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20 Jahre Atelier in Schopfheim
Eine Retrospektive
Ausstellungskatalog Städtische Galerie
Kulturfabrik Schopfheim 2008
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Männertorso 2007 120 x 40 cm Öl auf Leinwand
Man sollte Kunst nur machen, wenn man etwas zu sagen hat Mark-Roland Fuchs
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Tonio Paßlick
Laudatio Der aus Schopfheim stammende Künstler Mark-Roland Fuchs hat sich im In- und Ausland einen Namen gemacht. Seine Werke waren unter anderem in der Schweiz, in Deutschland, in Frankreich oder in den USA zu sehen. In einer großen Werkschau präsentiert sich Fuchs in der Ausstellung in der städtischen Kulturfabrik. Die Badische Zeitung schreibt über ihn: „Neue, kraftvolle, expressive Malerei aus dem spontanen Akt des Malens.“
Ankündigung der Kulturoperative Schopfheim/Wehr Soweit, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ankündigung zu dieser Ausstellung, die wir in den Zeitungen lesen konnten. Mark- Roland Fuchs hat auch die Stadt Schopfheim als Künstler gut vertreten, bei der 20jährigen Jumelage-Feier in Poligny, zum Beispiel, oder bei der Landesgartenschau Grün 99 in Weil am Rhein, die ich damals künstlerisch kuratiert habe. Evolutionäre Motive, für die wir in den „Gärten der Zukunft“ eine Wald-lichtung geschlagen hatten, sind mir noch sehr gut in Erinnerung. Ein Jahr später die Ausstellung „2000 Jahre“ vor der Schwarzwaldkulisse. Man könnte meinen, hier stünde einer mit dem Gestus des Monu-mentalen. Aber Idee und Intention sind bei Mark-Roland Fuchs nicht auf Wirkung aus. Zumindest nicht auf vordergründige. Wer ihn wie ich schon seit Schulzeiten kennt, hat schon immer seinen Humor, seine Pointen geschätzt, die unvermittelt aus dem Wiesentäler heraus-brechen, als seien Worte Hülsen oder Projektile einer inneren Dynamik, als seien sie gleichsam unnötig, weil schon alles gesagt, aber das Wesentliche nicht verinnerlicht sei. Die Borke, die diesen inneren Kern schützt, wirkt sympathisch. Wir haben unter Freunden schon damals oft gelacht, weil wir die innere Spannung spürten, die sich nicht in Worten entladen wollte. Dafür seit fast 30 Jahren mit expressiven Pinselstrichen, mit flächigen und scharf konturierten oder eher tiefschürfend wirken-den Farbaufträgen. Diese Ausstellung ist nicht nur eine Würdigung der aktuellen Arbeiten von Mark-Roland Fuchs, sondern auch ein Rückblick auf 20 Jahre Schaffen in seinem Schopfheimer Atelier an der Entegast -straße.
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Die Techniken und Themen, die sich mit der Zeit verändert haben, folg-ten dabei eher den persönlichen Jahresringen und Erlebnissen als einer auf Aktualität bedachten Wahrnehmung künstlerischer Trends. Denn der Mensch war schon immer sein Thema und bleibt es wohl auch. Den Menschen im Kontext seiner Wahrnehmung von individueller Authentizität und gleichzeitig der Mensch im Spiegel erdgeschicht-licher Deutung. Was empfinden wir, wenn wir vor den Gravuren oder Felszeichnungen von Menschen stehen, die vor über 20 000 Jahren in Afrika oder Südfrankreich Abbilder des Homo Sapiens geritzt und ein-gefärbt haben? Welche Assoziationen nehmen in unseren Gedanken Gestalt an beim Betrachten der reduzierten Umrisse, der Gesichtsreliefs und dunklen Farbschattierungen auf den Porträts von Mark-Roland Fuchs? Und überhaupt: Was lesen wir im eigenen Spiegelbild und was im Angesicht des vermeintlichen vertrauten Freundes? Menschen. Ein Thema, das so alt zu sein scheint wie die Kunstgeschichte selber. Habitus und Sozialisation, Ritus und Spiritualität sind zwar ursprüngliche Themen von altsteinzeitlichen Höhlenzeichnungen bis zu klassischen Porträts und Götterdarstellungen, aber seitdem die Kunst nicht mehr allein repräsentativen und symbolischen Aufträgen folgend der Frage nachgeht, welche Identität sich hinter einem Blick, einer Kopfhaltung, einer Geste verbirgt , seitdem ist die Wahrnehmung und Darstellung des