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Abschlussarbeit zur Lehrveranstaltung
Analyse der Lernziele und Kompetenzorientierung des Europäischen Wirtschaftsführerscheins EBC*L Stufe A – eine vergleichende Studie in Hinblick auf Lehrplan, Bildungsziele und Operatoren
im Zuge des
290307 PS Fachdidaktisches Proseminar: Schulbücher und Lehrpläne
unter der Leitung von Dr. Christian Sitte;
Institut für Geographie und Regionalforschung, 2011
Verfasser:
Felix Bergmeister, MN: 9806309
Christoph Liebhart, MN: 0809492
Dominik Perlaki, MN: 0447754
Inhaltsverzeichnis
1. Kurzzusammenfassung .......................................................................................................3
2. Einleitung ...........................................................................................................................4
3. Methodik und Fragestellungen .........................................................................................10
3.1 Welche Anforderungen stellen Wirtschaft und Lehrplan an unsere AHS Maturanten
und wie wird die EBC*L diesen Forderungen gerecht ........................................................11
4. Bildungsziele, Kompetenzmodelle und Operatoren ..........................................................17
4.1 Operatorenliste nach Anforderungsniveaus ................................................................21
4.2 Unbekannte Operatoren .............................................................................................24
5. Operatorenanalyse der EBC*L ..........................................................................................26
6. Vergleich mit dem Lehrplan ..............................................................................................31
7. Conclusio ..........................................................................................................................35
8. Literaturverzeichnis: .........................................................................................................36
© by Bergmeister, Liebhart, Perlaki
1. Kurzzusammenfassung
Diese Arbeit untersucht die Groblernziele der Stufe A der European Business Competence
Licence (EBC*L) in den vier Bereichen Unternehmensziele und Kennzahlen, Bilanzierung,
Kostenrechnung sowie Wirtschaftsrecht anhand einer von der Wirtschaftskammer Wien in
Auftrag gegebenen Studie zur Erhebung der Wirtschaftskenntnisse von Maturanten
(Katschnig &Hanisch 2004) und diskutiert inwieweit die Inhalte des Europäischen
Wirtschaftsführerscheins mit den von Experten aus der Österreichischen Wirtschaft
genannten Erwartungen an unsere AHS-Maturanten übereinstimmen. Den Vergleich mit
Maturanten erachten die Autoren dieser Arbeit deshalb für wichtig weil sie aufgrund der
Positionierung der EBC*L des Kuratorium Wirtschaftskompetenz für Europa e.V. als
wirtschaftliche Kompetenzbescheinigung an Österreichischen Schulen davon ausgehen,
dass der Wirtschaftsführerschein in zukünftigen Bildungsdebatten vor dem Hintergrund
verschiedener budgetärer Rationalisierungsmaßnahmen als Alternative zum aktuell
vorhandenen Geographie und Wirtschaftskundeunterricht der Oberstufe diskutiert werden
könnte. In Hinblick auf diese Perspektive wird zu zeigen sein, dass der EBC*L aufgrund
seiner fachlich engen Fokussierung das an der AHS unterrichtete doppelte Zentrierfach
Geographie und Wirtschaftskunde nicht ersetzen kann, was auch durch einen Vergleich mit
dem GW-Oberstufenlehrplan gezeigt werden wird.
Desweiteren wird die European Business Competence Licence in Bezug auf ihre selbst
postulierte Forderung nach Kompetenzorientierung untersucht. Es erfolgt eine Einordnung
der in den Aufgabenstellungen verwendeten Operatoren in die drei Anforderungsniveaus:
Reproduktion (Anforderungsbereich 1); Reorganisation (Anforderungsbereich 2); sowie
Beurteilung (Anforderungsbereich 3) und es wird analysiert ob der Europäische
Wirtschaftsführerschein nach den von Weinert (2001) und Klieme et al. (2007)
argumentierten Kompetenzbegriffen sowie den von der EPA (2006) geforderten
Operationalisierungskonzepten über kompetenzorientierte Aufgabenstellungen und
Zielsetzungen verfügt.
2. Einleitung
In der laufenden Debatte um die Frage, was an Schulen gelernt werden soll, hat es in den
letzten Jahren eine deutliche Akzentverschiebung von fachbezogenen Inhalten hin zu
überfachlichen Kompetenzen gegeben. Begründet wird diese Veränderung unter anderem
durch die globale soziokulturelle Entwicklung seit den 1980er Jahren, wobei rasanter
technologischer Wandel, die wachsende Tendenz zur Dienstleistungsgesellschaft und
zunehmende internationale Vernetzung der Wirtschaft zu einer Dynamisierung des
Lernumfeldes geführt haben. Als gesichert gilt zudem, dass sich die Lebens und
Berufssituation in der Zukunft ständig und teilweise kaum prognostizierbar ändern wird,
sodass den SchülerInnen neben einem Grundstock von Wissen vor allem auch jene
Fähigkeiten vermittelt werden sollen, die sie in die Lage versetzen den wandelnden sozialen,
ökonomischen sowie ökologischen Bedingungen der Zukunft selbständig zu begegnen
(Svecnik 2001: 3). Junge Menschen suchen dementsprechend verlässliche
Orientierungsmodelle für ihr Leben in Bezug auf eine nachhaltige Erwerbsorientierung, die
Unsicherheit ist dabei groß und es stellt sich immer wieder die Frage wie die zukünftigen
Berufe aussehen werden bzw. welche, zum Teil überberuflichen Schlüsselqualifikationen für
deren Ausübung notwendig sein werden (Dostal 2007: 45).
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verwunderlich, dass die European Business
Competence Licence (Europäischer Wirtschaftsführerschein) des Kuratoriums
Wirtschaftskompetenz für Europa e.V. immer mehr an Popularität gewinnt. Laut Günther
Glück, dem stellvertretenden Leiter der EBC*L Österreich Repräsentanz (zur Zeit des
Interviews) haben seit Einführung des Europäischen Wirtschaftsführerscheins 2003 rund
14000 Österreicher die Prüfung zu diesem betriebswirtschaftlichen Weiterbildungsangebot
erfolgreich abgelegt. Zum Kundenkreis zählen unter anderem große Betriebe die den
„Europäischen Wirtschaftsführerschein“ bereits im Rahmen ihrer betriebsinternen
Weiterbildungsprogramme anbieten. Siemens beispielsweise startete 2004 mit einem
Pilotprojekt für Techniker und bei Uniqa müssen alle im Verkauf tätigen Führungskräfte den
Wirtschaftsführerschein ablegen. Unternehmen wie Xerox, Baxter, die Linde AG, Samsung,
T-Mobile und Magna Steyr haben den Wirtschaftsführerschein ebenfalls in ihre
Bildungsprogramme integriert (Weiss/Die Presse 2008: o.S.). Den Europäischen
Wirtschaftsführerschein des Kuratorium Wirtschaftskompetenz für Europa gibt es momentan
in zwei Stufen: Stufe A (Allgemeinwissen) richtet sich an Fachkräfte in Produktion, Verkauf
und Verwaltung und es werden die Themenkreise Unternehmensziele, Bilanzierung,
Kostenrechnung und Wirtschaftsrecht vermittelt. Stufe B (Planungswissen) umfasst die
Bereiche Businessplanerstellung, Marketing und Verkauf, Finanzplanung sowie
Investitionsrechnung und ist für Schlüsselkräfte mit Planungskompetenz vorgesehen während
die erst ab Herbst 2011 angebotene Stufe C (Führungswissen) die Felder Management von
Organisation und Prozessen, Personalmanagement und Menschenführung behandelt und in
erster Linie für Führungskräfte gedacht sein wird (http://www.ebcl.at/levels.htm).
Um das EBC*L Zertifikat zu erwerben, ist eine handschriftliche, 2-stündige Prüfung in einem
der österreichweiten akkreditierten EBC*L Prüfungszentrum abzulegen.
Themen der Stufe A sind:
Unternehmensziele und Kennzahlen
Bilanzierung
Kostenrechnung
Wirtschaftsrecht
Inhaltliche Grundlage der Stufe A Prüfung ist der EBC*L Lernzielkatalog
Stufe A. Um die EBC*L Prüfung Stufe A positiv zu absolvieren, müssen 75 % der möglichen
100 Punkte erreicht werden. Die Prüfung zur EBC*L Stufe A beinhaltet:
16 Wissensfragen
4 Verständnisfragen
1 Fallbeispiel
Die Wissensfragen zielen dabei in erster Linie auf Faktenwissen (wirtschaftskundliches
Basiswissen) und sind daher durch nennen und beschreiben der jeweiligen Sachverhalte zu
beantworten. Die Verständnisfragen setzten etwas höhere kognitive Anforderungsniveaus
voraus und verlangen zusätzlich zur Reproduktion von Fakten Leistungen der Verknüpfung
bzw. Berechnung (siehe folgende Beispielfragen).
Beispiele für Prüfungsfragen (aus der Musterprüfung für Stufe A):
Wissensfrage
Worin besteht der Unterschied zwischen Fixkosten und variablen Kosten?
