Post on 25-Jul-2020
transcript
Aktuelle Rechtsfragen rund ums Lipödem– ein Überblick
Vortrag 3. Lip- und Lymphödem-Tag Fritzlar
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Fragen über Fragen
Ich hab jetzt schon drei Mal Widerspruch
eingelegt!
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Die Kasse bearbeitet
meinen Antrag
nicht!!!!
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Der MDK hat mich nicht mal
angeschaut!
Jetzt hab ich eine Fiktion – und die
Kasse zahlt trotzdem nicht -echt jetzt?????
Ich versteh das nicht – das Finanzamt hat abgelehnt, obwohl
ich ein fachärztliches Gutachten habe!
Der MDK empfiehlt
Rundstrick bei Lipödem – sind die noch ganz bei Trost?????
Die Kasse nimmt die Fiktion zurück
– die glauben wohl, sie können alles machen?!!
So was Blödes … ich hab die Frist für
den Widerspruch verpennt, obwohl die Kasse zu spät entschieden hat!
Wie alles begann
ResiHanni
Maßgebliche Leitlinien im Lipödem-Bereich
• S1-Leitlinie „Lipödem“, 31.10.2015
(Federführende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Phlebologie e. V., DGP; gültig bis 30.06.2020)
• S2k Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Lymphödeme“, 23.05.2017 (Federführende Fachgesellschaft:
Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen – GDL; gültig bis 22.05.2022)
• S2k Leitlinie "Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK), 31.12.2018 (Federführende Fachgesellschaft(en): Deutsche Gesellschaft für
Phlebologie e.V. (DGP), gültig bis 31.12.2023)
Beachte: Leitlinien sind für die Rechtsprechung nicht bindend!
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Klassifizierung von Leitlinien
https://www.awmf.org/leitlinien.htmlQuelle:
Rechtsprechung 1. Senat BSG
24.04.2018: Was bleibt übrig?Ambulant: keine positive Empfehlung des G-BA
Stationär: entspricht nicht dem Qualitätsgebot des SGB V
Begrenzte Ausweichmöglichkeiten:
• Genehmigungsfiktion
• Verfassungswidrigkeit
• Zusatzversicherung
• Finanzamt wie bisher
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GENEHMIGUNGSFIKTION
§ 13 Abs. 3 a SGB V
Voraussetzungen:
• Fiktionsfähiger Leistungsantrag
• Entscheidung nicht fristgemäß
• 3 Wochen (ohne MDK) oder 5 Wochen (mit MDK)
• Keine wirksame Fristverlängerung
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Querverweis auf § 18 Abs. 3 SGB IX, Fiktion bei Antrag auf
Leistungen zur Teilhabe
Alles eine Frage der Einstellung?
Ich stelle jetzt meinen Antrag bei der Kasse!
Jetzt muss ich schon wieder einen Antrag
bei der Kasse stellen! Ich brauch
doch die Behandlung!
Hanni Resi
DER ANTRAG
Was ist hier schiefgelaufen?
Antrag Kasse
Resi
Antrag KasseArztbericht Dr.
Lipweg
Wie stelle ich einen Antrag?
Zwei Aspekte:
Formale Gesichtspunkte
• Eingangsbestätigung (persönliche Abgabe gegen Quittierung o. ggf. Einwurfeinschreiben, Sendebericht Fax)
• E-Mail wg. persönlicher Identifizierung problematisch
• Telefonisch -> Nachweisprobleme!
• Der Antrag muss so formuliert sein, dass er eine Genehmigung sein könnte! An alle Maßnahmen denken!
Inhaltliche Gesichtspunkte
• Selbstauskunft (Einschränkungen im beruflichen und privaten Alltag)
• Verweis auf S1-Leitlinie Lipödem
• Bereitschaft zur MDK-Vorstellung signalisieren
• Arztbericht Wunscharzt• Arztbericht Vertragsklinikum,
soweit nicht identisch• Kostenvoranschlag• Nachweise über konservative
Therapie (MLD, Kompression, Bewegung …) werden auf Anforderung zur Verfügung gestellt
Wie stelle ich einen Antrag?Anwaltliche Empfehlung:
Zur Vorbereitung des Antrags die S1-Leitlinie Lipödem (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/037-012.html) durchgehen, sich in den einschlägigen Internet-Foren einlesen; evtl. anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.
