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Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 9. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Deutscher Bundestag Drucksache 19/10095 19. Wahlperiode 13.05.2019
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann, Susanne Ferschl, Birke Bull-Bischoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9688 –
Leerstellen in der betrieblichen Mitbestimmung
V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
Betriebsräte sorgen aus Sicht der Fragestellenden dafür, dass Demokratie und Mitbestimmung nicht am Werkstor enden. Sie setzen kurzfristiger Profitlogik der Arbeitgeber eine langfristige Betriebs- und Personalpolitik im Sinne der Be-schäftigten entgegen.
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sieht im fünften Abschnitt besondere Vorschriften für einzelne Betriebsarten vor. Diese können dazu führen, dass das BetrVG in deutschen Betrieben der Seeschiff- und Luftfahrt, in Tendenzbetrie-ben und Religionsgemeinschaften nicht zwangsläufig Anwendung findet. So ist es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von Flugbetrieben noch bis April 2019 nur durch einen Tarifvertrag möglich, eine Vertretung zu errichten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Bundestagsdrucksache 19/6146, S. 30 f.). Die Seeschifffahrt hat nicht nur ei-gene Vorschriften im BetrVG, deutschen Reedern wird auch durch eine Aus-flaggung ihrer Schiffe ermöglicht, die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Seeleute von Schifffahrtsunternehmen zu verhindern. In Tendenzbetrieben werden die Mitbestimmungsrechte durch den Tendenzschutz eingeschränkt. Im Zweifel muss durch ein gerichtliches Beschluss- oder ggf. Urteilsverfahren ge-prüft werden, ob das einzelne Mitbestimmungsrecht der Eigenart des Betriebes entgegensteht (Arbeitsrecht Aktuell 2011, 201). Aber auch gerichtliche Feststel-lungsverfahren, um bei karitativen und erzieherischen Betrieben die Tendenzei-genschaft zu ermitteln, dauern Jahre (Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG –, NZA-RR 2013). Solche Verfahren können die Umsetzung von betriebsverfas-sungsrechtlichen Mitbestimmungsrechten auf lange Zeit verzögern. Auf Religi-onsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen findet das BetrVG keinen Einsatz.
Aber auch Betriebe, für die keine besonderen Vorschriften gelten, nutzen Ver-tragsverhältnisse, die gravierende Folgen für die Mitbestimmung im Betrieb ha-ben können. Sie lagern Prozesse des Kerngeschäfts per Werkvertrag aus und hebeln somit die Mitbestimmung aus (vgl. Hans Böckler Stiftung 2015, Studie: Werkverträge im Betrieb). So verlieren Betriebsräte des Auftraggebers bei der Auslagerung von Aufgaben an Fremdfirmen Beteiligungsrechte für den Arbeits-schutz (vgl. BAG v. 12. März 2019 – 1 ABR 48/17). Die mobile Arbeitswelt
Drucksache 19/10095 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
bringt neue Formen der Selbstständigkeit hervor. Click- bzw. Crowdworker auf Online-Plattformen werden häufig als Solo-Selbstständige beschäftigt. Durch fehlende betriebliche Integration finden sich diese meist in mitbestimmungs-freien Zonen wieder. Dass betriebliche Interessensvertretung für betriebsnahe Solo-Selbstständige ermöglicht werden kann, zeigen hingegen einige Landes-personalvertretungsgesetze (z. B. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Würt-temberg und Rheinland-Pfalz).
1. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-ten 20 Jahren in Deutschland in Luftfahrtunternehmen tätig gewesen (bitte differenziert nach Flugbetrieb und Bodenbetrieb sowie in Summe darstellen und Anzahl der Luftfahrtunternehmen angeben; bitte nach Geschlecht und Bundesländern differenzieren, bitte sowohl die aktuellsten verfügbaren Da-ten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben)?
Die Erkenntnisse der Bundesregierung ergeben sich aus Auswertungen der Be-schäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diese beinhalten diffe-renzierte Angaben zu den einzelnen Betrieben und ihren sozialversicherungs-pflichtigen und geringfügigen Beschäftigten nach regionaler Zuordnung sowie wirtschaftsfachlichen Schwerpunkten.