Verständnisfrage
Ein Autoverkäufer argumentiert folgendermaßen: "Die 20.000 Euro für den
Firmenwagen können Sie noch in diesem Jahr in voller Höhe abschreiben, und durch
die Steuerersparnis kostet er Sie nur mehr die Hälfte." Ist die Argumentation des
Verkäufers betriebswirtschaftlich korrekt? (http://www.ebcl.at/exam.htm)
Als Richtwert für die nötige Vorbereitungszeit auf die Prüfung gibt Glück je nach
individuellem Vorwissen und Lerntempo 60 bis 90 Stunden an. Die dabei anfallenden Kosten
setzen sich aus der Prüfungsgebühr (159 Euro bei Stufe A, 90 Euro pro Teilprüfung bei Stufe
B – wobei bei Stufe B insgesamt zwei Tests zu absolvieren sind) sowie den Kosten für die
Vorbereitung zusammen. Diese Vorbereitungskosten variieren abhängig davon ob das
Selbststudium oder ein Kurs gewählt wird. Kooperiert wird dabei laut Glück beispielsweise
mit Uniport, dem Karriere Zentrum der Universität Wien. Dadurch sollen Studierende und
Absolventen nicht wirtschaftlicher Studienrichtungen betriebswirtschaftliche Bildung
vermittelt bekommen (Weiss/Die Presse 2008: o.S.). Zusätzlich werden EBC*L Zertifikate
auch an Österreichischen Schulen angeboten. Hier reduzieren sich einerseits die
Prüfungskosten um die Hälfte und andererseits entfallen die Vorbereitungskosten da die
Vorbereitung im Rahmen des Schulunterrichts erfolgen kann. Dabei gelten folgende
Bestimmungen:
Eine Schule als EBC*L Prüfungszentrum:
darf SchülerInnen und LehrerInnen der eigenen Schule auf den EBC*L
vorbereiten und ECB*L Prüfungen durchführen
erhält ab der 15. abgelegten EBC*L Prüfung (A und/oder B) das Recht sich
akkreditiertes EBC*L Prüfungszentrum (PZ) zu nennen und kann dies öffentlich
bekannt machen
kann als akkreditiertes Prüfungszentrum die eingetragene Marke EBC*L
und das EBC*L Logo zur Bewerbung verwenden
bekommt Sonderkonditionen beim Kauf von Lernunterlagen als auch von
‚Train-the-Trainer‘ Seminaren
erhält Marketingunterstützung wie Folder, Plakate, Mailingtexte,
Newsletter.
bekommt aktuelle Tipps und Hinweise wie die TeilnehmerInnen optimal auf
die Prüfung vorbereitet werden können und damit die Erfolgsquote hoch gehalten
werden kann
wird zu Prüfungszentren-Tagungen eingeladen zum Informationsaustausch
und Networking (http://www.ebcl.at/faq4_1.htm)
Für die SchülerInnen werden unter anderem folgenden Vorteile genannt:
Sie bekommen ein international anerkanntes Zertifikat: Der EBC*L ist
inzwischen in mehr als 30 Ländern anerkannt
Sie erfahren eine Aufwertung des CV durch externe Zertifizierung
Sie bekommen bessere Job- und Karrierechancen
Überschaubarer Aufwand und überschaubare Kosten: Die Prüfungsgebühr
wurde für die SchülerInnen um die Hälfte reduziert
Stark reduzierte bzw. keine Kosten für Vorbereitung (da die Vorbereitung in
den Schulen erfolgt und Seminargebühren entfallen)
Zertifizierte kostengünstige Unterlagen zur Vorbereitung (E-Learning und
Bücher)
Reduktion auf das Wesentliche: Der Lernzielkatalog beinhaltet Themen, die
im späteren Berufsleben notwendig sind.
Stärkung der Sprachen- und Wirtschaftskompetenz (EBC*L kann in anderen
Sprachen, z.B. Englisch, absolviert werden)
Anerkanntes Zertifikat in der Wirtschaft (EBC*L ist fixer Bestandteil im
internen Weiterbildungsprogramm vieler Unternehmen wie z.B. VW, Trenkwalder,
Uniqua, Siemens).
Ist für Personen geeignet, die ein Dienstverhältnis anstreben, als auch für
Personen die sich selbstständig machen möchten.
Ein EBC*L Zertifikat erhöht als wertvolle Zusatzqualifikation die Chancen
am Arbeitsmarkt (http://www.ebcl.at/schools.htm)
Vor dem Hintergrund der durch PISA 2003 ausgelösten Bildungsdebatten klingen alle
diese Punkte sehr vielversprechend und es kann der Eindruck entstehen es hätte der
ebenfalls 2003 eingeführte Europäische Wirtschaftsführerschein die Antwort auf die
wichtigste durch PISA aufgeworfene Frage parat: Sind die SchülerInnen gut vorbereitet für
die Herausforderungen der Zukunft?
Neben der angestrebten Steigerung der Wirtschaftskompetenz der AbsolventInnen
scheinen die postulierten Vorgaben der EBC*L auch mit dem PISA zu Grunde liegendem
funktionalen Bildungsverständnis zu korrelieren – dieses bezieht sich laut Haider & Reiter
(2004:14) auf die Handlungsfähigkeiten (Kompetenzen) des Einzelnen zum Lösen von
tatsächlichen Problemen mit denen die sich bildenden Subjekte in der aktuellen und
zukünftigen Welt konfrontiert werden. Es geht dabei jedoch nicht um das bloße Abprüfen
von Lehrplaninhalten sondern um den Erwerb von Kompetenzen die sich auf ein
Umgehen-Können mit Wissen und Informationen beziehen, sodass neue
Problemstellungen systematisch erschlossen und fachliche Fähigkeiten angewendet werden
können. Die European Business Competence Licence positioniert sich in diesem
Zusammenhang gemäß der oben genannten Forderungen (vgl. EBC*L-A: 3 und 5):
Das EBC*L Zertifikat
ist die Nummer 1, wenn es um praxisrelevante betriebswirtschaftliche
Bildung geht. Es gibt keine effizienter Lösung: In nur wenigen Stunden kann
man sich profundes betriebswissenschaftliches Wissen aneignen.
hat die Welt der betriebswirtschaftlichen Bildung revolutioniert. Ein
Thema, das vielfach kompliziert und theorieüberladen gilt, wird selbst
betriebswirtschaftlichen Laien in kürzester Zeit auf unterhaltsame Weise
zugänglich gemacht.
hat sich als international anerkannter Standard der
betriebswirtschaftlichen Bildung etabliert.
Es bietet die Möglichkeit genau jenes praxisrelevante
betriebswirtschaftliche Kernwissen nachzuweisen, das im Wirtschaftsleben
notwendig ist.
Kernstück des EBC*L Zertifizierungssystems ist ein international
einheitlicher Lernzielkatalog und eine einheitliche Prüfung. Beides
gewährleistet, dass alle die das EBC*L Zertifikat vorweisen können über das
festgelegte betriebswissenschaftliche Know-how (Kernwissen) verfügen.
Zusammengefasst soll die argumentierte „Revolution der betriebswirtschaftlichen Bildung“
der EBC*L also komplexe mikroökonomische Sachverhalte vereinfacht und theoriearm dafür
aber unterhaltsam gestalten und dabei betriebswirtschaftlichen Laien die Möglichkeit zu Teil
werden lassen genau jenes betriebswirtschaftliche Kernwissen nachzuweisen, welches im
Wirtschaftsleben notwendig ist. Nicht nur, dass die Argumentation auf der doppelten
Dichotomie einfach/komplex sowie profund/theoriearm basiert, sie impliziert ebenfalls, dass
es eine Form des Kernwissens für ein international homogenes Wirtschaftsleben gebe welches
für alle involvierten Subjekte gleich wäre. Dabei sollen „profundes Wissen“ und
„Wirtschaftskompetenzen“ in wenigen Stunden vermittelt werden und dieses „Kernwissen“
erhebt den Anspruch betriebswirtschaftlich und praxisrelevant dienlich zu sein. Der
Lernzielkatalog des Wirtschaftsführerscheins soll dabei eine Reduktion auf das Wesentliche
darstellen und nur jene Themen beinhalten, die im späteren Berufsleben notwendig sind um
Schülerinnen und Schülern durch Kompetenzerwerb bessere Job- und Karrierechancen in
Aussicht zu stellen. Der folgende Teil der Arbeit stellt nun die Frage inwieweit dieses
„praxisrelevante Kernwissen“ des Wirtschaftsführerscheins mit den von Wirtschaftsexperten
geforderten Kenntnissen und Fähigkeiten übereinstimmt.
3. Methodik und Fragestellungen
Diese Arbeit wird nun die Groblernziele der Stufe A der European Business Competence
Licence (EBC*L) in den vier Bereichen Unternehmensziele und Kennzahlen, Bilanzierung,
Kostenrechnung sowie Wirtschaftsrecht anhand einer von der Wirtschaftskammer Wien in
Auftrag gegebenen Studie zur Erhebung der Wirtschaftskenntnisse von Maturanten
(Katschnig &Hanisch 2004) untersuchen und diskutiert inwieweit die Inhalte des
Wirtschaftsführerscheins mit den von den Experten aus der Österreichischen Wirtschaft
genannten Erwartungen an unsere AHS-Maturanten übereinstimmen. Den Vergleich mit
Maturanten erachten die Autoren dieser Arbeit deshalb für sinnvoll, weil sie aufgrund der
Positionierung der EBC*L des Kuratorium Wirtschaftskompetenz für Europa e.V. als
wirtschaftliche Kompetenzbescheinigung an Österreichischen Schulen davon ausgehen,
dass der Wirtschaftsführerschein in zukünftigen Bildungsdebatten vor dem Hintergrund
verschiedener budgetärer Rationalisierungsmaßnahmen als Alternative zum aktuell
vorhandenen Geographie und Wirtschaftskundeunterricht der Oberstufe diskutiert werden
könnte. Diese Befürchtung erhärtet sich zudem noch durch die von Josef Aff getätigten
Aussagen, dass das „Hybridfach Wirtschaft und Geographie eine Fehlkonstruktion sei und
Wirtschaft in einer Bonsai-Variante vermittle“. Dabei fordert Aff die Einführung eines
eigenen Faches für Wirtschaft an Gymnasien und spricht sich positiv gegenüber den
Unterrichtsmaterialien der Wirtschafskammer – eben dem EBC*L aus (Kompatscher
(a)/Die Presse 2011: o.S.). In Hinblick auf diese Perspektive wird zu zeigen sein, dass der
EBC*L aufgrund seiner fachlich engen Fokussierung das an der AHS unterrichtete
doppelte Zentrierfach Geographie und Wirtschaftskunde nicht ersetzen kann.
