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2.1 Einordnung, Merkmale und sektorale Ausprägungen
2.2 Genaue Betrachtung: Kreativwirtschaft
3.1 Fokus: Kunstmarkt
3.2. Fokus: Designmarkt
4.1 Wertschöpfung im Kunstmarkt
4.2 Wertschöpfung im Designmarkt
5.1 Kreativräume
5.2 Kreativquartiere
5.3 Governance Prozesse
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Seit den 90 Jahren sind Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland ein Thema. Mittlerweile fördern
viele Bundesländer ihre Kultur- und Medienlandschaft: Dazu gehört die Schaffung von Räumen und
Arbeitsplätzen für Kreativwirtschaft, ihre gezielte Ansiedlung, aber auch die Verknüpfung mit
Universitäten und Hochschulen und die Weiterentwicklung der Industrie- zu einer
Wissensgesellschaft. 2007 waren Kultur- und Kreativwirtschaft ein zentrales Thema der Enquette-
Kommission “Kultur in Deutschland”, was sich auch in ihrem Abschlussbericht zeigt.
Heute werden allgemeinverbindlich folgende Branchen der Kulturwirtschaft zugerechnet:
Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Darstellende Künste,
Architekturmarkt, Designwirtschaft, Pressemarkt. Zur Kreativwirtschaft zählen: Werbemarkt und
Software/spiele-Industrie.1
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Vorreiter für eine zunehmend wissensbasierte Ökonomie in
Deutschland. Seit vierzehn Jahren steht die Kultur- und Kreativwirtschaft im Fokus der
Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und der Länder, mit dem Ziel, in den kommenden Jahren die
wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Teilmärkten der Kreativwirtschaft und anderen
Branchen auszubauen und innovative Potentiale nutzbar zu machen. Zentrale Themen sind dabei die
Innovationsfähigkeit der Kulturwirtschaft, die Quantifizierung und Qualifizierung der
Wertschöpfungseffekte und die Ableitung wirtschaftspolitischer und unternehmensstrategischer
Handlungsempfehlungen.2
Folgende Punkte lassen sich als wesentliche Handlungsfelder beschreiben:3
1. Kultur- und Kreativwirtschaft sind innovative und können eine Voreiterrolle im Einsatz
neuartiger Methoden und Formen der Arbeitsgestaltung einnehmen. Neue Produkte und
Dienstleistungen werden in der Kreativwirtschaft durch offene Innovationsprozesse und
kurze Innovationszyklen entwickelt. Diese spezifischen Methoden und Arbeitsweisen führten
zu Entwicklungen wie Coworking Spaces oder Innovation Communities, die auch für andere
Branchen und Anwendermärkte nutzbar gemacht werden können.
2. Die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft bedienen sehr stark nicht technische
1 vgl. Leitfaden zur Erstellung einer statistischen Datengrundlage für die Kulturwirtschaft und eine
länderübergreifende Auswertung kulturwirtschaftlicher Daten. Michael Söndermann, 2009, S. 6 2 vgl. Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamtwirtschaftlichen Handlungskette. Wirkungsketten,
Innovationskraft, Potentiale. Kurzfassung eines Forschungsgutachtens im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, 2012, S. 3 3 vgl. ebendem, S. 4 ff.
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Innovationen und erweitern damit das durch technische Fortschritte geprägte
Innovationssystem. Durch die Erweiterung des Innovationsbegriffs um soziale Praktiken
(Konsum, Arbeit, Organisation), neue Formen von Anwendung des Produkts oder
Veränderung des Anwendungskontexts entstehen weitere Anwendermärkte, in denen die
Akteure der Kreativwirtschaft als (Ver-)mittler zwischen Branchen, Nutzern, Produzenten
sowie Technologien und Arbeitsmethoden auftreten. Dies führt etwa zu
branchenübergreifender Anwendung von Wissen oder Neukombination bereits vorhandener
Technologien und Prozesse.
