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Oktober 2008
Angst überwinden
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blick magazin I Inhalt�
Herausgeber: Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck Wilhelmshöher Allee 330, 34131 Kassel
Redaktion: Cornelia Barth, Lothar Simmank Heinrich-Wimmer-Straße 4, 34131 Kassel T (05 61) 93 07–1 52Fax (05 61) 93 07–1 55 E-Mail: blick@ekkw.de
Beirat: Reiner Degenhardt, Christian Fischer, Ralf Gebauer, Carmen Jelinek, Karl Waldeck (Herausgeber), Detlev Wolf
Layout-Konzept: Liebchen+Liebchen, Visuelle Unternehmens- kommunikation GmbH, Frankfurt
Gestaltung: Lothar Simmank
?blick magazin I Thema
Angst muss sein 4
Buchtipps 5
Die Ängste der Deutschen 6
Interview mit Pfarrer Rüdiger Haar:
Innere Konflikte lösen 7
Besuch im Kasseler Hospiz:„Der Tod kommt – so oder so“ 10
Interview mit Pfarrerin Barbara Heller:
Was heißt: Menschenwürdig pflegen? 12
blick magazin I Besinnung
Fürchte dich nicht!Luther und der Sieg über die Angst 8
blick magazin I Ratgeber
Der Scheinriese 13
blick magazin I Rätsel
Rätsel: Alles zum Fürchten 14
Lutherstadt Wittenberg 14
Luther 2017 15
blick magazin I Buß- und Bettag
Aktion der Landeskirche:Wie ehrlich bin ich zu mir und zu anderen? 16
blick magazin I Ansichten
Was macht Ihnen Angst?
Grundsätzlich neige ich eher dazu, dem Leben mit Zu-
versicht zu begegnen, wobei natürlich auch die eine
oder andere Sorge um die Entwicklung der eigenen
Kinder immer mitschwingt. Wirkliche Angst verspüre
ich, wenn mir beispielsweise Menschen begegnen, de-
ren Harmlosigkeit nicht so eindeutig zu erkennen ist:
alkoholisierte Jugendgruppen, die provozieren und
Schläge zumindest androhen.
Ich fürchte mich davor, dass es meiner Familie ein-
mal gesundheitlich schlecht gehen könnte, dass uns
möglicherweise auch materiell der Boden entzogen
werden könnte und somit die Existenz auf dem Spiel
steht. Als Selbstständiger muss man sich dieses Risi-
kos leider besonders bewusst sein.
blick magazin I Impressum
blick in die kirche–magazin erscheint als Beilage in allen Tageszeitungen der Region Kurhessen-Waldeck
Frank Arnold (35),
selbstständiger Vertriebstrainer
Andrea Miska-Roß (42),
Diplom-Sportlehrerin
Schlangen machen mir Angst. Vor Spinnen fürchte
ich mich eigentlich nicht. Eher habe ich vor Arbeiten
in der Schule Angst, weil es vielleicht eine schlechte
Note geben könnte. Und wenn ich etwas machen
soll – und es dann falsch ist. Ansonsten habe ich vor
nichts Angst, außer, wenn es etwas Neues ist. Trösten
kann mich mein Meerschweinchen Paulina – oder
vielleicht meine Mama.
Paul Betz (11), Schüler
Editorial I blick magazin �
Herstellung: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG, Kassel
Vertrieb: HNA, Kassel
Wollen Sie mehr über die vielfältigen Angebote der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck wissen? Suchen Sie Kontakt zur Kirchengemeinde in Ihrer Nähe (im Telefonbuch unter „Kirchen”). Oder schauen Sie im Internet nach: www.ekkw.de
„Seid getrost“
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Umfrage/Fotos: Stefan Lotz
Vor vielen Sachen habe ich keine Angst. Nicht vor dem
Tod, nicht vor Spinnen. Das einzige vielleicht: der Verlust
von Freunden und dass ich keine Wohnung mehr haben
könnte. Ich rege mich zwar über viele Sachen auf, aber
ich habe keine Angst davor.
Mit dem Begriff Angst habe ich im Alltag schon zu tun:
Wie geht es im Leben weiter? Neulich habe ich erfahren,
dass in Frankfurt ganz viele Kirchen zumachen. Da habe
ich gedacht: Hoffentlich bleiben noch welche offen, da-
mit man zu Gott beten kann. Ich hoffe auch, dass meine
Kinder nicht arbeitslos werden und die Enkel sich einmal
zurechtfinden werden in ihrem Leben. Persönlich habe
ich Angst vor dem Alter, der Gebrechlichkeit, dem Tod.
„In der Welt habt ihr Angst.“ So lautet
die Diagnose, die Jesus stellt. 2.000
Jahre später hat sie nichts an Aktua-
lität verloren. Ängste umgeben uns
Menschen – heute wie damals. Die
gegenwärtigen Zukunftsängste der
Deutschen hat man vor kurzem sta-
tistisch ausgewertet: Mehr als 75 Pro-
zent haben demnach vor steigenden
Lebenshaltungskosten Angst. Es
folgen die Angst vor schlechter Wirt-
schaftslage, Naturkatastrophen, im
Alter ein Pflegefall zu sein, Angst vor
schwerer Erkrankung, vor Überforde-
rung der Politiker und eigener Arbeits-
losigkeit. Anlass und Inhalte der Angst mögen sich ändern; grundsätz-
lich lässt sich sagen: Wir haben Angst, wenn wir glauben, unser Leben
nicht mehr im Griff zu haben, und vor Bedrohungen, denen wir nicht
mehr Herr werden können. Die aktuelle Ausgabe des „blick“-Magazins
benennt viele derartiger Gründe und weist Wege, wie wir der Angst be-
gegnen können.
„In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus und fügt hinzu: „aber seid
getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Kann eine solche Verheißung
helfen, oder leugnet sie schlicht nur den Zustand unserer Welt? Jesus
spricht vom „Trost“. Trost setzt die Erfahrung von Leid voraus. Nur wer
leidet, muss getröstet werden. Dass es in der Welt viel Leid gibt, war Je-
sus bewusst: Unter ärmlichen Bedingungen geboren, lernte er auf sei-
nem späteren Lebensweg Krankheit, Hunger und Ausgrenzung vieler
Menschen kennen. Davon berichten die Evangelien – und ebenso davon,
dass Jesus sich diesen Menschen zuwandte und ihnen half. Jesus kann
von sich sagen: „Ich habe die Welt überwunden“, weil er Angst und Leid
selbst erdulden musste. Einsamkeit, Schmerz, Todesangst stehen am
Ende seines irdischen Lebens. Doch der christliche Glaube weiß, dass
Angst und Leiden nicht das letzte Wort haben. Die Welt mit ihren Ängs-
ten ist nicht der düstere Ort, in dem wir gefangen bleiben; sie wird nach
Gottes Willen letztlich überwunden. Dafür verbürgt sich Gott in der Auf-
erstehung Christi von den Toten. Wir haben eine hoffnungsvolle Perspek-
tive, die uns helfen kann, mit unseren Ängsten getrost zu leben.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Dr. Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirchevon Kurhessen-Waldeck
Maria Rudi (71),
Rentnerin
Cynthia Henrich (18),
Freiwilliges Soziales Jahr in
der Wohnungslosenhilfe
blick magazin I Thema �
Schmerz, Ekel, Scham und Angst – Körper und Psyche kennen wirkungsvolle Schranken des Selbstschutzes
Foto: Gerhard Jost
n Stellen Sie sich vor, Sie wohnen
in einer Villa. Die „Materialien“,
aus denen die Villa gebaut wurde,
sind Ihr Körper und Ihre Psyche.
Weil Ihre Villa kostbar ist, wird sie
durch ein vierfaches Alarmsystem
gesichert.
Die erste „Alarmanlage“ ist
die Schmerzschranke: Weil es weh
tut, wenn Sie sich in den Finger
schneiden, gehen Sie mit dem Kü-
chenmesser vorsichtig um.
Die zweite „Alarmanlage“ ist
die Ekelschranke: Das meiste, vor
dem Sie sich ekeln, ist Ihrer Ge-
sundheit tatsächlich abträglich.
Die dritte Schranke ist die
Schamschranke. Im Gegensatz
zum Ekel, der sich im Allgemeinen
auf Dinge bezieht, die Sie schme-
cken und riechen können, bezieht
sich die Scham meist auf das, was
Sie sehen: Sie vermeiden instinktiv,
nackt und bloß dazustehen, also
dem anderen, dem Fremden aus-
geliefert zu sein.