Gesichtes ein wesentliches Thema künstlerischer Verarbeitung. Was erzählt das Lächeln der Mona Lisa? Welche Geheimnisse birgt der Denker von Rodin? Wie tiefgründig ist der Blick in dem Villon-Motiv von Mark-Roland Fuchs, trifft homo sacer – der geheiligte Mensch - unsere Augen, ergründen wir sein Schicksal? „Et je m’en passeray“ zitiert er Villon, frei übersetzt „Und ich mach mir nichts draus“. Der Blick bleibt haften, beginnt nachzuwirken. Mit Homo Sacer ist ursprünglich eine Rechtsfigur aus dem römischen Strafrecht. Einer, der als vogelfrei galt und zugleich als Heiliger. Mark Roland Fuchs hat sich immer für Menschen interessiert, die am Rande leben, die auf der Kippe stehen, oder positiv formuliert: die inneren Zwiespälte wahrnehmen und sie als Teil ihres Wesens respektieren. Fuchs spricht aber nicht nur die Sozialisation des Einzelnen an, sondern bezieht die seelischen Klüfte und Verwerfungen, die inneren Prozesse, die auslösenden Augenblicke und den chemischen Geschmack der Veränderung in seinen malerischen Arbeiten ein. Abbilder repräsentieren Festgehaltenes, Beschriebenes, Erklärtes. Seine Bilder versuchen nicht zu deuten, sondern zu fragen. Durch ihre Reduktion des Gegenständlichen beschreiben seine Pinselstriche das Minimum an Kontur und die Farben die vorstellbaren Prozesse der Anima. Dies ist eine von Lebenserfahrung geprägte hohe Form von Respekt und Erkenntnis.
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Deshalb findet man auch eher Anteilnahme in seinen Bildern als Distanz. Aber ohne jede Verklärung, ohne jede Wertung. Selbst dann, wenn seine dargestellten Zusammenhänge gesellschaftskritische The-men beleuchten, wollen sie keinen Zeigefinger heben, sondern zu-nächst einmal nur wahrnehmen. Sehen und verstehen. Komplexes, Gegensätzliches, Unerzählbares. Mark-Roland Fuchs hat eigentlich Chemie studiert nach seinem Abi am Theodor-Heuss-Gymnasium, Schopfheim, das wir gemeinsam 1974 gefeiert haben. Dass er sich dann als Gast der Kunstakademie Freiburg oder im Druckatelier des Berufsverbands Bildender Künstler mit künst -lerischer Darstellung beschäftigt hat, ist für mich kein Spagat der Inter-essen. Im Gegenteil. Es wird auch wissenschaftlich gesehen immer offensichtlicher, dass das Verständnis feinstofflicher Prozesse auch für den sensiblen Künstler von eminenter Bedeutung sein kann. In seinen jüngeren Ausstellungen unter dem Tit el „Hors Sol“ hat er die Vorstellung der in wässrigen Lösungen angebauten Kulturen auf die menschliche Situation vieler Zeitgenossen übertragen, die „ohne Bodenhaftung“, also orientierungslos im unüberschaubaren Geflecht der Reizüber-flutungen oder der verlustig gegangenen Werte leben. Wenn er seine großen Bildprojekte in freier Landschaft als Experiment verstanden hat, dann nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in wegen der persönlichen Erfahrungen seiner intuitiven künstlerischen Prozesse. Luft riechen, Licht erfassen, wahrnehmen, auf innere Bilder wirken lassen und sie in künstlerische Formen gießen – das sind kleine Evolutionen mit dem ständigen Bereitschaft, Grenzen aufzubrechen. Und oft Auslöser expressiver malerischer Gesten. Er tat dies vor zwei Jahren auch äußer-lich. Indem er seine Arbeiten nicht mehr mit Rahmen oder Glas begrenzte. Und als er durch gutnachbarschaftliche Kontakte wertvolles, ursprüng-liches Japan-Papier aus dem Nachlass von Alban Spitz erhielt, war eine neue Reihe geboren, die auch dem Material, der Oberfläche, dem Relief eines Bildes Bedeutung verlieh. Der rasche intuitive Gestus der Skizze mit dem Pinselstumpf statt mit dem Haar entspricht der Geschwindigkeit des trocknenden Acryls – so entsteht aus der Chemie des Werkstoffs eine neue Ebene des Ausdrucks. Das Acryl trocknet zur pergamentartigen Haut, ein Mikrokosmos der Schrunde und Verwer-fungen. Schließlich ist auch unsere menschliche Haut nicht nur Hülle, sondern ein offenporiges Organ, das Licht und Luft aufnimmt und ver-arbeitet und beredtes Zeugnis unseres Lebensstils gibt.