3. Kultur- und Kreativwirtschaft ist Innovationstreiber für andere Branchen und leistet
aufgrund ihrer starken Innovationsorientierung einen Beitrag zur Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft. Das geschieht vor allem bei engen
Kooperationen zwischen Kreativunternehmen und anderen Sektoren: Zwei Drittel der
Unternehmen unterstützen ihren Auftraggeber in der Anfangsphase der Innovationsprozesse
und tragen wesentlich zur Ideenfindung und Konzeptentwicklung neuer Produkte bei, indem
sie beispielsweise konkrete Bedürfnisse möglicher Zielgruppen erkennen und vermitteln oder
in Design-Thinking-Prozessen Kundenwünsche fundiert ermitteln.
4. Die Kultur- und Kreativwirtschaft macht Innovation anderer Branchen durch die Schaffung
neuer Nutzerfahrungen und Emotionalisierung der Produkte und Dienstleistungen
anwend- und vermarktbar. Kooperative Innovationsprozesse zwischen Kultur- und
Kreativwirtschaft und Unternehmen anderer Branchen führt zu besseren Produkten und
Dienstleistungen. Die entstehenden Neuentwicklungen werden durch die eingesetzten
kreativen Kompetenzen spezifischer auf den Nutzer und Kunden zugeschnitten und dadurch
anwendungsfreundlicher. Sichtbar wird das vor allen in den Teilmärkten Werbung, Design
und Film, bei denen die emotionale Ansprache von Kunden eine wichtige Rolle spielt – diese
kann auch durch neue Geschäftsmodelle und Vertriebskanäle wie etwa den Einsatz von Web-
2.0-Technologien gesteigert werden.
5. Zur Hebung der bislang ungenutzen Innovationspotentiale ist eine stärkere Sichtbarkeit der
Kultur- und Kreativwirtschaft bei Unternehmen anderer Branchen notwendig, den
Innovationspotentiale lassen sich besonders dann intensivieren, wenn sie seitens von
Industrie, Handel und anderen Branchen eine Öffnung und Erweiterung erfahren. Auch
Kreativunternehmen müssen sich starker an die Bedürfnisse, Mentalitäten und Sprachen der
jeweiligen Anwendermärkte anpassen, was sie manchmal aus Furcht vor dem Verlust ihrer
kreativen und künstlerischen Mehrwerte vermeiden. Andererseits sind Kreativunternehmen
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möglichen Partnern und Auftraggebern zu wenig bekannt und haben durch die Größe ihrer
Unternehmen keine ausreichende Wahrnehmbarkeit.
Zur Betrachtung und Analyse der kulturellen Infrastruktur wurde in den letzten Jahren das Drei
Sektoren-Modell verwendet. Es soll im Folgenden erklärt und sodann auf die Bereiche Design und
Bildende Kunst angewendet werden.
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Das Modell unterscheidet den privaten, den intermediären und den öffentlichen Kultursektor.
Der private Kultursektor umfasst die erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Kultur- und
Kreativwirtschaft, beispielsweise die Musikwirtschaft, die Designwirtschaft und den Kunstmarkt.
Dieser Sektor wird von der öffentlichen Hand (Staat, Länder, Kommunen) mit Programmen der
Wirtschaftsförderung unterstützt – etwa durch Angebote zur Existenzgründung oder die
Bereitstellung von günstigen Räumen oder Mikrokrediten.
Der intermediäre Kultursektor beschreibt Einrichtungen wie soziokulturelle Zentren,
bürgerschaftliche getragene Einrichtungen sowie Kulturprogramme in privat-rechtlicher Trägerschaft
(Vereine, Stiftungen, gGmbHs): Sie sind zwischen den Märkten der Kultur- und Kreativwirtschaft und
der öffentlichen Daseinsvorsorge angesiedelt, finanzieren sich überwiegend aus Eigenmitteln,
öffentlicher Förderung, sowie dem Engagement der Zivilgesellschaft und selbsterwirtschafteten
Erträgen. Häufig werden sie durch ehrenamtliche Arbeit getragen. Die Herausforderung für den
intermediären Sektor liegt beim Finanzierungsmix in der Abwägung zwischen den Interessen oder
Regeln des Marktes, des öffentlichen Zuwendungsrechts und den eigenen, gemeinnützig
anerkannten Zielen und aufgaben. Es finden sich alle Sparten der Kultur im intermediären Sektor,
schwerpunktmäßig aber Angebote aus dem soziokulturellen Bereich und der Breitenkultur.