Des Weiteren wird die European Business Competence Licence in Bezug auf ihre selbst
postulierte Forderung nach Kompetenzorientierung untersucht. Es erfolgt eine Einordnung
der in den Aufgabenstellungen verwendeten Operatoren in die drei Anforderungsniveaus:
Reproduktion (Anforderungsbereich 1); Reorganisation (Anforderungsbereich 2); sowie
Beurteilung (Anforderungsbereich 3) und es wird analysiert ob der Europäische
Wirtschaftsführerschein nach dem von Weinert (2001) und Klieme et al. (2007)
argumentierten Kompetenzbegriffen sowie der von der EPA (2006) geforderten
Operationalisierungskonzepten über kompetenzorientierte Aufgabenstellungen und
Zielsetzungen verfügt.
3.1 Welche Anforderungen stellen Wirtschaft und Lehrplan an unsere AHS
Maturanten und wie wird die EBC*L diesen Forderungen gerecht
Es wird nun untersucht inwieweit die Groblernziele des Europäischen
Wirtschaftsführerscheins mit den von Experten aus der Österreichischen Wirtschaft
geforderten Kenntnissen und Fähigkeiten übereinstimmen. Im Rahmen der von der
Wirtschaftskammer Wien in Auftrag gegebenen Studie Wirtschaftswissen von
Maturant/inn/en im internationalen Vergleich - Eine empirische Studie in den Ländern
Österreich, Deutschland, Tschechien und Ungarn (Katschnig &Hanisch 2004) wurde
ermittelt ob und wieweit der Istzustand des Wirtschaftswissens der AHS MaturantInnen vom
gewünschten Sollzustand divergiert. Zur Festlegung des Sollzustandes der wirtschaftlichen
Kenntnisse wurden sowohl aktuell verwendete Schulbücher aus Geographie und
Wirtschaftskunde als auch Experteninterviews mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik
herangezogen (Katschnig &Hanisch 2004: 1). Die Interviews werden im Rahmen dieser
Arbeit nun kurz vorgestellt und in Bezug auf die von den interviewten Personen geforderten
Kenntnisse und Fähigkeiten untersucht. Anschließend wird verglichen wie weit die
geforderten Ziele mit den Zielen der EBC*L übereinstimmen.
Von den 25 per Brief angeschrieben Experten aus der Österreichischen Wirtschaft erklärten
sich vier Personen für ein Interview bereit. Die Interviews wurden von Dr. Christian SITTE,
Fachdidaktiklektor am Institut für Geografie und Regionalforschung und AHS-Professor für
Geografie und Wirtschaftskunde durchgeführt und orientierten sich dabei an folgendem
Leitfaden (Katschnig &Hanisch 2004: 3).
1. Wie gewichten Sie den Anteil von Volkswirtschaftslehreinhalten & solchen aus
der BWL?
2. Welche Bereiche erscheinen Ihnen dabei aus der VWL, bzw.
wirtschaftspolitischen Notwendigkeit besonders wichtig?
3. Gibt es dabei Ihnen ganz wichtig erscheinende BEGRIFFE?
4. Gibt es dabei einige Ihnen ganz wichtig erscheinende FERTIGKEITEN?
5. Welche Bereiche aus der Betriebswirtschaft finden Sie für einen Maturanten einer
allgemein bildenden höheren Schule für wesentlich?
6. Gibt es dabei Ihnen ganz wichtig erscheinende BEGRIFFE?
7. Gibt es dabei einige Ihnen ganz wichtig erscheinende FERTIGKEITEN?
8. Gibt es sonstige Ihnen als festzuhalten wichtig erscheinende Wissensinhalte?
Im Folgenden werden die von den Interviewten geforderten Kompetenzen überblicksartig
dargestellt (Katschnig &Hanisch 2004: 4f):
1. Herr Univ. Prof. Dr. Josef Schneider von der Wirtschaftsuniversität Wien ist
der Meinung dass für AHS Maturanten volkswirtschaftliche Grundbegriffe
wichtiger sind als Betriebswirtschaftliche. Absolventen sollen ein
Grundverständnis über die volkswirtschaftliche Gesamtrechung haben, wissen
was ein Budget ist und was mit Außenhandel, Zahlungsbilanz, Leistungsbilanz,
Dienstleistungsbilanz und Handlungsbilanz gemeint ist. Wichtig ist ihm auch,
dass Maturanten fähig sind sich mit Studien und Statistiken aus dem
Wirtschaftsbereich selbstständig auseinanderzusetzen. Weiter nennt Schneider
die Begriffe Umverteilung, Markt, Wirtschaftswachstum, Wirtschaftskreislauf,
Wertpapiere, Bilanzen, Wirtschaftsentwicklung, Entwicklungspolitik,
Kapitalmarkt und Budget.
2. Herr Dr. Reinhold Mitterlehner von der Wirtschaftskammer Wien gewichtet
die Anteile der Volkswirtschaftslehrinhalte gleich mit denen der
Betriebswirtschaft. Er meint, dass Maturanten verstehen sollen, was eine
Volkswirtschaft ist, welche Rolle ein Unternehmen in der Volkswirtschaft hat
sowie welche Rolle der Einzelne im Unternehmen hat. Andererseits sollen
Maturanten auch den Mikroorganismusbegriff in seinen wesentlichen Elementen
verstehen und in diesem Zusammenhang wissen was der Markt ist, was Umsatz
und Gewinn sind, was den Beitrag der Mitarbeiter darstellt, wie sich die
Kostenrechnung zusammensetzt und was ein Lohn-Preis-Gefüge ist. Wichtig ist
auch, dass sich Maturanten für wirtschaftliche Berichte in den Medien
interessieren und sich mit ihnen auseinandersetzen. Hierzu ist ein Verstehen von
verschiedenen Begriffen nötig, welche wiederum im Unterricht erworben werden
sollten. Darüber hinaus sollen sich AHS Absolventen mit der Währungssituation
auskennen und Wissen über die Europäische Union besitzen. Außerdem sind
bestimmte Fertigkeiten zu beherrschen, wie zum Beispiel eine Steuererklärung
selbst auszufüllen oder sich mit Finanz-Online auszukennen. Auch sollten
Rechnungen interpretiert werden können, die Bedeutung von der
Mehrwertsteuer gekannt werden sowie gewusst werden was ein Budget ist.
Weitere Begriffe mit denen Maturanten umgehen können sollten wären
Wirtschaftswachstum, BIP, Konjunktur, Inflation, Vollbeschäftigung,
Arbeitgeber, Arbeitnehmer. Nach der Meinung von Mitterlehner haben
Maturanten auch über bestimmte Fertigkeiten für das Arbeitsleben zu verfügen.
Er/sie sollte Ahnung haben von Präsentation und Moderation, wissen wie ein
Bewerbungsschreiben verfasst wird und Statistiken lesen können. Mitterlehner
gibt auch einige Vorschläge für die Verbesserung des Wirtschaftswissens von
Maturanten an. Er nennt Projekte in denen Schüler mit spielerischen Elementen
agieren können. Hier kann beispielsweise Unternehmer gespielt, bestimmte
Kreisläufe ersehen, wenn-aber-Entscheidungen getroffen und mit dem
Aktienmarkt und dem Kapitalmarkt in Kontakt gekommen werden. Der
Wirtschaftsexperte ist der Meinung, dass Lehrbücher zwar alle Inhalte vermitteln
können, jedoch Projekte wie Betriebsbesuche oder dergleichen besser für den
praktischen Wissenserwerb geeignet sind.
3. Herr Dr. Rene Alfons Haiden vom Freien Wirtschaftsverband Österreich
meint, dass Maturanten Begriffe im Bereich des Kapitalmarktes sowie der Börse
im Sinne der Aktienbörse und des Fremdwährungskredits kennen und verstehen
sollten. Außerdem sollen Absolventen mit den Begriffen des Betriebes und des
Unternehmens etwas anzufangen wissen. Herr Haiden findet zudem, dass
wesentliche Grundbegriffe des Rechnungswesens gekannt werden sollen. Dazu
gehören Bilanzen, Gewinn, Verlust, Aufwendungen, Erträge, Kosten und Erlöse.
Im Bereich der Volkswirtschaftslehre sollen Maturanten über die eigene
Wirtschaft Bescheid wissen und erklären können wie sie sich zusammensetzt.
Zudem sind auch Kenntnisse über die Europäische Union wichtig, sowie über die
drei großen Wirtschaftsblöcke auf der Erde. Im betriebswirtschaftlichen Bereich
soll Verständnis über Rechnungswesen, Kalkulationen, Wirtschaftsplanung,
Marktbeobachtung, Prognoserechnung, Einkauf, Verkauf, Umgang mit
Mitarbeitern sowie die Rolle des Betriebs in der Wirtschaft vorhanden sein.
4. Frau Mag. Johanna Ettl von der Arbeiterkammer Wien meint, dass Maturanten
den Wirtschaftsteil einer Zeitung mit einem kritischen Grundverständnis lesen
können sollen. Wichtig ist ihr dabei auch, dass volkswirtschaftliche
Zusammenhänge verstanden werden und dass der Unterschied zwischen
Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft bekannt ist. Weiter sollten Maturanten
Kenntnisse haben in den Bereichen Steuerpolitik, Einkommensverteilung und
Sozialpartnerschaft. Abschließend erachtet Frau Ettl noch die Bereiche Bank-
und Zinsrecht, Verschuldung, Bilanz-, Verlust- und Gewinnrechung, Unterschied
zwischen brutto und netto und Konsumentenökonomie für wichtig.
Zusammenfassend lassen die Expertenmeinungen erkennen, dass volkswirtschaftliche und
betriebswirtschaftliche Kenntnisse nicht voneinander zu trennen sind. Während Herr Univ.