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Der Künstler bleibt offen für Neuerungen, variiert die Erfahrungen des Auftrags von Öl auf Leinwand oder Acryl auf Holz oder Papier durch neue Möglichkeiten. Mit wasserlöslichen Ölfarben zum Beispiel. Was bleibt ist die Neugier auf die Prozesse und die Wahrnehmungen, auf Reflektionen über existentielle und philosophische Fragen des Mensch-seins. "Der Mensch ist des Menschen Wolf" Das klingt schon fast nach Francois Villon, den großen Barden und Poeten des 15.Jahrhunderts, dem Balladendichter des altfranzösischen Argots. In neuen Bildern finden wir Zitate aus einigen Balladen von Villon. Der grenzenlose Vagant.
Francois Villon
Nicht Dornen immer, auch die Rosen stechen, viereckig kann der Wagen sein, doch nie ein Rad, der Schleicher wird mit Gott noch leiser sprechen,
die Flügel hat der Wind und nicht das Blatt. Ich kenn den Geizhals schon am Gang, er macht nur kleine, vorsichtige Schritte,
Verschwender leben überall im Überschwang, und wer betrunken ist, kennt keine Mitte.
Ich kenne alle bis auf Punkt und Strich, ich kenn nur einen nicht, und der bin ich.
Es ist wie ich hörte, das erste Mal, dass der in Ried lebende Künstler auf Einladung der Kulturkooperation Schopfheim/Wehr in der Städtischen Galerie in der Kulturfabrik ausstellt. Eine würdige Wahl. Ich wünsche der Ausstellung, die bis zum 24. März geöffnet sein wird viele Besucher und beiden, dem Künstler wie der Kulturkooperative noch viel Erfolg.
17. Februar 2008 Städtische Galerie Schopfheim
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geboren 1955 in Schopfheim
seit 1980 freischaffend
seit 1988 Ateliers in Schopfheim und Ried
Einzel- und Gruppenausstellungen seit 1980 in der BRD, Schweiz, Schweden, USA und
Frankreich
Galerie „Forum Avis“, Paris unter der Schirmherrschaft des Goethe-Instituts,
der Deutsch-Französischen Handelskammer und Botschaft
Galerie „Carré d’Or“, Paris
unter der Schirmherrschaft von Jacques Chirac
Landesgartenschau „Grün 99“ Weil am Rhein Poligny, Frankreich, „20 Jahre Jumelage“
Ausstellungen 2007:
Kunstpalais Badenweiler Galerie „Au Soleil“, Biederthal, Frankreich
Villa Berberich, Kunstverein Bad Säckingen Zeller ART, Kulturverein Zell
Pieta, Schopfheim
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Roswitha Frey
Der Mensch ist des Menschen Wolf Der Mensch steht im Mittelpunkt der Ausstellung von Mark-Roland Fuchs in der Kulturfabrik / 20 Jahre Atelier Schopfheim „Man sollte Kunst nur machen, wenn man etwas zu sagen hat“, lautet der künstlerische Leitspruch von Mark-Roland Fuchs. Dass der Maler etwas zu sagen hat, zeigt seine Ausstellung mit früheren und neuesten Arbeiten in der Kulturfabrik Schopfheim. „20 Jahre Atelier in Schopf-heim“ ist der Anlass für diese Retrospektive in der Städtischen Galerie, die mit den eindrücklichen Menschenbildern des Malers aus Ried aus den 80er Jahren bis heute bekannt macht. Am Sonntag wurde die Ausstellung mit einer viel beachteten Ein-führungsrede des Weiler Kulturamtsleiters Tonio Paßlick eröffnet, der in-tensiv auf den Maler und sein künstlerisches Anliegen einging. In der Schau wird deutlich, dass es dem Künstler damals wie heute um ein existenziell wichtiges Thema geht: den Menschen. Viele Themen, die Fuchs in seinen monumentalen Großformaten anspricht, sind von un-verminderter Wucht, Dringlichkeit und Aktualität: „Der Tanz ums gol-dene Kalb“ symbolisiert die Gier nach Macht, Statussymbolen und Geld. Wie ein Gebirge ragen die abstrahierten Figuren in diesem Bild auf. Von ähnlicher expressiver und gesellschaftspolitischer Aussage-kraft ist das überdimensionale Gemälde „Blick ins Land“, das an der Stirnwand der Galerie hängt. Es zeigt drei silhouettenhafte Gestalten, die die Staatsgewalt versinnbildlichen, darunter die Exekutive in Ge-stalt eines Henkers. Auch die Farben Schwarz-Rot -Gold unterstreichen die Symbolkraft dieses Werkes. In einem weiteren Ölbild auf Leinwand, betitelt „Skorpion“, behandelt Fuchs das Kräftemessen zwischen Arm und Reich: An einem riesigen Tisch sind zwei Figuren beim Armdrücken dargestellt, und auf dem Tisch liegt wie eine Opfergabe einer kleiner Frauenakt in Skorpion-gestalt. Ein weiteres Thema, das sich wie ein roter Faden durch Fuchs’ malerisch intensive Gedankenwelt und durch diese Werkschau zieht, ist „Homo homini lupus“ – Der Mensch ist des Menschen Wolf.