Zum öffentlichen Sektor gehören Kultureinrichtungen, -programme und -projekte, die in der
Trägerschaft der Kommunen, Länder oder des Bundes liegen – also auch von diesen Einrichtungen
durch Steuern und Abgaben finanziert werden. Man spricht daher auch vom öffentlich-geförderten
Sektor, den weiterhin die öffentlich-rechtliche Organisationsstruktur der Gemeinnützigkeit und die
nicht-kommerzielle Orientierung sowie die Bindung an den öffentlichen Kulturauftrag kennzeichnen.
4 vgl. Öffentlich geförderter, intermediärer und privater Kultursektor – Wirkungsketten, Interdependenzen,
Potenziale. Forschungsgutachten für den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Endbericht, 2012, S. 3 ff.
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Motivation für die öffentliche Förderung sind die Sicherung der kulturellen Daseinsvorsorge oder die
kulturelle Grundversorgung. Auftrag des öffentlichen Sektors ist es, ein kulturelles, vielfältiges und
anspruchsvolles Angebot bereitzustellen sowie kulturelles Erbe zu sichern.
In der nachfolgenden Abbildung ist erkennbar, dass die drei Sektoren durch die Akteure der Kultur-
und Kreativwirtschaft miteinander verbunden sind – vor allem durch die Schöpfer/Hersteller der
kulturellen Produkte. Darin liegt auch die Herausförderung: Da die Kultur- und Kreativwirtschaft eng
mit dem öffentlich-geförderten und intermediären Sektor verbunden ist, haben kulturpolitische
Entscheidungen in diesen Sektoren ebenfalls Auswirkungen auf diesen Bereich. So haben Kürzungen
im Kulturetat immer auch Folgen für die wirtschaftliche Dynamik einer Stadt.5
Abbildung 1: Quelle: STADTart/Institut für Kulturpolitik / HWWI 2012, S. 4
5 vgl. Peter Grafe: Dynamische Stadt: Kümmerer für die Kulturwirtschaft gesucht – zum Verhältnis von Stadt
und Kulturwirtschaft, in: Kultur- und Kreativwirtschaft in Stadt und Region. Voraussetzungen, Handlungsstrategien und Governance. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2011, S. 64-66
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Im Folgenden sollen die beiden Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Markt für Kunst und
Design, näher betrachtet werden.
Der Kunstmarkt in Deutschland ist geprägt von einem sehr großen Anteil selbstständiger bildender
Künstler (68%). Weiterhin werden im der Einzelhandel mit Kunstgegenständen (15%),
Museumsshops (5%) und Einzelhandel mit Antiquitäten (12%) zugerechnet.6 Auch wenn man den
Markt zunächst dem privaten Sektor zurechnet, bestehen Verbindungen zum öffentlichen Sektor
etwa durch Stipendien oder Preise für die KünstlerInnen oder staatliche Ankäufe, etwa durch die
Bundeskunstsammlung. Aber auch die Ausbildung an öffentlichen Kunsthochschulen oder
Universitäten (81.500 Studierende in Deutschland sind eingeschrieben in Fächern der „Kunst und
Kunstwissenschaft“)7 beeinflusst den Kunstmarkt – dort werden die ExpertInnen, ForscherInnen und
GaleristInnen der nächsten Generation ausgebildet. Zudem hat Deutschland rund 6696 Museen (680
Kunstmuseen), die sich mehrheitlich in öffentlicher Trägerschaft befinden.8 Anschlusspunkte an den
privaten Kunstmarkt stellen natürlich Galerien, Ausstellungs- und Auktionshäuser sowie Messen dar.
