 ff. 195 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 18. 196 OVG Lüneburg, KStZ 2000, S. 74 ff. 197 OVG Lüneburg, KStZ 2000, S. 74 ff. 198 OVG Schleswig, GemFH 1996, S. 274 ff. 199 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 31. 200 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 50. 201 Becker, NWVBl. 1989, S. 269 ff.
54
Bei der Errichtung einer Straßenentwässerung anstelle von zuvor vorhandenen Fluss-
bahnen wird eine Verbesserung dadurch erreicht, dass eine derartige Maßnahme sicherstellt,
dass das anfallende Oberflächenwasser nicht – wie bei Flussbahnen – lediglich an den Stra-
ßenrändern gesammelt und weitergeleitet wird. Dadurch wird die ansonsten eintretende Bil-
dung von Wasseransammlungen vermieden.202
Eine Verbesserung kann auch dadurch auftreten und zur Beitragserhebung ermächtigen,
dass eine Straßenbeleuchtung installiert wird, wenn durch die Errichtung bzw. Veränderung
der Straßenbeleuchtung eine bessere Ausleuchtung für die gesamte Straße erfolgt.203
5.2. Anschlussbeitrag
In Abgrenzung zum Ausbaubeitragsrecht steht den Kommunen, wie zuvor204 ausgeführt, die
Erhebung von Anschlussbeiträgen für kommunale Anschlussmaßnahmen zu.
Unter dem Begriff Anschlussbeitrag werden Abgaben für Anlagen zur Ableitung von
Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser eingeordnet. Diese
sind, wie dargestellt, nach den landesrechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnung205 und
der Abgabengesetze zu entrichten (§ 127 Abs. 4 BauGB). Sie sind für die Neuherstellung,
Erweiterung und Verbesserung von Erschließungsanlagen maßgebend,206 ferner für die durch
derartige Anlagen vermittelte Anschlussmöglichkeit.207 Unter die in den Kommunalabgaben-
gesetzen geregelte Abgabepflicht fallen Beiträge und Gebühren.
Insofern sind die Begriffe Gebühren und Beiträge zu bestimmen und voneinander zu
unterscheiden. Von Gebühren spricht man, wenn das Entgelt für die tatsächliche Inanspruch-
nahme der öffentlichen Einrichtung geschuldet wird. Beiträge werden für die Möglichkeit der
Inanspruchnahme einer öffentlichen Anlage erhoben.208 Ferner werden über Gebühren in der
Regel die Ausgaben für den Betrieb und die Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung, über
Beiträge wird der Aufwand für die Bauleistung finanziert. Der für die Beitragserhebung vor-
ausgesetzte Vorteil ist grundstücksbezogen, d. h. er muss sich in der Grundstücksnutzung
auswirken. So besteht beispielsweise der durch einen Anschlussbeitrag abzugeltende Vorteil
darin, dass die Anschlussmöglichkeit an eine öffentliche Abwasser- und Wasserversorgungs-
anlage einem Grundstück regelmäßig die Bebaubarkeit verschafft. Der die Erhebung einer
Gebühr rechtfertigende Vorteil kann sich dagegen auch in sonstiger Weise auswirken.209
202 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 58. 203 OVG Münster, Urteil vom 13.12.1990, Az.: 2 A 2098/89 in: Driehaus, § 32 Rn. 59, Fußnote 250. 204 Unter 5.1.1.1. 205 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 29. 206 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 291, 292. 207 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 32 Rn. 7. 208 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 300, 301. 209 Zum Vorteilsbegriff siehe Dietzel, LKV 1992, S. 330.
55
Die Refinanzierung der gemeindlichen Kosten für Haus- und Grundstücksanschlüsse,
d. h. der leitungsmäßigen Verbindungen des Grundstücks mit dem gemeindlichen Hauptka-
nal, hängt nach den Kommunalabgabengesetzen überwiegend davon ab, ob die Gemeinde
diese Anschlüsse durch ihre Anschlusssatzung zu einem Teil der öffentlichen Anlage be-
stimmt oder nicht.210 Sind sie Teil der öffentlichen Anlage, werden ihre Kosten grundsätzlich
über Beiträge oder Gebühren abgerechnet. Die Gemeinde kann aber auch von dieser Mög-
lichkeit absehen und den jeweiligen Eigentümer auf Erstattung der Kosten für seinen An-
schluss in Anspruch nehmen. Bei dem Erstattungsanspruch handelt es sich um ein öffentlich-
rechtliches Leistungsentgelt.211 Der Anspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung der
Anschlussleitungen bzw. bei einer späteren Veränderung oder Beseitigung mit Beendigung
der Maßnahmen.212 Die Gemeinde hat Anspruch auf Erstattung der Kosten, wenn der Grund-
stückseigentümer nach der Ortssatzung zum Anschluss an die öffentliche Anlage und zu de-
ren Benutzung verpflichtet ist.213 Die Befolgung dieser Pflichten erfordert die Schaffung einer
technisch dazu geeigneten Möglichkeit, also die Herstellung eines Anschlusses. Die Gemein-
de kann für bestimmte Fälle sich vorbehalten, diesen Anschluss selbst vorzunehmen, wenn
die im öffentlichen Interesse liegende Pflicht sonst nicht rechtzeitig erfüllt werden würde.214
Für die Beitragserhebung in Betracht kommende Maßnahmen sind neben den bereits
behandelten Straßenausbaubeiträgen die Einrichtung der öffentlichen Wasserversorgungs-
und Abwasseranlagen. Maßgeblich für die Erhebung und Errechnung des einzelnen Beitrags
sind die Kosten der Gesamtanlage. Hierzu zählen bei der Wasserversorgung neben dem Rohr-
netz auch die Hochbehälter, Pumpstation, Wasseraufbereitungsanlagen, Quellfassungen u. Ä.,
bei der Kanalisation Nebensammler, Hauptsammler, Klärwerke, Zuleitungen zu den Vorflu-
tern, Pumpwerke, Regenwasserrückhaltebecken u. ä. Bauwerke.215 Im Unterschied zum Er-
schließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht wird der Aufwand für leitungsgebundene Ein-
richtungen auf sämtliche Grundstücke im Gemeindegebiet verteilt. Der einzelne Grundstücks-
eigentümer finanziert mit seinem Beitrag also nicht die Wasserleitung bzw. den Kanal vor
seinem Grundstück, die Grundstückseigentümer haben sich vielmehr anteilig an dem für den
Ausbau der Gesamtanlage entstehenden Aufwand zu beteiligen.216
Unter dem Begriff Anlage können aber auch selbständige Teileinrichtungen abgerech-
net werden. Der Einrichtungsbegriff ist grundsätzlich aufgaben- und nicht anlagebezogen zu
210 VGH Kassel, DÖV 1993, S. 206 ff. 211 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1992, S. 322 ff. 212 Bsp. § 10 Abs. 2 KAG-NW. 213 OVG Münster, DÖV 1988, S. 176 ff. 214 BayVGH, NVwZ-RR 1992, S. 431 ff. 215 Driehaus/Dietzel, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 8 Rn. 519. 216 VGH Kassel, KStZ 1979, S. 131 ff.
56
verstehen.217 Bei der Frage, ob es sich um Anschlussbeiträge oder doch um Erschließungskos-
ten als Teil des Erschließungsaufwandes handelt, ist hinsichtlich der Erhebung von Beiträgen
für die Kanalisation darauf abzustellen, ob diese nach dem Trenn- oder nach dem Misch-
system ausgerichtet wird. Die Trennkanalisation besteht aus einem reinen Schmutzwasser-
und einem reinen Regenwasserkanal für das Straßenoberflächen- und das Oberflächenwasser
der anliegenden Grundstücke. Beim Mischsystem nimmt der Kanal sowohl das Oberflächen-
wasser der Straße als auch das Schmutzwasser auf. Die Entwässerungsart ist maßgeblich für
die Verteilung der Kosten. Die auf die Straßenentwässerung entfallenden Kosten sind nämlich
Bestandteil des Erschließungsaufwandes, die übrigen Kosten fließen in die Globalberechnung
ein und werden über Kommunalabgaben umgelegt.218
Beitragspflichtig sind alle Maßnahmen, die der Herstellung, Anschaffung, Erweiterung
und Verbesserung der Anlage dienen.219 Diese Maßnahmen können auch zu Beitragspflichten
führen, wenn und soweit eine beitragsauslösende Maßnahme bereits in der Vergangenheit
durchgeführt wurde. So löst z. B. die Verbesserung einer Kläranlage dann einen Beitrag aus,
wenn im Rahmen der vollbiologischen Klärung ein höherer Reinigungseffekt erzielt wird.220
Die Kostenumlegung auf den Bürger ist entsprechend den vorangegangenen Ausfüh-
rungen in zwei Verfahrensweisen möglich:
- durch Erhebung eines Beitrages oder
- durch später zu erhebende, kostendeckende Benutzungsgebühren.221
Zahlungspflichtig ist, wie sonst auch, nach den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen derje-
nige, der im Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs bzw. der Zustellung des Bei-
tragsbescheides Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigter ist.222 Von besonderer Be-
deutung ist hier jedoch, dass, falls keine entsprechenden Vorschriften in den jeweiligen
Kommunalabgabengesetzen enthalten sind, der Kostenerstattungsanspruch für Grundstücks-
anschlüsse nicht als öffentliche Last auf dem Grundbesitz lastet, sondern eine persönliche
Schuld des nach obiger Darstellung Zahlungspflichtigen ist.223
Der Hausanschluss besteht aus der Verbindung des Verteilungsnetzes mit den Kunden-
anlagen. Seine Art und Lage werden nach Anhörung des Anschlussnehmers und unter Wah-
rung seiner berechtigten Interessen vom Versorgungsunternehmen bestimmt. Anschlussneh-
mer ist der Vertragspartner des Versorgungsunternehmens. Das Versorgungsunternehmen ist
daher berechtigt, vom Anschlussnehmer die Erstattung der Kosten für die Erstellung und
217 BayVGH, BayVBl. 1983, S. 305 ff. 218 BVerwG, NVwZ 1986, S. 221 ff. 219 VGH Kassel, KStZ 1989, S. 216 ff. 220 Z. B. Oehler, Bayerisches KAG, Artikel 5 Rn. 3.1.2. 221 § 6 KAG-NW oder § 10 Hess. KAG oder z. B. § 12 ThürKAG. 222 Bsp. Art. 9 Abs. 2 Bay. KAG, § 14 Abs. 2 ThürKAG. 223 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 308.
57
später vom Benutzer veranlasste Veränderungen des Hausanschlusses zu verlangen.224 Zu
beachten ist also, dass es sich hier um rein schuldrechtliche Beziehungen zwischen dem Ver-
sorgungsunternehmen und dem Grundstückseigentümer handelt, weshalb diese beim Verkauf
eines Grundstückes nicht automatisch auf den Erwerber übergehen.225
5.3. Kostenerstattungsmaßnahmen
Eine weitere Möglichkeit, aus der sich für den Eigentümer oder Erwerber eines Grundstücks
die Verpflichtung zur Kostentragung für die Durchführung öffentlicher Leistungen ergeben
kann, ist die Kostenerstattung gem. § 135 a F. BauGB.
Danach ist es der Gemeinde gestattet, Kosten für Maßnahmen geltend zu machen, die
zum Ausgleich i. S. d. § 1 a Abs. 3 BauGB durchgeführt werden. § 1 a BauGB bestimmt, dass
bei zu erwartenden Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 18 BNatSchG) Maßnahmen zum
Ausgleich vorzusehen sind. Diese Maßnahmen sind bereits bei der Aufstellung von Be-
bauungsplänen zu berücksichtigen.226 Die Einfügung des § 1 a BauGB beruht auf der Erkenn-
tnis, dass sachinhaltliche Anforderungen des Umweltschutzes in der Bauleitplanung ohne
Einhaltung eines geordneten Verfahrens, in dem sie ermittelt und bezüglich ihrer Bedeutung
für die nachhaltige geordnete städtebauliche Entwicklung fach- und sachgerecht beurteilt
werden, nicht in einer Weise Berücksichtigung finden, wie es das Wohl der Allgemeinheit
erfordert. Insofern führt § 1 a BauGB die umweltschutzbezogenen Vorgehensweisen an, die
für eine umweltschutzorientierte städtebauliche Planung zu berücksichtigen sind.227 Nach § 1
a Abs. 3 Satz 2 BauGB muss der im Bebauungsplan vorzusehende Ausgleich für Eingriffs-
maßnahmen in Natur und Landschaft nicht auf dem Baugrundstück selbst erfolgen, sondern
kann, soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der
Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, auch an an-
derer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen.228 Er muss nicht einmal im Gebiet der Gemein-
de stattfinden, die den Eingriffsbebauungsplan aufstellt. Benachbarte Gemeinden können ge-
meindegebietsübergreifende Ausgleichskonzepte verfolgen. Auch können in Bauleitplänen
(z.B. Flächennutzungsplänen) gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 a BauGB Gebiete
bestimmt werden, in denen Eingriffe an anderer Stelle ausgeglichen, ersetzt oder gemindert
werden können.229 Nach § 135 a BauGB treffen die Kosten des Ausgleichs den Verursacher
224 § 10 Abs. 5 AVBGasV (zuletzt geändert am 09.12.2004 , BGBl. I, S. 3214 ff.) i. V. m. Gas GVV vom 26.10.2006, BGBl. I, S. 2396 ff.; § 10 Abs. 5 AVBELtV i. V. m. StromGVV vom 08.11.2006, BGBl. I, S. 3165 ff.; § 10 Abs. AVB Fernwärmeverordnung und § 10 Abs. 4 AVB Wasserverordnung i. V. m. EnWG vom 07.07.2005, BGBl. I, S. 1970 ff. 225 BGHZ 100, 299 (311), NJW 1987, S. 2084 ff. 226 Bunzel, BauR 1999, S. 3. 227 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (67). 228 Lüers, UPR 1997, S. 348 (350). 229 Bunzel, BauR 1999, S. 3 ff.
58
des Eingriffs, hilfsweise den Eigentümer des Grundstückes, auf dem Eingriffe zu erwarten
sind.230 Das Gesetz selbst enthält keine weitergehenden Regelungen über die Durchführung
von Festsetzungen für den Ausgleich auf den Eingriffsflächen. Dies kann dem Bauherrn nur
im Wege von Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung aufgegeben werden, sofern sie nicht
bereits Gegenstand des Bauantrags sind. Es handelt sich dann um unselbständige Nebenbe-
stimmungen (§ 36 VwVfG) zur Baugenehmigung, die mit dieser zusammen angefochten und
vollzogen werden können. Die Realisierung dieser Festsetzungen kann vom Bauherrn erst
verlangt werden, wenn dieser den Bau oder Eingriff durchführt.231
Soweit Maßnahmen zum Ausgleich nicht auf dem Eingriffsgrundstück selbst, sondern
an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 Abs. 1 a BauGB zugeordnet sind, soll die Ge-
meinde diese gem. Abs. 2 Satz 1 anstelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigen-
tümer der Grundstücke durchführen. Eine solche Verpflichtung der Gemeinde ist immer dann
gegeben, wenn die Durchführung der Maßnahme nicht auf andere Weise gesichert ist. Als
anderweitige Sicherung kommen insbesondere städtebauliche Verträge nach § 11 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 BauGB in Betracht.232 Die Gemeinde geht im Fall des Ausgleichs an anderer Stelle in
Vorleistung. Bereitstellung der Flächen und Durchführung der Maßnahmen zum Ausgleich
erfolgen nach dem Modell einer Ersatzvornahme233, ohne dass allerdings eine primäre Pflicht
des Vorhabenträgers oder Grundstückseigentümers zur Durchführung der Ausgleichsmaß-
nahme bestehen würde. Die Gemeinde erhebt in diesem Sinne bei den Verursachern und, so-
weit ein Eingriff möglich, aber noch nicht durchgeführt ist, bei den Eigentümern einen Koste-
nerstattungsbetrag zur Refinanzierung der Kosten des Ausgleichs.234 Anders als beim Er-
schließungsbeitrags- und Kommunalabgabenrecht ergibt sich die Kostenerstattungspflicht
nicht aus dem wirtschaftlichen Vorteil, den der Grundstückseigentümer durch die Nutzung
der zu finanzierenden Einrichtung hat, sondern aus der Verantwortlichkeit des Vorhabenträ-
gers für die Verursachung eines Eingriffs in Natur und Landschaft. Insoweit ist der Kosteners-
tattungsbetrag kein Beitrag im abgabenrechtlichen
Sinne.235 Voraussetzung für die Erhebung eines Kostenerstattungsbetrages ist, dass die Flä-
chen und Maßnahmen zum Ausgleich den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten
sind, gem. § 9 Abs. 1 a Satz 2 BauGB zugeordnet wurden. Die Zuordnung erfolgt in der Form
einer verbindlichen Regelung als Festsetzung im Bebauungsplan.236 D. h., die Gemeinde kann
230 Gruber, BayVBl. 1995, S. 420 (422). 231 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum BauGB, § 135 a Rn. 2. 232 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum BauGB, § 135 a Rn. 3. 233 Köck, Natur und Recht 2004, S. 2 ff 234 Bunzel, BauR 1999, S. 3 (6). 235 Bunzel, BauR 1999, S. 3 (6). 236 Bunzel, Neuerungen im BauGB 1998, kommentiert für die Praxis, S. 49, 41 f.
59
nach § 135 Abs. 2 Satz 2 BauGB Maßnahmen zum Ausgleich bereits vor den Baumaßnahmen
und der Zuordnung durchführen. Sie hat insofern unter anderem die Möglichkeit, bereits im
Vorgriff auf spätere Baugebietsfestsetzungen Maßnahmen zum Ausgleich vorzunehmen und
diese dann den neuen Baugebieten zuzuordnen. Derartiges Handeln wird auch mit dem Be-
griff Öko-Konto bezeichnet.237
Gem. § 135 Abs. 3 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde die Kosten geltend machen, die
ihr gemäß den vorherigen Ausführungen entstanden sind, wenn die Grundstücke, auf denen
die Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden können.238 Dies ent-
spricht der Regelung des Erschließungsbeitragsrechtes in § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Vor-
aussetzung für die Zulässigkeit der baulichen oder gewerblichen Nutzung und somit auch für
die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrages ist dann allerdings auch, dass die Er-
schließung gesichert ist, d. h., dass die Erschließungsmaßnahmen eingeleitet, also tatsächlich
begonnen worden sind oder ihre Inangriffnahme terminiert und im Gemeindehaushalt abgesi-
chert ist, sodass die Erschließungsanlagen gemäß den Erfordernissen der Bebauung und des
Verkehrs spätestens bis zur Fertigstellung der abzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar
sind. Diese Sicherung kann auch durch Abschluss eines Erschließungsvertrages erfolgen,
wenn durch ihn termingerechte Benutzbarkeit der Erschließungsanlagen gewährleistet ist.239
Weitere Voraussetzung für die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen ist, dass nach § 135 c
BauGB eine Satzungsregelung vorliegt. Obwohl dort formuliert ist, dass die Gemeinde die
Kostenerstattung und die dafür erforderlichen Voraussetzungen durch Satzung regeln kann,
darf daraus nicht gefolgert werden, dass die Gemeinde zur Erhebung der Kostenerstattungsbe-
träge auch ohne eine derartige Satzung berechtigt ist.240 Dies ist schon aus Gründen der
rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheit einer Abgabennorm (Artikel 20 Abs. 3 GG) nicht zu-
lässig. Als Grundlage für die Bemessung der Kostenerstattungsbeträge muss daher in sat-
zungsmäßiger Form zumindest festgelegt sein, welcher Verteilungsmaßstab im Sinne des
§ 135 b BauGB gelten soll.241 Maßnahmen, die die Gemeinden berechtigen, entsprechende
Kostenerstattungsbeträge einzufordern, sind Maßnahmen zur Beschaffung der für Aus-
gleichsmaßnahmen geeigneten Flächen durch Begründung von Pachtverhältnissen, freihändi-
gen Erwerb des Eigentums an den Flächen, Bestellung von Baulasten an den Flächen, Ausü-
bung von Vorkaufsrechten und Enteignung der Flächen zugunsten der Gemeinden. Aus-
gangspunkt für die Berechnung des Kostenerstattungsbetrages sind dann der Pachtpreis, der
Kaufpreis, der Tauschwert oder die Enteignungsentschädigung.242 Weitere Kosten sind die
Kosten der tatsächlich durchgeführten Maßnahme zur ökologischen Aufwertung für die zur
237 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum BauGB, § 135 a Rn. 5. 238 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum BauGB, § 135 a Rn. 6. 239 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (116). 240 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (117). 241 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (117). 242 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (115).
60
Ausgleichsmaßnahme bestimmte Fläche. D. h. die für den Ausgleich vorgesehene Fläche ver-
bleibt nicht in ihrem bisherigen Zustand, sondern wird unter dem Blickwinkel der Pflege von
Natur und Landschaft in einen höherwertigen Zustand versetzt.243 Deshalb kann die bloße
Erhaltung und Sicherung eines wertvollen Landschaftsbestandteils im Rahmen der Abwägung
mit den Belangen von Natur und Landschaft nicht als Ausgleichsmaßnahme für derartige
Eingriffe gewertet werden. Gleichermaßen kann die Heranziehung einer Ackerfläche, für die
keine Maßnahmen zur Entwicklung von Natur und Landschaft festgesetzt sind, nicht als Aus-
gleichsmaßnahme gewertet werden.244 Anerkannte Maßnahmen, mit denen Flächen ökolo-
gisch aufgewertet werden, sind das Anpflanzen von standortheimischen Gehölzen, die Aus-
saat von standort-heimischen Kräutern und Gräsern, die Schaffung und Renaturierung von
Wasserflächen, die Entsiegelung von wasserundurchlässigen Böden, Maßnahmen zur Grund-
wasseranreicherung etc.245
Dagegen können Kosten für die laufende Pflege und die weitere Entwicklung von Na-
turzuständen, die durch die Ausgleichsmaßnahmen geschaffen worden sind, von den Gemein-
den nicht in Ansatz gebracht werden.246 Kostenschuldner ist gem. § 135 a Abs. 2 Satz 1
BauGB der Vorhabenträger oder der Eigentümer eines Grundstücks. Soweit Vorhabenträger
und Grundstückseigentümer identisch sind, ist die Regelung unproblematisch. Ist der Vorha-
benträger nicht Grundstückseigentümer, so kann seine Inanspruchnahme Schwierigkeiten
bereiten.247 Daher wird in diesem Fall der Grundstückseigentümer zur Kostentragung heran-
gezogen werden, da nach § 135 a Abs. 3 Satz 4 BauGB der Betrag als öffentliche Last auf
dem Grundstück ruht. Bei Wohnungs- und Teileigentum ruht die öffentliche Last insofern auf
diesem Eigentum. Mangels entsprechender Regelung gilt die Kostentragungspflicht jedoch
nicht bei Begründung von Erbbaurechten. Hier haftet dann der Grundstückseigentümer.248
6. Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten
Weiterhin (begrifflich) zu unterscheiden sind Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten.
Die Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser muss nicht unmittelbar durch eine
öffentlich-rechtliche Körperschaft erfolgen, sondern kann auch durch eine juristische Person
des privaten Rechtes wahrgenommen werden. In der Praxis sind diese jedoch häufig Eigenge-
sellschaften, d. h. juristische Personen, deren Kapitalanteile allein die Gemeinde hält, oder
gemischt-wirtschaftliche Unternehmen.249 Das Benutzungsverhältnis ist dann privatrechtlich
geregelt.222 Das privatrechtliche Versorgungsunternehmen kann für die Erstellung und Ver-
243 OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2000, S. 1011 ff. 244 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (90). 245 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (90). 246 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (116). 247 Stich, Wirtschaft und Verwaltung 2002, S. 65 (119). 248 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum BauGB, § 135 a Rn. 6. 249 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform 1984, S. 292.
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stärkung von Anlagen, die der Versorgung dienen, Baukostenzuschüsse beanspruchen.250 Der
Baukostenzuschuss ist beispielsweise in § 9 Abs. 1 AVBGas wie folgt geregelt: „Das Gasver-
sorgungsunternehmen ist berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Bau-
kostenzuschuss zur teilweisen Abdeckung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendi-
gen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung von der örtlichen Versorgung dienenden Ver-
teilungsanlagen zu verlangen, soweit sie sich ausschließlich dem Versorgungsbereich zuord-
nen lassen, in dem der Anschluss erfolgt. Baukostenzuschüsse dürfen höchstens 70 von Hun-
dert dieser Kosten abdecken.“ Diese dienen zur teilweisen Abdeckung der bei wirtschaftlicher
Betriebsführung notwendigen Kosten. Baukostenzuschüsse dürfen, wie an der zitierten Rege-
lung beispielhaft dargestellt, höchstens fünfzig bis siebzig von hundert dieser Kosten abde-
cken. Den Rest muss das Versorgungsunternehmen selbst tragen.251
Hausanschlusskosten sind die Kosten für die Erstellung des Hausanschlusses. Hausan-
schluss ist die Anlage, die das Verteilungsnetz mit der Kundenanlage verbindet, gerechnet
von der Versorgungsleitung bis zu der Innenleitung der Gebäude und Grundstücke.252 Für die
Erstellung dieser Hausanschlüsse sowie für die Erneuerung ist das Versorgungsunternehmen
berechtigt, Kosten zu erheben.253
Diese Regelungen wurden analog für alle weiteren öffentlichen Versorgungsanlagen ge-
schaffen, mit der inhaltlichen Abweichung, dass im Gesetzestext die sich unterscheidenden
Versorgungsarten gennant sind, z.B. in § 9 AVB Elt V Verteilungsanlagen bis höchsten 30
kV (Niederspannungsnetz, Mittelspannungsnetz, Transformatorenstationen).254
Die zuvor dargestellten Regelungen sind in den Jahren 2006 und 2007 durch Nachfolge-
regelungen ersetzt worden, z. B. AVBEltV durch die NAV (Niederspannungsanschlussver-
ordnung)255 für alle Anschlussverhältnisse ab 12.07.2005, sowie AVB Gas V durch GasGVV
ebenfalls für alle Verträge nach dem 12.07.2005.256
250 Z. B. gem. § 9 AVB Gas V i. V. m. §§ 1, 17 EnWG, BGBl. 2005 I, S. 1970 ff. und NAV, BGBl. 2006 I, S. 2477 ff. 251 Siehe zur Berechnung aufgrund von Sollwerten OLG Nürnberg, NJW-RR 1990, S. 1392 ff. und OLG Frank-furt, NJW-RR 1990, S. 1393 ff. 252 Z. B. AVB Gas V, § 19 Abs. 1 S. 1 (BGBl. 1979 I, S. 679 ff.). 253 AVB Gas V, § 10 Abs. 5 Ziffer 1 und 2. 254 § 9 AVB ElT V (BGBl. 1979, I S. 684 ff.), § 9 AVB WasserV. 255 § 11 NAV (BGBl. 2006 I, S. 2477 ff.), Gas GVV (BGBl. 2006 I, S. 2396 ff.). 256 § 1 NAV, § 1 GasGVV.
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7. Beitragspflicht und öffentliche Last im Anschluss- und Ausbaubeitragsrecht in
Abgrenzung zum Erschließungsbeitragsrecht
Dem besseren Verständnis der Unterscheidung des Erschließungs- und des Anschluss- und
Ausbaubeitragsrechtes dient die Trennung und Klärung von sachlicher und persönlicher Bei-
tragspflicht. Grundsätzlich gilt, dass bei den zuletzt genannten Beiträgen die öffentlich-
rechtliche Beitragspflicht und öffentliche Last im jeweiligen Kommunalabgabengesetz defi-
niert ist. In diesen ist die Beitragspflicht zu Lasten des jeweiligen Eigentümers, Erbbaube-
rechtigten, Teileigentümers oder Miteigentümers eines grundbuchrechtlich eingetragenen
Grundstückes geregelt. 257
Insofern ist entscheidend, von welchen Kriterien die sachliche und persönliche Bei-
tragspflicht abhängt.
7.1. Allgemeine Voraussetzung der Beitragspflicht
Zunächst setzt das Entstehen der Beitragspflicht im Rahmen des Ausbaubeitragsrechtes sach-
lich die Anschlussmöglichkeit der Anlage voraus. Es muss also die Möglichkeit der Inans-
pruchnahme der öffentlichen Einrichtung bestehen. D. h. es muss erstens die Ver- und Ent-
sorgungseinrichtung betriebsfertig und zweitens das Grundstück leitungsmäßig erschlossen
sein.258
D. h., dass für die Entstehung der Beitragspflicht die tatsächliche und rechtliche Mög-
lichkeit der Inanspruchnahme der Anlage aktuell gegeben sein muss, insbesondere dürfen
keine Hindernisse für eine Zufahrts- oder Zugangsmöglichkeit bestehen. Der Vorteil, der
durch die Anlage zum Ausdruck kommen muss, um die Kostenveranlagung zu rechtfertigen,
besteht also im Ausbaubeitragsrecht in der Steigerung des Gebrauchswertes durch Verbesse-
rung der Anlage. Dieser Vorteil nimmt mit dem Gebrauch der Anlage bis zur völligen Abnut-
zung ab. Deshalb können Ausbaubeiträge – für Straßen – auch mehrmals erhoben werden.
7.2. Abgrenzung gegenüber Erschließungsbeitragsrecht
In Abgrenzung dazu muss im Erschließungsbeitragsrecht der beitragsrechtliche Vorteil in der
(einmaligen) baurechtlichen Erschließung des Grundstückes begründet sein und dieser Vorteil
auch nach Herstellung der Anlage noch fortwirken. D. h. dem Vorteil muss eine Gebrauchs-
werterhöhung durch eine Verbesserung der Anlage zugrunde liegen.259
257 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 301. 258 § 8 Abs. 7 KAG-NW, § 11 Abs. 5, § 14 Abs. 6 KAG RP usw. sowie BVerwG, NVwZ-RR 1990, S. 323. 259 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 302.
63
7.3. Sachliche Beitragspflicht
Die so genannte sachliche Beitragspflicht knüpft daran an, dass die beitragsfähige Maßnahme
beendet ist.260 In einigen anderen Kommunalabgabengesetzen wird auf die endgültige Herstel-
lung der Anlage abgestellt.261 Hiermit ist nicht die eigentliche Herstellung der Anlage, son-
dern der Zeitpunkt bezeichnet, zu dem irgendeine beitragsfähige Ausbaumaßnahme abge-
schlossen, die Anlage als Gegenstand der Maßnahme in den dem Bauprogramm entsprechen-
den Zustand versetzt und damit im Sinne der Vorschrift endgültig hergestellt ist.262 Maßgeb-
lich für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist also der Zeitpunkt, zu dem die Arbei-
ten an einer öffentlichen Anlage abgeschlossen sind und die öffentliche Anlage in dem Zu-
stand befindlich ist, dem sie nach Verwirklichung des von der Gemeinde aufgestellten Bau-
programms entsprechen soll.263
Besteht ein Bauprogramm aus mehreren Abschnitten, so muss die Gemeinde durch eine
irgendwie geartete Willensäußerung kenntlich machen, wann die Beendigung eines Abschnit-
tes einer einen Beitragstatbestand auslösenden Baumaßnahme zur Verwirklichung des Bau-
programms gegeben ist.264 So ist es möglich, das Bauprogramm so zu gestalten, dass es bei-
spielsweise nur auf die Teillänge einer Straße beschränkt wird, weil ein weitergehender Aus-
baubedarf nicht besteht, und somit das Merkmal der endgültigen Herstellung dieser Einrich-
tung dann erreicht ist, wenn der entsprechende Teilbereich im tatsächlichen Sinne fertigges-
tellt ist.265
Die tatsächliche Herstellung ist, da derartigen Maßnahmen die Ausführung einer Aus-
baumaßnahme zugrunde liegt, dann gegeben, wenn eine Abnahme gemäß § 640 BGB bzw.
gemäß § 12 VOB Teil B hinsichtlich der zu bringenden Leistung durchgeführt wurde.266 Der
Zeitpunkt der förmlichen Abnahme ist auch dann maßgeblich, wenn bei der Abnahme Mängel
gerügt und diese erst später beseitigt werden müssen,267 sodass ein Beitragsbescheid erlassen
wird, obwohl tatsächlich Arbeiten nach wie vor durchgeführt werden, da diese lediglich nach
Abnahme im Rahmen der Beseitigung der bei dieser Abnahme festgestellten Mängel erfolgen.
260 Z. B. § 6 Abs. 6 N KAG und § 6 Abs. 6 KAG-LSA. 261 § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG-NW, § 8 Abs. 7 Satz KAG Saarland. 262 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 37 Rn. 3. 263 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 37 Rn. 3. 264 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 37 Rn. 4. 265 OVG Münster, OVGE 31, S. 58 ff. 266 OVG Münster, KStZ 1986, S. 119 ff. 267 OVG Münster, KStZ 1997, S. 117 ff.
64
7.4. Persönliche Beitragspflicht
Weiterhin setzt die Beitragsschuld die persönliche Beitragspflicht voraus. Beitragspflichtig
sind Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigte sowie Wohnungs- und Teileigentümer268.
Mehrere bereits Beitragspflichtige haften grundsätzlich als Gesamtschuldner (§§ 421 ff.
BGB). Dies wird in den meisten Kommunalabgabengesetzen ausdrücklich bestimmt, aller-
dings mit der Ausnahme von Wohnungs- und Teileigentümern, die nur entsprechend ihrem
Miteigentumsanteil beitragspflichtig sind.269
Die Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz ruhen als öffentliche Last auf dem
Grundstück bzw. Erbbaurecht.270 Die öffentliche Last knüpft an die sachliche Beitragspflicht
an. Sie kann deshalb bestehen, selbst wenn dem Eigentümer noch kein Beitragsbescheid zu-
gestellt wurde. Aus dem Grundbuch ist sie nicht ersichtlich.271 Deshalb haftet auch der späte-
re, nicht persönlich beitragspflichtige Eigentümer, selbst wenn er keine Kenntnis vom Beste-
hen der Beitragsschuld hat oder ihm das Grundstück voll erschlossen verkauft wurde, mit dem
Grundstück.272 Daneben bleibt die Haftung des persönlich Beitragspflichtigen mit seinem
gesamten Vermögen bestehen.