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Vier Köpfe wirken in einem dieser Gemälde wie aus einem Felsen herausgemeißelt, bedrohlich und bedrückend düster über einer großen gelben Fläche, auf der eine kleine nackte Figur liegt: schutzlos, ausgeliefert, verletzlich. Der Maler widmet sich in der ihm eigenen Nachdenklichkeit immer wieder den dunklen Seiten des Lebens den Abgründen des mensch-lichen Daseins und der Seele, dem Menschen, in dessen Gesicht sich Angst, Schmerz, Leid, Ausgesetztsein spiegeln. Dies sieht man auch in der neuesten Werkreihe zu Balladen des Vagantendichters Francois Villon. Mit Graphit, Kohle und Ölfarbe hat Fuchs dunkel verschattete, nur sparsam angedeutete Köpfe und Figuren gemalt und Textzeilen von Villon hinein geschrieben. „Aus Not wird böse Tat geboren, hungriger Wolf entspringt dem Wald“, heißt es an einer Stelle. Diese Metapher vom hungrigen Wolf, der dem Wald entspringt, hat der Maler bildlich umgesetzt. Unter anderem in einem Bild, in dem ein nur schemenhaft erkennbarer Wolf zwischen dunklen Baumstämmen her-vortritt. Neben diesen Bildern, in denen bedrückende menschliche Tragik und Dramatik in stark reduzierter figürlicher Formensprache durchscheint, zeigt Fuchs auch verschiedene Akte und Köpfe, die seinen indivi-duellen Malstil und seinen Blick auf Mensch und Körper belegen. Oft stellt er Gesichter oder Akte halbiert dar, was eine ungemeine Konzen-tration und Verdichtung bewirkt. Die Frauenakte sind meist Torsi und in beinahe skulpturaler Plastizität gemalt: wie statuenhaft erscheint der weibliche Körper in diesen Arbeiten. Auch die Köpfe vermag Fuchs in bezwingender Dichte und farblicher Tiefenwirkung zu malen. Die dunklen Blau- und Grüntöne verstärken noch die Eindringlichkeit dieser Gesichter mit dem skeptischen und nachdenklichen Blick, die wie aus Schatten und dunklen Farbräumen herausmodelliert sind. Schön, dass Mark-Roland Fuchs die Schwere und Ausdrucksstärke dieser Malerei auflockert und kontrastiert durch eine Reihe klein-formatiger Zen-Bilder auf Japanpapier. An den Säulen im Raum ange-bracht, atmen diese mit wenigen Strichen auskommenden Figuren im Zen-Meditationssitz viel Luftigkeit und Leichtigkeit. Ja, manches erinnert daran sogar an den Schwung fernöstlicher Kalligrafie. Und dass der Figuren- und Menschenmaler Fuchs auch einen Blick für Landschaft hat, verraten seine farblich und kompositorisch sehr schön gelungenen Landschaftsbilder aus der hiesigen Gegend. 22. Februar 2008 Badische Zeitung
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Don’t look back 1989
100 x 80 cm Öl / Graphit auf Leinwand
Dance 1988
110 x 90 cm Öl auf Leinwand
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Villon 12 2008 120 x 40 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
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Villon 11 Villon 14 2008 60 x 50 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
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18 Nicht würgend griff der Böse an, Der, heiß von List , die Welt umgeht? Er stirbt so gut wie das Gesind, Aus diesem Leben fortgeweht. Das alles trägt hinweg der Wind. Dont par le col prent ly mauffez De mal talant tout eschauffez, Aussi bien meurt que cilz servans, De ceste vie cy bouffez : Autant en emporte ly vens. 19
Der Leib Was?