Prof. Dr. Josef Schneider von der Wirtschaftsuniversität Wien sogar generell der Meinung ist,
dass für AHS Maturanten volkswirtschaftliche Grundbegriffe wichtiger sind als
betriebswirtschaftliche vertritt Herr Dr. Reinhold Mitterlehner von der Wirtschaftskammer
Wien (zum Zeitpunkt der Befragung) die Ansicht, dass die Anteile der
Volkswirtschaftslehrinhalte und der aus der Betriebswirtschaft zumindest gleich zu gewichten
sind. Dabei soll die Rolle des Unternehmens im jeweiligen volkswirtschaftlichen Kontext
verstanden werden und darüber hinaus Kenntnisse über Währungssituation sowie Wissen über
die Europäische Union vorhanden sein. Desweiteren sollen laut Mitterlehner Begriffe wie
Wirtschaftswachstum, BIP, Konjunktur, Inflation, Vollbeschäftigung, Arbeitgeber und
Arbeitnehmer bekannt sein. Für Herr Dr. Rene Alfons Haiden soll im betriebswirtschaftlichen
Bereich Verständnis über Rechnungswesen, Kalkulationen, Wirtschaftsplanung,
Marktbeobachtung, Prognoserechnung, Einkauf, Verkauf, Umgang mit Mitarbeitern sowie die
Rolle des Betriebs in der Wirtschaft gegeben sein und für Frau Mag. Johanna Ettl von der
Arbeiterkammer Wien sollen Maturanten neben der Fähigkeit zur kritischen Lektüre der
Wirtschaftmedien auch Kenntnisse haben in den Bereichen Steuerpolitik,
Einkommensverteilung und Sozialpartnerschaft sowie Bank- und Zinsrecht, Verschuldung,
Bilanz-, Verlust- und Gewinnrechung.
Diese von Experten geforderten sehr breit gefächerten wirtschaftlichen Kenntnisse decken
sich überwiegend mit den in den Österreichischen Oberstufenlehrplänen für Geographie und
Wirtschaftskunde im Bereich der Wirtschaftskompetenz geforderten Qualifikationen (bmukk
2004: 1f):
Verständnis grundlegender Zusammenhänge in betriebs-, volks- und
weltwirtschaftlichen Bereichen sowie Kenntnis gesamtwirtschaftlicher
Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Probleme
Wirtschaftspolitik als wesentlichen Bestandteil der Politik erkennen, ihre Modelle und
deren reale Umsetzung in unterschiedlichen Systemen einschätzen können.
Erwerb grundlegender Kenntnisse und konkreter Einblicke in innerbetriebliches
Geschehen -Einsicht in den Wandel der Produktionsprozesse und Verständnis für
Veränderungen der Arbeits- und
Berufswelt unter dem Einfluss wachsender Technisierung und Globalisierung -
Interesse wecken für ein Erwerbsleben im selbständigen Bereich
Die im Rahmen der 4 Teilbereiche der Stufe A des Europäischen Wirtschaftsführerscheins
vorgegebenen Groblernziele setzen sich hingegen wie folgt zusammen:
Groblernziele Bereich Unternehmensziele und Kennzahlen:
Die wichtigsten Ziele des Unternehmens erläutern können.
Kennzahlen, die diesen Unternehmenszielen entsprechen, erläutern und mit deren
Grundformel berechnen können.
Groblernziele Bereich Bilanzierung:
Einen Jahresabschluss (Bilanz, Gewinn und Verlustrechnung) lesen, in seinen
Grundzügen verstehen und erste Schlüsse daraus ziehen können sowie die im
Jahresabschluss vorkommenden, wesentlichen Begriffe erläutern können.
Groblernziele Bereich Kostenrechnung:
Die wichtigsten Ziele, Aufgaben und Grundbegriffe der Kostenrechnung erläutern
können.
Die ökonomischen Rahmenbedingungen für unternehmerische Entscheidungen
(Markt, Kunden, Wettbewerb, Selbstkosten) erläutern können.
Die Bedeutung des Deckungsbeitrags als zentralen Begriff der Kostenrechnung
verstehen und ihn berechnen können.
Die Ziele und den Aufbau der Kostenstellenrechnung und der Profit Center-
Rechnung sowie deren Bedeutung für Kostenbewusstsein und unternehmerisches
Denken erläutern können.
Groblernziele Bereich Wirtschaftsrecht:
Die wichtigsten Rechtsformen erläutern können.
Die wichtigsten Elemente eines Kaufvertrags erläutern können.
Die wichtigsten Grundlagen des Insolvenzrechts erläutern können.
Die Gegenüberstellung lässt zusammenfassend erkennen, dass die Groblernziele der EBC*L
zwar umfangreiche Themenbereiche in den vier angeführten Bereichen umfassen, jedoch auch
in diesen Domänen von den Experten genannte Themen wie den Umgang mit Mitarbeitern,
die Rolle des Unternehmens in der Wirtschaft, die Rolle des Einzelnen im Unternehmen,
Marktbeobachtung, Präsentation und Moderation, das Verfassen von Bewerbungsschreiben,
das Lesen von Statistiken oder das Ausfüllen einer Steuererklärung nicht behandeln.
Betriebliche Praxiserfahrungen kommen ebenfalls nicht vor. Auf den Umstand, dass die vom
Österreichischen Lehrplan geforderten volkswirtschaftlichen Inhalte von der EBC*L
überhaupt nicht thematisiert werden wird hier nicht weiter eingegangen da dies nicht erklärtes
Ziel der betriebswirtschaftlichen Kompetenzvermittlung des Wirtschaftsführerscheins ist.
Schon aus diesem Grund sowie in Anbetracht des durchgeführten Lernzielvergleichs in
Hinblick auf die Expertenmeinungen sowie der im Lehrplan geforderten Qualifikationen im
Bereich Wirtschaftskompetenz kann die EBC*L aufgrund ihrer engen fachlichen
Fokussierung das breite fachliche Spektrum des aktuell in Österreich durchgeführten
Geographie und Wirtschaftskundeunterrichts der AHS Oberstufe nicht ersetzen. Christian
Sitte (Kompatscher (b)/Die Presse 2011: o.S.) ergänzt dazu, dass es nicht zur Aufgabe des
Gymnasiums gehöre den Schülern eine „kleine BWL zu vermitteln“ sondern, dass es vielmehr
anzustreben sei, die Komplexität sozio-ökonomischer Themen vor dem Hintergrund
gesellschaftspolitischer Fragestellungen zu erklären.
In Anbetracht der zentralen Fragestellungen von Pisa ob Schüler in den OECD Ländern gut
vorbereitet sind auf die Herausforderungen der Zukunft bzw. ob sie die notwendigen
Kompetenzen für Lebenslanges Lernen besitzen untersucht der folgende Teil der Arbeit den
Europäischen Wirtschaftsführerschein in Hinblick auf seine Kompetenzorientierung. Durch
eine Analyse der verwendeten Operatoren in Hinblick auf ihre Anforderungsniveaus wird
untersucht in welchen Bereichen überwiegend Problemlösekompetenz bzw.
Reproduktionswissen vermittelt wird.
4. Bildungsziele, Kompetenzmodelle und Operatoren
Während in der Vergangenheit Schulleistungen noch vorrangig durch Lernziele oder
Qualifikationen beschrieben wurden stehen heute die von den Schülern zu erwerbenden
Kompetenzen im Vordergrund. Diese sollen Heranwachsenden die Fähigkeit lebenslangen
Lernens vermitteln, ihnen dabei helfen ihren aktuellen und zukünftigen Lebensalltag zu
bewältigen sowie ihnen ermöglichen verantwortungsvoll an der Gesellschaft teilzuhaben
(Oberliesen & Schulz 2007: 1f). Mit der Forderung nach Kompetenzen kam es auch zu einer
Ergänzung der inputorientierten Steuerung von Schule und Unterricht durch Lehrpläne und
Prüfungsrichtlinien in Richtung einer Output-Steuerung, also die Orientierung von
Bildungspolitik, Schulentwicklung und Unterricht an den Ergebnissen des Lernens der Kinder
(Dedering 2007: 138). Die dadurch abgeleitete neuere Fragestellung lautet also nicht mehr
„was steht im Lehrplan“ sondern, „was sollen die Lernenden nach einer gewissen Zeit
können“. Kompetenzen stellen dabei nicht bloß Bündel von abstraktem Wissen und formalen
Fertigkeiten dar, sondern sind nach Weinert (2001: 27f) durch die Auseinandersetzung mit der
gesellschaftlichen Wirklichkeit erworbene Fähigkeiten die das Potential in sich tragen die
jeweilige gesellschaftliche Realität neu zu gestalten. Es handelt sich bei Kompetenzen nach
dieser Definition um erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten um bestimmte
Problemstellungen der Realität zu lösen die ihrerseits wieder mit der motivationalen und
sozialen Bereitschaft verbunden sind die Disposition zu Problemlösungen in verschiedenen
Situationen erfolgreich und verantwortungsbewusst zu nutzen. Zusammengefasst kann man
unter Kompetenzen das Wissen, Können und Verstehen sowie die Motivation, Bereitschaft
und Flexibilität bezeichnen, aktuelle und zukünftige Problemstellungen zu meistern.
Gesellschaften, die ihren Mitgliedern solcherart Eigenverantwortung abverlangen, müssen
auch für alle Heranwachsenden einen entsprechenden Bildungsanspruch realisieren, der den
gewünschten Kompetenzerwerb möglich macht. Es geht in der Bildung also nicht um die
Ausbildung und das fachliche Training von Arbeitskräften, sondern um den Erwerb von
Lebensmustern die Handlungsfähigkeit, Kritikfähigkeit sowie eine erfolgreiche
Identitätsbalance innerhalb einer dynamischen Lebens- und Arbeitswelt ermöglichen. Dies
impliziert klar eine Abkehr von statischem Wissen hin zur Entwicklung von bei Kindern
bereits verfügbaren Wissenspotentialen und den Ausbau dieser zu anschlussfähigen
Wissensdomänen wobei die Alltagserfahrung der Kinder um lebensrelevante Lerninhalte
erweitert wird (Oberliesen & Schulz 2007: 1f). Solch eine Art des produktiven Lernens
verlangt auch ein verändertes Grundverständnis des Lehrens und Lernens in Form von
Bildungsstandards auf die in der folgenden Diskussion eingegangen wird.
