Post on 21-Aug-2019
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Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 16. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Deutscher Bundestag Drucksache 19/10338 19. Wahlperiode 20.05.2019
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Tobias Pflüger, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/8674 –
Rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr
V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
In der Bundeswehr hat sich der Anstieg meldepflichtiger Ereignisse im Bereich Rechtsextremismus auch im Jahr 2018 fortgesetzt. Der Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages verzeichnete in seinem Jahresbericht (Bundestags-drucksache 19/7200) 170 solche Vorkommnisse, nach 167 im Jahr 2017 und 63 im Jahr 2016.
Der Wehrbeauftragte hält fest: „Die Bürgerinnen und Bürger müssen den Sol-datinnen und Soldaten, denen sie die Kriegswaffen der Republik überlassen, un-eingeschränkt vertrauen können, dass diese sich jederzeit für die im Grundge-setz verankerte freiheitliche demokratische Grundordnung im Dienst und außer-halb des Dienstes einsetzen.“
Die Fragestellerinnen und Fragesteller sehen in der bundeswehrinternen Praxis erhebliche Defizite beim Umgang mit Rechtsextremisten. So zeigen die Ant-worten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Fraktion DIE LINKE., dass immer wieder Soldatinnen und Soldaten, die „Hitlergrüße“ entbieten, SS-Parolen grölen, Musik rechtsextremer Bands hören oder rassistische Sprüche von sich geben, im Dienst verbleiben und sogar weiter an der Waffe ausgebildet werden.
So hat ein Kompanieführer, der einem Feldwebel gegenüber äußerte: „Sie wis-sen, was ich von Ihnen und Ihrer Arbeit halte, generell von allen Türken, die wir hier haben. Die sollten alle wieder zurück“ (Bundestagsdrucksache 19/1568, Anlage 1, Nummer 17), weiterhin Zugang zu Waffen. Über einen Soldaten auf Zeit wird berichtet, er habe den „Gruß der Wehrmacht“ entboten und gegenüber Auszubildenden und anderen Ausbildern „rechtsradikale Äußerungen“ getan (ebd., Nummer 66). Auch dieser Soldat hatte weiterhin Zugang zu Waffen. Ein Soldat, der eine Lehrgangskameradin mit den Worten „Heil Hitler, Du Fotze“ beleidigte, verblieb ebenfalls im Dienst und wurde weiterhin an der Waffe aus-gebildet. Das gleiche gilt für Soldaten, die eine „Adolf-Hitler-Figur“ basteln (ebd., Nummer 97), gegenüber Polizisten den „Hitlergruß“ zeigen (ebd., Num-mer 137) oder sich rassistisch äußern (ebd., Nummer 158).
Drucksache 19/10338 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Die Fragestellerinnen und Fragesteller haben der Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 19/1568) mindestens 18 solcher Beispiele entnommen, in denen Soldatinnen und Soldaten weiterhin die „Kriegswaffen der Republik“ in ihren Händen halten dürfen, obwohl – zumindest nach Auffassung der Fra-gestellerinnen und Fragesteller – ihre Äußerungen bzw. Handlungen in keiner Weise das Vertrauen begründen, sie würden jederzeit für die Werte des Grund-gesetzes eintreten.
Der Wehrbeauftragte schildert in seinem Jahresbericht den Fall eines Stabsge-freiten, der im Rahmen eines Lehrgangs angab, „dass er schwarze Menschen allgemein nicht möge, auch nicht mit ihnen spreche“. Er würde gerne in Argen-tinien leben, „weil es dort noch Nazis gebe.“ In der Folge kam es lediglich zu einer „empfindlichen Disziplinarmaßnahme“. Die Fragestellerinnen und Frage-steller haben schon mehrfach angeregt, solchen Soldatinnen und Soldaten den Zugang zu Waffen sofort zu verwehren und sie aus der Bundeswehr zu entfer-nen. Dass dies noch immer nicht in vollem Umfang geschieht, ist aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller ein fatales Signal. Offenbar ist Antifaschis-mus weiterhin kein Leitmotiv der Bundeswehr.