Das Herz Laß Wissen Dich erheben. Lies, laß die Narren.
Der Leib Gern führ ich das aus.
Das Herz Behalt es denn!
Der Leib Nun gut, ich wills probieren.
Das Herz Wart nicht, sonst kannst die Lust Du dran verlieren. Mehr sag ich nicht.
Der Leib Und ich mach mir nichts draus.
Le Corps En quoy?
Le cuer Lire en science, Laisser les folz!
Le corps Bien j’y adviseray.
Le cuer Or le retien !
Le corps J’en ay bien souvenance.
Le cuer N’atens pas tant que tourne a desplaisance Plus ne t’en dis.
Le Corps Et je m’en passeray. 20 Wo schmolz der Schnee des Winters hin? Mais ou sont les neiges d’antan?
Texte aus:
VILLON Sämtliche Dichtungen
Zweisprachige Ausgabe Inselverlag 1982
21 Die einen wurden, so wollt es Gott, Gar große Meister und Herren, Die andern, Bettler um ihr Brot, Ganz nackend vor den Fenstern plärren. Die andern sitzen an Klostertischen, Karthäuser und Cölestiner, Gestiefelt, wie zum Austernfischen. Seht, der ward Herr und der ein Diener. Et les autres sont devenus, Dieu mercy! grans seigneurs et maistres; Les autres mendient tous nus Et pain ne voient qu’aux fenestres ; Les autres sont entrez en cloistres De Celestins et de Chartreux, Botez, housez, com pescheurs d’oistres. Voyez l’estat divers d’entre eux. 22 Ich sag es alle Tag und Wochen, Und keiner mir den Mund verbind’, Ein altes Wort sei nachgesprochen: Von guter Mutter gutes Kind. Que jour ne le die et semaine Je ne sçay qui le me deffant. A ce propos ung dit ramaine: De saige mere saige enfant. 23 Aus Not wird böse Tat geboren, Hungriger Wolf entspringt dem Wald. Necessiré fait gens mesprendre EtfFaim saillir le loup du bois.
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François Villon -eigentlich François de Montcorbier oder des Loges – wurde 1431 in Paris geboren. Sein Schicksal nach dem Jahr 1463 und sein Todesjahr sind unbekannt. Hans Rheinfelder „Was ist dieses Menschenleben gewesen? In den zehn Jahren, die wir überschauen können, wird daraus eine völlig gescheiterte Existenz. Hemmungslos in seinen Trieben, schwachen Willens, jähzornig im Streit, wird Villon bei Gele-genheit zum Dieb, zum Einbrecher, zum Mörder, um sich schließlich berufsmäßig, im Bund mit anderen, der Straßen-räuberei hinzugeben. Nach dem Gesetz hat er mehrfach die Todesstrafe verdient … Tatsächlich ist Villon der bedeu-tendste Lyriker, den Frankreich im Mittelalter aufzuweisen hat. Und diese Zeit ist wahrhaftig nicht arm an Lyrik ge-wesen. Der Eigenbrödler, der Ausgestoßene, der poète maudit hat sie[...] alle übertroffen.“ Ezra Pound „Wenn Chaucer das große Ausreifen und die Morgenröte eines neuen Paideuma vertritt, dann vertritt Villon, die erste Menschenstimme, die durch ein falsches ökonomisches Sys-tem gebrochen wurde, auch das Ende einer Überiefe-rung, das Ende des mittelalterlichen Traumes [….]. Der här-teste, der glaubwürdigste, der absoluteste Dichter Frankreichs. Der Entrechtete, der Realist, zugleich Gelehrter. Aber der mittelalterliche Traum war aus ihm getrieben. Ein unüber-troffener Könner.“
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Frauentorso 8 2007 120 x 40 cm Öl auf Leinwand
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Frauentorso 9 2007 120 x 40 cm Öl auf Leinwand
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Jürgen Scharf
Ganz nahe am Abgrund Retrospektive mit Werken von Mark Roland in Schopfheim Seit 20 Jahren hat Mark Roland Fuchs sein Atelier in der Schopf-heimer Altstadt. Aus diesem Anlass präsentiert der Maler in der Städtischen Galerie in der Kulturfabrik auf Einladung der Kultur-kooperation der Städte Schopfheim und Wehr eine große Retrospektiv -Ausstellung. Worum es dem Künstler geht, der die Kunst nicht leicht nimmt, hat er in großen Lettern an die Wand geschrieben: "Man sollte Kunst nur machen, wenn man etwas zu sagen hat". Als Fuchs im vergangenen Jahr in der Bad Säckinger Villa Berberich ausstellte, war auch Wehrs Kulturamtsleiter Reinhard Valenta so beeindruckt, dass er diese neuerliche Werkschau anregte. Einige der dort ausgestellten Großformate sind