Maßgeblich für die Beitragsschuld ist jedoch zunächst die Bekanntgabe eines Beitrags-
bescheides273, der hinsichtlich des Empfängers die Beitragspflicht begründet. Hierbei ist zu
beachten, dass der Beitragsbescheid nur dann eine Beitragsschuld auslöst, wenn der Eigentü-
mer des Grundstückes im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht oder im
Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist. Dabei
ist hinsichtlich der verschiedenen Kommunalabgabengesetze der Länder zu differenzieren: so
haben die Länder Bayern, Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Thüringen
in ihren Kommunalabgabengesetzen darauf abgestellt, dass die Beitragsschuld für den Grund-
stückseigentümer bereits mit Entstehen der sachlichen Beitragspflicht entsteht.274 Im übrigen
stellen die Kommunalabgabengesetze auf den Zugang des Bescheides ab,275 oder sie gewäh-
ren dem Ortsgesetzgeber das Recht, durch Satzung zu regeln, wann die Beitragsschuld ent-
steht.276
268 Bsp. § 8 Abs. 2 Satz 3 KAG-NW, § 10 Abs. 4 Satz 3 KAG-BW. 269 Bsp. Art. 5 Abs. 6 KAG Bayern, § 11 Abs. 7 Satz 3 KAG Hessen. 270 Bsp. § 8 Abs. 9 KAG-NW, § 11 Abs. 11 KAG Hessen, § 7 Abs. 7 ThürKAG. 271 § 54 GBO. 272 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 305. 273 Wie auch oben unter 5.2 dargestellt. 274 Art. 5 Abs. 6 KAG Bayern, § 7 Abs. 6 ThürKAG, § 41 Abs. 1 KAG-BW, § 8 Abs. 7 KAG-Brand. 275 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 304. 276 § 2 Abs. 1 KAG-NW, § 7 Abs. 4 i.V.m. § 2 KAG RP.
65
Findet nach Entstehen der konkreten Beitragsschuld ein Eigentumswechsel statt, geht
die persönliche Beitragsschuld – abzugrenzen von der öffentlichen Last – erst auf den Erwer-
ber des beitragspflichtigen Grundstücks über, wenn dieser Adressat eines neuerlichen Be-
scheides wird.277
7.5. Rechtsfolgen eines fehlerhaften Beitragsbescheides
Besonders problematisch ist die Frage nach der persönlichen und sachlichen Beitragspflicht
im Ausbaubeitragsrecht, wenn ein ursprünglich fehlerhafter Beitragsbescheid im Rahmen
eines Verwaltungsverfahrens geheilt wird. Ein rechtswidriger Beitragsbescheid ist nämlich
heilbar, wenn die Beitragspflicht bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der letz-
ten Tatsacheninstanz entstanden ist. Die nachträgliche Heilungsmöglichkeit kann mit Wir-
kung ex nunc und mit Wirkung ex tunc eintreten. Dies ist entsprechend § 45 VwVfG für das
Erschließungsbeitragsrecht durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes aner-
kannt.278 Für das Ausbaubeitragsrecht gilt dies im gleichen Maße.279 Diese von der Recht-
sprechung anerkannte und grundsätzliche bestehende Heilungsmöglichkeit rechtswidriger
Beitragsbescheide im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens ist jedoch dort problematisch, wo
nach Erlass des Beitragsbescheides und vor Eintritt des die Heilung bewirkenden Ereignisses
die Rechtsverhältnisse an dem der Beitragspflicht unterliegenden Grundstück sich ändern,
weil der bisherige Eigentümer sein Eigentum übertragen hat. Die Heilung eines ursprünglich
fehlerhaften Beitragsbescheides im Rechtsmittelverfahren ist sowohl mit Wirkung ex tunc als
auch mit Wirkung ex nunc denkbar. Bei der Beantwortung der Frage, welche Heilungswir-
kung anzunehmen ist, kommt es auf die Art des konkreten - zu heilenden - Fehlers an. So ist
im Erschließungsbeitragsrecht eine Wirkung ex nunc anzunehmen, wenn der Bescheid wegen
eines ursprünglichen Satzungsmangels fehlerhaft war und durch eine spätere, den Mangel
beseitigende Satzung geheilt wird.280 Einer Rückwirkungsanordnung bedarf es nicht, da die
Heilung mit Wirkung ex nunc auch im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen ist und den
Bescheid rechtmäßig werden lässt.281 Eine derartige Wirkung tritt jedoch nur dann ein, wenn
es sich bei dem Mangel um einen ursprünglichen Mangel der Satzung gehandelt hat. Denn
ausschließlich ein solcher Mangel kann rückwirkend behoben werden.282
Ist der Mangel jedoch darin begründet, dass die Satzung von Anfang an unzulänglich
war, kann eine sodann erlassene fehlerfreie Satzung mit Wirkung ex tunc oder mit Wirkung
ex nunc ergehen.283 Ist nämlich die Satzung, auf deren Basis der Bescheid erlassen wurde –
zum Beispiel mangels hinreichender Bekanntmachung – von Anfang an nichtig, kommt der
277 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 304. 278 BVerwG, DVBl. 1969, S. 275 ff. 279 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 37 Rn. 15. 280 BVerwGE 64, 218 ff. 281 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 11 Rn. 59. 282 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 37 Rn. 19 und § 11 Rn. 59. 283 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 37 Rn. 19 und § 11 Rn. 59.
66
Erlaß einer rechtsfehlerfreien Satzung mit Rückwirkungsanordnung in Betracht, da es ande-
renfalls im Zeitpunkt der Heranziehung an der nach dem sogenannten Vorbehalt des Gesetzes,
erforderlichen Eingriffsgrundlage gefehlt hat.284 Das Erfordernis der „hinreichenden Bekann-
tmachung“ einer Satzung folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG. Das darin normierte Rechtsstaatsprin-
zip besagt, dass die Beachtung einer Norm deren Veröffentlichung voraussetzt.285 Die Veröf-
fentlichung muss durch die Gemeinde so gestaltet werden, dass mindestens durch einen Aus-
hang an der Gemeindetafel darüber informiert wird, wo der gesamte Satzungstext eingesehen
werden kann.286
Die Frage, ob im Ausbaubeitragsrecht die Heilung eines Beitragsbescheides durch eine
einen ursprünglichen Satzungsmangel heilende neue Satzung ohne Rückwirkungsanordnung,
als mit Wirkung ex nunc, zulässig ist, hängt von dem jeweiligen Landesrecht ab.
So ist in Bayern in Art. 5 Abs. 8 KAG und in Thüringen in § 7 Abs. 10 Thüringer KAG
für das dortige Landesrecht bestimmt, dass die Beitragspflicht grundsätzlich mit der Fertig-
stellung der Verkehrsanlage, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung entsteht. Das
gleiche gilt für § 30 Abs. 1 Sächsisches KAG. Dagegen ist nach der Rechtsprechung der je-
weiligen Oberverwaltungsgerichte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Nordrhein-
Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern Voraussetzung für den Erlass eines eine Beitrags-
pflicht auslösenden Beitragsbescheides immer das Vorliegen einer, wenn auch rückwirkend in
Kraft getretenen, gültigen Beitragssatzung zum Zeitpunkt der Bestandskraft des Bescheides.
Beitragsfähige Maßnahmen in satzungsloser Zeit oder einer Zeit ohne gültige Satzung sollen
danach beitragsfrei bleiben. Denn dies, so begründet z. B. das Oberverwaltungsgericht Müns-
ter seine diesbezügliche Ansicht zu § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG Nordrhein-Westfalen, habe der
Gesetzgeber angeordnet.287 Diese Anordnung des Gesetzgebers sei aus der Formulierung zu
ersehen, dass „mit der endgültigen Herstellung der Anlage die Beitragspflichten entstanden
sind.“288 Dabei sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die für das Entstehen der Bei-
tragspflicht erforderlichen ortsrechtlichen Vorschriften im Zeitpunkt der endgültigen Herstel-
lung in Kraft getreten sind. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 1 KAG Nordrhein-Westfalen. Der
Annahme, dass die Gemeinden den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht
auf einen späteren Zeitpunkt, den des Inkrafttretens der Satzung, verschieben können, würde
entgegenstehen, dass der Gesetzgeber ihnen eine derartige Befugnis ausdrücklich nicht einge-
räumt hat.289
284 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 11 Rn. 60. 285 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 11 Rn. 14. 286 OVG Magdeburg, LKV 2003, S. 189 ff. 287 OVG Münster, NWVBl. 1996, S. 62 ff. 288 § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG-NW. 289 OVG Münster, NWVBl. 1996, S. 62 ff.
67
Diese Rechtsprechung wird von weiten Teilen der Literatur abgelehnt. So vertritt Drie-
haus die Auffassung, dass dieser Ansicht nur dann gefolgt werden könnte, wenn sich aus dem
Gesetz eine entsprechende, die zeitliche Abfolge von endgültiger Herstellung und Erlass der
Straßenbaubeitragssatzung bindend festlegende Bestimmung ergäbe.290 Da dies jedoch nicht
der Fall ist, sei die Ansicht des Gerichtes abzulehnen. Zwar gibt es in Nordrhein-Westfalen im
Anschlussbeitragsrecht die Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG, wonach die Beitragspflicht
frühestens mit dem Inkrafttreten einer gültigen Satzung entsteht. Diese Regelung lässt sich
jedoch zur Beantwortung der zuvor beschriebenen Frage für den Bereich des Straßenbaubei-
tragsrechtes (Ausbaubeitragsrecht) nicht heranziehen, da sie nach der Absicht des Gesetzge-
bers nur erfolgt ist, um eine glatte Überleitung des früheren Anschlussgebührenrechtes auf das
Anschlussbeitragsrecht zu gewährleisten.291 Ein entsprechendes Bedürfnis bestehe für das
Straßenbaubeitragsrecht nicht. Insofern sind die Rechtsansichten in der Literatur und Recht-
sprechung geteilt.292 Aber auch die Rechtsprechung urteilt in dieser Frage nicht einheitlich.
Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Münster, Lüneburg, Schleswig,
Greifswald, Frankfurt/Oder sowie Kassel ist ein Beitragsbescheid nur dann geeignet, sachli-
che Beitragspflichten auszulösen, wenn im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung, d. h. des
Abschlusses der Maßnahme oder der Fertigstellung der Anlage eine gültige Beitragssatzung,
ggf. auch rückwirkend veranlasst, vorliegt.293
Die entgegengesetzte Ansicht wird vom Verwaltungsgericht Greifswald sowie von den
Landesgesetzgebern in Bayern, Sachsen und Thüringen vertreten. Danach können sachliche
Beitragspflichten auch vor Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung herbeigeführt wer-
den.294
Bei der Entscheidung, welcher Rechtsansicht der Vorzug zu geben ist, ist zunächst zu
beachten, welche Auswirkungen die eine wie auch die andere Rechtsposition hat. So sind in
den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung zahlreiche Kommunen dazu übergegangen, für
notwendige Straßenausbaumaßnahmen keine Straßenausbaubeiträge zu erheben, mit der Be-
gründung, dass mangels Vorliegens einer rechtsgültigen Straßenbaubeitragssatzung keine
Rechtsgrundlage für einen entsprechenden Ausbaubescheid gegeben sei. Hintergrund war,
dass diese Kommunen dadurch meinten, ihre Grundstückseigentümer vor der Inanspruch-
nahme durch Beiträge schützen zu können.295
290 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 30 Rn. 5. 291 Bauernfeind/Zimmermann, KAG-NW, § 8 Rn. 154 und Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 30 Rn. 5. 292 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 30 Rn. 5, ebenso Rösch, KAG Hessen, § 11 Rn. 22. 293 OVG Lüneburg, GemH 1979, S. 381 ff.; OVG Greifswald, DVBl. 1998, S. 56 ff.; OVG Frankfurt/Oder VwRR MO 2000, S. 410 ff.; VGH Kassel HSGZ 1980, S. 61 ff.; OVG Münster NW VBl. 1996, S. 62 ff. 294 VG Greifswald, Urteil vom 30.09.1998, Az: 3A2539/96. 295 Driehaus, Erschließung- und Ausbaubeiträge, § 30, Rn. 6.
68
Tatsächlich mussten diese Maßnahmen jedoch dann aus Haushaltsmitteln finanziert
werden und fielen somit anteilig der Gemeinschaft als Ganzes zur Last, mithin auch Einwoh-
nern/Bürgern, die durch die jeweiligen Maßnahmen keinerlei Vorteil oder Begünstigung er-
fahren haben, da sie entweder Nichteigentümer von Grundstücken waren oder Eigentümer
von Grundstücken, die durch die jeweiligen Maßnahmen nicht begünstigt wurden.
Andererseits führt das Entstehen einer sachlichen Beitragspflicht für ein bestimmtes
Grundstück dazu, dass diese voll ausgebildet entsteht. D. h. sie entsteht in einer bestimmten
Höhe, ruht in dieser bestimmten Höhe als öffentliche Last auf dem Grundstück, ist in dieser
Höhe nicht veränderbar und deshalb wegen des Vollausgebildetseins geeignet, die Verjäh-
rungsfrist in Lauf zu setzen.296
Diese Qualität, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen, setzt voraus, dass die Aufwand-
seite feststeht, d. h. die beitragsfähige Maßnahme muss abgeschlossen und der umlagefähige
Aufwand dafür feststellbar sein. Weiterhin müssen die zu berücksichtigenden Grundstücke
feststehen und es muss eine satzungsmäßige, d. h. überprüfbare Verteilungsregelung vorlie-
gen.297 Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, können keine sachlichen Beitragspflichten
entstehen, die den Lauf einer Verjährungsfrist auslösen.
Letztlich ist der zuletzt genannten Auffassung der Vorzug zu geben, weil nach dem
Rechtsstaatsprinzip die Überprüfbarkeit eines Beitragsbescheides gegeben sein muss. Die
Überprüfbarkeit kann jedoch nur dann gegeben sein, wenn eine Satzung vorliegt, die ihrer-
seits wiederum auf ihre Rechtmäßigkeit hin kontrollierbar ist. Denn nur sie kann Grundlage
eines rechtmäßigen Beitragsbescheides sein. Die Rechtsfolge, dass Beitragsbescheide, die
mangels Vorliegen einer rechtmäßigen Beitragssatzung erlassen werden, rechtswidrig und
damit nicht durchsetzbar sind, muss hingenommen werden. Dies kann durch den Erlass einer
Beitragssatzung mit Rückwirkungskraft, soweit möglich, geheilt werden. Dort, wo dies nicht
möglich ist, weil ein Eigentumswechsel stattgefunden hat oder aus anderen Gründen die
Rückwirkungsmöglichkeit ausgeschlossen ist, muss sich das Rechtsstaatsprinzip durchsetzen,
und es ist die Belastung der Allgemeinheit mit den insofern entstehenden Kosten als „geringe-
res Übel“ hinzunehmen.
296 BVerwGE 49, S. 131 ff. 297 Driehaus, Erschließung- und Ausbaubeiträge, § 30 Rn. 7.
69
8. Sonderfälle der Erschließung
8.1. Beitragsfähige Maßnahmen, wenn das Grundstück noch im Eigentum der
Gemeinde steht
Klärungsbedürftig ist die Frage, wie die Beitragspflicht gestaltet ist, wenn die Gemeinde Ei-
gentümer des Grundstücks ist.
Hier gibt es unterschiedliche Rechtsstandpunkte.
1. Die Entscheidung des BVerwG, wonach die Gemeinde nicht beitragspflichtig ist, da nie-
mand sein eigener Schuldner sein könne.298
2. Die abweichende Ansicht des Landesgesetzgebers Rheinland-Pfalz, der dieses Problem
ausdrücklich dahingehend geregelt hat, dass bei Grundstücken, die im Eigentum der Gemein-
de stehen oder an denen ein dingliches Nutzungsrecht gegeben ist, der Beitragsanspruch zu
dem Zeitpunkt als entstanden gilt, zu dem ein Betragsbescheid hätte ergehen können.299
3. In Bayern und Niedersachsen haben die Verwaltungsgerichte entschieden, dass die Bei-
tragsschuld bei gemeindeeigenen Grundstücken in der Person der Gemeinde entsteht.300
Hinsichtlich der Entscheidung dieser Rechtsfrage ist abzuwägen einerseits zwischen den Ar-
gumenten des BVerwG, wonach jemand nicht sein eigener Schuldner sein kann, zum anderen
hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Bürger und Staat. Da, wie zuvor dargestellt,301 das
Erschließungsrecht im wesentlichen davon ausgeht, dass jemand dann Beitragsschuldner einer
Erschließungslast wird, wenn ihm ein durch die Erschließung begründeter rechtlicher Vorteil
zuteil wird, kann diesbezüglich eine Gemeinde als Eigentümer eines Grundstückes nicht an-
ders behandelt werden. Daher ist sie bei der Inanspruchnahme einer durch eine Erschließung
erreichten Werterhöhung eines Grundstückes genauso erschließungskostentragungspflichtig,
wie dies eine Privatperson auch wäre. Die allgemeine Erwägung, jemand könne nicht sein
eigener Schuldner sein, ist nicht systemkonform und widerspricht dem zuvor dargestellten
Rechtsgedanken des Erschließungsrechts.
8.2. Erschließung im Sanierungs- und Entwicklungsgebiet
Im Sanierungs- und Entwicklungsgebiet gilt gemäß § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB, dass Er-
schließungsanlagen i. S. des § 127 Abs. 2 BauGB keinen Anspruch des Erschließungsträgers
begründen, bei dem Grundstückseigentümer einen Beitrag oder eine Gebühr zu erheben. Ge-
mäß § 156 Abs. 1 BauGB gilt dies jedoch nicht für Beiträge, die für Erschließungsanlagen i.
S. des § 127 Abs. 2 BauGB geltend gemacht werden, die vor der förmlichen Festlegung des
298 BVerwG, DVBl. 1984, S. 188 ff. 299 § 26 Abs. 1 KAG RP. 300 BayVGH, BayVBl. 1986, S. 84 (85). 301 Unter 7.2.
70
Gebiets entstanden sind. Zweck des Ausschlusses ist es, eine Doppelbelastung der Eigentü-
mer zu vermeiden, nämlich über den Ausgleichsbetrag auch die für die Herstellung und Ände-
rung von Erschließungsanlagen anfallenden Kosten zu finanzieren, da der Eigentümer eines
im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstückes bereits zur Finanzierung
der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten hat.302
Zu beachten ist jedoch, dass gemäß der Rechtsprechung maßgebender Zeitpunkt für die
Ausschlusswirkung des § 156 Abs. 1 BauGB nicht der Zeitpunkt der Entstehung der sachli-
chen Beitragspflicht, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses der zur endgültigen Herstellung
führenden technischen Ausbauarbeiten ist.303
Der Ausschluss nach § 156 gilt jedoch nicht für
- Anlagen, die keine Erschließungsanlagen i. S. des § 127 Abs. 2 BauGB sind (z. B.
selbständige Kinderspielplätze),
- Erschließungsanlagen, soweit sie außerhalb des Sanierungs- und
Entwicklungsgebietes verlaufen,
- Grundstücke, die sich außerhalb des Sanierungs- und Entwicklungsgebietes
befinden, soweit ein betragsfähiger Erschließungsaufwand verbleibt,
- die vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes entstandenen Beitrags-
pflichten.304
8.3. Erschließung bei Umlegung von Grundstücken
Bei der Umlegung ist zwischen der erschließungsbeitragsfreien und erschließungsbeitrags-
pflichtigen Zuteilung zu unterscheiden. Bei jener wird die durch die Flächen für öffentliche
Zwecke bewirkte Wertsteigerung der Zuteilungsgrundstücke durch den Umlegungsvorteil mit
abgeschöpft, sodass für Beitragserhebungen kein Raum mehr ist.305 Bei erschließungsbei-
tragspflichtigen Zuteilungen bestimmt § 128 Abs. 1 Satz 3 BauGB, dass zu den Kosten für
den Erwerb der Flächen auch der Wert der umgelegten Flächen gehört, d. h., wenn der Ge-
meinde in einem Umlegungsverfahren nach § 55 Abs. 2 BauGB Flächen zugeteilt werden und
die Verteilungsmasse gemäß § 57 BauGB im Verhältnis der Werte verteilt wird, ist die Umle-
302 § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB. 303 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 308. 304 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 308. 305 OHG Köln, NVwZ-RR 1992, S. 437 ff.
71
gungsstelle berechtigt, den im Umlegungsverzeichnis (§ 68 BauGB) aufgeführten Wert der
Flächen nach § 55 Abs. 2 BauGB in den beitragsfähigen Aufwand einzubeziehen.306
9. Vertragsformen zur Absicherung der Erschließung
9.1. Vorfinanzierungsvertrag
Beim Vorfinanzierungsvertrag übernimmt der Private die Rolle eines Zwischenfinanzierers,
wobei er die Grundstücke auf die Gemeinde überträgt, die Kosten für die Erschließung vorfi-
nanziert und sämtliche nach Gesetz und Satzung auf das Entschließungsgebiet entfallenden
Erschließungskosten trägt. Die Gemeinde hingegen verpflichtet sich, die Erschließung des
Baugebietes durchzuführen und nach endgültiger Herstellung der Anlagen die vorfinanzierten
Kosten an den Zwischenfinanzierer zu erstatten.307 D. h. zwischen der Gemeinde und einem
Werkunternehmer wird ein Werkvertrag i. S. v. §§ 631 ff. BGB über die Errichtung der Er-
schließungsanlage abgeschlossen, wobei den Werklohn der Zwischenfinanzierer verauslagt.
Der Zwischenfinanzierer erhält dann zu einem späteren Termin die von ihm verauslagten
Kosten durch die Gemeinde. Dies kann jedoch erst dann geschehen, wenn die Gemeinde ih-
rerseits die Beträge von den einzelnen Beitragspflichtigen erhoben hat.308 Der Vorfinanzie-
rungsvertrag wird dort angewendet, wo Fremdanlieger im Erschließungsgebiet vorhanden
sind und bei Abschluss eines echten Erschließungsvertrages diese nicht zur Kostenbeteiligung
heranziehbar wären.309 Aufgrund der durch die Gemeinde durchgeführten Erschließung sind
diese jedoch dann als Beitragsschuldner an den Erschließungskosten zu beteiligen.310 Von
Fremdanliegern im Zusammenhang mit dem Begriff Erschließungsvertrag spricht man, wenn
durch die Erschließung Grundstückseigentümer betroffen sind, die ihre im Erschließungsver-
tragsgebiet befindlichen Grundstücke nicht vom Erschließungsunternehmen erworben haben
und deshalb mit diesem in keinerlei Rechtsbeziehung stehen.311
Ein Ausweichen auf einen solchen „unechten“ Erschließungsvertrag312 bietet sich auch
dann an, über die vorbezeichnete Fremdanliegerproblematik hinaus, wenn die Kommune För-
dermittel erhält, der private Erschließer aber nicht.313
Problematisch ist hier die Einstufung des Vertrages. Nach überwiegender Ansicht han-
delt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.314
Diese Ansicht wird wie folgt begründet: Ob eine Streitigkeit öffentlich oder öffentlich-
rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Rechtsanspruch
306 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 13 Rn. 43. 307 OVG Münster, NJW 1989, S. 1879 ff. 308 Bsp. für Vorfinanzierungsverträge und deren Anerkenntnis: BGH, MDR 2000, S. 1270. 309 Vogel, Kohlhammer Kommentar, § 124 Rn. 8. 310 Vogel, Kohlhammer Kommentar, § 124 Rn. 8. 311 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 6 Rn. 53. 312 Siehe unten, 9.2. 313 Kemper, Betrieb und Wirtschaft 2000, S. 1050 (1053). 314 OVG Münster, NJW 1989, S. 1879, BGHZ 54 S. 290 ff., BVerwGE 32, 38.
72
hergeleitet wird.315 Dabei kommt es darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheit-
lichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt
der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechtes bedient.316 Aber auch aus einem Gleich-
ordnungsverhältnis kann noch nicht unmittelbar auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit
geschlossen werden, weil auch dem öffentlichen Recht eine gleichgeordnete Beziehung zwi-
schen Berechtigtem und Verpflichteten nicht fremd ist. So liegt es im Wesen auch des öffent-
lich-rechtlichen Vertrages, dass sich die Vertragsparteien grundsätzlich gleichgeordnet gege-
nüberstehen. Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichen Vertrag
kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages be-
stimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen
Recht zuzuordnen ist.317 Nach der überwiegenden Ansicht ist Gegenstand und Zweck eines
Vorfinanzierungsvertrages, dass sich die Gemeinde zur Erfüllung ihrer nach § 123 ff. BauGB
zu beurteilenden Erschließungslast verpflichtet, um den Grundstückseigentümern eine früh-
zeitige Bebauung ihrer Grundstücke zu ermöglichen.318 Da die §§ 123 ff. BauGB Normen des
öffentlichen Rechtes sind, resultieren Gegenstand und Zweck des Vorfinanzierungsvertrages
aus dem öffentlichen Recht, weshalb dieser Vertrag ebenfalls diesem zuzuordnen ist.319
Nach anderer Ansicht liegt jedoch ein privatrechtlicher Vertrag vor, der sich aus den
Elementen des (Geld-)Darlehens und des privatrechtlichen Grundstückskaufvertrages mit
gestundeter Kaufpreiszahlung zusammensetzt.320 Diese Ansicht führt zur Begründung aus,
dass Gegenstand des Vertrages nicht die Erfüllung der Erschließungspflicht der Gemeinde sei,
sondern die Finanzierung öffentlicher Aufgaben.321 Darlehensverträge mit Banken, die die
Gemeinden zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben abschließen, werden nach allgemeiner
Meinung ebenfalls nicht als öffentlich-rechtlich qualifiziert.322 Als ein öffentlich-rechtlicher
Vertrag wäre ein Vorfinanzierungsvertrag nur dann einzuordnen, wenn es sich um eine ver-
tragliche Regelung über Vorausleistungen handeln würde.323 Dies sei jedoch nur dann der
Fall, wenn diese Zahlungen mit der endgültigen Beitragsschuld des Kostenschuldners zu ver-
rechnen wären, nicht jedoch, wenn die Gemeinde die zwischenfinanzierten Kosten später zu-
rückzuzahlen hätte.324 In diesem Fall handelt es sich um ein Gelddarlehen zivilrechtlicher
315 BGHZ 66, S. 229 (232); BVerwG, Versicherungsrecht 1976, S. 466 ff. 316 Gemeinsamer Senat des BGH, NJW 1986, S. 2359 (2359). 317 Gemeinsamer Senat des BGH, NJW 1986, S. 2359 (2359). 318 OVG Münster, NJW 1989, S. 1879 ff. 319 OVG Münster, NJW 1989, S. 1879 ff. 320 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 321 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 322 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 323 Hierzu unten, 9.8. 324 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13.
73
Natur (§§ 488 ff. BGB) und bei der Übertragung von Grundstücken um einen Kaufvertrag mit
gestundeter Kaufpreiszahlung. Aus den genannten Gründen sei der Vertrag insgesamt privat-
rechtlicher Natur.325
Der zuletzt genannten Differenzierung ist der Vorzug zu geben.
Zu entscheiden ist der Meinungsstreit daher individuell nach dem Inhalt des jeweils geschlos-
senen Vertrages. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist dann gegeben, wenn der Vertrag bein-
haltet, dass Vorausleistungen mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen sind. Hat die
Gemeinde die zwischenfinanzierten Kosten später jedoch zurückzuzahlen, so handelt es sich
um einen (Geld-)Darlehensvertrag, der ausschließlich Elemente einer zivilrechtlichen Verein-
barung enthält und damit nicht öffentlich-rechtlicher Natur ist.
9.2. Kostenübernahmevertrag
Ein Kostenübernahmevertrag ist ebenfalls kein Erschließungsvertrag, sondern als „unech-
ter“310 Erschließungsvertrag einzuordnen. § 124 BauGB regelt diese Gestaltung nicht.326
Inhalt des Kostenübernahmevertrages ist es, dass sich der Bauwillige gegenüber der
Gemeinde verpflichtet, anteilige Kosten für kommunale Folgeeinrichtungen zu übernehmen.
Insofern stellt sich zunächst die Frage, ob derartige Verträge überhaupt zulässig sind.
Nach einer Entscheidung des BVerwG beschränkte sich beispielsweise noch 1990 die Zuläs-
sigkeit auf die Abwälzung derjenigen Kosten, die durch das jeweilige Bauvorhaben bzw.
durch den seine Zulässigkeit zugrundeliegenden Bebauungsplan verursacht wurden.327
Die Frage ist nur zu beantworten, wenn man sich die Zielsetzung des Gesetzgebers bei
der Schaffung und Gestaltung des § 124 BauGB vor Augen führt. Denkbar ist, dass die Nor-
mierung des Erschließungsvertrages einerseits und die Beitragserhebung andererseits aus-
drücklich lediglich die beiden Wege der Herstellung und Abrechnung von Erschließungsanla-
gen vorsehen und zulassen wollen. Betrachtet man sich die Sonderfälle, wie sie z. B. für den
Fall des Durchführungsvertrages beim Vorhaben- und Erschließungsplan (§ 12 BauGB)328
und des Vertrages über Ordnungsmaßnahmen (§ 147 Satz 1 Nr. 4 und § 169 Abs. 1 Nr. 4
BauGB)329 gegeben sind, so ist jedoch zu erkennen, dass dies gerade nicht die Zielsetzung des
Gesetzgebers war. Gleiches gilt, wenn man die zwischenzeitlich anerkannten Möglichkeiten
des zuvor beschriebenen Vorfinanzierungs- und Vorausleistungsvertrages heranzieht.330 Inso-
fern ist zu folgern, dass das BauGB sowohl hinsichtlich der Herstellung als auch hinsichtlich
der Abrechnung von Erschließungsanlagen keine weiteren vertragliche Vereinbarungen aus-
schließende Regelungen enthält und somit auch das Instrument des Kostenübernahmevertra-
ges zulässig ist. 325 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 326 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14 Anderer Ansicht: Driehaus, in: Berliner Kommentar zu § 124 BauGB, Rn. 3 und 6. 327 BVerwGE 90, S. 310 ff. 328 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14. 329 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14. 330 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14.
74
9.3. Erschließungsvertrag
Der „echte“ Erschließungsvertrag hat seine grundsätzliche Bedeutung dort, wo rasch oder viel
Bauland erschlossen werden soll. In beiden Fällen sind die Gemeinden finanziell und perso-
nell häufig überfordert, sodass die mit dem Erschließungsvertrag mögliche Privatisierung der
Erschließungsdurchführung, -finanzierung und -abrechnung eine Möglichkeit der zulässigen
Aufgabenverteilung darstellt.331 Aufgrund der dramatischen Entwicklung staatlicher und auch
kommunaler Finanzen in den letzten Jahren kommt dem Erschließungsvertrag eine immer
größere Bedeutung in der vertraglichen und notariellen Praxis zu.
9.3.1. Definition
Nach der gesetzlichen Definition ist ein Erschließungsvertrag ein Vertrag, durch den die Ge-
meinde die Erschließung auf einen Dritten überträgt (§ 124 Abs. 1 BauGB). Kennzeichen
eines derartigen Vertrages ist es, dass der Erschließungsunternehmer die Erschließung auf
eigene Kosten und eigene Rechnung durchführt, ohne dass später eine Abrechnung durch die
Gemeinde gegenüber den Begünstigten erfolgt. Der Gemeinde entsteht kein Aufwand, aus
diesem Grund scheidet eine beitragsmäßige Umlegung von Erschließungskosten aus.332 Nach
Erstellung der Erschließungsanlage überträgt der Erschließungsträger diese auf die Gemeinde,
die sie als öffentliche Anlage widmet und betreibt.333
Der Erschließungsvertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Form eines Aus-
tauschvertrages i. S. des § 54 Satz 2 VwVfG.334 Der Erschließungsvertrag wird als subordina-
tionsrechtlicher Vertrag im vorbezeichneten Sinne angesehen, weil der Erschließungsvertrag
zwar nicht an die Stelle eines Verwaltungsaktes tritt, jedoch für das Über- und Unterord-
nungsverhältnis i. S. dieser Bestimmung nicht die Substitutionsfunktion, sondern entspre-
chend der Situation beim Verbrauchervertrag gemäß § 310 Abs. 3 BGB die typisierte, struktu-
relle Unterlegenheit des Privaten prägend ist. Der Bürger-Staat-Vertrag gehört deshalb zur
Gruppe derjenigen Verträge, bei denen ein besonderer Schutz einer Vertragspartei vom Ge-
setzgeber gewollt ist.335
Aus den genannten Gründen sind Streitigkeiten aus diesen Verträgen insgesamt der
Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen (§ 40 Abs. 1 VwGO), auch soweit es sich um die
Herstellung der Erschließungsanlagen und eventuelle Rechte wegen Sachmängeln handelt.336
Bei Nichterfüllung des Erschließungsvertrages durch den Unternehmer darf die Gemeinde
diesen nicht durch Verwaltungsakt zu seiner Verpflichtung heranziehen, sondern muss ihn im
Wege der Leistungsklage in Anspruch nehmen.337
331 Birk, Die neuen städtebaulichen Verträge, S. 11, Rn. 2. 332 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 43. 333 OVG Saarland, DÖV 1989, S. 861 ff. 334 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 7. 335 BVerwGE 111, S. 162 ff. 336 VGH Koblenz, Gemeindetag 1974, S. 317 ff. 337 BVerwG, NJW 1976, S. 1560 ff.
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Diese Rechtsansicht ist jedoch nicht unstreitig, da sich auch vertreten lässt, dass die
Herstellungsverpflichtung, die die Durchführung von Baumaßnahmen betrifft, sowie die
Grundstücksübertragung zivilrechtlich sind und nur die Regelung über die Kostentragung
öffentlich-rechtlich erfolgt. Beide Vereinbarungen stehen auch nicht in einem Austauschver-
hältnis.338
Wegen der Nähe des Erschließungs- und Regelungsinhalts des Erschließungsvertrages
zum öffentlich-rechtlichen Erschließungsbeitragsrecht und der daraus folgenden Erschlie-
ßungsaufgabe des Staates ist der herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung der
Vorzug zu geben.