Pleiten, Pech & Pannen Nr. 1
• Einige Zeit später. Klageverfahren.
• „Ich hab‘s mir anders überlegt; Dr. Lipweg im Klinikum „Spezial“ ist mir nicht qualifiziert genug. Ich geh zu Dr. NochschnellerLipWeg, der operiert auch stationär in einer Praxisklinik. Fiktion ist Fiktion.“
Was sagen Sie dazu?
Pleiten, Pech & Pannen Nr. 1
• Einige Zeit später. Klageverfahren.
• „Ich hab‘s mir anders überlegt; Dr. Lipweg im Klinikum „Spezial“ ist mir nicht qualifiziert genug. Ich geh zu Dr. NochschnellerLipWeg, der operiert auch stationär in einer Praxisklinik. Fiktion ist Fiktion.“
• Das meint der Anwalt dazu:
Pleiten, Pech & Pannen Nr. 1Anwaltliche Empfehlung:
Bitte genau überlegen, was Sie wollen und wer der Leistungserbringer sein soll. Den Antrag exakt so formulieren. Das mit der freien Arztwahl gilt nicht immer uneingeschränkt. Und: Der Antrag muss fiktionsfähig sein.
Pleiten, Pech & Pannen Nr. 2
Wie Tragödien ihren Lauf nehmen:
Stichwort „Einhaltung des Beschaffungsweges“
Frage der Anwältin: OMG, warum macht Ihr das?
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Pleiten, Pech & Pannen Nr. 2
BSG, Urteil v. 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R:
• „Vielmehr hat sich die Klägerin insoweit darauf beschränkt, die unzutreffende Rechtsauffassung zu vertreten, dass von Kausalität zwischen ablehnender Entscheidung und Kostenlast des Versicherten immer schon dann auszugehen sei, wenn der Behandlungsbeginn zeitlich später liege als die Bekanntgabe der Entscheidung der KK. Nach alledem kann es der Senat offenlassen, ob der Behandlungsvertrag bereits mit der im Wege der Überweisung erfolgten Vorauszahlung des vollständigen Rechnungsbetrages zustande kam oder erst mit dem am … vom Versicherten unterschriebenen schriftlichen Behandlungsvertrag.“
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Pleiten, Pech & Pannen Nr. 2
Wie Tragödien ihren Lauf nehmen:
Stichwort „Einhaltung des Beschaffungsweges“
Was passiert bei Nichteinhaltung mit der Fiktion?
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Pleiten, Pech & Pannen Nr. 2Anwaltliche Empfehlung:
Die Frist des § 13 Abs. 3 a SGB V beträgt drei Wochen, wenn der MDK nicht eingeschaltet wird, ansonsten fünf Wochen. Deshalb: Vor diesem Zeitraum• keine Vorauszahlungen leisten• keinen Behandlungsvertrag unterschreiben• keinen OP-Termin vereinbaren (der sicherste
Weg)• keine Operation antreten.
Patientinnen aufgepasst,
neuer Trend bei den Kassen!
Pleiten, Pech & Pannen Nr. 3
„Warum Arztbericht Vertragsklinikum? Mein Wunscharzt operiert nur privat!“
• BSG-Urteil v. 11.07.2017, B 1 KR 1/17 R, Tz. 20:• „…der Antrag der Klägerin genügte diesen Anforderungen. Er richtete sich auf die Versorgung mit medizinisch
erforderlichen Liposuktionen …, ohne dies weiter einzuschränken, etwa hinsichtlich der Methode – Einsatz eines Lasers, der Leistungsart stationär oder ambulant oder der Art des ggf. behandelnden Krankenhauses …. Es bedarf keiner Vertiefung, ob – wofür viel spricht – ein solcher Antrag grundsätzlich auf die Behandlung durch zugelassene Leistungserbringer, jedenfalls nicht durch Privatkliniken gerichtet ist, wenn die begehrte Leitung konkret im Naturalleistungssystem vorgesehen ist.“
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Pleiten, Pech & Pannen Nr. 3
„Warum Arztbericht Vertragsklinikum? Mein Wunscharzt operiert nur privat!“
• Konsequenz:
• Probleme bei der Anspruchsdurchsetzung, obwohl eine Fiktion vorliegt (wenn keine Probleme, dann ist das reines Glück!)