Die Fragestellerinnen und Fragesteller haben zudem die Sorge, dass der Ver-bleib von rechtsextremen Soldaten in der Truppe auf diejenigen Soldaten, die Meldung erstattet haben, abschreckend wirkt. Solche Soldatinnen und Soldaten stehen nach einem Bericht des Politmagazins „Kontraste“ vom 31. Januar 2019 ohnehin unter erheblichem Druck. In der Sendung wird der Fall des Soldaten F. W. geschildert, der in der Vergangenheit zahlreiche rechtsextreme Ver-dachtsfälle gegenüber dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gemeldet hatte, sich aber darüber beklagt, dass solche Meldungen nicht erwünscht seien und er als „Nestbeschmutzer“ gelte. Das Bundeswehr-Personalamt habe ihm mitgeteilt, es strebe seine Entlassung an, weil er „charakterlich“ nicht geeignet sei – als Grund dafür sei auf seine zahlreichen Meldungen verwiesen worden, „in denen Sie anhaltend vorgeben, auf mögliche rechtsextreme Tendenzen und auf undemokratisches Verhalten […] hinweisen zu wollen.“
Wenn Soldatinnen und Soldaten, die rechtsextreme Vorkommnisse melden, deswegen mit ihrer Entlassung rechnen müssen, braucht man sich aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller nicht über rechtsextreme Vorfälle in der Truppe zu wundern.
1. Welche Meldungen zu rechtsextremistischen, rassistischen oder antisemiti-schen Vorfällen sind den Dienststellen der Bundeswehr im Jahr 2018 be-kannt geworden (bitte alle 170 vom Wehrbeauftragten angeführten sowie evtl. nachgemeldeten Vorfälle einzeln darstellen)?
a) Welchen Status hatten die beschuldigten Soldatinnen und Soldaten (Be-rufssoldat, Soldat auf Zeit, freiwillig Wehrdienstleistender)?
b) Wann, und wo fanden die Vorfälle statt?
c) Wie wurden die Sachverhalte beschrieben (bitte den Inhalt der Meldung bzw. des Vorfalls kurz wiedergeben)?
d) Welche disziplinarischen und strafrechtlichen Maßnahmen wurden gegen die betroffenen Soldatinnen und Soldaten eingeleitet?
e) Welche Vorfälle können nach jetzigem Kenntnisstand im Wesentlichen als bestätigt gelten, und inwiefern sind die für diese Vorfälle Verantwort-lichen der Bundeswehr namentlich bekannt?
f) Haben die beschuldigten Soldatinnen und Soldaten weiterhin Zugang zu Waffen?
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10338
g) Werden die beschuldigten Soldatinnen und Soldaten, sofern sie vor der Meldung als Ausbilder eingesetzt wurden, weiterhin als Ausbilder einge-setzt?
h) Erteilen die beschuldigten Soldatinnen und Soldaten, sofern sie vor der Meldung als Vorgesetzte Befehle erteilen konnten, weiterhin Befehle?
Die Fragen 1 bis 1h werden zusammen beantwortet.
Die Angaben sind der Anlage 1* zu entnehmen.
2. Welche Aktualisierungen zu den Angaben auf Bundestagsdrucksache 19/1568 (in Anlage 1 und 2) kann die Bundesregierung vornehmen (bitte vollständig angeben)?
Die aktualisierten Angaben sind der Anlage 2* zu entnehmen.
3. Trifft es zu, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Jahr 2018 270 Verdachtsfälle mit Bezug auf Rechtsextremismus neu aufgenommen hat (vgl. Berliner Morgenpost, 8. Februar 2019) und in vier Fällen einen Ver-dacht als bestätigt einschätzt (bitte ggf. korrigieren)?
Es ist zutreffend, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Jahr 2018 270 Verdachtsfälle im Phänomenbereich Rechtsextremismus aufgenommen hat. In vier Fällen wurden die Verdachtspersonen als Extremist eingestuft.
a) Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht mit Stand Ende Januar 2019 in bislang 13 Fällen den Ver-dacht als bestätigt ansieht (meist Propagandadelikte), der MAD aber weit weniger Fälle als bestätigt betrachtet?
Die im Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages (WBdBT) genannten Zah-len haben die Meldepflichtigen Ereignisse im Meldewesen Innere und Soziale Lage der Bw zur Grundlage. Die darin enthaltenen Sachverhalte sind, sofern der Verdacht auf ein Dienstvergehen besteht, Gegenstand von Ermittlungen der je-weils zuständigen Disziplinarvorgesetzten. Im Berichtsjahr 2018 des WBdBT konnte bisher die Bearbeitung in 42 Verdachtsfällen abgeschlossen werden. In 29 Fällen waren keine Dienstvergehen festzustellen. Somit verbleiben 13 Fälle. Vermutlich sind dies die 13 in der Fragestellung genannten Fälle, bei denen die Fragestellerinnen und Fragesteller davon ausgehen, dass sich der Verdacht bestä-tigt hat.