Die vierte „Alarmanlage“ ist
die Angstschranke. Dass sie noch
klarer als die anderen Schranken
Ihrem Überleben dient, ist sofort
einsichtig: Weil Sie Angst haben
abzustürzen, meiden Sie im Gebir-
ge den Abgrund. Weil Sie Angst
vor einem fremden Tier haben, fas-
sen Sie es nicht an.
Programmierte Alarmanlage
So betrachtet ist Angst un-
serem Leben durchaus dienlich.
Zum Problem wird die Angst je-
doch, wenn sie nicht sinnvolle
Signale gibt, sondern wie eine
falsch programmierte Anlage
ständig Alarm auslöst, ohne dass
eine wirkliche Bedrohung besteht.
Im Gebirge ist eine gewisse Ehr-
furcht vor der Höhe angebracht
und nützlich. Im Flugzeug wird die
Angst selbst jedoch zum Problem.
Was nützen ein erhöhter Puls und
eine verstärkte Durchblutung aller
Organe und Muskeln, wenn Sie
doch gar nicht weglaufen können,
sondern ruhig und entspannt auf
Ihrem Sitz verharren sollen? Der
Aufwand, den Ihr Körper treibt,
könnte Ihnen bei der Flucht vor
einem wilden Tier helfen, aber
im Flugzeugsitz ist er sinnlos und
quälend.
Eine Verhaltenstherapie kann
helfen, manchmal hilft es auch
schon, ein Buch zu lesen, das ei-
nen sowohl über die körperlich-
psychischen Zusammenhänge als
auch über die Technik im Flugzeug
aufklärt. („Wenn es etwa zehn
Minuten nach dem Start piept,
möchte der Pilot der Flugbegleite-
rin vielleicht signalisieren, dass sie
jetzt den Kaffee bringen kann …“).
Mut antrainieren
Und doch bleibt Angst ein
ständiger Begleiter. Denn Angst
gehört zum Leben. Unsere „Vil-
la“ ist schließlich kostbar – und
von vielen Feinden bedroht. Zum
Glück ist es möglich (und oft drin-
gend notwendig), Angst- oder gar
Panikstörungen zu überwinden.
Es ist gut, immer wieder Mut zu
trainieren, sich also absichtlich in
gefürchtete Situationen zu bege-
ben, um zu erfahren, dass man sie
überlebt, ja, dass man am Ende
einer „Zitterpartie“ oft richtig stolz
und froh ist. Aber eine Grundangst
bleibt. Ohne sie wären wir keine
Menschen, sondern Monstren wie
Tolkiens Orks aus dem „Herr der
Ringe“.
Was ist Angst überhaupt?
Die Frage, was Angst ist und
wie man sie überwindet, ist so alt
wie die Menschheit. Nachdem Sig-
mund Freud die Angst als einen
Abwehrmechanismus beschrieben
Angst muss sein
hatte (die Angst weist darauf hin,
dass widerstrebende Wünsche und
Triebe im Konflikt stehen), halten
viele moderne Psychologen sich
an neurobiologische Erklärungen:
Hormonelle Signale bereiten den
Körper in Sekundenschnelle auf
Kampf oder Flucht vor und dienen
so dem Überleben. Theologen und
Philosophen aller Epochen sahen
in der Angst jedoch immer auch
einen Hinweis auf das Grundsätz-
liche der menschlichen Existenz:
Der Mensch ist ein Wesen, das
immer am Abgrund lebt. Jederzeit
kann er den Halt verlieren und
stürzen. Letztlich ist Angst das
Gefühl, von Gott, das heißt von
einem letzten Halt getrennt zu
sein, meinte schon der Kirchenva-
ter Augustinus. Diese Angst könne
nur durch Vertrauen – mit einem
anderen Wort : durch Glaube
– überwunden werden.
Der Angst ins Auge sehen
Von Menschen, die keine Angst
kennen, können wir nichts lernen.
Vorbilder finden wir bei denen, die
die Angst kennen, die sich ihr aus-
setzen, ins Auge sehen – und die
dann für sich entscheiden, dass
es Dinge gibt, die noch wichtiger
Foto
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lenbewohner von seinem schönen
Domizil, wenn der Ausblick durch
Stacheldraht gehindert ist? Wenn
eine riesige Dogge das Haus be-
wacht und keinen Gast einlässt?
Wenn die Alarmanlage losheult,
sobald der Hausherr sich nur im
Liegestuhl umdreht? Er kann Haus
und Garten nicht genießen, denn
er ist zum Sklaven des Sicherungs-
systems geworden.
Frei ist nur der Hausbesitzer,
der selbst entscheiden kann, wen
er einlässt, wem er vertraut, wohin
er sich bewegen will. Wir sind nur
Herren im eigenen Leben, wenn
die Angst nicht übermächtig ist,
sondern wie ein gut erzogener
Hund anschlägt und dann – auf
das Zeichen des Besitzers hin!
– Ruhe gibt.
Kann man die eigene Angst
so „erziehen“? Ja, aber oft gelingt
einem das nicht allein. Und es ist
ein Übungsweg, der seine Zeit
braucht. Manchmal muss es tat-
sächlich ein ausgebildeter Fach-
mann sein, der die Ängste und
das, was möglicherweise hinter
ihnen steckt, analysiert und über-
winden hilft.
Freunde helfen
Aber häufig reicht die Auf-
munterung durch Freunde, die
man ins Vertrauen zieht. Dieser
Freund oder diese Freundin muss
in der gefürchteten Situation nicht
unbedingt anwesend sein. Es hilft
schon, die Person vorher anzuru-
fen, oder auch nur, an sie zu den-
ken. Um diese Unterstützung zu
finden, muss nur eine allererste
Angst überwunden werden: die
zuzugeben, dass man Angst hat.
Aber das weiß der andere ja sowie-
so. Sie sind ja kein Unmensch.
Hanna Schott
Die Autorin ist Redakteurin der Fachzeit-
schrift „Psychotherapie und Seelsorge“
www.psychotherapieundseelsorge.de
�
sind als ihre Angst. Das gilt schon
im Kleinen: Wenn ich gebeten wer-
de, das kranke Kind einer Freundin
zu hüten, kann ich auf die Angst
hören und wegen der ja wirklich
nicht zu leugnenden Ansteckungs-
gefahr absagen. Ich kann mir aber
auch sagen, dass die Beziehung zu
meiner Freundin und die Bedürf-
nisse des Kindes wichtiger sind als
meine Angst, und zusagen. Damit
habe ich die Ansteckungsgefahr
nicht verringert, aber ich habe
selbst Prioritäten gesetzt, statt mir
von der Angst diktieren zu lassen,
was wichtig ist.
Freiheit als Ziel
Im Großen ist es nicht anders:
Dietrich Bonhoeffer zum Beispiel
war alles andere als ein angst-
freier Typ. Aber es gab für ihn
sachliche Ziele und menschliche
Beziehungen, die wichtiger und
dann auch stärker waren als seine
Angst. Er hatte Angst vor Folter, er
hasste die Verhöre, er litt unter der
Einsamkeit in der Haftzelle. Aber
er ließ sich von seiner Angst nicht
knebeln. Er hielt den Widerstand
durch – bis zuletzt.
Das deutsche Wort Angst ist
mit „Enge“ verwandt. Das ist kein
Zufall, wie alle Herzpatienten wis-
sen. Die Verengung der Gefäße
führt zu Angstattacken. Im über-
tragenen Sinne bedeutet das: Es
ist zwar Mut, der die Angst über-
windet. Der Mut reißt aber sozusa-
gen nur den Hemdkragen auf, er
ist noch nicht das Ziel. Das Ziel ist
die Freiheit, ein Leben, in dem ich
frei atmen kann. In diesem Sinne
starb der Häftling Bonhoeffer als
freier Mann.
Die Angst „erziehen“
Zurück zum Alltag und zu
unserer „Villa“. Es ist gut und
sinnvoll, dass unser Leben durch
ein mehrfaches Alarmsystem ge-
sichert ist. Aber was hat ein Vil-
Buchtipps
Thema I blick magazin
Roger Baker: Wenn plötzlich die Angst kommt. Panik-attacken verstehen und überwinden. R. Brockhaus Verlag, 2007. 9,95 Euro
Hunderttausende von Bundesbürgern
leiden unter unerklärlichen Panik-
attacken. Ein erfahrener Psychologe
zeigt, was Sie selbst tun können, um
mit einfachen Mitteln Angstanfälle zu
überwinden.