• Die Versicherten sind dazu verpflichtet, die Kasse aufzusuchen, damit diese die angebliche Versorgungslücke prüfe – so das LSG NRW, Urteil v. 12.07.2017 (Revision nicht zugelassen; Meinung des BSG s. o.!)
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Pleiten, Pech & Pannen Nr. 4
„Mein Mann war Zeuge, als ich das Schreiben in den Briefkasten eingeworfen habe.“
Wie kann hier das Vorliegen einer Fiktion bewiesen werden?
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Pleiten, Pech & Pannen Nr. 4
Bedeutung des Eingangsnachweises
• Persönliche Abgabe mit Quittierung
• Einwurfeinschreiben/Fax
• Der Eingang ist das Ereignis, dass die Frist
in Gang setzt (Ereignisfrist)
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DER ANTRAG
Einwurfeinschreiben/persönliche Abgabe mit
Quittierung
• Selbstauskunft (Einschränkungen im beruflichen und privaten Alltag)
• Verweis auf Leitlinien• Bereitschaft zur MDK-
Vorstellung signalisieren• Arztberichte Fachärzte• Nachweise konservative
Therapie (Kompression, MLD, Bewegung, Ernährung) werden auf Anforderung zur Verfügung gestellt
Antragsberatung Lipödem Hilfe
Deutschland e. V., Anwalt, Info SHG
Checkliste mit den to do‘s vor der
operativen Therapie bei Lipödem
Konservative Therapie mindestens sechs
Monate
Wie geht Hanni vor?
Bei Ablehnung Briefumschlag aufbewahren (Poststempel)
Widerspruchsfrist beachten (1 Monat)
Keine Fiktion, obwohl Kasse Frist nicht einhalten kann?
a) Die Kasse smart and healthy informiert die Lipödempatientin nach der Antragstellung, dass ihr eine Entscheidung in der Frist des § 13 Abs. 3 a SGB V aufgrund der Tatsache, dass der MDK noch kein Gutachten erstellen konnte, nicht möglich ist. Mit einer Entscheidung ist bis einschließlich 31.05.2019 zu rechnen.
b) Die Kasse NichtsogutBKK informiert die Lipödempatientin: „Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir Ihren Antrag ablehnen. Wir kommen darauf zurück, wenn uns das MDK-Gutachten vorliegt.“
Geht das????Voraussetzungen: Die Kasse informiert über die voraussichtliche, taggenaue Dauer Frist,
verweist auf die Vorschrift des § 13 Abs. 3 a SGB V und teilt einen hinreichenden Grund mit, nur dann besteht eine wirksame Fristverlängerung.
Verfahrensablauf Vorverfahren
• Bis zum Widerspruchsbescheid liegt nur e i n Verfahren vor, welches sich zusammensetzt aus
• Antrag
• Ablehnungsbescheid
• Widerspruch
• Begutachtung MDK/Ärztlicher Dienst
des Versorgungsamtes/Sozialmed. Dienst
der KBS
• Weiterleitung Widerspruchsausschuss (GKV, DRV) o. Landesversorgungsamt
• Widerspruchsbescheid
• -> §§ 77 ff. SGG (Sozialgerichtsgesetz)
WIDERSPRUCH
Der Fall:
Resi erhält drei Wochen nach Antragstellung einen Ablehnungsbescheid mit einem Datum, das vier Tage vor Fristablauf liegt; komischerweise ist aber auf dem Briefumschlag ein Poststempel, der ein Datum zwei Tage n a c h Fristablauf enthält.
Was sagen Sie dazu? Datum oder Poststempel? Keines von beiden?
