Analyse und Beurteilung psychischer Belastungen in … · Das Eisbergmodell Absentismus bisher...

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Gesünder Arbeiten in NiedersachsenKongress für den betrieblichen Arbeits- und

Gesundheitsschutz05. September 2013 in Wolfsburg

Analyse und Beurteilung psychischer Belastungen in Klein- und Mittelbetrieben

Detlef GlommFacharzt für Arbeitsmedizin, CDMP

BAD-Zentrum Dithmarschen

VDBW-Seminar Ulm 2010

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Bedarfsanalyse

Ziel: maßgeschneidertes Konzept

Informationsquellen für den Betriebsarzt:

Beratungsgespräche im Rahmen der betriebsärztliche Sprechstunde

Auswertung von betriebsärztlich begleiteten BEM-Verfahren

Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen

Gesundheitsquoten/Krankenstand

Diagnosebezogene Krankenstandsanalyse der GKV

Überstunden/Mehrarbeit

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Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

Erhebung der Gefährdungen:

1. Kommunikation des Anlasses und der Ziele der Gefährdungs-

beurteilung mit allen Beschäftigten und Akteure

2. Auswahl eines geeigneten Verfahrens im Konsens

3. Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

4. Zeitnahe Kommunikation der Ergebnisse

5. Aufstellen und Bewerten bereits vorhandener oder zu treffender

Verbesserungsmaßnahmen mit Zuordnung von Zuständigkeiten

und Zeitrahmen

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Hemmnisse bei der Gefährdungsbeurteilung in Klein- und Mittelbetrieben

Gering entwickelte Arbeitsschutzsysteme und

Organisationsstrukturen

Fehlende Rechtskenntnisse

Eingeschränkte Informelle Netzwerke

Seltene Kontakte mit Arbeitsschutzexperten

Fehlender Überblick über geeignete Analyse- und

Dokumentationssysteme

Wechselnde, wenig beeinflussbare Arbeitsplätze (z. B. Baustellen)

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Förderfaktoren bei der Gefährdungsbeurteilung in Klein und Mittelbetrieben

In der Produktion mitarbeitende Betriebsinhaber

Kurze Entscheidungswege

Einfache informelle Organisationsstrukturen

Direkte Kommunikation innerhalb des Betriebes

Für das „Soziale“ zuständige Unternehmerfrauen

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Indikatoren der Gesundheitssituation Das Eisbergmodell

Absentismus

bisher nicht eingebrachtes Leistungspotenzial

Unwohlsein/Befindlichkeitsstörungen

geringe Motivation

???

krankheits- und motivationsbedingte Fehlzeiten

Präsentismus

VDBW-Seminar Ulm 2010

(Lit. zum Präsentismus: baua aktuell 2-09):

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Die Rolle des Betriebsarztes Unterstützung und Beratung bei der Erfassung und

Analyse psychischer Belastungen im Betrieb

Nutzung betriebsärztlicher Gesundheitsdaten

Beteiligung bei der Durchführung von Maßnahmen im Betrieb z.B. als Moderator

Bereitstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu psychischen Belastungen und Beanspruchungen

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Erfassung psychischer Belastungen

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Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken

Psychische Belastung

Die unmittelbare Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen persönlichen (auch gesundheitlichen !) Voraussetzungen, einschließlich der vorhandenen individuellen Bewältigungsstrategien

Psychische Beanspruchung

Quelle: ISO 10 075-1: Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung,

Teil 1: Allgemeines und Begriffe, 1996 - 09

Was sind Psychische Belastungen?

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| VDBW e.V. | Detlef Glomm | Ulm 2010

Individuelle Belastungsfaktoren im Arbeitsprozess 1

Belastungen aus der Arbeitsaufgabe:

» Zu hohe qualitative und quantitative Anforderungen» Unterforderung» Unvollständige Aufgaben» Zeit- und Termindruck ohne ausreichende Pausen» Geringe Entscheidungskompetenz bei hoher Verantwortung» Informationsüberlastung» Unklare Aufgabenübertragung » Intransparenz von Entscheidungen» Widersprüchliche Anweisungen» Unerwartete/häufige Unterbrechungen und Störungen

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| VDBW e.V. | Detlef Glomm | Ulm 2010

