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Islamic Banking – auch in Deutschland?
Hagener Hochschulgespräche Fachhochschule Südwes>alen 5.12.2011
Islamic Banking in Deutschland: TheoreFsche Einordnung und
ImplikaFonen Dipl.-‐Vw. Ugurlu Soylu
CALIBRI BOLD 42 pt Übersicht
I. Einleitung 1. Fragestellung und Erkenntnisinteresse 2. Defini=on 3. Geschichtlicher Überblick und aktuelle Entwicklung 4. Funk=onen des IB
II. TheoreFsches Rahmenwerk: 1. Modelltheore=sche Einordnung 2. Rechtsmethodologische Effekte
III. ImplikaFonen des Rahmenwerkes auf das GeschäRsmodell 1. MiLelverwendung
a. GeschäOsumfang b. GeschäOsumsetzung
2. MiLelherkunO IV. Mögliche Folgen für den Finanzmarkt Deutschland V. Resümee und Ausblick
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CALIBRI BOLD 42 pt EINLEITUNG
CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
Islamic Finance als mögliche Alterna=ve bzw. sinnvolle Ergänzung des konven=onellen Finanzmarktes oder doch nur ein Trugschluss?
Hoffnungen , aber auch Ängste…
Inwieweit können modelltheore=sche Ansätze uns eine Antwort darauf geben?
1. Fragestellung und Erkenntnisinteresse
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CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
§ Komplexes, weithin unbekanntes Thema
§ Keine freiheitliche GesellschaO, die IB prak=ziert § Gedankliche Ableitungen eines Verstehens-‐ und Erklärungsprozesses aus dem historischen Vermächtnisses des Islam
Hierbei:
o Authen=zität der Überlieferungen
o Erfassen der Überlieferungen im historischen Kontext und korrekte begriffliche und inhaltliche Übertragung in die Gegenwart
o Praxisbezug und Realisierbarkeit
a. Grenzen und Probleme
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1. Fragestellung und Erkenntnisinteresse
CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
§ ModellhaOe Darstellung der Wechselwirkung zwischen IB und
Konven=onellem Banking
§ Theore=sches Rahmenwerk des IB
§ Implika=onen des Rahmenwerkes auf Umsetzung des IB
b. Vorgehensweise
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1. Fragestellung und Erkenntnisinteresse
CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
2. DefiniFon: Was ist Islamic Banking? Was nicht? Islamic Banking ist der Versuch, den impliziten Anspruch der Vereinbarkeit zwischen wirtschaOlichem Antrieb und islamisch begründetem Moralsystem möglichst adäquat (Systemtreue) und effizient (gewinnorien=ert) im Bereich des Bankwesens umzusetzen.
(Eigene Defini=on)
Keine Wohlfahrtsorganisa=on
Keine staatlichen Aufgaben wie Umverteilung, gerechte Einkommensverteilung, poli=sche Profilbildung etc.
Kein Missionseifer
Offen für alle, gleich welcher Na=onalität, Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung
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I. Einleitung
3. Geschichtlicher Abriss und aktuelle Entwicklung
Wiederentdeckte Zurückführung des wirtschaOlichen Handelns gemäß den Grundlagen des Islams.
Sie ist auch beeinflusst durch die Bemühungen e i n i g e r i s l a m i s c h e S t a a t e n i m R a h m e n d e r n a c h k o l o n i a l e n Z e i t , e i n e e i g e n e n a = o n a l e Iden=tätsbildung zu kons=tuieren.
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CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
Mit etwa 40 Jahren ist IB eine sehr junge Industrie.
Noch immer ein Nischenmarkt, aber
inzwischen weltweit vertreten und
mit starkem zweistelligen Wachstum im DurchschniL.
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3. Geschichtlicher Abriss und aktuelle Entwicklung
CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
County 2007 2008 2009 2010
Iran 235 293 369 406
S.Arabia 92 128 161 177
Malaysia 67 87 109 120
UAE 49 84 106 116
Kuwait 63 68 85 94
Bahrain 37 46 58 64
Qatar 21 28 35 38
UK 18 19 24 27
Turkey 16 18 22 25
Bangladesh 6 8 9 10
Sudan 5 7 9 10
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3. Geschichtlicher Abriss und aktuelle Entwicklung
CALIBRI BOLD 42 pt I. Einleitung
County 2007 2008 2009 2010
Egypt 6 6 8 9
Pakistan 6 5 6 7
Jordan 3 5 6 6
Syria 1 4 5 5
Iraq -‐ 4 5 5
Indonesia 3 3 4 5
Brunei 3 3 4 4
Other Countries 7 7 9 10
Total 639 822 1,036 1,139
Table 1: Size of the Islamic financial services industry (in USB billions) Source: Global Islamic Finance Report 2010
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3. Geschichtlicher Abriss und aktuelle Entwicklung
I. Einleitung
4. FunkFonen des IB VolkswirtschaRliche Grundaufgaben einer Bank: Ausreichende Kapitalversorgung der RealwirtschaO durch Transforma=on der:
§ Risiken (aufgrund Informa=onsasymmetrie durch Diversifizierung)
§ Fristen (kurzfris=ger Einlagen zu langfris=gen Krediten)
§ Beträge (von kleineren Einlagen zu großen Inves==onssummen) und Senkung der Transak=onskosten (Such-‐, Verhandlungs-‐ und Durchsetzungskosten).