Hans Morschitzky/ Sigrid Sator:Die zehn Gesichter der Angst. Ein Handbuch zur Selbsthilfe. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2007. 9,00 Euro
Angst vor Spinnen, vor Krankheit, vor anderen Men-
schen, Angst vor der Angst – dieses praktische Hand-
buch stellt die zehn wichtigsten Angststörungen vor
und vermittelt in Fallbeispielen ein anschauliches
Bild zur Selbstdiagnose. Ein Anti-Angst-Training für
zu Hause gibt Tipps und Übungen zur Selbsthilfe.
Borwin Bandelow: Das Angstbuch. Wo-her Ängste kommen und wie man sie bekämpfen kann. Rowohlt Verlag, 2006. 9,95 Euro
Woher kommt eigentlich Angst, die
Menschen zerfressen kann? In jüngerer
Zeit hat die Angstforschung viele neue
Erkenntnisse gewonnen. In diesem
Ratgeber werden sie in allgemein ver-
ständlicher Form zusammengefasst.
Die Ängste wachsen
n Mehr als drei Viertel aller Deutschen sind sich einig: Die allergrößten Sorgen bereiten
ihnen die immens steigenden Kosten für das tägliche Leben. Das ist das zentrale Ergebnis
der Studie „Die Ängste der Deutschen 2008“, die Anfang September von der R+V Versiche-
rung vorgestellt wurde.
Seit vielen Jahren ist die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten Thema Nummer 1
bei den Deutschen. Jetzt ist sie nochmals dramatisch angestiegen: um zehn Prozentpunkte
von 66 auf 76 Prozent – den höchsten Wert seit Beginn der Langzeitstudie im Jahr 1991,
bei der jeweils rund 2.400 Bundesbürger befragt wurden. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen
in die Wirtschaft. 58 Prozent aller Deutschen befürchten eine Verschlechterung der Wirt-
schaftslage – ebenfalls zehn Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. Weiterhin auf
hohem Niveau: mit 58 Prozent die Angst vor Naturkatastrophen. Und jeden Zweiten be-
schäftigen intensiv die Sorgen, pflegebedürftig zu werden oder schwer zu erkranken.
Zukunftsängste werden geweckt
Wachsende Sorgen um steigende Preise und die
eigene Gesundheit drängen die Furcht vor Terror und
Krieg deutlich in den Hintergrund – hier verzeichnet
die repräsentative Studie den stärksten Rückgang.
Insbesondere die hohen Energiekosten und die stei-
genden Lebensmittelpreise bewegen die Gemüter wie
nie zuvor. Das strahlt auch auf die Bewertung der
Wirtschaftslage aus. „Es ergibt sich eine erhebliche
Diskrepanz zwischen der realen Konjunktur und der
gefühlten“, erklärt Professor Dr. Manfred Schmidt, Po-
litologe an der Universität Heidelberg. Die gefühlte
Wirtschaftslage habe sich sehr verschlechtert, obwohl
die gesamtwirtschaftliche Lage noch vergleichsweise
gut sei. Preisstabilität sei in Deutschland ein hohes
Gut. Und dieses Gut sehe die Bevölkerung in großer
Gefahr. Das schüre tief sitzende Inflationsängste und
wecke auch Zukunftsängste.
Angstmacher: Alter, Krankheit, Pflege
Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung hat
große Sorgen, später pflegebedürftig zu werden
(53 Prozent) oder schwer zu erkranken (51 Prozent)
– diese Ängste stehen 2008 auf den Plätzen 4 und
5. „In Deutschland ist die Alterung der Bevölkerung
sehr weit fortgeschritten. Die Ängste vor dem Pflege-
fall-Risiko sind somit ganz real“, meint der Politologe
Schmidt. „Zudem befürchten viele, dass die staatli-
chen Sicherungssysteme im Pflege- und Krankheits-
fall nicht ausreichen. Und sie haben Angst, schwere
Krankheiten und den Pflegefall finanziell nicht aus ei-
gener Kraft bewältigen zu können.“ Die bedenkliche
Entwicklung dieser Sorgen zeigt sich am besten im
Vergleich mit 1991. Zu Beginn der R+V-Studie fürch-
teten sich lediglich 22 Prozent der Deutschen vor ei-
ner schweren Erkrankung, und das Thema Pflegefall
war nur für 30 Prozent der Bevölkerung ein großes
Problem – heute sind es bei beiden Fragen rund dop-
pelt so viele.
Übrigens blicken Frauen generell sorgenvoller
in die Zukunft. Lediglich die Angst, arbeitslos zu
werden, ist bei den Männern größer. Die Furcht vor
einem Scheitern ihrer Beziehung hat bei Frauen um
vier Prozentpunkte zugenommen (23 Prozent). Was
die Altersgruppen angeht, ist nur bei der Generati-
on der 40- bis 59-Jährigen die Angst vor der Zukunft
leicht gestiegen, die Jugend hat mehr Zuversicht.
� blick magazin I Thema
7� Prozent der Deutschen haben große Angst vor Preissteigerung
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Thema I blick magazin 7
„blick-Ratgeber“-Autor, Pfarrer Rüdiger Haar von der Psychologischen Beratungsstelle des Diakonischen Werks Kassel, zum Thema Ängste
Angststörungen, die Menschen massiv be-
einträchtigen, sind auf dem Vormarsch. Mit
welchen Ängsten haben Sie es in der Beratungs-
stelle zu tun?
Haar: Es gibt Ängste, die nicht an Geschehnisse oder Objekte
gebunden sind, sondern unbestimmte Angstgefühle sind. Manchmal
führen die auch zu Panikattacken, von denen man selbst gar nicht
weiß, woher sie kommen. Ich habe mal einen Jugendlichen kennen-
gelernt, der mitten auf der Straße Atemnot bekam, sich das Hemd
aufriss und einen heftigen Angstanfall erlebte. Als er in der Klinik un-
tersucht wurde, war er organisch vollkommen gesund. Was war der
Hintergrund? Bei ihm war es eine heftige Gewissensangst, die zu in-
neren Konflikten führte und dann diesen Angstanfall produziert hat.
In der Beratung gehen Sie den Ängsten auf den Grund?
Haar: Ja. Fast immer sind es innere Konflikte, die zu Angststö-
rungen führen. Gegenüber einer frei flottierenden Angst leichter zu
definieren sind die Phobien. Das sind Angststörungen, die auf ein be-
stimmtes Objekt gerichtet sind oder auf eine Situation – zum Beispiel
Angst vor Spinnen oder vor Hunden. Die äußere Bedrohung ist zwar
da, wird aber nur von den Menschen so empfunden, die in diese an
sich meist doch eher harmlosen Tiere etwas hineinprojizieren, was sie
bedrohen könnte.
Welche Ängste gibt es noch? Und was kann man dagegen tun?
Haar: Zum Beispiel die Agoraphobie, also die Angst vor der Be-
gehung freier Plätze. Natürlich kann ich freie Plätze meiden. Aber
letztlich ist das keine Lösung, weil Angst durch Vermeidung größer
wird: Man sitzt zu Hause und geht nicht raus, weil man Angst vor der
Angst hat, die auftreten könnte.
In der Beratung führen wir Gespräche, die den Klienten dazu
bewegen sollen, sich innerlich auf seine Angst einzustellen und sich
Halt zu suchen. Das kann bedeuten, den Platz erstmal anzugucken
– nicht weglaufen oder blind auf das scheinbar Bedrohliche zulaufen,
sondern einen Standort gewinnen. Gut ist es zu klären, was Auslöser
und Ursache der Angst ist. Letzten Endes sind alle Ängste dieser Art
auf grundlegende Verlustängste zurückzuführen: Ich verliere Bezie-
hungen, ich verliere mich, ich verliere das Leben.
Was ist der erste Schritt zur Überwindung der Angst?
Haar: Je mehr ein Menschen über seine Gefühle weiß und über
die Bedingungen, unter denen diese Gefühle entstehen, desto sicherer
wird er sich fühlen. Wenn ich nicht weiß, was mich unruhig macht,
dann ist das etwas, was die Unruhe steigert. Wenn ich aber genau
weiß, dass ich mit meiner Angst zum Beispiel an die Gefahr erinnert
werde, eine geliebte Person zu verlieren und ich jetzt die Befürchtung
habe, das kann wieder so passieren, dann befinde ich mich in einer
viel sichereren Position. Dann kann ich zugestehen: Ja, so etwas kann
passieren, aber es gibt auch viele stabilisierende Faktoren in meinem
Leben. Ich habe einen Beruf, Familie, Beziehungen, die mich halten
und tragen – ganz ohne Sicherheit bin ich nicht.
Sie sind Psychologe und Pfarrer: Inwieweit kann der christliche
Glaube helfen, Angst zu überwinden?