Die Zahlen des MAD haben Verdachtsfälle zur Grundlage, bei denen der MAD die ihm vorliegenden Informationen als tatsächliche Anhaltspunkte für Bestre-bungen im Sinne des § 1 Absatz 1 des Gesetzes über den militärischen Abschirm-dienst (MAD Gesetz) in Verbindung mit dem § 4 des Bundesverfassungsschutz-gesetzes (BVerfSchG) bewertet.
Von allen im Jahr 2018 abgeschlossenen Verdachtsfällen im Phänomenbereich Rechtsextremismus kam der MAD in vier Fällen zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Personen um Extremisten handelte.
* Von einer Drucklegung der Anlage wurde abgesehen. Diese ist auf Bundestagsdrucksache 19/10338 auf der Internetseite des Deutschen
Bundestages abrufbar.
Drucksache 19/10338 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Die Bestätigung des Verdachts bei disziplinaren Ermittlungen im Hinblick auf ein mögliches Dienstvergehen und die Bestätigung des Verdachts im Rahmen ei-ner nachrichtendienstlichen Operation des MAD im Hinblick auf mögliche ver-fassungsfeindliche Bestrebungen bilden unterschiedliche Ergebniskategorien. Daher sind die jeweiligen Zahlen nicht miteinander vergleichbar.
b) Erfasst der MAD Soldaten, die den „Hitlergruß“ zeigen, SS-Parolen rufen oder Hakenkreuze schmieren, nicht als Rechtsextremisten?
Alle Verdachtsfälle mit mutmaßlichen extremistischen Hintergrund führen zu ei-ner Verdachtsfallbearbeitung durch den MAD. Sofern die genannten Taten im Zuge der Ermittlungen nicht die Kriterien des § 4 BVerfSchG erfüllen, kann da-raus keine Einstufung als Rechtsextremist erwachsen. Werden einem Angehöri-gen des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) Bestrebungen im Sinne dieser Norm nachgewiesen, ist er als Extremist zu bewer-ten. Ungeachtet dessen erfolgt immer eine Prüfung, ob die vorhaltbaren Erkennt-nisse auf eine fehlende Verfassungstreue hinweisen. Bei Verdacht eines damit in Verbindung stehenden Dienstvergehens werden, unabhängig von der Einstufung durch den MAD, in einer jeweiligen Einzelfallbearbeitung disziplinarrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Ferner können im Rahmen einer Einzelfallbetrach-tung personalrechtliche Maßnahmen greifen.
4. Um welche konkreten Sachverhalte oder Betätigungen ging es in den vom MAD bestätigten Fällen mit Rechtsextremismus-Bezug, und welche Maß-nahmen wurden gegen die Betroffenen ergriffen?
In allen vier Fällen des Jahres 2018 führte die langjährige Mitgliedschaft der je-weiligen Personen in rechtsextremistischen Organisationen zur Einstufung als Extremist. Drei dieser Extremisten wurden bereits entlassen, bei dem vierten ist eine Entlassung beabsichtigt.
5. Wie viele Verdachtsfälle mit Bezug auf Rechtsextremismus sind derzeit noch beim MAD in Bearbeitung, und in welchen Jahren wurde der Ver-dachtsfall jeweils aufgenommen?
Aktuell bearbeitet der MAD 428 Verdachtsfälle mit Bezügen zum Rechtsextre-mismus. Derzeit werden aus den Aufnahmejahren die folgende Anzahl der Ver-dachtsfallbearbeitungen noch durchgeführt:
2011 1 2013 2 2014 6 2015 11 2016 29 2017 103 2018 204 2019 72
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10338
6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass in jenen Fällen, die beispielhaft in der Vorbemerkung der Fragesteller angeführt werden, das Vertrauen begrün-det ist, dass bei den betreffenden Soldaten die Waffen der Republik in guten Händen sind und sie sich jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grund-ordnung einsetzen werden?
Falls ja, bitte begründen, und falls nein, warum haben diese dann weiterhin Zugang zu Waffen?