9.3.2. Form des Erschließungsvertrages
Der Erschließungsvertrag bedarf gemäß § 124 Abs. 4 BauGB der Schriftform (§ 62 S. 2
VwVfG, § 126 BGB). Gemäß § 311 b BGB ist jedoch notarielle Beurkundung erforderlich,
wenn er die Verpflichtung beinhaltet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen. Dies
ist z. B. dann der Fall, wenn im Vertrag vereinbart wird, dass nach Abschluss der Erschlie-
ßung Grundstücksflächen, öffentliche Grünflächen, Spielplätze oder ähnliches an die Ge-
meinde zu übereignen sind. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag ist nich-
tig.339
Der Formmangel wird durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch (§§ 873, 925
BGB) geheilt, und der Vertrag wird dann seinem ganzen Inhalt nach gültig.340
9.3.3. Gegenstand und Inhalt des Erschließungsvertrages
§ 124 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestimmt, dass Gegenstand eines Erschließungsvertrages die nach
Bundes- und Landesrecht beitragsfähigen wie nicht betragsfähigen Erschließungsanlagen
sind. Hierbei ist zu beachten, dass es innerhalb der Vielzahl von Erschließungsanlagen341 drei
verschiedene Gruppen gibt:
- kraft Bundesrecht beitragsfähige Erschließungsanlagen, so z. B. Anbaustraßen,
Wege, Grünanlagen, Lärmschutzwälle,
- kraft Landesrecht beitragsfähige Erschließungsanlagen, z. B. Wasserversorgungs-
und Abwasseranlagen, Schmutz- und Regenwasserkanäle, Wasserleitungen sowie
- unter Berücksichtigung von Bundes- und Landesrecht beitragsfähige Erschlie-
ßungsanlagen, z. B. Sammelstraßen, Parkflächen und Fußwege sowie eine Tief-
drainage,
338 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 9. 339 BVerwGE 70, S. 247 ff. 340 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 10. 341 Wie bereits oben unter 4 und 5 ausgeführt.
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- die Erschließungsanlagen zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Fernwärme.342
Es muss sich insofern um Erschließungsanlagen handeln, die von der der Gemeinde gemäß
§ 123 Abs. 1 BauGB auferlegten Erschließungslast erfasst werden.343 Dies folgt aus dem We-
sen der Übertragung, auf die Absatz 1 abhebt, da die Gemeinde nicht eine Erschließung auf
einen Dritten übertragen kann, die nicht ihr, sondern einem anderen als Aufgabe obliegt. Dar-
aus folgt zugleich, dass lediglich die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen in
einem Erschließungsvertrag verabredet werden kann. Denn ausschließlich diese Herstellung
i. S. von Anlegung ist Gegenstand der bundesrechtlich geregelten und nach § 123 Abs. 1
BauGB übertragbaren gemeindlichen Erschließungsaufgabe.344 Nicht beitragspflichtige Er-
schließungsanlagen, die Gegenstand des Erschließungsvertrages sein können, sind z. B.
Kinderspielplätze, Sammelstraßen, Parkflächen, fußläufige Verbindungswege, aber auch
Strom, Gas, Fernwärme, soweit zur gemeindlichen Erschließungslast gehörend.345 Die Mög-
lichkeit, auch nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen in einem Erschließungsvertrag durch
einen Erschließungsunternehmer auf dessen Kosten herstellen zu lassen, ist erst durch das
InvWoG346 mit Wirkung zum 1.5.1993 geschaffen worden. Vor diesem Datum wäre nach
Auffassung der Rechtsprechung des BVerwG ein entsprechender Erschließungsvertrag nich-
tig bzw. teilnichtig gewesen.347
In Abgrenzung zu den vorgenannten regelbaren Erschließungsanlagen sind beispiels-
weise keine zulässigen Gegenstände von Erschließungsverträgen allgemeine gemeindliche
Infrastrukturmaßnahmen außerhalb des Erschließungsgebietes, wie Freibad, Kindergarten,
(Vergrößerung der) Kläranlage etc. Diese Anlagen können allerdings Gegenstand eines Folge-
lastenvertrages oder städtebaulichen Vertrages sein, der mit dem Erschließungsvertrag ver-
bunden wird.348
Weiterer notwendiger Gegenstand des Erschließungsvertrages ist die Bezeichnung des
Erschließungsgebietes. Dies folgt aus § 124 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wonach der Vertragsge-
genstand räumlich auf ein bestimmtes Erschließungsgebiet in der Gemeinde beschränkt wird.
Im Ergebnis wird somit das Erschließungsgebiet durch den Erschließungsvertrag geschaf-
fen.349 Somit umfasst das Erschließungsgebiet die Bauflächen (Grundstücke), die durch die
vom Erschließungsunternehmer herzustellenden Anlagen erschlossen werden sollen, sowie
die Flächen dieser Anlagen selbst (z. B. Flächen für selbständige Spielplätze, Straßen, Wege,
342 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 11. 343 Weyreuther, UPR 1994, S. 121 (127). 344 Weyreuther, UPR 1994, S. 121 (127). 345 Eusterbrock, in: Gronemeyer, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 346 Eusterbrock, in: Gronemeyer, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 15 m. w. N. 347 BVerwG, NJW 1992, S. 1642 ff. 348 Eusterbrock, in: Gronemeyer, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14. 349 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13, sowie Reif, BWGZ 1994, S. 200 (203).
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etc.). Das Erschließungsvertragsgebiet muss damit zur Erfüllung des gesetzlichen Merkmals
der Bestimmtheit im Vertrag möglichst genau umschrieben werden, was in der Praxis durch
Karten und Pläne, die zu Vertragsbestandteilen gemacht werden, geschieht.350
9.3.4. Genehmigungsvorbehalt
Soweit Gegenstand des Erschließungsvertrages eine i. S. des § 127 Abs. 2 BauGB beitragsfä-
hige Erschließungsanlage ist, ist zu beachten, dass eine solche Anlage rechtmäßig nur bei
Vorliegen eines Bebauungsplanes oder mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde
hergestellt werden kann, und deshalb die Gemeinde die Herstellung einer derartigen Anlage
von ihrem Vertragspartner solange nicht verlangen kann, wie ein rechtsverbindlicher Be-
bauungsplan oder eine Zustimmung nicht vorliegt.351 Das Fehlen dieser Voraussetzung hat
jedoch nicht die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge, sondern führt lediglich dazu, dass
mit den Baumaßnahmen nicht begonnen werden kann.352 Dieses Ergebnis folgt aus § 311 a
BGB, wonach es der Wirksamkeit eines Vertrages nicht entgegensteht, dass ein Leistungshin-
dernis schon bei Vertragsabschluss vorliegt. Der Erschließungsvertrag kann daher, was häufig
zweckmäßig ist, bereits vor Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans abgeschlossen wer-
den, ohne dass er deswegen nichtig ist.353
Nichtig ist der Erschließungsvertrag jedoch dann, wenn er eine Herstellung vorsieht, die
§ 125 Abs. 3 BauGB widerspricht, d. h. eine Erschließungsanlage, die von den Festsetzungen
des Bebauungsplanes abweicht und mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar ist.354
9.3.5. Angemessenheitsgebot
Nach § 124 Abs. 3 BauGB müssen die vertraglich vereinbarten Leistungen den gesamten
Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der Erschließung
stehen (Kopplungsgebot). Insofern stimmt § 124 Abs. 3 BauGB mit § 56 VwVfG überein.355
Das Angemessenheitsgebot verlangt eine Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung.
Zwar hat der Erschließungsunternehmer mit Abschluss des Erschließungsvertrages sich frei-
willig zu den Leistungen verpflichtet. Gleichwohl ist gerade bei Verträgen mit Gemeinden
eine strenge Inhaltskontrolle erforderlich, um zu gewährleisten, dass Gemeinden in Ausnut-
zung ihrer häufig guten Verhandlungsposition bei Erschließungsverträgen sich nicht vom Un-
ternehmen überzogene Leistungen versprechen lassen, die den Rahmen eines fairen Vertrages
sprengen.356
350 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 351 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14. 352 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 63. 353 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 63. 354 Siehe § 125 Abs. 3 BauGB und Driehaus, Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 14, sowie Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 63. 355 Quaas, in: Schrödter, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 13. 356 Eusterbrock, in: Gronemeyer, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 18.
78
Das Merkmal der Angemessenheit orientiert sich insofern an § 129 Abs. 1 Satz 1
BauGB. Dort, wo Maßnahmen im Erschließungsvertrag verlangt werden, die nicht nach § 129
BauGB erforderlich, also nicht dazu notwendig sind, um die zu erschließenden Bauflächen
nach den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen, ist das Merkmal der Angemessenheit maß-
geblich.357 So verstößt der Erschließungsvertrag im oben genannten Sinne dann gegen das
Angemessenheitsgebot, wenn er die Verpflichtung des Unternehmers beinhaltet, Wasserver-
sorgungs- und Entwässerungsleitungen in dem Erschließungsgebiet zu errichten. Dies hätte
nämlich zur Folge, dass die Grundstücke des Erschließungsunternehmers nach Herstellung
der Anschlussmöglichkeit mit dem vollen Anschlussbeitrag veranlagt werden.358 Somit müss-
te der Unternehmer, der wie jeder andere Grundstückseigentümer mit Anschlussbeiträgen
veranlagt wird, für die von ihm verlegten und bezahlten Kanäle und Leitungen noch die An-
schlussgebühren entrichten. Er hätte quasi zur Entlastung der anderen Beitragsschuldner die
Wasserleitung und den Regen- und Schmutzwasserkanal der Gemeinde geschenkt. Insofern
würde der Vertrag in diesem Punkt gegen das Angemessenheitsgebot verstoßen.359
Gleiches gilt, wenn die Errichtung der Kanäle und Wasserleitungen durch den Erschlie-
ßungsunternehmer vereinbart und der Investitionsaufwand nicht durch Beiträge, sondern
durch Gebühren umgelegt wird.360 Zu lösen wäre diese Problematik konkret dadurch, dass
dem Erschließungsunternehmer eine Gegenleistung für die Errichtung der Kanäle und Was-
serleitungen gewährt wird.
Folge des Verstoßes gegen das Angemessenheits- bzw. Kopplungsgebot ist die Nichtig-
keit des Vertrages.361 Es sei denn, er wäre auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden
(§ 59 Abs. 3 VwVfG). Dann führt die Teilnichtigkeit zur Vertragsanpassung.362
9.3.6. Betroffene Fremdanlieger
Eine besondere Problematik ergibt sich dann, wenn durch die Erschließung eines bestimmten
Erschließungsgebietes angrenzende Grundstücke von „Fremdanliegern“363 mit erschlossen
werden, d. h. in den Genuss eines Erschließungsvorteils gelangen. Gegen diese Fremdanlieger
hat der Erschließungsunternehmer selbst keinen Anspruch auf Erstattung der auf diese be-
günstigende Maßnahme entfallenden Erschließungskosten, weder aus Geschäftsführung ohne
Auftrag noch aus ungerechtfertigter Bereicherung.364 Weiterhin ist es aber entsprechend den
357 Driehaus, in: Berliner Kommentar, § 124 Rn. 20. 358 Siehe hierzu oben, 5.2. 359 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 6 Rn. 47, Quaas, BauR 1999, S. 1113 (1121). 360 Eusterbrock, in: Gronemeyer, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 22. 361 Quaas, in: Schrödter, Kommentar zum BauGB, 6. Aufl., § 124 Rn. 17. 362 Quaas, in: Schrödter, Kommentar zum BauGB, 6. Aufl., § 124 Rn. 17. 363 Siehe oben, 9.1. 364 BGHZ 61, S. 359 ff.; NJW 1974, S. 96 ff.
79
Vorschriften der §§ 127 ff. BauGB auch ausgeschlossen, dass die Gemeinde zur Beitragser-
hebung gegenüber dem Fremdanlieger berechtigt sein sollte.
Hier wird teilweise vertreten, dass die Gemeinde und der Erschließungsträger die Mög-
lichkeit hätten, im Erschließungsvertrag zu vereinbaren, dass die Gemeinde den nach den Re-
gelungen der Erschließungsbeitragssatzung ermittelten Anteil für die sogenannten Fremdan-
liegergrundstücke übernehme und insofern von den betreffenden Grundstückseigentümern
Erschließungsbeiträge erheben kann.365
Nach h. M. ist dies nicht zulässig, denn diese Auffassung verkennt, dass die Gemeinde
bei der vorbezeichneten Fallgestaltung einen bloß fiktiven Erschließungsaufwand umlegen
würde. Tatsächlich ist ihr ein Erschließungsaufwand in der umgelegten Höhe nicht entstan-
den, da dieser vom Erschließungsunternehmer getragen wird. §§ 127 ff. BauGB ermächtigen
die Gemeinde jedoch nur dazu, einen ihr tatsächlich entstandenen Erschließungsaufwand im
Wege der Beitragserhebung umzulegen.366
Folgende Fallgestaltungen sind hier denkbar:
1. Die Gemeinde verpflichtet sich dem Erschließungsunternehmer gegenüber, ihm die gesam-
ten für die betreffende Erschließungsanlage entstehenden beitragsfähigen Aufwendungen ge-
gen Nachweis zu erstatten. Da der Gemeinde in diesem Fall Aufwendungen entstehen, kann
sie auch Beiträge von den Fremdanliegern erheben. Wesentlich ist für die Vertragsgestaltung,
dass für die vom Erschließungsunternehmer hergestellten Erschließungsanlagen die gesamten
entstandenen beitragsfähigen Aufwendungen erstattet werden, nicht nur die anteiligen Kos-
ten.367 Werden nämlich nur die anteiligen Kosten erstattet, kann auch nur ein Bruchteil der
Gesamtkosten im Wege der Beitragserhebung auf die Fremdanlieger umgelegt werden. Um
Hin- und Herzahlungen hinsichtlich der Grundstücke des Erschließungsunternehmers zu ver-
meiden, kann in dieser Variante eine Verrechnung erfolgen.368 Auf diese Weise lässt sich im
Rahmen eines echten Erschließungsvertrages eine Beteiligung der Fremdanlieger an den Kos-
ten des Erschließungsunternehmers erreichen. Problematisch bei dieser Konstellation ist je-
doch, dass die Gemeinde im Rahmen der Beitragserhebung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 6
BauGB verpflichtet ist, die 10 %-ige Eigenbeteiligung vom umlagefähigen Erschließungs-
aufwand abzuziehen. Nach der Auffassung, die diese Lösungsmöglichkeit vorsieht, soll der
Erschließungsunternehmer die 10 %-ige Eigenbeteiligung der Gemeinde erstatten, falls diese
keine entsprechende Vereinbarung mit Fremdanliegern zur Übernahme dieser Kosten treffen
kann. Zwar entfällt durch die spätere Erstattung des Erschließungsunternehmers der Aufwand
365 BGHZ 61, S. 359 ff.; NJW 1974, S. 96 ff. 366 VGH Mannheim, NJW 1986, S. 2452 sowie Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 71, sowie OVG Saarlouis, DÖV 1989, S. 861 (863), sowie Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, S. 23, Rn. 49. 367 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 71. 368 VGH Mannheim, NJW 1986, S. 2453 ff.
80
in dieser Höhe, sodass sich Schwierigkeiten hinsichtlich der 10 %-igen Eigenbeteiligung, die
nunmehr aus den restlichen 90 % berechnet werden müsste, ergeben könnten, allerdings dürf-
te ein Aufwand nicht zu verneinen sein, wenn die Erstattung durch den Erschließungsunter-
nehmer nur für den Fall vereinbart wird, dass die Fremdanlieger die Eigenbeteiligung nicht
übernehmen.369
2. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Erschließungsträger bzw. die Eigentümer der nach
dem Erschließungsvertrag erschlossenen Grundstücke diese Kosten übernehmen und auf ei-
nen Kostenausgleich verzichten. Dies ist allerdings nur soweit möglich, als die Grenze der
Angemessenheiten des sachlichen Zusammenhangs i. S. des § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht
überschritten werden.370
9.4. Erschließung im Rahmen eines Vorhaben- und Erschließungsplanes
9.4.1. Vorhaben- und Erschließungsplan
Zum Zwecke der Erleichterung der städtebaulichen Planung und zu deren Beschleunigung
ergibt sich gemäß § 12 BauGB die Möglichkeit der Erschließung im Rahmen eines Vorhaben-
und Erschließungsplanes.371 Ursprünglich war der Vorhaben- und Erschließungsplan nur im
Gebiet der ehemaligen DDR und sodann in den fünf neuen Bundesländern verfügbar.372
Durch das InvWoG von 1993 ist der Vorhaben- und Erschließungsplan neu gefasst und in
seinem Anwendungsbereich auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt worden.373
Nach § 12 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Be-
bauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der
Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zum Vorhaben und zu den Erschlie-
ßungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist, und sich zur
Durchführung des Vorhabens innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Pla-
nungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Satzungsbeschluss verpflichtet
(Durchführungsvertrag).374
Insofern ist der Vorhaben- und Erschließungsplan ein besonderer Bebauungsplan mit
konkretem Vorhabenbezug.375
Für seine Wirksamkeit bedarf der Vorhaben- und Erschließungsplan daher der Erarbei-
tung eines Planes (Vorhaben- und Erschließungsplan), der inhaltlich mit der Gemeinde abge-
stimmt sein muss376, weiterhin des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Gemeinde, der
369 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 71, sowie Fischer, in: Hoppen-berg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. 49, und VGH Mannheim, NJW 1986, S. 2453 ff. 370 Birk, Die städtebaulichen Verträge, S. 30, Rn. 55. 371 Finkelnburg/Ortloff, Bd. 1 Bauplanungsrecht, S. 172. 372 Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 1162. 373 Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 1162. 374 Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 1162. 375 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 279. 376 Finkelnburg/Ortloff, Bd. 1 Bauplanungsrecht, S. 172.
81
rechtsverbindlich die erforderlichen planungsrechtlichen Regelungen trifft, und schließlich
eines Durchführungsvertrages zwischen der Gemeinde und dem Investor, der darin die Durch-
führung des Planes und in der Regel die Übernahme sämtlicher Planungs- und Erschließungs-
kosten zusagt. 377
9.4.2. Das Vorhaben
Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist ein Plan, der zeichnerisch und textlich das geplante
Vorhaben einschließlich der Erschließungsmaßnahmen darstellt. Dieses Gesamtvorhaben
muss mit der Gemeinde abgestimmt sein. Abstimmung bedeutet die beiderseitige Zustim-
mung, also einen uneingeschränkten Konsens.378 Von zentraler Bedeutung für die vorhaben-
bezogene Planung ist der Begriff des Vorhabens selbst.379 Er ist maßgeblich für die Nutzung
und die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten des Vorhabenträgers.
Zu differenzieren ist zwischen einzelnen oder mehreren Vorhaben, denn ein Vorhaben-
und Erschließungsplan kann nicht ausschließlich für ein einzelnes Bau- und Erschließungs-
vorhaben erstellt werden, sondern auch für mehrere Einzelvorhaben.
Der Plan muss ferner Regelungen zur Erschließung enthalten, soweit diese erforderlich
sind. Ebenso wie bei jedem normalen Bebauungsplan müssen die Festsetzungen soweit ge-
hen, wie dies notwendig ist, um die erforderliche Erschließung zu gewährleisten, damit an-
schließend ein vorhabenbezogener Bebauungsplan gem. § 30 Abs. 2 BauGB genehmigt wer-
den kann. Insbesondere gehören dazu die Festsetzung der verkehrstechnischen Erschließung
sowie die Erschließungsmaßnahmen, die nicht im Verantwortungsbereich der Gemeinde
selbst liegen, wie zum Beispiel Ver- und Entsorgung im Bereich Trink- und Abwasser usw.
Hierbei ist darauf zu achten, dass auch mit den hierfür zuständigen Versorgungsträgern ent-
sprechende Vereinbarungen vorliegen.380
9.4.3. Durchführungsvertrag
Der Vorhaben- und Erschließungsvertrag dient der schnellen Verwirklichung eines Vorha-
bens. Deshalb ist er nur zulässig, wenn der Vorhabenträger zur Durchführung des Vorhabens
innerhalb einer bestimmten Frist bereit und in der Lage ist und sich zur Tragung der Pla-
nungs- und Erschließungskosten in einem Durchführungsvertrag verpflichtet.381
Der Vertrag bedarf als öffentlich-rechtlicher Vertrag grundsätzlich der Schriftform (§ 57
VwVfG) und, wie zuvor382 beim Erschließungsvertrag dargestellt, der notariellen Beurkun-
dung, wenn er beinhaltet, dass nach Abschluß der Erschließung Grundstücke zu übertragen
sind. 383
377 Brohm, Öffentliches Baurecht, § 26 Rn. 27. 378 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, Rn. 972. 379 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, Rn. 975. 380 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, Rn. 980. 381 Finkelnburg/Ortloff, Bd. 1 Bauplanungsrecht, S. 173. 382 Unter 9.3.2. 383 Jäde/Dirnberger/Weiß, Kommentar zum Baugesetzbuch, § 12 Rn. 26.
82
Infolge des Abschlusses des Durchführungsvertrages wird die Gemeinde nach § 7 Abs.
1 S. 1 BauGBMaßnG von der Verpflichtung befreit, Erschließungskosten zu erheben, da dort
ausdrücklich die §§ 127 – 135 BauGB für nicht anwendbar erklärt werden.384
9.4.4. Weitere Voraussetzungen
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 12 BauGB ist, dass die Gemeinde einen
vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Satzungswege erlässt. Das Satzungsverfahren selbst
ist gegenüber dem normalen Bebauungsplanverfahren vereinfacht und im § 7 Abs. 3
BauGBMaßnahmenG geregelt. Wesentlicher Inhalt der Plansatzung ist der Vorhaben- und
Erschließungsplan, der dadurch normative Verbindlichkeit erhält.385 Da der Vorhaben- und
Erschließungsplan einer zeitnahen Realisierung des Vorhabens dient, bedarf es zur Wirksam-
keit einer vertraglich zu vereinbarenden Frist. Daher soll die Gemeinde die Plansatzung wie-
der aufheben, wenn diese Frist nicht eingehalten wird. Das Gleiche gilt, wenn der Vorhaben-
träger wechselt; auch in diesem Fall soll die Satzung wieder aufgehoben werden, wenn Tat-
sachen die Annahme rechtfertigen, dass die fristgerechte Durchführung des Vorhaben- und
Erschließungsplanes gefährdet ist. Aus der Aufhebung der Satzung können Ansprüche gegen
die Gemeinde nicht geltend gemacht werden, § 7 Abs. 5 BauGBMaßnahmenG.386 Zu beach-
ten ist auch, dass vor dem Inkrafttreten der vom Gemeinderat beschlossene vorhabenbezogene
Bebauungsplan gemäß § 10 Abs. 2 BauGB der Genehmigung durch die höhere Verwaltungs-
behörde bedarf, soweit er nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt ist (§ 10 Abs. 2
i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB).387 Die Möglichkeit der Aufhebung der Bebauungsplansat-
zung ist in § 12 Abs. 6 S. 1 BauGB ausdrücklich vorgesehen. Ansprüche können aus der Auf-
hebung gegen die Gemeinde nicht geltend gemacht werden.388 Nicht ausgeschlossen werden
aber durch § 12 Abs. 6 S. 2 BauGB denkbare Ansprüche Dritter. Zu beachten ist jedoch in
diesem Zusammenhang wiederum, dass gem. § 12 Abs. 2, 2. Halbsatz BauGB das Planungs-
schadensrecht ausgeschlossen ist. Gleichwohl dürfte eine Amtspflicht der Gemeinde dahinge-
hend bestehen, bei der Entscheidung über die Aufhebung des vorhabenbezogenen Be-
bauungsplanes auf schutzwürdiges Vertrauen Dritter – etwa privater Bauherren – zu achten.389
384 Finkelnburg/Ortloff, Bd. 1 Bauplanungsrecht, S. 173. 385 Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 1162, 1163 und 1164 sowie Finkelnburg/Ortloff, Bd. 1 Bauplanungsrecht, S. 174. 386 Finkelnburg/Ortloff, Bd. 1 Bauplanungsrecht, S. 173/174. 387 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 301. 388 Jäde/Dirnberger/Weiß, Kommentar zum Baugesetzbuch, § 12 Rn. 72. 389 Jäde/Dirnberger/Weiß, Kommentar zum Baugesetzbuch, § 12 Rn. 73.
83
9.5. Erschließungssicherungsvertrag bei Erschließung außerhalb bebauter Ortsteile
(§ 35 BauGB)
Unter Erschließung sind sämtliche Maßnahmen zu verstehen, die erforderlich sind, um Bau-
grundstücke entsprechend den heutigen Lebensgewohnheiten zu ver- und zu entsorgen. Die
Gemeinde kann das Recht zum Anschluss an ihre öffentlichen Versorgungseinrichtungen
(Wasserversorgung, Entwässerungseinrichtungen) auf die innerhalb der im Zusammenhang
bebauten Ortsteile gelegenen Grundstücke beschränken.390 Für außerhalb der im Zusammen-
hang bebauten Ortsteile gelegenen Grundstücke (Außenbereich, § 35 BauGB) kann die Ge-
meinde die Erschließung durch Vertrag oder begünstigenden Verwaltungsakt gewähren.391
Hierbei ist darauf zu achten, dass, falls die Verbindungsleitung durch fremde Grundstücke
gelegt werden muss, die Anschlussmöglichkeit nur gegeben ist, wenn das Durchleitungsrecht
entweder dinglich oder öffentlich-rechtlich durch eine Baulast oder durch eine Grunddienst-
barkeit gesichert ist.392 Wird das Anschluss- und Benutzungsrecht durch Vertrag oder begüns-
tigenden Verwaltungsakt gewährt, unterliegt der Eigentümer eines derartigen Grundstückes
dann den Regelungen der Entwässerungs- sowie der Beitrags- und Gebührensatzung.393
Der Eigentümer kann zur Erlangung einer Baugenehmigung nicht auf die Erschließung
verzichten, also erklären, dass er keine Haushaltsgeräte an die Wasserversorgung anschließe.
Dies verbietet die gesetzliche Pflicht der Gemeinde zur Erschließung. Ferner ergibt sich dies
aus § 30 Abs. 1 BauGB, da auch bei einem freiwilligen Verzicht auf notwendige Erschlie-
ßungsmaßnahmen das Tatbestandsmerkmal der Sicherung der Erschließung nicht erfüllt ist.394
Dagegen kann sich der Bauherr zur Übernahme der zusätzlichen Aufwendungen verpflich-
ten.395 Eine derartige Vereinbarung nennt man einen Erschließungssicherungsvertrag, durch
welchen eine Mehrkostenvereinbarung getroffen wird. Diese widerspricht nicht dem grund-
sätzlichen Verbot von Vereinbarungen im Abgabenrecht. Eine solche Vereinbarung bezieht
sich nämlich nicht auf den vom Grundstückseigentümer zu zahlenden Beitrag für die Mög-
lichkeit des Anschlusses an die leitungsgebundene Einrichtung, der in der gemeindlichen Bei-
tragssatzung festgelegt ist, sondern betrifft den Mehraufwand, der durch die vom Grund-
stückseigentümer veranlasste Abweichung vom Planungskonzept der Gemeinde entsteht und
nicht in deren Beitragskalkulation eingeflossen ist.396 Sichergestellt werden muss bei dem
Abschluss einer derartigen Vereinbarung, dass die Erfüllung der übernommenen Verpflich-
tung gesichert ist. Anderenfalls besteht bei der Erteilung der Baugenehmigung für die Ge-
390 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 328. 391 BayVGH, NVwZ – RR 1990, S. 500 ff. 392 VGH Baden Württemberg, NVwZ – RR 1990, S. 502 ff. 393 BayVGH, NVwZ – RR 1990, S. 500 ff. 394 Siehe oben, 4.2. 395 BVerwG, DÖV 1972, 827 (828). 396 OVG Lüneburg, NJW 1992, S. 1404 ff.
84
meinde das Risiko, dass sie die Erschließung selbst vornehmen muss.397 Die Sicherung der
Zahlung der Mehrkosten kann durch Vorlage einer Bankbürgschaft oder durch eine Voraus-
zahlung an die Gemeinde erfolgen.398
Gemeindliche Satzungen sehen entsprechend den Mustern kommunaler Spitzenverbän-
de häufig auch die Möglichkeit von Sondervereinbarungen vor, wenn der Eigentümer nicht
zum Anschluss oder zur Benutzung berechtigt oder verpflichtet ist.399 Für dieses Benutzungs-
verhältnis gelten kraft Verweisung meist die Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensat-
zung entsprechend. Vorbehalten bleibt jedoch, ausnahmsweise in einer Sondervereinbarung
etwas Abweichendes zu bestimmen, soweit dies sachgerecht ist. Derartige Vereinbarungen
sind hinsichtlich der Gebührenbemessung bei Großabnehmern üblich. Zwischen „normalen“
Privateigentümern und den Trägern der leitungsgebundenen Ver- und Entsorgungsanlagen
sind Sondervereinbarungen über Beiträge nur möglich, solange für die vertragsgegenständli-
chen Grundstücke noch kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht. Aber auch bis zu die-
sem Zeitpunkt muss eine Sondersituation vorliegen, die ein Abweichen von der gleichmäßi-
gen Beitragsbemessung rechtfertigt.400
9.6. Ablösungsvereinbarung
Nach den Bestimmungen des BauGB (§ 133 Abs. 3) besteht die Möglichkeit, künftige Er-
schließungsbeiträge durch eine Vereinbarung im Vorfeld der Beitragsentstehung abzulösen.
Die Ablösung erfolgt durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Gemeinde und dem
Grundstückseigentümer.401 Die Ablösungsabrede ist öffentlich-rechtlicher Natur, da sie sich
auf einen von der gesetzlichen Ordnung geregelten öffentlich-rechtlichen Sachverhalt bezieht.
Sie modifiziert nämlich die anderenfalls öffentlich-rechtliche Beitragspflicht nach § 127
BauGB.402 Eine rechtswirksam vereinbarte Ablösung bewirkt, dass der gesetzliche Beitrags-
anspruch für die im Ablösungsvertrag beschriebene Anlage hinsichtlich des dort bezeichneten
Grundstückes nicht entsteht. Die Ablösung schließt somit das Entstehen des gesetzlichen Bei-
tragsanspruches aus.403 Der Ablösevertrag kann z. B. ein Grundstückskaufvertrag zwischen
einer Gemeinde und einer Privatperson sein, der dann bezüglich der Ablösung als öffentlich-
rechtlicher Vertragsteil anzusehen ist, hinsichtlich der übrigen Vereinbarungen als zivilrech-
tlicher Vertrag.404 Gemischte, also sowohl teilweise privatrechtliche als auch teilweise öffent-
lich-rechtliche Verträge abzuschließen, ist nicht nur zulässig, sondern, was das allgemeine
Verwaltungsverfahrensrecht anbelangt, an sich auch nicht bedenklich.405 Hierbei zu beachten 397 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 329. 398 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 329. 399 BVerwG, NVwZ – RR 1990, S. 96 ff. 400 OVG Lüneburg, NJW 1992, S. 1404 (1405). 401 BVerwG, NJW 1990, S. 1679 ff. 402 BVerwG, NJW 1990, S. 1679 (1680). 403 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 339. 404 BVerwG, NJW 1990, S. 1679 (1680). 405 BVerwG 42, S. 331 (332).
85
ist jedoch, dass sich die privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Elemente des Vertrags
trennen lassen müssen.406 Wichtig ist daher, dass für die Privatperson ersichtlich ist, wie hoch
der für die Ablösung der Erschließungskosten vereinbarte Ablösungsbetrag ist. Dies kann
entweder dadurch geschehen, dass dieser konkret ausgewiesen oder zumindest außerhalb des
Vertrages dem privaten Vertragspartner durch die Gemeinde genannt wird.407
Weiterhin zu prüfen ist, ob die Ablösungsvereinbarungen wirksam getroffen sind. Dies
setzt voraus, dass zum einen ausreichende Ablösungsbestimmungen vorliegen, die durch die
Gemeinde gemäß § 133 Abs. 3 S. 5 BauGB im Vorfeld des Vertrages zu erlassen sind.408 Dies
ergibt sich aus den Grundsätzen des Erschließungsbeitragsrechts, nämlich der Abgabenge-
rechtigkeit und Abgabengleichheit.409 Die Bestimmungen können in Form einer Erschlie-
ßungsbeitragssatzung oder als reine Richtlinien (einfacher Beschluß) ergehen. Dies folgt für
das Erschließungsbeitragsrecht aus § 127 Abs. 1 i. V. m. § 123 Abs. 3 Satz 5 BauGB. Nach
§ 127 BauGB i. V. m. § 132 BauGB darf die Gemeinde Erschließungskosten nur erheben,
wenn die Erschließungsmaßnahmen durch eine zuvor erlassene Ortssatzung gedeckt sind.410
Daraus wird von der zitierten Rechtsprechung geschlussfolgert, dass es den Gemeinden ver-
boten ist, Erschließungskosten durch vertragliche Vereinbarung auf die Anlieger abzuwäl-
zen.408 Von diesem Verbot läßt § 133 Abs. 3 Satz 5 eine Ausnahme zu.411 Die Ablösungsver-
einbarung ist danach dann zulässig, wenn zuvor ausreichende, d.h. wirksame Bestimmungen
über die Ablösung getroffen wurden.412 Eine Bestimmung im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 5
ist danach jedenfalls eine zuvor erlassene wirksame Beitragssatzung, dies folgt aus § 132
BauGB. § 133 Abs. 3 Satz 5 besagt jedoch nicht, dass ausschließlich eine Satzung das Erfor-
dernis einer Bestimmung erfüllt, auch bloße Richtlinien können dieses Erfordernis erfüllen.413
Sie müssen lediglich von dem nach Landesrecht zuständigen Organ erlassen werden414 und
können dann als Richtlinien415 aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses ergehen. Jedenfalls
gilt, dass ohne derartige Bestimmungen abgeschlossene Ablösungsvereinbarungen nichtig
sind.416 Daraus folgt, dass auch Ablösungsvereinbarungen, die nicht in inhaltlicher Übereins-
timmung mit den Ablösungsbestimmungen stehen, nichtig sind.