in Schopfheim wieder zu entdecken. In allen diesen Bildern von den 80er Jahren bis heute bringt Fuchs in seiner hochexpressiven Malerei ein Existenzgefühl zum Ausdruck: die Angst des modernen Menschen. So gesehen ist der 52-Jährige auch einer jener entsetzten Visio-näre in der Nachfolge der Füssli, Blake, Bosch und Bacon, die wie er auch Abgründiges darstellen. Manchmal meint man beim Rundgang angesichts der dunklen Gestalten und trostlosen Ge-sichter, es sei das Bild gewordene Grauen, das den Maler bei der Betrachtung des Daseins befällt. Jedes Bild ein Schrei der mensch-lichen Seele. Die Gesichtsausdrücke: leidend, die Köpfe: gequälte Kreatur, die Farben: düster, der Ausdruck: dramatisch.
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Da gibt es die Serie "Homo sacer", der geheiligte Mensch, der ein Opferdasein führt, dann die Reihe "Homo homini lupus" (der Mensch ist des Menschen Wolf), wo es darum geht, dass der Stär-kere den Schwächeren unterdrückt. Und auch in der wieder neu aufgegriffenen Werkgruppe zu Texten von Francois Villon geht es um Sinnbilder für den Menschen in Not, das Ausgesetztsein, die dunklen Seiten des Lebens. Die Aspekte, mit denen sich Fuchs über die Jahre beschäftigt hat, sind Gesellschaft, Staat, Arm und Reich, Krieg, Gewalt, Opfer, Legislative und Exekutive. Obwohl die meisten dieser Arbeiten in den 80er und 90er Jahren entstanden sind, sind die Themen immer noch erstaunlich aktuell. Der biblische "Tanz ums goldene Kalb" wird als moderne Variante, als Tanz um das Statussymbol Auto, versinnbildlicht. Man muss sich beim Betrachten auf die Metaphorik des Betrof-fenseins einlassen, auf diese Stimmung der Tragik, des Leids, auf den kargen dunklen Realismus, der sich auch in der Malweise lastend ausdrückt: in einem Farbauftrag mit vielen Dunkelzonen. Manche statuarisch dargestellten Gestalten wirken wie in der anti-ken Tragödie, anderes, wie die Frauentorsi oder die halbierten Körper und Köpfe, muten eher skulptural an. Es tut dieser Ausstellung gut, dass die Schwere der monumentalen Figurenmalerei durch kleinformatige, meditative Zen-Bilder auf Japanpapier, ein luftiges Tanzbild in gestischer Leichtigkeit des Strichs sowie farblich helle, freundliche hiesige Landschaften auf-gebrochen wird.
27.02.2008 Südkurier
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Jürgen Scharf Kunst, sagt Kafka, sei Leid. Und sind nicht Mark-Roland Fuchs’ Köpfe und Gesichter leidend erfahrene Bildnisse der geschändeten Welt und der geschundenen Kreatur? Der Maler verarbeitet in seinen monströsen und teils unheimlichen Gestalten und den wie übermächtig und bedrohlich wirkenden Schatten eine Leiderfahrung. So gesehen ist die Malerei von Fuchs auch sprachloses Entsetzen vor den Gräueln der Zeit. Für diese Bilder braucht der Künstler keine realistische Umgebung, vielmehr beschwört er imaginäre Räume, in denen die Figuren oftmals die Gestalt einer Halluzination annehmen. Insoweit ist Fuchs’ surreal anmutende Malerei durchaus „kafkaesk“ in ihrer düsteren, bedrückenden, existenziellen Bildsprache. Im Endeffekt ist dies eine literarische Malerei. Jedes Bild ist ein Roman, eine Geschichte, die im Kopf des Künstlers abläuft. In dieser lite-rarisch-philosophischen Schiene ist der Zugang des Betrach-ters zu den Bildwerken von Mark-Roland Fuchs leichter mög-lich, denn die Bedrängnis, die von seinen Bildern ausgeht, ist oft schwer zu ertragen. Die Bilder, sagt er selber, müssen einen Inhalt haben, auch wenn ihn das manchmal quält.[…] Mark-Roland Fuchs will mit seiner Kunst etwas mitteilen, eine Botschaft vermitteln, dabei der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, sie „abbilden“. Dafür ist ihm die Figur Mittel zum Zweck. Doch selbst wenn es figürlich aussieht, ist es keine Dar-stellung von Situation, sondern eher geistige Reflexion. Im Prinzip sind seine Bilder Reaktionen auf Geschehnisse, eigent-lich globale Geisteszustände, die geschildert auf ein paar Quadratmeter Leinwand in Einklang gebracht werden mit der malerischen Komposition.