Im Kontext der Klieme-Expertise (Klieme et al. 2007: 19-23) beschreiben die vor dem oben
besprochenen Hintergrund geforderten neuen Bildungsstandards verbindliche Anforderungen
an das Lernen und charakterisieren die wesentlichen Ziele der pädagogischen Arbeit. Dabei
orientieren sich Bildungsstandards an den gesellschaftlichen wie individuellen Bildungszielen
und formulieren diese in Form von Kompetenzanforderungen. Diese Kompetenzmodelle
legen fest, über welche Kompetenzen Schüler verfügen wenn wichtige Ziele der Schule als
erreicht gelten sollen. Kompetenzmodelle sind dabei jedoch in erster Linie wissenschaftliche
Konstrukte und das Erreichen einer Kompetenzstufe sagt nur etwas darüber aus, welche
Handlungen und mentalen Operationen mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt ausgeführt
werden können. Für die praktische Umsetzung im Lehrplan und im Unterricht sowie für die
Bewertung von Schülerleistungen sind zudem Operationalisierungen notwendig die es
erlauben das Erreichen von Bildungszielen in Aufgabenstellungen zu konkretisieren sowie in
Testverfahren empirisch zu überprüfen.
Laut Jung (2007: 117f) stellt die Operationalisierung von Bildungszielen die Vermittlerrolle
zwischen den abstrakten Bildungszielen und den konkreten Aufgaben dar, die Schüler zu
lösen haben. Dabei werden in jedem Kompetenzbereich (fachliche, methodische, soziale und
personale Kompetenzen) innerhalb von Niveaustufen verschiedene Aufgabenstellungen
mittels Operatoren (auffordernde, die Aufgabenstellung operationalisierende Verben)
formuliert wodurch das Kompetenzniveau der Lernenden zuverlässig erfasst werden kann.
Diese Niveaustufen unterscheiden zwischen der Fähigkeit zur Reproduktion (Niveaustufe 1),
dem Vermögen der Reorganisation (Niveaustufe 2), sowie der Beherrschung der
selbstständigen Problemlösung (Niveaustufe 3). Die drei Niveaustufen gelten dabei für alle im
Unterricht zu vermittelnden Kompetenzbereiche und die Operatoren beschreiben Fähigkeiten
und Fertigkeiten die in den einzelnen Anforderungsbereichen erbracht werden sollen. Die
Anforderungsbereiche weisen dabei einen gestuften Aufbau auf, die Problemlösung setzt die
Reorganisation voraus, welche wiederum von der Reproduktion abhängt (siehe Abbildung 1).
Im Bereich der fachlichen Wirtschaftskompetenz beispielsweise ist es nicht ausreichend die
Transmissionskanäle der Geldpolitik aufzählen zu können (Niveaustufe 1), es ist darüber
hinaus wichtig analysieren zu können welche geldpolitischen Maßnahmen sich wie auf die
Konjunkturentwicklung auswirken (Niveaustufe 2) und schließlich bewerten zu können
welche geldpolitische Vorgangsweisen zu einer Erleichterung der Griechenlandkrise
anzuwenden wären (Niveaustufe 3). Wie das Beispiel zeigt vermittelt ein
kompetenzorientierter Unterricht nicht in erster Linie Fachwissen sondern baut dieses
schrittweise aus um individuelle, kritische sowie problembezogene Handlungsfähigkeit zu
schulen.
Abbildung 1: Anforderungsniveaus und Handlungsdimensionen
Anforderungsbereich Niveaustufe Operatoren
3.Problemlösung hoch begründen, bewerten
2.Reorganisation mittel interpretieren, analysieren
1.Reproduktion niedrig zusammenfassen, benennen
(Quelle: EPA 2006)
Die beschriebenen Anforderungsbereiche ermöglichen somit eine differenzierte Beschreibung
der Kenntnisse, Fähigkeiten und Einsichten, die für die Lösung von Aufgaben im Bereich
Wirtschaft vorausgesetzt werden. Die Zuordnung der Teilleistungen von Übungs- bzw.
Testaufgaben zu den einzelnen Anforderungsbereichen hängt nun davon ab ob die Lösung
eine Auswahl von Methoden in einem geübten und bekannten Zusammenhang erfordert oder
ob selbstständiges Erarbeiten sowie das Anwenden und Bewerten in komplexen und
neuartigen Zusammenhängen vorausgesetzt werden. Auf jeden Fall sollte ein der Vermittlung
von Kompetenzen verpflichteter Unterricht, der nach dem weiter oben beschriebenen
Verständnis die selbständige Fähigkeit Problem zu lösen in den Mittelpunkt stellt, besonders
die Anforderungsbereiche 2 und 3 in den Mittelpunkt stellen bzw. über den elementaren
Anforderungsbereich 1 auf diese hinarbeiten. Laut EPA (2006:11f) sollten
kompetenzorientierte Aufgabenstellungen daher als Richtwert mit 40 Prozent im
Anforderungsbereich II formuliert werden, wobei die Anforderungsbereiche I und III mit je
ca. 30 Prozent zu berücksichtigen sind.
Die unter Punkt 7 folgenden Operatorenanalysen werden zeigen in welchem Verhältnis die
Aufgabenstellungen der EBC*L formuliert sind. Als Referenz wird die folgende
Zusammenstellung der drei Anforderungsniveaus sowie deren Operatoren der EPA (2006:
12ff) verwendet sowie nach Notwendigkeit von den Autoren ergänzt.
4.1 Operatorenliste nach Anforderungsniveaus
Anforderungsbereich I - Reproduktion
Der Anforderungsbereich I umfasst die Wiedergabe von Sachverhalten aus einem begrenzten
Gebiet im gelernten Zusammenhang sowie die Beschreibung und Verwendung gelernter und
geübter Arbeitsweisen in einem bekannten und wiederholenden Zusammenhang. Dazu
gehören u.a.:
Beschreiben von Strukturen (z. B. Aufbau der EZB)
sachgerechtes Wiedergeben fachwissenschaftlicher Begriffe (z. B. Bilanzkennziffern)
Darstellung von wirtschaftlichen Grundmodellen (z. B. Produktlebenszyklus;
idealtypischer Konjunkturverlauf)
Ermitteln von wirtschaftlichen Größen (z. B. Ermittlung des break-even-points)
Nennen von wirtschaftlichen Zielen (z. B. Magisches Viereck und Erweiterungen)
Dem Anforderungsbereich I entsprechen u. a. folgende Operatoren: nennen, wiedergeben,
zusammenfassen, beschreiben, darstellen, ermitteln.
nennen
wiedergeben
zusammenfassen
Kenntnisse (Fachbegriffe, Daten, Fakten,
Modelle) und Aussagen in komprimierter Form
unkommentiert darstellen
beschreiben
darstellen
wesentliche Aspekte eines Sachverhaltes im
logischen Zusammenhang unter Verwendung der
Fachsprache wiedergeben
berechnen
ermitteln
Aufgaben anhand vorgegebener Daten und
Sachverhalte mit bekannten Operationen lösen
Anforderungsbereich II - Reorganisation
Der Anforderungsbereich II umfasst selbstständiges Ordnen, Bearbeiten und Erklären
bekannter Sachverhalte sowie selbstständiges Anwenden des Gelernten auf vergleichbare
Sachverhalte. Dazu gehören u.a.:
Erklären von wirtschaftlichen Strukturen und Prozessen (z. B. staatliche
Strukturpolitik)
Vergleichen von wirtschaftlichen Theorien (z. B. Methoden der Investitionsrechnung,
Markttheorien)
Anwenden grundlegender Arbeitsweisen (z. B. Auswertung von Tabellen, Grafiken) .
Analysieren bekannter Sachverhalte unter bestimmten Gesichtspunkten (z. B.
Bilanzanalyse unter Beachtung von Bewertungsgrundsätzen, Arbeitsmarktpolitik)
Erläutern funktionaler Zusammenhänge in der Wirtschaft (z. B. Auswirkungen von
Faktorpreisänderungen auf die Kostenstruktur, Spannungsverhältnis Ökonomie und
Ökologie)
Anwenden von Erklärungs-, Beschreibungs- und Entscheidungsmodellen (z. B.
Preistheorie, Preisstrategien, Portfolioanalysen)
Dem Anforderungsbereich II entsprechen u. a. folgende Operatoren: erklären, erläutern,
analysieren, auswerten, vergleichen, herausarbeiten, anwenden/übertragen
erklären
erläutern
Sachverhalte durch Wissen und Einsichten in einen
Zusammenhang (Theorie, Modell, Regel, Gesetz,
Funktionszusammenhang) einordnen und deuten; ggf. durch
zusätzliche Informationen und Beispiele verdeutlichen
analysieren
auswerten
wirtschaftliche Sachverhalte aus Materialien kriterien- bzw.
aspektorientiert beschreiben und erklären sowie Daten oder
Einzelergebnisse zu einer abschließenden Gesamtaussage
zusammenführen
vergleichen Sachverhalte gegenüberstellen, um Gemeinsamkeiten,
Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten
herausarbeiten Aus Materialien bestimmte Sachverhalte herausfinden, die
nicht explizit genannt werden, und Zusammenhänge zwischen
ihnen herstellen
anwenden Grundlegende Arbeitsweisen und Modelle auf unbekannte
Sachverhalte bzw. Zusammenhänge übertragen
Anforderungsbereich III - Beurteilung
Der Anforderungsbereich III umfasst das planmäßige Verarbeiten komplexer Fragestellungen
mit dem Ziel zu selbstständigen Begründungen, Lösungsansätzen, Deutungen und Wertungen
zu gelangen. Angestrebt wird dabei das selbstständige Auswählen sowie das Anwenden und
Beurteilen passender Arbeitsmethoden und Darstellungsformen in neuen, nicht zuvor geübten
Situationen. Dazu gehören u.a.:
selbstständige Urteilsbildung hinsichtlich der Anwendbarkeit von Theorien und
Modellen auf ein Beispiel bezogen (z. B. Produktionsentscheidungen, Eigen- oder
Fremdfertigung, Standortfragen)
selbstständiges Entwickeln von nachhaltigen Lösungsansätzen (z. B.