Haar: Zunächst einmal brauche ich den christlichen Glauben. Als
Therapeut und Berater brauche ich das Gefühl, dass ich geborgen bin
und aufgefangen werde, wenn diese Schrecken, die mir berichtet wer-
den, mich einzuholen drohen. Sorgen, Probleme, viel Traurigkeit, viel
Wut – für all das bin ich „Container“. Dazu muss ich selbst Sicherheit
und Gelassenheit haben. Und dafür ist für mich mein Glaube wichtig,
dass ich nicht allein bin auf der Welt und nur auf meine Kräfte ange-
wiesen, sondern dass ich gehalten werde.
Das teilt sich vielleicht auch in der Beratung mit, viele Klienten
bringen mir Vertrauen entgegen. Und Vertrauen ist sehr wichtig.
Ängste können dazu führen, dass man das Vertrauen in die Welt und
in Gott verliert. Aber es kommen dann auch wieder Zeiten im Leben,
in denen man darauf vertrauen kann, dass Gott da ist. Dann wird die
Welt wieder zur Heimat und zu einem Ort, an dem man sich wohlfüh-
len kann.
Fragen: Lothar Simmank
Innere Konflikte lösenInterview mit Rüdiger Haar:
Illustration: Reinhild Kassing
Angst macht das Leben eng.
Menschen werden in ihren
Ängsten gefangen. Genüge ich
den Ansprüchen der anderen?
Wie viel muss ich leisten, um
Anerkennung zu gewinnen? Und
was geschieht, wenn ich einmal
nicht mehr so funktioniere? Die
Gedanken drehen sich im Kreis.
Alles, was geschieht, geschieht
aus Angst. Was führt da heraus?
Was befreit zu einem Leben in
Freude und Selbstgewissheit?
n Martin Luther wird am 10. No-
vember 1483 in eine Welt voller
Lebenslust, aber auch voller Angst
geboren. Wir wissen nicht viel über
Luthers Kindheit und Jugend. Fröh-
lich soll er gewesen sein, als um-
gänglich beschreiben ihn Freunde.
Aber er kann auch in Zorn geraten
und seinen Gegnern mit spitzer
Zunge zusetzen. Schon früh pla-
gen ihn Anfechtungen und Selbst-
zweifel. Seine eigene Familie muss
nicht ums Überleben kämpfen;
dennoch sind Krankheit, Sterben
und Tod auch in Luthers Heimat-
stadt Mansfeld allgegenwärtig,
nicht nur in Pestjahren wie 1505.
Es sind die Ängste seiner Zeit, die
auch Luther prägen: Wie schützen
sich Menschen vor dem Teufel
und vor Hexerei? Wie können sie
getrost sterben? Wie bestehen sie
im Strafgericht Gottes? Von seiner
Mutter hat er einen Liedvers ge-
lernt, der ihn durch die Jahre be-
gleitet und seine Angst anstachelt:
„Dir und mir ist niemand hold, das
ist unser beider Schuld!“
Zunächst geht Luther den
Weg, den ihm seine Eltern weisen.
Er soll Jurist werden: Klare Ord-
nungen schaffen Sicherheit, Men-
schen regeln ihr Zusammenleben.
Doch auf dem Weg zum Studien-
ort Erfurt gerät er am 2. Juli 1505
in ein Gewitter. Knapp entkommt
er einem Blitzschlag. Er nimmt den
Schock als Zeichen Gottes und ge-
lobt: Ich will Mönch werden.
Mächten schutzlos ausgeliefert
Luther hat zuvor schon das
Gefühl gehabt, dass sein Leben
Mächten und Gewalten schutzlos
ausgeliefert ist. Aber in diesem
überwältigenden Naturereignis
erkennt er nicht nur seine Ohn-
macht, sondern vor allem die
Macht Gottes. Der Tod hat nach
seinem Leben gegriffen, doch er
ist noch einmal bewahrt worden.
Nun gilt es, diesem Gott gerecht
zu werden. In Ehrfurcht will er Gott
dienen. Gegen den Willen seiner
Eltern und den Rat seiner Freunde
verschwindet Luther hinter den
Mauern des Erfurter Augustiner-
klosters. Wird er dort seine Angst
verlieren?
Martin Luther wird ein beson-
ders frommer Mönch. So wie er ein
braver und fleißiger Schüler war;
so wie er eifrig Philosophie stu-
diert und das zweitbeste Ergebnis
seines Jahrgangs erzielt hat. Er ist
gehorsam. Er hält alle Regeln ein.
Er ist streng gegen andere und vor
allem gegen sich selbst. Er sucht
Gottes Gerechtigkeit, indem er ver-
sucht, so zu leben, dass Gott – und
kein Mensch – etwas an ihm aus-
zusetzen hat. Luther will bestehen
können, wenn er am Ende der Zeit
vor den Richterstuhl treten muss.
Doch je länger er diesen Weg
geht, desto größer wird die Angst.
Je mehr er den Erwartungen zu
entsprechen sucht, desto deut-
licher wird ihm, was ihm alles
noch fehlt. Je mehr er leistet, des-
to mehr spürt er, was er noch alles
tun könnte. Da ist immer noch et-
was, was nicht richtig, nicht gott-
gemäß, nicht gut ist. Luther spürt:
Wie sehr ich mich auch anstrenge,
vor Gottes strengen Augen kann
ich nicht bestehen. Nie kann ich
sicher sein, dass Gott mich liebt!
� blick magazin I Besinnung
Fürchte dich nicht!
Angst hält ihn gefangen
Die Angst, den Ansprüchen
Gottes und der Welt nicht gerecht
zu werden, hält Luther gefangen.
Er ringt mit Gott und mit seinen
Mitmenschen. Das spüren auch die
Zuhörer bei seinen Vorlesungen zu
den biblischen Schriften, die er als
junger Professor der Theologie in
Wittenberg hält. Klare Worte er-
warten sie von ihm. Sie sind froh,
dass er sich nicht hinter gelehrten
Formeln versteckt, sondern nach
der Wahrheit sucht, manchmal zö-
gerlich und zweifelnd, manchmal
mit derben Worten.
In diesen Jahren entwickelt
sich zwischen Professor, Bibel und
Hörern eine neue Sicht auf Gott.
Luther schaut von sich weg in die
Schriften der Bibel. Er sucht nach
dem guten Wort für die anderen
und findet dabei selbst Hilfe in sei-
ner Angst. Er müht sich um klare
Worte und Gewissheit für andere
und entdeckt dabei für sich selbst
die Freudenbotschaft.
Aus Glauben gerecht werden
Die Bibel ist voller guter Worte
und Geschichten. Luther liest sie
kritisch und mit wachem Verstand
in hebräischer und griechischer
Sprache. Der Prophet Jesaja ruft
ihm zu: „Fürchte dich nicht, ich
habe dich befreit, ich habe dich
bei deinem Namen gerufen, du
bist mein!“ Im Brief an die Römer
erinnert ihn Paulus: „Der Gerechte
wird aus Glauben leben.“ Ihm be-
gegnet Maria, die schwanger ist,
ohne verheiratet zu sein. Sie fürch-
tet sich vor dem, was die Leute
über sie sagen werden und mit ihr
und dem Kind tun werden. Da hört
sie den Engel: „Fürchte dich nicht!
Gott hat dich in deiner Niedrigkeit
angesehen und hat dich erhöht!“
Christus befreit von Angst
Luther findet in Christus den
gekreuzigten Gott, der sich für
seine Feinde hingibt. Er entdeckt
sich als den verlorenen Sohn. Da
wo meine Möglichkeit endet, steht
Christus für mich ein. Nicht das
Geld, das ich verdiene, verschafft
mir Anerkennung. Nicht der Erfolg,
den ich habe, macht mich wertvoll.
Nicht dass ich kaufen kann, was
ich will, macht mich frei, sondern
dass Christus bei mir ist.
Christus ist für mich da. Das
schlechte Gewissen hat ein Ende:
Ich bin ein Kind Gottes; ich bin
Gott recht! So wie ich bin, kann
ich vor Gott treten, der mich auf-
nimmt wie eine Mutter!
Die Bibel gibt Mut
Die Bibel vertreibt die Angst,
Christus bricht das Gefängnis auf
und zieht Luther heraus. Nicht dei-
ne Leistung rettet dich und macht
dich frei, sondern Gottes Barm-
herzigkeit. Das ist Luthers Entde-
ckung: Gottes Gerechtigkeit ist die
Barmherzigkeit! Vor Gott müssen
wir uns nicht selbst groß und an-
sehnlich machen, sondern Christus
macht uns vor Gott gerecht.