406 BVerwG, NJW 1990, S. 1679 (1680). 407 BVerwG, NJW 1990, S. 1679 (1681). 408 BVerwG, NJW 1990, S. 1679 (1680). 409 BVerwG, NJW 1982, S. 2392 ff. 410 BVerwG, NJW 1982, S. 1679 (1680). 411 BVerwG, NJW 1990, S. 2392 ff. 412 BVerwG, NJW 1983, S. 1680 ff.; BVerwG, NJW 1990, S. 2392 ff.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubei-träge, § 22 Rn. 1 und Rn. 11. 413 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 22 Rn. 11. 414 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 22 Rn. 11. 415 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 340. 416 BVerwG, NJW 1982, S. 2392 ff.
86
Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit der getroffenen Ablösungsvereinbarung ist,
dass die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist.417
Wie zuvor dargestellt, setzt die Wirksamkeit der Vereinbarung auch voraus, dass der
Ablösebetrag offengelegt, d. h. aus der Vereinbarung ersichtlich ist. Dies folgt aus der Über-
legung, dass eine ohne Offenlegung getroffene Ablösungsvereinbarung nicht greifen kann,
weil sich nicht überprüfen lässt, ob der Betrag, der z. B. bei der Kalkulation eines zugleich
den Bodenpreis umfassenden Gesamtpreises für die Ablösung des anderenfalls in Zukunft
entstehenden Erschließungsbeitrages angesetzt wird, willkürlich oder aber in inhaltlicher
Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen ermittelt worden ist.418 Insofern wird das
Erfordernis des Vorliegens ausreichender Ablösungsbestimmungen durch das Verbot der
Vereinbarung verdeckter Ablösebeträge ergänzt.419 Diesem Gebot der Offenlegung ist bei
einem Grundstückskauf und Ablösungsvertrag aber auch bereits dann genügt, wenn der Ablö-
sebetrag zwar nicht im Vertrag genannt ist, jedoch die Gemeinde dem Grundstückskäufer
diesen vor Vertragsabschluss mitgeteilt hat.420
Die Möglichkeit der Vereinbarung von Ablösungsvereinbarungen ergibt sich für Er-
schließungsbeiträge sowohl nach dem BauGB als auch nach dem Kommunalabgabenge-
setz.421 Soweit die Kommunalabgabengesetze für Ablösungsvereinbarungen keine Rechts-
grundlage enthalten, folgt die Zulässigkeit direkt aus § 54 ff. des entsprechenden Landesver-
waltungsverfahrensgesetzes bzw. dem allgemeinen Abgabenrecht.
Rechtsfolge der Ablösungsvereinbarung ist, dass mit Zahlung des Ablösungsvertrages
die Beitragspflicht für das betroffene Grundstück nicht mehr entsteht. Dies gilt auch dann,
wenn das Eigentum am Grundstück nach Abschluss des Vertrages wechselt. Die Ablösungs-
wirkung nimmt einerseits dem jeweiligen Eigentümer die Möglichkeit, später im Hinblick auf
die Höhe der anderenfalls entstandenen Beitragspflicht eine Überzahlung erstattet zu erhalten
und andererseits der Gemeinde das Recht zur Erhebung einer Nachforderung.422 Die Zahlung
des Ablösebetrages tilgt vorweg die Beitragspflicht. Ungeachtet der vorstehenden Ausführun-
gen sind Rückforderungen des Beitragspflichtigen jedoch generell nicht ausgeschlossen. Ein
Rückforderungsanspruch des Leistenden kann entstehen, wenn nachträglich der rechtliche
Grund für die Nachzahlung wegfällt oder der mit der Zahlung bezweckte Erfolg nicht eintritt.
Wird später die betroffene Maßnahme nicht durchgeführt oder würde auch ohne die Ablö-
sungsvereinbarung eine Beitragspflicht nicht entstehen, so fällt die Geschäftsgrundlage für
den Vertrag weg.423 Ein solcher Rückforderungsanspruch ist nach den Grundsätzen des Weg- 417 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 340. 418 BVerwG, NJW 1990, S. 1680 (1681). 419 BVerwGE 84, S. 183 (188 f.). 420 BVerwG, NJW 1990, S. 1681 ff. 421 Z. B. § 6 Abs. 7 Satz 3 N KAG, § 10 Abs. 9 KAG-BW, Art. 5 Abs. 9 KAG Bayern usw. 422 Quaas, Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, Rn. 464. 423 BGH, NJW 1992, S. 2690 ff.
87
falls der Geschäftsgrundlage geltend zu machen.424 Eine Abweichung zwischen dem verein-
barten Ablösungsbetrag und der späteren Höhe des Beitrags ist jedoch grundsätzlich unerheb-
lich und bewirkt keinen Rückforderungsanspruch des Leistenden.425 Dieser Tatbestand findet
jedoch seine Grenze, wenn das Gebot der Abgabengerechtigkeit verletzt wird, etwa wenn sich
im Rahmen einer späteren Beitragsabrechnung herausstellt, dass der Beitrag, der dem Grund-
stück zuzuordnen ist, mindestens das Doppelte bzw. höchstens die Hälfte des vereinbarten
Ablösungsbetrages ausmacht.426 Insofern gelten hier die Grundsätze des § 138 Abs. 2 BGB
(Wucher), wonach eine Vereinbarung immer dann als sittenwidrig zu behandeln ist, wenn die
zu erbringende Leistung um hundert Prozent über dem Marktpreis liegt bzw. weniger als
fünfzig Prozent desselben erreicht.427
Das Ergebnis eines Verstoßes gegen die vorbezeichnete „Missbilligungsgrenze“ ist,
dass der Grundstückseigentümer einen Rückzahlungsanspruch hat, die Gemeinde im umge-
kehrten Falle ein Nacherhebungsrecht.
Insofern ergibt sich, dass der durch eine Ablösung vereinbarte Erschließungsbeitrag
durchaus niedriger sein kann als der im Rahmen der durch die Gemeinde erfolgten Erschlie-
ßung sich ergebende Erschließungsbeitrag. Dabei stellt sich die Frage, ob hier nicht ein Ver-
stoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, da u. U. eine Ungleichbehandlung von Personen durch
die Verwaltung erfolgt. Unbedenklich ist dies aber, soweit für die Ungleichbehandlung ein
sachlicher Grund vorliegt. Dieser kann in einem wesentlichen Unterschied des geregelten
Sachverhaltes liegen.428 Da die Erschließung eine Pflichtaufgabe der Gemeinde ist,429 wird sie
kaum Gleichheit herstellen können, wenn Erschließungen nur noch mittels Erschließungsver-
trages durchgeführt werden. Es wird also praktisch wohl immer eine Ungleichbehandlung
zwischen verschiedenen Erschließungsgebieten einer Gemeinde geben oder zumindest geben
können. Denn die Preisbildung ist in erster Linie kostenabhängig, sodass in der Regel davon
ausgegangen werden muss, dass eine Vereinbarung mit dem Inhalt der Überwälzung des ge-
meindlichen Eigenanteils auf den Erschließungsunternehmer die Grundstücke gegenüber
normal erschlossenen Grundstücken verteuert.430 Die vorliegenden Ausführungen gelten für
die durch Erschließungsvertrag vereinbarte Kostenübernahme durch den Unternehmer. Daher
kann für die durch Ablösungsvereinbarung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB geregelte Ab-
lösung nichts anderes gelten, und die gegebenenfalls eintretende Ungleichbehandlung ist, so-
lange die Grenzen der Sittenwidrigkeit nicht überschritten werden, hinzunehmen.431
424 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 22 Rn. 18; OVG Münster NVwZ 1991, S. 1106 ff. 425 BVerwG, Bayrischer Gemeindetag 1971, S. 315 ff. 426 BVerwG, NVwZ 1991, S. 1096 ff. 427 Palandt, Kommentar zum BGB, § 138 Rn. 67, 68. 428 Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3, Abs. 1, Rn. 297, 331 f. 429 Siehe hierzu oben, 4.2.2. 430 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, § 124 Rn. 8. 431 BVerwGE 87, S. 77 (82 f.), BVerwG, NVwZ 1991, S. 1096 (1097).
88
Im Rahmen der zu treffenden Ablösungsvereinbarung ist auch zu beachten, dass diese
in der richtigen Form erfolgt. So ist aus den genannten Grundsätzen ersichtlich, dass eine Ab-
lösungsvereinbarung in einem Grundstückskaufvertrag dann nichtig ist, wenn der Vertrag die
Höhe der abzulösenden Erschließungskosten nicht ausweist und diese auch nicht in anderer
Form dem Käufer und Ablösungspflichtigen bekannt gegeben worden sind oder keine ausrei-
chende Bestimmung im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB erfolgt.432 Sind die vorbe-
zeichneten Voraussetzungen erfüllt, so ist die getroffene Ablösungsvereinbarung gemäß § 133
Abs. 3 Satz 5 BauGB wirksam und eine Ablösungsleistung ist auch dann kein Verstoß gegen
den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn in einem angrenzenden Erschließungsgebiet ein Er-
schließungsbeitrag für vergleichbaren Erschließungsaufwand niedriger ausfällt.
Ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergibt sich bei der Ablösung lediglich insoweit, als
der Abschluss einer Ablösungsvereinbarung dort verlangt werden kann, wo in gleichgelager-
ten Fällen Ablösungsvereinbarungen bereits getroffen worden sind.433
9.7. Die durch Bescheid veranlasste Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag
Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB können für ein Grundstück, für das eine Beitrags-
pflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorausleistungen auf den Er-
schließungsbeitrag verlangt werden, wenn ein Vorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird
oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden und die endgülti-
ge Herstellung der Erschließungsanlagen zu erwarten ist. Die Vorausleistung dient dem Inter-
esse der Gemeinde, aber auch der Grundstückseigentümer, möglichst schnell und ohne größe-
re Kreditaufnahme die Finanzierung der Herstellung von Erschließungsanlagen zu sichern.
Sie ist, wie sich aus § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB ergibt, eine als Vorschuss auf die endgültige
Beitragsschuld zu erbringende und mit dieser zu verrechnende finanzielle Leistung.434 Ob die
Gemeinde eine Vorausleistung erhebt, steht in ihrem Ermessen.435 Werden Vorausleistungen
erhoben, sind diese Einnahmen zweckgebunden für die Herstellung der Anlage zu verwenden,
für die die Vorausleistung erhoben worden ist.436 Die Vorausleistung entsteht nicht, wie die
sachliche Beitragspflicht, infolge Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ohne Weiteres, son-
dern ausschließlich aufgrund einer Anforderung durch Erlass des Vorausleistungsbeschei-
des.437 Der Vorausleistungsbescheid unterliegt in formeller Hinsicht denselben Erfordernissen
wie ein sonstiger Beitragsbescheid; die Fälligkeit der Vorausleistung wird durch seine Be-
kanntgabe bestimmt.438 Weitere Voraussetzung für die Erhebung einer Vorausleistung durch
Bescheid ist die Absehbarkeit der Herstellung der abgerechneten Erschließungsanlage inner-
432 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 490 433 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 489. 434 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, § 133 Rn. 27. 435 OVG Münster, NWVBl. 1997, S. 262 (264). 436 Fischer, in: Hoppenberg/De Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. 228. 437 BVerwG, NVwZ 1993, S. 1200 ff. 438 BVerwG, NVwZ 1999, S. 543 ff.
89
halb von vier Jahren.439 Damit knüpft das Gesetz an die zu § 133 BBauGB entwickelte Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichtes an. Danach ist erforderlich, dass mit der Beendi-
gung der kostenverursachenden Erschließungsmaßnahme, also der endgültigen Herstellung
entsprechend der satzungsmäßigen Merkmalsregelung mit dem festgelegten Bauausführungs-
plan in vier Jahren nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu rechnen ist.440 Weitere Vor-
aussetzung für eine rechtmäßige Vorausleistungserhebung ist, dass eine sachliche Beitrags-
pflicht noch nicht entstanden ist. Sind bereits Teilbeträge erhoben worden, können Voraus-
leistungen nur noch für den nicht abgespaltenen Posten bzw. für Teilmaßnahmen verlangt
werden.441 Erforderlich ist aber, dass eine endgültige Beitragspflicht überhaupt entstehen
kann, sodass nur auf solche Voraussetzungen verzichtet werden kann, die aus einem mit dem
Wesen der Vorausleistung zusammenhängenden Grunde nicht schon im Zeitpunkt des Erlas-
ses des Vorausleistungsbescheides erfüllt sein müssen.442 Deshalb muss die Vorausleistung
auf ein Grundstück bezogen sein, das die Anforderungen des § 133 Abs. 1 BauGB erfüllt und
zugleich auch durch die Anlage gemäß § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen wird, die die Voraus-
leistungspflicht auslöst.443 Daraus folgt, dass eine Vorausleistung nicht für eine vorhandene
Erschließungsanlage im Sinne von § 242 Abs. 1 BauGB oder eine in einem förmlich festge-
legten Sanierungsgebiet gelegene oder eine im Außenbereich verlaufende Verkehrsanlage
gefordert werden kann.444 Schließlich setzt die Vorausleistungserhebung eine wirksame Er-
schließungsbeitragssatzung voraus, wie zuvor445 bereits bei der Ablösungsvereinbarung aus-
geführt, voraus.446 Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BauGB besteht auch die Möglichkeit, ei-
nen Vorausleistungsbescheid an die Erteilung der Genehmigung anzuknüpfen. Darunter ist
jede bauaufsichtliche Freigabe der Bebauung zu verstehen.447 Hintergrund der Ermächtigung
zur Erhebung einer Vorausleistung bei Genehmigung eines Bauvorhabens ist, dass der Baube-
rechtigte einen erschließungsbeitragsrelevanten Vorteil von der benutzbaren Anlage hat, der
geeignet ist, die Gemeinde zu einem früheren Ausbau der Anlage zu veranlassen.448 Insofern
reicht beispielsweise die Errichtung einer aus Sicht des Erschließungsbeitragsrechtes unter-
wertigen Bebauung (Geräteschuppen, Färberanlage) für die Verabschiedung eines Vorausleis-
tungsbescheides nicht aus.
439 BVerwG, NVwZ 1985, S. 751 ff. 440 BVerwG, NVwZ 1985, S. 751 ff. 441 Fischer, in: Hoppenberg/De Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. 237. 442 BVerwG, NVwZ 1992, S. 673 (674). 443 BVerwGE 42, S. 269 (271). 444 BVerwG, NVwZ 1992, S. 673 (674). 445 Siehe hierzu oben, 9.6. 446 § 133 Abs. 3 S. 1 BauGB. 447 BVerwGE 89, S. 177 (179). 448 BVerwGE 89, S. 177 (179).
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Eine weitere Alternative (§ 133 Abs. 3 S. 1 Alternative 2 BauGB) ist der Beginn der
Herstellung der Erschließungsanlage. Das erfordert tatsächliche technische Arbeiten ein-
schließlich der Freilegung an der Anlage, die der endgültigen Herstellung dienen. Nicht aus-
reichen dürften Grunderwerbs- und Vermessungsmaßnahmen.449
Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB ist die Vorausleistung mit der endgültigen Beitrags-
schuld zu verrechnen. Daher bedarf es in jedem Fall, auch wenn die Vorausleistung und der
endgültige Beitrag der Höhe nach identisch sind, der Festsetzung des endgültigen Beitrags in
einem Beitragsbescheid, damit mit hinreichender Klarheit zur Wahrung der Rechtssicherheit
bestandskräftig feststeht, in welcher Höhe der Gemeinde ein Beitragsanspruch zusteht und ob
entweder noch ein weiterer Beitrag zu entrichten oder ein etwa überzahlter Betrag zu erstatten
ist.450
9.8. Die vertraglich vereinbarte Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag
Statt des Erlasses eines Bescheides über die Erhebung einer Vorausleistung kann auch ver-
traglich eine Vorausleistung vereinbart werden. Häufig ist Anlass für eine solche freiwillige
Vorausleistung die Absicht des Grundeigentümers, die Gemeinde zur Sicherung der Erschlie-
ßung zu veranlassen und dadurch ein Bauvorhaben erst zulässig werden zu lassen.451 Im Ge-
gensatz zur durch Bescheid erhobenen Vorausleistung kann Gegenstand einer solchen – öf-
fentlich-rechtlichen Vereinbarung – auch das Erbringen von Sachleistungen wie zum Beispiel
einer Grundabtretung sein.452 Solcherlei Sachleistungen müssen aber zweckgerichtet auf den
Erschließungsbeitrag erbracht werden.
Die Wirksamkeit der Vorausleistungsvereinbarung setzt nicht voraus, dass eine gültige
Erschließungsbeitragssatzung besteht453 oder die Höhe der Vorausleistung auf der Grundlage
der Satzung errechnet wird. Die Vereinbarung ist ohnehin nur zulässig, wenn sie ausdrücklich
oder sinngemäß unter dem Vorbehalt steht, dass die Erhebung eines endgültigen Beitrags auf
der Grundlage der Vorschriften des BauGB und der dazu erlassenen Erschließungsbeitrags-
satzung erfolgt.
Im Unterschied zu der durch Bescheid angeforderten Vorausleistung ruht die vertragli-
che Vorauszahlung, die keine Abgabe ist (da sie keine gemeindliche Leistung ist, die nur auf-
grund einer bestehenden wirksamen Satzung abgerechnet werden kann454), nicht als öffentli-
che Last im Sinne des § 134 Abs. 2 BauGB auf dem Grundstück.455
449 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 237. 450 BVerwG, NJW 1976, S. 818 (819). 451 OVG Saarlouis, NVwZ-RR 1999, S. 796 (797). 452 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 496. 453 BVerwG, NJW 1976, S. 341 ff. 454 Zum Abgabebegriff: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 30 Rn. 26, wonach die Verwendung des Begriffs der Abgabe voraussetzt, dass eine gültige Satzung besteht. 455 BVerwG, NVwZ 1980, S. 377 (378).
91
Teil C
Grundstücksverkauf und Erschließung
1. Verkauf gemeindeeigener Grundstücke
1.1 . Generelle Problematik
Ein häufig anzutreffendes Interesse bei dem Verkauf von Grundstücken durch die Kommune
besteht darin, durch vertragliche Vereinbarung zu regeln, dass der Käufer mit Zahlung des
Kaufpreises alle Erschließungskosten, die für den Grundbesitz für bis zur Beurkundung
durchgeführte Arbeiten erhoben werden können, bereits abgegolten hat.
Das Problembewusstsein der Kommunen bei der Gestaltung der entsprechenden Verträ-
ge ist häufig gering ausgeprägt, da die vertraglichen Gestaltungsabsichten der Gemeinden im
Grundstücksverkehr von der geradezu selbstverständlichen Überzeugung gekennzeichnet
sind, beide Vertragspartner bewegten sich auf dem Boden privatautonomer Gestaltungsfrei-
heit, weshalb mit den Mitteln einvernehmlicher Regelung alles machbar sei, was das Privat-
recht nicht ausdrücklich verbietet.456 Tatsächlich sind notarielle Grundstücksverträge unter
Beteiligung von Gemeinden je nach Sachlage u. U. aber teilweise oder sogar ganz dem öffent-
lichen Recht zuzuordnen, weshalb die vorbezeichnete Privatautonomie nicht gegeben ist und
die vertragliche Gestaltung u. U. sogar zur Nichtigkeit – möglicherweise – des ganzen Vertra-
ges führen kann.457 Insofern ist zu differenzieren, unter welchen Voraussetzungen gemeinde-
eigene Grundstücke verkauft werden und wie die Vereinbarungen zur Berücksichtigung der
Erschließungskosten aussehen.
1.2.Verkauf gemeindeeigener Grundstücke – Ablösung der Erschließungskosten mit
dem Kaufpreis
1.2.1. Erschließungskosten nach dem Baugesetzbuch
Gemeindeeigene Grundstücke unterliegen der Beitragspflicht gemäß §§ 127 ff. BauGB erst
dann, wenn die Gemeinde ihre Grundstücke an andere Personen übertragen oder mit einem
Erbbaurecht belastet hat.458
Dies gilt nach den meisten Landesabgabengesetzen auch für Kommunalabgaben.459 So-
lange das Grundstück nämlich im Eigentum der Gemeinde befindlich ist, unterliegt es keiner
Beitragspflicht. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass niemand sein eigener Schuldner sein
kann.460 Deshalb kann die Gemeinde eine Belastung, die sich für ein Grundstück ergibt, das in
ihrem Eigentum steht, nur intern, d. h. mit Wirkung zwischen den beteiligten gemeindlichen
456 Schmittat, DNotZ 1991, S. 288 ff. 457 BVerwG, DNotZ 1991, S. 309 ff., sowie Schmittat, DNotZ 1991, S. 288 (289). 458 Ahlers, KStZ 1988, S. 81 ff. 459 BayVGH, BayVBl. 1986, S. 884 ff. 460 BVerwG, DVBl. 1984, S. 188 ff.
92
Stellen verrechnen und zur Auszahlung anordnen.461 Überträgt die Gemeinde ein derartiges
Grundstück oder bestellt sie ein Erbbaurecht daran, so entfällt diese Einschränkung und die
Gemeinde kann die entstandenen Erschließungskosten vom Erwerber erheben, es entsteht eine
abstrakte Erschließungsbeitragspflicht.462 Dies ist die Ansicht des Bundesverwaltungsgerich-
tes sowie auch der überwiegenden Literatur.463 Bereits oben464 wurde dargestellt, dass diese
Ansicht durchaus kritisch zu betrachten ist und hierzu auch eine andere Rechtsauffassung
vertreten werden kann. Folgt man jedoch der überwiegenden Ansicht von Rechtsprechung
und Literatur, so gilt, dass eine Beitragspflicht mit der Übertragung des Grundstückes bzw.
Begründung eines Erbbaurechtes entsteht. Verkauft die Gemeinde ein gemeindeeigenes
Grundstück zum Wert eines erschlossenen Baugrundstückes, so ist die Vereinbarung, dass der
Kaufpreis alle Erschließungskosten und Kommunalabgaben beinhaltet, nichtig465, wenn sie
nicht die oben466 dargestellten Voraussetzungen zur Gestaltung wirksamer öffentlich-
rechtlicher Ablösungsabreden erfüllen. D. h. die Ablösungsbestimmungen müssen in Form
einer Satzung oder eines Gemeinderatsbeschlusses vorliegen, die zumindest die Berech-
nungsweise des gesamten abzulösenden Erschließungsaufwandes und dessen Verteilung auf
die einzelnen Grundstücke festlegen. Eine ohne vorherigen Erlass von Ablösungsbestimmun-
gen abgeschlossene Ablösungsvereinbarung ist nichtig.467 Allerdings gibt es hiervon eine
Ausnahme, nämlich dann, wenn eine Ablösungsvereinbarung unter der aufschiebenden Be-
dingung (§ 158 BGB) der Inkraftsetzung hinreichender Ablösungsbestimmungen vereinbart
wird.468 Gleichwohl muss auch bei einer derartigen Vereinbarung die Ablösungsvereinbarung
in der Höhe so bestimmbar sein, dass sie für die Beurkundung berechnet werden kann (es
muss etwa ein Satzungsentwurf bereits vorliegen, der jedoch lediglich mangels Beschlusses
des Gemeinderates noch nicht in Kraft getreten ist).469 Weitere Voraussetzung für die Gestal-
tung wirksamer öffentlich-rechtlicher Ablösungsabreden ist, dass der Ablösungsbetrag offen-
gelegt ist.470
Sogenannte verdeckte Ablösungsbestimmungen in Kaufverträgen – wie z. B. die Rege-
lung, dass mit dem Kaufpreis sämtliche Erschließungskosten abgegolten sind –, sind, wie zu-
vor ausgeführt471, nichtig und führen dazu, dass die Gemeinde die Erschließungsbeiträge noch
einmal erheben kann und muss. Die zivil-rechtliche Rückforderung des vorbezeichneten, so-
mit doppelt gezahlten Beitrages, einmal im Rahmen des verdeckten, im Kaufpreis enthaltenen 461 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 133 Rn. 2. 462 BVerwG, NVwZ 1985, S. 912/913. 463 BVerwG, DVBl. 1984, S. 188 ff. sowie Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 19 Rn. 18. 464 Siehe hierzu Teil B, II 8.1. 465 NJW 1990, S. 1679 ff. 466 Siehe hierzu Teil B, II 9.6. 467 BVerwGE 64, S. 361 ff., NJW 1982, S. 2392 ff. 468 BayVGH, BayVBl. 1987, S. 335, (337). 469 DNotI –Report 2001, S. 53 (54). 470 BVerwGE 84, S. 183 f, NJW 1990, S. 1679 ff. 471 Siehe Teil B II 9.6.
93
Ablösungsbeitrages und ein zweites Mal nach Ausgleich der durch Bescheid veranlassten
Zahlung, ist nicht durchsetzbar.472
In der Vertragspraxis gibt es zahlreiche Umgehungsversuche, da bei den derzeitigen
Haushaltslagen die Gemeinden am Verkauf gemeindeeigenen Grundbesitzes besonders inter-
essiert sind und der Einzelne verständlicherweise Rechtsklarheit hinsichtlich der auf ihn
zukommenden Kosten, insbesondere dahingehend haben möchte, dass neben dem
Kaufpreis keine weiteren Erschließungskosten zu entrichten sind. So ist eine der hierbei ver-
wendeten Formulierungen folgende:
„Sollten entgegen der Annahme, dass für das Vertragsgrundstück keine Erschließungs-
und Anliegerbeiträge mehr anfallen, solche dennoch erhoben werden, so ermäßigt
(bzw. erhöht) sich der vereinbarte Kaufpreis um den durch Beitragsbescheid in Rech-
nung gestellten Betrag. Sollte der Kaufpreis bereits gezahlt sein, so ist der Erstattungs-
betrag unverzüglich zu ersetzen.“473
Es ist fraglich, ob derartige Abreden als zivilrechtlich qualifiziert werden können. Zwar wer-
den Bauplanungsgarantien dem privaten Grundstücksrecht zugeordnet; Abreden, die neben
dem öffentlich-rechtlichen Beitragsschuldverhältnis eine Risikoübernahme oder Kostenerstat-
tungsregelung begründen, können aber wegen ihrer Nähe zum (verdeckten) öffentlich-
rechtlichen Ablösungsvertrag auch dessen Rechtsqualität teilen.474 Unabhängig von der rech-
tlichen Einordnung derartiger Klauseln wird man diese Umgehungsversuche jedenfalls dann
für nichtig erachten müssen, wenn sie öffentlich-rechtlich unzulässig wären, weil die Verein-
barung eines Erschließungskostenerlasses grundsätzlich nichtig ist.475
Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur zum einen für die oben dargestellten Ablöseab-
reden476 und zweitens für Vereinbarungen, die unter den Voraussetzungen des § 135 Abs. 5
BauGB von der Beitragserhebung absehen. Das Gebot, entstandene Ansprüche auf Erschlie-
ßungs- und Anliegerbeiträge bis zu deren Erlöschen grundsätzlich auszuschöpfen, schließt die
Befugnis der Gemeinden aus, die Beitragshöhe und die weiteren Umstände der Beitragserhe-
bung auszuhandeln.477
Mit anderen Worten; Die Gemeinde muss bei Abschluss eines Kaufvertrages mit dem
Ziel, dass im Kaufpreis sämtliche Erschließungskosten und Kommunalabgaben enthalten
sind, die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze der Ablösung beachten. D. h., wie
schon oben dargestellt478, müssen die Ablösungsbestimmungen bereits in Form einer Satzung
oder eines Gemeinderatsbeschlusses vorliegen oder es muss eine wirksame aufschiebende
472 BGH, MitBayNot 1987, S. 130 (131), sowie Grziwotz, Baulanderschließung, S. 347. 473 BGH, NJW 1992, S. 2652 ff. 474 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 348. 475 BayVGH, NJW 1992, S. 2652 ff. 476 Siehe oben, Teil B II 9.6. 477 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 348. 478 Siehe Teil B II 9.6.
94
Bedingung des Inhaltes vereinbart werden, dass die Ablösungsvereinbarung unter der auf-
schiebenden Bedingung der Inkraftsetzung hinreichender Ablösungsbestimmungen vereinbart
wird und der Inhalt dieser Ablösungsbestimmungen bereits bekannt ist. Weiterhin müssen die
Ablösungsbeträge offengelegt werden. D. h. entweder muss der Ablösungsbetrag konkret im
Kaufvertrag ausgewiesen werden oder er muss sich aus Umständen außerhalb des notariellen
Kaufvertrages hinreichend deutlich ergeben.479 Die Höhe des Ablösungsbetrages muss sich
dann außerhalb des Kaufvertrages für den Erwerber hinreichend bestimmbar ergeben und
diesem zur Kenntnis gelangt sein.480 Dies kann etwa in einer vorherigen Mitteilung der Ge-
meinde an den Erwerber geschehen sein.481 Diese zuletzt von der Rechtsprechung vertretene
Auffassung ist streitig. Ihr wird von einem Teil der Literatur widersprochen.482 Nach dieser
Ansicht ist die Höhe der Ablösungssumme wegen des Formerfordernisses des § 311 b BGB
beurkundungsbedürftig, da die Ablösungsvereinbarung mit dem eigentlichen Kaufpreis zu-
sammen die Gegenleistung des Käufers bestimmt und daher wesentlicher Bestandteil des
Kaufvertrages ist, mit dem sie steht und fällt. Hiergegen verstoße es, wenn im notariellen
Kaufvertrag lediglich geregelt sei, dass die Erschließungskosten im Kaufpreis enthalten seien,
nicht aber die Höhe der Erschließungskosten beziffert ist.
Dieser Literaturansicht ist nicht zu folgen. § 311 b BGB erfordert lediglich, dass sämtli-
che Vereinbarungen des Kaufvertrages zu beurkunden sind. Hinsichtlich der Aufspaltung des
Kaufpreises in Erschließungskosten und Baulandkosten handelt es sich um Bestandteile der
Kaufpreisberechnung. Die Bestandteile der Kaufpreisberechnung sind jedoch nicht im Kauf-
vertrag aufzuführen, da es sich hierbei nur um Hintergrundüberlegungen der Vertragsbeteilig-
ten handelt, die schlussendlich zu dem Kaufvertragsinhalt führen. Ähnlich verhält es sich bei
einem Kaufvertrag über ein bebautes Grundstück. Hier sind auch der Kaufpreisanteil des
Grund und Bodens und der Kaufpreisanteil des Gebäudekörpers bzw. der vorhandenen An-
pflanzungen unstreitig nicht gesondert auszuweisen, um den Formerfordernissen des § 311 b
BGB zu entsprechen.483 Da das Gebäude nach § 94 BGB Bestandteil des Grund und Bodens
ist und somit die Vereinbarung über den Verkauf eines Grundstücks den Verkauf des Gebäu-
des mit erfasst, ist die Angabe des Kaufpreisanteils für den Grund und Boden und das Gebäu-
de eine reine Erläuterung der Kaufpreiszusammensetzung.
479 BVerwGE 84, S. 183 ff. 480 BVerwGE 84, S. 183 ff. 481 BVerwGE 84, S. 183 ff. 482 Schmittat, DNotZ 1991, S. 288 (297). 483 Palandt, Kommentar zum BGB, § 311 b Rn. 25, wonach bloße Erläuterungen nicht formbedürftig sind.
95
1.2.2. Kommunalabgabenbeiträge
Hinsichtlich der vorstehenden Ausführung484 ist zu differenzieren, ob es sich bei den im
Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten um Erschließungsbeiträge nach § 127 ff. BauGB
oder um Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz handelt. Wie oben485 dargestellt, gilt in
den Bundesländern Bayern und Niedersachsen sowie in Rheinland-Pfalz, dass die Beitrags-
pflicht bei gemeindeeigenen Grundstücken nach den allgemeinen Grundsätzen entsteht (und
damit im Zeitpunkt ihres Entstehens zugleich aufgrund Konfusion erlischt486). D. h. in den
Ländern Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wäre bei Abschluss eines Kaufvertrages
eine Ablösungsvereinbarung hinsichtlich der von den Kommunalabgabenbeiträgen betroffe-
nen Anlagen nicht mehr möglich, da bezüglich dieser Anlagen ein Beitragsbescheid bereits
ergangen ist. Insofern hätte hier die Gemeinde den Kaufpreis entsprechend Baulandpreis und
Kommunalabgabenbeitrag zu errechnen. In den übrigen Bundesländern wäre hinsichtlich der
Kommunalabgaben ebenso zu verfahren wie bezüglich der Erschließungskostenbeiträge nach
dem § 127 ff. BauGB. D. h. es bedarf des Vorliegens wirksamer Ablösungsbestimmungen
zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wie auch der Offenlegung des Ablösungsbetrages.
Teils wird bezüglich des vorbezeichneten Sachverhaltes gefordert, dass die Ablösungs-
beträge bei Aufeinandertreffen von Kommunalabgabenbeiträgen und Erschließungsbeiträgen
nach BauGB gesondert ausgewiesen werden.487 Nachvollziehbar ist dies nach obiger Darstel-
lung nicht, da, mit Ausnahme der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bayern und Niedersachsen,
Deckungsgleichheit bezüglich der Wirksamkeitsvoraussetzungen zu Ablösungsvereinbarun-
gen in Kaufverträgen bei Verkauf gemeindeeigener Grundstücke besteht.
1.3.Verkauf gemeindeeigener Grundstücke – Abgeltung der Erschließungskosten durch
Zusagen, Verzichte, Erlass oder Vergleich
Die zuvor dargestellten488, in der Praxis häufig vorkommenden Vereinbarungen beim Verkauf
gemeindeeigener Grundstücke, wonach durch den Kaufvertrag die Erschließungskosten abge-
golten sind, wären auch als Zusagen seitens der Gemeinde, Beitragsverzichtsvereinbarungen
oder Erlasse von Beitragsforderungen auslegbar. Gleichermaßen ist es denkbar, dass eine de-
rartige Vereinbarung im Rahmen eines Vergleiches getroffen wird. Insofern stellt sich die
Frage nach der Wirksamkeit derartiger Abreden.