Rohstoffproblematik)
Entwickeln von Konzepten durch adressatenbezogenes, sachlogisch strukturiertes,
fachsprachlich korrektes Gestalten der Arbeitsergebnisse unter Nutzung geeigneter
Materialien und Medien (z. B. Marketing- Mix für ein Produkt)
Diskutieren von Problemstellungen (z. B. EU-Erweiterung)
Entwickeln und Beurteilen von Zukunftsszenarien (z. B. Auswirkungen der
Arbeitslosigkeit, demographische Entwicklung)
Bewerten unterschiedlicher wirtschaftlicher Situationen und Lösungsansätze (z. B.
wirtschaftspolitische Konzeptionen)
Dem Anforderungsbereich III entsprechen u. a. folgende Operatoren: beurteilen, Stellung
nehmen, selbstständiges Entwickeln, gestalten, diskutieren
beurteilen Den Stellenwert von Sachverhalten und Prozessen in einem
Zusammenhang bestimmen, um theorie- und
kriterienorientiert zu einem begründeten Sachurteil zu
gelangen
Stellung nehmen Ausgehend vom Sachurteil unter Einbeziehung individueller
Wertmaßstäbe zu einem begründeten eigenen Werturteil
kommen
selbstständiges Entwickeln Zu einem Sachverhalt oder einer Problemstellung ein
konkretes Lösungsmodell, eine Gegenposition oder einen
Regelungsentwurf begründet entfalten
gestalten Aufbereiten und adressatenbezogenes, sachlogisch
strukturiertes, fachsprachlich korrektes Darstellen der
selbstständig entwickelten Ergebnisse
diskutieren Zu einer ökonomischen Problemstellung eine Pro- und
Kontra-Argumentation entwickeln, die zu einer begründeten
Bewertung führt
4.2 Unbekannte Operatoren
Neben den eindeutig zuordenbaren Operatoren gibt es in der Praxis, sei es in Lehrbüchern
oder anderen unterrichtlich verwendeten Quellen, eine Vielzahl von Schlüsselwörtern, welche
nicht auf den ersten Blick zugeordnet werden können. Manchmal entsteht sogar der Eindruck,
dass es zum guten Ton einer jeden Autorin, eines jeden Autors, gehört, möglichst viele
unterschiedliche Schlagwörter für eine Arbeitsanweisung (sprich: Operator), oder ein
gewünschtes Anforderungsprofil zu verwenden. Doch wie geht man mit diesen
Schlüsselwörter bei einer wissenschaftlichen Untersuchung um?
Eine Möglichkeit ist, auf die Eindeutigkeit der Operatoren zu beharren und alle abweichenden
Schlüsselwörter in eine gesonderte Kategorie zu verpacken. Der Vorteil wäre, dass eine, von
der Theorie bestimmte und damit unangetastete Analyse möglich wäre. Informationen würden
nicht von außen (neu) interpretiert, des weiteren würde die Vielzahl von unterschiedlichsten
Operatoren, welche ja förmlich wahllos verwendet werden, sichtbar. Der Nachteil allerdings
ist, dass damit ein Großteil der Schlüsselwörter in Hinblick einer Analyse verlorengehen und
damit eine bestimmte Aussage mehr als wage wäre. Zum Beispiel ist der Vergleich zwischen
den Anforderungsbereichen obsolet, wenn fast 50 Prozent der gezählten Operatoren
unbestimmten Niveaus sind.
Daher wird von Seiten der Autoren eine zweite Möglichkeit in Betracht gezogen und
präferiert. In diesem Fall wird jedes Schlüsselwort einer Prüfung unterzogen, zu welchen in
der Literatur angeführten Operator es zugeordnet werden kann (siehe voriges Kapitel). Dabei
konnte festgestellt werden, dass die unterschiedlichen Bezeichnungen zumeist eine
eindeutige, manchmal aber auch eine mehrdeutige Interpretationsmöglichkeit haben, welche
nach genauer Kontrolle der bestmöglichen Übereinstimmung zugeführt wurde. Somit gibt es
nach Ende dieses Prüfverfahrens keine unbekannten Operatoren mehr, eine Analyse bezüglich
der Verteilung und des Verhaltens ist ohne Datenverlust möglich. Um dies zu verdeutlichen
werden nachfolgend einige Beispiele aufgelistet.
Wenn die Aussage des Schlüsselwortes mit einem vorhandenen Operator
übereinstimmt, so muss keine Umwandlung vorgenommen werden, die Aussage ist
eindeutig:
Original Operator zugeordneter Operator Anforderungsbereich
beschreiben/definieren können beschreiben 1
erläutern können erläutern 2
Kann kein übereinstimmender Operator gefunden werden, muss das vorhandene
Schlüsselwort einer Prüfung unterzogen werden und dem ehest nächsten Operator
zugeordnet werden:
Original Operator zugeordneter Operator Anforderungsbereich
angeben (können) nennen 1
Unterschied erläutern können vergleichen 2
Langfristiges Ziel muss es jedoch sein, eine mögliche Subjektivität solcher Analyse zu
schwächen, um Untersuchungen von verschiedenen AutorInnen und Quellen miteinander
vergleichbar machen zu können. Dies kann einerseits nur mit einer (zumindest für
Schulbücher) verpflichtenden Vereinheitlichung der Operatoren geschehen, oder anderseits
mit einem lebenden Gesamtkatalog der möglichst alle Schlüsselwörter mit einbezieht und
allgemein zugänglich ist.
5. Operatorenanalyse der EBC*L
Der Aufbau der vier Lehrbücher (Buch 1 „Unternehmensziele und Kennzahlen“, Buch 2
„Bilanzierung“, Buch 3 „Kostenrechnung“ und Buch 4 „Wirtschaftsrecht“, vgl. hierzu Kapitel
2), des Europäischen Wirtschaftsführerscheins EBC*L Stufe A ist jeweils nahezu ident. Es
beginnt mit einer Einführung in das zu behandelte Thema, gefolgt von einem Teil, wo die
jeweilige Thematik vorgestellt und erläutert wird gefolgt von einem abschließenden Testteil,
wo das so erworbene Wissen (selbst) abgeprüft werden kann. Im ersten Teil werden die
präsentierten Wissensfelder anhand von „Lernzielen“ formuliert, d.h. es wird zu Beginn
immer ein Lernziel genannt, welches nach Selbststudium des jeweiligen Kapitels erreicht
werden kann/soll. In dieser empirischen Forschungsarbeit wird dieser Teil „Lernziele“ bzw.
„Lernzielteil“ genannt, der darauf folgende „Testteil“ wird als eben solcher bezeichnet.
Gezählt wurden jeweils Operatoren in den Ausformulierungen der Lernziele, in den
Fragestellungen des Testteils sowie die Operatoren der Arbeitsanweisungen des Testteils. Die
vier Lehrbücher wurden auf ein Gesamtergebnis zusammengeführt, die Musterprüfung,
welche deckungsgleich in allen 4 Büchern vorkommt, wurde nur einmal einbezogen. Zuerst
wurde, von Seiten der Autoren dieser Untersuchung, ein Vergleich der vier Bücher
hinsichtlich der verwendeten Operatoren angedacht, welcher aber aufgrund der nahezu
identen Verteilung verworfen wurde. Die Gesamtzahl spiegelt demnach im Großen und
Ganzen auch die Verteilung der Operatoren in den einzelnen Lehrbüchern wieder.
Durch die Zuordnung jedes einzelnen Operators konnte die komplette Datenmenge
verwendete werden. Dabei ist noch einmal zu betonen, dass die von Jung (2007: 117f)
verwendeten Kriterien (siehe dazu Kapitel 4.2) herangezogen und unbekannte Operatoren
nach Analyse und Abstimmung bestmöglich zugeordnet wurden.
Lernzielteil
Im ersten Teil, dem Lernzielteil der Lehrbücher, wurden insgesamt 263 Operatoren gezählt
und in 15 Kategorien unterteilt. Davon entsprechen 6 dieser Kategorien dem
Anforderungsbereich 1,
„Reproduktion“ (die
Schlüsselwörter hierbei sind:
beschreiben, nennen, berechnen,
wiedergeben, darstellen und
ermitteln), 6 dem
Anforderungsbereich 2,
„Reorganisation und Transfer“
(hier sind die Schlüsselwörter:
erläutern, vergleichen,
einordnen, anwenden, erklären
und analysieren) und 3 dem Anforderungsbereich 3, „Reflexion und Problemlösung“
(begründen, beurteilen und diskutieren). Der absolut häufigste genannte Operator ist im
Anforderungsbereich 2 zu mit der Aufforderung „erläutere“ zu finden. Der Grund dafür ist,
dass dieser nahezu beiläufig bei fast jedem Lernziel hinzugefügt wird. So ist zum Beispiel die
Aufforderung „definieren und erläutern Sie XY“ gängig und zeigt den in den Lernzielen
angestrebten Anspruch, nicht nur Reproduktionswissen zu vermitteln, sondern dieses Wissen
auch in die Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler zu transportieren. Schlagwörter wie
„beschreiben“ und „nennen“ wurden ebenfalls häufig gezählt und passen gut in das zuvor
beschriebene Szenario.