BEGRIFF DER BEKANNTGABE
• BSG vom 11.07.2017, Az. B 1 KR 26/16 R:
nicht interne Entscheidungsfindung, sondern die Bekanntgabe ist
entscheidend
dies ist auch gerechtfertigt, denn auch die Bekanntgabe kann nicht
ins Unermessliche überspannt werden (3-Tages-Fiktion)
WIDERSPRUCH
Anwaltliche Empfehlung:
• Ein fristwahrender Widerspruch reicht zunächst aus, Begründung ist nicht zwingend und kann nachgereicht werden
• Der Widerspruch kann jederzeit zurückgenommen werden
• Beratung im Vorfeld empfehlenswert (bei SGB II-Bezug gibt es Beratungshilfe)
WIDERSPRUCH
Anwaltliche Empfehlung:
• Als Patientin kann man ohne weiteres den Eintritt der Genehmigungsfiktion geltend machen
• Grund: eine Rechtschutzversicherung deckt regelmäßig nicht das Antragsverfahren ab, erst ab Widerspruch (oder Klage)
Wie geht es weiter mit dem Widerspruch?
• Kasse hilft ab oder räumt den Eintritt einer Fiktion ein
• Kasse lehnt weiterhin ab/teilt mit, dass keine Fiktion eingetreten sei -> Fortführung des Verfahrens
• Kasse erlässt Rücknahmebescheid (nur bei Fiktion)
(BSG-Urteil v. 07.11.2017, B 1 KR 24/17 R) -> Widerspruch gg. Rücknahmebescheid erforderlich)
DER WIDERSPRUCHSBESCHEID
• Über den Widerspruch muss drei Monate nach Einlegung entschieden werden bzw. sechs Monate nach Antragstellung
• Anwaltliche Empfehlung:
Stufenprinzip: beharrliche Erinnerung mit Fristsetzung –
Beschwerde beim BVA - Untätigkeitsklage
KLAGE VOR DEM SOZIALGERICHT
FAQ:
• Braucht man einen Anwalt?
• Benötigt man eine Rechtschutzversicherung?
• Kann ich dem Richter vertrauen?
• Kostet die Klage Geld?
• Was muss ich tun, um Klage zu erheben?
WIRKSAME HONORARVEREINBARUNG NACH GOÄ
• Muster für eine Honorarvereinbarung
• Nach persönlicher Erläuterung durch (Name des Arztes) wird zwischen Frau/Herrn
• (Name und Anschrift des Arztes)
• und Frau/Herrn
• (Name und Anschrift des Patienten, bei Minderjährigen der Erziehungsberechtigte)
• wird gemäß § 2 GOÄ folgende von den Bestimmungen des § 5 GOÄ abweichende Honorarvereinbarung getroffen:
• Für die Erbringung der folgende Leistung(en) wird der …..fache Steigerungssatz vereinbart.
• Begründung (str.!):
• Mit seiner Unterschrift bestätigt Frau/Herr (Name des Patienten), dass er/sie
• auf die möglicherweise nicht volle Erstattungsfähigkeit der Liquidation hingewiesen wurde,
• ihr/ihm ein Abdruck dieser Vereinbarung ausgehändigt wurde.
• ………(Ort, Datum) …………………….(Unterschrift beider Parteien)
• Quelle: GOÄ-Kommentar, Peter M. Hermanns, Springer Verlag
GOÄ-Nummer Leistungsbeschreibung Steigerungssatz Betrag in Euro
WIRKSAME HONORARVEREINBARUNG NACH GOÄ
• Hinweis auf BSG-Urteil v. 11.07.2017, Az. B 1 KR 1/17 R:
„Versicherten entstehen dann keine Kosten im Rechtssinne, wenn der behandelnde Arzt anstelle der Vergütung von Einzelleistungen ein Pauschalhonorar ohne Bezugnahme auf das Leistungsverzeichnis der GOÄ in Rechnung stellt und den Auslagenersatz pauschaliert.“
„Trotzdem – ohne Kenntnis dieser Rechtslage – geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem OP-Ergebnis zufrieden gezeigt hat.“
DER TERMIN
• Die Sache ist ausdiskutiert. Resi erhält eine Ladung zum Termin beim SG X.
• Voller Angst erscheint sie am besagten Tag im Sitzungssaal, nachdem sie vorher die Sicherheitskontrolle durchlaufen hat. Wie ein Schwerverbrecher, denkt sie.
• Es ist eine Richterin. Resi hofft, da es sich um eine Frau handelt, dass diese für sie eingestellt ist.