Durch das Wirken von Kunst- und Kulturvereine oder Freundeskreise von Museen haben die Akteure
des Kunstmarks ebenfalls mit dem intermediären Sektor Kontakt. Der Kunstmarkt hat mit 1,5%9 den
geringsten Anteil am Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Über 50.000 Freiberufler und gewerbliche Unternehmen sind in Deutschland in der Designwirtschaft
tätig – Design hat einen Anteil von 11,6% an der Gesamtheit der Kreativ- und Kulturwirtschaft. Dabei
ist die Anzahl der Webgestalter am Höchsten mit rund 30%, es folgen die Fotografen und Grafik- und
Kommunikationsdesigner.10 Auch hier sind durch die Ausbildung an Fachhochschule,
Kunsthochschule und Universität wieder Verschränkungen mit dem öffentlichen Sektor festzustellen.
Gefördert wird dieser Bereich natürlich auch durch die Vergabe von Aufträgen oder Preisen. Dass
Büros für Industrie-, Produkt-, Mode-, Grafik-, oder Kommunikationsdesign, Werbegestaltung,
6 vgl. InfoKreativ. Praxistipps für Kreative & Kulturschaffende. Kunstmarkt. Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi), März 2015, S. 1 7 vgl. BKM, 2012, S. 57 8 vgl. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Institut für Museumsforschung. Statistische
Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2013. 2014, S. 7 ff. 9 vgl. http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KuK/Navigation/Kultur-Kreativwirtschaft/kunstmarkt.html,
Stand: 11.08.2016 10 vgl. InfoKreativ. Praxistipps für Kreative & Kulturschaffende. Designmarkt. Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi), März 2015, S. 1
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FotografInnen oder SchmuckhersterInnen privatwirtschaftlich aktiv sind, liegt auf der Hand.
Trotzdem gibt es durch Einrichtungen wie das Design Zentrum Nordrhein Westfalen e.V. und das
angegliederte Ret Dot Design Museum auch Anschluss an die museale Landschaft und den
intermediären Sektor.
Um die unter 3.1 und 3.2 hergestellten Verknüpfungen weiter zu systematisieren, empfiehlt sich die
Darstellung in einer Wertschöpfungskette, deren Wirkungsweise auch im Bericht der Enquette
Kommission „Kultur in Deutschland“ näher beschrieben ist: Die kulturelle Wertschöpfungskette
zeichnet die Wertschöpfung kultureller Aktivitäten vom kreativen Akt (oder eventuell vorgelagerten
Aktivitäten) bis zur Aufnahme durch Publikum oder Kritik. Ziel der Abbildung dieser Prozesse ist die
eindeutige Zuordnung von Tätigkeiten oder Berufen, die in allen Stufen der Wertschöpfungskette auf
den kulturellen Inhalt des in der Herstellung des befindlichen Produktes bezogen sind. So wird der
Wertschöpfungsprozess in einzelne Stufen zerlegt, was eine tiefergehende Betrachtung des
Einbezugs unterschiedlicher Personen und/oder Unternehmen in die Entstehung des kulturellen
Gutes ermöglicht und eine differenzierte Analyse der Beziehungen zwischen allen Akteuren
ermöglicht.11
Abbildung 2 Kulturelle Wertschöpfungskette aus: Abschlussbericht, S. 66
Die Wertschöpfungskette im Kunstmarkt ist im Vergleich zu anderen Produkten erstaunlich kurz.
Nach der Ausbildung der KünstlerInnen an den entsprechenden Institutionen kommt es zum
schöpferischen Akt, also der Herstellung eines Kunstwerks. Dieses wird aus der Künstlerwerkstatt
11 vgl. Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode. Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“,
Berlin 2007, S. 347 ff.