Kumuliert man nun die jeweiligen Anforderungsbereiche so erhält man bis auf den
Anforderungsbereich 3, wo es um Reflexionswissen und Problemlösung geht, ein recht
ausgeglichenes Bild der beiden ersten Anforderungsbereiche (47 % Anforderungsbereich 1,
49 % Anforderungsbereich 2).
Dies unterstreicht noch einmal,
dass die Intention bei der
Formulierung der Lernziele in
den Lehrbücher didaktisch
gesehen hochwertiger anzusehen
ist, als es auf den ersten Blick zu
vermuten war. Das
Anforderungsprofil 3 war, wie zu
erwarten kaum vertreten und
schlägt sich nur mit rund 4 % in
der Auswertung nieder. Auf die wohl nachhaltigste Wissensebene wurde demnach kaum
Wert gelegt, das angestrebte Lernniveau ist auf einer niedrigeren Ebene angesiedelt.
So erkennen augenscheinlich die VerfasserInnen des Europäischen Wirtschaftsführerscheins
EBC*L Stufe A, dass es bei der Formulierung von Lehrzielen wichtig ist, mehr als nur
reproduzierbares Wissen vermitteln zu wollen. Denn es dürfte klar sein, dass das WAS nicht
ausreichend ist und man auch ein einhergehendes WARUM und WIE benötigt, welches mit
Definitionen wie „erläutern Sie“ oder „vergleichen Sie“ darzustellen versucht wird. Wie
jedoch anhand dieser 4 Lehrbücher ein fundiertes Hintergrundwissen vermittelt werden soll,
um das einordnende Verständnis der jeweiligen Situation zu ermöglichen ist von unserer Seite
unklar und zeigt mehr als deutlich, dass entweder tiefgehendes Vorwissen vorhanden sein
muss oder eine Begleitung von LehrerInnen von Nöten ist.
Testteil
Der Testteil zeigt ein völlig konträres Bild. Hier ist ein ganz starker Fokus auf die Wiedergabe
von Wissen der Stufe 1 gesetzt. Die Nennung „ermitteln“ ist mit einer Anzahl von 306
Zählungen Spitzenreiter und somit öfters vorhanden, als alle anderen Operatoren zusammen.
Hervorgerufen wird diese hohe Zahl durch die Art der Wissensüberprüfung, nämlich der
Aufforderung, die richtigen Lösungen aus einer Textvorgabe zu ermitteln und dieses
reproduzierte Wissen in einem Lückentext zu einer spezifischen Aussage einzutragen. Dies
bedeutet, die Schülerin, der
Schüler muss die richtige
Antwort erkennen und
zuordnen können, nicht mehr
und auch nicht weniger. Die
einzelnen Operatoren der
anderen Stufen sind
verschwinden gering in der
Gesamtmenge und wurden
zumeist im „Probeprüfungsteil“
gefunden, der die
Abschlussprüfung beispielhaft darstellen soll. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob eine
Schülerin, ein Schüler, der den Testteil bei einer Selbstüberprüfung besteht, die
Musterprüfung ebenfalls ohne Probleme meistern kann, denn die Anforderungsniveaus sind
recht unterschiedlich. Die Musterprüfung ist nach der Analyse ihrer Operatoren viel
tiefgehender und keinesfalls mit dem Testteil vergleichbar.
So ergibt sich bei Zusammenfassung der Anforderungsbereiche folgende Darstellung: Fast
91 % der abgefragten Bereiche
erfordern Reproduktionswissen
und weniger als 10 % des
Gelernten muss aus den
weiterführenden
Anforderungsbereichen 2 und 3
sein. Wobei dieses
erschreckende Bild durch die
Tatsache vervollständigt wird,
dass nur 2 % der Gesamtzählung
tiefgehendes Reflexionswissen
bzw. Kompetenzen zur Problemlösung verlangt. Dies zeigt im Gegensatz zu den etwas höhere
Niveaus einfordernden Lernzielen eine ganz andere Ausrichtung. Fazit ist, was im Testeil
geprüft wird ist fast ausschließlich Faktenwissen auf dem untersten Anforderungsbereich.
Anscheinend ist es nach Ansicht der VerfasserInnen des Europäischen
Wirtschaftsführerscheins EBC*L Stufe A wichtig für die Schülerinnen und Schüler zu wissen
„was Sache ist“ gegebenenfalls auch noch wie etwas berechnet wird. Welche Mechanismen
dahinterstehen und wie die eigene Lebenswelt damit vernetzt ist erscheint nur beiläufig von
Relevanz zu sein.
Zählt man nun die beiden Bereiche zusammen, ist von dem höheren kognitiven Anspruch der
Lernziele nicht mehr viel zu sehen. Natürlich wird das Bild durch den etwas größeren Testteil
im Verhältnis zu der geringeren Anzahl der Lernziele etwas verwischt, dennoch zeigt ist dies
die ungetrübte Anzahl der
gefunden Operatoren in den
untersuchten Lehrbüchern. Und
auch hier zeigt sich, dass über ¾
aller Operatoren aus dem ersten
Anforderungsbereich stammen.
Auch wenn, wie zuvor
dargestellt, ein Großteil der
Nennungen aus dem Testteil
lukriert wurden, so zeigt dies
trotzdem eine klare gesamthafte
Ausrichtung hin zu Reproduktionswissen und somit eine Abwendung von der
Kompetenzorientierung, welche in der Theorie modernen Unterrichtsgestaltung als so wichtig
und entscheidend angesehen wird.
Vergleich Lernziel- und Testteil
Ein Vergleich der beiden Bereiche zeigt nun die Unterschiede deutlich. Wird in den
Lernzielen eine relativ ausgeglichene Anforderung der beiden ersten Bereiche angestrebt, so
ist der Testteil fast ausschließlich auf das Anforderungsniveau 1 ausgerichtet.
Es muss die Frage gestellt werden, warum die einem höheren Niveau entsprechenden
Lernziele nicht auch dementsprechend überprüft werden? Warum hier Anspruch und
Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen? Es entsteht der Eindruck, dass die Lernziele so
formuliert wurden, um ein möglichst plakatives Bild auf den Europäischen
Wirtschaftsführerscheins EBC*L Stufe A zu werfen. Vermittelt wird aber, wie der Testteil
entlarvt Faktenwissen, welches für die Generierung von wirtschaftlichen Kompetenzen im
Sinne des Schullehrplanes keinesfalls genügt. Eigenständiges Handeln sowie selbstständiges
Abwägen von Alternativen wird hier, wie die Analyse der Operatoren zeigt, leider kaum
angeboten, lediglich (gutes) Faktenwissen. Und dieses kann in der heutigen Zeit, in unserer
„Wikipedia Generation“, nicht der Anspruch fundierter Bildung sein.
6. Vergleich mit dem Lehrplan
Es soll nun zuletzt noch ein genauerer Abgleich des EBC*L A mit dem Oberstufenlehrplan
des Faches Geographie und Wirtschaftskunde angestellt werden, einerseits im Bezug auf die
Definition des Begriffs „Wirtschaftskompetenz“ und die damit verbundenen Inhaltsfelder,
andererseits im Bezug auf die zuvor behandelte Kompetenzorientierung. Dies ist im Kontext
der bereits anfangs erwähnten Möglichkeit zu verstehen, dass der Wirtschaftsführerschein in
zukünftigen Bildungsdebatten als Alternative zum Geographie und
Wirtschaftskundeunterricht in der Oberstufe gehandelt werden könnte.
Wie bereits in Abschnitt 3. gezeigt wurde, wird im AHS-Oberstufenlehrplan des Faches
Geographie und Wirtschaftskunde „Wirtschaftskompetenz“ folgendermaßen definiert:
Verständnis grundlegender Zusammenhänge in betriebs-, volks- und
weltwirtschaftlichen Bereichen sowie Kenntnis gesamtwirtschaftlicher
Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Probleme
Wirtschaftspolitik als wesentlichen Bestandteil der Politik erkennen, ihre Modelle und
deren reale Umsetzung in unterschiedlichen Systemen einschätzen können
Erwerb grundlegender Kenntnisse und konkreter Einblicke in innerbetriebliches
Geschehen
Einsicht in den Wandel der Produktionsprozesse und Verständnis für Veränderungen
der Arbeits- und Berufswelt unter dem Einfluss wachsender Technisierung und
Globalisierung - Interesse wecken für ein Erwerbsleben im selbständigen Bereich
Es zeigt sich, dass hier ein sehr weiter Wirtschaftsbegriff gewählt wird, der betriebs- volks-
und weltwirtschaftliche Themen beinhaltet.
Im Gegensatz dazu hat der EBC*L zweifelsfrei einen stark betriebswirtschaftlichen Fokus.
Lässt sich dies schon durch die Titel der zuvor behandelten Bücher („Unternehmensziele und
Kennzahlen“, „Bilanzierung“, „Kostenrechnung“, „Wirtschaftsrecht“) erahnen und durch die
in den vorangegangenen Abschnitten (insbes. Abschnitt 3) durchgeführten Analysen der
gebotenen Inhalte bekräftigen, bleibt nach der Durchsicht der Homepage (www.ebcl.at) kein
Zweifel mehr daran, dass dies auch dem gezeigten Selbstbild über den
Wirtschaftsführerschein entspricht. So wird in der Internetpräsenz unter anderem geschrieben,
dass die deutsche Stiftung Warentest den EBC*L A „als einziges internationales Zertifikat für
Betriebswirtschaft, das noch dazu die geringsten Kosten und den geringsten Zeitaufwand
beansprucht, empfohlen“ habe. Weiter werden auf der Homepage „12 gute Gründe für den
EBC*L“ genannt, unter denen auch der Punkt „Betriebswirtschaftliche Kompetenz passend
für jeden Karriereschritt“ angeführt, bei dem es weiter heißt: „Vom Kernwissen der
Betriebswirtschaft (Stufe A) über Planungskompetenz (Stufe B) bis zur Führungskompetenz
(Stufe C) deckt der EBC*L die gesamte Palette praxisrelevanten betriebswirtschaftlichen
Know-hows ab.“. Von volks- und weltwirtschaftlichen Inhalten ist auf der gesamten
Internetseite bezeichnenderweise nicht die Rede.