Die Bundesregierung verurteilt Extremismusformen jedweder Art im Personal-körper der Bundeswehr. Daher wird jeder Verdachtsfall verfolgt und basierend auf den durchgeführten Ermittlungen die notwendigen Konsequenzen gezogen. Bei allen Entscheidungen in solchen Fällen handelt es sich um Einzelfallbetrach-tungen und Einzelfallentscheidungen, die den jeweiligen Stand und die Ergeb-nisse der durchzuführenden Ermittlungen zu berücksichtigen haben. Dies bein-haltet sowohl die gebotenen disziplinaren Sanktionen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes als auch die davon zu unterscheidenden sonstigen truppendienstlichen Entscheidungen des zuständigen Vorgesetzten im Hinblick auf den Zugang einzelner Soldatinnen und Soldaten zu Waffen.
7. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund ihrer Äußerung in der Antwort zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 19/1568, wonach es der angestrebte Zweck disziplinarischer Maßnahmen sei, „Soldaten, die im Ver-dacht stehen, Dienstvergehen mit extremistischen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Hintergründen begangen zu haben, vom Zugang zu Waffen auszuschließen“, die Tatsache, dass dies in mehreren in der Vorbemerkung der Fragesteller exemplarisch erwähnten Fällen nicht geschah, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Die disziplinarrechtlich möglichen Maßnahmen des Dienstherrn gegenüber Sol-datinnen und Soldaten sind gesetzlich vorgeschrieben. Die Arten der rechtmäßig zur Verfügung stehenden einfachen und gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen werden durch § 22 und § 58 der Wehrdisziplinarordnung eingegrenzt. Unabhän-gig von der vorgeworfenen konkreten Pflichtverletzung einer Soldatin oder eines Soldaten ist dem Gesetz daher eine disziplinarrechtliche Konsequenz „Aus-schluss vom Zugang zu Waffen“ fremd. Ein Verbot des Dienstes an der Waffe und damit verbunden das Versagen des entsprechenden Zugangs ist jedoch indi-viduell unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls im Rah-men einer truppendienstlichen Entscheidung der zuständigen Vorgesetzten mög-lich.
8. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Soldatinnen und Sol-daten, die – wie in der Vorbemerkung der Fragesteller exemplarisch aufge-führt – rechtsextreme Verhaltensweisen an den Tag legen, nicht ausnahms-los aus der Bundeswehr entlassen werden, und inwiefern strebt sie eine ent-sprechende Verschärfung des Disziplinarrechts an?
Die Bundesregierung verurteilt Extremismusformen jedweder Art im Personal-körper der Bundeswehr. Die Bundeswehr ist daher bestrebt, auch erkannte Rechtsextremisten sowie solche Soldatinnen und Soldaten, deren festgestellte Verhaltensweisen als rechtsextrem einzuordnen sind, unverzüglich zu entlassen. Hierbei ist die Bundeswehr im Rahmen der Bewertung des jeweiligen Einzelfal-les an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Eine Entlassung kommt seitens des Dienstherrn gemäß § 55 Absatz 4 Satz 1 (Nichteignung für eine höhere Lauf-
Drucksache 19/10338 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
bahn) und Absatz 5 (schuldhafte Dienstpflichtverletzung mit damit einhergehen-der ernstlicher Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr oder der militärischen Ordnung) des Soldatengesetzes (SG) nur bei Soldatinnen und Soldaten auf Zeit innerhalb der ersten vier Dienstjahre sowie gemäß § 55 Absatz 4 Satz 2 SG nur bei Laufbahnanwärtern in Betracht. Eine Berufssoldatin oder ein Berufssoldat ist zu entlassen, wenn die Voraussetzungen im Sinne des § 46 SG vorliegen. Im Üb-rigen ist eine vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses nur auf Grundlage des Disziplinarrechtes, d. h. im Wege eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens, denkbar. Auch im Fall der Anwendung der vorhandenen disziplinaren Möglich-keiten erfolgt immer eine Einzelfallentscheidung . Im Übrigen wird auf die Ant-wort zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 19/1568 verwiesen.
9. In wie vielen Fällen führten die Soldateneinstellungsüberprüfungen in den Jahren 2017 und 2018 (bitte getrennt darstellen) zur Ablehnung von Bewer-bern (bitte einzeln darstellen und ausführen, worin ggf. der Grund der Ab-lehnung bestand)?
Im Rahmen der Soldateneinstellungsüberprüfung wurde
2017 in 1 Fall und
2018 in 12 Fällen
ein Sicherheitsrisiko aus dem Bereich des Rechtsextremismus festgestellt. Das jeweilige Sicherheitsrisiko begründete sich in Zweifeln am Bekenntnis der be-troffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung.