Ein Betrieb im Sinne der Beschäftigungsstatistik der BA ist eine regional und wirtschaftsfachlich abgegrenzte Einheit, in der mindestens ein sozialversiche-rungspflichtig oder geringfügig Beschäftigter tätig ist. Grundlage ist die Defi- nition des Beschäftigungsortes in § 9 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und des Arbeitgeberbegriffes im Sozialgesetzbuch. Dies ist zu unter-scheiden von der Frage, ob ein Betrieb betriebsratsfähig im Sinne des Betriebs-verfassungsgesetzes (BetrVG) ist. Die Betriebsratsfähigkeit wird in der Beschäf-tigungsstatistik nicht erfasst.
Als Wirtschaftszweig oder Branche bezeichnet man üblicherweise eine Zusam-menfassung von Unternehmen bzw. Betrieben, die sich hinsichtlich der ausgeüb-ten wirtschaftlichen Tätigkeit, des Herstellungsverfahrens oder der hergestellten Produkte ähneln. Die Berichterstattung verwendet unterschiedliche Aggregati-onsebenen der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ). Die aktuell gültige Klassifikation WZ 2008 hat die WZ 2003 Ende 2007 abgelöst. Ende 2003 war der Wechsel von der zuvor gültigen Klassifikation 93 zur Klassifikation WZ 2003 erfolgt. In der vorliegenden Antwort wird entsprechend für die Jahre 2000 bis 2002 die Klassifikation WZ 93 verwendet, für die Jahre 2003 bis 2007 hingegen die WZ 2003. Ab dem Jahr 2008 kommt die WZ 2008 zum Tragen. Aufgrund des Wechsels der WZ sind langjährige Vergleiche in ihrer Aussagekraft stets einge-schränkt. Weitergehende Informationen zur aktuell gültigen Klassifikation WZ 2008 finden sich im Internet unter dem nachfolgenden Link: https://statistik. arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Grundlagen/Klassifikation-der-Wirtschafts zweige/Klassifikation-der-Wirtschaftszweige-2008/Klassifikation-der-Wirtschafts zweige-2008-Nav.html.
Nach Angaben der Statistik der BA gab es zum Stichtag 30. Juni 2018 rund 37 876 000 sozialversicherungspflichtig (SvB) oder ausschließlich geringfügig Beschäftigte (aGB), davon waren 124 000 Personen in den rund 1 200 Luftfahrt-betrieben beschäftigt. 68 000 dieser Personen waren im Bereich der Personen- oder Güterbeförderung in der Luftfahrt beschäftigt, also in Betrieben, die vorran-gig im Luftbetrieb tätig sind. 45 000 Personen arbeiteten im Betrieb von Flughä-fen und Landeplätzen für Luftfahrzeuge, also vorrangig im Bodenbetrieb. Wei-tere 11 000 Personen waren in der Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10095
die Luftfahrt tätig. Weitere Daten finden sich im Anhang in den Tabellen* zu Frage 1. Da das BetrVG zur Gründung eines Betriebsrats oder einer Interessen-vertretung für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer mindestens fünf Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer erfordert und die Betriebsratsfähigkeit nach dem BetrVG in der Beschäftigungsstatistik nicht ausgewiesen wird, können aus diesen Zahlen keine Rückschlüsse auf die Zahl der betriebsratsfähigen Be-triebe nach dem BetrVG gezogen werden.
2. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-ten 20 Jahren in Deutschland in Tendenzbetrieben tätig gewesen, in denen das Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 118 BetrVG Absatz 1 Satz 1 keine vollständige Anwendung findet (bitte nach politischen, konfessionellen, ka-ritativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen Bestimmungen und Zweck der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, sowie in Summe dar-stellen; bitte nach Geschlecht und Bundesländern differenzieren; bitte so-wohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben)?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Erkenntnisse vor.
3. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-ten 20 Jahren in Deutschland in Religionsgemeinschaften und ihren karitati-ven und erzieherischen Einrichtungen tätig gewesen (bitte nach erzieheri-schen und karitativen Tätigkeiten und die verfasste Kirche sowie in Summe darstellen; bitte nach Geschlecht und Bundesländern differenzieren; bitte so-wohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben)?
Der Bundesregierung liegen zur Anzahl der Beschäftigten in Religionsgemein-schaften und ihren karitativen und erzieherischen Einrichtungen keine statisti-schen Erkenntnisse vor.
4. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-ten 20 Jahren in Deutschland in Seeschifffahrtsunternehmen tätig gewesen (bitte differenziert nach Seebetrieb und Landbetrieb sowie in Summe ange-ben, bitte sowohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der voraus-gegangenen 20 Jahre angeben)?