Das Bibelstudium wird zum
Weg und zum Mittel gegen die
Angst. Es macht Mut, mit den
anderen und für die anderen die
Bibel zu lesen. Das gemeinsame
Gespräch über die biblischen
Texte stärkt die Einzelnen und
die Gemeinschaft. Luther wird frei
von seinen Ängsten, als er gute
Worte für die anderen findet. Er
starrt nicht mehr auf seine Angst;
er sucht nach Gewissheit und Frei-
heit für die anderen – und wird
dadurch selber frei. Evangelischer
Glaube überwindet die Angst,
indem er anderen die Gute Nach-
richt sagt: Fürchte dich nicht!
– und sie sich selbst sagen lässt.
Niemand von uns kann sich an
seinen eigenen Haaren aus dem
Sumpf ziehen. Wir brauchen das
Wort der anderen.
Luther und der Sieg über die Angst
Martin
Besinnung I blick magazin �
„Ich fürchte mich nicht!“
Viele Kämpfe und Anfech-
tungen steht Luther in den Jah-
ren nach seiner reformatorischen
Entdeckung durch. Manchmal
holen ihn die Ängste ein. Als er
als Junker Jörg auf der Wartburg
festsitzt und das Neue Testament
übersetzt, fragt er sich verzweifelt:
Ist mein Weg richtig? Mache ich
das alles nur für mein Ansehen
oder wirklich um Christi willen?
Da ritzt er in sein Schreibpult: „Ich
bin getauft! Das heißt: Ich fürchte
mich nicht, denn ich gehöre zu
Christus.“
Besonders wichtig ist Luther
diese Gewissheit für das Sterben
am Lebensende. Wenn die Frage
kommt, was habe ich gemacht
mit meinem Leben – oder mit den
Worten aus Luthers Zeit: „Wenn
der Teufel flüstert: Na, worauf
willst du dich denn nun verlas-
sen?“ – dann ist das kräftige und
klare Wort wichtig: „Fürchte dich
nicht! Ich habe dich befreit. Ich
habe dich bei deinem Namen ge-
rufen, du bist mein!“
Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
Der Autor ist Pfarrer und Direktor des landeskirchlichen Predigerseminars
in Hofgeismar
n Am 31. Oktober 1517 schlug Martin
Luther – so sagt es die Überlieferung – 95
Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wit-
tenberg an und rief zur Diskussion darüber
auf. Dieser Thesenanschlag gilt als die Ge-
burtsstunde der Reformation – daran erinnert
der Reformationstag, den die evangelische
Kirche jährlich am 31. Oktober feiert. Der
Reformationstag wird auch als Gelegenheit
zur evangelischen Selbstbesinnung verstan-
den. Als Augustinermönch wollte Luther die
Kirche erneuern und sie zur ursprünlichen
Botschaft des Evangeliums zurückführen. Sein
zentrales reformatorisches Anliegen war die
Rückbesinnung auf das unverfälschte Wort
der Bibel in der Landessprache. Weil sich
die mittelalterliche Papstkirche einer Reform
verweigerte, kam es zu der von
Luther zunächst nicht beabsich-
tigten Bildung der evangelischen
Kirche. – Sie sind eingeladen, den Re-
formationstag am Freitag, 31. Oktober 2008,
mitzufeiern. Wo in Ihrer Nähe Gottesdienste
gehalten werden oder Veranstaltungen statt-
finden, erfahren Sie in Ihrer Tageszeitung.
Infos auch auf den Internetseiten
www.ekkw.de | www.reformationstag.de
Reformationstag
S. 8: Szene aus dem Spielfilm „Luther“ mit Darsteller Joseph Fiennes in der Titelrolle | S. 9: Die „Lutherrose“ war das Siegel Martin Luthers
blick magazin I Thema 10
n Es war ein schwerer Schritt für Elisabeth
Beltz, das Kasseler Hospiz aufzusuchen. Nicht
sie selbst wollte hier unterkommen. Es ging um
ihre Mutter Ruth, die an Krebs leidet. Im Früh-
jahr setzte das Herz der 81-jährigen Ruth Beltz
aus. Sie war klinisch bereits tot, wurde aber
von den Ärzten zurück ins Leben geholt. Bei
den Untersuchungen wurde ein Tumor in der
Niere entdeckt, der nicht mehr entfernt werden
konnte. „Uns war klar, es geht zu Ende“, sagt
Elisabeth Beltz.
Ein schweres Gefühl
Weil die Pflege zu
Hause nicht mehr mög-
lich war, riet die Haus-
ärztin Ruth Beltz zum
Umzug in das Kasseler
Hospiz. Und so stand ihre
Tochter Elisabeth im war-
men August zusammen
mit ihrem Bruder Heinrich
vor dem roten Klinkerbau
an der Konrad-Adenauer-
Straße in Wilhelmshöhe.
Sie wollten sich umsehen
in der Einrichtung, in der
ihre Mutter vielleicht ihre
letzten Tage verbringen
würde. „Es ist schon ein
schweres Gefühl, die eigene Mutter wegzubrin-
gen“, sagt die 53-Jährige. Ihr erster Eindruck
von der Einrichtung, die von der Evangelischen
Altenhilfe Gesundbrunnen Hofgeismar betrie-
ben wird, war eher von Zweifeln geprägt. So
klein, so nah an der lauten Straße. Wird Mutter
sich hier wohlfühlen?
Warmes weiches Licht
Die Ängste, die Elisabeth Beltz mitbrachte,
begannen langsam und leise, sich zu verflüch-
tigen, als sie von Pflegedienstleiterin Andrea
Heußner empfangen wurde und sie erste Ein-
drücke im Inneren des Hospizes sammeln konn-
te. „Ich war sehr angenehm überrascht“, sagt
sie. Warmes, weiches Licht fällt vom Garten di-
rekt in einen Raum, der Empfang und Aufent-
haltsraum verbindet. Kein Krankenhausgeruch,
keine langen Wege, statt dessen ein Klavier
und ein großes Gästebuch. „Das Personal war
freundlich und hat mir alles erklärt, was ich
wissen wollte.“
Lange Zeit hatte sie sich aufgerieben, hat-
te kaum noch eine Nacht durchgeschlafen, war
zusammen mit ihrem Bruder als Pflegerin da
für ihre Mutter. Hatte Angst, die Geduld ihrer
Arbeitskollegen durch Urlaubszeiten allzu sehr
zu strapazieren. Und merkte, wie ihr Nervenkos-
tüm immer dünner wurde. „Natürlich hatte ich
Angst vor dem Schritt“, sagt sie rückblickend:
„weil ich im Kopf wusste, dass ich die Pflege
nicht mehr schaffe, aber es emotional einfach
schrecklich ist, das Gefühl zu haben, die eigene
Mutter abzugeben.“ Die wiederum fühlte sich
ihrerseits unwohl, weil sie ihren Kindern nicht
zur Last fallen wollte. Gemeinsam mit ihrer
Mutter fiel daher die Entscheidung für das Kas-
seler Hospiz.
Ängste fluten einen an
Fast alle Menschen haben Angst davor,
Verwandte ins Hospiz gehen zu lassen, berich-
tet Einrichtungsleiterin Christa Joedt. „Diese
Ängste fluten sie regelrecht an“, sagt sie. Oft
sei von außen für Verwandte und Pflegeper-
sonal nur schwer zu sagen, was alten und
kranken Menschen am ehesten gerecht werde.
Schmerzstillende Medikamente spielen oft eine
wichtige Rolle. Die Gäste – so werden im Hos-
piz die Bewohner genannt – sollen sich mög-
lichst wohl fühlen, sollen ihre letzten Tage in
Frieden verbringen können. Dazu gehört auch,
Krankheitsfolgen wie Inkontinenz und andere
Kontrollverluste so gut es geht abzufedern.
Aber genauso wichtig ist menschliche
Nähe, meint Joedt. Wer Angst vor den Folgen
der Krankheit hat, vielleicht auch vor dem Tod,
vor dem Ende jeder Möglichkeit, noch etwas zu
klären auf Erden – der braucht ein Gespräch
genauso wie das Medikament, das ihm wache
Lebenszeit ermöglicht. Die Krankenschwes-
tern und -pfleger des Hospizes helfen dann,
unterstützt von zahlreichen Ehrenamtlichen,
so gut sie können, und kümmern sich um die
seelischen Bedürfnisse der Gäste. Das Betreu-
ungsverhältnis ist gut, denn das Hospiz hat
nur sechs Plätze. Für die medizinischen Fragen
bleibt nach Möglichkeit der bisherige Hausarzt
zuständig.