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verkauft und gelangt auf den Primärmarkt, den Erstverkaufsmarkt. Der starke Sekundärmarkt ist eine
zweite Besonderheit des Kunstmarkts: Kunst bleibt selten beim Erstkäufer, sondern wird in der Regel
ein oder mehrmals verkauft. Der Handel mit Kunstwerken kann jederzeit wiederholt werden, es sei
denn das Eigentumsrecht geht an eine öffentliche Einrichtung wie ein Museum über – bisher werden
Kunstwerke aus diesen Beständen in Deutschland nicht verkauft.12
Die Wertschöpfungskette in der Designwirtschaft ist komplexer als bei der bildenden Kunst.
Anfangspunkt ist die Anbahnung und die Akquisition des Auftrags, dem möglicherweise
Werbemaßnahmen vorausgingen, durch die der Kunde auf die Dienstleistung, das Produkt oder die
Marke der Designagentur aufmerksam wurde. Die schöpferische Leistung beginnt nach
12 vgl. Landeshauptstadt Düsseldorf. Kulturwirtschaft in Düsseldorf. Entwicklungen und Potentiale. 2010, S. 53
ff.
Ausbildung
Atelier
Malerei
Fotografie
Bildhauerei
Medienkunst
Werkstatt-
mitarbeiter
Techniklabors /
Materialhandel
Öffentliche und private Förderung
Kunst- und Kulturvereine
Primärmarkt:
Auktionshäuser
Galerien
Kunstmesse
Ausstellungshaus
(Museum)
Ateliers
Kunstvereine
Kunsthochschulen
Sekundärmarkt:
Galerien
Kunstmessen
Auktionen
Internet
Abbildung 3 Wertschöpfungskette im Kunstmarkt, eigene Darstellung
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Vertragsabschluss und liegt in der Entwicklung einer kommunikativen Idee und der Umsetzung eines
Konzepts. Bis das Konzept durch den Kunden abgenommen wird, kann es zu mehreren
Feedbackrunden kommen, nach denen das Produkt modifiziert wird. Anschließend wird es
hergestellt, auf den vereinbarten Kommunikationsorten und -medien umgesetzt und zur Zielgruppe
gebracht.13
Die Ansiedlung von Kreativwirtschaft in einer Stadt wird, wie bei anderen Wirtschaftsbranchen auch,
begünstigt durch Standortfaktoren. Im Folgenden sollen zwei Ansätze vorgestellt werden, die die
kulturellen Szenen einer Stadt verbessern und die Entwicklung kreativer Milieus insbesondere in der
Bildenden Kunst ermöglichen können. Indes hat nicht jede Stadt die entsprechenden Ressourcen, um
kreative Räume aufzubauen. Die Entwicklung hängt etwa auch von der Größe der Stadt ab: Bei
kleineren Städten kann die Entwicklung regionaler Kooperationsprojekte sinnvoll sein.
13 vgl. ebendem S. 90 ff.