Nach der Statistik der BA gab es zum Stichtag 30. Juni 2018 in den Betrieben der Schifffahrt 38 000 sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig Beschäftigte. Daten für weitere Jahre finden sich im Anhang in den Tabellen* zu Frage 4. Die Zahlen der BA ermöglichen keine Differenzierung nach Land- und Seebetrieb im Sinne der Betriebsverfassung.
* Von einer Drucklegung der Tabellen wurde abgesehen. Diese sind auf Bundestagsdrucksache 19/10095 auf der Internetseite des Deut-
schen Bundestages abrufbar.
Drucksache 19/10095 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
5. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-
ten 20 Jahren in Deutschland in Seebetrieben unter deutscher Flagge tätig gewesen (bitte sowohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben)?
Die Erkenntnisse der Bundesregierung beruhen auf den statistischen Auswertun-gen der Knappschaft-Bahn-See (KBS). Die KBS erfasst die Zahl der Beschäftig-ten an Bord von Schiffen mit deutscher Flagge, soweit diese der KBS gemeldet werden. Zum Stichtag 31. März 2019 waren auf Schiffen unter deutscher Flagge insgesamt 8 200 Personen beschäftigt. Daten für weitere Jahre finden sich im An-hang in den Tabellen* zu Frage 5. Eine Differenzierung nach Schiffen im Sinne des § 114 Absatz 4 Satz 1 BetrVG und nach Schiffen im Sinne des § 114 Absatz 4 Satz 2 BetrVG sieht die Statistik nicht vor. Insofern lassen sich aus den Zahlen keine Rückschlüsse auf die Gesamtzahl der Beschäftigten in Seebetrieben nach dem BetrVG ziehen.
6. Wie vielen Beschäftigten ist nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-ten 20 Jahren in Deutschland durch Ausflaggung der Reeder ihre betriebs-verfassungsrechtliche Möglichkeit auf Vertretung durch eine Bordvertretung oder Seebetriebsrat verloren gegangen (bitte sowohl die aktuellsten verfüg-baren als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben)?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Erkenntnisse vor.
7. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 20 Jahren in Deutschland über Werkverträge beschäftigt gewesen (bitte sowohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben)?
8. Wie viele Betriebe haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 20 Jahren in Deutschland Arbeiten durch Werkverträge ausgegliedert, die zu ihrem Kerngeschäft gehören (bitte sowohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben, bitte nach Bundeslän-dern differenzieren)?
Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Jahr 2014 das Forschungsprojekt „Verbreitung, Nutzung und mögliche Probleme von Werkver-trägen“ beauftragt, um die Verbreitung und Nutzung von Werkverträgen syste-matisch zu untersuchen. Dies betrifft sowohl Ausmaß und Umfang als auch Nut-zungsmuster. Die Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2017 verdeutlichen, dass die Nutzung von Werkverträgen ein alltäglicher Vorgang und notwendiger Be-standteil einer arbeitsteiligen Wirtschaft ist. Mehr als 90 Prozent aller Unterneh-men sind Auftraggeber von Werkverträgen. Häufig handelt es sich dabei aber nur um einen einzigen Werkvertrag (bspw. Putzleistungen oder Steuerberater). Mehr als 50 Prozent der Unternehmen sind sowohl Werkvertragsauftragnehmer als auch -geber. Nur wenige Unternehmen sind ausschließlich Auftragnehmer von Werkverträgen.
* Von einer Drucklegung der Tabellen wurde abgesehen. Diese sind auf Bundestagsdrucksache 19/10095 auf der Internetseite des Deut-
schen Bundestages abrufbar.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10095
Die Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben sind den beiden Forschungsberich-ten Nr. 495 und Nr. 496 zu entnehmen, die über den Publikationsservice auf der Internetseite des BMAS abrufbar sind.
Absolute Werte zur Anzahl der Beschäftigten sowie zur Ausgliederung von Ar-beiten liegen der Bundesregierung nicht vor.
9. Wie viele Solo-Selbstständige sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 20 Jahren in Deutschland tätig gewesen (bitte sowohl die aktu-ellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre ange-ben, bitte nach Geschlecht und Bundesländern differenzieren)?