Größtmögliche Schmerzfreiheit
Ängste kennt auch das Personal. Manchmal
frage man sich schon, ob man den Menschen
tatsächlich gerecht werden könne, ob man Mi-
mik und Gestik richtig interpretiere, wenn dem
Gast das Sprechen nicht mehr möglich sei, sagt
Pflegedienstleiterin Heußner. Schließlich wolle
man jedem Gast das Gespräch anbieten und
auch auf seine spirituellen Bedürfnisse schau-
en, aber bei alledem dennoch nicht aufdring-
lich sein. Hospiz, das heißt größtmögliche Frei-
heit von Schmerzen. Maximale Konzentration
auf den Menschen, der nicht mehr allzu viele
Tage hat. Und manchmal die Freiheit, noch
etwas in Ordnung zu bringen. Elisabeth und
Ruth Beltz müssen keine letzten Dinge mehr re-
geln. Keinen Streit mehr klären. „Wir sind eine
gute Familie“, sagt die Tochter: „Und ich habe
jetzt wieder mehr Raum und Zeit, mich wirklich
mit meiner Mutter als Person zu beschäftigen,
nicht als Kranke.“
Und Ruth Beltz? Die 81-Jährige ist geistig
rege und voller Dankbarkeit. „Es ist toll hier“,
sagt die ehemalige Hausfrau. Sie habe Angst
gehabt, in eine Umgebung zu kommen, in der
die Leute nur „rumsäßen und von ihren Weh-
wehchen erzählen“. Tatsächlich hätten die
Mitarbeiter Zeit für sie und seien alle freund-
lich und hilfsbereit. Und auch mit den anderen
Gästen kämen schöne Gespräche zustande.
„Der Tod kommt – so oder so“Wie Ruth Beltz
im Kasseler Hospiz mit der Angst vor
dem Sterben umgeht
Christa Joedt leitet das Kasseler Hospiz
Weiter auf Seite 12
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Die Kasselerin Ruth Beltz (81)
blick magazin I Thema1�
n 70 Prozent der Deutschen haben (laut einer Gfk-
Umfrage �00�) Angst davor, dass sie im Alter in
ein Pflegeheim müssen. Ist diese Angst berechtigt?
Barbara Heller: Zu diesen 70 Prozent gehöre
ich auch. Und das hat einen ganz einfachen Grund:
Wenn ich in ein Pflegeheim gehen müsste, hieße
das nämlich, dass ich krank und sehr schwach wäre
und nicht mehr alleine leben könnte. Davor habe ich
Angst wie viele andere. Und auch ich wünsche mir
natürlich, möglichst lange gesund und selbstständig
zu leben und dann irgendwann – ohne lange krank
zu sein – zu sterben. Wenn Sie aber danach fragen:
Sind Pflegeheim so schlimm, dass man sie so fürch-
ten muss?, würde ich das klar verneinen. Es gibt si-
cher gute und schlechte Pflegeheime. Es gibt gute
und schlechte Altenpflegekräfte, wie in jedem Beruf.
Aber Heime sind nicht so „schrecklich“, dass man ge-
nerell Angst vor ihnen haben müsste.
Die Angst vor dem Heim geht bei vielen sogar
soweit, dass sie den Tod vorziehen und ein Verbot
aktiver Sterbehilfe ablehnen. Ist der Tod eine Erlösung?
Heller: Jenseits dessen, was wir als Christen hof-
fen, nämlich dass Gott auch im Tod bei uns ist und
dass er uns auch nach unserem Tod erwartet, ist der
Tod selbst keine Erlösung, sondern das Ende unseres
Lebens – das heißt: alles dessen, was wir kennen und
was uns ausmacht, nicht nur das Ende von Ängsten
und Belastungen. Ich finde eine Entwicklung schlimm
und bedenklich, die Menschen schon zu einer Zeit, in
der sie noch gar nicht krank sind oder Altersleiden
sich noch nicht eingestellt haben, den Tod aus Angst
dem Leben vorziehen lässt.
Ist es die Angst vor unzureichender Pflege oder die
Angst davor, dass man seinen Körper nicht mehr
unter Kontrolle hat?
Heller: Das mischt sich. Einmal geht es um die
Angst vor Krankheit, vor Schmerzen – eine ganz be-
rechtigte Angst. Und dann gibt es eine Angst vor Ab-
hängigkeit. Autonomie ist ein ganz hoher Wert in un-
serer Gesellschaft. Ich will bestimmen können, wo ich
bin, was ich tue, wie ich aussehe und gesehen werde.
Viele sehen in zunehmender Pflegebedürftigkeit vor
allem das Gegenteil dieser erwünschten Autonomie.
Eine der größten Ängste in diesem Zusammenhang
ist sicher die Angst davor, unbeweglich zu sein und
die Ausscheidungen nicht mehr kontrollieren zu kön-
nen. Das ist ein ganz heikles schmerzliches Thema.
Aber es kann doch nicht sein, dass man sagt: „Lieber
tot als inkontinent!“
Warum ist menschenwürdige Pflege so schwer?
Heller: Bleiben wir beim Beispiel Inkontinenz: Es
beleidigt uns als erwachsene, gesunde und selbst-
ständige Menschen, uns vorzustellen, dass wir keine
Kontrolle mehr über unsere Ausscheidungen haben.
Allein diesen Umstand finden wir unwürdig. Dieses
Leiden an dem Verlust kann die Pflege nicht nehmen.
Doch dann kommt die Frage dazu: Wie gehen Pflege-
kräfte mit dem betroffenen Menschen um? Ich sage
ganz deutlich: Ein angemessener und würdiger Um-
gang mit diesem Krankheitsbild ist möglich. Die Pfle-
ge kann angemessen damit umgehen, so dass Men-
schen nicht beschämt, sondern unterstützt werden
und sich den Umständen entsprechend wohlfühlen.
Was zeichnet evangelische Pflegeheime aus?
Heller: Diakonische Einrichtungen müssen ihre
Grenzen kennen: Wir können Leiden und Sterben
nicht verhindern, und wir können Menschen, die un-
heilbar krank sind, nicht wieder gesund machen. Das
wissen wir und wollen es mit den Bewohnerinnen und
Bewohnern aushalten und ihnen beistehen. Das heißt
zum Beispiel, Schmerzen zu lindern wie in der Palli-
ativpflege. Zuletzt geht es darum, Menschen zu be-
gleiten, auch auf ihren Tod zuzugehen und sie beim
Sterben nicht allein zu lassen. Das macht für mich
das Evangelische aus, die Spannung auszuhalten: Wir
sind nicht Gott und wir können Leiden, Schmerzen
und Tod nicht verhindern. Aber wir können da sein
und Menschen in diesen Situationen begleiten und
ihnen beistehen.
Fragen: Lothar Simmank
Barbara Heller (49) ist Leitende
Pfarrerin der Evangelischen Altenhilfe
Gesundbrunnen in Hofgeismar.
Der diakonische Träger unterhält 24
Altenheime in Hessen und Thüringen,
zwei stationäre Hospize in Kassel und
Marburg und zwei geriatrische Krankenhäuser. 2008 ist ein
Buch der Theologin, Gesundheits- und Sozialökonomin bei
GTVH erschienen: „Hingehen, wo andere weglaufen“.
Was heißt: Menschen-würdig pflegen?
Pfarrerin Barbara Heller im Interview
Die Zeit läuft
So sitzt Ruth Beltz im Winter-
garten, erzählt von früher, lacht.
Sie ist sehr lebendig und blüht seit
ihrer Ankunft im Hospiz gesund-
heitlich sogar ein wenig auf.
Zum eigenen Tod hat sie ein
pragmatisches Verhältnis. „Das ist
die Endstation hier, das ist klar“,
sagt sie. Von Angst will sie aber
nichts wissen. Der Tod komme, so
oder so. Ruth Beltz widmet sich
an ihrem Lebensabend lieber den
schönen, lebendigen Seiten. Er-
zählt ihren Kindern, die sie häufig
besuchen, Anekdoten von früher.
Lacht über das, was sie Schönes
erlebt hat. Genießt den Tag, soweit
es ihre Krankheit erlaubt. In ihrem
Zimmer hängen Fotos der Kinder
und Enkel. Und eine große Pendel-
uhr, die sie mal geschenkt bekam.
Die Zeit läuft, jede halbe Stunde
schlägt der Gong. Und daneben
hängt ein Bild von Jesus.
Ruth Beltz fühlt sich wohl im
Hospiz. Das ist das Wichtigste.