484 Siehe hierzu oben, 1.2.1. 485 Siehe Teil B II 8.1. 486 BayVGH, BayVBl 1986, S. 84 ff., OVG Lüneburg (zum Niedersächsischen Landesrecht), NVwZ-RR 1991, S. 42. 487 Schmittat, DNotZ 1991, S. 288 (298). 488 Siehe oben, 1.2.1.
96
1.3.1. Zusagen, Verzichte, Erlass durch Verwaltungsakt oder vertragliche Vereinba-
rung
1.3.1.1. Zulässiger Verzicht gem. § 135 Abs. 5 BauGB
Hier ergibt sich aus § 135 Abs. 5 BauGB, dass grundsätzlich der Erlass von Erschließungsbei-
trägen ausgeschlossen ist, außer wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung
unbilliger Härten geboten ist. Der Erlass ist ein Verzicht auf den Beitragsanspruch. Verzicht
bringt den Anspruch in Höhe des Verzichtes zum Erlöschen (§ 47 AO).489 Der Erlass kann,
wie es in § 135 Abs. 5 Satz 2 BauGB ausdrücklich vorgesehen ist, vor oder nach der Entste-
hung des Beitragsanspruches verfügt werden. Auch ein Teilverzicht ist zulässig. Der durch
den Erlass entstandene finanzielle Ausfall darf nicht auf die übrigen Beitragspflichtigen um-
gelegt werden.490 Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Unbilligkeit ist zu differenzieren
zwischen der persönlichen und der sachlichen Unbilligkeit: Die persönliche Unbilligkeit liegt
vor, wenn in der Person des Beitragsschuldners sich Gründe ergeben, die aufgrund einer per-
sönlichen Notlage oder anderen persönlichen Erwägungen von einer Erhebung des Beitrags
absehen lassen.491 Die sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn unabhängig von der Person
des Beitragspflichtigen und dessen wirtschaftlicher Situation die Anwendung der Norm auf
den vorliegenden Sachverhalt zu Ergebnissen führt, von denen man annehmen muss, dass der
Gesetzgeber sie so nicht gewollt hat und sie, würde er sie gekannt haben, im Wege der Billig-
keitsmaßnahmen geregelt hätte.492 Das Tatbestandsmerkmal öffentliches Interesse ist erfüllt,
wenn der Gemeinde daran gelegen sein muss, durch den Verzicht selbst etwas zu fördern, was
im öffentlichen Interesse liegt.493 So wird beispielsweise ein öffentliches Interesse anerkannt
für die Ansiedlung eines Industrieunternehmens, für die Förderung von Vorhaben des Woh-
nungsbaus, zumal des sozialen Wohnungsbaus, die Errichtung von Kindergärten, Kranken-
häusern etc.494
1.3.1.2. Zusagen, Verzichte, Erlass außerhalb von § 135 Abs. 5 BGB
Wie zuvor495 ausgeführt, bestimmt § 135 Abs. 5 BauGB, dass Zusagen, Verzichte und Erlasse
von Erschließungsbeiträgen grundsätzlich ausgeschlossen sind, wenn die Voraussetzungen
des § 135 Abs. 5 BauGB nicht vorliegen. Gleichwohl werden derartige Abreden in Grund-
stückskaufverträgen mit Gemeinden getroffen. Diese sind einmal in Form der vertraglichen
Vereinbarung denkbar, d. h. im Vertrag selbst, oder durch den Erlass eines Verwaltungsaktes
(VA) seitens der Gemeinde. Insofern muss differenziert werden, welche Form des Verzichtes
489 Ernst, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 135 Rn. 19. 490 Ernst, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 135 Rn. 19. 491 Ernst, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 135 Rn. 10. 492 Ernst, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 135 Rn. 11. 493 BVerwG, DVBl. 1976, S. 306 ff. 494 BVerwG, BauR 1974, S. 408 ff., BVerwG, BBauBl. 1970, S. 419 ff. 495 Siehe oben, 1.3.1.1.
97
des Erlasses oder der Zusage vorliegt und es muss untersucht werden, ob diese tatsächlich,
wie § 135 Abs. 5 BauGB ausdrückt, zur Nichtigkeit des Vertrages führt.
1.3.1.2.1. Zusagen, Verzichte, Erlass durch vertragliche Vereinbarungen
§ 135 Abs. 5 BauGB regelt gemäß seinem Wortlaut nur, dass die Gemeinde von der Erhebung
des Erschließungsbeitrages absehen kann, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Ver-
meidung unbilliger Härten geboten ist. Er sagt nichts darüber aus, was mit einem Verzicht
oder Erlass oder einer Zusage geschieht, hinsichtlich der diese Voraussetzungen nicht erfüllt
sind. Insofern ergibt sich, dass ein derartiger Beitragsverzicht wegen Verstoß gegen die durch
die § 127 ff. BauGB begründete Beitragserhebungspflicht496 rechtswidrig ist. Für den Bei-
tragsschuldner bedeutet dies, dass ein entgegen diesen Bestimmungen abgegebener Verzicht
ihn trotz Vorlage einer Erklärung, dass auf die Erhebung von Beiträgen verzichtet wird, zur
Zahlung verpflichten könnte, wenn der Verzicht, der Erlass oder die Zusage aufgrund Nich-
terfüllung der Voraussetzung des § 135 Abs. 5 BauGB nichtig ist. Hier ist für die Beantwor-
tung der Frage, ob der Erlaß oder der Verzicht nichtig sind, zunächst zu untersuchen, in wel-
cher Form eine derartige Erklärung abgegeben wurde. In Betracht kommt neben der Form des
Verwaltungsaktes die Form des öffentlich-rechtlichen Vertrages sowie die einseitige Zusage.
Wie dargestellt497, liegt ein öffentlich-rechtlicher zu beurteilender Vertragsbestandteil dann
vor, wenn die Gemeinde als Verkäufer eines Grundstückes mit einer Privatperson einen ent-
sprechenden Grundstückskaufvertrag abschließt und Vereinbarungen öffentlich-rechtlicher
Natur trifft. So sagen die entsprechenden Bestimmungen der Gemeindeordnungen in der Re-
gel, dass derartige Erklärungen der Schriftform unterliegen.498 Ferner müssen entsprechende
Erklärungen in der Regel durch den Bürgermeister, den Stellvertreter oder von zwei Amtsträ-
gern unterzeichnet sein.499
Ob die Formerfordernisse derartiger Abreden innerhalb eines Grundstückskaufvertra-
ges, der auf Seiten der Gemeinde durch den Bürgermeister oder den Kämmerer unterzeichnet
wird, erfüllt sind, kann für die hier anstehende Rechtsfrage, ob es sich um eine nichtige Ver-
einbarung handelt und ob deshalb der Einzelne trotz der Vereinbarung zur Beitragszahlung
herangezogen werden kann, dahinstehen, da grundsätzlich ein vertraglich begründeter Bei-
tragsverzicht, selbst wenn er den formellen Anforderungen des einschlägigen Landesrechtes
entspricht, gegen ein gesetzliches Verbot, nämlich das gesetzliche Verbot des Art. 20 Abs. 3
GG verstößt, und gemäß § 59 VwVfG i. V. m. § 134 BGB allein der objektive Verstoß gegen
ein gesetzliches Verbot zur Nichtigkeit des Vertrages führt.500
496 Siehe oben, 1.3.1.1. 497 Siehe Teil B II 9.6. 498 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 10 Rn. 30, z. B. Thüringer GO, § 31 Abs. 2; § 54 GO Baden-Württemberg. 499 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 10 Rn. 30, z. B. § 54 Abs. 2 GO Baden-Württemberg. 500 BVerwG, NVwZ 1998, S. 1061 ff.
98
1.3.1.2.2. Zusagen durch mündliche Erklärung
Anzutreffen ist in der Praxis auch der Fall, dass auf Seiten der verkaufenden Gemeinde, ohne
dass dieses im Vertrag selbst mit aufgenommen wird, dem Käufer und Beitragsschuldner
mündlich zugesagt und zugesichert wird, dass er zu späteren (z. B.) Straßenausbaubeiträgen
nicht herangezogen wird. Eine derartige Zusage ist, wie sich aus den vorherigen Ausführun-
gen ergibt501, regelmäßig nach den Vorschriften der einschlägigen Landeskommunalgesetze502
wegen eines Formverstoßes bereits nichtig und für die Gemeinde nicht verbindlich. Dieses
Ergebnis ergibt sich auch aus § 57 VwVfG. Etwas anderes kann hier nur dann gelten, wenn
die Nichteinhaltung der Zusage zu nahezu untragbaren Verhältnissen für den Betroffenen füh-
ren würde und deshalb dessen Vertrauen in die Zusage besonders geschützt ist.503
1.3.1.2.3. Verzicht oder Erlass durch formwirksamen Verwaltungsakt
Ob ein Verwaltungsakt, der seinem Inhalt nach gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, nichtig ist,
richtet sich allein nach dem einschlägigen Verwaltungsverfahrensrecht.504 Maßgeblich ist
insofern das jeweils einschlägige Landesverfahrensrecht. Die Kommunalabgabengesetze –
mit Ausnahme des Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetzes – sehen insoweit
über ihre allgemeinen Verweisungsklauseln die Anwendbarkeit des § 125 AO mit der Folge
vor, dass ein Verwaltungsakt, der einen Beitragsverzicht oder einen Erlass beinhaltet, dann
nichtig ist, wenn er an einen besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei vollstän-
diger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.505 Sinngemäß gilt
dies auch in Schleswig-Holstein gemäß § 11 Abs. 1 KAG i. V. m. § 113 Abs. 1 Landesver-
waltungsgesetz (LVwG),506 die dem Inhalt der §§ 44 Abs. 1 VwVfG und 125 AO entspre-
chen. D. h. ob die Nichtigkeit eines Verzichtsbescheides tatsächlich gegeben ist, kann nur auf
der Grundlage der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Zu berücksichtigen ist jedoch,
dass als besonders schwerwiegend i. S. d. §§ 125 AO bzw. 113 LVwG ein Fehler nur dann
anzusehen ist, wenn er den betreffenden Verwaltungsakt als unerträglich erscheinen lässt, mit
anderen Worten, er muss mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung im-
manenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein.507
Beinhaltet ein Verwaltungsakt, der nicht mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der
Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen vereinbar ist, einen Beitragserlass oder
-verzicht, so wäre er nach diesen Darstellungen zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig.
In Betracht käme dann lediglich eine Rücknahme durch die Gemeinde, wobei hier § 130
AO gilt. Insoweit auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, bleibt der Verzicht auf die
501 Siehe oben, 1.3.1.2.1. 502 § 54 GO Baden-Württemberg, Art. 38 Abs. 2 GO Bayern; § 31 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung. 503 OVG Münster, OVGE 31, S. 113. 504 BVerwG, DVBl. 1984, S. 192 ff. 505 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 10 Rn. 31. 506 GVO Bl. 1992, S. 243, 534. 507 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 10 Rn. 31.
99
Beitragserhebung beachtlich. D. h. er kann einem entsprechenden Beitragsbescheid entgegen-
gehalten werden.508
1.3.2. Vergleich
Daneben sind Vereinbarungen über die Erschließungskosten, außer den zuvor dargestellten
Möglichkeiten der Ablösung509, nur noch in Form von Vergleichsverträgen denkbar und zu-
lässig. Grundsätzlich gilt aber auch hier, wie bereits mehrfach ausgeführt wurde510, dass es
den Gemeinden generell untersagt ist, Vereinbarungen über die Höhe von Erschließungskos-
ten zu treffen. Daher wird man derartige Verträge auf atypische Fälle beschränken müssen.511
Voraussetzung ist, dass mit dem Vertrag das Ziel verfolgt wird, eine beiderseitige Würdigung
des Sachverhalts oder der Rechtslage vorzunehmen und bestehende Ungewissheiten durch
gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen.512 Im Normalfall ergibt sich eine derartige Unsicher-
heitssituation bei der Abwicklung von Erschließungsverträgen.513 Die Ungewissheit hinsich-
tlich gewisser Regelungstatbestände muss sich gerade auf die Erfüllung der gesetzlichen Vor-
aussetzungen der Vorschriften über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen und Kommu-
nalabgaben beziehen. Dabei sind Unsicherheiten des Sachverhalts und der Rechtslage aus der
Sicht eines unabhängigen objektiven Beobachters mit den Kenntnissen und dem Wissen der
Parteien zu prüfen. Nicht ausreichend ist es, wenn nur zwischen den Beteiligten rechtliche
Meinungsverschiedenen existieren.514 Erforderlich ist ferner, dass nicht nur ein Vertragspart-
ner wegen der Ungewissheit eines Sachverhaltes Zweifel hegt, vielmehr müssen solche Zwei-
fel beiden Seiten bewusst sein. Im Gegensatz zur Regelung des Vergleichs im Zivilrecht ge-
mäß § 779 BGB reichen also die Ungewissheit bei nur einem Vertragspartner (die dem ande-
ren bekannt sind)515, die bloße Unsicherheit der Rechtsverwirklichung oder die Äußerung
gegensätzlicher Standpunkte nicht aus.516 Auch die bloße Befürchtung, in einem möglichen
Rechtsstreit vielleicht zu unterliegen, betrifft nur ein Restrisiko, wie es in jedem Rechtsstreit
besteht, und führt nicht zur Zulässigkeit eines Vergleichsvertrages. Schließlich kann auch der
Umfang des Vergleichsvertrages zu dessen Unwirksamkeit führen. Erfasst die Unsicherheit
nur einen einzelnen Punkt, so besteht kein Anlass dafür, einen weitgehenden und vor allem in
die Zukunft reichenden Verzicht auf öffentliche Abgaben abzuschließen.517
508 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 10 Rn. 32. 509 Siehe Teil II 9.6. 510 Siehe oben, 1.2.3.1.2. 511 BVerwG, DÖV 1978, S. 611 ff. 512 OVG Münster, DÖV 1988, S. 103 (107). 513 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 348. 514 BayVGH, NVwZ 1989, S. 167 ff. 515 Palandt, Kommentar zum BGB, § 779, Rn. 4. 516 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 349. 517 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 349.
100
2. Grundstückskaufverträge zwischen Privatpersonen
Erwirbt eine Privatperson von einer anderen durch Kauf ein Grundstück, so beinhaltet die
vereinbarte Kaufpreishöhe in der Regel sowohl den vom Verkäufer aufgewendeten Kostenan-
teil für die Erschließung als auch die Begleichung des Wertes des Grund und Bodens. In die-
sem Zusammenhang ist das Interesse des Käufers bei Kaufpreiszahlung die Vermeidung einer
Doppelbelastung, d. h. es muss sichergestellt sein, dass mit der Kaufpreiszahlung die aufge-
wendeten Erschließungskosten abgegolten sind und sie nicht noch einmal vom Käufer gefor-
dert werden. Dabei sind unterschiedliche Fallkonstellationen zu unterscheiden. So kann die
Erschließungsleistung durch den Verkäufer dadurch erbracht worden sein, dass dieser einen
Erschließungsvertrag mit der Gemeinde geschlossen hat, und im Rahmen dieses Vertrages
selbst die Erschließungsleistung ausführt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Verkäufer
vor Verkauf einen Ablösungsvertrag zur Ablösung der sich ergebenden Erschließungsbeiträge
mit der Gemeinde geschlossen hat oder dass die Erschließung im Rahmen einer Vorausleis-
tung durch den Verkäufer vor Vertragsabschluss bezahlt wurde und dann das Grundstück ver-
kauft wird.
2.1. Verkauf eines Grundstückes, das der Verkäufer als Erschließungsunternehmer ge-
mäß Erschließungsvertrag mit der Gemeinde selbst erschließt
Diese Vertragskonstellation tritt überwiegend im Rahmen des sogenannten „Bauträgervertra-
ges“ auf, wenn dort durch den Verkäufer des Grundstückes einmal der Grund und Boden ver-
äußert wird, zum anderen das noch zu errichtende oder bereits errichtete
Bauwerk.518 In diesem Fall wird die Erschließung im Rahmen eines Erschließungsvertrages
zwischen dem Verkäufer und der Gemeinde häufig durch diesen im Vorfeld oder zwischen
Veräußerung und Gebäudeerrichtung ausgeführt. Der Käufer geht bei Zahlung des Kaufprei-
ses davon aus, dass mit dem Kaufpreis auch die Erschließungskosten bezahlt sind. Sind diese
Erschließungsarbeiten in der Vergangenheit durchgeführt worden und bereits endgültig abge-
rechnet, ergeben sich keine Probleme.519 In den meisten Fällen verhält es sich jedoch so, dass
der Bauträger nicht nur das Gebäude errichtet, sondern auch die Erschließungsanlagen im
Rahmen eines mit der Gemeinde zuvor abgeschlossenen Erschließungsvertrages selbständig
herstellt. Aus diesem Grunde muss es das Interesse des Käufers sein, dass der Vertrag so ge-
staltet ist, dass mit der Kaufpreiszahlung die anfallenden Erschließungskosten endgültig ab-
gegolten sind. Eine hier häufig anzutreffende Formulierung ist, dass im Kaufpreis sämtliche
Erschließungsbeiträge enthalten sind. Da der Begriff des Erschließungsbeitrages, wie in den
vorangegangenen Ausführungen dargestellt wurde520, von Beiträgen nach dem Kommunalab-
gabengesetz zu unterscheiden ist, sollte hier formuliert werden:
518 Palandt, Kommentar zum BGB, § 675 Rn. 14. 519 Wolfsteiner, MittBayNot 1981, S. 1 (6). 520 Siehe oben, Teil B II 5.1.1.
101
„Im Kaufpreis sind sämtliche Erschließungsbeiträge nach BauGB und Beiträge nach dem
Kommunalabgabengesetz enthalten.“521
Für eine derartige Vertragsabrede ergibt sich, dass die vom Erschließungsunternehmer und
Verkäufer gemäß Erschließungsvertrag durchzuführenden Maßnahmen abgegolten sind und
von diesem nicht noch einmal berechnet werden können. Dies folgt aus der Überlegung, dass
der Bauträger einen schlüsselfertigen Bau verkauft und sich damit verpflichtet, dass Grund-
stück bis zu dem angegebenen Bezugsfertigkeits- bzw. Fertigstellungstermin nutzbar und voll
erschlossen zu übergeben.522 Der Begriff des Bauträgervertrages beinhaltet zwar noch keine
Beschreibung der Leistungspflichten des Bauträgers, gleichwohl hat sich aus der Verkehrssit-
te ein Mindestinhalt523 der durch ihn zu erbringenden Leistungen ergeben. Zu diesem Min-
destinhalt zählt, falls nicht Abweichendes idividuell geregelt ist, die Errichtung (oder Sanie-
rung) eines Gebäudes in eigenem Namen524, auf eigenem oder durch den Bauträger zu be-
schaffendem Grundstück und Übertragung des Eigentums an diesem Grundstück auf den Er-
werber525. Da der Bauträger nach dieser Terminologie526 ein schlüsselfertiges Bauwerk schul-
det, beinhaltet dies auch die Verpflichtung zur Sicherstellung der Erschließung des Bau-
werks527. Eine andere Regelung wäre für den Erwerber überraschend und würde insofern ge-
gen das Gesetz verstoßen.528 Da auch für notarielle Kaufverträge das AGB-Recht anzuwenden
ist, wenn es sich um vorformulierte Verträge handelt, die in einer Vielzahl von Rechtsge-
schäften angewendet werden,529 ist § 305 Abs. 2 BGB mit der Rechtsfolge des § 306 BGB
hierauf anzuwenden.
Das Hauptproblem bei dieser ersten Konstellation tritt dann auf, wenn der Erschlie-
ßungsunternehmer infolge Insolvenz oder aus anderen Gründen die vollständige Erschlie-
ßungsleistung nicht erbringt. In diesem Falle ist die Gemeinde verpflichtet, wie zuvor darges-
tellt530, die Erschließung weiterzuführen. Die ihr dadurch entstehenden Aufwendungen muss
sie zunächst gegenüber dem Erschließungsunternehmer geltend machen.531 Hat dies z. B. we-
gen dessen Zahlungsunfähigkeit keinen Erfolg, muss sie von den Grundstückseigentümern
Beiträge erheben. Die Konsequenz der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Erschlie-
521 Hertel, in: Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, Teil 2, Rn. 1263. 522 Hertel, in: Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, Teil 2, Rn. 1309 sowie Hertel, in: Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, S. 263. 523 Hertel, in: Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, Teil 2, Rn. 1309 sowie Hertel, in: Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, S. 263. 524 BGH, NJW 1981, S. 757 ff. 525 Palandt, Kommentar zum BGB, § 675 Rn. 14. 526 BGH, NJW 1981, S. 757 ff. 527 Hertel, in: Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, Teil 2, Rn. 1309 sowie Hertel, in: Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, S. 263. 528 BGH, NJW 1984, S. 171 (172), noch bezogen auf § 3, 9 AGBG in der Fassung vom 01.04.1977, BGBl. 1976 I, S. 3317 ff. 529 BGH, NJW 1984, S. 171 (172). 530 Siehe Teil B II 4.2 531 BVerwG, DVBl. 1972, S. 79 ff.
102
ßungsvertrages und der Übernahme der Erschließung durch die Gemeinde ist somit eine Dop-
pelbelastung der Grundstückseigentümer.532 Dies ist nach der Rechtsprechung Konsequenz
einer im Risikobereich des Grundstückserwerbers liegenden Entscheidung. In Betracht käme
lediglich ein Erlass durch die Gemeinde, wenn die Voraussetzungen des § 135 Abs. 5 BauGB
vorliegen würden.533 Eine Maßnahme zum Schutz gegen ein derartiges Risiko ist eine vertrag-
liche Gestaltung, die regelt, dass Zahlungen nur entsprechend dem jeweiligen Stand der Er-
schließungsmaßnahmen an den Verkäufer geleistet werden.534
Die Vertragsgestaltung sollte hier dann so aussehen, dass der auf die Erschließungsleis-
tungen entfallende Kaufpreisteil erst dann zu zahlen ist, wenn die Gemeinde bescheinigt hat,
dass die im Erschließungsvertrag vom Verkäufer und der Gemeinde vereinbarten Erschlie-
ßungsmaßnahmen vollständig durchgeführt wurden und diese mangelfrei abgenommen wor-
den sind.535 Aber auch damit ist der Käufer noch nicht endgültig abgesichert.
Ein weiteres Risiko ist nämlich, dass der Erschließungsvertrag aufgrund Nichterfüllung
der von § 311 b BGB geforderten gesetzlichen Form nichtig ist. Infolge Nichtigkeit des Er-
schließungsvertrages kann dem Erschließungsunternehmer, der bereits Bauleistungen erbracht
hat, ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Gemeinde zustehen.536 Für die
dem Erschließungsunternehmer erstatteten Aufwendungen ergibt sich insofern wiederum die
Verpflichtung der Gemeinde gegenüber dem Grundstückseigentümer537 zur Heranziehung
zum Beitrag und insofern eine Belastung des Grundstückseigentümers. § 311 b BGB regelt,
dass jeder Vertrag, der die Verpflichtung zur Übertragung von Grundbesitz beinhaltet, der
notariellen Form bedarf. Beim Erschließungsvertrag ist diese Voraussetzung dann gegeben,
wenn aufgrund des Vertragsinhaltes der Erschließungsunternehmer verpflichtet ist, Grundstü-
cke, die nach Abschluss der Erschließungsleistung in der gemeindlichen Nutzung verbleiben,
wie z. B. Spielplätze, öffentliche Grünflächen etc., auf die Gemeinde zu übertragen. In diesem
Fall ergibt sich die Verpflichtung der notariellen Beurkundung des gesamten Vertrages.538 Ist
diese Form nicht eingehalten, so ist der Vertrag daher mangels Einhaltung der gesetzlichen
Formerfordernisse nichtig. Hat die Gemeinde dem Käufer jedoch zuvor bestätigt, dass der
Vertrag zwischen ihr und dem Erschließungsunternehmer rechtswirksam ist, liegt nicht nur
eine unverbindliche Erklärung zur Rechtslage, sondern ein Vertrauenstatbestand, folgend aus
dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, vor, der einer späteren Beitragserhebung durch die
Gemeinde entgegensteht.539 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nach der Definition des
532 BVerwG, DVBl. 1973, S. 499 ff. 533 BVerwGE 70, S. 247 ff., NVwZ 1985, S. 346 ff. 534 BGH, NJW RR 1987, S. 458 und Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 28. 535 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 129. 536 Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 26. 537 Siehe oben, Teil B II 4.1.11. 538 BGH, NJW 1972, S. 1364 (1365) und Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr BauGB, § 124 Rn. 15. 539 BVerwGE 48, S. 247 ff.
103
BVerwG dann gegeben, wenn infolge eines Verwaltungshandelns eine schutzwürdige Ver-
trauensbetätigung erfolgt und eine Abwägung der Interessen der Allgemeinheit mit denen des
Betroffenen dazu führt, dass die Interessen des Betroffenen überwiegen.540 Daher sollte eine
derartige Erklärung durch den Käufer vor Vertragsabschluß eingeholt werden.
Ähnlich verhält es sich, wenn die Gemeinde den Erschließungsunternehmer ohne aus-
reichenden Grund aus seinen vertraglichen Pflichten entlässt und deshalb selbst erschließt
oder wenn sie vor Abschluss des Erschließungsvertrages eine Prüfung der Leistungsfähigkeit
des Erschließungsunternehmers nicht vorgenommen oder von der Forderung ausreichender
Sicherheiten abgesehen hat (Stellung einer Bürgschaft für den Fall der Nichterfüllung der
Erschließungsleistung, Hinterlegung des für die Erschließung aufzubringenden Betrages auf
einem Treuhandkonto etc.).541 Gleiches gilt, wenn die Gemeinde in Kenntnis der schlechten
finanziellen Situation des Erschließungsunternehmers von Sicherheiten, die dieser nicht zu
stellen vermag, absieht. Hier verhält es sich genau so, wie wenn die Gemeinde später den Er-
schließungsunternehmer aus seinen Verpflichtungen entlässt. Ein diesbezüglicher Erschlie-
ßungsvertrag wahrt nicht die Interessen der betroffenen Dritten, sondern ist im Verhältnis zu
diesen unangemessen.542 Die Dritten blieben rechtlos, wenn für sie nicht die Möglichkeit ge-
richtlicher Hilfe gegeben wäre. Aus diesem Grunde besteht für Eigentümer und Grundstücks-
erwerber die Möglichkeit einer Feststellungsklage, damit sie die Nichtigkeit des Erschlie-
ßungsvertrages insgesamt oder einzelner Vertragsklauseln geltend machen können.543 Darüber
hinaus bestehen Schadensersatzansprüche des betroffenen Käufers gegenüber der Gemeinde,
wenn diese von Sicherheiten absieht und somit die Schädigung der Dritten gleichsam sehen-
den Auges in Kauf nimmt.544 Der jeweilige Schadensersatzanspruch kann der Beitragsforde-
rung entgegengehalten werden.545
2.2. Verkauf eines Grundstücks, bezüglich dessen der Verkäufer die Erschließungskos-
ten vor Abschluss des Kaufvertrages durch Vereinbarung mit der Gemeinde abgelöst
hat
Möglich ist auch, dass eine Privatperson ein Grundstück verkauft, hinsichtlich dessen sie au-
ßerhalb des Grundstückskaufvertrages oder in diesem Grundstückskaufvertrag erklärt, dass
die Erschließungskosten durch eine zuvor von dem Verkäufer mit der Gemeinde getroffene
Ablösungsvereinbarung bereits abgegolten sind. In diesem Fall wird der Kaufpreis sich aus
den Erschließungskosten, dem Grundstückwert und dem Gebäudewert zusammensetzen. Das
Interesse des Käufers ist es selbstverständlich auch insofern, dass er hinsichtlich der Erschlie-
ßungskosten nicht noch einmal herangezogen wird. 540 BVerwGE 30, S. 132 (133 ff.) 541 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 124. 542 Grziwotz, NJW 1995, S. 1927 (1931). 543 BVerwG, NJW 1991, S. 3257 ff. 544 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 124 Rn. 125. 545 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 124 Rn. 125.
104
Wie oben546 ausgeführt, handelt es sich bei der Ablösung um eine vorweggenommene
Tilgung der künftigen gemeindlichen Beitragsforderung. Diese ist nach dem Gesetz zulässig,
auch dann, wenn das Eigentum nach Abschluss des Ablösungsvertrages wechselt.
Wie ausgeführt547, ist ein Ablösungsvertrag dann nichtig, wenn er nicht auf Basis einer
zuvor veröffentlichten rechtswirksamen gemeindlichen Satzung abgeschlossen wird, in der
die Ablösungsbestimmungen entsprechend § 133 Abs. 3 Satz 5 veröffentlicht sind.548 Aber
auch ein Ablösungsvertrag, der bei Vorliegen rechtswirksamer Ablösungsbestimmungen549
geschlossen wird, gegen diese aber verstößt, ist nichtig.550 Ein Beispiel für eine solche Ab-
weichung ist es, wenn der Ablösebetrag auf der Grundlage des mutmaßlichen beitragsfähigen
Erschließungsaufwandes in der für die Beitragserhebung vorgesehenen Art zu berechnen ist,
tatsächlich aber der Aufwand für mehrere eine Erschließungseinheit bildende selbständige
Erschließungsanlagen gemeinsam ermittelt wird, ohne dass der für eine Zusammenfassungs-
entscheidung nach dem einschlägigen Landesrecht erforderliche Ratsbeschluss vorliegt.551 In
Betracht kommt auch, dass der Ablösevertrag, den der Verkäufer eines Grundstücks zuvor mit
der Gemeinde getroffen hat, zwar nicht nichtig, dessen Geschäftsgrundlage später jedoch
weggefallen ist.552 Dies ist z. B. dann der Fall, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass für
das Grundstück, auf das sich die Ablösevereinbarung bezieht, eine Erschließungsbeitrags-
pflicht nicht entstehen konnte, z. B. weil die Straße in ein förmliches Sanierungsgebiet einbe-
zogen wird oder das Grundstück seine Bebaubarkeit vor der Herstellung der Erschließungsan-
lage eingebüßt hat.553
Insofern kann trotz bereits mit dem Kaufpreis beglichener Erschließungskosten der Er-
schließungsbeitragsanspruch der Gemeinde von dieser erneut geltend gemacht werden. Zwi-
schen den Beteiligten des privaten Kaufvertrages entstehen zwar möglicherweise Schadenser-
satzansprüche gemäß §§ 280 I, 433, 435 BGB554 seitens des Käufers gegenüber dem Verkäu-
fer. Sollte der Verkäufer zur Erfüllung jedoch nicht in der Lage sein, z. B. infolge Illiquidität,
muss der Käufer befürchten, hier erneut leisten zu müssen. Insofern muss der Käufer, wenn er
sich gegen dieses Risiko schützen will, prüfen, auf welcher Basis die Ablösung erfolgt ist,
gegebenenfalls den Inhalt der Ablösungsvereinbarung in seinen Grundstückserwerbsvertrag
einbeziehen und sich die entsprechenden Ansprüche bei Rückabwicklung infolge unwirksa-
mer Ablösungsvereinbarung vom Verkäufer abtreten lassen. Denn zwischen Verkäufer und
546 Siehe Teil B II 9.6. 547 Siehe Teil B II 9.6. 548 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 2004, § 22 Rn. 11. 549 Zu den Voraussetzungen rechtswirksamer Ablösungsbestimmungen siehe ebenfalls oben, Teil B II 9.6. 550 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 22 Rn. 13. 551 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 22 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen; OVG Saarlouis, KStZ 1998, S. 138 ff. 552 OVG Münster, NVwZ 1991, S. 1106 ff. 553 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 22 Rn. 18. 554 BGH, NJW 1983, S. 275 ff.
105
Gemeinde bestehen, wenn der Verkäufer die Ablösung durchgeführt hat, Rückerstattungsans-
prüche infolge Nichtigkeit der Ablösungsvereinbarung.555
2.3. Verkauf eines Grundstückes, dessen Erschließungskosten durch Vorausleistung
beglichen wurden
2.3.1. Verkauf eines Grundstückes, über dessen Erschließungskosten eine Vorausleis-
tung insgesamt oder zum Teil aufgrund eines Vorausleistungsbescheides erbracht wurde
Weitere denkbare Situationen, die sich beim Abschluss eines Kaufvertrages ergeben können,
sind die, dass der Verkäufer eines Grundstückes hinsichtlich der Erschließungskosten Voraus-
leistungen aufgrund eines Vorausleistungsbescheides erbracht hat bzw. eine vertragliche Vor-
ausleistungsvereinbarung über den Erschließungsbeitrag mit der Gemeinde getroffen hat556.
Die Vorausleistung ist, wie sich aus § 133 Abs. 2 BauGB ergibt, eine als Vorschuss auf
die endgültige Beitragsschuld zu erbringende und mit dieser zu verrechnende finanzielle Leis-
tung.557 Deshalb ist die Vorausleistung von demjenigen zu erbringen, der im Zeitpunkt der
Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides Beitragspflichtiger i. S. d. § 134 Abs. 1 BauGB
ist.558 Beitragspflichtig ist grundsätzlich der Grundstückseigentümer, im Falle der Bestellung
eines Erbbaurechtes der Erbbauberechtigte. Abzustellen ist auf den Eigentümer bzw. Erbbau-
berechtigten im bürgerlich-rechtlichen Sinne, sodass die Eintragung im Grundbuch maßgeb-
lich ist.559 In den Fällen des §§ 287 bis 294 des Zivilgesetzbuches der ehemaligen DDR
(selbständiges Gebäudeeigentum)151 ist gemäß § 134 Abs. 1 Satz 3 BauGB der Inhaber eines
dinglichen Rechtes anstelle des Eigentümers beitragspflichtig. Beitragspflichtig ist nicht der-
jenige, der die in § 134 Abs. 1 BauGB genannten Eigenschaften zum Zeitpunkt des Entste-
hens der sachlichen Beitragspflicht, sondern nur, wer diese im Zeitpunkt der Bekanntgabe des
Beitragsbescheides aufweist. Somit kommt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides im Er-
schließungsbeitragsrecht besondere Bedeutung zu.560 Deshalb lässt auch ein Wechsel im Ei-
gentum bzw. Erbbaurecht die durch die Bekanntgabe des Bescheides begründete persönliche
Beitragspflicht unberührt. Der Vorausleistungsbescheid unterliegt in formeller Hinsicht den-
selben Erfordernissen wie ein sonstiger Bescheid.561 Unmittelbar mit ihrem Entstehen wird
die sachliche Beitragspflicht in Höhe der gezahlten Vorausleistung von selbst, also ohne Er-
gehen eines entsprechenden endgültigen Beitragsbescheides getilgt.562 Dies ergibt sich aus §
133 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wonach die Vorauszahlung auf die später entstehende Beitrags-
schuld zu verrechnen ist.
