Post on 29-Aug-2019
transcript
ANAPHYLAXIE -Akute bedrohliche
Hypersensitivitätsreaktion
Prof. Dr. Werner J. PichlerAllergologie, RIA
Inselspital/Universität Bern
ZIELEKENNTNISSE DER– klinischen Symptomatik– wichtigsten Ursachen– Pathogenese– Diagnostik– Therapie
DER ANAPHYLAXIE
Fall 1: Patient J.R. 21- jährig
• Ist in Praxis gekommen wegen Hexenschuss
• Erhält nach Untersuchung durch Arzt eine Ampulle Voltaren i.m.
• Nach 5 Minuten meldet er sich wieder:– Es juckt mich zuerst Hand palmar, Füsse
plantar, genital und axillär, Kopfhaut....– Dann am ganzen Körper– Es ist mir so sturm und gar nicht gut
Fall 1: Patient J.R. 21- jährig
• Er hat einen Ausschlag in Gesicht und an Händen, das Gesicht ist geschwollen.
• Sie wollen ihn ins UZ führen, unterwegs kollabiert er.
• der BD ist 60/40, der Puls 136, die Atmung pfeifend, seine Lippen werden blau. Er kann kaum mehr sitzen.
Fall 1: Patient J.R. 21- jährig
• Was ist passiert ?
• Wie lautet die Diagnose ?
• Was müssen wir tun?
Wie lautet die Diagnose ?
• Akute anaphylaktische Reaktion mit Beteiligung von– Kreislauf (arterielle Hypotonie)– Atemwegen (Bronchospasmus)– Haut (Urtikaria, Angioödem)
Warnzeichen der drohenden Anaphylaxie
• Juckreiz (palmar, plantar, genital, axillär,Kofhaut...), Flash Reaktion (Gesicht, Dekoltée)
• Uebelkeit• Todesangst• Bauchschmerzen (Krämpfe, auch des Uterus) • Erbrechen • Bewusstlosigkeit (RR-Abfall)• Urin und Stuhlabgang• ... Nicht warten, handeln !!!
Todesfälle durch Anaphylaxie wurden auch schon auf Intensivstation, mit allen Schläuchen und Zugängen, berichtet...; Ab bestimmten Punkt irreversibel !Anaphylaxie kann auch mit Asystolie beginnen (bei i.v. Medikamente z.B. NMBA)
1-5
Minuten
Gronemeyer W. Behandlung allergischer Krankheiten II. Allergie, Herausgeber Prof. Dr. K. Hansen, Lübeck, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
3. Auflage1957: 336
Der anaphylaktische Schock, d.i. die schwerste Allgemeinreaktion, tritt –soweit er sich nicht aus der milderen Verlaufsform entwickelt – bis auf wenige Ausnahmen, ..... einige Sekunden bis Minuten nach der Injektion, noch vor Ausbildung einer Lokalreaktion auf. Ein kurzdauerndesAlarmsyndrom kündigt die überaus gefährliche Situation an: Brennen, Jucken und Hitzegefühl auf der Zunge, im Rachen und besonders in Hand-und Fussflächen (s. auch unter Penicillin): fast gleichzeitig entwickelt sich ein sehr bedrohlicher Kreislaufschock, begleitet von einer fahlen, graublassen Zyanose. Der Puls wird klein und frequent, ist nicht mehr fühlbar, der Blutdruck sinkt auf extreme Werte ab, Bewusstlosigkeit, manchmal mit Krämpfen vom kortikalen Typ, sowie spontaner Abgang von Stuhl und Urin gegen dem Tod voraus. Der drohende Schock aber kann sich – wenn auch seltener – ebenso durch ein dem „akuten Abdomen“ähnliches Bild mit schwersten krampfartigen Schmerzen verschiedenartiger Lokalitäten äussern. Sobald jedoch im weiteren Verlauf Hauterscheinungen(Urtikaria, Quincke-Ödem usw.) hinzutreten, wird auch für den weniger Erfahrenen die Differenzialdiagnose nicht schwer sein.
Anaphylaxie• Meerschweinchen: meist tot nach
Anaphylaktischem Schock infolgeBrochospasmus
• Hund: Erbrechen, Urin & Kotabgang, schläft 1-2hr, schüttelt sich und trottet davon
• Kaninchen: Muskelkrämpfe, Atemstillstand, Tod• Mensch: ca. 1-2% der schweren Fälle tödlich;
– Anaphylaxie mit BD Abfall wegen Urtikaria, Volumenverschiebung..... meist „benigne“.