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Fuchs versucht, seelische Stimmungen mit äußeren Situation-en zu verbinden. Das malerische Mittel hat er bei Leonardo da Vinci entlehnt. […] Überhaupt orientiert sich der Künstler mehr an den alten Meistern als an der Gegenwartskunst. So steht er eindeutig in der humanistischen Tradition eines Michelangelos; hieraus gewinnt er die aktionserfüllte Dyna-mik, die Monumentalität, die seine Kunst prägen. Weitere bewunderte Vorbilder sind Pablo Picasso, der ihn sehr inspiriert hat und dessen Frage, wann ein Bild fertig ist, ihn vor jeder Leinwand beschäftigt, und Anselm Kiefer, dessen Stil er vor Augen hat, wenn er sich nächstes Jahr erstmals mit Landschaftsmalerei beschäftigen möchte. Vielleicht findet Mark-Roland Fuchs in der Landschaft dann eine andere malerische Erfüllung, als stets das Leiden an der Welt zu thematisieren. Aber Landschaft ist längst keine Heile-Welt-Idylle mehr, sondern von Zerstörung bedroht. Und wie man Mark-Roland Fuchs kennt, wird er auch auf Landschaft entsprechend reagieren, mit jener seismographischen Em-pfindichkeit und malerischen Vehemenz, die bisher sein Men-schenbild ausmacht.
Auszug aus dem Jahrbuch der Stadt Schopfheim 1998
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Entegast Maulburg Langenau 1 Maulburg Langenau 2
Sengele 2005
16 x 23 cm Öl / Kreide auf Papier/
auf Holz
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20 Jahre Atelier in Schopfheim
Ausstellung in der Kulturfabrik Schopfheim 17.02.-28.04.2008
Nr. Bezeichnung Maße / Material 1 Paar auf Bank
2003 200 x 175 cm Acryl auf Leinwand
2 Homo sacer 35 2007
40 x 40 cm Öl auf Leinwand
3 Homo sacer 29 2007
40 x 40 cm Öl auf Leinwand
4 Hors Sol 9 2002
85 x 60 cm Acryl auf Japanpapier
5 Homo sacer 15 2007
120 x 40 cm Öl auf Leinwand
6 Hors Sol 6 2002
85 x 60 Acryl auf Japanpapier
7 Hors Sol 14 2002
85 x 60 cm Acryl auf Japanpapier
8 Hors Sol 19 2002
85 x 60 cm Acryl auf Japanpapier
9 Hors Sol 11 2002
85 x 60 cm Acryl auf Japanpapier
10 Ohne Worte 1983
100 x 80 cm Öl / Graphit auf Leinwand
11 Mann mit Hut 1988
150 x 70 cm Öl / Graphit auf Leinwand
12 Bar Fly 1987
125 x 100 cm Öl / Graphit auf Leinwand
13 Dance 1988
110 x 90 Öl auf Leinwand
14 Don’t look back 1989
100 x 80 Öl / Graphit auf Leinwand
15 Zen stehend 5 1998
25 x 35 cm Acryl auf Japanpapier
16 Zen stehend 6 1998
25 x 35 cm Acryl auf Japanpapier
17 Zen stehend 7 1998
25 x 35 cm Acryl auf Japanpapier
18 Villon 14 2008
60 x 50 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
19 Villon 12 2008
120 x 40 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
20 Villon 11 2008
60 x 50 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
21 Villon 10 2008
40 x 40 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
22 Villon 9 2008
40 x 40 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
23 Villon 8 2008
40 x 40 cm Öl / Graphit / Kohle auf Leinwand
24 Villon 5 1992 / 2008
70 x 50 cm Öl / Graphit auf Holz
25 Villon 4 1992
70 x 50 cm Öl / Graphit auf Holz
26 Villon 3 1992
