Post on 07-Feb-2018
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ADHS und Gymnasium
Bedeutung des Phänomens im schulischen Alltag
Dr. med. S. Springer
Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater
Chefarzt der Klinik Hochried, Murnau
Lehrerfortbildung, Weilheim 2013
ADHS und Gymnasium
ADHS
Autismus
Sprach-
störungen
geistige
Behinderung
Sozialverhaltens-
störungends
emotionale
Störungen
Ticstörungen/
Zwangsstörungen
Differentialdiagnosen…und…Komorbidität
ADHS – Komorbidität
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ADHS – Komorbidität• 85% mindestens 1 Störung begleitend (60% mind. 2)
• sehr häufig (mehr als 50 %)
– Störung mit oppositionellen Trotzverhalten
oder Störung des Sozialverhaltens
• häufig (bis zu 50 %)
– spezifische Lernstörungen (und Lern-/ geistige Behinderung)
– Angststörungen
– entwicklungsbezogene Koordinationsstörungen
• seltener (bis 20 %)
– Tic-Störungen
– depressive Störungen
– autistische Störung
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ADHS – Leitsymptome• Kardinalsymptome:
– Aufmerksamkeitsstörung
– Überaktivität
– beide Symptome situationsübergreifend
– Beginn vor dem 6. Lebensjahr
• Begleitsymptome
– Distanzlosigkeit in sozialen Beziehungen
– soziale Impulsivität
– reduziertes Gefahrenbewusstsein
– motorische Unruhe (ADS – ADHS)
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ADHS – Symptome Säuglinge
• viel und schrilles Schreien
• ständige Bewegung
• Reizbarkeit
• Ess- und Schlafprobleme
• Ablehnung von Körperkontakt
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ADHS – Symptome Kleinkind
• plan- und rastlose Aktivität, destruktiv
• ausgeprägte Trotzphase
• reduziertes Gefahrenbewusstsein
• im Kindergarten: stört, nie entspannt
• soziale Isolation
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ADHS – Symptome Grundschule
• starke Ablenkbarkeit, wenig Ausdauer, keine Ordnung
• hält sich nicht an Regeln
• ständiger Streit, keine dauerhaften sozialen Bindungen
• extreme Stimmungsschwankungen
• geringe Frustrationstoleranz
• Ungeschicklichkeit, häufig Unfälle, kein Angstgefühl
• Lern-, Leistungsprobleme
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ADHS – Symptome Jugendliche
• Probleme der Pubertät in verstärktem Maße
• Ablehnung durch die Umwelt, gestörtes Selbstwertgefühl
• oft Selbstgefährdung und Leistungsverweigerung
• stark vermindertes Selbstwertgefühl, Depressionen
• Neigung zu Dissozialität, Kriminalität und Drogensucht
• Schwierigkeiten in der Berufswahl und im Beruf
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ADHS – Symptome Erwachsene• Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblem bleibt
• Schusseligkeit, Vergesslichkeit
• Unbeständigkeit von beruflichen und sozialen Bindungen
• Hyperaktivität wird zu Inaktivität und Nervosität
• Stimmungsschwankungen, Ungeduld, Jähzorn, Sucht
• fehlende Ausdauer, Egoismus und Großzügigkeit
• d.h. auch positive Eigenschaften: Phantasie, Kreativität,
grenzenlose Einsatzbereitschaft, Spontaneität,
Gerechtigkeitssinn und Hilfsbereitschaft
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ADHS - Diagnosestellung
Methodik Diagnose- und Therapiebeurteilung
• ADHS ist eine qualitative Diagnose, die gestellt wird
durch den Nachweis einer diagnosetypischen
Verhaltenskonstellation
• ADHS ist nicht quantitativ messbar (wie z.B. der IQ oder
Teilleistungsstörungen)
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ADHS - Diagnosestellung
Methodik Diagnose- und Therapiebeurteilung
• Berichte von Eltern, Lehrern, Erziehern
• FBB-HKS, andere Verhaltensbögen
• Leistungsnachweise, Zeugnisse, Schulnoten/ -verlauf
• Heftführung, Schriftbild
• Ausschlussdiagnostik: IQ, TLS, Somatik
• Verlaufsbeurteilung mit Ansprechen auf Therapie
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Joel Nigg (2006), What Causes ADHD?
genetische Ursachen(familiäre Häufung)
niedrigesGeburtsgewicht
Alkohol in derSchwangerschaft
Rauchen in derSchwangerschaft
perinataleKomplikationen
andere Ursachen (z.B.Intoxikationen)
Geburtsgewicht
AlkoholRauchen
perinatal
andere
genetisch
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ADHS - Ursachen
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ADHS und Gymnasium
Grundprinzipien: 1. Zusammenarbeit
2. zentrale Rolle der Schule
Eltern
Therapie
Jugendhilfe
Schule
Umfeld
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ADHS - Behandlung
ADHS - Behandlung
• Therapieziele
• Aufklärung
• Verringerung der Symptomatik/ Komorbidität
• soziale Integration
• stabiles Selbstwertgefühl
• Bewältigungsstrategien (Patient, Eltern, Lehrer etc.)