555 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 378. 556 Siehe hierzu oben, Teil B II, 9.7 und 9.8. 557 Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr BauGB, § 133 Rn. 27. 558 BVerwG, NVwZ 1999, S. 543 ff. 559 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 425. 560 BVerwGE 114, S. 1 ff. (= NVwZ 2001, S. 1417ff.). 561 Fischer, in Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 229. 562 BVerwG, NJW 1976, S. 818 ff.
106
Diese Verrechnung findet auch dann statt, wenn vor Entstehen der endgültigen Bei-
tragspflicht bzw. der Bekanntgabe des Erschließungsbeitragsbescheides das Eigentum ge-
wechselt hat und deshalb derjenige, der die Vorausleistung erbracht hat, nicht beitragspflich-
tig ist.563 Eine überzahlte, d. h. eine die sachliche und endgültige Erschließungsbeitragsschuld
übersteigende Vorausleistung ist daher nicht dem neuen Eigentümer, sondern dem Vorausleis-
tenden zu erstatten.564 Somit ergibt sich, dass im Falle einer Überzahlung der Erschließungs-
kosten durch die Vorauszahlung der Rückforderungsanspruch auch bei Eigentumswechsel
dem Verkäufer zusteht, im Falle einer Unterdeckung die Nachforderung aber durch den Käu-
fer zu erfüllen ist (§ 134 Abs. 1 BauGB), wenn dieser bereits Grundstückseigentümer gewor-
den ist.
Deshalb ist darauf zu achten, wie bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages die Er-
schließungskosten beglichen wurden, und zu berücksichtigen, dass auch bei Bestehen eines
Vorausleistungsbescheides durchaus eine Nachzahlung durch den Käufer in Betracht kommt.
Weiter zu beachten in diesem Zusammenhang ist, dass gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3
BauGB die Gemeinde zur Rückzahlung der Vorausleistung verpflichtet ist, wenn sechs Jahre
nach Erlass, d. h. nach Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides i. S. d. §§ 134 Abs. 1 und
135 Abs. 1 BauGB, die Erschließungsanlage noch nicht benutzbar und - was dann ohnehin
der Fall ist - die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist.565 Die Bekanntgabe ist in § 122
i. V. m. § 157 AO geregelt.566 Nach § 122 Abs. 2 Satz 1 und 2 i. V. m. § 157 AO stellt Be-
kanntgabe auf die Aufgabe des schriftlichen Verwaltungsaktes (Beitragsbescheides) zur Post
ab. Danach ist die Bekanntgabe erfolgt am dritten Tage nach Aufgabe zur Post, außer wenn er
nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Die Beweislast für den Zugang trägt
die Behörde.567 Im Ergebnis ist der Bescheid somit mit Zugang bekannt gemacht.568
Somit kann sich ergeben, dass infolge des Eintritts des Rückforderungsanspruches die
bereits entrichtete Vorausleistung an den Verkäufer zurückerstattet wird, die Erschließung im
Anschluss daran durchgeführt wird und deren Kosten vom Käufer erneut vollständig zu be-
gleichen sind.
563 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 243. 564 BVerwG, NVwZ 1998, S. 294 ff. 565 BVerwGE 64, S. 186 (193 ff.), hier auch zu den Anforderungen an die Nichtbenutzbarkeit. 566 Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. F 434. 567 § 122 Abs. 2 AO. 568 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 24 Rn. 32.
107
2.3.2. Verkauf eines Grundstückes, über dessen Erschließungskosten eine Vorausleis-
tungsvereinbarung getroffen wurde
Denkbar ist auch, dass der Grundstücksverkäufer vor Abschluss des Grundstückskaufvertra-
ges eine Vorausleistungsvereinbarung mit der Gemeinde getroffen hat. Die Möglichkeit der
Vereinbarung freiwilliger Vorausleistungsabreden wurde bereits oben569 erläutert. Wie dort
dargestellt, sind Vorausleistungsvereinbarungen Verträge, durch die sich ein Grundstücksei-
gentümer der Gemeinde gegenüber zur Entrichtung einer Vorauszahlung auf den künftigen
Erschließungsbeitrag verpflichtet. Die Gegenleistung der Gemeinde bei einer derartigen Ver-
einbarung ist die Durchführung der Erschließung in angemessener Zeit. 570 Die Verträge müs-
sen die ausdrückliche Abrede enthalten, dass die endgültige Abrechnung auf der Grundlage
des BauGB und der dann geltenden Satzung durch Erlass eines Beitragsbescheides erfolgen
soll. Die sich aus dem Vertrag ergebende Vorauszahlungsforderung ruht nicht als öffentliche
Last auf dem Grundstück.571 Wie oben dargestellt572, ist der Anlass für den Abschluss eines
derartigen Vertrages häufig das Ansinnen des Grundstückseigentümers, die Gemeinde dazu
zu veranlassen, alsbald die Erschließung i. S. d. BauGB zu sichern und dadurch ein geplantes
Bauvorhaben auf dem Grundstück zu ermöglichen.573 Falls die aufgrund der Vorauszahlungs-
vereinbarung geleisteten Zahlungen zurück zu erstatten sind, so steht der Rückerstattungsans-
pruch grundsätzlich dem Veräußerer, d. h. dem Vertragspartner der Vorauszahlungsvereinba-
rung zu.574
Ein Rückerstattungsanspruch kann sich dann ergeben, wenn die Geschäftsgrundlage für
die entsprechende Vorauszahlungsvereinbarung entfallen ist.575 Ein Wegfall der Geschäfts-
grundlage liegt dann vor, wenn sich die ordnungsgemäße Erschließung des in Rede stehenden
Grundstückes übermäßig verzögert.576
Insofern ergibt sich für den Käufer eines Grundstückes, der bei Abschluss des Kaufver-
trages davon ausgeht, dass er mit dem Kaufpreis auch die Erschließungsleistung bezahlt hat,
hier das Risiko, dass, falls der Veräußerer später die Vorauszahlung zurückfordert – wegen
nicht rechtzeitig erbrachter Erschließungsleistung durch die Gemeinde –, der Käufer die Er-
schließungskosten in voller Höhe noch einmal zu leisten hat.
569 Siehe Teil B II 9.8 570 BVerwG, NJW 1976, S. 341 ff. 571 BVerwG, NVwZ 1982, S. 377 ff. 572 Siehe Teil B II 9.8. 573 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 21 Rn. 53. 574 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 379. 575 BVerwG, DÖV 1968, S. 145 ff. 576 BVerwG, DÖV 1968, S. 145 ff.
108
2.4. Verkauf eines Grundstücks, das von einem fremden Privatunternehmer aufgrund
eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde erschlossen wurde
Die Problematik bei dieser Fallgestaltung folgt daraus, dass der Verkäufer bei dem Kaufver-
trag darauf bedacht sein wird, auch den Erschließungskostenanteil bereits vom Käufer zu er-
halten, obwohl die Erschließungskosten noch gar nicht entstanden sind, sondern erst durch die
Erschließung des fremden Privatunternehmers entstehen werden. Insofern besteht zunächst
das Risiko, dass die kalkulierten Erschließungskosten sich in der Höhe verändern und inso-
fern der vom Käufer dafür verlangte Kaufpreisanteil nicht ausreichend ist. Auf die Problema-
tik, dass der Erwerber bei nochmaliger Geltendmachung der Erschließungskosten durch die
Gemeinde, falls die Erschließung durch diese durchgeführt wird, haftet, wurde bereits hinge-
wiesen.577 Da Voraussetzung der privaten Erschließung jedoch ein Erschließungsvertrag578 ist,
sollte der Käufer in diesem Fall zu seiner Absicherung darauf bedacht sein, Einsicht in den
Erschließungsvertrag zu nehmen, was unproblematisch ist, wenn der Erschließungsvertrag
zwischen dem Verkäufer und der Gemeinde geschlossen wurde. Denn Der Verkäufer ist auf-
grund der sich aus § 433 BGB ergebenden Nebenpflicht zur Auskunft über sämtliche rechtli-
chen Verhältnisse der gekauften Sache verpflichtet.579 In der Praxis wird daher der Erschlie-
ßungsvertrag beim Verkauf eines Grundstückes durch den Erschließungsunternehmer als Ver-
tragsanlage zum Grundstückskaufvertrag mitbeurkundet.580
Eine andere Problemkonstellation ist jedoch dann gegeben, wenn zwischen (meist) ei-
nem Bauträger und einer Privatperson ein Kaufvertrag über den Erwerb von Grundbesitz ab-
geschlossen wird, die Erschließung noch durchzuführen ist und diese nicht vom Bauträger
selbst, sondern wiederum von einem Drittunternehmer durchgeführt wird, der einen Erschlie-
ßungsvertrag mit der Gemeinde hat. Hier hat der Käufer keinen Anspruch auf Kenntnisnahme
vom Inhalt des Erschließungsvertrages. Das Interesse des Käufers wird auch hier dahin gehen,
den Erschließungskostenanteil in den fest vereinbarten Kaufpreis mit einzupreisen, um somit
einen überschaubaren Gesamtbetrag für den Erwerb des Grund und Bodens zu haben. Wenn
der Vertrag dann noch mit der Bauerrichtung durch den Verkäufer (Bauträger) verbunden ist,
so wird das Augenmerk des Käufers auf die Regelung zu den Erschließungskosten nur gering
ausfallen. Insofern erhöht sich das Risiko der nochmaligen Überbürdung der Kosten, falls die
Erschließung durch die Gemeinde durchzuführen ist. Dennoch bestehen auch Rechtsbezie-
hungen zwischen der Gemeinde und dem durch den Kaufvertrag von der Erschließung betrof-
fenen Personenkreis.581 Und diese entstehen nicht etwa erst, wenn der Erschließungsvertrag
scheitert, sondern bereits mit Abschluss des Vertrages im Hinblick auf das Erfordernis der
577 Vgl. Messer, NJW 1978, S. 1406 (1408 ff.), siehe oben, 2.1. und 2.2. 578 Siehe dazu Teil B II 9.3. 579 Palandt, Kommentar zum BGB, § 433 Rn. 25. 580 Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, Teil 6, Rn. 160. 581 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 122.
109
Angemessenheit582. Insofern ergibt sich das Ergebnis, dass auch der wirtschaftlich belastende
Vertrag zu Lasten eines Dritten über die bloße Rechtsbeeinträchtigung hinaus die Auswirkun-
gen wirtschaftlicher Dispositionen auf Dritte einbezieht.583 Der wirtschaftlich belastende Ver-
trag zu Lasten Dritter ist somit die Konsequenz der Geltung des gesetzlichen Angemessen-
heitserfordernisses bei öffentlich-rechtlichen Verträgen.584 Soweit von einem wirtschaftlich
belastenden Vertrag zu Lasten Dritter die Rede ist, ist dieser abzugrenzen von dem privatrech-
tlichen Begriff des Vertrages zu Lasten Dritter, der grundsätzlich zur Nichtigkeit des Vertra-
ges führt.585 Der Begriff wirtschaftlich belastender Vertrag zu Lasten eines Dritten beschreibt
eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem privaten Unternehmer und der Gemeinde, der
aufgrund der Erschließungspflicht der Gemeinde586 den nicht beteiligten Dritten (Grund-
stückseigentümer) verpflichtet, Beiträge zu entrichten, d. h. wirtschaftliche Leistungen zu
erbringen, falls der Erschließungsunternehmer nicht leistet, obwohl er am eigentlichen Ver-
tragsschluss (Erschließungsvertrag) nicht beteiligt ist.587 Nach der Rechtsprechung des
BVerwG588 sind derartige Verträge zulässig, da die „für Dritte belastende Wirkung mehr ver-
deckt und mittelbar, dennoch aber in kennzeichnender Weise greifbar eintreten“. Es wurde
bereits mehrfach ausgeführt589, dass die Gemeinde für Erschließungsmaßnahmen, die der Er-
schließungsunternehmer im Erschließungsvertrag der Gemeinde zugesagt hat, aber nicht er-
bringt, selbst Erschließungsbeiträge erheben kann, wenn sie diese Maßnahmen anstelle des
Erschließungsunternehmers zu Ende führt. Wie bereits ausgeführt590, ist es dabei nach der
Rechtsprechung unerheblich, ob die Erwerber bereits Zahlungen an den Erschließungsunter-
nehmer im Rahmen eines Bauträgervertrages oder aufgrund von Kostenerstattungsvereinba-
rungen geleistet haben. Gleichermaßen verhält es sich auch in der hier angesprochenen Kons-
tellation, wenn die Leistungen an einen Dritten geflossen sind. Selbstverständlich hat der Ver-
tragspartner, der Käufer, einen zivilrechtlichen Rückforderungsanspruch gemäß §§ 433, 435,
280 BGB, ist der Verkäufer jedoch zahlungsunfähig, geht dieser ins Leere und es ergibt sich
das Problem der schon dargestellten Doppelbelastung des Grundstückseigentümers.591 Dies ist
aber, wie dargestellt592, nach der Rechtsprechung Ausfluss der im Risikobereich des Grund-
stückseigentümers liegenden Entscheidung.
582 Siehe oben, Teil B II 9.3.5. 583 BVerwG, NJW 1992, S. 1642 ff. 584 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum Baugesetzbuch, § 124 Rn. 122. 585 Palandt, Kommentar zum BGB, vor § 328 Rn. 10; statt Vieler BGHZ 78, 369 (374). 586 Siehe Teil B II 4.2. 587 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 122; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, § 6 Rn. 62 und Fischer, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Rn. 52; Grziwotz, NJW 1995, S. 1928 ff. 588 BVerwG, DVBl. 1992, 373 ff. 589 Siehe oben, 2.1. 590 Siehe oben, 2.1. 591 BVerwG, DÖV 1972, S. 867 ff. 592 Siehe oben, 2.1.
110
Insofern ergibt sich also bei der vorliegenden Konstellation die gleiche Rechtsfolge, wie
wenn der Erschließungsunternehmer das Bauland selbst erschließt und verkauft und die Ge-
meinde die Erschließung zu Ende führt, da auch hier der Grundstückserwerber ein Dritter ist,
der von den vertraglichen Beziehungen zwischen Gemeinde und Erschließungsunternehmer
als Grundstückserwerber betroffen wird. Daher kann er aus dem Vertrag zwischen Gemeinde
und Erschließungsträger Ansprüche herleiten, da anderenfalls der betroffene Dritte rechtlos
wäre. Der betroffene Dritte hat daher die Möglichkeit, durch eine Feststellungsklage nach
§ 43 Abs. 1 VwGO durch das Verwaltungsgericht insofern die Nichtigkeit des Erschließungs-
vertrages feststellen zu lassen, wenn die Gemeinde darauf verzichtet, die notwendigen Siche-
rungsmaßnahmen hinsichtlich der Sicherung der Erschließung durch Stellung von Bankbürg-
schaften, Hinterlegungszahlungen o. ä. für den Fall der nicht vorliegenden Leistungsfähigkeit
des Unternehmers zu verlangen.593
Zusätzlich bestehen Schadenersatzansprüche der betroffenen Dritten gegenüber der
Gemeinde aufgrund Verletzung vertraglicher Schutzpflichten bei Abschluss des Erschlie-
ßungsvertrages594, wenn diese von Sicherheiten absieht und somit die Schädigung der Dritten
in Kauf nimmt.595 Der jeweilige Schadensersatzanspruch kann einer späteren Beitragserhe-
bung durch die Gemeinde entgegengehalten werden.596 Der Vertrag mit Schutzwirkung zu-
gunsten Dritter hat sich als eigenständige Anspruchsgrundlage neben dem eigentlichen Ver-
trag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB herausgebildet.597 Diese von der Rechtsprechung
entwickelten Anspruchsgrundlage gewährt einem am Vertragsabschluss nicht beteiligten Drit-
ten dann Schadensersatzansprüche, wenn sich zu seinen Gunsten aus dem Vertragsinhalt zu
beachtende Sorgfalts- und Obhutspflichten ergeben und diese verletzt werden.598 Aus dem
Vertragsinhalt ergeben sich zu beachtende Sorgfaltspflichten gegenüber einem Dritten dann,
wenn er mit den Hauptleistungspflichten bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll und
daher den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ausgesetzt ist.599
593 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 124 594 BGH, NJW 1978, S. 1802 ff. 595 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 125. 596 Grizwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 124 Rn. 125. 597 Palandt, Kommentar zum BGB, § 328 Rn. 13. 598 BGH, NJW 2006, S. 835 ff. 599 BGH, NJW 2006, S. 835 ff.
111
2.5. Verkauf eines Grundstücks, bei dem die Erschließungskosten trotz Zusage des
Verkäufers nicht bezahlt sind
Die Problematik ergibt sich dann, wenn ein Grundstück verkauft wird, hinsichtlich dessen ein
Erschließungskostenbescheid bereits vorliegt und der Verkäufer erklärt, die Erschließungs-
kosten beglichen zu haben. In diesem Fall wird eine entsprechende Abrede im Vertrag enthal-
ten sein, mit der diesem Umstand Rechnung getragen wird, und der Käufer wird bei seiner
Preisgestaltung davon ausgehen, für diese Erschließungskosten nicht mehr herangezogen
werden zu können. Dies deshalb, weil, wie zuvor dargestellt600, der Käufer davon ausgehen
wird, dass als Beitragsschuldner lediglich der Verkäufer in Frage kommt, da dieser im Zeit-
punkt der Zustellung des Beitragsbescheides als Grundstückseigentümer im Grundbuch ein-
getragen war und insofern nach § 134 Abs. 1 BauGB als persönlicher Beitragsschuldner he-
ranzuziehen ist.
Dies ist auch von der Rechtsprechung bestätigt worden. Gemäß einer Entscheidung des
BVerwG vom 20.09.1974 zum damaligen § 134 Abs. 1 BBauG ist bei einem Wechsel des
Eigentums und bei Vorliegen eines bestandskräftigen Beitragsbescheides die persönliche He-
ranziehung des neuen Eigentümers infolge Eigentumswechsels nach Bekanntgabe des Bei-
tragsbescheides unzulässig.601
Gemäß dieser richtungsweisenden Entscheidung des BVerwG kann die Beitragspflicht für ein
Grundstück nur einmal entstehen. Dem Gesetz ist die wiederholte Entstehung für ein und das-
selbe Grundstück fremd. Daraus folgt, dass die persönliche Beitragspflicht, nachdem sie
durch die Zustellung des Beitragsbescheides an den Eigentümer in dessen Person entstanden
ist, durch spätere Ereignisse wie den Eigentumsübergang und auch durch die Zustellung eines
weiteren Beitragsbescheides nicht noch einmal entstehen kann.602 Herzuleiten ist dieses Er-
gebnis aus dem Zusammenhang des § 134 Abs. 1 BauGB mit den übrigen Vorschriften des
BauGB. § 133 Abs. 1 BauGB spricht von der Beitragspflicht vom Zeitpunkt der Bebaubarkeit
an; da dieser Zeitpunkt nur einmal eintritt und nicht wiederholbar ist, kann demzufolge die
Beitragspflicht nur einmal entstehen. Ferner ergibt sich diese aus dem Wortlaut des § 134
BauGB, wonach die Beitragspflicht nur in der Person des Eigentümers oder des Erbbaube-
rechtigten entsteht und nur dieser herangezogen werden darf.603
D. h., falls das Eigentum zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Bekann-
tgabe des Beitragsbescheides wechselt, ergibt sich für den Erwerber und neuen Eigentümer,
dass er gemäß § 134 Abs. 1 BauGB für die Beitragsschuld haftet.604 War also die Angabe des
Verkäufers, wonach dieser die Erschließungskosten aufgrund eines vorliegenden Bescheides
getragen hat, wahrheitswidrig und wurden die Erschließungskosten tatsächlich vom Verkäufer
600 Siehe Teil B II 4.1.1. 601 BVerwG, NJW 1975, S. 403 ff. 602 BVerwG, NJW 1975, S. 403 ff. 603 BVerwG, NJW 1975, S. 404 ff. 604 BVerwG, NJW 1975, S. 404 ff.
112
nicht bezahlt, so kann der Käufer für diese Erschließungskosten durch neuerlichen Bescheid
nicht noch einmal herangezogen werden.
Etwas anderes gilt jedoch, falls gegen den entsprechenden Bescheid ein Rechtsbehelf einge-
legt wird und im Rahmen des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage die Unwirksamkeit
der Zustellung des Bescheides festgestellt wird oder dieser mit Rückwirkung auf den Zustel-
lungszeitpunkt aufgehoben wird, weil z. B. die Anlage nicht endgültig hergestellt war. In die-
sem Fall ist die Gemeinde, wenn die Voraussetzungen für eine Heranziehung erfüllt sind, im
Falle eines zwischenzeitlichen Eigentumswechsels verpflichtet, denjenigen heranzuziehen,
der im Zeitpunkt der neuen Zustellung Eigentümer des Grundstückes ist.605
Gleichwohl ergibt sich aus dem Umstand, dass der Nachfolger im Eigentum kein persönlicher
Beitragsschuldner einer bereits rechtswirksam entstandenen Beitragsschuld werden kann,
nicht, dass dieser nicht doch zu den Beiträgen herangezogen werden kann, bezüglich der ihn
der Verkäufer hinsichtlich der Zahlung getäuscht hat. § 134 Abs. 2 BauGB regelt nämlich,
dass der Erschließungskostenbeitrag als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht. Diese öf-
fentliche Last ruht als dingliches Recht derart auf dem Grundstück, dass sie die Beitragsforde-
rung bis zur Befriedigung der Beitragsgläubigerin ungeachtet jedes inzwischen eingetretenen
Eigentumswechsels mit der Folge sichert, dass sich die Gläubigerin erforderlichenfalls aus
dem Grundstück befriedigen kann.606 Der Begriff der öffentlichen Last ist gesetzlich nicht
definiert.607 Der Begriff leitet sich aus den älteren landesrechtlichen Vorschriften im ehemals
preußischen Rechtsgebiet, insbesondere dem Ausführungsgesetz zum Reichsgesetz über die
Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung608 her.609 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 AGZVG formu-
liert, dass öffentliche Lasten, „die auf einem nicht privatrechtlichen Titel beruhen, Abgaben
und Leistungen sind, die auf dem Grundstück nach Gesetz oder Verfassung haften.“610 Die
öffentliche Last ist mithin zu verstehen als ein auf öffentlichem Recht beruhendes Grund-
pfandrecht am belasteten Grundstück bzw. Erbbaurecht. Entsprechend gewährt sie dem Ab-
gabengläubiger ein Befriedigungsrecht an dem betroffenen Grundstück.611 Die öffentliche
Last ist jedoch akzessorisch, d. h. die Pflicht zur Duldung der Verwertung des Grundstücks
durch den Grundstückseigentümer ist davon abhängig, dass eine sachliche, nicht notwendig
auch eine persönliche Beitragspflicht besteht.612 Dennoch setzt das Entstehen der öffentlichen
Last auch gem. § 134 Abs. 2 BGB i. V. m. § 134 Abs. 1 das vorherige Entstehen einer persön-
lichen Beitragspflicht voraus. Die persönliche Beitragspflicht muss jedoch nicht in der Person
des derzeitigen Grundstückseigentümers entstanden sein, sondern kann in der Person eines
605 BVerwG, NJW 1975, S. 404 ff. 606 BVerwG, NJW 1975, S. 404 ff. 607 Steenbock, KStZ 1977, S. 209 ff. 608 AGZVG vom 23.09.1899 (PrGS S.291). 609 Driehaus, Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, § 27 Rn. 1. 610 Driehaus, Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, § 27 Rn. 1. 611 BVerwG, DÖV 1975, S. 397 ff. 612 OVG Münster, ZMR 1999, S. 209 ff.
113
Dritten, z. B. des vorherigen Grundstückseigentümers entstehen.613 Die auf dem Grundstück
ruhende öffentliche Last räumt der Gemeinde nicht nur ein Vorrecht im Falle der Zwangsver-
steigerung ein, sondern gewährt ihr die Befriedigungsrechte, die auch sonst im Abgabenrecht
eine öffentliche Last vermittelt.614
Insofern ergibt sich also, dass trotz § 134 Abs. 1 BauGB der Käufer schlussendlich dem Risi-
ko ausgesetzt ist, dass der Verkäufer tatsächlich seine Beitragsschuld beglichen hat. Anderen-
falls wird die Beitragsschuld vom Käufer zu begleichen sein, wenn dieser die Inanspruch-
nahme des Grundstückes vermeiden will. Die Haftung als öffentliche Last auf dem Grund-
stück bedeutet nämlich, dass der Gemeinde gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 AO das Recht zusteht,
ihre Beitragsforderung z. B. durch eine Zwangssicherungshypothek gemäß § 867 ZPO zu
sichern und sich im Rahmen der Zwangsversteigerung aus dem Erlös zu befriedigen. Zur
Vermeidung dieser Rechtsfolge bleibt insofern dem Käufer bzw. Grundstückseigentümer
nichts anderes übrig, als die Beitragsschuld zu begleichen.
2.6. Verkauf eines Grundstücks, bei dem die Erschließung abgeschlossen ist und die Er-
schließungsleistungen bezahlt sind, nachträglich aber weitere Leistungen der Vergan-
genheit abgerechnet werden
Eine weitere Problemsituation ergibt sich, wenn bei Vertragsabschluss von einer bestimmten
sichtbaren Erschließungsleistung ausgegangen wird, die in näherer Vergangenheit durchge-
führt wurde und gemäß den vorliegenden Beitragsbescheiden abgerechnet und bezahlt ist. In
diesem Fall kann eine die Rechtslage der Vertragsparteien klarstellende Regelung dadurch im
Vertrag getroffen werden, dass auf die dem Verkäufer zugegangenen Beitragsbescheide abge-
stellt wird.615 Gleichwohl beinhaltet auch diese Vertragsgestaltung Risiken, da Bescheide
auch für in der Vergangenheit durchgeführte, aber noch nicht abgerechnete Maßnahmen erge-
hen können,616 die bei dem Vertragsschluss übersehen wurden.
Insofern kann es den Vertragsbeteiligten passieren, dass sie mit hohen Beitragsbeschei-
den konfrontiert werden, die in der Gesamtkalkulation hinsichtlich des Grundstücksverkaufs
nicht enthalten sind. Eine derartige Konstellation ist auch denkbar, wenn beispielsweise auf-
grund eines schwebenden Rechtsbehelfsverfahrens nach Grundstücksverkauf eine Entschei-
dung ergeht, aus der sich ergibt, dass für ein Grundstück nachträglich weitere Erschließungs-
beiträge zu erheben sind. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Grundstück „mehrfach er-
schlossen“ wird. Als mehrfach erschlossen gilt ein Grundstück dann, wenn eine Erschließung
(z. B. Straße) für das Grundstück bereits erfolgt ist, aber durch eine erneute Erschließungs-
maßnahme (z. B. Anbaustraße) dasselbe Grundstück noch einmal erschlossen wird. Grund-
sätzlich ist bei Grundstücken in beplanten Gebieten die gesamte im Plangebiet gelegene Flä-
613 OVG Weimar, NVwZ – RR 2002, S. 774 ff. 614 BVerwG, NJW 1975, S. 404 ff. 615 Nieder, NJW 1984, S. 2662 (2665). 616 Grziwotz, Baulanderschließung, S. 369.
114
che als erschlossen i. S. d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu qualifizieren und dementsprechend
bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands nach Maßgabe einer auf die Größe der er-
schlossenen Grundstücksflächen abhebenden Verteilungsregelung in vollem Umfang zu be-
rücksichtigen.617 Hiervon gelten jedoch Ausnahmen, wenn die sich von einer Anbaustraße
ausgehende Erschließungswirkung aufgrund planerischer Festsetzung eindeutig nur auf eine
Teilfläche des Grundstückes beschränkt.618 In diesem Fall kann ein Grundstück, das von un-
terschiedlichen Erschließungsanlagen erschlossen wird, auch mehrfach zu Erschließungskos-
ten, z. B. für Straßen, herangezogen werden. So kann ein Grundstück dann mehrfach in Ans-
pruch genommen werden, wenn an zwei Seiten je eine Anbaustraße errichtet wird oder ein
übergroßes Grundstück zu zwei ihrem Charakter nach völlig unterschiedlichen Baugebieten
gehört.619 In diesem Fall soll die Annahme geboten sein, das Grundstück nehme lediglich mit
einer Teilfläche an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands für die eine Erschließungsan-
lage und mit einer Teilfläche für die andere teil. Ferner kann dieses Ergebnis auch dann ein-
treten, wenn der Bebauungsplan für zwei an jeweils andere Anbaustraßen angrenzende Teil-
flächen eines besonders großen Buchgrundstückes unterschiedliche Festsetzungen über die
zulässige Art und das zulässige Maß der baulichen Nutzung trifft (etwa Gewerbegebiet mit
sechs höchstzulässigen Vollgeschossen einerseits sowie Mischgebiet mit drei höchstzulässi-
gen Vollgeschossen andererseits).620 Die Regelung der Art der baulichen Nutzung ist gemäß §
1 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 3 S. 1 BauNVO (in der Fassung vom 23.01.1990621) im Be-
bauungsplan vorzunehmen. Unter Art der Nutzung versteht man die Verwendung der Grund-
stücke für bestimmte Zwecke622, wie Wohnzwecke, Industriezwecke etc. Die zulässigen Arten
der baulichen Nutzung sind in den §§ 1 – 11 der BauNVO dargestellt. Unter dem „Maß“ der
baulichen Nutzung versteht man den Grad, d.h. die Intensität, mit der das einzelne Grundstück
bebaut oder ausgenutzt werden darf. In § 16 BauNVO wird das „Maß“ bestimmt durch erstens
die Festlegung der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundfläche, zweitens der Geschoss-
flächenzahl und der Größe der Geschossfläche, der Baumassenzahl und der Baumasse, drit-
tens der Zahl der Vollgeschosse und viertens der Höhe der baulichen Anlage.
Insofern kann sich für die vorliegende Vertragsproblematik ergeben, dass Erschlie-
ßungskosten bezahlt und Erschließungsanlagen abgeschlossen sind, die Vertragsbeteiligten
davon ausgehen, dass die Erschließung erledigt ist, gleichwohl der Grundstückseigentümer
neuerlich mit Erschließungskosten überzogen wird, da das Grundstück mehrfach erschlossen
ist und z. B. durch eine weitere Anbaustraße einen zusätzlichen Erschließungsvorteil erfährt.
617 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 17 Rn. 41. 618 BVerwG, DVBl. 1998, S. 713 ff. 619 BVerwG, DVBl. 1989, S. 675 ff. 620 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 17 Rn. 46. 621 BGBl. 1990 I, S. 132 ff. 622 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 18 Rn. 29.
115
Daher bedarf es bei der Regelung der Kostentragung von Erschließungs- und Ausbau-
beiträgen im Rahmen eines Kaufvertrages auch einer Berücksichtigung der Kostentra-
gungspflicht für solche Kosten bzw. Beiträge, die durch Erschließungs- oder Ausbaumaß-
nahmen entstehen und die nach den Darstellungen des Kapitels entstehen könnten. Deshalb
sollte der Vertrag so gestaltet sein, dass beiden Vertragsseiten die dargestellten Risiken be-
kannt sind und deshalb auch geregelt ist, wer Kosten und Beiträge trägt, die bislang nicht be-
kannt sind. Nach dem geltenden Vorteilsprinzip müsste die Regelung so aussehen, dass die
Kosten von demjenigen zu tragen sind, der durch Besitzeinräumung im Zeitpunkt der Leis-
tungserbringung in den Genuss des Vorteils gekommen ist.
2.7. Besondere Vertragstypen
Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf die Eigentumsverhältnisse und den Eigen-
tumserwerb an einem Grundstück gemäß § 873 BGB, das im Grundbuch als vermessene Par-
zelle gemäß § 3 Abs. 1 GBO eingetragen ist. Tatsächlich kann ein Vertrag zum Erwerb eines
Grundstücks jedoch auch so gestaltet werden, dass der Käufer nicht das gesamte gebuchte
Grundstück erwirbt, sondern Wohnungseigentum oder ein an dem Grundstück bestelltes Erb-
baurecht. Insofern stellt sich die Frage, wie sich ein derartiger Vertragstyp auf die Frage aus-
wirkt, von wem die Kosten der Erschließung zu tragen sind.
2.7.1. Wohnungseigentumskauf
Das Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, Teileigentum das Son-
dereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen, das jeweils in Verbindung mit
einem Miteigentumsanteil an einem Grundstück (gemeinschaftliches Eigentum), zu dem es
gehört, gebildet wird.623 Gemeinschaftliches Eigentum ist das Grundstück, auf dem die im
Sondereigentum stehenden Räume errichtet worden sind.624 Die einzelnen Wohnungs- und
Teileigentümer sind daher entsprechend ihrem Anteil Miteigentümer des Grundstückes.