70 x 50 cm Öl / Graphit auf Holz
27 Villon 2 1992
70 x 50 cm Öl / Graphit auf Holz
28 Homo homini lupus 5 1990
170 x 140 cm Öl auf Leinwand
29 Frauentorso 17 2007
120 x 40 cm Öl auf Leinwand
30 Männertorso 2007
120 x 40 cm Öl auf Leinwand
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Akt 3 2004
30 x 30 cm Öl auf Leinwand
32 Akt 4 2004
30 x 30 cm Öl auf Leinwand
33 Akt 5 2004
30 x 30 cm Öl auf Leinwand
34 Akt 2 2003
80 x 60 cm Öl auf Leinwand
35 Marseille 2 2006
80 x 60 cm Öl auf Leinwand
36 Frauentorso 9 2007
120 x 40 cm Öl auf Leinwand
37 Frauentorso 8 2007
120 x 40 cm Öl auf Leinwand
38 Ice Cube Installation 1998
180 x100 cmÖl auf Leinwand Skulptur: 130 cm Holz / Beton / Blei
39 Zen sitzend 4 1998
20 x 30 cm Acryl auf Japanpapier
40 Zen sitzend 5 1998
20 x 30 cm Acryl auf Japanpapier
41 Zen sitzend 6 1998
20 x 30 cm Acryl auf Japanpapier
42 Zen sitzend 7 1998
20 x 30 cm Acryl auf Japanpapier
43 Zen sitzend 8 1998
20 x 30 cm Acryl auf Japanpapier
44 Zen sitzend 9 1998
20 x 30 cm Acryl auf Japanpapier
45 Den letzten beissen die Hunde 1990/1991
100 x 120 cm Öl / Graphit auf Leinwand
46 Villon 1 1988
130 x 100 cm Öl / Stahl auf Leinwand
47 Tanz ums goldene Kalb 1990
250 x 240 cm Öl / Graphit auf Leinwand
48 Blick ins Land 1988
200 x 240 cm Öl / Alu auf Leinwand
49 Skorpion 1990
170 x 200 cm Öl auf Leinwand
50 Homo homini lupus 3 1990
170 x 200 cm Öl auf Leinwand
51 Entegast 2005
16 x 23 cm Öl / Kreide auf Papier /auf Holz
52 Skyline I 2005
70 x 50 cm Öl / Kreide auf Papier/auf Holz
53 Skyline II 2005
70 x 50 cm Öl / Kreide auf Papier/auf Holz
54 Maulburg Langenau 1 2005
16 x 23 cm Öl / Kreide auf Papier /auf Holz
55 Maulburg Langenau 2 2005
16 x 23 cm Öl / Kreide auf Papier /auf Holz
56 Sengele 2005
16 x 23 cm Öl / Kreide auf Papier /auf Holz
57 Tanz 2007
120 x 120 cm Öl / Graphit auf Leinwand
58 Homer sacer 24 2007
40 x 40 cm Öl auf Leinwand
59 Homer sacer 21 2007
40 x 40 cm Öl auf Leinwand
60 Homer sacer 38 2007
40 x 40 cm Öl auf Leinwand
61 Zen stehend 8 1998
25 x 35 cm Acryl auf Japanpapier
62 Zen stehend 9 1998
25 x 35 Acryl auf Japanpapier
63 Homer sacer 42 2008
40 x 40 cm Öl auf Leinwand
64 Frau mit Ball 1998
70 x 50 cm Öl-Papier auf Holz
65 Mann mit Buch 1998
70 x 50 cm Öl-Papier auf Holz
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Ich danke den Förderern dieses Katalogs, ohne deren Unterstützung dieses Projekt nicht zustande gekommen wäre.
Autoren: Tonio Paßlick, Kulturreferent, Weil Roswitha Frey, Freie Journalistin, Schopfheim Jürgen Scharf, Freier Journalist , Schopfheim Photos & EBV: Bella Syga Dieter Syga, Schopfheim Idee & Gestaltung: Nora Jung-Syga, Schopfheim Der Katalog erscheint anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Februar 2008 in der Städtischen Galerie, Kulturfabrik Schopfheim. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ohne Genehmigung nicht gestattet. ©Copyright Mark-Roland Fuchs Atelier 26 Entegaststrasse 26 79650 Schopfheim +49 (0)7622-4939 Atelier Ried Ried 7 79692 Ried +49 (0)7629-427 Email: mark-roland.fuchs@gmx.de