Rollout
Anbahnung/
Akquisition
Herstellung Schöpferischer
Akt
Vertrag Abnahme Sound
Nutzungsrechte
Film
Grafik
Druck
Foto
Lithografie
Mediaagenturen
Kreativagenturen
Printmedien
TV
Radio
Internet
Öff. Werbeflächen
Messen
POS (Point of Sale)
Marktbearbeitung
Netzwerke
Öffentliche
Ausschreibungen
Pitchagenturen
Abbildung 4 Wertschöpfung Designmartk, eigene Darstellung
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Kreativräume sind Leuchtturmprojekte der stadtplanerischen Gestaltung. Es kann sinnvoll sein, diese
Räume in besonders attraktiven Lagen zu bilden, etwa entlang ehemaliger Hafenareale oder im
Zusammenhang mit denkmalgeschützten oder -schutzverdächtigen Objekten. Erfahrungsgemäß
siedeln sich in der Nähe von Schlüsselakteuren aus der Kreativwirtschaft häufig kleinere
Unternehmen oder Designbüros an. 14
Die Mehrzahl der Kreativen und KünstlerenInnen arbeitet gerne vor Ort – auch in kleineren Städten,
die nicht automatisch die richtige Infrastruktur und Umgebung für diese Berufsgruppen anbieten
können. Eine städtebauliche Maßnahme zur Förderung der Kreativszene vor Ort ist das Konzept der
Kreativquartiere, die in Deutschland zunächst in der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 entwickelt
und als tragende Säule des Programms begriffen wurden.15 Die Planung dieser besonderen Orte in
Städten wird sinnvollerweise kooperativ angegangen – mit Akteuren aus freier Szene,
Kreativwirtschaft, Kulturpolitik und Wirtschaftsförderung. Die Idee eines Kreativquartiers ist die
nachhaltige Entwicklung künstlerischer und kreativer Milieus zu forcieren unter besonderer
Berücksichtigung der Spezifika der Städte. Dabei entstehen diese Orte durch eine Nach- und
Zwischennutzung industriell geprägter Stadtquartiere, die in der Regel einen hohen Anteil
leerstehender Gewerbeflächen aufweisen, durch Aneignung und Nutzbarmachung für die kreative
Szene.16
Die Entwicklungsprozesse, die zu Kreativquartieren führen, sind zwischen staatlicher Steuerung und
gesellschaftlicher Selbstregulierung angesiedelt. In diesem Zusammenhang wird von dem Begriff
Urban Governance gesprochen, der sich abgrenzt zur klassischen Form der exekutiven Steuerung
(Government).17 Im Governancemodell werden die Rollenverständnisse von öffentlicher Verwaltung
und nichtstaatlichen Akteuren neu organisiert, sodass hybride Organisationen und institutionelle
Arrangements entstehen, die von horizontale Kooperationsformen bilden. Dabei werden wandelnde
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vgl. Kreativität und Stadtentwicklung. Arbeitspapier der Fachkommission „Stadtentwicklungsplanung“ des Deutschen Städtetags. 2010, S. 16 ff. 15
vgl. http://www.e-c-c-e.de/aktivitaeten/aktuell/kreativquartiere-ruhr/, Stand: 18.08.2016 16 vgl. Creative Zone Innovator. Creative Urban Renewal (CURE), 2014, S. 3 ff. 17 vgl. Arbeitsberichte. Quartiere neu denken. Geographisches Institut, Humbold-Universität zu Berlin, 2011, S.
102 ff. sowie: Elena Wiezorek, Eigentümerstandortgemeinschaften und Urban Governance. Eine Untersuchung kollektiven Handelns in der Stadtentwicklung am Beispiel von Wohnquartieren im demografischen Wandel. 2011, S. 32 f.
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und neue Akteurskonstellationen in diese Planungsprozesse einbezogen, die von Informalität,
Temporalität, Projektorientierung und Netzwerkcharakter gekennzeichnet sein können.
Netzwerkcharakter meint dabei, dass der Staat sich auf die Initiatoren- oder Moderatorenrolle
verlegt. Informalität beschreibt das Vorgehen, nämlich dass Urban Governance Prozesse weniger auf
formal-juristischen Steuerungsmodellen basiert sondern mehr auf sozioalkapitalbasierten,
informellen und oft persönlichen Absprachen zwischen Schlüsselakteuren. Temporalität und
Projektorientierung meint, dass bei längerfristigen Zielen gleichzeitig projektartige, temporäre
Maßnahmen stattfinden.18
Auch wenn die Ansätze, die die Städte wählen, vielfältig und unterschiedlich sind, setzt doch die
Förderung der Kreativwirtschaft und die Entwicklung geeigneter Räume eine Analyse der Ist-Situation
voraus, um wichtige Kennziffern zur Entwicklung zu liefern. Es empfiehlt sich, ein Beobachtungstool
zu konzipieren und gegebenenfalls auf Grundlagendaten der Stadtentwicklung zurückzugreifen.