Die Anzahl der Selbständigen ohne Beschäftigte nach Geschlecht sowie nach Bundesländern sind den beiden folgenden Tabellen zu entnehmen:
Selbstständige ohne Beschäftigte nach Geschlecht Ergebnisse des Mikrozensus in 1 000 Jahr *) insgesamt männlich weiblich
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__________ *) Zeitreihenvergleichbarkeit eingeschränkt:
Ab 2005: Jahresdurchschnitt, davor Berichtswoche im Frühjahr.
Ab 2011: Hochrechnung anhand der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus 2011.
Ab 2016: Aktualisierte Auswahlgrundlage der Stichprobe auf Basis des Zensus 2011.
Ab 2017: Bevölkerung am Hauptwohnsitz in Privathaushalten
Drucksache 19/10095 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/10095
10. Wie viele Feststellungsanträge sind nach Kenntnis der Bundesregierung in
den letzten 20 Jahren in Deutschland bei den Arbeitsgerichten eingereicht worden, um die Tendenzeigenschaften von Betrieben zu prüfen (bitte jedes Jahr einzeln ausweisen und nach Bundesländern differenzieren)?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
11. Wie viele Beschluss- oder ggf. Urteilsverfahren sind nach Kenntnis der Bun-desregierung in den letzten 20 Jahren eingeleitet worden, um zu prüfen, in-wieweit der Tendenzschutz das entsprechende Mitbestimmungsrecht ein-schränkt (bitte sowohl die aktuellsten verfügbaren Daten als auch die der vorausgegangenen 20 Jahre angeben und nach Branchen bzw. Einrichtungen aufschlüsseln und nach Bundesländern differenzieren)?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die zeitliche Aussetzung der betrieblichen Mitbestimmung durch zum Teil langjährige Einzelfallprüfun-gen vor Gerichten, inwieweit der Tendenzschutz das entsprechend beste-hende Mitbestimmungsrecht einschränkt, zu einer Schwächung der betrieb-lichen Mitbestimmung führt (bitte begründen)?
Nach Auffassung der Bundesregierung gehört die Möglichkeit, rechtlich streitige Fragen von unabhängigen Gerichten klären zu lassen, zu den wesentlichen Ele-menten eines Rechtsstaats. Dies gilt auch für die Nutzung der vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Gerichte und überlange Verfahren.
13. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem BAG-Urteil Az. 2 AZR 764/14, das die Diskriminierung beim Kündigungsschutz von Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen aufgehoben hat, und welche Maßnahmen leitet sie für die betriebliche Mitbestimmung der Beschäftigen in kirchlichen karitativen und erzieherischen Einrichtungen ab?
Bei dem in der Frage in Bezug genommenen Verfahren handelt es sich offenbar um das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts „JQ./.IR“ – 2 AZR 746/14. In dem Verfahren ging es um eine individualrechtliche – kündi-gungsrechtliche – Frage und insoweit um die Reichweite des Selbstbestimmungs-rechts der Kirchen – bezogen auf Loyalitätspflichten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmervertretungen waren nicht Streitgegenstand.
Nach § 118 Absatz 2 BetrVG sind Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen als Folge ihres durch Artikel 140 GG i. V. m. § 137 Absatz 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts vom Anwendungs-bereich des BetrVG ausgenommen. Das BetrVG entspricht damit den verfas-sungsrechtlichen Geboten, den „Religionsgesellschaften“ die selbständige Rege-lung ihrer Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Geset-zes zu gewährleisten. Durch diese Ausnahme erweist sich das BetrVG gleichzei-tig auch nicht als ein für alle geltendes Gesetz i. S. d. Artikel 137 Absatz 3 Satz 1 WRV (BVerfGE 46, 73, 95).
Drucksache 19/10095 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
14. Wie bewertet die Bundesregierung die nach Ansicht der Fragesteller existie-
rende Aushöhlung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung der Seeleute durch die Ausflaggungspraxis, und wie will die Bundesregierung die betriebliche Mitbestimmung der Seeleute stärken?
Die Bundesregierung sieht die betriebliche Mitbestimmung als eine zentrale Säule der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland an. Erkenntnisse darüber, ob und inwieweit durch die Ausflaggung von Schiffen eine Aushöhlung der betriebs-verfassungsrechtlichen Mitbestimmung verfolgt wird, liegen nicht vor. So besteht zum Beispiel auch auf europäischer Ebene für alle Mittgliedstaaten die Verpflich-tung, auf der Grundlage der Richtlinie 2002/14/EG Regelungen zur Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer vorzusehen. Dies umfasst auch die Besatzung von Hochseeschiffen. Die bestehende Möglichkeit, für die Besatzung von Hochseeschiffen abweichende Regelungen vorzusehen, ist mit Artikel 3 der Richtlinie (EU) 2015/1794 gestrichen worden.
15. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Crowdwork-Plattformen, und sieht die Bundesregierung weiteren Hand-lungsbedarf auf Bundesebene (bitte begründen)?
16. Hat die Bundesregierung eine Haltung zu den Landespersonalvertretungsge-setzen (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz), die eine betriebliche Interessensvertretung für betriebsnahe Solo-Selbstständige ermöglichen, und sieht die Bundesregierung weiteren Hand-lungsbedarf auf der Bundesebene (bitte begründen)?
Die Fragen 15 und 16 werden gemeinsam beantwortet.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass faire Arbeitsbedingungen und ein angemessener sozialer Schutz auch in der Plattformökonomie gelten müssen, un-abhängig davon, ob die Tätigkeit als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer oder als Selbständige bzw. Selbstständiger ausgeübt wird. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für Plattformen tätig werden, bietet das BetrVG bereits heute die Möglichkeiten, einen Betriebsrat zu wählen. Darüber hinaus setzt sich das BMAS mit der tatsächlichen und rechtlichen Verfasstheit von Vertragsverhältnis-sen in der Plattformökonomie auseinander und wird noch in diesem Jahr hierzu mögliche Handlungsansätze erarbeiten. In diesem Rahmen werden auch Mög-lichkeiten für eine Interessenvertretung Selbstständiger in Bezug auf Plattformen geprüft.
17. Sieht die Bundesregierung Probleme der betrieblichen Mitbestimmung bei der Verlagerung von Aufgaben auf Fremdfirmen, deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Fremdfirmenbeschäftigte über einen Werkvertrag auf dem Betriebsgelände von Auftraggebern beschäftigt sind, auf die der Be-triebsrat des Auftraggebers keine Beteiligungsrechte hat, etwa für den Ar-beitsschutz, und sieht die Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf (bitte begründen)?
Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.
Nach der Konzeption des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) ist für die Einhaltung arbeits-schutzrechtlicher Vorgaben jeder Arbeitgeber für seine Beschäftigten ver-antwortlich. Das heißt, dass auch beim Einsatz von Beschäftigten auf fremden Betriebsgeländen die Verantwortung für die Sicherung des Gesundheits- und Ar-beitsschutzes beim jeweiligen Arbeit-geber bleibt. Die Arbeitgeber sind in diesem Fall verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsbestim-mungen zusammenzuarbeiten, § 8 Absatz 1 ArbSchG.
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/10095
Des Weiteren muss sich der Arbeitgeber des Einsatzbetriebs vergewissern, dass die Beschäftigten eines anderen Arbeitgebers (z. B. Werkvertragsarbeitnehmer), die in seinem Betrieb tätig werden, angemessene Anweisungen hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb erhalten haben, § 8 Absatz 2 ArbSchG.
In betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht werden die Werkvertragsarbeitnehmer von ihrem eigenen Betriebsrat vertreten. Die Mitbestimmungsrechte des Be-triebsrats gelten dabei auch für die Tätigkeit im Außendienst. Jeder Arbeitgeber hat bei der abgestimmten Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG einschließ-lich der Festlegung von Schutzmaß-nahmen sowie bei der Unterweisung der Be-schäftigten nach § 12 ArbSchG seinen eigenen Betriebsrat zu beteiligen.
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 31 – Drucksache 19/10095zu
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 45 – Drucksache 19/10095
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Drucksache 19/10095 – 46 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
Anlage zu Frage 5
Anzahl des (rentenversicherten) Bordpersonals unter deutsche Flagge
31.12.2008 31.12.2009 31.12.2010 31.12.2011 31.12.2012
Anzahl Versicherte 14.691 14.446 14.841 14.195 12.457
Quelle: Statistische Auswertung zum seemännischen
Personal, Knappschaft-Bahn-See
31.12.2013 31.12.2014 31.12.2015 31.12.2016 31.12.2017 31.12.2018 31.03.2019
8.2008.17211.347 9.725 9.172 8.887 8.982
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 47 – Drucksache 19/10095
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
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