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CALIBRI BOLD 42 pt TheoreFsches Rahmenwerk
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches Rahmenwerk
1. ModelltheoreFsche Einordnung
Folgende Wirkungszusammenhänge zwischen IB und KB wären denkbar:
IB KB
IB KB
IB KB IB KB
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CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
Phase 1: Übergang von Anarchie zu Rechtssystemen
These 1: Rechtssystem als Teilmenge des Handlungsraumes der Anarchie (-‐-‐> Verkleinerung des Handlungsraumes)
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1. ModelltheoreFsche Einordnung
A N A R C H I E
RECHTSSYSTEM
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
Phase 1: Übergang von Anarchie zu Rechtssystemen
These 2: Rechtssystem als SchniLmenge der Anarchie mit Vergrößerung des Handlungsraumes
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1. ModelltheoreFsche Einordnung
RECHTSSYSTEM
A N A R C H I E
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
Phase 2: Die Einbedung des (islamisch) religiösen Rechts in säkulares Recht
These 1: Islamische Religion als Teilmenge des bestehenden Rechtsrahmens
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1. ModelltheoreFsche Einordnung
A N A R C H I E
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
Phase 2: Die Einbedung des (islamisch) religiösen Rechts in säkulares Recht
These 2: Islamische Religion als Überlagerung des Rechtssystems
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1. ModelltheoreFsche Einordnung
A N A R C H I E
Kategorie C
Kategorie A
Kategorie B
CALIBRI BOLD 42 pt a) Offenheit
Muslime sind angehalten, offen und aufnahmebereit für Neues oder
Fremdes zu sein
Prophetenüberlieferung:
"Sei das Wissen auch in China, so geht hin und eignet es euch an."
Islam als Kultur verschiedener Religionen
Keine Berührungsängste mit anderen Kulturen
Schnelle Diffusion fremder Innova=onen
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II. TheoreFsches RW 2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
b) Meinungsvielfalt als Regelfall
Unterscheidung zwischen defini=ven und nicht eindeu=gen Quellentexten Glaubensdogmen beruhen nur auf defini=ve Texte
Begrenzung der als unveränderlich erachteten Dogmen
Spielraum für abweichende Ansichten somit größer
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2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
b) Meinungsvielfalt als Regelfall (Forts.)
Deutlich wird dies insbesondere im islamischen Recht, wo es (mindestens) vier gleich berech=gte Rechtsschulen gibt Am Meinungspluralismus orien=erte Tradi=on der Streitkultur Prophetenüberlieferung:
"Die Meinungsverschiedenheit meiner Gemeinscha; ist eine Barmherzigkeit."
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2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
c) Rechtsquellen und -‐methodologie Hauptquellen: § Quran
§ Sunna: Prophetentradi=on
§ Idschmaa: Konsens aller Gelehrten einer Ära
§ Qiyas: Anologieschluss
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2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
c) Rechtsquellen und -‐methodologie (Forts.) Nachgeordnete Quellen: Is@slah: Orien=eren am Gemeinwohl
Hieraus al-‐maqasadu al-‐schariah: Schutz des Lebens, Religion, Verstandes, Folgegenera=onen und Eigentums
SiBen und Gebräuche Is@hsan: Die Bevorzugung des Leichteren aus mehreren Alterna=ven;
Pragma=smus Is@shab: Gül=gkeit des status quo ante;
Hieraus: # in dubio pro reo # Erlaubtes als Regelfall
Frühere Religionen
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2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
d) Vertragsfreiheit
Schon aus der Rechtsmethodologie kann man erahnen, dass im Islam der Grundsatz der Vertragsfreiheit besteht. Im Koran wird verkündet (Sura 4:30):
"O ihr Gläubigen! Bringt euch nicht untereinander in betrügerischer Weise um euer Vermögen! Anders ist es, wenn es sich um ein GeschäR
handelt, das ihr in gegenseiFgem Übereinkommen abschließt."