Beobachtungsinstrumente, die in regelmäßigen Abständen wichtige Kennziffern zur Kreativwirtschaft
vor Ort liefern können, sind zum Beispiel Kreativ- und Kulturwirtschaftsberichte oder Online-Panels.
Sie ermöglichen, dass Zielaussagen und spezifische Indikatoren überprüfbar werden, und
ermöglichen sowohl mögliche Anpassungsmaßnahmen als auch eine umgreifende Evaluation der
Aktivitäten.19
Projekte, Instrumente und Maßnahmen für die Entwicklung von Kreativquartieren können
ausschließlich individuell in Workshopprozessen in den einzelnen Städten entwickelt werden.
Beispiele für Instrumente können lokale Wettbewerbe und Preise, Residenzen,
Arbeitsraumzuschüsse oder Ausstattungszuschüsse sein.20 Diese Maßnahmen sollten in
interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen erarbeitet werden, und können dann in
kleineren Fachgruppen dezidiert vertieft werden. Es empfiehlt sich möglichst viele unterschiedliche
Stakeholder für die Aktivitäten zu gewinnen und diese mit Blick auf eine langfristige Entwicklung
durchzuführen, zu evaluieren und eventuell anzupassen.
18 vgl. ebendem S. 110 ff. 19 vgl. Kreativität und Stadtentwicklung. Arbeitspapier der Fachkommission „Stadtentwicklungsplanung“ des
Deutschen Städtetags. 2010, S. 15 20 vgl. Individuelle Förderung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen. Pilotraum Ruhr. Stand: 14.04.2016,
S. 6
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Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), InfoKreativ. Praxistipps für Kreative & Kulturschaffende. Kunstmarkt, März 2015 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), InfoKreativ. Praxistipps für Kreative & Kulturschaffende. Designmarkt, März 2015 Creative Urban Renewal (CURE), Creative Zone Innovator, 2014 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode. Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, 2007
Deutscher Städtetag, Kreativität und Stadtentwicklung. Arbeitspapier der Fachkommission „Stadtentwicklungsplanung“ des Deutschen Städtetags, 2010 european centre for creative economy (ecce), Individuelle Förderung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen. Pilotraum Ruhr. Konzeptideen. Stand: 14.04.2016 Geographisches Institut, Humbold-Universität zu Berlin, Arbeitsberichte. Quartiere neu denken, 2011 Grafe, Peter, Dynamische Stadt: Kümmerer für die Kulturwirtschaft gesucht – zum Verhältnis von Stadt und Kulturwirtschaft, in: Kultur- und Kreativwirtschaft in Stadt und Region. Voraussetzungen, Handlungsstrategien und Governance. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2011 Landeshauptstadt Düsseldorf. Kulturwirtschaft in Düsseldorf. Entwicklungen und Potentiale, 2010
Söndermann, Michael, Leitfaden zur Erstellung einer statistischen Datengrundlage für die Kulturwirtschaft und eine länderübergreifende Auswertung kulturwirtschaftlicher Daten, 2009 Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Institut für Museumsforschung. Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2013, 2014 Stadtart, Planungs- und Beratungsbüro/Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft/ Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut , Öffentlich geförderter, intermediärer und privater Kultursektor – Wirkungsketten, Interdependenzen, Potenziale, 2012 Stadtart, Planungs- und Beratungsbüro/Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft/ Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamtwirtschaftlichen Handlungskette. Wirkungsketten, Innovationskraft, Potentiale. Kurzfassung eines Forschungsgutachtens im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, 2012 Wiezorek, Elena, Eigentümerstandortgemeinschaften und Urban Governance. Eine Untersuchung kollektiven Handelns in der Stadtentwicklung am Beispiel von Wohnquartieren im demografischen Wandel, 2011 Online: http://www.e-c-c-e.de/aktivitaeten/aktuell/kreativquartiere-ruhr/, Stand: 18.08.2016
http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KuK/Navigation/Kultur-Kreativwirtschaft/kunstmarkt.html, Stand: 11.08.2016