Individuelle Belastungsfaktoren im Arbeitsprozess 2

Belastungen aus der Arbeitsrolle:

» Hohe Verantwortung für Personen und Sachwerte» Aggressives Konkurrenzverhalten unter den Beschäftigten

(Mobbing, Bossing, Bullying)» Fehlende Unterstützung und Hilfeleistung» Fehlende soziale Kompetenz der Vorgesetzten» Enttäuschung und fehlende Anerkennung» Konflikte mir Vorgesetzten und Kollegen

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Individuelle Belastungsfaktoren im Arbeitsprozess 3

Belastungen aus der materiellen Arbeitsumgebung:

» Nässe, Kälte, Hitze» Lärm, mechanische Schwingungen» Chemische oder biologische Gefahrstoffe» Schwere oder einseitige dynamische oder statische Arbeit» Zwangshaltungen» Mangelhafte Beleuchtung, Blendung

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Individuelle Belastungsfaktoren im Arbeitsprozess 4

Belastungen aus der sozialen Arbeitsumgebung:

» ungesunde Unternehmenskultur» Schlechtes Betriebsklima» Strukturelle Veränderungen im Unternehmen» Drohender Arbeitsplatzverlust/Betriebsschließung» Wechsel der Arbeitsumgebung, der Bezugspersonen und des

Aufgabenfeldes» Unzureichende Einblicke in Betriebsabläufe» Informationsmangel

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Individuelle Belastungsfaktoren im Arbeitsprozess 5

Belastungen aus dem Grad der Abgrenzung des Arbeitsplatzes:

» Isolation (z.B. isolierter Einzelarbeitsplatz)» Home-Office» Dichte / Zusammengedrängtheit (z.B. überbelegtes Großraumbüro)» Reisetätigkeit

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Individuelle Belastungsfaktoren im Arbeitsprozess 6

Belastungen durch individuelle Bedingungen:

» Angst vor Aufgaben, Misserfolg, Tadel und Sanktionen» Zurückliegende negative Erfahrungen mit

Ereignissen/Situationen» Mangelnde kognitive und soziale Kompetenzen» Mangelnde Berufserfahrung» Fehlende soziale Unterstützung in und außerhalb der

Familie» Keine emotional sichere Bindung an eine Bezugsperson» Konflikte in der Familie/sozialen Beziehung» Negatives Selbstwertgefühl» Pessimistische Grundeinstellung und Stimmungslage» Fehlendes Erleben von Sinn und Struktur im Leben

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Wie können psychische Belastungen erfasst werden?

Stufe 3Vertiefte

arbeitswissen-schaftliche Analysen

Stufe 2Einsatz spezieller Erhebungsbögen bzw.

Durchführung moderierter Arbeitssituationsanalysen

Stufe 1Auswertung vorliegender Daten und Erfahrungen

umfassend

vertiefend

orientierend

Ebenen

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3-Stufen Modell der Gefährdungsbeurteilung

Stufe 1: Erfassung und Bewertung vorhandener Unterlagen und Daten

Selbstdarstellungen des UnternehmensStellen- und AufgabenbeschreibungenProduktions- und QualitätskennziffernPersonaleinsatzpläne, Schichtpläne, ÜberstundenstatistikenFluktuationsquotenAU-QuotenAuswertung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen und

beratungenKrankenstandsanalysen und –berichte der GKVAnalysen der Unfallversicherungsträger

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3-Stufen Modell der Gefährdungsbeurteilung

Stufe 2:Weitergehende Analyse und Bewertung bei Hinweisen auf psychischeBelastungen aus Stufe 1

Gespräch mit Geschäftsleitung und Personalvertretung über Befunde und Ziele (Auftragsklärung)Einrichtung eines Arbeitskreises unter Beteiligung aller AkteureAuswahl geeigneter AnalyseinstrumenteFrühzeitige Einbeziehung der BeschäftigtenSicherstellung der Anonymität und des DatenschutzesErarbeitung eines Konzepts zur Auswertung und zeitnahen

Kommunikation der ErgebnisseFestlegung von organisatorischen Strukturen zur zeitnahen

Umsetzung der Ergebnisse

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3-Stufen Modell der Gefährdungsbeurteilung

Stufe 3:Arbeitswissenschaftliche Analysen

Arbeitswissenschaftliche DetailanalysenBeobachtungsinterviewsPsychologische und sozialwissenschaftliche TestbatterienMessung von physiologischen Parametern

Der Einsatz derartiger Verfahren ist meist auf Forschungsprojekteund arbeitswissenschaftliche Studien begrenzt

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Befragung oder Beobachtung?