Beim Kaufvertrag über Wohnungseigentum gilt insofern grundsätzlich das Gleiche wie
zuvor für den Grundstückskaufvertrag dargestellt625, da es sich im Ergebnis um den Verkauf
eines Miteigentumsanteiles an einem Grundstück, der mit dem Sondereigentum an der Woh-
nung entsprechend § 1 Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 WEG verbunden ist, handelt. Eine Besonderheit
ergibt sich lediglich aus § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB. Danach gilt nämlich, dass der Woh-
nungseigentümer nur mit seinem Miteigentumsanteil für die Erschließungskosten haftet. Er
haftet nicht gesamtschuldnerisch, also insbesondere nicht für den vollen Erschließungskosten-
aufwand, falls die übrigen Miteigentümer ihren Kostentragungspflichten nicht nachkommen.
Für die Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwandes ist jedoch zu beachten, dass es
623 § 1 Abs. 2 und 3 WEG. 624 § 1 Abs. 4 WEG. 625 Siehe oben, 2.1. – 2.6.
116
auf den bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff ankommt.626 Aus diesem Grund muss ein
Wohnungseigentümer auch dann die Erschließungskosten für eine Anbaustraße anteilig tra-
gen, wenn die in seinem Sondereigentum stehende Wohnung von dieser Erschließungsanlage
her keinen Zugang hat.627 Dies ist beispielsweise dann für die Beteiligten schwer nachvoll-
ziehbar, wenn es sich bei dem Wohnungseigentum tatsächlich um eine Doppelhaushälfte oder
ein freistehendes Haus handelt. Denn Wohnungseigentum kann auch gebildet werden, wenn
sich auf einem Grundstück mehrere selbständige Gebäudeeinheiten befinden, die, ohne dass
das Grundstück in Natur geteilt wird, als Wohnungseigentum eingetragen werden. Ist dann für
das eine Gebäude der Zugang zu einer Anbaustraße nicht gegeben, so wäre der Eigentümer
dieses Gebäudes – als Wohnungseigentümer – verpflichtet, sich an den Erschließungskosten
für das gesamte Buchgrundstück entsprechend seiner Miteigentumsanteile zu beteiligen, ob-
wohl der Grundstücksteil, auf dem sich sein Gebäude befindet, wenn dieses als eigenständiges
Grundstück gebucht wäre, nicht heranziehbar ist. Maßgeblich ist nämlich allein, ob das
Grundstück, an dem der Wohnungseigentümer Miteigentum hat, durch die abgerechnete An-
lage i. S. d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen wird.628
2.7.2. Erbbaurechtsvertrag
Persönlich beitragspflichtig ist ferner gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch der Erbbau-
berechtigte, dieser anstelle des Eigentümers.
Nach § 1 Abs. 1 Erbbaurechtsverordnung629 ist das Erbbaurecht eine Belastung des
Grundstücks in der Weise, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das
veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks
ein Bauwerk zu haben. Es ist also ein Recht am Grundstück verbunden mit dem Eigentum am
Bauwerk.
Damit ergibt sich, dass mit der Eintragung des Erbbaurechtes im Erbbaurechtsgrund-
buch der Erbbauberechtigte an die Stelle des Eigentümers als Beitragsschuldner tritt.630 Dies
gilt jedoch nur, wenn nach § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Beitragsschuld nicht bereits gege-
nüber dem Eigentümer entstanden ist. Zu beachten ist auch, dass, falls das Erbbaurecht nur an
einem Teil des gebuchten Grundstückes bestellt wird, die Kostenverteilung sich dergestalt
ergibt, dass Beitragspflichtiger für den mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücksteil der
Erbbaurechtsnehmer ist, während Beitragsschuldner des restlichen Grundstücksteiles der
Grundstückseigentümer bleibt.631 626 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 24 Rn. 11. 627 BVerwG, NJW 1982, S. 459 ff. 628 OVG Münster, NWVBl. 1992, S. 362 ff. 629 ErbbRVO vom 15.01.1919 (RGBl. S. 72, 122, BGBl. III 403 – 6., zuletzt geändert durch Art. 138 des Geset-zes vom 19.04.2006, BGBl. I S. 866 ff.). 630 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 134 Rn. 2. 631 Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, § 134 Rn. 2.
117
Teil D
Die gesetzliche Regelung zur Kostenbeitragspflicht im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht
1. Bedeutung des § 436 BGB
1.1. Alte Regelung
Vor Änderung des § 436 BGB im Jahre 2002 war die gesetzliche Regelung der § 436 BGB
a. F. i. V. m. § 446 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 103 BGB632 in Grundstückserwerbsverträgen, in
welchen keine Vereinbarungen zur Kostentragung von Erschließungskosten enthalten waren,
wie folgt:
„Der Verkäufer eines Grundstücks haftet nicht für die Freiheit des Grundstücks von öffentli-
chen Abgaben und von anderen öffentlichen Lasten, die zur Eintragung in das Grundbuch
nicht geeignet sind.“
In § 446 Abs. 1 Satz 2 BGB war geregelt: „Von der Übergabe an gebühren dem Käufer die
Nutzungen und er trägt die Lasten der Sache.“
Diese Regelung hat sich durch die Schuldrechtsreform nicht geändert. Der Käufer hatte
also grundsätzlich die Lasten der Sache vom Zeitpunkt der Übergabe an zu tragen. Ferner
bestimmt § 103 BGB, dass regelmäßig wiederkehrende Lasten wie Grundsteuern und Gebüh-
ren im Verhältnis der Dauer der Verpflichtung, andere Lasten, wie einmalig zu zahlende Be-
träge, von demjenigen zu entrichten sind, dem die Lastentragung obliegt. Aufgrund dessen
kam es häufig zu Rechtsstreitigkeiten, da der Zeitpunkt der Übergabe im Regelfall kein im
voraus bestimmter ist, sondern mit dem Zeitpunkt des Kaufpreiseinganges beim Verkäufer
zusammenfällt (Grundstück gegen Geld). Der Kaufpreis ist vom Käufer im Normalfall dann
zu bezahlen, wenn der Notar dem Käufer mitteilt, dass alle Genehmigungen vorliegen, die für
die Eintragung des Käufers im Grundbuch nötig sind, einschließlich der Mitteilung des
Grundbuchamtes über die Eintragung der Auflassungsvormerkung und die Freigabe des
Grundstückes von Belastungen.633 D. h. im Normalfall wird der Verkäufer beim Abschluss
eines derartigen Vertrages davon ausgehen, dass relativ zeitnah der Kaufpreis durch den Käu-
fer gezahlt werden wird, da die Erlangung dieser Voraussetzungen in einem überschaubaren
Zeitraum zu erreichen sein wird. Dieser Zeitraum ist im Normalfall ein Zeitraum von vier bis
acht Wochen seit Vertragsabschluss.634 Treten Komplikationen ein, kann dieser Zeitraum sehr
viel größer sein, z. B. dann, wenn darüber gestritten wird, ob die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht
gemäß §§ 24, 25 BauGB ausübt, oder die Lastenfreistellung nicht ohne Weiteres zu erreichen
ist, weil Banken mit dem vom Verkäufer ihnen überlassenen Kaufpreisteil nicht zufrieden
632 Siehe Einleitung. 633 Zu den üblichen Fälligkeitsvoraussetzungen, Hertel, in: Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notar-handbuch, Teil 2 Rn. 294. 634 www.Notar-beckmann.de/Grundeigentum mit Erläuterungen zum Hauskauf, Pos. 3, Kaufpreisfälligkeit.
118
sind etc. Dies ist wie folgt denkbar: Der Verkäufer überläßt einen Teil des Kaufpreises im
Regelfall635 der Bank, wenn diese ein Darlehen auf dem verkauften Grundstück durch Eintra-
gung einer Grundschuld gesichert hat und die Beteiligten des Kaufvertrages vereinbart haben,
dass das verkauften Grundstück lastenfrei auf den Käufer übertragen wird. Durch die Rück-
zahlung des durch das Grundpfandrecht gesicherten Darlehens erwirbt der Verkäufer einen
Rückgewähranspruch hinsichtlich der gesicherten Grundschuld.636 Dieser Rückgewährans-
pruch folgt in der Regel aus der Zweckerklärung, oder auch Sicherungsabrede genannt, zwi-
schen Darlehensnehmer (Verkäufer) und Gläubiger (Bank).637 Der Rückgewähranspruch ist
entweder auf Löschung, Verzicht oder Abtretung an den Eigentümer gerichtet.530 Selbst bei
fehlender Sicherungsabrede führt die Zahlung auf die Grundschuld durch den Eigentümer des
Grundstücks gemäß §§ 1191, 1192, 1143 BGB zum Erwerb der Grundschuld638 mit der Folge,
dass diese nach §§ 1178, 1192 BGB erlischt.639 Daraus folgt, dass ein Anspruch auf Verzicht
bzw. ein Anspruch auf Geltendmachung der Rückgewähransprüche aus der Sicherungsabrede
dann nicht besteht, wenn die Forderung der Bank nicht vollständig getilgt ist oder die Bank
aufgrund des Sicherungsvertrages das Recht hat, durch die Grundschuld mehr Forderungen zu
sichern, als der Gläubiger (Verkäufer) angenommen hat und durch den Kaufpreis abgedeckt
ist.
Entsteht in diesem Zeitraum, d. h. vor Kaufpreiszahlung und Übergabe eine wirksame
Beitragsschuld, hatte nach der alten gesetzlichen Regelung, falls im Vertrag nichts anderes
geregelt war, der Verkäufer die Kosten zu tragen, obwohl er bei Vertragsabschluss davon
ausgehen konnte, mit derartigen Kosten nicht überzogen zu werden, da bei normalem Ver-
tragsverlauf diese den Käufer getroffen hätten.
1.2. Neue Regelung des § 436 BGB – Ziel des Gesetzgebers
Durch die Neufassung des § 436 BGB ist dieses Zufallsergebnis nun ausgeschlossen. Gleich-
wohl sind, wie nachfolgend dargestellt werden wird, andere Risiken hinzugekommen. Inso-
fern stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber sich bei der Neufassung des § 436 BGB dieses
Ergebnis so vorgestellt hat und diese Rechtsfolgen so gewollt hat. In der Begründung des Ge-
setzesentwurfs zu § 436 BGB wird ausgeführt, dass der Zustand nach der alten Rechtslage
nicht weiter hinnehmbar ist.640 Nach der alten Rechtslage verhielte es sich nämlich so, dass es
vom Zufall abhängen würde, ob die Erschließungskosten, die in dem Zeitraum zwischen Ab-
schluss und Vollzug eines Grundstückskaufvertrages erhoben werden, vom Käufer oder Ver-
käufer zu tragen sind.641 Zur Begründung dieser Rechtsansicht werden zwei Beispielfälle ge-
bildet. Im ersten Beispielfall wird darauf abgestellt, dass beim Abschluss eines Grundstücks- 635 Hertel, in: Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch., Teil 2 Rn. 272. 636 BGH NJW–RR 1990, S. 455 ff. 637 Palandt, Kommentar zum BGB, § 1191 Rn. 26. 638 BGH NJW-RR 2003, S. 11 ff. 639 BGH BB 1965, S. 931 ff. 640 BT-Drucks.14/6040, S. 218. 641 BT-Drucks.14/6040, S. 218.
119
kaufvertrages zwar die Erschließungsarbeiten längst beendet sind und der Käufer deshalb ein
voll erschlossenes Grundstück zu erwerben glaubt, tatsächlich aber die – wie in der Begrün-
dung formuliert – „Anliegerbeiträge“ zu tragen hat, weil der Beitragsbescheid erst erheblich
später ergeht. Im zweiten Beispielsfall wird ausgeführt, dass ein Kaufvertrag abgeschlossen
wird, bezüglich dessen der Verkäufer einen Beitragsbescheid bereits erhalten und den Beitrag
gezahlt hat, die zugrunde liegende Gemeindesatzung nachträglich aber für unwirksam erklärt
wird, dem Verkäufer deshalb seine Zahlung erstattet wird und der Käufer aufgrund einer neu-
en Satzung nach langer Zeit als nunmehriger Eigentümer einen neuen Beitragsbescheid er-
hält.642 Zwar sei es möglich, diese Rechtslage im Vertrag anders zu regeln, die Möglichkeit
derartiger Vereinbarungen mache aber eine gesetzliche Regelung nicht überflüssig, da es im-
mer wieder vorkomme, dass die entsprechende Frage bei Abschluss des Vertrages nicht be-
dacht werde.643
Primäres Ziel der Neufassung des § 436 BGB war es insofern, die Zufälligkeit der Be-
stimmung des Beitragsschuldners, die von dem zufälligen Zeitpunkt des Besitzüberganges
und dem zufälligen Zeitpunkt der Fälligkeit der öffentlich-rechtlichen Beitragsschuld abhing,
abzustellen. Aus diesem Grunde wurde der Begriff „bautechnischer Beginn“ in das Gesetz
eingefügt.644 In der Begründung dazu heißt es, dies sei deshalb eine für die Vertragsbeteiligten
bessere und gerechtere Regelung, weil sich in aller Regel wesentlich einfacher feststellen las-
se, ob Bauarbeiten in einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich im Gang sind oder waren und
welchen genauen Stand des Fortschrittes es gibt.645 Die Schuldrechtskommission hatte im
Rahmen der Erörterung der Gesetzesvorlage vorgeschlagen, eine Verteilung der Kosten nach
dem tatsächlichen Ausbauzustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gesetzlich vorzusehen.
Dieser Vorschlag wurde jedoch verworfen, da der Ausbauzustand bei Vertragsschluss häufig
nicht leicht zu ermitteln ist, insbesondere im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung,
die längere Zeit andauern kann.646
Als weitere Alternative wurde vorgeschlagen, nicht auf den bautechnischen Beginn ei-
ner Erschließungsmaßnahme, sondern auf den Beginn der Erschließungsmaßnahme insgesamt
abzustellen. Dieser Vorschlag wurde verworfen, weil dieser Beginn schwierig zu ermitteln
sei, da die Erschließungsmaßnahmen in der Regel mit der Beschlussfassung der kommunalen
Gremien und einer Planungsphase beginnen. Da diese Elemente äußerlich nicht erkennbar
seien, könne auf sie nicht abgestellt werden. Der bautechnische Beginn einer Maßnahme sei
erkennbar und sichtbar, sodass die Berücksichtigung dieser Kostenbelastung für die Vertrags-
beteiligten einfacher vorhersehbar sei.647
642 BT-Drucks.14/6040, S. 218. 643 BT-Drucks.14/6040, S. 218. 644 BT-Drucks.14/6040, S. 219. 645 BT-Drucks.14/6040, S. 219. 646 BT-Drucks.14/6040, S. 219. 647 BT-Drucks.14/6040, S. 219.
120
Zunächst ist hinsichtlich der Begründung des Gesetzgebers auszuführen, dass der ge-
schilderte Fall, wonach der Käufer mit Erschließungskosten belastet wird, die aufgrund einer
unwirksamen Gemeindesatzung erhoben und deshalb neu veranlagt werden, eine Ausnahme
darstellt und insofern als Begründung für eine Gesetzesänderung nur eingeschränkt herange-
zogen werden kann. Wie bereits oben648 aufgeführt, ist die Vorgehensweise bei nachträglich
festgestellten unwirksamen Satzungen die, dass die neuerlich erlassene Satzung mit Rückwir-
kung versehen wird und es insofern bei dem ursprünglichen Beitragsbescheid und der Bei-
tragsschuld des Veräußerers verbleibt. Insofern ergibt sich schon aus dieser unzutreffenden
Begründung für den Vorschlag des nunmehr geltenden § 436 BGB die Frage, ob eine Neufas-
sung dieses Gesetzes notwendig war. Um so mehr ist jedoch fraglich, ob das von dem Ge-
setzgeber mit der Neufassung beabsichtigte Ziel durch die gewählte Formulierung erreicht
wurde. So wird in der Begründung ausgeführt, dass durch das Abstellen auf den bautechni-
schen Beginn der Maßnahme eine Anknüpfung vorgesehen ist, die es dem Verkäufer ermög-
licht, im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses die voraussichtlichen Kosten der Maßnahme
zu kalkulieren und bei der Vereinbarung über die Kaufpreishöhe zu berücksichtigen. Insofern
sei es nicht mehr vom Zufall abhängig, ob eine der beiden Vertragsparteien im Rahmen des
Abschlusses eines Kaufvertrages mit Erschließungs- bzw. Anliegerbeiträgen belastet werden
würde, sondern diese sich möglicherweise ergebende Folge des Vertrages sei vorhersehbar.649
Vorhersehbar sei sie deshalb, weil der bautechnische Beginn einer Maßnahme und der jewei-
lige Stand des Fortschritts sich anhand der durchgeführten tatsächlichen Arbeiten einfach ab-
lesen und feststellen lassen.650
Nach der weiteren Begründung der Gesetzesvorlage sollen von der Maßnahme erfasst
sein Erschließungsbeiträge i. S. d. § 127 ff. BauGB und vergleichbare Lasten, die darauf be-
ruhen, dass die Kosten öffentlicher Einrichtungen auf Grundstücke in ihrem Einzugsbereich
bzw. auf deren Eigentümer umgelegt werden. Neben Vorschriften des BauGB kämen hier
insbesondere solche der Kommunalabgabengesetze in Betracht, aber auch Sonderregelungen
für abgegrenzte Bereiche wie Spielplätze.651
Nachfolgend wird dargelegt werden, dass die Absicht des Gesetzgebers hier fehlgeht. In
der Praxis ist es gerade nicht so, dass der Beginn einer bautechnischen Maßnahme im Rahmen
des Erschließungs-, des Ausbau- und des Anschlussbeitragsrechts ohne Weiteres durch blo-
ßen Augenschein erkennbar ist.
Ferner wurde bereits dargestellt652, dass Erschließungskosten auch auf Basis einer Vor-
ausleistung abgegolten werden können, aber auch653 durch Ablösungsvereinbarungen. Welche
648 Siehe Teil B II 7.5. 649 BT-Drucks.14/6040, S. 219. 650 BT-Drucks.14/6040, S. 219. 651 BT-Drucks.14/6040, S. 219. 652 Siehe Teil B II 9.7. und Teil C 2.3. 553 Siehe Teil B II 9.6. und Teil C 2.2.
121
Probleme sich ergeben können, wenn im Zusammenhang mit einer derartigen Erschließungs-
kostenabgeltung ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird, ist daher ebenfalls zu unter-
suchen. Weiterhin stellt sich die Frage, welche Probleme sich ergeben, wenn bewusst auf die
Regelung des § 436 BGB bei dem Verkauf von bereits erschlossenem Bauland abgestellt
wird. Damit ist auch die Frage zu beantworten, ob das Ziel, das mit der Einführung des § 436
BGB verfolgt worden ist, nämlich den Vertragsbeteiligten eine vernünftige Regelung dann zu
bieten, wenn sie in ihrem Grundstückserwerbsverträgen davon abgesehen haben zu regeln,
wer Erschließungs- bzw. Anliegerbeiträge zu tragen hat, erreicht wurde. Dabei sind die unter-
schiedlichen Fallgestaltungen zu betrachten, nach denen sich jeweils eine Erschließungskos-
tentragungspflicht unter Einbeziehung des § 436 BGB ergeben kann.
1.3.Auswirkungen der Anwendung des § 436 BGB bei unterschiedlichen Vertragssitua-
tionen
1.3.1. Normalfall
Ein Grundstück wird verkauft, eine Erschließungsmaßnahme wurde durchgeführt und been-
det. Wenn in diesem Fall die Vertragsbeteiligten keine anderweitige Regelung im Grund-
stückskaufvertrag getroffen haben, hat die Erschließungskosten der Verkäufer zu tragen,
unabhängig davon, ob die Erschließungsbeiträge von ihm entrichtet wurden oder nicht.
Dies gilt auch in dem Fall, dass ein Grundstück verkauft wird, für das die Erschlie-
ßungsmaßnahmen, d. h., die technischen, für jeden ersichtlichen Bauarbeiten zum Zwecke der
Durchführung der Erschließungsmaßnahmen insofern begonnen haben, als nur der erste Spa-
tenstich erfolgt ist. In diesem Fall gilt gemäß § 436 BGB, dass die Kosten der gesamten Er-
schließungsmaßnahme vom Verkäufer zu tragen sind, wenn keine andere Regelung im Kauf-
vertrag enthalten ist. D. h. der Verkäufer muss alle Erschließungskosten für eine Maßnahme
tragen, deren tatsächliche Ausführung bis zum Vertragsschluss, aber möglicherweise auch bis
zum Übergang von Nutzen und Lasten oder sogar des Eigentums nach dem ersten Spatenstich
nicht weiter fortgesetzt wurde.
1.3.2. Verkauf von unerschlossenem Bauland
Ein Grundstückskaufvertrag wird abgeschlossen, bautechnische Arbeiten sind nicht erkenn-
bar, das Grundstück befindet sich im Außenbereich und wird von den Vertragsbeteiligten als
unerschlossen angesehen. In diesem Fall werden die Vertragsbeteiligten davon ausgehen, dass
eine Regelung über Erschließungskosten nicht notwendig ist, da es sich um unerschlossene
Flächen handelt und das Grundstück möglicherweise in Jahren erst erschlossen werden wird.
Soweit im Kaufvertrag vereinbart wird, dass der Vertragsgegenstand unerschlossen ist,
ist grundsätzlich der Käufer zur Tragung der Erschließungskosten verpflichtet, wenn die Er-
schließungsmaßnahmen erst nach Vertragsschluss, Besitz- und Eigentumsübergang begonnen
und abgerechnet werden. Problematisch ist die vorbezeichnete Regelung jedoch dann, wenn
122
in dieser Phase Erschließungsmaßnahmen durchgeführt werden und der Vertrag keine weite-
ren Regelungen beinhaltet. Hier besagt nämlich § 436 BGB n.F.:
„Soweit nicht anders vereinbart, ist der Verkäufer eines Grundstückes verpflichtet, Er-
schließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge für die Maßnahmen zu tragen, die
bis zum Tage des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen sind, unabhängig vom
Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld.“
Das bedeutet für den konkreten Einzelfall, dass der Verkäufer unter Umständen, obwohl er
ein unerschlossenes Grundstück verkauft und den Kaufpreis nur für unerschlossenes Bauland
erhält, Erschließungskosten für Maßnahmen zu tragen hat, die, ohne dass er es wusste, zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon begonnen hatten.
Die Situation in § 436 Abs. 1 BGB stellt insofern auf Maßnahmen ab. Der Begriff der
„Maßnahme“ findet sich im Beitragsrecht unter anderem in § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB sowie
im § 8 Abs. 4 Satz 1 und 8 NWKAG. Eine Maßnahme ist in diesem Sinne gegeben, wenn
durch sie ein Aufwand entsteht, der als Kostenbestandteil in eine Beitragsschuld eingeht.654
Beitragsschuld in diesem Sinne ist im Fall einer Kostenspaltung auch der jeweils abgespaltene
Beitragsanteil.655 Die Verpflichtung aus § 436 Abs. 1 BGB besteht deshalb in diesem Fall nur
insoweit, als bei einem Vertragsschluss bautechnische Maßnahmen begonnen haben, welche
den einzelnen abgespaltenen Teil der Einrichtung oder Anlage betreffen. Dabei muss eine
bautechnische Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Ausführung nicht darauf ausgerichtet gewesen
sein, Aufwand für diese Erschließungsanlage zu werden.656 So ist es beispielsweise denkbar,
dass ein Grundstück im planungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB), das bislang aus-
schließlich als landwirtschaftliches Grundstück genutzt und von den Vertragsbeteiligten als
vollkommen unerschlossen angesehen wird, verkauft wird. In diesem Fall wird möglicherwei-
se keine Vertragsseite eine Notwendigkeit darin sehen, eine Regelung hinsichtlich der Er-
schließungskosten zu treffen, da davon auszugehen ist, dass in einem absehbaren Zeitraum
keine Erschließungsmaßnahmen durchgeführt werden. Denkbar ist aber, dass in Zukunft die
Nutzung des Grundstückes von einer landwirtschaftlichen Nutzung in eine andere Nutzungs-
art geändert wird. Möglich ist dies durch Festsetzung einer Wohnbau- oder gewerblichen
Nutzung in einem Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 3 i. V. m. § 1 Abs. 2 BauNVO. Denkbar ist
nun, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bereits eine i. S. d. § 128 Abs. 1 Nr. 1
BauGB freigelegte Straße begonnen oder errichtet oder etwa eine Kläranlage, ein Regenrück-
haltebecken o. ä. vorhanden war, in das das im Rahmen der Straßenentwässerung anfallende
Niederschlagswasser nach Fertigstellung der beitragspflichtigen Erschließungsmaßnahme
eingeleitet wird. Wird nun, nachdem die Nutzungsart des vorbezeichneten Grundstückes ge-
654 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1423). 655 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1423). 656 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1423).
123
ändert worden ist, die vorbezeichnete Erschließungsanlage auch für das genannte Grundstück
genutzt, so sind die dafür aufgewendeten Erschließungskosten auch auf den begünstigten
Grundstückseigentümer umzulegen, da zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskauf-
vertrages bereits eine bautechnische Maßnahme begonnen war, die das vertragsgegenständli-
che Grundstück erschließt. Dem Verkäufer eines Grundstückes bleibt der bautechnische Be-
ginn derartiger Maßnahmen, die vor dem Vertragsabschluss stattgefunden haben, oft verbor-
gen bzw. er bezieht sie nicht auf das zum Verkauf vorgesehene Grundstück. Ein weiteres Bei-
spiel für die Unvorhersehbarkeit des Maßnahmebeginns bildet folgender Fall: Eine Gemeinde
kann eine Kläranlage errichten und diese bei der Planung bereits so groß auslegen, dass sie
geeignet ist, auch künftige Mehrmengen an Abwasser aufzunehmen, die sich ergeben werden,
wenn neuer Bedarf entsteht.657 Wenn nun zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Straße ange-
legt wird, geht ein ungedeckt gebliebener anteiliger Aufwand aus dem Bau der Kläranlage
einschließlich ihrer Zuleitung in den beitragspflichtigen Aufwand für die Entwässerung der
neuen Straße ein.658 Bei Beginn der ersten bautechnischen Maßnahme kann ferner noch un-
geklärt sein, ob demnächst eine Kostenspaltung stattfindet, ebenso die weitere Frage, ob etwa
die herzustellende Erschließungsanlage bei der späteren Veranlagung mit anderen bereits vor-
handenen oder neu herzustellenden Anlagen zu einer Veranlagungseinheit zusammengefasst
werden.
Unter Kostenspaltung wird die gemäß § 127 Abs. 3 i. V. m. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB
den Gemeinden eingeräumte Möglichkeit verstanden, die Erschließungskosten für Teile der
Erschließung selbständig zu erheben.659 Gemäß § 127 Abs. 3 BauGB kann der Erschließungs-
beitrag für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlage selbstän-
dig „erhoben werden“, sobald gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 „die Maßnahmen, deren Aufwand
durch die Teilbeträge gedeckt werden sollen, abgeschlossen sind.“ Eine Kostenspaltung ist
gemäß § 123 Nr. 3 BauGB nur zulässig, wenn sie in der Erschließungsbeitragssetzung vorge-
sehen ist. Die Teilbeitragspflicht entsteht nur, wenn die abzurechnende Teileinrichtung i. S. d.
§ 125 BauGB rechtmäßig ist660 und endgültig hergestellt ist.661 Rechtmäßig gemäß § 125
BauGB heißt, die Erschließungsanlage muss auf Grundlage eines Bebauungsplanes hergestellt
werden. Die Kostenspaltung bietet der Gemeinde somit den Vorteil, nicht die gesamte Er-
schließungsanlage vorfinanzieren zu müssen.
Insofern ergibt sich in diesen Fällen der Streit, für welche Maßnahmen, die einheitliche
oder die konkret begonnene, die Erschließungskosten vom Verkäufer getragen werden.
Überwiegend wird die Auffassung vertreten, unter der ersten bautechnischen Maßnahme im
657 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1423). 658 BVerwGE 54, S. 225 ff. 659 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 20 Rn. 1. 660 BVerwGE 87, S. 288 ff. 661 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 20 Rn. 13.
124
Sinne des § 436 Abs. 1 BGB sei die erste konkrete Maßnahme zu verstehen, die im Rahmen
des späteren Gesamtaufwands in den Erschließungsbeitrag eingeht.662
Hat ein Verkäufer in der Annahme, dass es sich um ein unerschlossenes, landwirtschaft-
lich nutzbares Grundstück handelt, einen Kaufpreis für landwirtschaftliche Grundstücke z. B.
in Höhe von 1,00 bis 4,00 Euro/qm vereinbart, so besteht für ihn die Gefahr, dass er aufgrund
der Regelung des § 436 BGB Erschließungsbeiträge nachzuentrichten hat, die ein Mehrfaches
des Kaufpreises ausmachen. D. h. die wörtliche Anwendung des Gesetzes führt zu einem Er-
gebnis, das bei einem Vergleich der erbrachten Leistungen und Gegenleistungen durchaus als
sittenwidrig bezeichnet werden könnte. Gleichwohl haftet nach dem Wortlaut des Gesetzes
der Verkäufer für alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses begonnenen, auf das Grundstück
bezogenen Erschließungsmaßnahmen.
Denkbar wäre es auch, die aufgezeigten Unsicherheiten dadurch auszuräumen, dass vor
Vertragsabschluss begonnene bautechnische Maßnahmen für die Anwendung des § 436 Abs.
1 BGB unberücksichtigt bleiben und auf den Zeitpunkt abgestellt wird, zu dem die Einbezie-
hung in die Erschließungsanlage endgültig beschlossen wurde. Auf diese Möglichkeit hat der
Gesetzgeber laut Gesetzesbegründung aber nicht nur verzichtet, er hat sie sogar ausdrücklich
abgelehnt, da der Zeitpunkt einer Beschlussfassung als entscheidend für den Beginn der Maß-
nahme im Nachhinein nur selten zu ermitteln sei.663
Bei der Vertragsgestaltung müssen also die Vertragsparteien darauf bedacht sein, ein-
deutig zu regeln, wer Erschließungskosten zu tragen hat, auch wenn es sich vermeintlich um
einen Kaufvertrag über unerschlossenes Bauland handelt.
1.3.3. Verkauf von erschlossenem Bauland
Hier ergibt sich folgende Problemstellung: Die Erschließungsleistungen sind für den Verkäu-
fer und Käufer des Kaufvertrages ersichtlich und bei der Gemeinde erfragbar. Insofern ist es
dann Inhalt der konkreten Vereinbarung, ob die vorhandenen Erschließungsleistungen vom
Verkäufer oder vom Käufer getragen werden. Dies ist entsprechend der Absprache im Vertrag
zu regeln. Trifft der Vertrag hierzu keine Regelung, so gilt wiederum § 436 BGB, sodass die
Maßnahmen, die bis zum Tage des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen wurden, unab-
hängig vom Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld vom Verkäufer zu tragen sind. Ist
den Vertragsparteien, insbesondere dem Verkäufer, die Regelung des § 436 BGB bekannt,
wird er insofern bei Vorliegen eines Tatbestandes, bei dem die Erschließungsmaßnahmen
abgeschlossen sind, keinen Regelungsbedarf sehen, da er davon ausgehen muss, dass nach
dem Gesetz geregelt ist, dass der Verkäufer all diese Kosten zu tragen hat.
Es ist aber bei einem vollständig erschlossenen Grundstück u. U. für den Verkäufer
nicht erkennbar, in welchem Umfang sich Erschließungskosten ergeben werden. § 436 BGB
stellt pauschal darauf ab, dass eine bauliche Maßnahme begonnen wurde, und knüpft daran
662 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1424). 663 BT-Drucks. 14/6040, S. 219.
125
die Kostentragungspflicht des Verkäufers bezogen auf den Zeitpunkt der Beurkundung. Der
Verkäufer kann die für ihn entstehenden Kosten jedoch bei der Vereinbarung zur Kaufpreis-
höhe nur dann berücksichtigen, wenn ihm der Umfang der Baumaßnahme bekannt ist. Dem
Verkäufer steht die Möglichkeit offen, bei der Gemeinde den Umfang der Baumaßnahme und
die voraussichtlich entstehenden Kosten zu erfragen. Eine unrichtige Auskunft entbindet den
Verkäufer gegenüber dem Käufer jedoch nicht von seiner Kostentragungspflicht. Denkbar ist
jedoch insofern, dass eine Erschließungsmaßnahme in einem Umfang geplant war, der sich
nachträglich ändert und die endgültige Erschließungsmaßnahme so hergestellt wird, dass die
entstehenden Kosten wesentlich höher sind, als ursprünglich geplant. So ist z. B. denkbar,
dass statt einer schmalen Straße aufgrund eines nachträglich geänderten Bauprogramms eine
breitere Straße mit Parkstreifen und Radwegen angelegt wird. Wird diese Änderung nach dem
Verkauf oder noch vor Entstehen der endgültigen Beitragspflicht beschlossen, so hat die vom
Grundstückseigentümer zu tragenden Kosten nach § 436 BGB der Verkäufer zu tragen, auch
wenn diese wesentlich höher sind als die ursprünglich von ihm bei der Gemeinde erfragten
und kalkulierten.664
Daraus ergibt sich folgende Überlegung: Eine Erschließungsanlage, die Jahre nach dem
Verkauf, aber noch vor der Entstehung des endgültigen Beitrags, nachträglich geändert und
ausgebaut wird, obwohl sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vermeintlich fertiggestellt
war, hat zur Folge, dass dem Beitragspflichtigen ein erheblich höherer Vorteil zukommt. Bei
Verkauf eines Grundstückes fällt dieser Vorteil dann ausschließlich dem Käufer zu. Dennoch
ist der Verkäufer gemäß der Regelung des § 436 BGB zur Tragung dieser Kosten heranzuzie-
hen, obwohl er dieses im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht erkennen konnte.665 Damit
wird das Vorteilsprinzip des Erschließungsrechtes ad absurdum geführt, denn ein Beitrag soll
das angemessene Entgelt für eine erbrachte Leistung des Trägers einer Maßnahme darstellen
und damit dem Ausgleich des Vorteils, den der Beitragspflichtige aus dieser Leistung zieht,
Rechnung tragen.666
Das gleiche Ergebnis stellt sich ein, wenn die Nutzungsart des Grundstückes nach dem
Verkauf geändert wird. Der Verkäufer haftet für Erschließungskosten einer baulichen Maß-
nahme völlig ungeachtet der Tatsache, wie hoch der Beitragsanteil des verkauften Grundstü-
ckes ist. Zwar kann der Verkäufer vor dem Abschluss des Kaufvertrages, wenn er erkannt hat,
dass eine bauliche Maßnahme begonnen wurde, Auskunft darüber erholen, mit welchem Bei-
tragsanteil das Grundstück bezüglich der baulichen Maßnahme herangezogen werden wird.