10. Inwiefern spielt der im Bericht des Wehrbeauftragten (S. 33) genannte Be-griff der „Gewaltgeneigtheit“ eine Rolle bei der Einstellungsüberprüfung, und wie stellt sich die Bundeswehr einen Soldaten vor, der Gewalt völlig abgeneigt ist?
Im Rahmen aller militärischen Eignungsfeststellungsverfahren der Bundeswehr wird festgestellt, ob die Bewerber aufgrund ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften für die angestrebte Laufbahn und Verwendung ge-eignet sind. Aus diesem Grund werden sogenannte Eignungsmerkmale bei der Erfassung der soldatischen Grundeignung erhoben. Zu diesen Eignungsmerkma-len zählen unter anderem die Persönlichkeitsstabilität und Verhaltensstabilität. Diese Eignungsmerkmale zielen auf Voraussetzungen für ein erfolgreiches, ge-meinschaftsförderndes und rechtskonformes Verhalten ab. Es werden hierbei auf-fällige, die soldatische Gemeinschaft beeinträchtigende Ausprägungsgrade bei „psychischen Funktionsstörungen“, „sozialen Anpassungsstörungen“, „Gewalt- neigung“, „Dogmatismus“ und „Neigung zur Straffälligkeit“ festgestellt. Nega-tive Indikatoren hinsichtlich der Gewaltneigung sind hierbei Gewaltverherrli-chung, Hinweise auf Körperverletzungen o. Ä. Es wird in Erfahrung gebracht, inwieweit sich Bewerber provozieren lassen und zu unangemessenem Rückgriff auf Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung neigen. Extreme Ausprägungen in die-sen Merkmalsbereichen resultieren regelhaft in einer Nichteignung für den Sol-datenberuf.
Zudem ist für Personen, deren erstmalige Berufung in ein Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit beabsichtigt ist, eine einfache Sicherheitsüber-prüfung durchzuführen. Gleiches gilt für Personen, die erstmalig zum freiwilligen Wehrdienst oder erstmals zu einer Dienstleistung herangezogen werden sowie als Ungediente in ein Reservistendienstverhältnis berufen werden. Ziel ist es, dass
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/10338
extremistische oder gewaltgeneigte Personen vom Wehrdienst, insbesondere der Ausbildung an Waffen, ferngehalten werden sollen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/10009, S. 10 ff.) Damit ist die Gewaltgeneigtheit ein Sicherheitsaspekt, der zum Ausschluss von der militärischen Waffenausbildung führen kann.
Soldatinnen bzw. Soldaten sollten also grundsätzlich der Gewalt abgeneigt sein, sofern deren Ausübung nicht als Bestandteil der dienstlichen Pflichterfüllung not-wendig ist.
11. Wie viele rechtsextreme Verdachtsfälle wurden von Seiten der Bundeswehr nach Medienberichten an den Wehrbeauftragten übermittelt, und wie viele hiervon gehen jeweils auf Meldungen von Soldatinnen und Soldaten, von Zivilistinnen und Zivilisten oder auf andere zurück?
Dem WBdBT werden alle rechtsextremen Verdachtsfälle im Meldewesen Innere und Soziale Lage der Bundeswehr übermittelt. Eine Statistik, von wem die jewei-lige Meldung eines Vorfalles zur Kenntnis gebracht wurde, wird nicht geführt.
12. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass das Personalamt der Bundeswehr nach Medienberichten einen Soldaten, der mehrfach Meldungen über rechtsextreme Vorfälle erstattet hat, deswe-gen für charakterlich ungeeignet hält (vgl. Kontraste, 31. Januar 2019)?
Soldatinnen und Soldaten werden aus der Bundeswehr entlassen, sobald die ge-setzlichen Voraussetzungen für eine solche vorliegen. Eine weitergehende Beant-wortung der Frage ist aus Sicht der Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Abgeordneten und dem Schutz von Grund-rechten des Betroffenen, dessen Anonymität infolge des Fernsehbeitrages nicht hinreichend gewährleistet ist, nicht möglich. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem sämtliche persönlichen oder personenbezogenen Daten unterfallen, hat als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Verfas-sungsrang. Einschränkungen dieses Rechts sind nur im überwiegenden Allge-meininteresse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu-lässig. Angesichts der in der Fragestellung enthaltenden disziplinar-, straf- und statusrechtlichen Bezüge überwiegen die Rechte des Betroffenen. Auch eine ein-gestufte Beantwortung kommt vor dem Hintergrund der insoweit höchst sensib-len Daten nicht in Betracht.
a) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Erkenntnisse oder Untersu-chungen zur Frage, ob und inwiefern Soldatinnen und Soldaten, die – evtl. mehrfach – solche Meldungen machen, mit einem Karriereknick oder so-gar einer Entlassung aus der Bundeswehr rechnen müssen (bitte darstel-len)?
Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen Soldaten, die nachvoll-ziehbar rechtsextreme Vorkommnisse meldeten, mit einem „Karriereknick“ oder einer Entlassung rechnen mussten.
Drucksache 19/10338 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
b) Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Zahl von Fällen, in denen die Entlassung von Soldatinnen und Soldaten angestrebt wurde, die aufgrund der Meldung von Verdachtsfällen für charakterlich ungeeignet gehalten wurden?
Wenn ja, wie viele, in welchen Jahren, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Wenn nein, was will die Bundesregierung unternehmen, um sicherzustel-len, dass solche Entlassungsbemühungen künftig unterbleiben?
Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen Soldatinnen oder Solda-ten aufgrund nachvollziehbarer Meldungen rechtsextremer Verhaltensweisen für charakterlich ungeeignet gehalten wurden. Daher sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, diesbezüglich tätig zu werden.
13. Ist der ehemalige KSK-Angehörige (KSK = Kommando Spezialkräfte) P. D., der einen gegen ihn vom Amtsgericht Böblingen erlassenen Strafbe-fehl über 4 000 Euro wegen Entbietens eines „Hitlergrußes“ akzeptiert hat (Panorama, 21. Januar 2019), wodurch dieser Strafbefehl rechtskräftig wurde, weiterhin im Dienst, und wenn ja, warum, und hat er ggf. weiterhin Zugang zu Waffen (falls nein, bitte angeben, ob ihm aus disziplinarischen Gründen der Zugang zu Waffen verwehrt wurde)?
Die Beantwortung der Frage ist aus Sicht der Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Abgeordneten und dem Schutz von Grundrechten des Betroffenen, dessen Anonymität infolge der Namenskürzel nicht hinreichend gewährleistet ist, nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Ant-wort zu Frage 12 verwiesen.
14. Welche Dunkelfeldeinschätzung hat die Bundesregierung hinsichtlich des Umfangs rechtsextremer Vorkommnisse in der Bundeswehr, und inwieweit hält sie die Einschätzung eines Offiziers (vgl. Kontraste, 31. Januar 2019), die tatsächliche Zahl rechtsextremer Vorfälle liege „mindestens zehnmal hö-her“, für realistisch (bitte begründen)?
Die Bundesregierung nimmt keine Dunkelfeldeinschätzung hinsichtlich des Um-fangs rechtsextremistischer Vorkommnisse in der Bundeswehr vor, da die Anzahl dieser durch die zuständigen Stellen bearbeiteten Vorkommnisse auf tatsächli-chen, ihnen bekanntgewordenen Anhaltspunkten im Sinne der gesetzlichen Be- stimmungen beruht. Angesichts dessen wird von einer entsprechenden Bewer-tung Abstand genommen.
15. Was will die Bundesregierung unternehmen, um mehr Soldatinnen und Sol-daten als bislang zu ermuntern, Meldung über rechtsextreme Vorkommnisse zu machen, und was will sie tun, damit solche Meldungen zukünftig von der Führungsebene der Bundeswehr ernster genommen werden?
Die Einführung eines neuen Meldewesens „Innere und Soziale Lage der Bundes-wehr“ im Jahr 2015 mit diesbezüglichen eindeutigen Meldeverpflichtungen, hat zu einer deutlich höheren Sensibilität und einem geänderten Bewusstsein von Vorgesetzten und Betroffenen im Umgang mit rechtsextremen Vorkommnissen geführt.
Infolge der Meldungen werden die notwendigen Maßnahmen veranlasst und ge-botene Entscheidungen getroffen.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/10338
Meldepflichtige Ereignisse (dieser Art) werden regelmäßig in verschiedenen Ge-sprächsformaten thematisiert und zum Gegenstand themenbezogener Untersu-chungen gemacht und infolgedessen Handlungsempfehlungen zur Umsetzung formuliert.
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