Dass ein paar Leute ihrer Tochter
tatsächlich vorgeworfen haben,
dass sie ihre Mutter ins Hospiz
gebracht hat, verblasst vor diesem
Hintergrund. Vermutlich wäre Ruth
Beltz nicht böse, wenn man ihre
Zeit im Hospiz als guten Ausklang
bezeichnet. Sie würde lachen.
Martin Sehmisch
Weitere Informationen:www.hospiz-kassel.deT (05 61) 3 16 97 65
Wohlfühlen bis zuletzt: Gästezimmer im Kasseler Hospiz
Fortsetzung von Seite 10
Ratgeber I blick magazin 1�
n Corinna ist 19 Jahre alt und hat ein gutes Abitur
gemacht. Aber nach der Feier hat sie bei einer Fahrt
in den Studienort, den sie ausgewählt hat, plötzlich
einen Angstanfall bekommen. Sie konnte sich an
einem Platz in der Stadt nicht mehr weiterbewegen:
Herzrasen, Engegefühle, Hitzewallung und schnel-
ler Atem bedrängten sie. Mit Hilfe eines Passanten
konnte sie den Ort verlassen und wieder mit ihrem
Auto nach Hause fahren.
Das Erlebnis hat sie erschreckt und verzweifelt
gemacht. Sie kann die neu gewonnene Freiheit
und die spannende Aussicht auf neue Lebenserfah-
rungen im Studium gar nicht mehr genießen. Sie
möchte am liebsten alles absagen und zu Hause
bleiben. Ihre Mutter bringt sie in die Beratungsstel-
le. Sie selbst ist noch nicht so überzeugt, dass Ge-
spräche etwas helfen, denn sie versteht doch selbst
gar nicht, was eigentlich mit ihr los ist und mag
auch kaum darüber reden.
Es ist gar nicht so selten, dass Menschen in so-
genannten Schwellensituationen, also bei grundle-
genden Veränderungen in ihrem Leben, mit Angst
zu kämpfen haben. Jeder neue Schritt, jede Ent-
scheidung für einen neuen Weg, ja alles Neue über-
haupt birgt ja die Gefahr, Sicherheit und der Gebor-
genheit zu verlieren, die man bisher gehabt hat.
Angst begleitet unser Leben. Ob es die Beklom-
menheit im dunklen Wald oder der Schwindel-Kit-
zel auf dem hohen Turm oder die Beklemmung in
einem Fahrstuhl ist: Wir alle kennen Ängste oder
ängstliche Reaktionen. Angst ist etwas, mit dem wir
leben müssen. Wir brauchen diesen Begleiter sogar,
um leben zu können, nämlich als einen Affekt, der
uns vor Überforderung und Gefahr warnt.
Deshalb ist es eigentlich unverständlich, dass
wir versuchen, der Angst die kalte Schulter zu zei-
gen, ihr zu entfliehen oder sie zu vermeiden. Sie
will uns ja warnen und beraten. Es kommt also
eher darauf an, genau hinzugucken, was sie einem
eigentlich sagen will. Der Psychoanalytiker Sig-
mund Freud hat es als einen wichtigen Fortschritt
in unserer Selbstwahrnehmung gesehen, wenn eine
traumatische Situation von Hilflosigkeit nicht abge-
wartet, sondern vorhergesehen, erwartet wird. Das
Angstsignal ist dann lebenserhaltend für die Exis-
tenz des Menschen.
Das bedeutet, dass wir innerlich auf das, was
uns Angst macht, zugehen sollten mit der Frage:
Worin besteht eigentlich die Gefahr, vor der ich
gewarnt werde? Und auch praktisch sollten wir auf
das Angstobjekt zugehen und der Angst mutig und
aktiv begegnen. Es ist gut möglich, dass sie dann
mit der Zeit kleiner wird.
Lukas, der Lokomotivführer, von dem Michael
Ende erzählt hat, hat auch Angst gehabt. Am Ho-
rizont erschien ein Riese, der den ganzen Himmel
auszufüllen schien. Aber je näher Lukas an diesen
scheinbar unbesiegbaren Riesen heranging, desto
kleiner wurde er. Er war eben ein Scheinriese. Wer
vor ihm zurückschreckte oder weglief, sah ihn noch
größer. Wer auf ihn zuging, der konnte bald in Au-
genhöhe mit ihm sein und brauchte sich nicht mehr
zu fürchten. Mancher braucht für diesen Weg auf
die scheinbare Gefahr zu einen Begleiter, der ihn an
die Angst heranführt und ihm Mut
macht. Aber der ist nur hilfreich,
wenn man selbst bereit ist und sich
aufmacht, um dem Angstgegner
ins Auge zu schauen.
Schon in der ersten Beratungs-
stunde entwerfen wir zusammen
eine Strategie zum Umgang mit der
Angst und versuchen sie zu verste-
hen. Corinna bewältigt ihre Angst,
weil sie sich auch noch einmal ver-
sichert, was ihr an Sicherheiten und
Handlungsmöglichkeiten bleibt.
Teresa von Avila hat ihre Si-
cherheit so ausgedrückt: Nichts soll
dich ängstigen, nichts dich erschre-
cken. Alles vergeht. Gott bleibt der-
selbe.
Der Scheinriese
blick magazin I Ratgeber
Pfarrer Rüdiger Haar,
Pastoralpsychologe
und analytischer
Kinder- und Ju-
gendlichenpsycho-
therapeut, leitet
die Psychologische
Beratungsstelle für
Ehe-, Familien- und
Lebensfragen des
Diakonischen Werks
in Kassel, T (05 61)
7 09 74 - 2 50
Je näher Lukas
an den scheinbar
unbesiegbaren
Riesen heranging,
desto kleiner
wurde er.
Alles zum Fürchten!
Das blick-Rätsel 7
Jeremia
Tobias
Elia
Isebel
Bathseba
Saba
Luther stadt Wittenberg
� Angst in der Bibel I: Von seinem König und dessen Frau
verfolgt, flieht der gesuchte Gottesmann hin zu einem Berg mit besonderer Tradition. Auf dem Weg dorthin, so wird uns im 1. Buch der Könige berichtet, verlässt ihn freilich aller Mut: „Es ist genug, so nimm nun Herr, meine Seele, ich bin nicht besser als meine Väter.“ Schon legt er sich zum Sterben unter einen Wa-cholder – da naht Rettung. Von welcher großen biblischen Figur, der auch ein berühmtes Ora-torium gewidmet wurde, ist hier die Rede?
1Eine Erkrankung – zum Fürchten: Das Lexikon definiert sie so: „Geistesstö-
rung, die durch das Ausbilden eines Wahnsys-tems gekennzeichnet ist, bei sonst erhaltener Klarheit des Denkens und Handelns.“ Von welchem Krankheitsbild ist hier die Rede?
Manie
Paranoia
Depression
� Angst in der Bibel II:Frage 2 unseres Rätsels suchte den
Verfolgten; nun geht es um seine Verfolger. Israels König Ahab hatte eine Frau, vor der man, folgt man der Überlieferung, wirklich Angst haben konnte. Schrecklich freilich ist auch das ihr vorhergesagte Ende (1. Könige 21, 23). Wie aber hieß die so geschmähte Königin?
von Karl Waldeck
blick magazin I Rätsel 1�
Das Lösungswort ergibt sich aus den jeweils ersten Buchstaben der richtigen Antworten von 1 – 4
Etwas aus der Mode gekommen und als Adjektiv
abgewandelt in etwas anderem Zusammenhang
gebraucht, gibt es allen Grund dazu, Angst zu haben.
Es ist im Übrigen das letzte Wort der berühmten
Liedstrophe aus der Feder Paul Gerhardts: „Wenn ich
einmal soll scheiden ...“.
Schicken Sie das Lösungswort bis zum 7. November 2008 (Einsendeschluss) auf einer frankierten Postkarte an: blick in die kircheHeinrich-Wimmer-Str. 4, 34131 Kasseloder per E-Mail an: blick-raetsel@ekkw.de
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Redaktion behält sich vor, die
Namen der Gewinner im Magazin blick in die kirche zu veröffentlichen.
Teilnehmende erklären ihr Einverständnis. Gewinner des letzten Preis-
rätsels (Juni 2008) war Gustav Hildebrand aus Meißner.