„Objektive“ Verfahren:

Bewertung von Arbeitsmerkmalen durch ExpertenteamPhysiologische Beanspruchungsdaten (Amylase,

Hautwiderstand etc.)Verhaltensbeobachtung durch Experten

„Subjektive“ Verfahren:

Befragung von Beschäftigten über ArbeitsmerkmaleBefragung von Beschäftigten über Beanspruchungsfolgen

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Arbeitssituationsanalyse nach Nieder

Methode: mündliche Befragung eines Arbeitsteams über die wichtigsten BelastungenAnzahl: 10 – 15 (20) Teilnehmer der gleichen Hierarchie-EbeneDauer: 2 – 5 Stunden/ 1 – 2 TermineMaterial: Pinnwände oder Flipchart, Stifte, Moderationskarten und

Klebepunkte

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Leitfaden zur Arbeitssituationsanalyse(mod. nach Nieder/Mischalk, 1996)

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Arbeitssituationsanalyse nach Nieder

Ergebnisse einer Arbeitssituationsanalyse nach Nieder in der KITA einer Kleinstadt (1)

Teilnehmer: 19 Erzieherinnen (alle Erzieherinnen der KITA)Dauer: 2 Termine à 3 Stunden von 17:00 – 20:00 Uhr (Nutzung des

Termins für die 14-tägigen DienstbesprechungenDurchführung: Einsatz von Metaplan, Bewertung und Ranking der

Belastungen im KonsensErarbeitung von Verbesserungsmaßnahmen auf drei Ebenen: 1. was

können wir selbst verbessern, 2. was wünschen wir uns von der Leitung der KITA und 3. was wünschen wir uns vom Träger (Stadt)Folgegespräch mit KITA-Leitung und Abteilungsleiter der Stadt

1. über eigene Belastungen und 2. über die Belastungsfaktoren und Verbesserungsvorschläge

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Arbeitssituationsanalyse nach Nieder

Ergebnisse einer Arbeitssituationsanalyse nach Nieder in der KITA einer Kleinstadt

Belastungsfaktoren (Auswahl)1. Ergonomie (Lärmbelastung, Raumnot, fehlende Umkleide- und

Waschräume für Erzieherinnen, Zwangshaltungen durch ungeeignete Möbel, schlecht gedämmter Fußboden in den Krabbelgruppen etc.)

2. Arbeitsorganisation (fehlender Springer, Einsatz von Bufdi´s und Praktikanten, keine geregelten Pausen etc.)

3. Arbeitsinhalte (nicht ausreichende Unterstützung bei psycho-sozialen Problemen infolge wachsender Anzahl auffälliger Kinder, keine Supervision, belastende Gruppensituationen etc.

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Impuls-Test (Molnar)

Fragebogen zur Analyse der Arbeitsbedingungen im ganzenBetrieb oder einzelnen Abteilungen und Arbeitsplätzen

Aufbau: 26 Fragen zur 11 Themenbereichen

Identifikation von Ressourcen und Defiziten

Basiert auf der (subjektiven Bewertung des befragten Kollektivs

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Impuls-Test (Molnar)Themenbereiche

a. Handlungsspielraumb. Vielseitiges Arbeitenc. Ganzheitliches Arbeitend. Soziale Rückendeckunge. Zusammenarbeitf. Passende inhaltliche Arbeitsanforderungeng. Passende mengenmäßige Arbeith. Passende Arbeitsabläufei. Passende Arbeitsumgebungj. Information und Mitsprachek. Entwicklungsmöglichkeiten

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Fragebögen zur Bewertung der individuellenStressbedingungen und psychischen und

psychosomatischen Störungen

Fragebogen zu Stressbedingungen am Arbeitsplatz

Fragebogen zu Stressbedingungen im Privatleben

Psychische Störungen (Belastetheit, Angst, Depressivität)

Psychosomatische Störungen

Selbstmanagement

Quelle: Prof Freese/Prof. Mohr