• Die Verhandlung wird eröffnet, die Richterin verliest den Sachverhalt und fordert Resi auf, sich zur Sache zu äußern. Nachdem diese nochmal ihre Beschwerden geschildert und ihre Angst um die Arbeitsfähigkeit dargelegt hat, außerdem darauf verweist, dass die Interimszeit zwischen dem Datum auf dem Ablehnungsbescheid und der Aufgabe zur Post doch recht lang sei und eigentlich doch die Frist überschritten sei. Die Richterin hört sich das an und meint dann gedehnt: Frau …, die Fiktion wurde m. E. wirksam zurückgenommen. Im Rechnungsbeleg steht „ästhetisch“, es ist mit Umsatzsteuer abgerechnet, außerdem gehört die Liposuktion bei Lipödem nicht zum Leistungskatalog. Insofern würde ich Ihnen empfehlen, die Klage zurückzunehmen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Ich bin nämlich – wie der Kassenvertreter – der Meinung, dass die Entscheidung des 3. Senates hier zutreffend ist.
• Resi ist geschockt. Ihr laufen die Tränen übers Gesicht.
• Die Richterin meint: Kommen Sie, es werden ja ab Mitte 2020 Probandinnen für die Studie beim Gemeinsamen Bundesausschuss ausgewählt, vielleicht sind Sie auch dabei.
• Geknickt nimmt Resi die Klage zurück. Dies wird im Sitzungsprotokoll so niedergelegt.
Rücknahme der Fiktion
Rücknahme der Fiktion – und jetzt?
• BSG-Urteil v. 07.11.17, Az. B 1 KR 24/17 R
• Maßstab der Rechtmäßigkeit der Genehmigung ist (allein) § 13 Abs. 3 a SGB V
• Es kommt nicht auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen des ursprünglich Beantragten an
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Rücknahme der Fiktion
Welche große Gefahr liegt im Urteil des
3. BSG-Senats?
• BSG-Urteil v. 11.05.17, Az. B 3 KR 30/15 R
• Bedeutung eines sog. „obiter dictums“
• Nur Leistung lt. Leistungskatalog fiktionsfähig?
• Was ist davon zu halten?
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DER TERMIN
Anwaltliche Empfehlung:
• Vor dem Sozialgericht besteht kein Anwaltszwang
• Aber: die Hinzuziehung eines Anwalts ist durchaus empfehlenswert
• Bereits unter Anwälten gilt: „in eigener Sache ist man der schlechteste Anwalt“
• Stresssituation (häufig im Sozial- und Medizinrecht)
Jura-News
BSG- Urteil vom 06.11.2018 (B1 KR 30/18 R)Was wurde entschieden?
- Wenn nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragsstellung über die Einschaltung des MDK unterrichtet wird, dann liegt eine Genehmigungsfiktion im Sinne des § 13 Abs. 3 a SGB V vor, weil die Drei-Wochen-Frist gilt und nicht die Fünf-Wochen-Frist
- Fristberechnung: Fristenrechner im Internet; oder selbst berechnen: Tag des Eingangs = Ereignis, wird nicht mitgerechnet; 3 Wochen, Fristende: der Tag, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.
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Jura-News
BSG- Urteil vom 11.09.2018 (B1 KR 1/18 R)Was wurde entschieden?
- Es besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine in der Türkei durchgeführte Abdominalplastik und Bruststraffung unter stationären Bedingungen
- Voraussetzungen: Genehmigungsfiktion eingetreten; Die Krankenkasse hat gem. § 13 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. SGB V zu Unrecht abgelehnt
- Daher ist der Antragsteller nicht mehr nur auf zugelassene Leistungserbringer beschränkt, sondern kann sich die Leistung auch außerhalb des gesetzlichen Kassensystems beschaffen
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Fristberechnung – ein weihnachtliches Beispiel
Dezember 2018
Woche
Mo Di Mi DoFr
Sa So
48 1 2
49 3 4 5 6 7 8 9
50 10 11 12 13 14 15 16
51 17 18 19 20 21 22 23
52 24 25 26 27 28 29 30
1 31
Antragseingang: 03.12.2018Fristbeginn: 04.12.2018
Fristende: 24.12. oder 27.12.18?
Alle Fristen versäumt – was jetzt???
Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X
• BSG-Urteil v. 11.07.17, Az. B 1 KR 26/16
• Bekanntgabe, nicht interne Entscheidungsfindung
• Fallkonstellation
• Verjährungsfrist
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REHABILITATION
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Arten des Reha-Antrags
AHB(Anschlussheilbehandlung)
Unmittelbar im Anschuss an Klinikbehandlung, ambulante OP
oder Bestrahlung
HV= Heilverfahren
Ohne vorherigen Krankenhausaufenthalt
Wichtigste Arten: Med. Reha zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit bei
Erwerbstätigkeit (DRV)Med. Reha zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit (GKV)
Voraussetzungen für Bewilligung einer Reha:• Rehabilitationsbedürftigkeit• Rehabilitationsfähigkeit• Positive Rehabilitationsprognose• Notwendigkeit ärztlich festgestellt• Vom zuständigen Kostenträger genehmigt
DRV• Persönliche
Voraussetzungen, insbesondere Erwerbsfähigkeit bedroht (§ 10 SGB VI)
• Versicherungsrechtliche Voraussetzungen, insb. EM-Rente, Wartezeit von 15 Jahren (§ 11 SGB VI)
GKV:• Gesetzlich krankenversichert• Kein anderer Leistungsträger
zuständig• z. B. zur Vermeidung der
Verschlimmerung einer chronischen ErkrankungZeitlicher Abstand von vier Jahren, außer
medizinisch dringend erforderlich (ärztliches Gutachten)
§ 18 SGB IX (01.01.2018):Wenn nicht innerhalb von 2 Monaten über einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe
(GdB!) entschieden wird, gilt der Antrag als genehmigt!
Zwangsreha?
• Die Krankenkasse kann bei Krankengeldbezug zur Reha auffordern (§51 SGB V)
MDK-Gutachten:Erwerbsfähigkeit gefährdetErwerbsfähigkeit erheblich
gemindert
Antrag auf Leistungen zur Teilhabe (= Reha)
„Reha vor Rente“
Antrag auf Gewährung einer Rente
10-Wochen-Frist!Antrag muss gestellt werden, egal ob Aufforderung rechtmäßig oder rechtswidrig
Widerspruch gegen die Aufforderung(Antrag muss
währenddessen nicht gestellt werden)
Verlust des Krankengelds möglich
Mitwirkungspflichten
GdB
• GdB = Grad der Behinderung
• bei einem GdB von wenigstens 50 liegt eine Schwerbehinderung vor
• Besonderer Kündigungsschutz (Zustimmung Versorgungsamt, ggf. auch Gleichstellung bei GdB 30)
• Zusatzurlaub 1 Woche pro Jahr (§ 125 SGB IX), Freistellung von Mehrarbeit (§ 124 SGB IX)
• Vorzeitiger Eintritt in die Altersrente (35 Versicherungsjahre ratsam)
• Merkzeichen „G“ /erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr oder erhebliche Geh-/Stehbehinderung) ab GdB 50, steuerlich ggf. Ermäßigung Kfz-Steuer um 50 % oder „Freifahrten“
• ESt: Pauschbetrag gem. §33 b Abs. 1 EStG (310 – 1.420 €)
GdB-Gesamtermittlung
Ermittlung Einzel-GdB
Der höchste Einzel-GdB zählt in vollem Umfang
Verhältnis der einzelnen Behinderungen zueinander
Keine Addition der Einzel-GdB!
• Funktionsbeeinträchtigungen (Behinderungen wirken sich in unterschiedlichen Lebensbereichen aus)
• Funktionsbehinderungen (wirken sich in gleichen Bereichen im Ablauf des täglichen Lebens aus)
• Einander nicht verstärkende Gesundheitsstörungen
• Funktionsbeeinträchtigungen, die sich besonders nachteilig auswirken
Rückwirkende Feststellung ab Antragsstellung
Stimmverhältnisse im G-BA und deren Bedeutung
Quelle: G-BA Downloads
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Warum ist Gesundheitspolitik für jeden wichtig?