– Anaphylaxie mit Herzrhythmusstörungen und BD Abfall, Todesangst....(cave!!, oft Residuen, auch psychisch)
WAS IST ZU TUN?• Schocklagerung• Praxisalarm auslösen, REA-Set holen• Sauerstoff zuführen• Adrenalin 0.3 bis 0.5 mg i.m.• Infusion stecken 0.9% NaCl, rasch laufen
lassen– Antihistaminikum langsam i.v. (z.B. Tavegyl)– Kortikosteroid i.v. (z.B. Solumedrol)
• Falls nötig REA, Ambulanz, Hospitalisation
WAS IST ANAPHYLAXIE ?EAACI 2001
Anaphylaxie ist eine
schwere, lebensbedrohliche, generalisierte
Hypersensitivitätsreaktion
ANAPHYLAXIE: Wichtigste verantwortliche Medikamente
• Analgetika (NSAR)
• Röntgen-KM• Proteine• diverse• Antibiotika
• Muskelrelaxantien (NMBA)
• Antibiotika• Latex • Farbstoffe
Innere Medizin Perioperativ
ANAPHYLAXIE: Wichtigste Nahrungsmittelallergene
• Milch, Weizen, Eier: Früh manifest, weniger schwere Symptome, wird oft ausgewachsen
• Erdnüsse, Nüsse, Meeresfrüchte:meist später manifest, oft schwere, potentiell tödliche Symptome, Persistenz lebenslänglich
• Kreuzreagierende NM-Allergeneeher spät manifest, selten tödlich, meist persistierend: z.B.Sellerie, Karotten, Gewürze mit Beifusspollen
ANAPHYLAXIE: wichtigste stechende Insekten
• Bienen• Wespen• Hornissen• Hummeln• Ameisen• Bremsen, Mücken, Flöhe, Wanzen
etc
PATHOGENESE DERANAPHYLAXIE
• Immunologisch bedingt– IgE-vermittelt – Andere Antikörper, z.B. IgG (Dextrane)– Komplementaktivierung (Anaphylatoxine)
• Nicht immunologisch bedingt– Direkte Mediatorliberation aus
Effektorzellen (z.B. Opiate, Chinolone)– Interferenz mit Arachidonsäure-
metabolismus
PATHOGENESE DER ANAPHYLAXIEIgE – Allergen Interaktion
Mediatorfreisetzung
VasodilationErhöhte Gefässper-meabilitätErbrechen,DiarrhoeDIC, Hämorrhagien
BronchialobstruktionLarynxödem Lungenödem
Kardiotoxizität-Arrhythmien-Ischämie-neg.Inotropie
HYPOVOLEMIE HERZVERSAGEN
ANAPHYLAXIE
HYPOXIEAZIDOSE
Systemreaktionen bei Anaphylaxie
Einteilung in 4 Schweregradenach H.L. Mueller
I Juckreiz, Urtikaria, (Fern-)Angiödem
II: Übelkeit, Bauchschmerzen, Krämpfe, Diarrhoe
III: Bronchospasmus. Larynxoedem
IV: Schwindel, Herzrasen, HerzRhythmusstörungen, Kollaps,Urin und Stuhlabgang, Krämpfe
100
88
69
65
63
8
8
3
0 20 40 60 80 100 120
BD-ABFALL
Bewusstseinstrübung
Dyspnoe
GI-symptome
Haut-symptome
Arrhythmie
Stenokardie
Krämpfe
% mit
HÄUFIGKEIT VERSCHIEDENER SYMPTOME BEI 52 PATIENTEN MIT
ANAPHYLAKTISCHEM SCHOCK NACH INSEKTENSTICHEN
ANAPHYLAXIEzeitlicher Ablauf
• Beginn meist zwischen 0 und 60 Minuten nach Exposition
• Dauer– In > 80% weniger als 6-10 Stunden– In 10 – 20 % weniger als 48 Stunden– Selten (5-10%) biphasischer Verlauf– Selten Spätkomplikationen
(Altersabhängig)
132 TODESFäLLE AN INSEKTENSTICHEN IN DER
SCHWEIZ 1961 - 2003
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03
Durchschnittliche Anzahl Todesfälle/Jahr 3.07 (0 - 8)
Zeitintervall vom Stich zum Todeseintritt
bei 24 Todesfällen nach Insektenstichen in der Schweiz 1978-87
17
5058
7583
100
0
20
40
60
80
100
% verstorben
Zeit nach Stich5´ 30´ 60´ 240´ 1 Tag 14 Tage