• Sicherstellung Schulausbildung und Berufsausbildung
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ADHS - Behandlung
• Therapievoraussetzungen
• individueller Therapieplan
• Absprache mit Eltern, Kind, Therapeuten und Schule
• Koordination bei einem Kinder-/ Jugendpsychiater oder
einem gut ausgebildeten Kinderarzt
• kein ständiger Arzt- und Therapeutenwechsel
• regelmäßiges Überprüfen der Diagnose
• Teamwork !
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ADHS - Behandlung
• Therapieplanung
• Therapieziele festlegen
– wo liegen die hauptsächlichen Probleme?
– in der Familie, in der Schule, bei den Hausaufgaben,
– in der Motorik, im Sozialverhalten?
• Planung der entsprechenden Therapie:
– Elternberatung
– Psychomotorik, Ergotherapie, Heilpädagogik
– Psychotherapie, Familientherapie
– medikamentöse Therapie etc.
• regelmäßige Begleitung des Kindes und der Eltern
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ADHS und Gymnasium
ADHS - Behandlung
Therapiestrategien
1. Ursachensuche Überlegenheit
2. Umfeldarbeit/ Elternarbeit nichtmedikamentöser
3. Verhaltenstherapie Verfahren !!!
4. Medikation (intermittierend)
1. unaufmerksam Methylphenidat, Atomoxetin
2. aggressiv-impulsiv Risperidon, Pipamperon, Benzodiazepine
3. unruhig-stimmungslabil Atomoxetin, Buspiron, SSRI
4. unruhig-impulsiv Methylphenidat + Risperidon (1)
Quelle: Fegert, Vortrag 2007
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ADHS - Behandlung
Eltern:• Psychoedukation
• Elterntraining
• Familientherapie
Patient:• Psychoedukation
• Verhaltenstherapie
• Pharmakotherapie
• Heilpädagogik
• Psychomotorik
• Ergotherapie
• sensorische Integration
• Biofeedback
• Sprachtherapie
• LRS-Therapie,
• Kinesiologie, Homöopathie,
…
Umfeld Schule/ Kiga:• Psychoedukation
• Verhaltensintervention
• Beratung und Vermittlung !!!
• Sozialberatung
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ADHS - Medikation
Pro und Contra
• Pro:
– Verbesserung der Aufmerksamkeit
– Verbesserung der schulischen Leistungsfähigkeit
– sekundäre Verbesserung von Unruhe und Verhalten
• Contra:
– nur bei 2/3 der Kinder wirksam
– Nebenwirkungen häufig
– begrenzte Wirkdauer (4h; retard 8-10h)
– keine direkte Wirkung auf Verhaltenssteuerung
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• Konzentrationstraining
• Entspannung und Bewegung
• Arbeitsplatzgestaltung
• Verhaltenssteuerung (Loben)
• …ADHS und Gymnasium 20
Behandlung – praktische Tipps
Alterstypische Konzentrationsspanne
• 5 – 7 Jahre: 15 Minuten
• 8 – 9 Jahre: 20 Minuten
• 10 – 12 Jahre: 25 Minuten
• ab 12 Jahre: 30 Minuten
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Behandlung – praktische Tipps
Maßnahmen zur Konzentrationsförderung
• Bewegung und Entspannung
• Voraussetzungen für eine effektive
Aufgabenbewältigung
- Regeln und Strukturen
- Arbeitsplatzgestaltung
- Lösungsstrategien
• Loben
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Behandlung – praktische Tipps
Bewegung und Entspannung
• Täglicher Bewegungsausgleich (z.B. Besuch von
Spielplätzen, gemeinsame sportliche Aktivitäten)
• Regelmäßige Entspannungsmöglichkeiten (z.B.
Vorlesen von Geschichten oder Rätseln,
Massagegeschichten, Hören von
Entspannungsmusik, Malen…)
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Behandlung – praktische Tipps
Entspannung warum?
• Entspannung ist Voraussetzung für Konzentration
• Entspannung ermöglicht das Erkennen von
Selbststeuerungsfähigkeit
• unruhige und lebhafte Kinder lernen das Gefühl der
Ruhe kennen
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Behandlung – praktische Tipps
Arbeitsplatzgestaltung
• gleichbleibende Arbeitszeit (Rhythmisierung und
Transparenz des Stundenplans)
• Frischluft
• gute Lichtverhältnisse
• gleichbleibender, ruhiger Arbeitsplatz
• aufgeräumter Arbeitsplatz
• angemessene Sitzhaltung
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Behandlung – praktische Tipps
Aufgaben-Lösungs-Strategien
• Aufgaben schrittweise lösen…
• Fragen Sie das Kind: „Was sollst Du tun?“
• Fordern Sie das Kind auf, die Aufgabe zu erklären
• Lassen Sie sich Schritt für Schritt zeigen, wie das Kind die Aufgabe bearbeitet
• Loben Sie das Kind für jeden kleinen Schritt, der richtig ist
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Behandlung – praktische Tipps
Tipps zum Loben
• kleine Schritte loben
• beim Loben genau sagen, was gut war
• sofort loben, wenn erwünschtes Verhalten auftritt
• so oft loben, wie es geht
• authentisch loben
• Kritik und Lob nicht miteinander vermischen
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Behandlung – praktische Tipps