• Nur informierte Patienten sind mündige Patienten
• Unsere Basis stärken – Stichwort SHG
• Rechte in der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung wahrnehmen
G-BA aktuell
• Mittlerweile wurde vom G-BA ein unabhängiges wissenschaftliches Institut (UWI) mit der Durchführung der Studie beauftragt (ZKS = Zentrum für klinische Studien Köln; Hautklinik am Klinikum Darmstadt)
• Die Kassen werden bezüglich der Bewerbungen für die Studie informieren und sind für die Auswahl zuständig
• Die genauen Voraussetzungen sind noch unklar (nur Beine? Oder auch Arme?; bis jetzt Kontingent 405 Patientinnen, Beinregion genannt); gesamte Studiendauer lt. Aussagen Hautklinikum Darmstadt ca. 63 Monate); Behandlung in bis zu 14 Zentren deutschlandweit; maximal vier operative Eingriffe; Beobachtungszeitraum 12 Monate; Nachbeobachtungszeit von weiteren 24 Monaten
• https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen/795/
• https://klinikum-darmstadt.de/aktuelles/singleview/news/studie-lipoedem/
• Lipödem Stadium III: am 19.09.2019 Beschluss des G-BA zur Wiederaufnahme der Methodenbewertung; ab Januar Leistung der GKV in Vertragskrankenhäusern u. bei Vertragsärzten; genaue Voraussetzungen für die Antragstellung noch unklar
Patienten ohne Lobby – stimmt das?
„Aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen ….“ das wusste schon Johann Wolfgang Goethe.
Es gibt noch andere Möglichkeiten, sich gesundheitspolitisch einzubringen:
• Sozialwahlen – was ist das?
• Wahlen ohne Wahlhandlung – wie kann das sein?
• Was hat das alles mit mir zu tun?
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Sozialrechtliche Selbstverwaltung, §§ 43 ff. SGB IV
Wie funktioniert die sozialrechtliche Selbstverwaltung?
• Versicherte der GKV (auch DRV und BG) können sich zu sog. freien Listen zusammenschließen
• Je nach Versicherungsträger müssen bis zu 2.000 Unterschriften beigebracht werden (Unterstützerunterschriften = sog. Quorum)
• Aus dem Kreis der Versicherten gewählte Vertreter der Selbstverwaltung sitzen in den Verwaltungsräten und benennen z. B. Mitglieder der Widerspruchsausschüsse, welche über NUB, Reha, Präventivmaßnahmen etc. entscheiden
• Es besteht bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf Zulassung zur Sozialwahl (§ 57 SGB IV)
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Rechtschutzversicherung
Die von Anwälten meist gehörten Äußerungen in Zusammenhang mit der RSV:
• „Ich bin ja rechtschutzversichert.“
• „Ich kann mir keinen Anwalt/keine Klage leisten, ich habe keine Rechtschutz.“
Rechtschutzversicherung
• Was kann die Rechtschutz, was kann sie nicht?
• Rechtschutz = Vollkasko? Das Kreuz mit der Mittelgebühr
• Auf die ARB achten, moderate SB wählen
• Schnell noch eine Rechtschutz n a c h Antragstellung?
(= vorvertragliche Ursache, nicht gedeckt)
• PKV-PatientInnen: „nicht ohne meinen Rechtschutz“
• Anwalt haftet für Erfolgsaussichten? (!)
Der Anwalt als solcher
• „Anwälte sind zu teuer, die tun nach Vorschuss gar nix“
• „Menschlich daneben, wenig einfühlsam, nehmen sich keine Zeit“
• „Schlecht erreichbar“
• „kein guter Anwalt, der hat das nicht durchgesetzt“
WebAkte
• viele Anwälte benutzen zwischenzeitlich insbesondere wegen der DSGVO-Anforderungen die Webakte
• Wie funktioniert die Webakte?
• Warum sollte der Mandant diese nutzen?
Wie es ausgeht
Gemeinsam statt
einsam!
Hanni Resi
Was die versierte Lipödempatientin können muss
• Fristen berechnen
• wissen, was in einen Antrag gehört und strategisch geschickt vorgehen
• über die eigenen (Patienten-)Rechte Bescheid wissen
• wissen, wann es Zeit ist, etwas abzuhaken
• Stress bewältigen können
• nicht den Punkt „Gemeinsam statt einsam“ unterschätzen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!