• Wirksamkeit gegen wichtigste Anaphylaxie-Symptome
• Rascher Wirkungseintritt
• Einfache Applikation
ANFORDERUNGEN AN MITTEL ZUR
ANAPHYLAXIEBEHANDLUNG
MEDIKAMENTE FÜR DIE BEHANDLUNG DER ANAPHYLAXIE
• Sympathikomimetika (Adrenalin, Dopamin, β2-Stimulatoren)
• Antihistaminika• Kortikosteroide• Andere
– Plasmaersatzmittel – Antiarrhythmika, etc
WIRKUNGSEINTRITT ANTI-ANAPHYLAKTISCHER
MEDIKAMENTE
Medikament Wirkungseintritt in Minuten per os i.m/i.v
Adrenaline - < 1
Antihistaminika > 30 < 5
Kortikosteroide > 60 > 60
WIRKUNGEN ANTI-ALLERGISCHER MEDIKAMENTE
SYMPTOME Antihista- Adrenalin Kortiko-minika steroide
Vasodilatation ++ +++ +Gefässdurch-lässigkeit +++ +++ +++
Bronchospasmus + +++ +++
Hypersekretion + + +
Kardiotoxizität (+) +/- 0
BEHANDLUNG SCHWERER ANAPHYLAKTISCHER REAKTIONEN
NOTFALLARZT
Medikamentös weitere Massnahmen
Adrenalin 0.3mg i.m. Schocklagerung, O2-Zufuhr
Venöser Zugang: BD, Puls, Atmung überwachen- Volumen: NaCl 0.9% falls nötig Reanimation - Antihistaminika langsam i.v.(z.B.Clemastine 2mg) HOSPITALISATION- Kortikosteroide i.v.(z.B. Solumedrol 125 mg)
PROPHYLAKTISCHE MASSNAHMEN BEI ANAPHYLAXIE
• Instruktion Expositionsprophylaxe– Vorkommen des Allergens– Verhaltensmassregeln– Alternativmedikamente
• Notfallausweis• Notfallmedikamentenset• Evtl Immuntherapie
MANAGEMENT DER HYMENOPTERENGIFTALLERGIE
Notfallmedikamente zur Selbstapplikation
- Adrenalin Auto-injektor (Epipen®)
- Notfalltabletten: * Antihistamin (Cetirizine 10mg) 2 Tabletten* Prednisolon 2 Tabletten à 50 mg
Vorgehen bei Stich- sofort alle 4 Tabletten schlucken
- Epipen bereit machen, bei Allgemeinsymptomen applizieren
-nächsten Arzt oder Notfallstation aufsuchen
IMMUNTHERAPIE BEI ANAPHYLAXIE
• Gut bewährt bei Insektengiftallergie
• Experimentell bei gewissen Formen von NM-allergie
• Desensibilisierung bei Medikamentallergie
WIRKSAMKEIT DER GIFT-IMMUNTHERAPIE AUFGRUND VON
STICHPROVOKATIONENAutor Patienten mit AR bei Provokation mit
Honigbiene Wespe
Gillman 1980 4/18 (22%) nd
Hoffman 1981 5/25 (20%) nd
Müller 1992 34/148 (23%) 5/57 (9%)
Golden 1981 nd 4/147 (3%)
Mosbech 1987 nd 0/19 (0%)
Frau XY, 72 j (1)• Anamnese : Arteriosklerose, PAVK, COPD • Wespenstich in den Nacken am 19-9-2001
juckender Ausschlag, AtemnotNotfallarzt behandelt mit Antihistaminika
und Kortikosteroiden i.v., leichte Besserung, nach 45 Minuten Entlassung nach Hause
• Auf dem Heimweg nach 5 Minuten Kollaps, Bewusstlosigkeit
notfallmässige Hospitalisation
SPITALEINTRITT• Patientin ist wieder bei
Bewusstsein • Klinische Untersuchung zeigt
rechtseitige brachiofazialeHemiparese, partiellesensomotorische Aphasie
Frau XY, 72 j (2)
TAKE HOME MESSAGES• Anaphylaxie ist die schwerste Form einer
akuten allergischen Reaktion– Kann tödlich verlaufen oder zu bleibender
Morbidität führen– Die korrekte Notfallbehandlung kann
lebensrettend wirken– Alle Patienten mit Anaphylaxie müssen
allergologisch abgeklärt werden• Genaue Ursache• Vermeidung Reexposition• Notfallmedikamente zur Selbstapplikation• Ausweis