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2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt II. TheoreFsches RW
e) Zwischenfazit
Der Islam beeinflusst sowohl den Umfang der Tä=gkeit der WirtschaOsakteure als auch die Art und Weise deren Umsetzung. Trotz dieses immensen Einflusses wäre es aber falsch, sich das islamisch begründete Rahmenwerk einer WirtschaO als ein unveränderliches, isoliertes, monolithisches und abgeschlossenes Gedankengerüst vorzustellen. Die Enzaltung der Ins=tu=onen und GeschäOsgebaren wird nur verständlich, wenn man sich diese Rahmenbedingungen vor Augen führt: Ø Offenheit und Vertragsfreiheit Ø Grundsatz des Erlaubten Ø Meinungspluralismus
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2. Rechtsmethodologische ImplikaFonen
CALIBRI BOLD 42 pt ImplikaFonen des Rahmenwerkes auf das GeschäRsmodell des IB
2. Unterscheidung der IB in der Midelverwendung (AkFva der Bilanz): a. GeschäRsumfang
Nega@vliste Geschä;sbereich: Ø Rüstungsindustrie
Ø Tabak
Ø Alkoholindustrie
Ø Schweinefleisch
Ø Glücksspiel
Ø Pros=tu=on
Ø Alle gemeinwohlschädigende GeschäOe
Positivliste der möglichen Geschäfte rechtlich nicht ableitbar! 27
CALIBRI BOLD 42 pt III. ImplikaFonen RW
CALIBRI BOLD 42 pt a. GeschäRsumfang (Forts.)
GHARAR: Unsicherheit, Verbot von Spekula=on und überhöhten, vermeidbaren Risiken TRANSPARENZGEBOT Allermeisten Derivate, Op=onsscheine n. möglich (keine Hebelwirkung)
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CALIBRI BOLD 42 pt III. ImplikaFonen RW 1. Midelverwendung
CALIBRI BOLD 42 pt a. GeschäRsumfang (Forts.)
RIBA: Zinsverbot Aber: Zinsdefini=on und Argumenta=on im Islam eine andere. Verboten: Tausch zweier gleicher homogener (zählbarer) Güter in unterschiedlichen Mengen. Außerdem: Güter haben Zeitwert! Gegenwär=ges Gut ist mehr wert als ein zukünOiges Gut. D.h.: Verboten: Tausch zweier homogener Güter in gleichen Mengen zu unterschiedlichen Zeitpunkten!
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CALIBRI BOLD 42 pt III. ImplikaFonen RW 1. Midelverwendung
CALIBRI BOLD 42 pt a. GeschäRsumfang (Forts.)
Finanzierungsinstrumente: Beteiligungsfinanzierung Ähnlich einer Fremdkapitalfinanzierung
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CALIBRI BOLD 42 pt III. ImplikaFonen RW 1. Midelverwendung
2. Unterscheidung der IB in der MidelherkunR (Passiva der Bilanz):
Sparkonten sind Konten mit gewinn-‐ und Verlustbeteiligung Weiterreichungsmöglichkeit der Verluste an den Sparer
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CALIBRI BOLD 42 pt III. ImplikaFonen RW
CALIBRI BOLD 42 pt Mögliche Folgen für den Finanzmarkt in Deutschland
Etablierung IB würde: v mehr Kapital aus der MENA-‐Region anziehen
v weniger Kapitalabfluss sicherstellen v Größere Finanzmarktstabilität bieten, da
Ø höherer Diversität des Marktes und Ø keine Kreditblasen aufgrund der Unterlegung aller
Finanztransak=onen mit Gütern v Geringere Finanzmarktstabilität bieten, da kein lender of last resort v besseres Anreizsystem, da weniger moral hazard 33
CALIBRI BOLD 42 pt IV. Mögliche Folgen für den deutschen Finanzmarkt
CALIBRI BOLD 42 pt Resümee u. Ausblick
CALIBRI BOLD 42 pt V. Resümee
Trotz ihrer jungen Geschichte hat sich Islamic Banking global etabliert. Gefördert hat diese Entwicklung sicherlich folgende historische-‐ideellen Grundlagen: Ø Keine Berührungsängste mit fremden Produkten Ø Pragma@sch Ø Vielfalt verschiedener Ansätze Dabei zeigte sie sich sehr krea=v in der Umsetzung der ethischen Vorgaben. Doch genau diese Replika=on konven=oneller Produkte wird jedoch kri=sch bewertet: Ø Problem des Profilverlustes
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V. Resümee
IB bietet neben der Erfüllung vw Aufgaben einer Bank ethische BerücksichAgung seiner Produkte, höhere Transparenz (Verbot von Derivaten, Op=onsscheinen, Leerverkäufen), größere Sicherheit (Verbot von Inves==onen in überschuldete Unternehmen u. Spekula=on, fehlende Hebelwirkung) größere Marktstabilität (Einklang zw Realsektor und Kreditsektor, größere Marktvielfalt und Diversifika=onsmöglickeit)
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V. Ausblick
Bestehende Herausforderungen
Steuerliche WeLbewerbsnachteile IB (MwSt, Grunderwerbssteuer)
Einlagensicherung
Ethische Standardsetzung
Kontrolle der Einhaltung der ethischen Vorgaben
Art der organisatorischen Einbindung des Ethikrates
Qualifika=on der Ethikratmitglieder
Menpower
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Kontakt
Dipl.-‐Vw. Ugurlu Soylu
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