� Angst in der Bibel III: Genauer gesagt: Keine Angst hatte der
gesuchte Prophet, der sich vor einen höchst prominenten König stellte und ihn des Mordes, zumindest der Anstiftung hierzu bezichtigte – und zwar mittels einer Beispielsgeschichte. Eine Strafrede, die durchaus auf fruchtbaren Boden fiel (vgl. 2. Samuel, Kapitel 11+12). Wie aber hieß dieser furchtlose Gottesmann? (Ein kleiner Tipp: Ein deutscher Dichter gab in seinem Drama, in dem es um religiöse Toleranz geht, der Titelfigur diesen Namen.)
Jesaja
Amos
Nathan
n Im sachsen-anhaltischen
Wittenberg ist Luther für viele
ein Volksheld: „Jubel! Jubel!“,
schallt es vom Elbufer zum
Boot hinüber. „Luther soll an
Land kommen!“, ruft das Bau-
ernvolk und schwingt Mistga-
beln und Wanderstäbe in die
Höhe. Im September 1508 war
Luther als Augustinermönch
von Erfurt nach Wittenberg ge-
kommen.
Genau 500 Jahre später,
am 21. September 2008, wur-
de das Ereignis am Original-
schauplatz von Laienschauspie-
lern nachgestellt. Zum Auftakt
der Lutherdekade feierten in
Wittenberg rund 2.000 Besu-
cher den Reformator mit histo-
rischem Schauspiel, Konzerten,
Diskussionsveranstaltungen
und einem Klosterfest.
„Luther kommt“: Der Student Martin Schicketanz spielte den jungen Luther bei seiner An-kunft in Wittenberg
Foto
s: VC
H-H
otel
Rätsel I blick magazin 1�
Gewinnen Sie ein Wochenende für zwei Personen (zwei Übernachtungen im Doppelzimmer mit Frühstück) in Wittenberg mit zweistündiger Stadt-führung. Mitten in der historischen Altstadt bietet das 4-Sterne-Hotel seinen Gästen komfortable Unterkunft mit Blick auf die Predigtkirche Martin Luthers. Luther-Hotel Wittenberg,Neustraße 7-10, 06886 Lutherstadt Wittenberg, T (0 34 91) 45 80www.luther-hotel-wittenberg.deLuther-Hotel Wittenberg
Zu gewinnen beim blick-Rätsel:
Erleben Sie Weltgeschichte in der Luther-
stadt Wittenberg. Auf den Spuren des
Reformators entdecken Sie in der Altstadt
UNESCO-Welterbe: Luthergedenkstätten,
Melanchthon- und Cranachhaus und
vieles mehr. Wer beim blick-Rätsel mit der
richtigen Lösung dabei ist, kann einen Ho-
telaufenthalt mit Stadtführung gewinnen.
Luther �017n In der Lutherstadt Wittenberg
ist am 21. September mit einem
Festgottesdienst die Lutherdeka-
de eröffnet worden. „Wir haben
Geschichte gemacht“, sagte der
Präsident des Lutherischen Welt-
bundes, Mark Hanson, in seiner
Predigt in der Schlosskirche.
„Was vor 500 Jahren in Deutsch-
land als Reformbe-
wegung begonnen
hat, umfasst nun
eine Gemeinschaft
von 68 Millionen
lutherischen Chris-
ten in 140 Kirchen
in 78 Ländern“, so
der US-amerika -
nische Bischof. Bis
zum Jahr 2017 will
die evangelische
Kirche mit der Lutherdekade an
die epochale Bedeutung und
bleibende Wirkung der Reforma-
tion erinnern. Die Dekade endet
am 31. Oktober 2017, dem 500.
Jahrestag des Thesenanschlags
des Reformators Martin Luther
(1483-1546). Dieses Ereignis gilt
als Beginn der Reformation und
Ausgangspunkt der Gründung
der evangelischen Kirche.
Logo der in diesem Jahr gestarteten
Lutherdekade
Jürgen Rettig spielt dabei einen der Bauern: „Ich habe mich viel mit Luther beschäf-
tigt“, sagt er. Die Begeisterung war so groß, dass Rettig regelmäßig in sein Bauernkostüm
schlüpft, um Luther zuzujubeln. Seit Jahren spielt er in einer Laienschauspielergruppe, die
sich „Bauernvolk Pratau“ nennt.
Vorbei an Luther-Pappaufstellern und Postkartenständern, begleitet von Dudelsack- und
Flötenmusik lässt sich der Reformator durch die Innenstadt kutschieren. Wer nicht auf der
Straße steht, schaut neugierig aus dem Fenster. Wolfgang Tietze gefällt das Spektakel. „Die
Reformation war ein weltgeschichtliches Ereignis“, sagt der Wittenberger. Zu DDR-Zeiten
habe er davon „freilich nicht viel mitbekommen“. Das heute sanierungsbedürftige, älteste
deutsche Luther-Denkmal auf dem Marktplatz und den legendären Thesenanschlag an der
Schlosskirche habe er gekannt, „aber das war es auch schon“.
Für Rolf Wilde dagegen war der Reformator „schon immer ein Held“. Vor zwei Wochen
hat er die Pommes-Bude „Am Amselgrund“ ganz in der Nähe des Lutherhauses übernom-
men. In dem früheren Klostergebäude wohnte der Reformator von 1508 bis kurz vor seinem
Tod. Die Bilanz des Eröffnungswochenendes der Lutherdekade fällt für ihn allerdings mäßig
aus. Nur wenige Gäste hat er bedient. Wilde hofft, dass sich das ändert: „Bis 2017 werden
hoffentlich noch mehr Touristen angelockt“, sagt er. epd
Info: www.wittenberg.de
Luther stadt Wittenberg Fo
tos:
epd-
bild
1� blick magazin I Buß- und Bettag
Ehrlich Wie ehrlich bin ich zumir und anderen?
Nehmen Sie sich Zeit, darüber nachzudenken.
Auch im Gottesdienst am Buß- und Bettag:
19.11.2008
www.busstag.de
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w.o
rang
e-pr
omot
ion.
de
n Ehrlich zu sein – dazu fordert die diesjährige Aktion der Evangeli-
schen Kirche von Kurhessen-Waldeck zum Buß- und Bettag am 19. No-
vember auf. Wie sieht es mit der Ehrlichkeit im Jahr 2008 aus? Dass
Ehrlichkeit abhandengekommen sei, wird landauf, landab geklagt: Be-
stechung, Steuerhinterziehung in den Führungsetagen einiger Konzerne,
der Streit um gehaltene oder gebrochene Versprechen in der Politik. Um
die Ehrlichkeit scheint es in unserem Land und andernorts eher schlecht
zu stehen.
Das Bildmotiv der Buß- und Bettags-Aktion zeigt einen Mann, der
sein Spiegelbild betrachtet. Im Schriftzug „Ehrlich“ sind die Buchsta-
ben „ich“ besonders hervorgehoben. Es geht also erst in einem zweiten
Schritt darum, Ehrlichkeit von anderen einzufordern; alle sind vorab dazu
aufgerufen, zunächst den Blick auf sich zu richten: Wie ehrlich bin ich zu
mir und anderen gegenüber?
Das Ergebnis wird zwiespältig ausfallen – ernüchternd, aber auch er-
hellend. Das kann uns helfen, Schuld, Versagen und Unehrlichkeit nicht
nur bei anderen zu suchen. Jesus erinnert daran, dass der Maßstab, den
wir an unsere Mitmenschen anlegen, auch für uns gilt: „Mit welchem
Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden“ (Matthäus 7,2).
Der biblisch-christliche Glaube fordert uns zur Ehrlichkeit auf: „Du
sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ So sagt es das
achte Gebot. Was hier aus der Sprache des Rechts und vor Gericht ent-
nommen ist, soll für den Alltag gelten. Es ist ein Stoppzeichen gegen
Lüge und Verleumdung und eine Einladung zu Aufrichtigkeit und Klar-
heit. Jesus sagt in der Bergpredigt: „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was
darüber ist, das ist vom Übel“ (Matthäus 5,37).
Die Aufforderung, ehrlich zu sein, rührt an unser Inneres: bei uns
selbst wie in unserer Gesellschaft. Wir werden vor die Frage nach dem
Verhältnis zu uns, zu den Nächsten und zu Gott gestellt. Im Gottesdienst
am Buß- und Bettag bekennen wir vor Gott unsere Schuld, auch unser
Versagen an der Ehrlichkeit. Wir tun dies nicht, weil er uns ohnehin
durchschaut, sondern weil wir von seiner Seite Ehrlichkeit, Liebe und Ver-
gebung erfahren können. Alle Tage – und gerade am Buß- und Bettag.
Bischof Dr. Martin Hein
Bischofswort zum Buß- und Bettag am 1�. November �00�
Wie ehrlich bin ich zu mir und zu anderen?