Trotzdem ist es denkbar, dass sich zwischen dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses und
664 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1425). 665 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1425). 666 Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 8 Rn. 9 f.
126
dem Zeitpunkt des Entstehens der endgültigen Beitragsschuld eine Veränderung der Nut-
zungsart des Grundstückes einstellt. Als Beispiel sei hier aufgeführt, dass ein Verkäufer ein
Grundstück verkauft, das im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nach den Festsetzungen
des Bebauungsplanes mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaut werden soll. Vor der
Verwirklichung des Bauvorhabens wird jedoch der Grundstücksbereich, in dem sich das
Kaufgrundstück befindet, als Industriegebiet festgesetzt, wobei der Käufer für den dadurch
entstehenden Wertverlust an Grund und Boden eine Entschädigung erhält. Da die industrielle
Nutzung eine stärkere Benutzung der Erschließungsanlage, die im Zeitpunkt des Kaufver-
tragsabschlusses begonnen war, nach sich zieht als eine Nutzung durch ein eingeschossig be-
baubares Wohngrundstück, wird der Käufer als Eigentümer einer Industriefläche nunmehr zu
einem höheren Beitragsanteil herangezogen.667 Auch für derartige Kosten haftet der Verkäu-
fer gemäß § 436 BGB.
Insofern ist es für den Verkäufer eines erschlossenen Baulandgrundstückes nahezu nicht
kalkulierbar, welche durch ihn zu tragenden Erschließungskosten anfallen werden, weshalb
die gesetzliche Regelung des § 436 BGB ihn mit unzumutbaren Risiken belastet und in der
Praxis die Regelung des § 436 BGB überwiegend ausgeschlossen wird, da sie dispositives
Recht darstellt.
1.3.4. Gewillkürte Erschließungsregelungen in Grundstückskaufverträgen
In den beiden vorherigen Abschnitten668 wurde dargestellt, wie risikobehaftet ein Abstellen
auf die gesetzliche Regelung der Erschließungskostentragungspflicht beim Abschluss eines
Grundstückskaufvertrages ist.
Gleichwohl kann sich ein Risiko für die Vertragsparteien auch bei von der gesetzlichen
Regelung des § 436 BGB abweichenden Regelungen zu den Erschließungskosten im Grund-
stückskaufvertrag ergeben.
Eine häufig anzutreffende Regelung ist, dass der Käufer alle Erschließungskosten oder
Anschluss- oder Ausbaubeiträge zu tragen hat, die erstmals nach Besitzübergang angefordert
werden.
Hierbei ist jedoch zu beachten, wer nach den Regelungen des BauGB gegenüber dem
öffentlich-rechtlichen Erschließungsträger beitragspflichtig ist. Diesbezüglich kommt es auf
die Person des Beitragspflichtigen669 bzw. auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Erschlie-
ßungsbeitrages670 an.
Soweit die Vertragsparteien vereinbaren, dass sämtliche Erschließungskosten und An-
schluss- oder Ausbaubeiträge, die erstmalig nach dem Übergang von Nutzen und Lasten ange-
fordert werden, vom Käufer zu tragen sind, kann dieses wie folgt zu Problemen führen: Ge-
667 Wilhelms, NJW 2003, S. 1420 (1425). 668 Siehe oben, 1.3.2, 1.3.3. 669 Siehe Teil B II 4.1.11. 670 Siehe Teil B II 4.1.12.
127
hen die Vertragsparteien bei dieser Gestaltung davon aus, dass Erschließungskosten noch ge-
ltend gemacht werden für Erschließungsmaßnahmen, die bekanntermaßen durchgeführt wor-
den sind, so werden sie bei der dargestellten Situation regeln, dass die vereinbarten Erschlie-
ßungskosten vom Käufer getragen werden. Diese haben sie dann bei der Höhe bzw. der Be-
messung des Kaufpreises berücksichtigt. Nach den zuvor dargestellten Regelungen671 wird
der Erschließungsbeitrag jedoch von demjenigen gefordert, der im Zeitpunkt des Erlasses des
rechtswirksamen Beitragsbescheides als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Das wird
häufig noch der Verkäufer sein. Dieser erhält insofern den Beitragsbescheid und ist gegenüber
dem Erschließungsträger Beitragsschuldner. Die entsprechende vertragliche Abrede führt da-
zu, dass im Innenverhältnis der Verkäufer vom Käufer Freistellung bzw. Ersatz der verauslag-
ten Erschließungskosten verlangen kann gemäß den Regelungen zum Schuldbeitritt. Der
Anspruch des Verkäufers ergibt sich dann aus § 328 i. V. m. § 335 BGB, da der Schuldbeitritt
als Vertrag zugunsten Dritter auszulegen ist.672 Dieses führt jedoch nur dann zu dem ge-
wünschten Ergebnis, wenn der Käufer auch zahlungsfähig ist. Ist jedoch zwischenzeitlich
beim Käufer die Illiquidität eingetreten und führt auch eine Verwertung des Grundstückes
infolge Belastung durch Dritte zu keinem wirtschaftlichen Ausgleich, kann dies zur Folge
haben, dass der Verkäufer auf den Erschließungskosten „sitzen bleibt“.
Umgekehrt kann es sich jedoch auch ergeben, dass, falls die Vertragsparteien vereinbart
haben, dass der Verkäufer die noch zu erhebenden Erschließungskosten trägt und der Käufer
im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides bereits als Eigentümer eingetragen ist, die-
ser die Kosten zu tragen hat. Hier ist nämlich der Käufer nämlich als Beitragsschuldner he-
ranzuziehen und kann wiederum aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Regelung intern
Zahlungsausgleich oder Freistellung abfordern. Ist der Verkäufer hierzu nicht in der Lage
oder nicht auffindbar, so geht auch diese vertragliche Regelung ins Leere, da gegenüber dem
Erschließungskostenträger, wie dargestellt, der im Grundbuch eingetragene Eigentümer haf-
tet.
Auch eine individuelle vertragliche Vereinbarung, die auf die – vermeintlichen – indivi-
duellen Probleme des Einzelfalles abstellt, schützt nicht vor Rechtsnachteilen. Mit der Schuld-
rechtsreform hat der Gesetzgeber die Absicht verbunden, durch den neugestalteten § 436
BGB solche Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Im Ergebnis lässt sich aber feststellen, dass
durch die Neufassung des § 436 BGB diese Absicht nicht erfüllt werden konnte. Insofern
stellt sich die Frage, welche Absicht der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 436 BGB ge-
habt hat, inwiefern diese durch die gesetzliche Gestaltung erfüllt worden ist und wie sie mög-
licherweise besser regelbar gewesen wäre.
671 Siehe Teil B II 4.1.11. 672 BGH, NJW 1979, S. 157 ff.
128
1.3.5. Würdigung der Neuregelung des § 436 BGB
Zusammenfassend ist feststellen, dass der Gesetzgeber mit dem Ziel zu vermeiden, dass die
Tragung von Erschließungskosten bei Grundstückskaufverträgen von dem Zufall abhängt, ob
der Beitragsbescheid vor oder nach Besitzübergang ergeht, mit dem neu geschaffenen § 436
BGB eine Regelung getroffen hat, die zu sehr viel unbilligeren Ergebnissen in Einzelfällen
führt, als dies bei der alten Regelung des § 436 BGB der Fall war. Insofern stellt sich die Fra-
ge, ob das gesetzliche Ziel mit dem neu geschaffenen § 436 BGB erreicht wurde und durch
die alte Fassung des § 436 BGB nicht vielmehr sehr viel bessere Ergebnisse erzielt wurden.
Ein Ergebnis, wonach ein Verkäufer noch Jahre nach Vertragsabschluss mit Erschließungs-
kosten belastet werden konnte, die ein zigfaches des Kaufpreises betragen, ohne dass er dieses
vorhersehen und vermeiden konnte, war aufgrund der alten Gesetzeslage nicht vorstellbar.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob eine gesetzliche Regelung denkbar ist, die – immer
vorausgesetzt, dass keine konkrete Erschließungsregelung im Kaufvertrag getroffen worden
ist – für den normalen Vertragsfall eine gerechtere Rechtsfolge auslöst.
Eine derartige Regelung fand sich schon in den Überlegungen des Bundestages zum
Entwurf des neu geschaffenen § 436 BGB wieder. Dort hatte die Schuldrechtskommission
eine Verteilung nach dem tatsächlichen Ausbauzustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
vorgeschlagen.673 Damit dürfte in jedem Fall eine gerechtere gesetzliche Regelung gegeben
sein, da hierbei nach dem geltenden Vorteilsprinzip jede Vertragsseite nur das zu bezahlen
hat, was ihr tatsächlich bis zum Vertragsschluss an Nutzungsvorteilen zugeflossen ist bzw.
zufließt. Aber auch diese Regelung beinhaltet insofern wieder eine Benachteiligung, als zwi-
schen dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und dem Zeitpunkt des Überganges von Nutzen
und Lasten ein sehr großer Zeitrahmen liegen kann. Dies ist beispielsweise denkbar, wenn
nach Vertragsabschluss, aber vor Besitzübergang Rechtsstreitigkeiten begonnen werden, die
den Besitzübergang für einen längeren, möglicherweise jahrelangen dauernden Zeitraum hi-
nauszögern. Insofern wäre es wiederum ungerecht, den Käufer für Erschließungskosten haften
und zahlen zu lassen, die ihm nicht als Vorteil zufließen, weil er keinen Nutzen am Grund-
stück hat. Deshalb wäre es am gerechtesten, auf den Zeitpunkt des Besitzüberganges abzustel-
len, d. h. der Verkäufer hätte die Erschließungskosten bis zum Zeitpunkt des Überganges von
Nutzen und Lasten zu tragen, der Käufer die Erschließungskosten, die durch Arbeiten und
Maßnahmen entstanden sind, die nach dem Zeitpunkt des Besitzüberganges durchgeführt
wurden. Der Vorschlag der Schuldrechtskommission wurde verworfen, weil auf Schwierig-
keiten bei der Abwicklung dieses Gesetzes hingewiesen wurde, die sich daraus ergeben kön-
nen, dass der Ausbauzustand bei Vertragsabschluss häufig nicht leicht zu ermitteln ist, insbe-
sondere dann, wenn im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung, die sehr viel später
stattfindet, die Höhe der Erschließungskosten noch einmal korrigiert oder verändert wird.674
673 BT-Drucks. 14/6040, S. 219. 674 BT-Drucks. 14/6040, S. 219.
129
Diese Einwände sind nicht sachgerecht. Der Gesetzgeber hat sich im Bereich des Er-
schließungs- und Ausbaubeitragsrechtes dafür entschieden, dass der Grundstückseigentümer
Beiträge für die Maßnahmen zu erbringen hat, durch die er einen Vorteil erhält. Einen Vorteil
erhält jedoch nur derjenige, der das Grundstück tatsächlich nutzt, der Eigentümer, der nicht
Nutzer ist, dadurch, dass er durch die Maßnahme eine Werterhöhung des Grundstückes er-
fährt, die bei einem Verkauf durch einen höheren Kaufpreis ausgeglichen wird, der Käufer
und Nutzer durch die mit der Maßnahme verbundenen Nutzungsvorteile. Wurde ein Kaufver-
trag abgeschlossen und eine derartige Regelung zur Verteilung der Erschließungskosten ver-
einbart, so wäre dieses Prinzip dann eingehalten und erfüllt, wenn der Kaufpreis exakt die
Erschließungsvorteile berücksichtigt und vergütet, die im Zeitpunkt des Nutzungsüberganges
vorliegen. Die Problematik bei dieser Gestaltung liegt nur noch darin, dass, wie schon mehr-
fach erwähnt, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unter Umständen nicht klar ist, wann
konkret der Übergang von Nutzen und Lasten eintritt und das ferner die Ermittlung der antei-
ligen Erschließungskosten bis zum jeweiligen Zeitpunkt nur schwer durchführbar ist. Auf-
grund der Komplexität der Erschließungskostentragungspflicht ist es nahezu zwingend not-
wendig, eine den individuellen Verhältnissen angepasste Regelung zur Kostentragung im
Kaufvertrag zu treffen. Die gesetzliche Regelung soll, so ist das auch vom Gesetzgeber vorge-
sehen675, nur eine Auffangregelung für den Fall darstellen, dass eine individuelle Regelung im
Vertrag nicht gefunden wurde. Insofern ist eine Regelung, die dem tatsächlichen Nutzungs-
vorteil entspricht, weitaus gerechter und sinnvoller als eine Regelung, die im Einzelfall zu
sittenwidrigen Ergebnissen führen kann. Da es grundsätzlich Ziel der Gesetzgebung sein
muss, einen gerechten Ausgleich zwischen den beiderseitigen Vertragspflichten zu finden, ist
einer Regelung der Vorzug zu geben, die entsprechend der Intention des Gesetzgebers zur
Regelung der §§ 127 ff. BauGB die Kosten demjenigen auferlegt, dem der Nutzungsvorteil
zufließt.
2. Fazit und Schlussfolgerung
Aus diesen Ausführungen folgt im Ergebnis, dass eine gesetzliche Formulierung wünschens-
wert wäre, die den allgemeinen Erwägungen des Erschließungsrechtes, aber auch den Überle-
gungen der Schuldrechtsänderungskommission zur Neufassung des § 436 BGB entspricht, d.
h. klare und eindeutige Ergebnisse liefert und den Kostentragungspflichtigen nur mit den
Kosten belastet, die für Maßnahmen erhoben werden, die ihm auch tatsächlich einen Vorteil
gewähren. Insofern könnte eine gesetzliche Regelung, die diesem Prinzip entspricht, wie folgt
lauten:
675 BT-Drucks. 14/6040, S. 219.
130
„Enthält ein Kaufvertrag keine Regelungen über die Verteilung der Erschließungskos-
ten, Anschluss- oder Ausbaubeiträge, so ist der Verkäufer zur Tragung der Kosten für
Maßnahmen verpflichtet, die bis zum Zeitpunkt des Überganges von Nutzen und Las-
ten durchgeführt wurden; nach diesem Zeitpunkt hat der Käufer die Kosten zu tragen.“
131
Teil E
Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
1. Die Arbeit hat gezeigt, wie schwierig eine Gestaltung eines Grundstückserwerbsvertrages
im Hinblick auf die Regelung der Kostentragungspflicht für Erschließungskosten, Anlieger-
und Ausbaubeiträge ist. Da zum Teil weder die konkrete Inaugenscheinnahme noch die Ein-
holung von Auskünften bei den zuständigen Erschließungsträgern ausreichende Sicherheit
bietet, kann der Vertragsjurist, der mit der Anfertigung derartiger Verträge beauftragt wird,
die Regressgefahr gemäß § 19 BNotO bzw. § 280 i. V. m. c. i. c. aus § 311 Abs. 2 und 3676
nur dadurch reduzieren, dass er sich mit der Problemstellung eingehend beschäftigt. Die Reg-
reßgefahr trifft hier alle mit der Anfertigung von Grundstücksverträgen betrauten rechtsbera-
tenden Berufe. Sie ergibt sich für den Notar gemäß § 19 BNotO im Falle einer Amtspflicht-
verletzung, für den Rechtsanwalt gemäß § 280 i. V. m. c. i. c. aus § 311 Abs. 2 und 3 BGB
bei Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht des Anwaltsvertrages.569
Die Pflicht des Notars, der mit der Anfertigung und Beurkundung eines Kaufvertrages beauft-
ragt wird, ist es, den wahren Willen der Parteien zu erforschen677 und in der Urkunde wieder-
zugeben, ferner durch die Vertragsgestaltung darauf zu achten, dass keine der Parteien be-
nachteiligt wird.678 Führt die Tätigkeit des Notars zu einem Schaden auf einer Vertragsseite,
so hat er diesen gemäß § 19 BNotO zu ersetzen, wenn er dies erkennen und durch eine andere
Regelung vermeiden konnte,679 falls er über das bestehende Risiko nicht ausreichend belehrt
hat.680 Daraus folgt, dass der Notar auf Schadensersatz haftet, wenn er ein Rechtsgeschäft
beurkundet, bezüglich dessen er erkennen konnte, dass es nichtig ist.681 Wie zuvor ausge-
führt,682 sind Ablösevereinbarungen in Grundstückskaufverträgen nur wirksam, wenn sie of-
fengelegt werden.574 Im Umkehrschluss führen z. B. Kaufverträge mit der Vereinbarung ver-
deckter Ablösungsvereinbarungen zu Nichtigkeit des Vertrages. Hat der Notar bei Anferti-
gung des Vertrages durch eine Vertragsseite die Information erhalten, dass im Kaufpreis z.B.
beim Verkauf durch die Gemeinde eine verdeckte Ablösung enthalten ist und beurkundet er
dies dennoch, haftet er auf Schadensersatz gemäß obiger Ausführungen. Das gleiche gilt für
den Rechtsanwalt, der einen derartigen Vertragsentwurf erstellt.
676 Zur Haftung des Notars § 839 BGB Palandt, Kommentar zum BGB, § 839 Rn. 149 – 175; zur Haftung des Rechtsanwalts Palandt, Kommentar zum BGB, § 280 Rn. 66 ff. 677 BGH NJW-RR 2003, S. 1565 ff. 678 BGH NJW 1990, S. 1484 ff. 679 Palandt, Kommentar zum BGB, § 839 Rn. 154. 680 Palandt, Kommentar zum BGB, § 839 Rn. 157. 681 BGH NJW RR-2001, S. 1658 ff. 682 Siehe Teil B II 9.6.
132
2. Eine allgemeine Regelung, die jedem Einzelfall gerecht wird, ist nicht zu finden. Deswegen
sollte bei jeder Vertragsgestaltung die individuelle Tatbestandssituation berücksichtigt und
mit einer dafür zugeschnittenen Vereinbarung versehen werden. Der Versuch des Gesetzge-
bers, eine gerechte Regelung für den Fall zu formulieren, dass keine Absprachen getroffen
worden sind, dürfte als fehlgeschlagen zu werten sein. Die gesetzliche Regelung führt zu einer
Lastenverteilung, die dem Prinzip des Erschließungsrechtes (Kostentragungspflicht gegen
Vorteilsgewährung) nicht mehr entspricht. Da die gesetzliche Regelung ohnedies immer nur
„der letzte Ausweg“ ist, falls die Vertragsparteien keine individuelle Abrede getroffen haben,
sollte diese dann zumindest so formuliert sein, dass sie dem vorgenannten Prinzip des gesam-
ten Erschließungsrechtes entspricht. Eine Regelung, die individuelle Abreden entbehrlich
macht, enthält auch die zuvor vorgeschlagene Formulierung selbstverständlich nicht. Diese
dürfte es auch nicht geben.
3. Insofern bedarf es zu einer vernünftigen Regelung zunächst der Ermittlung und Prüfung der
Frage, welches Vertragsverhältnis vorliegt. Hier ist zunächst zu betrachten, ob es sich um den
Verkauf einer juristischen oder privaten Person oder um den Verkauf einer Gemeinde handelt.
Beim Verkauf durch die Gemeinde ist wiederum zu differenzieren, ob es sich um ein er-
schlossenes oder unerschlossenes Grundstück handelt. Handelt es sich um ein unerschlosse-
nes Grundstück, sollte keinesfalls auf die gesetzliche Regelung des § 436 BGB abgestellt
werden, sondern es sollte zunächst durch Nachfrage bei den zuständigen Erschließungsträgern
geklärt werden, ob für das Grundstück derzeit keine konkreten Erschließungsarbeiten durch-
geführt werden. Sodann sollte das Problem erörtert werden, dass durch eine künftige Ände-
rung der Nutzungsart bereits in der Vergangenheit durchgeführte Erschließungsmaßnahmen
auch Belastungen für das vertragsgegenständliche Grundstück auslösen könnten. Für diesen
Fall sollte dann eine Vereinbarung der Vertragsbeteiligten herbeigeführt werden, die regelt,
wer derartige Kosten zu tragen hat. Derartige Kosten müssten vom Käufer zu tragen sein,
weshalb dann eine Regelung sinnvoll wäre, die besagt, dass Erschließungskosten oder Aus-
baubeiträge, die nach Übergang von Nutzen und Lasten erstmalig angefordert werden, durch
den Käufer zu tragen sind. Diese Regelung erscheint am sachgerechtesten, da der Käufer mit
dem Übergang von Nutzen und Lasten auch das wirtschaftliche Risiko des Grundstückes trägt
und insofern auch für derartige Belastungen aufzukommen hat.
4. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass ein bereits zum Teil oder insgesamt erschlossenes
Grundstück verkauft wird.
a) Keinesfalls sollte die Formulierung gewählt werden, dass die Gemeinde als Verkäufer auf
die Erhebung von Erschließungskosten für das verkaufte Grundstück verzichtet. Da der Ver-
zicht auf Erschließungskosten einem Erlass gleichkommt, wäre dies nach § 135 Abs. 5
BauGB ausgeschlossen. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nach § 135 Abs. 5 Satz 2 BauGB
133
nur dann, wenn die Geltendmachung von Erschließungskosten persönlich oder sachlich unbil-
lig wäre oder wenn die Nichterhebung im öffentlichen Interesse liegt.
b) Bei der weitaus häufiger gewählten Formulierung, dass der Kaufpreis alle Erschließungs-
kosten und Kommunalabgaben beinhaltet, ist aber ebenfalls Vorsicht geboten. Derartige Ver-
einbarungen sind als Vereinbarung zur Ablösung der Erschließungskosten zu werten. In die-
sem Fall muss geprüft werden, ob die Gemeinde im Vorfeld ausreichende Ablösungsbestim-
mungen nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB erlassen hat. D. h. es muss zunächst geprüft wer-
den, ob eine rechtskräftige Erschließungsbeitragssatzung erlassen wurde, und es sollte dann
ausgerechnet werden, ob der Anteil der Erschließungskosten, der im Kaufpreis enthalten ist,
den Satzungsvorgaben entspricht. Empfehlenswert ist es, den Erschließungskostenanteil ge-
sondert aufzuweisen, sodass diese Überprüfung jederzeit nachvollzogen werden kann.
5. Die Darstellung hat aber auch gezeigt, dass bei Grundstückskaufverträgen zwischen Privat-
personen auf die Erschließungskostenregelung ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit verwendet
werden sollte. Um auch hier die Vertragsbeteiligten vor unliebsamen Überraschungen zu
schützen, sollten diese oder deren rechtliche Berater zunächst prüfen, auf welcher Rechts-
grundlage die Erschließung durchgeführt wurde.
6. Beim Verkauf eines Grundstückes durch einen Bauträger oder eine Privatperson, der oder
die als Erschließungsunternehmer gemäß Erschließungsvertrag mit der Gemeinde die Er-
schließung selbst durchgeführt hat, sollte nach §§ 631, 633, 640 BGB geprüft werden, ob
sämtliche Erschließungsmaßnahmen erbracht und mangelfrei abgenommen worden sind und
vollständig bezahlt wurden. Hierzu sollte der Erschließungsvertrag zwischen der Gemeinde
und dem Erschließungsunternehmer eingesehen werden. Wenn die Erschließungsmaßnahmen
nicht beendet sind, sollte geprüft werden, ob der Erschließungsvertrag eine ausreichende Re-
gelung und Sicherung für den Fall vorsieht, dass der Erschließungsunternehmer die Erschlie-
ßung aus welchen Gründen auch immer nicht beendet. Für diesen Fall muss sichergestellt
sein, dass der Vertrag die Möglichkeit für die Gemeinde vorsieht, auf die Erschließungskosten
deckende finanzielle Mittel zugreifen zu können, um die Erschließung dann selbständig zu
beenden. Nur für diesen Fall ist der Käufer vor dem Risiko geschützt, dass eine nochmalige
Erschließung durch die Gemeinde durchgeführt und er mit weiteren Erschließungskosten be-
lastet wird. Zwar hat der Käufer u. U. Schadenersatzansprüche, wenn die Gemeinde auf derar-
tige Sicherungsvereinbarungen bei Abschluss des Erschließungsvertrages verzichtet hat,
gleichwohl erspart die entsprechende vorvertragliche Prüfung die spätere Auseinanderset-
zung.
7. Eine ähnliche Problemkonstellation liegt vor, wenn die Erschließung nicht durch den Ver-
käufer selbst, sondern durch einen Dritten aufgrund eines Vertrages mit der Gemeinde durch-
geführt wird. In diesem Fall hat der Käufer nämlich keinen Anspruch auf einen berichtigen-
134
den Erschließungsvertrag. Hier sollte er darauf hinwirken, dass die Einsicht in den Erschlie-
ßungsvertrag entweder durch die Gemeinde gewährt wird oder er sollte vor Abschluss des
Kaufvertrages den Verkäufer dazu bewegen, ihm die entsprechende Einsichtsmöglichkeit zu
beschaffen. Anderenfalls bestehen die zuvor (6.) beschriebenen Risiken ebenfalls.
8. Aber auch wenn der Käufer ein Grundstück von einem Verkäufer erwirbt, hinsichtlich des-
sen er davon ausgeht, dass die Erschließungskosten bereits bezahlt und abgegolten sind, ergibt
sich das Risiko, dass eine Vertragsseite durch fehlerhafte Vertragsgestaltung bzw. nicht aus-
reichende Vorprüfung mit unvorhergesehenen Kosten belastet wird. Aus diesem Grunde soll-
ten die Vertragsparteien grundsätzlich in diesem Zusammenhang prüfen, auf welcher Grund-
lage möglicherweise bereits abgegoltene Erschließungskosten beglichen wurden.
a) War Grundlage eine Ablösungsvereinbarung, so sollte analog den obigen Ausführungen683
geprüft und sichergestellt werden, dass die Ablösungsvereinbarung rechtswirksam getroffen
wurde. Da die Erschließungskosten als öffentliche Last auf dem Grundstück haften, besteht
nämlich im Falle einer unwirksam getroffenen Ablösungsvereinbarung und der nochmaligen
Geltendmachung des Erschließungsbeitrages durch die Gemeinde für den Käufer das Risiko,
dass er diese Kosten zu tragen hat, wenn der Verkäufer infolge Illiquidität für die insofern
trotz gezahlter Ablösung noch einmal entstehenden Erschließungsbeiträge nicht aufkommen
kann.
b) Erklärt der Verkäufer bei der Überprüfung im Vorfeld des Vertragsabschlusses, die Er-
schließungskosten durch Vorausleistung mit der Gemeinde abgegolten zu haben, so ist wiede-
rum Vorsicht geboten. Zahlungspflichtig aufgrund eines ergangenen Vorausleistungsbeschei-
des ist der Adressat des Bescheides. Dies ist im Regelfall der Verkäufer, der erklärt, die Er-
schließungskosten durch Vorausleistungsbescheid beglichen zu haben. Wie dargestellt,684
ergibt sich bei einem Vorausleistungsbescheid jedoch die Möglichkeit, dass die durch den
Bescheid geltend gemachten Kosten zu niedrig oder zu hoch waren oder insgesamt zurück-
zuerstatten sind und deshalb die Erschließungskosten noch einmal zu begleichen sind. Diese
Gefahr muss bedacht werden, wenn ein entsprechender Vertrag abgeschlossen wird. Aus die-
sem Grund muss der Vertrag regeln, wer bei einer Überzahlung die Rückerstattung erhält, wer
im Falle einer notwendigen Nachzahlung diese zu leisten hat (§ 134 BauGB) und wer, falls
die komplette Vorausleistung mangels fristgemäßer Durchführung der Erschließung zurücker-
stattet wird, diese Leistung erhält. Gegebenenfalls muss, wenn dies der Käufer sein soll, der
Verkäufer seine entsprechenden Ansprüche aus dem Bescheid abtreten. Gleichwohl muss der
Vertrag für diesen Fall eine Regelung beinhalten, wonach festgelegt wird, wer die dann durch
neuerliche Erschließung möglicherweise höheren oder niedrigeren Kosten zu tragen hat. Im
683 Siehe oben, 4b i. V. m. Teil B II 9.6. 684 Siehe Teil B II 9.7.
135
Regelfall wird dies ohnehin der Käufer und neue Eigentümer sein, gleichwohl bedarf es der
Vereinbarung, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
c) Aber auch in den Fällen, in denen der Verkäufer erklärt, die Erschließungskosten gemäß
ergangener Bescheide beglichen zu haben, ist nicht zu empfehlen, auf eine Vorprüfung und
entsprechende Abreden zu verzichten. Zunächst besteht die Gefahr, dass die Angabe wahr-
heitswidrig ist und deshalb der Käufer bei Illiquidität des Verkäufers nach § 134 BauGB wie-
derum herangezogen wird. Aus diesem Grunde sollte beim Erschließungsträger erfragt wer-
den, ob die Angabe wahrheitsgemäß ist. Hat der Verkäufer gegen den Bescheid Widerspruch
oder gar Klage erhoben, muss geregelt werden, wer die Ansprüche bei welchem Ausgang des
Verfahrens zu erfüllen hat.
d) Zudem ist es denkbar, dass der Verkäufer zwar wahrheitsgemäß erklärt, alle Erschlie-
ßungskosten beglichen zu haben, sich aber über den Umfang der Erschließungsleistung und
über den Umstand, dass weitere Erschließungskosten aus bereits durchgeführten Erschlie-
ßungsmaßnahmen geltend gemacht werden, getäuscht hat. Für diesen Fall sollte zunächst bei
allen in Frage kommenden Erschließungsträgern Auskunft darüber eingeholt werden, welche
Erschließungsmaßnahmen durchgeführt worden und inwiefern diese bezahlt sind und zum
anderen sollte eine Vereinbarung im Vertrag darüber enthalten sein, wer Erschließungskosten
zu tragen hat, wenn tatsächlich festgestellt wird, dass in der Vergangenheit Erschließungsleis-
tungen durchgeführt worden sind, die zukünftig erst abgerechnet werden. Dieses Risiko sollte
dem Käufer auferlegt werden, da er mit dem Übergang von Nutzen und Lasten am Grund-
stück in der Regel auch das wirtschaftliche Risiko des Grundstückes übernimmt. Gleichwohl
kann dieses auch keine pauschale Lösung sein, sondern diese sollte an dem jeweiligen Einzel-
fall ausgerichtet sein.
9. Die vorherigen Ausführungen685 gelten inhaltsgleich auch bei dem Erwerb von Wohnungs-
eigentum bzw. einem Erbbaurecht. Bei dem Erwerb von Wohnungseigentum haftet der Woh-
nungseigentümer für die Erschließungskosten entsprechend seinem Miteigentumsanteil. Über
die zuvor geschilderten Risiken und Gefahren hinaus beinhaltet der Erwerb von Wohnungsei-
gentum eine weitere Gefährdungssituation. Bekanntlich besteht die Möglichkeit, eine Dop-
pelhaushälfte oder ein Reihenhaus als Sondereigentum in Verbindung mit einem Miteigen-
tumsanteil an dem bebauten Grundstück zu gestalten. In diesem Fall haftet für Erschließungs-
kosten das Gesamtgrundstück und jeder Sondereigentümer mit seinem Miteigentumsanteil
anteilsmäßig. Hier ergibt sich eine spezielle Gefährdungssituation dann, wenn eine Doppel-
haushälfte oder ein Reihenhaus durch eine Erschließungsanlage erschlossen wird, die zwar
das Gesamtgrundstück, nicht aber das konkrete Gebäude erschließt. In diesem Fall ist es für
den Erwerber interessenwidrig, für derartige Erschließungskosten herangezogen zu werden,
da sie keine Verbesserung seines Vertragsgegenstandes darstellen. Daher sollte diesem Um-
685 Siehe oben, S. 1 – 8.
136
stand bei dem Abschluss eines entsprechenden Vertrages Rechnung getragen werden und der
Vertrag eine Regelung beinhalten, wer diese Kosten zu tragen hat. Gegebenenfalls sollte, so-
weit dies möglich ist, auch darauf geachtet werden, dass die Teilungserklärung diesen Fall
bereits vorsieht und regelt.
10. Die neu geschaffene Regelung des § 436 BGB führt für eine Vielzahl von Fällen zu unge-
rechten Ergebnissen. Insofern sollte jeder Grundstückserwerbsvertrag eine den individuellen
Erfordernissen angepasste Regelung zu der dargestellten Problemsituation enthalten. Ein Ver-
zicht auf eine derartige Regelung ist nur dort denkbar, wo einseitig das Interesse des Käufers
geschützt werden soll, dass dieser nicht für Maßnahmen herangezogen werden kann, die vor
Abschluss des Grundstückserwerbsvertrages durchgeführt worden sind. Hierbei muss sich der
Verkäufer bzw. sein rechtlicher Vertreter jedoch darüber im Klaren sein, dass diese Maßnah-
men u. U. im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht erkennbar und auch die Höhe der Kos-
ten für diese Maßnahmen nicht errechenbar waren. Er muss sich im Klaren darüber sein, dass
insofern für die Zukunft er sich der Gefahr aussetzt, mit überraschenden Erschließungskosten
konfrontiert zu werden, deren Entstehen er nicht erkennen konnte. Ist sich ein Verkäufer bzw.
sein rechtlicher Vertreter über diese Rechtsfolge im Klaren, so mag die Regelung des § 436
BGB zugrundegelegt werden bzw. der Vertrag bedarf keiner Vereinbarung zur Regelung der
Erschließungskostenverteilung; in allen anderen Fällen sollte das Eingreifen der gesetzlichen
Regelung vertraglich ausgeschlossen sein.
11. Vorzugswürdig bleibt stets eine auf den individuellen Vertragsfall zugeschnittene Verein-
barung, die den jeweiligen konkreten Interessen der Vertragsbeteiligten Rechnung trägt und
sie vor überraschenden Belastungen schützt.