Es scheint also zunächst, dass der Geographie und Wirtschaftskunde Lehrplan der AHS-
Oberstufe ein deutlich breiteres Spektrum abdeckt, als der europäische
Wirtschaftsführerschein, wirkt es doch so, als behandle der EBC*L nur einen minimalen Teil
der im Lehrplan mit „Wirtschaftskompetenz“ verbundenen Inhalte.
Tatsächlich lassen sich, dem Vernehmen des Autors nach, nur zwei von 62 (für das
wirtschaftskundliche Realgymnasium) bzw. eines von 53 (für andere Formen der AHS-
Oberstufe) der im Lehrplan genannten konkreten Lernziele auf den EBC*L umsetzen:
die Einnahmen- und Ausgabenrechnung bei Unternehmen und privaten Haushalten in
ihren Grundprinzipien verstehen
betriebliche Kennzahlen anhand von Beispielen interpretieren können
Beide Lernziele gelten für die Kategorie „Unternehmen und Berufsorientierung“ der 7.
Klasse, das untere nur für den Zweig „wirtschaftskundliches Realgymnasium“. Ein weiteres
Lernziel aus dieser Kategorie, das allenfalls noch direkt mit dem EBC*L verknüpfbar scheint,
ist:
von der Produkt- oder Geschäftsidee zum eigenen Unternehmen – ein fiktives
Unternehmen gründen
Aus diesem kurzen Vergleich lässt sich eine weiterführende Erkenntnis ziehen: Der
europäische Wirtschaftsführerschein deckt nicht, wie etwa behauptet werden könnte einen
kleinen Teil des GW-Lehrplans ab, er behandelt de facto einen anderen Themenkomplex und
überschneidet sich nur minimal mit dem Lehrplan. Damit muss der Befund lauten, dass der
Oberstufenlerplan für Geographie und Wirtschaftskunde mit dem EBC*L in inhaltlicher
Hinsicht gar nicht vergleichbar ist. Vielmehr kann gemutmaßt werden, dass nur eine
komplementäre Anwendung sinnvoll wäre, das eine das andere jedoch nicht ersetzen kann.
Möglichen Argumenten, der EBC*L verfolge das gleiche Ziel wie der wirtschaftskundliche
Teil des GW Unterrichts, könne dieses aber besser erfüllen, ist also entschieden zu
widersprechen.
Ein Vergleich der Kompetenzorientierung zwischen Lehrplan und EBC*L ist insofern
schwierig, als die Umsetzung des Lehrplans einzelnen Lehrkräften obliegt und daher als
ausgesprochen unterschiedlich anzunehmen ist. Trotzdem sind im Lehrplan vor allem in den
„didaktische[n] Grundsätze[n]“ klare Richtlinien für die Kompetenzorientierung abzulesen,
die sich auch in einigen (wenigen) konkreten Lernzielen widerspiegeln. Im Abschnitt
„Bildungs- und Lehraufgabe“, der die zuvor zitierte Kategorie „Wirtschaftskompetenz“
enthält, sind solche hingegen kaum zu finden. Untersucht man diese Kategorie nach der in
Abschnitt 4. definierten Methode der Operatorenanalyse, so zeigt sich, dass Operatoren im
obengenannten Sinne darin kaum vorhanden sind. Formuliert man die Sätze so um, dass sie
Operatoren enthalten, wird deutlich, dass das Anforderungsniveau 2 dabei nicht überschritten
wird. Demgegenüber ist der Satz „Das selbständige Erkennen von Problemen und das Finden
von Wegen zu ihrer Lösung sind zu üben.“ in den didaktischen Grundsätzen klar dem dritten
Anforderungsbereich zuzuordnen. Die einzelnen Lernziele können wiederum nur teilweise
mit der Oberatorenanalyse untersucht werden. So werden besonders häufig die Worte
„erkennen“ und „erfassen“ benutzt, die im oben genannten Sinn keine Operatoren sind, da sie
keine Handlungsanweisungen sind. Andere Lernziele sind mit Operatoren wie „analysieren“,
“beurteilen“ und „bewerten“ hingegen klar (höheren) Anforderungsbereichen zuzuordnen. Es
entsteht also der Eindruck, dass der Lehrplan nur in kleinen Teilen und häufig scheinbar eher
„zufällig“ kompetenzorientiert ist. Dies ist damit zu erklären, dass er noch vor der
Kompetenzdebatte im Fach GW erstellt wurde (vgl. dazu Sitte 2011: 24ff.).
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass der EBC*L A, wie in Abschnitt 5. klar gezeigt
wurde zwar kompetenzorientiert ist, jedoch selten über den Anforderungsbereich 1
hinausgeht, während dies für den GW-Oberstufenlehrplan kaum zutrifft, bei dem die
Kompetenzorientierung (noch) den Lehrkräften und SchulbuchautorInnen obliegt.
7. Conclusio
Es wurde klar gezeigt, dass der europäische Wirtschaftsführerschein v.a. aufgrund seiner
inhaltlich engen betriebswirtschaftlichen Fokussierung den GW-Unterricht keinesfalls
ersetzen kann, sich jedoch als komplementärer Bildungsweg in diesem Bereich anbietet.
Damit konnten die von Josef Aff im Presse-Interview vorgebrachten Argumente eindeutig
entkräftet werden. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Anforderungen, die von
WirtschaftsexpertInnen an österreichische MaturantInnen gestellt werden (siehe Abschnitt
3.1) durch den EBC*L keinesfalls abgedeckt werden können, während dies für den GW-
Oberstufenlehrplan weitgehend zutrifft. Insofern sollte beim europäischen
Wirtschaftsführerschein, der Meinung der Autoren nach, eher von „betriebswirtschaftlicher
Kompetenz“, als von „Wirtschaftskompetenz“ die Rede sein.
Welcher Gestalt die betriebswirtschaftlichen Kompetenzen sind, die durch den EBC*L
vermittelt werden, konnte durch die Operatorenanalyse (nach Jung 2007: 117f) aufgezeigt
werden. So stellte sich heraus, dass zwar ca. die Hälfte der in den Lernzielteilen verwendeten
Operatoren dem Anforderungsbereich 2 zuzuordnen sind (d.h., es wird die Reorganisation
von Inhalten gefordert), die tatsächliche Überprüfung dieser Lernziele in den Testteilen der
Bücher aber überwiegend durch Operatoren im Anforderungsbereich 1 erfolgt (d.h., es wird
vorwiegend die Reproduktion von Inhalten verlangt). Operatoren im Anforderungsbereich 3
(Reflexion und Problemlösung) sind sowohl in den Lernziel- als auch in den Testteilen kaum
vorhanden.
Damit wird bei AbsolventInnen des EBC*L hauptsächlich die kognitive Kompetenz
gefördert, die einem modernen Kompetenzbegriff wie bei Weinert (2001) oder bei Oberliesen
und Schulz (2007) nicht gerecht wird. Dies kann jedoch, wie sich gezeigt hat, so nicht als
Argument für den GW-Oberstufenlehrplan (im Gegensatz zum europäischen
Wirtschaftsführerschein) vorgebracht werden, da dieser, wie hier oder auch von Sitte (2011)
gezeigt wurde, selbst (noch) nicht in diesem Sinne kompetenzorientiert aufgebaut ist.Es
konnte damit in dieser Arbeit eine gute Argumentationsbasis für weitere Diskussionen zur
Sinnhaftigkeit des GW-Unterrichts, v.a. im sich aufdrängenden Vergleich mit dem EBC*L
erbracht werden. Für die Gewährleistung einer zeitgemäßen Kompetenzorientierung im Fach
Geographie und Wirtschaftskunde werden jedoch weitgehende Adaptionen im Lehrplan nötig
sein.
8. Literaturverzeichnis:
Primäre Quellen:
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Wirtschaftskompetenz für Europa – EBC*L Stufe A, Bilanzierung. Wien.
EBC*L-A (2011): Europäischer Wirtschaftsführerschein des Kuratorium
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EBC*L-A (2011): Europäischer Wirtschaftsführerschein des Kuratorium
Wirtschaftskompetenz für Europa – EBC*L Stufe A, Unternehmensziele und Kennzahlen.
Wien.
EBC*L-A (2011): Europäischer Wirtschaftsführerschein des Kuratorium
Wirtschaftskompetenz für Europa – EBC*L Stufe A, Wirtschaftsrecht. Wien.
Sekundäre Quellen
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Heinz-Dieter (Hrsg.): Kompetenzen für eine zukunftsfähige arbeitsorientierte
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Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 1. 12. 1989 i.d.F. vom 16.11.2006. Online im
Internet unter:
http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01-EPA-
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Haider, Günter; Reiter, Claudia (Hrsg.) (2004): Pisa 2003 – Internationaler Vergleich von
Schulleistungen. Nationaler Bericht. Graz: Leykam
Katschnig, Tamara; Hanisch, Günter (2004): Wirtschaftswissen von Maturant/inn/en im
internationalen Vergleich - Eine empirische Studie in den Ländern Österreich, Deutschland,
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Klieme, Eckhard et al. (2007): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards – Eine
Expertise. Bildungsforschung Band 1. Berlin: BMBF
Kompatscher, Stefanie (a) (2011): Fach Wirtschaft und Geographie ist Fehlkonstruktion. In:
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http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/699481/Fach-Wirtschaft-und-Geographie-ist-
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Online Quellen:
Website der EBC*l Österreich: www.ebcl.at
Oberstufenlehrplan Geographie und Wirtschaftskunde:
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/11858/lp_neu_ahs_06.pdf
„12 gute Gründe für den EBC*L“ auf www.ebcl.at:
http://www.ebcl.at/download/12_gute_Gruende_fuer_den_EBCL.pdf